Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 04. Feb. 2013 - 10 K 542/12

bei uns veröffentlicht am04.02.2013

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen für die operative Behandlung einer Liposuktion als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sind, ohne dass ein vorheriges amtsärztliches Attest vorlag.
Die Klägerin war als ... nichtselbständig tätig, ihr Ehemann arbeitete bei einer .... Mit der Einkommensteuererklärung 2007, die am 31. März 2008 beim beklagten Finanzamt einging, machte die Klägerin Aufwendungen in Höhe von insgesamt 12.228 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend (ESt-Akten Bl. 6 und 21), wovon der größte Betrag von 11.520 EUR auf die Vorauszahlung von Operations- und sonstigen Kosten an eine Firma X GmbH im Therapiezentrum A, sowie Arztrechnungen des dort tätigen Dr. Y entfielen. Ausweislich des Kontoauszugs wurde die Zahlung am 16.11.2007 im Voraus geleistet. Auf dessen Inhalt wird Bezug genommen. Daneben waren Beträge von 2 x 30,34 EUR für Rezeptgebühren vom 12.12. und 28.12.2007, Rezeptgebühren Krankengymnastik vom 14.8.2007 von 18,64 EUR, eine Kompressionsstrumpfhose vom 14.12.2007 mit 10 EUR, ein amtsärztliches Zeugnis vom 18.12.2007 mit 71,30 EUR enthalten. Beigefügt war eine nachgereichte Anlage, in der zusätzlich Fahrtkosten zum Therapiezentrum mit 337,20 EUR und ein Schnuppertag medizinische Leistung gemäß Anlage mit 99 EUR ergänzt worden waren, so dass die gesamten außergewöhnlichen Belastungen insgesamt 12.228 EUR betrugen. Die Operation vom 27.11.2007 erfolgte zunächst an den Beinen außen, außerdem waren Aufwendungen für den Aufenthalt im Therapiezentrum vom 26.11.2007 bis 2.12.2007 mit einem Rechnungsbetrag von 1.129,08 EUR enthalten. In der Folgezeit erfolgten weitere Operationen am 15.1.2008, bei denen die Beine innen operiert wurden, hierzu erfolgte ein Aufenthalt vom 14.1.2008 bis 20.1.2008, die Rechnung über die Schnuppertage über 99 EUR datierte vom 13.6.2007 für den Aufenthalt vom 11.6. bis 13.6.2007. Die Operation der Arme erfolgte am 7.4.2008.
Beigefügt war ein privatärztliches Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. B, C und D vom 26.7.2007, bei dem dargestellt wurde, dass im Sommer 2006 ein Lipödem diagnostiziert worden war, zwischenzeitlich eine Gewichtsreduktion um 15 Kilo erreicht worden und die Patientin mit flachgestrickten Kompressionsstrümpfen versorgt worden sei, diese betreibe mehrmals in der Woche Aquajogging. Bei der klinischen Untersuchung finde sich das deutliche Lipödem nicht nur an den Beinen, sondern diese begännen nun auch an den Oberarmen. Als Empfehlung wurde eine Fortführung der bisherigen entstauenden Maßnahmen vorgeschlagen, eventuell Liposuktion.
Die Klägerin beantragte bei ihrer Krankenkasse, der Z in E, die Kostenübernahme für eine Liposuktion. Durch Bescheid vom 8. November 2007 lehnte die Z dies ab. Zur Begründung führte sie aus, laut Aussage des medizinischen Dienstes der Krankenkasse handele es sich bei der beantragten Liposuktion um eine unkonventionelle Behandlungsmethode. Diese sei so lange von der vertraglichen Kassenleistung ausgeschlossen, bis der gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Empfehlung abgegeben habe. Eine solche Empfehlung liege über diese Methode bisher nicht vor. Es stünden aus schulmedizinischer Sicht Behandlungsmöglichkeiten, nämlich die konservative Behandlung mittels komplexer physikalischer Entstauungstherapie (manuelle Lymphdrainage, Kompression, Krankengymnastik) zur Verfügung. Eine Kostenübernahme könne deshalb nicht erteilt werden. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsentscheidung vom 27.3.2008 zurückgewiesen. Die darauf eingelegte Klage vor dem Sozialgericht blieb erfolglos.
Die Klägerin legte Atteste des behandelnden Arztes bei der X GmbH vor und zwar von Herrn Dr. Y. Dieser vertrat im Attest vom 24.4.2008 sowie den übermittelten Untersuchungsberichten (Befundberichten) vom 26.1.2008, auf die verwiesen wird, die Auffassung, dass die Operation aus medizinischer Sicht notwendig gewesen sei, da die Patientin sonst eine lebenslange manuelle Lymphdrainage und Kompression gebraucht hätte. Ziel der Operation auf lange Sicht sei, dass die Patientin keine manuellen Lymphdrainagen und Kompression mehr benötige und schmerz- sowie beschwerdefrei sei.
Am 1.2.2008 stellte das Gesundheitsamt des F-Kreises folgende Bescheinigung für die Klägerin aus, die diese dem beklagten Finanzamt vorlegte:
„Die Liposuktion ist als Behandlungsmethode des vorliegenden Störungsbildes nicht anerkannt und kann aus diesem Grund aus medizinischer Sicht nicht als notwendig angesehen werden. Die psychische Beeinträchtigung kann durch den kosmetischen Eingriff reduziert werden.“
Der Gebührenbescheid über ein amtsärztliches Zeugnis/Gutachten datiert vom 18.12.2007 (ESt-Akte Bl. 39). In dem Einkommensteuerbescheid 2007 vom 10.6.2008, auf den verwiesen wird, anerkannte das Finanzamt nur Aufwendungen von 80 EUR des Ehemannes der Klägerin als agB, errechnete eine zumutbare Belastung von 3.887 EUR und setzte die geltend gemachten Aufwendungen für die Liposuktion nicht an. Zur Begründung führte es im Steuerbescheid aus, dass die geltend gemachten agB für die Liposuktion steuerlich nicht anerkannt würden, weil eine medizinische Indikation nicht gegeben sei. Dagegen richtete sich der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch, der erfolglos blieb. Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2009, auf die verwiesen wird, als unbegründet zurück, da keine vorherige amtsärztliche Begutachtung erfolgt sei, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der den Aufwendungen zugrunde liegenden Behandlungen zweifelsfrei ergebe. Es wies insbesondere auf die Entscheidung des BFH zur Liposuktion vom 29.5.2007 III B 37/06, BFH/NV 2007, 1865 hin.
Hiergegen erhob die Klägerin form- und fristgerecht Klage, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgte. Sie vertrat die Auffassung, die medizinische Indikation sei zweifelsfrei belegt und die durchgeführten Heilbehandlungsmaßnahmen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie hätten nicht lediglich der optischen Korrektur der betroffenen Körperregion gedient, sondern seien erforderlich gewesen, damit die Patientin in Zukunft schmerz- und beschwerdefrei leben könne und insbesondere weitere Komplikationen des Lymphsystems vermieden werden könnten. Es sei zwar richtig, dass im Zeitpunkt des Veranlagungsverfahrens die entsprechenden Heilbehandlungsmaßnahmen noch nicht in den Behandlungskatalog aufgenommen worden seien, der für die Krankenkassen verbindlich festlege, welche Behandlungsmaßnahmen zu übernehmen sei. Derzeit lägen jedoch mehrere Verfahren bei Sozialgerichten vor, in denen Klagen gegenüber den beteiligten Krankenkassen erhoben worden seien auf Feststellung, dass diese verpflichtet seien, die entsprechenden Heilbehandlungsmaßnahmen, die auch Gegenstand des Verfahrens seien, zu übernehmen.
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Diese Klagen blieben im Endergebnis erfolglos (Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.12.2008 B 1 KR 11/08 R, Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 7.7.2011 L 8 KR 101/10, Sozialgericht Mainz, Urteil vom 23.4.2012, S 14 KR 143/11; jeweils Juris Datenbank). Die Urteile stützten sich darauf, dass zum einen die gesetzlichen Krankenkassen nicht verpflichtet seien, die neue Methode der Fettabsaugung zu bezahlen, weil der gemeinsame Bundesausschuss diese Methode nicht positiv empfohlen habe und keine Ausnahme vorliege, in der dies entbehrlich sei. Als nicht vom gemeinsamen Bundesausschuss empfohlene neue Methode sei die ambulante Fettabsaugung bei Lipödemen grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein Kostenerstattungsanspruch ergebe sich auch nicht über die Grundsätze des sog. Systemversagens, der vorliege, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruhe. Diese liege dann vor, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen sei, dass das Verfahren vor dem gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzung nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt worden sei. Ein sonstiger Ausnahmefall liege nicht vor. Da die Leistung zudem in ambulanter Form in Anspruch genommen werden könne, scheide ein Anspruch auf die Liposuktion in Form einer Krankenhausbehandlung als Naturalleistung von vornherein aus. Versicherte hätten nur dann Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sei, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden könne. Die Krankenhausbehandlung müsse demnach allein aus medizinischen Gründen erforderlich sein. Daran fehle es.
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Die Klägerin vertritt hingegen die Auffassung, dass die medizinische Notwendigkeit dieser Heilbehandlungsmethode im Ergebnis nicht mehr bestritten werden könne. Das Problem der Verfahren um die Liposuktion liege im wesentlichen darin, dass dieses von den Beteiligten, zum Teil auch von den beteiligten Ärzten, wie z.B. dem hier beteiligten Gesundheitsamt, oft mit einer rein kosmetischen Operation verwechselt werde. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch nicht der Fall, vielmehr habe diese dazu gedient, die Beweglichkeit und Arbeitsfähigkeit der Patientin wieder herzustellen und ihr insbesondere Spätkomplikationen der Lymphgefäße zu ersparen. Ferner legte die Klägerin Leitlinien einer deutschen Gesellschaft für Phlebologie zugrunde, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Darin werden zur Lipödemreduktion sowohl physikalische Maßnahmen wie Bewegungstherapie, Kompressionstherapie, manuelle Lymphdrainage und intermittierende pneumatische Kompressionen genannt, andererseits auch die operative Therapie mittels Fettabsaugung. Vergleichsstudien zur konservativen und operativen Therapie seien nicht vorhanden. Ferner legte die Klägerin Unterlagen des ….. Landesamtes für Bezüge und Versorgung vor, das die Beihilfefähigkeit der Liposuktion in dem dort genannten Fall bejahte.
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Im Erörterungstermin vom 16.6.2010, auf den verwiesen wird, schilderte die Klägerin ihre Beschwerden. Als Problem der Lymphdrainagen und Kompressionstherapie schilderte sie, dass man sowohl lebenslang Kompressionsstrümpfe tragen müsse als auch lebenslang Lymphdrainagen erhalten müsse. Die Erkrankung führte bei der Klägerin mit Ausnahme der Zeiten, die für die Operationen erforderlich waren, nicht zur Arbeitsunfähigkeit oder zu Fehlzeiten deshalb. Der Betrag von 11.520 EUR stellte den Betrag für sämtliche Operationen an Armen und Beinen dar und musste im Voraus bezahlt werden.
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Zum Zeitpunkt des Erörterungstermins war die Klägerin nach ihren Angaben beschwerdefrei, brauchte keine Kompressionsstrümpfe und keine Lymphdrainage mehr. Die Beine und Arme seien auch nicht dicker geworden, sondern so geblieben wie sie nach der Operation gewesen seien. Da beim BFH Revisionsverfahren mit den Az.: VI R 17/09, VI R 18/09 und VI R 11/09 anhängig waren, wurde das Verfahren mit Zustimmung der Beteiligten durch Beschluss vom 23. Juni 2010 zum Ruhen gebracht. Nachdem die Revision VI R 17/09 durch Urteil vom 11.11.2010 zugunsten der dortigen Kläger entschieden worden war und der BFH auf die vorherige Einholung eines amtsärztlichen Attestes verzichtet hatte, wurde das Verfahren wieder aufgerufen. Die Entscheidung der Revision VI R 18/09 vom 11.11.2010 erging dementsprechend. Daraufhin erließ der Gesetzgeber schließlich im Jahressteuergesetz 2012 die neue Fassung der §§ 64, 84 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung -EStDV- mit rückwirkender Geltung für alle noch offenen Verfahren.
14 
Daraufhin vertraten die Bevollmächtigten die Auffassung, es liege eine unzulässige echte Rückwirkung vor. In der Folgezeit stritten die Beteiligten über diese Rechtsfrage. Im Hinblick auf diese wurde das zwischenzeitlich wieder neu aufgenommene Verfahren unter dem Az.: 10 K 542/12 durch Beschluss vom 16. Mai 2012 erneut zum Ruhen bis zur Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren VI R 13/12 gebracht. Durch Urteil vom 19. April 2012 VI R 74/10 entschied der 6. Senat des BFH, dass die in § 84 Abs. 3 f EStDV in der Fassung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 angeordnete rückwirkende Geltung des § 64 EStDV in der Fassung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden sei.
15 
Nachdem eine weitere Entscheidung ausstand, vertraten die Kläger die Auffassung, es bestünden Zweifel, ob § 64 der EStDV im vorliegenden Fall angewandt werden könne. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2f EStDV - eine andere Vorschrift komme ja wohl nicht in Betracht - werde der Nachweis eines amtsärztlichen Gutachtens nur dann verlangt, wenn es sich um wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlung, Sauerstofftherapie und Eigenbluttherapien handele. Im vorliegenden Fall stehe jedoch eine Liposuktion, d.h. ein operativer Eingriff im Streit. Aufgrund der bereits vorgelegten Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Phlebologie ergebe sich, dass es keinen Zweifel geben könne, dass die Behandlung des Lipödems der Beine durch eine Liposuktion eine wissenschaftlich anerkannte Therapie sei. Hierfür werde die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens beantragt. Die Tatsache, dass die Krankenkassen die Operationen nicht zahlten, stehe in keinem Zusammenhang damit, dass es sich etwa um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode handele, sondern liege schlichtweg darin, dass in diesen Behandlungskatalog nur auf Antrag Behandlungsmethoden aufgenommen worden seien. Die verschärften Nachweiserfordernisse des § 64 Abs. 1 2f EStDV seien im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Das beklagte Finanzamt differenziere nicht zwischen wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden einerseits oder Behandlungsmethoden, die noch nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten seien, andererseits.
16 
Die Kläger beantragen,
        
1. den zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheid 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2009 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer unter Anerkennung der Krankheitskosten in Höhe von 12.000 EUR für die durchgeführten Liposuktionen niedriger festgesetzt wird,
        
2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
        
3. für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
17 
Das beklagte Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
18 
Zur Begründung bezieht es sich zum einen auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung, hält die Neuregelung entsprechend der Rechtsprechung des BFH für verfassungsrechtlich zulässig und ist der Auffassung, dass es sich bei der Liposuktion um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode handele, die nur durch ein vorheriges Attest eines Amtsarztes als medizinisch notwendig und zwangsläufig nachweisbar sei. Für diese Nachweiserfordernisse trage die Klägerin die Feststellungslast.
19 
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einkommensteuererklärungen nebst sämtlichen Anlagen, den ergangenen Einkommensteuerbescheid 2007, die Einspruchsbegründungen nebst sämtlichen Anlagen sowie die im Besteuerungs-, Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen Bezug genommen.
20 
Die Beteiligten haben nach § 90 Abs. 2 FGO auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die zulässige Klage ist unbegründet.
22 
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).
23 
a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten -ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).
24 
Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind.
25 
Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch -SGB V-) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich, außerdem nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 f) EStDV für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden.
26 
2. Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitjahr Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in allen Fällen, in denen -wie vorliegend- die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden.
27 
a) Weder die in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 normierte Verordnungsermächtigung noch der auf ihrer Grundlage ergangene § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 begegnet rechtsstaatlichen Bedenken. § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ist hinreichend bestimmt und mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) vereinbar; auch hat sich der Verordnungsgeber bei der Ausgestaltung von § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 im Rahmen seiner Befugnisse gehalten. Die strenge Formalisierung des Nachweises der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall erscheint -jedenfalls im Grundsatz- nicht unverhältnismäßig. Aufgrund der Neutralität und Unabhängigkeit des Amts- und Vertrauensarztes ist dieses Nachweisverlangen im steuerlichen Massenverfahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um die nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Dem steht nicht entgegen, dass der Verordnungsgeber beim Nachweis von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (im engeren Sinne) auf ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten verzichtet und eine vorherige Verordnung durch den behandelnden Arzt oder Heilpraktiker genügen lässt. Denn insoweit wird verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten Rechnung getragen (Geserich, Finanz-Rundschau 2011, 1067).
28 
Auch die in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordnete rückwirkende Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Sie ist von der Ermächtigung des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 gedeckt und deshalb im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) ist hierbei nicht zu beklagen. Denn dem Gesetzgeber ist es unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor einer Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprach (Anschluss an BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 1 BvL 11/06 u.a., BVerfGE 126, 369;BFH-Urteil vom 19.04.2012 VI R 74/10 BStBl II 2012, 577).
29 
Da die medizinische Erforderlichkeit von Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können, schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH seit der Entscheidung vom 14. Februar 1980 VI R 218/77 (BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295) grundsätzlich ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der den Aufwendungen zugrunde liegenden Behandlung zweifelsfrei ergibt (- BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543).
30 
Hinsichtlich des Erfordernisses einer vorherigen amtsärztlichen Begutachtung ist dem Steuerpflichtigen die Inanspruchnahme fachlicher Beratung grundsätzlich zuzumuten (BFH-Urteile in BFHE 183, 561, BStBl II 1997, 732, und vom 10. Oktober 1996 III R 118/95, BFH/NV 1997, 337). Dass die Anleitung der Finanzverwaltung zur Einkommensteuererklärung keinen Hinweis auf die Notwendigkeit einer vorherigen amtsärztlichen Begutachtung enthält, rechtfertigt es nicht, von diesem Erfordernis abzusehen. Ein nachträglich erstelltes amtsärztliches Gutachten hat der BFH nur ausnahmsweise dann als Nachweis ausreichen lassen, wenn das Erfordernis einer vorherigen amtlichen Begutachtung für bestimmte Aufwendungen erstmals höchstrichterlich aufgestellt worden war und vom Steuerpflichtigen deshalb nicht erwartet werden konnte, dass er dieses Erfordernis kennt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602, und BFH-Beschluss vom 20. November 2003 III B 44/03, BFH/NV 2004, 335).
31 
Aufwendungen für ärztliche Maßnahmen, bei denen nicht eindeutig feststeht, ob sie zur Heilung oder Linderung einer Krankheit erforderlich sind, hat der BFH seit jeher nur als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, wenn durch ein amtsärztliches Gutachten vor der Behandlung die medizinische Indikation nachgewiesen war. Bei Operationen, die häufig nur aus kosmetischen Gründen durchgeführt werden, ist es daher dem Steuerpflichtigen zuzumuten, fachlichen Rat einzuholen, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für derartige Operationen steuerlich berücksichtigt werden. Im Streitfall war der besondere Charakter der Behandlungen für die Kläger auch erkennbar, weil ihre Krankenkasse die Aufwendungen hierfür nicht übernommen hatte (zum Vorstehenden für eine Liposuktion: BFH-Beschluss vom 24.11.2006 III B 57/06 BFH/NV 2007, 438).
32 
Die zuvor bestehende Rechtslage wurde durch die neu eingeführten Regelungen des § 64, 84 EStDV mit rückwirkender Geltung bestätigt. Der BFH hat die Rückwirkung dieser Regelung auch für das Streitjahr 2007 in dem o.a. Urteil ausdrücklich bestätigt. Bei der Liposuktion handelt es sich ausweislich der vorliegenden Unterlagen und der von der Klägerin selbst vorgelegten Atteste um eine Behandlungsmethode, die nach § 64 Nr. 2f EStDV eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode darstellt und deren Anwendung und Ergebnisse umstritten sind. Nach den Leitlinien wurden keine vergleichenden Untersuchungen über die Wirkungen der konservativen und operativen Methode angestellt. Die gesetzliche Krankenkasse und deren Medizinischer Dienst haben diese Methode vor der Behandlung als unkonventionelle Behandlungsmethode bezeichnet.
33 
Nach § 64 Abs. 2 EStDV haben die zuständigen Gesundheitsbehörden auf Verlangen des Steuerpflichtigen die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen auszustellen. Nach der ausdrücklichen Gesetzesfassung der EStDV muss nach § 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV der nach Satz 1 zu erbringende Nachweis vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestellt worden sein. Nach Abs. 2 der Vorschrift haben die zuständigen Gesundheitsbehörden auf Verlangen des Steuerpflichtigen die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen auszustellen. Das Landratsamt als zuständige Gesundheitsbehörde hat jedoch mit der Bescheinigung vom 1.2.2008 durch die zuständige Amtsärztin festgestellt, dass die Liposuktion als Behandlungsmethode des vorliegenden Störungsbildes nicht anerkannt ist und aus diesem Grunde aus medizinischer Sicht nicht als notwendig angesehen werden kann. Die psychische Beeinträchtigung kann durch den kosmetischen Eingriff reduziert werden. Nach den Daten der Aufstellung für die außergewöhnlichen Belastungen des Streitjahres wurden die Kosten eines ärztlichen Zeugnisses mit Datum 18.12.2007 in Höhe von 71,30 EUR geltend gemacht, der Gebührenbescheid ist unter diesem Datum ergangen und von der Klägerin bezahlt worden. Damit muss die Klägerin bereits frühzeitig gewusst haben, dass das Gesundheitsamt diese Methode nicht anerkannt hat. Wenn sie die daraufhin folgenden Operationen dennoch durchführt, war ihr bewusst, dass sie diese auf eigenes Risiko durchführen ließ.
34 
Damit steht für den Streitfall fest, dass jedenfalls der Nachweis durch ein vorher ausgestelltes Attest nicht erbracht werden kann, zumal diese Bescheinigung ausgestellt wurde, bevor im April 2008 die Arme operiert wurden. Die Klägerin hat daher den Nachweis, dass es sich um anerkannte wissenschaftliche Methode zur Behandlung dieses Falles handelt, vor der Operation gerade nicht erbracht. Das nach § 64 Abs. 2 EStDV zuständige Gesundheitsamt war vielmehr der Auffassung, dass die Liposuktion als Behandlungsmethode des vorliegenden Störungsbildes nicht anerkannt und aus diesem Grund nicht als medizinisch notwendig angesehen werden kann. Vielmehr könne die psychische Beeinträchtigung durch den kosmetischen Eingriff reduziert werden.
35 
Die zuständige Gesundheitsbehörde hat daher die Notwendigkeit dieser Behandlungsmethode gerade verneint und sie mit einem kosmetischen Eingriff in Zusammenhang gebracht. Die nach dem 18.12.2007 und nach der Bescheinigung vom 1.2.2008 an den Beinen und den Armen vorgenommenen Operationen können nicht durch ein nachträgliches Sachverständigengutachten als notwendig anerkannt werden, da es insoweit an den formalisierten Nachweiserfordernissen fehlt. Das gleiche gilt für die vor dem 18.12.2007 durchgeführte Operation der Beine.
36 
Der Senat ist auch der Auffassung, dass es sich insoweit um eine der in der Verordnung genannten Methoden ähnliche Methode handelt, wie sich sowohl aus der Rechtsprechung des BFH in den zitierten Beschlüssen und der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt. Auch die vorgelegten Leitlinien der Gesellschaft für Phlebologie ersetzen nicht den Nachweis durch ein vor der Maßnahme ausgestelltes amtsärztliches Attest.
37 
Der Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens im Finanzgerichtsverfahren bedurfte es angesichts der vorliegenden Rechtsprechung nicht. Aus den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass die Auffassungen darüber, ob die Liposuktion als Heilmethode anzuerkennen ist oder nicht, in der Fachliteratur ersichtlich unterschiedlich sind. Während diejenigen, die Operationen vornehmen, diese Methode als Heilmethode anerkennen, setzen andere Ärzte aus schuldmedizinischer Sicht auf physikalische Therapien. In jedem Fall kann ein Sachverständigen-Gutachten, das nur im Nachhinein anhand von Fotos und Unterlagen erstellt werden könnte, nicht die vorherige Untersuchung der Patientin und die vorherige Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens ersetzen. Vielmehr ist das zuständige Gesundheitsamt für die Klägerin im konkreten Fall nach § 64 Abs. 2 EStDV 2011 gerade zum gegenteiligen Ergebnis gekommen. Durch ein nachträglich erstelltes Sachverständigen-Gutachten können demzufolge die Nachweiserfordernisse der §§ 64 Abs. 1 und 2, 84 EStDV 2011 nicht mehr erreicht werden. Das Sachverständigengutachten ist insofern ein untaugliches Beweismittel, so dass der Beweisantrag daher abzulehnen ist.
38 
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 FGO.
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die streitigen Rechtsfragen durch die zwischenzeitlich ergangene und oben zitierte Rechtsprechung des BFH geklärt sind.

Gründe

 
21 
Die zulässige Klage ist unbegründet.
22 
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).
23 
a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten -ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).
24 
Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind.
25 
Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch -SGB V-) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich, außerdem nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 f) EStDV für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden.
26 
2. Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitjahr Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in allen Fällen, in denen -wie vorliegend- die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden.
27 
a) Weder die in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 normierte Verordnungsermächtigung noch der auf ihrer Grundlage ergangene § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 begegnet rechtsstaatlichen Bedenken. § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ist hinreichend bestimmt und mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) vereinbar; auch hat sich der Verordnungsgeber bei der Ausgestaltung von § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 im Rahmen seiner Befugnisse gehalten. Die strenge Formalisierung des Nachweises der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall erscheint -jedenfalls im Grundsatz- nicht unverhältnismäßig. Aufgrund der Neutralität und Unabhängigkeit des Amts- und Vertrauensarztes ist dieses Nachweisverlangen im steuerlichen Massenverfahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um die nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Dem steht nicht entgegen, dass der Verordnungsgeber beim Nachweis von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (im engeren Sinne) auf ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten verzichtet und eine vorherige Verordnung durch den behandelnden Arzt oder Heilpraktiker genügen lässt. Denn insoweit wird verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten Rechnung getragen (Geserich, Finanz-Rundschau 2011, 1067).
28 
Auch die in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordnete rückwirkende Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Sie ist von der Ermächtigung des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 gedeckt und deshalb im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) ist hierbei nicht zu beklagen. Denn dem Gesetzgeber ist es unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor einer Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprach (Anschluss an BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 1 BvL 11/06 u.a., BVerfGE 126, 369;BFH-Urteil vom 19.04.2012 VI R 74/10 BStBl II 2012, 577).
29 
Da die medizinische Erforderlichkeit von Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können, schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH seit der Entscheidung vom 14. Februar 1980 VI R 218/77 (BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295) grundsätzlich ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der den Aufwendungen zugrunde liegenden Behandlung zweifelsfrei ergibt (- BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543).
30 
Hinsichtlich des Erfordernisses einer vorherigen amtsärztlichen Begutachtung ist dem Steuerpflichtigen die Inanspruchnahme fachlicher Beratung grundsätzlich zuzumuten (BFH-Urteile in BFHE 183, 561, BStBl II 1997, 732, und vom 10. Oktober 1996 III R 118/95, BFH/NV 1997, 337). Dass die Anleitung der Finanzverwaltung zur Einkommensteuererklärung keinen Hinweis auf die Notwendigkeit einer vorherigen amtsärztlichen Begutachtung enthält, rechtfertigt es nicht, von diesem Erfordernis abzusehen. Ein nachträglich erstelltes amtsärztliches Gutachten hat der BFH nur ausnahmsweise dann als Nachweis ausreichen lassen, wenn das Erfordernis einer vorherigen amtlichen Begutachtung für bestimmte Aufwendungen erstmals höchstrichterlich aufgestellt worden war und vom Steuerpflichtigen deshalb nicht erwartet werden konnte, dass er dieses Erfordernis kennt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602, und BFH-Beschluss vom 20. November 2003 III B 44/03, BFH/NV 2004, 335).
31 
Aufwendungen für ärztliche Maßnahmen, bei denen nicht eindeutig feststeht, ob sie zur Heilung oder Linderung einer Krankheit erforderlich sind, hat der BFH seit jeher nur als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, wenn durch ein amtsärztliches Gutachten vor der Behandlung die medizinische Indikation nachgewiesen war. Bei Operationen, die häufig nur aus kosmetischen Gründen durchgeführt werden, ist es daher dem Steuerpflichtigen zuzumuten, fachlichen Rat einzuholen, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für derartige Operationen steuerlich berücksichtigt werden. Im Streitfall war der besondere Charakter der Behandlungen für die Kläger auch erkennbar, weil ihre Krankenkasse die Aufwendungen hierfür nicht übernommen hatte (zum Vorstehenden für eine Liposuktion: BFH-Beschluss vom 24.11.2006 III B 57/06 BFH/NV 2007, 438).
32 
Die zuvor bestehende Rechtslage wurde durch die neu eingeführten Regelungen des § 64, 84 EStDV mit rückwirkender Geltung bestätigt. Der BFH hat die Rückwirkung dieser Regelung auch für das Streitjahr 2007 in dem o.a. Urteil ausdrücklich bestätigt. Bei der Liposuktion handelt es sich ausweislich der vorliegenden Unterlagen und der von der Klägerin selbst vorgelegten Atteste um eine Behandlungsmethode, die nach § 64 Nr. 2f EStDV eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode darstellt und deren Anwendung und Ergebnisse umstritten sind. Nach den Leitlinien wurden keine vergleichenden Untersuchungen über die Wirkungen der konservativen und operativen Methode angestellt. Die gesetzliche Krankenkasse und deren Medizinischer Dienst haben diese Methode vor der Behandlung als unkonventionelle Behandlungsmethode bezeichnet.
33 
Nach § 64 Abs. 2 EStDV haben die zuständigen Gesundheitsbehörden auf Verlangen des Steuerpflichtigen die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen auszustellen. Nach der ausdrücklichen Gesetzesfassung der EStDV muss nach § 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV der nach Satz 1 zu erbringende Nachweis vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestellt worden sein. Nach Abs. 2 der Vorschrift haben die zuständigen Gesundheitsbehörden auf Verlangen des Steuerpflichtigen die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen auszustellen. Das Landratsamt als zuständige Gesundheitsbehörde hat jedoch mit der Bescheinigung vom 1.2.2008 durch die zuständige Amtsärztin festgestellt, dass die Liposuktion als Behandlungsmethode des vorliegenden Störungsbildes nicht anerkannt ist und aus diesem Grunde aus medizinischer Sicht nicht als notwendig angesehen werden kann. Die psychische Beeinträchtigung kann durch den kosmetischen Eingriff reduziert werden. Nach den Daten der Aufstellung für die außergewöhnlichen Belastungen des Streitjahres wurden die Kosten eines ärztlichen Zeugnisses mit Datum 18.12.2007 in Höhe von 71,30 EUR geltend gemacht, der Gebührenbescheid ist unter diesem Datum ergangen und von der Klägerin bezahlt worden. Damit muss die Klägerin bereits frühzeitig gewusst haben, dass das Gesundheitsamt diese Methode nicht anerkannt hat. Wenn sie die daraufhin folgenden Operationen dennoch durchführt, war ihr bewusst, dass sie diese auf eigenes Risiko durchführen ließ.
34 
Damit steht für den Streitfall fest, dass jedenfalls der Nachweis durch ein vorher ausgestelltes Attest nicht erbracht werden kann, zumal diese Bescheinigung ausgestellt wurde, bevor im April 2008 die Arme operiert wurden. Die Klägerin hat daher den Nachweis, dass es sich um anerkannte wissenschaftliche Methode zur Behandlung dieses Falles handelt, vor der Operation gerade nicht erbracht. Das nach § 64 Abs. 2 EStDV zuständige Gesundheitsamt war vielmehr der Auffassung, dass die Liposuktion als Behandlungsmethode des vorliegenden Störungsbildes nicht anerkannt und aus diesem Grund nicht als medizinisch notwendig angesehen werden kann. Vielmehr könne die psychische Beeinträchtigung durch den kosmetischen Eingriff reduziert werden.
35 
Die zuständige Gesundheitsbehörde hat daher die Notwendigkeit dieser Behandlungsmethode gerade verneint und sie mit einem kosmetischen Eingriff in Zusammenhang gebracht. Die nach dem 18.12.2007 und nach der Bescheinigung vom 1.2.2008 an den Beinen und den Armen vorgenommenen Operationen können nicht durch ein nachträgliches Sachverständigengutachten als notwendig anerkannt werden, da es insoweit an den formalisierten Nachweiserfordernissen fehlt. Das gleiche gilt für die vor dem 18.12.2007 durchgeführte Operation der Beine.
36 
Der Senat ist auch der Auffassung, dass es sich insoweit um eine der in der Verordnung genannten Methoden ähnliche Methode handelt, wie sich sowohl aus der Rechtsprechung des BFH in den zitierten Beschlüssen und der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt. Auch die vorgelegten Leitlinien der Gesellschaft für Phlebologie ersetzen nicht den Nachweis durch ein vor der Maßnahme ausgestelltes amtsärztliches Attest.
37 
Der Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens im Finanzgerichtsverfahren bedurfte es angesichts der vorliegenden Rechtsprechung nicht. Aus den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass die Auffassungen darüber, ob die Liposuktion als Heilmethode anzuerkennen ist oder nicht, in der Fachliteratur ersichtlich unterschiedlich sind. Während diejenigen, die Operationen vornehmen, diese Methode als Heilmethode anerkennen, setzen andere Ärzte aus schuldmedizinischer Sicht auf physikalische Therapien. In jedem Fall kann ein Sachverständigen-Gutachten, das nur im Nachhinein anhand von Fotos und Unterlagen erstellt werden könnte, nicht die vorherige Untersuchung der Patientin und die vorherige Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens ersetzen. Vielmehr ist das zuständige Gesundheitsamt für die Klägerin im konkreten Fall nach § 64 Abs. 2 EStDV 2011 gerade zum gegenteiligen Ergebnis gekommen. Durch ein nachträglich erstelltes Sachverständigen-Gutachten können demzufolge die Nachweiserfordernisse der §§ 64 Abs. 1 und 2, 84 EStDV 2011 nicht mehr erreicht werden. Das Sachverständigengutachten ist insofern ein untaugliches Beweismittel, so dass der Beweisantrag daher abzulehnen ist.
38 
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 FGO.
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die streitigen Rechtsfragen durch die zwischenzeitlich ergangene und oben zitierte Rechtsprechung des BFH geklärt sind.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 04. Feb. 2013 - 10 K 542/12

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Ger

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 275 Begutachtung und Beratung


(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,1.bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfu

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 33 Hilfsmittel


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen od

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 80


(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrund

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 31 Arznei- und Verbandmittel, Verordnungsermächtigung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 23 Medizinische Vorsorgeleistungen


(1) Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind, 1. eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde

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Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.
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Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 04. Feb. 2013 - 10 K 542/12

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Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen zur Behandlung einer Lese- und Rechtschreibschwäche des Sohnes der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) X steuerlich zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Im Mai 1995 wandte sich die Klägerin auf Anregung einer Beratungsstelle an eine Legasthenie-Therapeutin mit der Bitte zu prüfen, ob bei ihrem Sohn X eine Lese- und Rechtschreibschwäche vorliege. Aufgrund verschiedener Tests diagnostizierte die Therapeutin in ihrem Analysebericht vom 2. Oktober 1995 eine "eindeutige und schwere Lese- und Rechtschreibschwäche", aufgrund derer X bereits eine starke Verunsicherung entwickelt und die sein Sozialverhalten nachteilig beeinflusst habe. Im Rahmen einer Bescheinigung zur Vorlage bei der Grundschule bestätigte auch die Klinik Y am 12. Januar 1996 das Vorliegen einer Legasthenie. In der Folgezeit nahm X innerhalb des schulischen Rahmens an einem Differenzierungsunterricht teil und besuchte wöchentlich eine 2-stündige Lerntherapie. An drei Tagen in der Woche nahm er auch an einer Hausaufgabenbetreuung in einer Kleingruppe einer pädagogischen Werkstatt teil. In ihrem Abschlussbericht vom 12. August 1998 führte die Therapeutin aus, der bisherige Verlauf sowie abschließende Tests hätten zu ihrer Empfehlung und zu dem Entschluss der Mutter geführt, X einer fachlich versierten Schule mit angeschlossenem Internat anzuvertrauen. Auch ein Jugendpsychiater der Klinik Y gelangte aufgrund ambulanter Untersuchungen in seinem Bericht vom 4. Dezember 1998 zu dem Ergebnis, ein Verbleib des Sohnes auf einer Regelschule mit begleitender Legasthenietherapie werde die Situation kaum günstig beeinflussen. Die von der Mutter angestrebte Lösung einer Beschulung in einer entsprechenden Einrichtung halte er für eine der weiteren Entwicklung durchaus zuträgliche Maßnahme. Der Junge brauche den geschützten Rahmen, in welchem die Lese- und Rechtschreibschwäche nur einen Teilaspekt der Förderung und Betreuung darstelle. Nach seiner Einschätzung liege bei X eine seelische Behinderung i.S. des § 35a des Achten Buches Sozialgesetzbuch --SGB VIII-- (Kinder- und Jugendhilfegesetz) vor. Seit dem 1. August 1998 besucht X eine staatlich anerkannte Privatschule mit einem integrierten Legastheniezentrum, in deren Rahmen auch eine Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche i.S. des § 35a SGB VIII (KJHG) durchgeführt wird. Vor Abschluss des Schulvertrags, nämlich am 18. Juli 1998, hatte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen gemäß § 35a SGB VIII (KJHG) beim Jugendamt des zuständigen Landkreises gestellt. Ziel des Antrags war es, eine Übernahme der Schulkosten zu erreichen. Im Rahmen der Antragstellung war die Klägerin auch darüber informiert worden, dass sie verpflichtet ist, im Rahmen ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einen angemessenen Kostenbeitrag zu leisten. In der Folgezeit wurde der Antrag auf Kostenübernahme von den Klägern jedoch nicht mehr weiterverfolgt.

3

Mit ihrer Einkommensteuererklärung des Streitjahres 2003 machten die Kläger Aufwendungen für die Internatsunterbringung des Sohnes … als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die streitigen Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid 2003 --zuletzt-- vom 30. Januar 2006 nicht, da diese mit dem erhaltenen Kindergeld/Kinderfreibetrag abgegolten seien. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

5

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 31. Januar 2008 9 K 1662/05 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2005 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 --zuletzt-- vom 30. Januar 2006 in der Weise zu ändern, als Aufwendungen in Höhe von … € als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden.

6

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

8

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zur Begründung auf die Gründe seines zwischen den Beteiligten ergangenen Urteils vom heutigen Tag VI R 17/09, BFHE 232, 40.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr (2006) mit seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau H zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Im August 2006 wurde bei H eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert und bereits am 21. August 2006 eine Bauchoperation zur chirurgischen Entfernung des Tumors und seiner regionären Lymphknotenmetastasen durchgeführt. Im Anschluss an die Operation entschied sich H an Stelle der ihr von dem Krankenhaus angebotenen konventionellen Chemotherapie für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit dem Präparat Ukrain und in Kombination mit einer Sauerstoff-Mehrschritttherapie sowie einer Ozon-Sauerstoffbehandlung. Hierfür zahlten die Eheleute im Veranlagungszeitraum 2006  30.000 € an den behandelnden Hausarzt Dr. B - einem Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren.

3

Ausweislich einer Stellungnahme des B war eine nach internationaler Therapieempfehlung in der Situation der H durchzuführende Kombinationschemotherapie infolge ihres operationsbedingt geschwächten Gesundheitszustandes und einer Tumorkachexie nicht möglich. B bescheinigte der H zudem, dass sich ihr Allgemeinzustand unter der Behandlung zunehmend verbessere und die Durchführung der immunbiologischen Krebsabwehrtherapie weiterhin medizinisch notwendig sei.

4

Die bei der Krankenkasse beantragte Erstattung der Aufwendungen wurde unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen vom 14. November 2006 abgelehnt. Eine im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegte amtsärztliche Stellungnahme vom 26. Juni 2007 erläuterte die Situation der H und stellte die kritischen Positionen in der Fachwelt in Bezug auf die durchgeführte Behandlung mit Ukrain kurz dar. Unter Hinweis auf "eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Untersuchungen ..., die den Grundlagen einer wissenschaftlichen Untersuchungsmethode durchaus entsprechen", kam der Amtsarzt zu folgendem Ergebnis:

5

"Diese Untersuchungen legen die Möglichkeit sehr nahe, dass Ukrain zukünftig möglicherweise eine interessante Medikation für die Onkologie werden könnte. ... Soweit sich jemand bei fraglicher Effektivität schulmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten auch zur Vermeidung Lebensqualität reduzierender Nebenwirkungen dann für einen alternativ medizinischen Behandlungsweg einer immunbiologischen Krebsabwehrtherapie entscheidet, sehe ich amtsärztlicherseits vergleichbar die Voraussetzungen für die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz als gegeben an."

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte gleichwohl eine Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung sowohl im Einkommensteuerbescheid als auch in der Einspruchsentscheidung ab. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage --nach Einholung eines klinisch-pharmakologischen Sachverständigengutachtens-- mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 752 veröffentlichten Gründen ab.

7

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Außerdem sei dem FG mangelnde Sachaufklärung vorzuwerfen.

8

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen FG vom 8. Januar 2009  11 K 490/07 und die Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2007 aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie in Höhe von 30.000 € als außergewöhnliche Belastung herabzusetzen.

9

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. 1. Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die streitbefangenen Aufwendungen für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

11

a) Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

12

aa) In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof (BFH) davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

13

bb) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind.

14

cc) Vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienen, und solche, die auf einer medizinisch nicht indizierten Behandlung beruhen, zählen hingegen nicht zu den Krankheitskosten. Es handelt sich insoweit vielmehr um Aufwand, der nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entsteht, sondern auf einer freien Willensentschließung beruht und deshalb gemäß § 12 Nr. 1 EStG den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen ist.

15

dd) Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits fordert der BFH seit dem Urteil vom 14. Februar 1980 VI R 218/77 (BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295, betr. Badekur auf Ibiza) in ständiger Rechtsprechung regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Aufwendung erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, betr. Frischzellenbehandlung; vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386, betr. Frischzellenbehandlung und rezeptfreie Arzneimittel; vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275, betr. Heilkur; in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, betr. Gruppensitzung bei den Anonymen Alkoholikern; in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, betr. Ayur-Veda-Behandlung; BFH-Beschluss vom 15. November 2007 III B 205/06, BFH/NV 2008, 368, betr. Delfintherapie). Auch bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH diesen formalisierten Nachweis (beispielsweise BFH-Urteile vom 9. August 1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920, betr. Bett mit motorgetriebener Oberkörperaufrichtung; vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, betr. Asbestsanierung der Außenfassade eines Wohnhauses; vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592, betr. Neuanschaffung von Mobiliar wegen Formaldehydemission; vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602, betr. Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Wohngruppe; vom 15. März 2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841, betr. Beseitigung von Birken; BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2004 III B 56/04, juris, betr. Asbestbeseitigung; vom 24. November 2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438, betr. Aufwendungen für Fettabsaugung).

16

ee) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob an diesem formalisierten Nachweisverlangen stets festzuhalten ist.

17

Denn im Streitfall geht es ersichtlich nicht um die Abgrenzung echter Krankheitskosten von nur allgemein gesundheitsfördernden oder vorbeugenden Maßnahmen. Vielmehr ist die schwerwiegende Erkrankung der zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau des Klägers völlig unstreitig (vgl. insoweit BFH-Beschluss vom 15. November 1999 III B 76/99, BFH/NV 2000, 697). Auch liegt die in Frage stehende immunbiologische Krebsabwehrtherapie nicht auf der Ebene von Geister- oder Wunderheilern; Fälle, in denen die Rechtsprechung einen zielgerichteten Eingriff zur Heilbehandlung verneint hat (vgl. BFH-Urteil vom 18. April 1990 III R 38/86, BFH/NV 1991, 27, m.w.N.). Es handelt sich vielmehr um eine gezielte therapeutische Maßnahme, die durch eine gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassene Person, einen Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren, durchgeführt worden ist.

18

ff) Ebenfalls offenlassen kann der Senat im Streitfall, ob bei Behandlungen mit wissenschaftlich umstrittenen Methoden der Nachweis der medizinischen Indikation durch eine amts- oder vertrauensärztliche Begutachtung unerlässlich ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 368).

19

Denn in Fällen wie dem vorliegenden stellt sich jedenfalls die Frage nach der objektiven Eignung einer medizinischen Maßnahme zur Heilung oder Linderung der Krankheit nicht mehr.

20

Leidet der Steuerpflichtige --wie hier die Ehefrau des Klägers-- so schwer an einer Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung, die soweit fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht, wird diese letzte Lebensphase von dem Konflikt zwischen der schicksalhaften Realität, dem Wunsch nach Heilung und der Hoffnung des Patienten, seine eigene Erkrankung möge prinzipiell anders verlaufen als nach den statistisch gewonnenen Erfahrungen zu erwarten ist, geprägt. In dieser notstandsähnlichen Situation erwachsen Patienten, die mit den heute verfügbaren schulmedizinischen Verfahren nicht oder nicht mehr zu heilen sind, auch Aufwendungen für Maßnahmen, denen es objektiv an der Eignung zur Heilung oder Linderung der Krankheit mangeln mag, tatsächlich zwangsläufig. Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige die notstandsähnliche Zwangslage zwischen Realität und Wunsch nach Heilung durch Kontakte mit ärztlichen Außenseitern zu lösen sucht und sich --nach intensiver Beratung über palliative Behandlungsmöglichkeiten-- für eine aus schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Sicht nicht anerkannte Heilmethode entscheidet. Nicht die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme begründet in diesen Fällen die tatsächliche Zwangsläufigkeit, sondern die Ausweglosigkeit der Lebenssituation, die den "Griff nach jedem Strohhalm" gebietet.

21

gg) Ihre Grenzen findet die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Außenseitermethoden nach § 33 EStG allerdings, wenn Maßnahmen --anders als im Streitfall-- von Personen vorgenommen werden, die nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassen sind (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 697; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, --HHR--, § 33 EStG Rz 93, m.w.N.).

22

Damit sind die streitgegenständlichen Aufwendungen für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

23

b) Wer von den Ehegatten diese der Klägerin aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstandenen Kosten wirtschaftlich getragen hat, ist für den Abzug als außergewöhnliche Belastung bei Ehegatten, die --wie vorliegend-- zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind, ohne Bedeutung. Denn nach § 26b EStG werden die Eheleute insoweit gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (sog. Einheitsgedanke, HHR/Kanzler, § 33 EStG Rz 21; Seiler in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 26b Rz 8; Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26b Rz B 76).

24

2. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 ist deshalb dahingehend zu ändern, dass bei der Einkommensteuerfestsetzung weitere Aufwendungen in Höhe von 30.000 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Neuberechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen für einen Kuraufenthalt, Kosten für Wassergymnastik und Bewegungsbäder sowie für Stärkungsmittel und Einlegesohlen, die ohne ärztliche Verordnung erworben wurden, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2006 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger erzielte im Streitjahr als kaufmännischer Angestellter Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 27.351 €, die Klägerin war Hausfrau. In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger u.a. folgende Aufwendungen als Krankheitskosten bei den außergewöhnlichen Belastungen geltend:

3

        

Kostenart    

Betrag in €

Praxisgebühren, Untersuchungsgebühr 

70,00

Fahrtkosten zu ärztlichen Behandlungen und Untersuchungen mit dem eigenen PKW

188,70

Kosten für ärztlich verordnete Medikamente und Stärkungsmittel

221,62

Kosten für Krankengymnastik, Massagen, Fango usw.

153,24

Trinkgelder für Behandlungspersonal

50,00

Kurtaxe für einen Behandlungsaufenthalt in Bad A vom 27. Oktober bis 17. November 2006

39,70

Übernachtungskosten für Aufenthalt in Bad A 

741,00

Kosten für die Fahrt W - Bad A mit eigenem PKW (1.700 km x 0,30 €) 

510,00

Kosten für Thermal-Bewegungsbäder laut ärztlicher Verordnung und Fahrtkosten zu den Terminen

299,70

Kosten für Wassergymnastik und Bewegungsbäder einschließlich Fahrtkosten dorthin 

492,00

Kosten für Einlegesohlen, Verbandsmaterial etc.  

59,89

      

4

In einer der Erklärung beigefügten Anlage gaben die Kläger zu den Kosten für die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder an, sie hätten an diesen auf ärztlichen Rat teilgenommen. Die Kläger würden an chronischen Lendenwirbelschmerzen an einer Bandscheibenvorwölbung seit 2004 leiden. Weiterhin klagten sie über Halswirbelschmerzen, Wirbelsäulenveränderungen, Migräne und Herzkreislaufbeschwerden. Die Teilnahme sei zur Schmerzreduktion erforderlich gewesen.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte im Rahmen der streitigen Einkommensteuerveranlagung die Trinkgelder (50 €), die Kurtaxe (39,70 €), die Übernachtungs- und die Fahrtkosten nach Bad A (741 € und 510 €) nicht an. Die Kosten für die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder (492 €) wurden ebenfalls nicht berücksichtigt; die Aufwendungen für die Stärkungsmittel in Höhe von 221,62 € wurden um 59,33 € gekürzt, da insoweit keine ärztliche Verordnungen vorgelegen hätten. Auch die Aufwendungen für die Einlegesohlen in Höhe von 46,21 € blieben unberücksichtigt. Sie seien --ohne ärztliche Verordnung-- bei Discountern erworben worden. Die geltend gemachten Kurkosten könnten nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, da die Kurbedürftigkeit nicht durch ein vor Kurbeginn ausgestelltes amtsärztliches oder vergleichbares Zeugnis nachgewiesen worden sei. Nach alldem seien lediglich Aufwendungen in Höhe von 818 € nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigungsfähig. Eine Minderung des Einkommens der Kläger komme gleichwohl nicht in Betracht. Denn die zumutbare Belastung betrage im Streitfall 1.220 €.

6

Der Einspruch der Kläger blieb weitgehend erfolglos. Im Einspruchsbescheid vom 20. November 2008 führte das FA zur Begründung aus, die zu berücksichtigenden Aufwendungen seien um 70 € (Praxisgebühren) und 26,31 € (Einlegesohlen) zu erhöhen und andererseits um 20,15 € bei den Medikamenten zu kürzen. Die Kosten für die Behandlungen in Bad A könnten weiterhin nicht anerkannt werden. Die Kläger hätten weder ein vor Reisebeginn ausgestelltes amtsärztliches oder vertrauensärztliches Attest noch eine Bescheinigung der gesetzlichen Krankenkasse vorgelegt. Damit seien zwar Aufwendungen in Höhe von 894,16 € berücksichtigungsfähig, die die zumutbare Belastung jedoch nicht überschritten.

7

Die hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Die Kläger hätten die medizinische Notwendigkeit und damit Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen nicht durch Vorlage eines ärztlichen Rezeptes oder einer Verordnung bzw. durch Vorlage eines amts- oder vertrauensärztlichen Attests oder Gutachtens nachgewiesen. Ein Abzug der geltend gemachten Krankheitskosten nach § 33 EStG komme deshalb nicht in Betracht. Dies gelte auch für die Trinkgelder. Derartige Zuwendungen seien grundsätzlich nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 1 EStG, und zwar unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Leistung selbst als außergewöhnliche Belastung zu beurteilen sei.

8

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. August 2010 15 K 514/08 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 24. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom

20. November 2008 dahingehend zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 2.826 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

10

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Mit Erklärung vom 6. Januar 2012 ist das Bundesministerium der Finanzen dem Verfahren wegen der Frage beigetreten, ob und wieweit an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der es mangels gesetzlicher Grundlage für die Anerkennung von Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Erforderlichkeit deshalb schwer zu beurteilen ist, eines grundsätzlich vor der Behandlung ausgestellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens über die medizinische Notwendigkeit nicht bedarf (BFH-Urteile vom 11. November 2010 VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, und VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969), auch nach der Übernahme der Nachweisregelungen aus R 33.4 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 2008 in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 (BGBl I 2011, 2131) i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 3f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i.d.F. des StVereinfG 2011 festzuhalten ist.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

13

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

14

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

15

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind.

16

c) Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch --SGB V--) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich.

17

2. Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitjahr Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in allen Fällen, in denen --wie vorliegend-- die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden.

18

a) Weder die in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 normierte Verordnungsermächtigung noch der auf ihrer Grundlage ergangene § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 begegnet rechtsstaatlichen Bedenken. § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ist hinreichend bestimmt und mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) vereinbar; auch hat sich der Verordnungsgeber bei der Ausgestaltung von § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 im Rahmen seiner Befugnisse gehalten. Die strenge Formalisierung des Nachweises der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall erscheint --jedenfalls im Grundsatz-- nicht unverhältnismäßig. Aufgrund der Neutralität und Unabhängigkeit des Amts- und Vertrauensarztes ist dieses Nachweisverlangen im steuerlichen Massenverfahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um die nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Dem steht nicht entgegen, dass der Verordnungsgeber beim Nachweis von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (im engeren Sinne) auf ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten verzichtet und eine vorherige Verordnung durch den behandelnden Arzt oder Heilpraktiker genügen lässt. Denn insoweit wird verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten Rechnung getragen (Geserich, Finanz-Rundschau 2011, 1067).

19

b) Auch die in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordnete rückwirkende Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

20

aa) Sie ist von der Ermächtigung des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 gedeckt und deshalb im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Art. 80 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht, Ermächtigungen zum Erlass rückwirkender Verordnungen zu erteilen, noch gebietet er, dass eine solche Ermächtigung ausdrücklich erteilt wird. Es reicht hin, wenn sich die Ermächtigung dazu aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 8. Juni 1977  2 BvR 499/74 und 1042/75, BVerfGE 45, 142). Davon ist vorliegend auszugehen. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Anwendungsregelung sicherstellen, dass die vor den Entscheidungen des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 geübte Rechtspraxis ohne zeitliche Lücke aufrechterhalten wird (BTDrucks 17/6146, S. 17). Überdies hat er selbst und nicht der Verordnungsgeber die rückwirkende Geltung des formalisierten Nachweisverlangens gemäß § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in Art. 2 Nr. 9 des StVereinfG 2011 angeordnet.

21

bb) § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 verstößt auch im Übrigen nicht gegen Verfassungsrecht. Zwar ist eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen), die hier insoweit vorliegt, als die Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 --wie hier-- Veranlagungszeiträume betrifft, die vor dem Zeitpunkt der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 bereits abgeschlossen waren und für die die Steuer bereits entstanden ist (§ 36 Abs. 1 EStG), nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 1098; 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, HFR 2010, 1095, und 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, HFR 2010, 1103). Erst mit der Verkündung, das heißt mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 <78 f.>, m.w.N.), muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22. März 1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 <353 f.>; vom 10. April 1984  2 BvL 19/82, BVerfGE 67, 1 <15>; vom 14. Mai 1986  2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 <241 f.>; in BVerfGE 97, 67 <78 f.>; BVerfG-Urteil vom 27. September 2005  2 BvR 1387/02, BVerfGE 114, 258 <300>).

22

cc) In der Rechtsprechung des BVerfG sind jedoch --ohne dass dies abschließend wäre-- Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist (vgl. Beschlüsse in BVerfGE 72, 200 <258 ff.>; in BVerfGE 97, 67 <79 f.>; BVerfG-Urteil vom 23. November 1999  1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239 <263>). So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 239 <263>), etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war (vgl. BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 <272>) oder eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der Rechtsanwendungspraxis rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird (BVerfG-Beschlüsse vom 23. Januar 1990  1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE 81, 228; vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts --BVerfGK-- 14, 338, und vom 21. Juli 2010  1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der BFH, wie die Kläger meinen, mit der Änderung seiner Rechtsprechung das bei gleichgebliebener Gesetzeslage schon bisher "richtige Recht" zutreffend erkannt oder die frühere Rechtslage fortentwickelnd neu gestaltet hat (BVerfG-Beschluss in BVerfGK 14, 338).

23

dd) Gemessen hieran durfte der Verordnungsgeber das formalisierte Nachweisverlangen rückwirkend anordnen. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Urteile des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 einer gefestigten Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295; in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386; vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275; in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427; vom 9. August 1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920; in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543; vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240; vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592; vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602; vom 15. März 2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841; BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2004 III B 56/04, juris; vom 24. November 2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438, und vom 15. November 2007 III B 205/06, BFH/NV 2008, 368) und der einhelligen Praxis der Finanzverwaltung (R 33.4 Abs. 1 EStR) und damit allgemeiner Rechtsanwendungspraxis auch auf Seiten der Steuerpflichtigen entsprach. Ein berechtigtes Vertrauen auf eine hiervon abweichende Rechtslage konnten die Steuerpflichtigen, so auch die Kläger, jedenfalls vor der Rechtsprechungsänderung nicht bilden. Zumal das FA nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG bereits im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 5. Dezember 2005 auf die Notwendigkeit ärztlicher Verordnungen und im Einspruchsbescheid vom 22. Mai 2006, mit dem der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 5. Dezember 2005 zurückgewiesen wurde, auf die Anforderungen an den Nachweis der Notwendigkeit von Kuraufwendungen hingewiesen hatte.

24

ee) Ob und inwieweit anderes für die Zeit nach dem Ergehen der Urteile des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss am 1. November 2011 bzw. der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 am 4. November 2011 (BGBl I 2011, 2131) oder jedenfalls bis zur entsprechenden Gesetzesinitiative --hier der Prüfbitte des Bundesrates vom 18. März 2011-- gilt, kann hier dahinstehen. Denn das Ausgangsverfahren betrifft lediglich den Veranlagungszeitraum 2006, etwaige im Vertrauen auf die erfolgte Rechtsprechungsänderung getätigte Dispositionen in der Zeit nach November 2010 stehen damit nicht zur Entscheidung.

25

ff) Es widerspricht weder dem Rechtsstaatsprinzip noch dem Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn der Gesetzgeber eine Rechtsprechungsänderung korrigiert, die auf der Grundlage der seinerzeit bestehenden Gesetzeslage zwar mit gutem Grund erfolgt ist, deren Ergebnis er aber für nicht sachgerecht hält. Nicht die Rücksicht auf die rechtsprechende Gewalt und deren Befugnis zur Letztentscheidung über die bestehende Gesetzeslage, sondern nur das sonstige Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte der Steuerpflichtigen, begrenzt hier die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers bei der Bestätigung der alten Rechtspraxis durch entsprechende gesetzliche Klarstellung (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 81, 228; in BVerfGK 14, 338, und in BVerfGE 126, 369). Entgegen der Auffassung der Kläger ist insoweit nicht erkennbar, dass die gesetzliche Festschreibung des von der Rechtspraxis bisher verlangten formalisierten Nachweises von Krankheitskosten in verfassungsrechtlich erheblicher Weise die gerade auch im Steuerrecht Geltung beanspruchenden Grundsätze der Folgerichtigkeit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268) verletzt.

26

3. Nach alldem ist die Entscheidung des FG, die Kosten für die Anschaffung der Einlegesohlen, die ohne ärztliche Verordnung angeschafften entzündungshemmenden Medikamente, Schmerzmittel, Hand- und Fußcremes, die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder der Klägerin sowie die Aufwendungen für den Aufenthalt in Bad A im Ergebnis nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zuzulassen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn insoweit haben die Kläger --nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG-- die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen nicht in der nach § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 gebotenen Form nachgewiesen. Das FG hat auch die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Trinkgelder zutreffend verneint. Trinkgelder sind nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 1 EStG, und zwar unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Leistung selbst als außergewöhnliche Belastung zu beurteilen ist. Der Steuerpflichtige ist zwar aus tatsächlichen Gründen gezwungen, bei Krankheiten medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Trinkgeld wird aber von ihm --anders als das Entgelt für die erbrachte Leistung-- zivilrechtlich nicht geschuldet. Auch wenn kein Trinkgeld erbracht wird, hat der Steuerpflichtige Anspruch auf eine sachgemäße Behandlung seiner Krankheit und kann diese auch erwarten (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2003 III R 32/01, BFHE 204, 108, BStBl II 2004, 270).

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind,

1.
eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen,
2.
einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken,
3.
Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden oder
4.
Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.

(2) Reichen bei Versicherten die Leistungen nach Absatz 1 nicht aus oder können sie wegen besonderer beruflicher oder familiärer Umstände nicht durchgeführt werden, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten. Die Satzung der Krankenkasse kann zu den übrigen Kosten die Versicherten im Zusammenhang mit dieser Leistung entstehen, einen Zuschuß von bis zu 16 Euro täglich vorsehen. Bei ambulanten Vorsorgeleistungen für versicherte chronisch kranke Kleinkinder kann der Zuschuss nach Satz 2 auf bis zu 25 Euro erhöht werden.

(3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 sind die §§ 31 bis 34 anzuwenden.

(4) Reichen bei Versicherten die Leistungen nach Absatz 1 und 2 nicht aus, erbringt die Krankenkasse Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Vorsorgeeinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 besteht; für pflegende Angehörige kann die Krankenkasse unter denselben Voraussetzungen Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung auch in einer Vorsorgeeinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111a besteht. Die Krankenkasse führt statistische Erhebungen über Anträge auf Leistungen nach Satz 1 und Absatz 2 sowie deren Erledigung durch.

(5) Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls unter entsprechender Anwendung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten nach § 8 des Neunten Buches Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach Absatz 4 sowie die Vorsorgeeinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen; die Krankenkasse berücksichtigt bei ihrer Entscheidung die besonderen Belange pflegender Angehöriger. Leistungen nach Absatz 4 sollen für längstens drei Wochen erbracht werden, es sei denn, eine Verlängerung der Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Satz 2 gilt nicht, soweit der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach Anhörung der für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorgeeinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen in Leitlinien Indikationen festgelegt und diesen jeweils eine Regeldauer zugeordnet hat; von dieser Regeldauer kann nur abgewichen werden, wenn dies aus dringenden medizinischen Gründen im Einzelfall erforderlich ist. Leistungen nach Absatz 2 können nicht vor Ablauf von drei, Leistungen nach Absatz 4 können nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich.

(6) Versicherte, die eine Leistung nach Absatz 4 in Anspruch nehmen und das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen je Kalendertag den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag an die Einrichtung. Die Zahlung ist an die Krankenkasse weiterzuleiten.

(7) Medizinisch notwendige stationäre Vorsorgemaßnahmen für versicherte Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen in der Regel für vier bis sechs Wochen erbracht werden.

(8) (weggefallen)

(9) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen für einen Kuraufenthalt, Kosten für Wassergymnastik und Bewegungsbäder sowie für Stärkungsmittel und Einlegesohlen, die ohne ärztliche Verordnung erworben wurden, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2006 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger erzielte im Streitjahr als kaufmännischer Angestellter Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 27.351 €, die Klägerin war Hausfrau. In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger u.a. folgende Aufwendungen als Krankheitskosten bei den außergewöhnlichen Belastungen geltend:

3

        

Kostenart    

Betrag in €

Praxisgebühren, Untersuchungsgebühr 

70,00

Fahrtkosten zu ärztlichen Behandlungen und Untersuchungen mit dem eigenen PKW

188,70

Kosten für ärztlich verordnete Medikamente und Stärkungsmittel

221,62

Kosten für Krankengymnastik, Massagen, Fango usw.

153,24

Trinkgelder für Behandlungspersonal

50,00

Kurtaxe für einen Behandlungsaufenthalt in Bad A vom 27. Oktober bis 17. November 2006

39,70

Übernachtungskosten für Aufenthalt in Bad A 

741,00

Kosten für die Fahrt W - Bad A mit eigenem PKW (1.700 km x 0,30 €) 

510,00

Kosten für Thermal-Bewegungsbäder laut ärztlicher Verordnung und Fahrtkosten zu den Terminen

299,70

Kosten für Wassergymnastik und Bewegungsbäder einschließlich Fahrtkosten dorthin 

492,00

Kosten für Einlegesohlen, Verbandsmaterial etc.  

59,89

      

4

In einer der Erklärung beigefügten Anlage gaben die Kläger zu den Kosten für die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder an, sie hätten an diesen auf ärztlichen Rat teilgenommen. Die Kläger würden an chronischen Lendenwirbelschmerzen an einer Bandscheibenvorwölbung seit 2004 leiden. Weiterhin klagten sie über Halswirbelschmerzen, Wirbelsäulenveränderungen, Migräne und Herzkreislaufbeschwerden. Die Teilnahme sei zur Schmerzreduktion erforderlich gewesen.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte im Rahmen der streitigen Einkommensteuerveranlagung die Trinkgelder (50 €), die Kurtaxe (39,70 €), die Übernachtungs- und die Fahrtkosten nach Bad A (741 € und 510 €) nicht an. Die Kosten für die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder (492 €) wurden ebenfalls nicht berücksichtigt; die Aufwendungen für die Stärkungsmittel in Höhe von 221,62 € wurden um 59,33 € gekürzt, da insoweit keine ärztliche Verordnungen vorgelegen hätten. Auch die Aufwendungen für die Einlegesohlen in Höhe von 46,21 € blieben unberücksichtigt. Sie seien --ohne ärztliche Verordnung-- bei Discountern erworben worden. Die geltend gemachten Kurkosten könnten nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, da die Kurbedürftigkeit nicht durch ein vor Kurbeginn ausgestelltes amtsärztliches oder vergleichbares Zeugnis nachgewiesen worden sei. Nach alldem seien lediglich Aufwendungen in Höhe von 818 € nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigungsfähig. Eine Minderung des Einkommens der Kläger komme gleichwohl nicht in Betracht. Denn die zumutbare Belastung betrage im Streitfall 1.220 €.

6

Der Einspruch der Kläger blieb weitgehend erfolglos. Im Einspruchsbescheid vom 20. November 2008 führte das FA zur Begründung aus, die zu berücksichtigenden Aufwendungen seien um 70 € (Praxisgebühren) und 26,31 € (Einlegesohlen) zu erhöhen und andererseits um 20,15 € bei den Medikamenten zu kürzen. Die Kosten für die Behandlungen in Bad A könnten weiterhin nicht anerkannt werden. Die Kläger hätten weder ein vor Reisebeginn ausgestelltes amtsärztliches oder vertrauensärztliches Attest noch eine Bescheinigung der gesetzlichen Krankenkasse vorgelegt. Damit seien zwar Aufwendungen in Höhe von 894,16 € berücksichtigungsfähig, die die zumutbare Belastung jedoch nicht überschritten.

7

Die hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Die Kläger hätten die medizinische Notwendigkeit und damit Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen nicht durch Vorlage eines ärztlichen Rezeptes oder einer Verordnung bzw. durch Vorlage eines amts- oder vertrauensärztlichen Attests oder Gutachtens nachgewiesen. Ein Abzug der geltend gemachten Krankheitskosten nach § 33 EStG komme deshalb nicht in Betracht. Dies gelte auch für die Trinkgelder. Derartige Zuwendungen seien grundsätzlich nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 1 EStG, und zwar unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Leistung selbst als außergewöhnliche Belastung zu beurteilen sei.

8

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. August 2010 15 K 514/08 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 24. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom

20. November 2008 dahingehend zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 2.826 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

10

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Mit Erklärung vom 6. Januar 2012 ist das Bundesministerium der Finanzen dem Verfahren wegen der Frage beigetreten, ob und wieweit an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der es mangels gesetzlicher Grundlage für die Anerkennung von Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Erforderlichkeit deshalb schwer zu beurteilen ist, eines grundsätzlich vor der Behandlung ausgestellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens über die medizinische Notwendigkeit nicht bedarf (BFH-Urteile vom 11. November 2010 VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, und VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969), auch nach der Übernahme der Nachweisregelungen aus R 33.4 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 2008 in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 (BGBl I 2011, 2131) i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 3f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i.d.F. des StVereinfG 2011 festzuhalten ist.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

13

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

14

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

15

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind.

16

c) Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch --SGB V--) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich.

17

2. Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitjahr Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in allen Fällen, in denen --wie vorliegend-- die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden.

18

a) Weder die in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 normierte Verordnungsermächtigung noch der auf ihrer Grundlage ergangene § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 begegnet rechtsstaatlichen Bedenken. § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ist hinreichend bestimmt und mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) vereinbar; auch hat sich der Verordnungsgeber bei der Ausgestaltung von § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 im Rahmen seiner Befugnisse gehalten. Die strenge Formalisierung des Nachweises der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall erscheint --jedenfalls im Grundsatz-- nicht unverhältnismäßig. Aufgrund der Neutralität und Unabhängigkeit des Amts- und Vertrauensarztes ist dieses Nachweisverlangen im steuerlichen Massenverfahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um die nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Dem steht nicht entgegen, dass der Verordnungsgeber beim Nachweis von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (im engeren Sinne) auf ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten verzichtet und eine vorherige Verordnung durch den behandelnden Arzt oder Heilpraktiker genügen lässt. Denn insoweit wird verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten Rechnung getragen (Geserich, Finanz-Rundschau 2011, 1067).

19

b) Auch die in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordnete rückwirkende Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

20

aa) Sie ist von der Ermächtigung des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 gedeckt und deshalb im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Art. 80 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht, Ermächtigungen zum Erlass rückwirkender Verordnungen zu erteilen, noch gebietet er, dass eine solche Ermächtigung ausdrücklich erteilt wird. Es reicht hin, wenn sich die Ermächtigung dazu aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 8. Juni 1977  2 BvR 499/74 und 1042/75, BVerfGE 45, 142). Davon ist vorliegend auszugehen. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Anwendungsregelung sicherstellen, dass die vor den Entscheidungen des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 geübte Rechtspraxis ohne zeitliche Lücke aufrechterhalten wird (BTDrucks 17/6146, S. 17). Überdies hat er selbst und nicht der Verordnungsgeber die rückwirkende Geltung des formalisierten Nachweisverlangens gemäß § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in Art. 2 Nr. 9 des StVereinfG 2011 angeordnet.

21

bb) § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 verstößt auch im Übrigen nicht gegen Verfassungsrecht. Zwar ist eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen), die hier insoweit vorliegt, als die Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 --wie hier-- Veranlagungszeiträume betrifft, die vor dem Zeitpunkt der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 bereits abgeschlossen waren und für die die Steuer bereits entstanden ist (§ 36 Abs. 1 EStG), nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 1098; 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, HFR 2010, 1095, und 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, HFR 2010, 1103). Erst mit der Verkündung, das heißt mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 <78 f.>, m.w.N.), muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22. März 1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 <353 f.>; vom 10. April 1984  2 BvL 19/82, BVerfGE 67, 1 <15>; vom 14. Mai 1986  2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 <241 f.>; in BVerfGE 97, 67 <78 f.>; BVerfG-Urteil vom 27. September 2005  2 BvR 1387/02, BVerfGE 114, 258 <300>).

22

cc) In der Rechtsprechung des BVerfG sind jedoch --ohne dass dies abschließend wäre-- Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist (vgl. Beschlüsse in BVerfGE 72, 200 <258 ff.>; in BVerfGE 97, 67 <79 f.>; BVerfG-Urteil vom 23. November 1999  1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239 <263>). So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 239 <263>), etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war (vgl. BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 <272>) oder eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der Rechtsanwendungspraxis rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird (BVerfG-Beschlüsse vom 23. Januar 1990  1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE 81, 228; vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts --BVerfGK-- 14, 338, und vom 21. Juli 2010  1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der BFH, wie die Kläger meinen, mit der Änderung seiner Rechtsprechung das bei gleichgebliebener Gesetzeslage schon bisher "richtige Recht" zutreffend erkannt oder die frühere Rechtslage fortentwickelnd neu gestaltet hat (BVerfG-Beschluss in BVerfGK 14, 338).

23

dd) Gemessen hieran durfte der Verordnungsgeber das formalisierte Nachweisverlangen rückwirkend anordnen. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Urteile des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 einer gefestigten Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295; in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386; vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275; in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427; vom 9. August 1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920; in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543; vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240; vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592; vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602; vom 15. März 2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841; BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2004 III B 56/04, juris; vom 24. November 2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438, und vom 15. November 2007 III B 205/06, BFH/NV 2008, 368) und der einhelligen Praxis der Finanzverwaltung (R 33.4 Abs. 1 EStR) und damit allgemeiner Rechtsanwendungspraxis auch auf Seiten der Steuerpflichtigen entsprach. Ein berechtigtes Vertrauen auf eine hiervon abweichende Rechtslage konnten die Steuerpflichtigen, so auch die Kläger, jedenfalls vor der Rechtsprechungsänderung nicht bilden. Zumal das FA nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG bereits im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 5. Dezember 2005 auf die Notwendigkeit ärztlicher Verordnungen und im Einspruchsbescheid vom 22. Mai 2006, mit dem der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 5. Dezember 2005 zurückgewiesen wurde, auf die Anforderungen an den Nachweis der Notwendigkeit von Kuraufwendungen hingewiesen hatte.

24

ee) Ob und inwieweit anderes für die Zeit nach dem Ergehen der Urteile des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss am 1. November 2011 bzw. der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 am 4. November 2011 (BGBl I 2011, 2131) oder jedenfalls bis zur entsprechenden Gesetzesinitiative --hier der Prüfbitte des Bundesrates vom 18. März 2011-- gilt, kann hier dahinstehen. Denn das Ausgangsverfahren betrifft lediglich den Veranlagungszeitraum 2006, etwaige im Vertrauen auf die erfolgte Rechtsprechungsänderung getätigte Dispositionen in der Zeit nach November 2010 stehen damit nicht zur Entscheidung.

25

ff) Es widerspricht weder dem Rechtsstaatsprinzip noch dem Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn der Gesetzgeber eine Rechtsprechungsänderung korrigiert, die auf der Grundlage der seinerzeit bestehenden Gesetzeslage zwar mit gutem Grund erfolgt ist, deren Ergebnis er aber für nicht sachgerecht hält. Nicht die Rücksicht auf die rechtsprechende Gewalt und deren Befugnis zur Letztentscheidung über die bestehende Gesetzeslage, sondern nur das sonstige Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte der Steuerpflichtigen, begrenzt hier die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers bei der Bestätigung der alten Rechtspraxis durch entsprechende gesetzliche Klarstellung (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 81, 228; in BVerfGK 14, 338, und in BVerfGE 126, 369). Entgegen der Auffassung der Kläger ist insoweit nicht erkennbar, dass die gesetzliche Festschreibung des von der Rechtspraxis bisher verlangten formalisierten Nachweises von Krankheitskosten in verfassungsrechtlich erheblicher Weise die gerade auch im Steuerrecht Geltung beanspruchenden Grundsätze der Folgerichtigkeit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268) verletzt.

26

3. Nach alldem ist die Entscheidung des FG, die Kosten für die Anschaffung der Einlegesohlen, die ohne ärztliche Verordnung angeschafften entzündungshemmenden Medikamente, Schmerzmittel, Hand- und Fußcremes, die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder der Klägerin sowie die Aufwendungen für den Aufenthalt in Bad A im Ergebnis nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zuzulassen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn insoweit haben die Kläger --nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG-- die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen nicht in der nach § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 gebotenen Form nachgewiesen. Das FG hat auch die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Trinkgelder zutreffend verneint. Trinkgelder sind nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 1 EStG, und zwar unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Leistung selbst als außergewöhnliche Belastung zu beurteilen ist. Der Steuerpflichtige ist zwar aus tatsächlichen Gründen gezwungen, bei Krankheiten medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Trinkgeld wird aber von ihm --anders als das Entgelt für die erbrachte Leistung-- zivilrechtlich nicht geschuldet. Auch wenn kein Trinkgeld erbracht wird, hat der Steuerpflichtige Anspruch auf eine sachgemäße Behandlung seiner Krankheit und kann diese auch erwarten (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2003 III R 32/01, BFHE 204, 108, BStBl II 2004, 270).

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind,

1.
eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen,
2.
einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken,
3.
Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden oder
4.
Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.

(2) Reichen bei Versicherten die Leistungen nach Absatz 1 nicht aus oder können sie wegen besonderer beruflicher oder familiärer Umstände nicht durchgeführt werden, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten. Die Satzung der Krankenkasse kann zu den übrigen Kosten die Versicherten im Zusammenhang mit dieser Leistung entstehen, einen Zuschuß von bis zu 16 Euro täglich vorsehen. Bei ambulanten Vorsorgeleistungen für versicherte chronisch kranke Kleinkinder kann der Zuschuss nach Satz 2 auf bis zu 25 Euro erhöht werden.

(3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 sind die §§ 31 bis 34 anzuwenden.

(4) Reichen bei Versicherten die Leistungen nach Absatz 1 und 2 nicht aus, erbringt die Krankenkasse Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Vorsorgeeinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 besteht; für pflegende Angehörige kann die Krankenkasse unter denselben Voraussetzungen Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung auch in einer Vorsorgeeinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111a besteht. Die Krankenkasse führt statistische Erhebungen über Anträge auf Leistungen nach Satz 1 und Absatz 2 sowie deren Erledigung durch.

(5) Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls unter entsprechender Anwendung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten nach § 8 des Neunten Buches Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach Absatz 4 sowie die Vorsorgeeinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen; die Krankenkasse berücksichtigt bei ihrer Entscheidung die besonderen Belange pflegender Angehöriger. Leistungen nach Absatz 4 sollen für längstens drei Wochen erbracht werden, es sei denn, eine Verlängerung der Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Satz 2 gilt nicht, soweit der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach Anhörung der für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorgeeinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen in Leitlinien Indikationen festgelegt und diesen jeweils eine Regeldauer zugeordnet hat; von dieser Regeldauer kann nur abgewichen werden, wenn dies aus dringenden medizinischen Gründen im Einzelfall erforderlich ist. Leistungen nach Absatz 2 können nicht vor Ablauf von drei, Leistungen nach Absatz 4 können nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich.

(6) Versicherte, die eine Leistung nach Absatz 4 in Anspruch nehmen und das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen je Kalendertag den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag an die Einrichtung. Die Zahlung ist an die Krankenkasse weiterzuleiten.

(7) Medizinisch notwendige stationäre Vorsorgemaßnahmen für versicherte Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen in der Regel für vier bis sechs Wochen erbracht werden.

(8) (weggefallen)

(9) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen für einen Kuraufenthalt, Kosten für Wassergymnastik und Bewegungsbäder sowie für Stärkungsmittel und Einlegesohlen, die ohne ärztliche Verordnung erworben wurden, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2006 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger erzielte im Streitjahr als kaufmännischer Angestellter Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 27.351 €, die Klägerin war Hausfrau. In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger u.a. folgende Aufwendungen als Krankheitskosten bei den außergewöhnlichen Belastungen geltend:

3

        

Kostenart    

Betrag in €

Praxisgebühren, Untersuchungsgebühr 

70,00

Fahrtkosten zu ärztlichen Behandlungen und Untersuchungen mit dem eigenen PKW

188,70

Kosten für ärztlich verordnete Medikamente und Stärkungsmittel

221,62

Kosten für Krankengymnastik, Massagen, Fango usw.

153,24

Trinkgelder für Behandlungspersonal

50,00

Kurtaxe für einen Behandlungsaufenthalt in Bad A vom 27. Oktober bis 17. November 2006

39,70

Übernachtungskosten für Aufenthalt in Bad A 

741,00

Kosten für die Fahrt W - Bad A mit eigenem PKW (1.700 km x 0,30 €) 

510,00

Kosten für Thermal-Bewegungsbäder laut ärztlicher Verordnung und Fahrtkosten zu den Terminen

299,70

Kosten für Wassergymnastik und Bewegungsbäder einschließlich Fahrtkosten dorthin 

492,00

Kosten für Einlegesohlen, Verbandsmaterial etc.  

59,89

      

4

In einer der Erklärung beigefügten Anlage gaben die Kläger zu den Kosten für die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder an, sie hätten an diesen auf ärztlichen Rat teilgenommen. Die Kläger würden an chronischen Lendenwirbelschmerzen an einer Bandscheibenvorwölbung seit 2004 leiden. Weiterhin klagten sie über Halswirbelschmerzen, Wirbelsäulenveränderungen, Migräne und Herzkreislaufbeschwerden. Die Teilnahme sei zur Schmerzreduktion erforderlich gewesen.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte im Rahmen der streitigen Einkommensteuerveranlagung die Trinkgelder (50 €), die Kurtaxe (39,70 €), die Übernachtungs- und die Fahrtkosten nach Bad A (741 € und 510 €) nicht an. Die Kosten für die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder (492 €) wurden ebenfalls nicht berücksichtigt; die Aufwendungen für die Stärkungsmittel in Höhe von 221,62 € wurden um 59,33 € gekürzt, da insoweit keine ärztliche Verordnungen vorgelegen hätten. Auch die Aufwendungen für die Einlegesohlen in Höhe von 46,21 € blieben unberücksichtigt. Sie seien --ohne ärztliche Verordnung-- bei Discountern erworben worden. Die geltend gemachten Kurkosten könnten nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, da die Kurbedürftigkeit nicht durch ein vor Kurbeginn ausgestelltes amtsärztliches oder vergleichbares Zeugnis nachgewiesen worden sei. Nach alldem seien lediglich Aufwendungen in Höhe von 818 € nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigungsfähig. Eine Minderung des Einkommens der Kläger komme gleichwohl nicht in Betracht. Denn die zumutbare Belastung betrage im Streitfall 1.220 €.

6

Der Einspruch der Kläger blieb weitgehend erfolglos. Im Einspruchsbescheid vom 20. November 2008 führte das FA zur Begründung aus, die zu berücksichtigenden Aufwendungen seien um 70 € (Praxisgebühren) und 26,31 € (Einlegesohlen) zu erhöhen und andererseits um 20,15 € bei den Medikamenten zu kürzen. Die Kosten für die Behandlungen in Bad A könnten weiterhin nicht anerkannt werden. Die Kläger hätten weder ein vor Reisebeginn ausgestelltes amtsärztliches oder vertrauensärztliches Attest noch eine Bescheinigung der gesetzlichen Krankenkasse vorgelegt. Damit seien zwar Aufwendungen in Höhe von 894,16 € berücksichtigungsfähig, die die zumutbare Belastung jedoch nicht überschritten.

7

Die hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Die Kläger hätten die medizinische Notwendigkeit und damit Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen nicht durch Vorlage eines ärztlichen Rezeptes oder einer Verordnung bzw. durch Vorlage eines amts- oder vertrauensärztlichen Attests oder Gutachtens nachgewiesen. Ein Abzug der geltend gemachten Krankheitskosten nach § 33 EStG komme deshalb nicht in Betracht. Dies gelte auch für die Trinkgelder. Derartige Zuwendungen seien grundsätzlich nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 1 EStG, und zwar unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Leistung selbst als außergewöhnliche Belastung zu beurteilen sei.

8

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. August 2010 15 K 514/08 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 24. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom

20. November 2008 dahingehend zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 2.826 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

10

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Mit Erklärung vom 6. Januar 2012 ist das Bundesministerium der Finanzen dem Verfahren wegen der Frage beigetreten, ob und wieweit an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der es mangels gesetzlicher Grundlage für die Anerkennung von Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Erforderlichkeit deshalb schwer zu beurteilen ist, eines grundsätzlich vor der Behandlung ausgestellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens über die medizinische Notwendigkeit nicht bedarf (BFH-Urteile vom 11. November 2010 VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, und VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969), auch nach der Übernahme der Nachweisregelungen aus R 33.4 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 2008 in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 (BGBl I 2011, 2131) i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 3f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i.d.F. des StVereinfG 2011 festzuhalten ist.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

13

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

14

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

15

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind.

16

c) Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch --SGB V--) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich.

17

2. Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitjahr Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in allen Fällen, in denen --wie vorliegend-- die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden.

18

a) Weder die in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 normierte Verordnungsermächtigung noch der auf ihrer Grundlage ergangene § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 begegnet rechtsstaatlichen Bedenken. § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ist hinreichend bestimmt und mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) vereinbar; auch hat sich der Verordnungsgeber bei der Ausgestaltung von § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 im Rahmen seiner Befugnisse gehalten. Die strenge Formalisierung des Nachweises der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall erscheint --jedenfalls im Grundsatz-- nicht unverhältnismäßig. Aufgrund der Neutralität und Unabhängigkeit des Amts- und Vertrauensarztes ist dieses Nachweisverlangen im steuerlichen Massenverfahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um die nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Dem steht nicht entgegen, dass der Verordnungsgeber beim Nachweis von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (im engeren Sinne) auf ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten verzichtet und eine vorherige Verordnung durch den behandelnden Arzt oder Heilpraktiker genügen lässt. Denn insoweit wird verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten Rechnung getragen (Geserich, Finanz-Rundschau 2011, 1067).

19

b) Auch die in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordnete rückwirkende Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

20

aa) Sie ist von der Ermächtigung des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 gedeckt und deshalb im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Art. 80 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht, Ermächtigungen zum Erlass rückwirkender Verordnungen zu erteilen, noch gebietet er, dass eine solche Ermächtigung ausdrücklich erteilt wird. Es reicht hin, wenn sich die Ermächtigung dazu aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 8. Juni 1977  2 BvR 499/74 und 1042/75, BVerfGE 45, 142). Davon ist vorliegend auszugehen. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Anwendungsregelung sicherstellen, dass die vor den Entscheidungen des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 geübte Rechtspraxis ohne zeitliche Lücke aufrechterhalten wird (BTDrucks 17/6146, S. 17). Überdies hat er selbst und nicht der Verordnungsgeber die rückwirkende Geltung des formalisierten Nachweisverlangens gemäß § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in Art. 2 Nr. 9 des StVereinfG 2011 angeordnet.

21

bb) § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 verstößt auch im Übrigen nicht gegen Verfassungsrecht. Zwar ist eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen), die hier insoweit vorliegt, als die Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 --wie hier-- Veranlagungszeiträume betrifft, die vor dem Zeitpunkt der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 bereits abgeschlossen waren und für die die Steuer bereits entstanden ist (§ 36 Abs. 1 EStG), nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 1098; 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, HFR 2010, 1095, und 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, HFR 2010, 1103). Erst mit der Verkündung, das heißt mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 <78 f.>, m.w.N.), muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22. März 1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 <353 f.>; vom 10. April 1984  2 BvL 19/82, BVerfGE 67, 1 <15>; vom 14. Mai 1986  2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 <241 f.>; in BVerfGE 97, 67 <78 f.>; BVerfG-Urteil vom 27. September 2005  2 BvR 1387/02, BVerfGE 114, 258 <300>).

22

cc) In der Rechtsprechung des BVerfG sind jedoch --ohne dass dies abschließend wäre-- Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist (vgl. Beschlüsse in BVerfGE 72, 200 <258 ff.>; in BVerfGE 97, 67 <79 f.>; BVerfG-Urteil vom 23. November 1999  1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239 <263>). So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 239 <263>), etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war (vgl. BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 <272>) oder eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der Rechtsanwendungspraxis rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird (BVerfG-Beschlüsse vom 23. Januar 1990  1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE 81, 228; vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts --BVerfGK-- 14, 338, und vom 21. Juli 2010  1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der BFH, wie die Kläger meinen, mit der Änderung seiner Rechtsprechung das bei gleichgebliebener Gesetzeslage schon bisher "richtige Recht" zutreffend erkannt oder die frühere Rechtslage fortentwickelnd neu gestaltet hat (BVerfG-Beschluss in BVerfGK 14, 338).

23

dd) Gemessen hieran durfte der Verordnungsgeber das formalisierte Nachweisverlangen rückwirkend anordnen. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Urteile des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 einer gefestigten Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295; in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386; vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275; in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427; vom 9. August 1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920; in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543; vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240; vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592; vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602; vom 15. März 2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841; BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2004 III B 56/04, juris; vom 24. November 2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438, und vom 15. November 2007 III B 205/06, BFH/NV 2008, 368) und der einhelligen Praxis der Finanzverwaltung (R 33.4 Abs. 1 EStR) und damit allgemeiner Rechtsanwendungspraxis auch auf Seiten der Steuerpflichtigen entsprach. Ein berechtigtes Vertrauen auf eine hiervon abweichende Rechtslage konnten die Steuerpflichtigen, so auch die Kläger, jedenfalls vor der Rechtsprechungsänderung nicht bilden. Zumal das FA nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG bereits im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 5. Dezember 2005 auf die Notwendigkeit ärztlicher Verordnungen und im Einspruchsbescheid vom 22. Mai 2006, mit dem der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 5. Dezember 2005 zurückgewiesen wurde, auf die Anforderungen an den Nachweis der Notwendigkeit von Kuraufwendungen hingewiesen hatte.

24

ee) Ob und inwieweit anderes für die Zeit nach dem Ergehen der Urteile des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss am 1. November 2011 bzw. der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 am 4. November 2011 (BGBl I 2011, 2131) oder jedenfalls bis zur entsprechenden Gesetzesinitiative --hier der Prüfbitte des Bundesrates vom 18. März 2011-- gilt, kann hier dahinstehen. Denn das Ausgangsverfahren betrifft lediglich den Veranlagungszeitraum 2006, etwaige im Vertrauen auf die erfolgte Rechtsprechungsänderung getätigte Dispositionen in der Zeit nach November 2010 stehen damit nicht zur Entscheidung.

25

ff) Es widerspricht weder dem Rechtsstaatsprinzip noch dem Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn der Gesetzgeber eine Rechtsprechungsänderung korrigiert, die auf der Grundlage der seinerzeit bestehenden Gesetzeslage zwar mit gutem Grund erfolgt ist, deren Ergebnis er aber für nicht sachgerecht hält. Nicht die Rücksicht auf die rechtsprechende Gewalt und deren Befugnis zur Letztentscheidung über die bestehende Gesetzeslage, sondern nur das sonstige Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte der Steuerpflichtigen, begrenzt hier die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers bei der Bestätigung der alten Rechtspraxis durch entsprechende gesetzliche Klarstellung (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 81, 228; in BVerfGK 14, 338, und in BVerfGE 126, 369). Entgegen der Auffassung der Kläger ist insoweit nicht erkennbar, dass die gesetzliche Festschreibung des von der Rechtspraxis bisher verlangten formalisierten Nachweises von Krankheitskosten in verfassungsrechtlich erheblicher Weise die gerade auch im Steuerrecht Geltung beanspruchenden Grundsätze der Folgerichtigkeit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268) verletzt.

26

3. Nach alldem ist die Entscheidung des FG, die Kosten für die Anschaffung der Einlegesohlen, die ohne ärztliche Verordnung angeschafften entzündungshemmenden Medikamente, Schmerzmittel, Hand- und Fußcremes, die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder der Klägerin sowie die Aufwendungen für den Aufenthalt in Bad A im Ergebnis nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zuzulassen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn insoweit haben die Kläger --nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG-- die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen nicht in der nach § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 gebotenen Form nachgewiesen. Das FG hat auch die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Trinkgelder zutreffend verneint. Trinkgelder sind nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 1 EStG, und zwar unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Leistung selbst als außergewöhnliche Belastung zu beurteilen ist. Der Steuerpflichtige ist zwar aus tatsächlichen Gründen gezwungen, bei Krankheiten medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Trinkgeld wird aber von ihm --anders als das Entgelt für die erbrachte Leistung-- zivilrechtlich nicht geschuldet. Auch wenn kein Trinkgeld erbracht wird, hat der Steuerpflichtige Anspruch auf eine sachgemäße Behandlung seiner Krankheit und kann diese auch erwarten (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2003 III R 32/01, BFHE 204, 108, BStBl II 2004, 270).

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.