Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 07. Aug. 2017 - 9 B 66/16

ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2017:070817B9B66.16.0
published on 07.08.2017 00:00
Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 07. Aug. 2017 - 9 B 66/16
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Gericht

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Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich im Wege der Anfechtungsklage gegen eine straßenaufsichtsbehördliche Abstufungsverfügung. Mit ihr wurden eine Teilstrecke einer Landesstraße sowie zwei Teilstrecken von Kreisstraßen auf dem Stadtgebiet der Klägerin zu Gemeindestraßen abgestuft. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben die Klage abgewiesen.

II

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

3

Grundsätzlich bedeutsam in diesem Sinn ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Frage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von irrevisiblem Recht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem irrevisiblen Recht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (BVerwG, Beschlüsse vom 20. September 1995 - 6 B 11.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8 und vom 16. Juli 2013 - 9 B 15.13 - juris Rn. 5).

4

Die aufgeworfene Frage:

Ist es mit dem rechtsstaatlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (Willkürverbot) des Grundgesetzes vereinbar, wenn bei einer Behörde, etwa durch jahrelange Missachtung der ihr obliegenden Pflicht zum Erlass gebundener Verwaltungsakte, ein nicht mehr innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu bewältigender Stau unerledigter Fälle entstanden ist, aus dem die Behörde jeweils punktuell einen Fall herausgreift und entscheidet, ohne ein Konzept bzw. System vorweisen zu können, das Auskunft darüber gibt, welche sachlichen Gründe für das Herausgreifen eines bestimmten Falles aus einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle maßgeblich sind?,

erfüllt diese Anforderungen nicht. Denn die Frage betrifft die Auslegung und Anwendung des Landesrechts (hier: des § 38 LStrG) und wirft keine klärungsbedürftige Frage zur Reichweite des im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnden bundesverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots auf.

5

Zutreffend geht die Beschwerde zunächst davon aus, dass die Klägerin als Gemeinde einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG herleiten kann, das Willkürverbot jedoch innerhalb des hoheitlichen Staatsaufbaus aufgrund des Rechtsstaatsprinzips gilt (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2004 - 2 BvR 622/03 - NVwZ 2005, 82 = juris Rn. 7). Die Reichweite des bundesrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist bezogen auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber bereits geklärt. Danach besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Reihenfolge beim Gesetzesvollzug nur, soweit die einschlägige Norm Ermessen einräumt (s. BVerwG, Urteile vom 7. Januar 1972 - 4 C 49.68 - BVerwGE 39, 235 <237> und vom 26. Februar 1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92,153 <157>) und darüber hinaus nur, wenn und soweit diese Regelungen erlassen sind, um zumindest auch dem Interesse Einzelner zu dienen (BVerwG, Urteil vom 7. Januar 1972 - 4 C 49.68 - BVerwGE 39, 235<237>). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung der betreffenden Norm zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 26. März 1981 - 3 C 134.79 - BVerwGE 62, 86 <98>).

6

Nach der nicht revisiblen Auslegung der landesrechtlichen Norm des § 38 LStrG durch das Oberverwaltungsgericht fehlt es wegen der vorgesehenen Rechtsfolge - "ist... umzustufen" - hier bereits an der Voraussetzung einer Einräumung von Ermessen. Das erkennt auch die Beschwerde. Sie hält aber eine Zulassung der Revision für geboten, weil die Rechtsprechung auf "bestimmte Konstellationen bei gebundenen Verwaltungsentscheidungen" übertragen werden müsse; gemeint sind straßenrechtliche Umstufungsentscheidungen, bei denen nur begrenzte personelle Kapazitäten zur Abwicklung bestünden. Sie legt dabei jedoch nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar, weshalb die Behörde trotz fehlenden Ermessens verpflichtet sein soll, ein der Sachentscheidung vorgelagertes "transparentes, nach sachlichen Kriterien erstelltes Konzept" vorzulegen, das Auskunft darüber gibt, welche Gründe für das Herausgreifen eines bestimmten Falles maßgeblich sind; insbesondere setzt sie sich nicht mit den Argumenten des Oberverwaltungsgerichts dazu auseinander. Danach ist ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin daran, dass bei der Beseitigung eines unrechtmäßigen Verwaltungsvollzugs eine bestimmte Reihenfolge eingehalten werden soll, nicht ersichtlich.

7

Im Übrigen bedarf die Frage auch nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Es ist offenkundig, dass eine Abstufung zur Gemeindestraße, die straßenrechtlich zwingend vorgeschrieben ist, nicht deshalb rechtswidrig ist, weil die Umstufung anderer möglicherweise schon seit längerer Zeit abzustufender Straßen bisher unterblieben ist.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Annotations

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.