Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 27. Sept. 2017 - 2 B 6/17

ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2017:270917B2B6.17.0
published on 27/09/2017 00:00
Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 27. Sept. 2017 - 2 B 6/17
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 69 BDG) gestützte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

2

1. Der Beklagte steht als Technischer Amtsinspektor (Besoldungsgruppe A 9 BBesO) im Dienst der Klägerin; er ist in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung tätig.

3

Im September 2010 leitete die Klägerin gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein und setzte es zugleich mit Blick auf das gegen ihn anhängige strafrechtliche Ermittlungsverfahren aus. Im August 2012 verurteilte das Amtsgericht den Beklagten durch Strafbefehl wegen Untreue jeweils im besonders schweren Fall und Bestechlichkeit zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegenstand des Strafbefehls ist der Vorwurf, der Beklagte habe als Amtsträger private Vorteile von einem Auftragnehmer der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung entgegengenommen. Dieser habe ihn seit 2007 mindestens einmal im Monat zum Essen eingeladen, habe in den Jahren 2009 und 2010 mehrfach private Rechnungen des Beklagten z.B. für die Reparatur seines Pkw (insgesamt ca. 3 500 €) bezahlt und habe dem Beklagten im Jahr 2009 technische Geräte zur Nutzung überlassen. Ferner habe der Beklagte im Dezember 2009 Leistungen dieses Auftragnehmers gegenüber der Klägerin in einem Umfang bescheinigt, die dieser tatsächlich nicht erbracht habe. Der Auftragnehmer habe dem Beklagten die Vergünstigungen in der Erwartung gewährt, von der Klägerin vermehrt Aufträge für sein Unternehmen zu erhalten.

4

Die Klägerin setzte den Beklagten im September 2010 zunächst innerhalb seiner Dienststelle um und ordnete ihn im Mai 2011 an ein anderes Wasser- und Schifffahrtsamt ab. Im September 2015 wurde er unter gleichzeitiger Kürzung seiner Bezüge vorläufig des Dienstes enthoben.

5

Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht auf die Disziplinarklage der Klägerin den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten hiergegen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte schuldhaft gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken verstoßen habe. Ebenso habe er seine Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten schuldhaft verletzt. Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens sei die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessen anzusehen. Eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertige sich auch nicht aus dem Fortbestehen eines Restvertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die Dienstausübung des Beklagten. Von einem solchen Fortbestehen könne nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil der Beklagte nach Aufdeckung des Dienstvergehens zunächst weiter beschäftigt worden sei.

6

2. Die von der Beschwerde geltend gemachte Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 1998 - 1 D 37.97 - (juris) liegt nicht vor. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 69 BDG ist gegeben, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 m.w.N.).

7

Die Entscheidung des Berufungsgerichts enthält keinen Rechtssatz, der einem Rechtssatz in der zuvor genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht. Insbesondere enthält die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Rechtssatz dahingehend, dass die Annahme der völligen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses bereits dann ausgeschlossen ist, wenn ein Beamter, gegen den ein Disziplinarverfahren anhängig ist, während dieses Verfahrens (zunächst) weiterbeschäftigt wird. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung seine bis heute ständige Rechtsprechung fortgeführt, wonach die Weiterbeschäftigung eines Beamten nach Aufdeckung eines Dienstvergehens sich grundsätzlich nicht maßnahmemildernd auswirkt. Die Entscheidung des Dienstherrn zur Weiterbeschäftigung kann danach auf Umständen beruhen, die für die vom Gericht zu bestimmende Maßnahme nicht von Bedeutung sind. Insbesondere kann sich der Dienstherr aus finanziellen Gründen für eine Weiterbeschäftigung entschieden haben, weil der Beamte auch während des laufenden Verfahrens weiterhin alimentiert wird (BVerwG, Urteile vom 26. August 1997 - 1 D 68.96 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 13 S. 40, vom 19. Mai 1998 - 1 D 37.97 - juris Rn. 20 und vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 42; Beschluss vom 27. Mai 2015 - 2 B 16.15 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 32 Rn. 8). Lediglich für den Einzelfall und nicht in Form eines generell geltenden Rechtssatzes hat das Bundesverwaltungsgericht in der von der Beschwerde angeführten Entscheidung festgestellt, dass das Vertrauensverhältnis noch nicht völlig zerstört war und dies in Zusammenhang mit der Weiterbeschäftigung des Beamten in derselben Grenzschutzstelle gebracht. Bei dieser Bewertung eines konkreten Einzelfalls handelt es sich jedoch nicht um einen allgemeingültigen Rechtssatz, gegen den durch die nunmehrige Berufungsentscheidung verstoßen worden sein kann.

8

Selbst wenn man annähme, dass diese Einzelfallentscheidung im Sinne eines allgemeingültigen Rechtssatzes dahingehend zu verstehen ist, dass in allen gleich gelagerten Fällen von einer noch nicht völligen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses auszugehen ist, wäre das Berufungsgericht hiervon nicht abgewichen. Denn das Berufungsgericht hatte über einen anders gelagerten Sachverhalt zu entscheiden. Dies hat es ausführlich in seiner Entscheidung (S. 25 f. des Urteilsabdrucks) begründet. Anders als in dem von der Beschwerde angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei der Beklagte nicht auf seinem bisherigen Dienstposten und ab 2011 auch in einer anderen Behörde weiterbeschäftigt worden. Insbesondere habe er in seiner neuen Funktion einem Sachbereichsleiter zugearbeitet, der die zu treffenden Entscheidungen zu unterzeichnen und zu verantworten gehabt habe.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 Abs. 1 BDG. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgelegt werden, weil die Höhe der Gerichtsgebühren nach der Anlage zu § 78 BDG betragsgenau festgelegt ist (§ 78 Satz 1 BDG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

8 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll b

Annotations

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Für die Zulassung der Revision, für die Form und Frist der Einlegung der Revision und der Einlegung der Beschwerde gegen ihre Nichtzulassung sowie für die Revisionsgründe gelten die §§ 132, 133, 137 bis 139 der Verwaltungsgerichtsordnung.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Für die Zulassung der Revision, für die Form und Frist der Einlegung der Revision und der Einlegung der Beschwerde gegen ihre Nichtzulassung sowie für die Revisionsgründe gelten die §§ 132, 133, 137 bis 139 der Verwaltungsgerichtsordnung.

(1) Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident kann jederzeit die nachfolgend genannten politischen Beamtinnen und politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand versetzen, wenn sie Beamtinnen auf Lebenszeit oder Beamte auf Lebenszeit sind:

1.
Staatssekretärinnen und Staatssekretäre sowie Ministerialdirektorinnen und Ministerialdirektoren,
2.
sonstige Beamtinnen und Beamte des höheren Dienstes im auswärtigen Dienst von der Besoldungsgruppe B 3 an aufwärts sowie Botschafterinnen und Botschafter in der Besoldungsgruppe A 16,
3.
Beamtinnen und Beamte des höheren Dienstes des Militärischen Abschirmdienstes, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes von der Besoldungsgruppe B 6 an aufwärts,
4.
die Chefin oder den Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, deren oder dessen Stellvertretung und die Stellvertretende Sprecherin oder den Stellvertretenden Sprecher der Bundesregierung,
5.
die Generalbundesanwältin oder den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof,
6.
(weggefallen)
7.
die Präsidentin oder den Präsidenten des Bundeskriminalamtes,
8.
die Präsidentin oder den Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums,
9.
die Präsidentin oder den Präsidenten des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr,
10.
die Präsidentin oder den Präsidenten des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr,
11.
die Präsidentin oder den Präsidenten des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr,
12.
die Präsidentin oder den Präsidenten der Generalzolldirektion,
13.
die Präsidentin oder den Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und
14.
die Präsidentin oder den Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik.
Satz 1 gilt nur für Beamtinnen und Beamte, deren Ernennung zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem das ihnen übertragene Amt in Satz 1 aufgenommen war, oder sich ein Gesetzentwurf zur Aufnahme einer entsprechenden Regelung im Gesetzgebungsverfahren befand.

(2) Gesetzliche Vorschriften, nach denen andere politische Beamtinnen und politische Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, bleiben unberührt.

(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.

(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Für die Kostentragungspflicht der Beteiligten und die Erstattungsfähigkeit von Kosten gelten die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend, sofern sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt.

(2) Wird eine Disziplinarverfügung trotz Vorliegens eines Dienstvergehens aufgehoben, können die Kosten ganz oder teilweise dem Beamten auferlegt werden.

(3) In Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Fristsetzung (§ 62) hat das Gericht zugleich mit der Entscheidung über den Fristsetzungsantrag über die Kosten des Verfahrens zu befinden.

(4) Kosten im Sinne dieser Vorschrift sind auch die Kosten des behördlichen Disziplinarverfahrens.

In gerichtlichen Disziplinarverfahren werden Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu diesem Gesetz erhoben. Im Übrigen sind die für Kosten in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit geltenden Vorschriften des Gerichtskostengesetzes entsprechend anzuwenden.