Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 18. Feb. 2011 - 2 B 54/10

bei uns veröffentlicht am18.02.2011

Gründe

1

Die Beschwerde des Beklagten kann keinen Erfolg haben. Aus der Beschwerdebegründung des Beklagten ergibt sich nicht, dass der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegt.

2

Der Kläger macht einen Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen geltend, die durch die Impfung seiner damals 21-jährigen Tochter zum Schutz vor der Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) entstanden sind. Die Frauenärztin der Tochter hatte die Wirksamkeit der Impfung als Schutz gegen Gebärmutterhalskrebs bescheinigt. Die Klage hat in der Berufungsinstanz Erfolg gehabt. In dem Berufungsurteil hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, die Aufwendungen seien beihilfefähig, weil HPV-Schutzimpfungen amtlich empfohlen und die Impfung der Tochter des Klägers notwendig gewesen sei. Sie seien in der Liste des zuständigen Fachministeriums über öffentlich empfohlene Schutzimpfungen aufgeführt. Die beihilferechtliche Notwendigkeit der Impfkosten stehe für Mädchen und junge Frauen im Alter von 12 bis 17 Jahren im Regelfall aufgrund der generellen Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) fest. Damit habe die STIKO aber keine starre Altersobergrenze von 17 Jahren aufgestellt. Vielmehr sei die Empfehlung als widerlegliche Vermutung der Wirksamkeit der Impfung zu verstehen, während die Wirksamkeit der Impfungen von Frauen im Alter zwischen 18 und 26 Jahren im Einzelfall durch eine fachärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden müsse. Die Wirksamkeit hänge nicht von einem bestimmten Alter, sondern davon ab, dass noch keine Infektion mit HPV aufgetreten sei.

3

Mit der Beschwerde wirft der Beklagte die Frage als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, ob

die Empfehlungen der obersten Landesgesundheitsbehörden nach § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes mit dem Inhalt der jeweiligen STIKO-Empfehlung derart (pauschalierend und typisierend) bekannt gemacht seien, dass eine weitere Prüfung der (medizinischen) Notwendigkeit der Aufwendung entfalle.

4

Der Beklagte trägt vor, nach dem bayerischen Landesbeihilferecht seien nur die Aufwendungen für amtlich empfohlene Impfungen beihilfefähig. Spreche die oberste Landesgesundheitsbehörde eine derartige Empfehlung aus, so sei die entsprechende Empfehlung der STIKO für die Beihilfefähigkeit maßgebend. Dies folge aus der besonderen fachspezifischen Sachkunde dieses Gremiums, die durch § 20 Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes - IfSG - anerkannt sei. Eine einzelfallbezogene Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Impfkosten finde nicht statt.

5

Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18; stRspr). Der erforderliche allgemeine Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann (Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - Rn. 4 ). Danach kommt die Revisionszulassung hier nicht in Betracht, weil die vom Beklagten gestellte Frage auf der Grundlage der einschlägigen Vorschriften eindeutig beantwortet werden kann:

6

Nach § 41 Abs. 3 BayBhV sind die Aufwendungen für amtlich empfohlene Schutzimpfungen beihilfefähig. Danach besteht ein Anspruch auf Beihilfe zu Impfkosten nur bei amtlicher Empfehlung der durchgeführten Schutzimpfung. Nach der sich aus § 7 Abs. 1 BayBhV ergebenden beihilferechtlichen Systematik handelt es sich bei § 41 Abs. 3 BayBhV um eine Ausschlussregelung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBhV.

7

Der Begriff der amtlichen Empfehlung im Sinne des § 41 Abs. 3 BayBhV erschließt sich ohne Weiteres aus § 20 Abs. 3 IfSG, der Bestandteil der speziellen bundesgesetzlichen Regelungen für Schutzimpfungen ist. Das Landesbeihilferecht knüpft ersichtlich an diese Regelung an. Nach § 20 Abs. 3 IfSG sollen die obersten Landesgesundheitsbehörden öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) aussprechen. Dieser Gesetzeswortlaut lässt nur den Schluss zu, dass die oberste Landesgesundheitsbehörde und die STIKO jeweils eigene Empfehlungen zu Schutzimpfungen abgeben. Daraus folgt, dass sich die Aufgabe der Behörde nicht in der Veröffentlichung der Empfehlung der STIKO erschöpft. Aufgrund der gesetzlichen Formulierung, wonach die Behörde "auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der STIKO" tätig wird, liegt auch die Annahme fern, dass sie verpflichtet ist, die Empfehlung der STIKO stets inhaltlich unverändert als eigene Empfehlung zu übernehmen. Ansonsten wären auch die von § 20 Abs. 3 IfSG vorgesehenen gesonderten Empfehlungen nicht sinnvoll. Vielmehr lässt der Gesetzeswortlaut darauf schließen, dass die Behörde nicht ohne zureichenden Grund von den Erkenntnissen und Wertungen der STIKO abweichen soll. Dieses Verständnis trägt auch der sich aus den Sätzen 3 bis 5 des § 20 Abs. 2 IfSG ergebenden Stellung der STIKO als sachverständiges Gremium Rechnung. Es wird durch Satz 7 bestätigt, wonach die STIKO ihre Empfehlungen den Behörden übermittelt und veröffentlicht.

8

Nach alledem ist unter amtlicher Empfehlung im Sinne des § 41 Abs. 3 BayBhV die Empfehlung der obersten Landesgesundheitsbehörde nach § 20 Abs. 3 IfSG zu verstehen. Davon ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommen, dass das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz in der Bekanntmachung vom 18. April 2007 unter Nr. 17 (AllMBl S. 224) HPV-Schutzimpfungen für Frauen und Mädchen ohne Altersobergrenze empfohlen hat.

9

Die Frage, ob auf die Empfehlung der STIKO abzustellen ist, wenn eine Empfehlung der obersten Landesgesundheitsbehörde fehlt, stellt sich hier nicht. Das Vorliegen einer eigenständigen Empfehlung der obersten Landesgesundheitsbehörde zusätzlich zu derjenigen der STIKO unterscheidet den hier zu beurteilenden Sachverhalt von den Sachverhalten, die den vom Beklagten angeführten Entscheidungen zu § 10 Abs. 3 BhV zugrunde liegen (Beschlüsse des OVG Lüneburg vom 19. Januar 2010 - 5 LA 80/09 - und des OVG Magdeburg vom 16. April 2010 - 1 L 89/09 -).

10

Auch kommt es hier nicht auf die Frage an, welche Rechtsfolgen ein nicht zureichend begründeter inhaltlicher Widerspruch der Empfehlung der Landesgesundheitsbehörde von der jeweiligen Empfehlung der STIKO hat. Denn aus den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, die den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO binden, ergibt sich, dass die Aussagen der STIKO nicht in Widerspruch zu der amtlichen Empfehlung stehen. Danach hat die STIKO eine generelle Impfempfehlung für Mädchen und junge Frauen im Alter von 12 bis 17 Jahren abgegeben. Daraus kann aber nicht in einem Umkehrschluss gefolgert werden, die STIKO empfehle HPV-Schutzimpfungen für Frauen nach Vollendung des 17. Lebensjahres nicht oder lehne sie gar ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass nach den Angaben der STIKO auch Frauen im Alter von 18 bis 26 Jahren von einer HPV-Schutzimpfung profitieren, wenn das Ergebnis der individuellen Prüfung von Nutzen und Risiko der Impfung durch den betreuenden Arzt positiv ausfällt. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Verweis der STIKO auf das Ergebnis der ärztlichen Prüfung damit erklärt, er trage der Tatsache Rechnung, dass die Wirksamkeit einer HPV-Schutzimpfung nicht von einem bestimmten Alter, sondern vom Fehlen einer Vorinfektion abhängt. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof die Aussage der STIKO zu HPV-Schutzimpfungen nach Vollendung des 17. Lebensjahres letztlich als Empfehlung behandelt. In der Tat erfasst dieser Begriff nicht nur Aussagen, die eine bestimmte Maßnahme "ohne Wenn und Aber" befürworten oder ablehnen. Vielmehr kann eine Empfehlung auch Bedingungen enthalten. Eine bestimmte Maßnahme kann für den Fall empfohlen werden, dass gewisse Voraussetzungen erfüllt sind.

11

Die Einwendungen des Beklagten gegen die rechtliche Würdigung der Empfehlung der STIKO durch den Verwaltungsgerichtshof sind nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen. Da es sich bei Empfehlungen der STIKO und der obersten Landesgesundheitsbehörde nicht um Rechtsnormen handelt, stellt die Bestimmung ihres Inhalts durch ein Tatsachengericht - ebenso wie die Auslegung von Verwaltungsvorschriften, Verwaltungsakten und Willenserklärungen - revisionsrechtlich nicht Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung dar. Die Würdigung der festgestellten Tatsachen unterliegt der revisionsgerichtlichen Prüfung nur, soweit es um die Einhaltung allgemeiner Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsgrundsätze geht (stRspr; vgl. nur Urteil vom 24. September 2009 - BVerwG 2 C 63.08 - BVerwGE 135, 14 = Buchholz 239.1 § 67 BeamtVG Nr. 4; Beschluss vom 2. Februar 2010 - BVerwG 2 B 86.09 - ZBR 2011, 33). Dies bringt es zwangsläufig mit sich, dass verschiedene Tatsachengerichte den Inhalt genereller Aussagen von rechtserheblicher Bedeutung wie den Inhalt von Impfempfehlungen der STIKO auf verschiedene Weise würdigen. Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Würdigung der Aussagen der STIKO zu HPV-Schutzimpfungen für Frauen im Alter von 18 bis 26 Jahren gegen einen revisionsrechtlich relevanten Grundsatz verstoßen hat.

12

Entgegen dem Vortrag des Beklagten steht damit nicht fest, dass zu den Aufwendungen jeder HPV-Schutzimpfung von Frauen nach Vollendung des 17. Lebensjahres Beihilfe zu gewähren ist. Vielmehr setzt die Beihilfefähigkeit der Impfkosten deren medizinische Notwendigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV und damit den fallbezogenen Nachweis der Wirksamkeit der Impfung als Schutz gegen Gebärmutterhalskrebs voraus. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, ist dieser Nachweis durch die Bescheinigung des betreuenden Arztes auf der Grundlage einer individuellen Prüfung zu erbringen.

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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 16. Apr. 2010 - 1 L 89/09

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Gründe I. 1 Der Kläger begehrt die anteilige Erstattung von Kosten für die Impfung seiner beiden Töchter gegen Gebärmutterhalskrebs. 2 Der Kläger ist Beamter des L

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die obersten Landesgesundheitsbehörden und die von ihnen beauftragten Stellen sowie die Gesundheitsämter informieren die Bevölkerung zielgruppenspezifisch über die Bedeutung von Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten. Bei der Information der Bevölkerung soll die vorhandene Evidenz zu bestehenden Impflücken berücksichtigt werden.

(2) Beim Robert Koch-Institut wird eine Ständige Impfkommission eingerichtet. Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit bedarf. Die Kommission gibt Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten und entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung. Die Mitglieder der Kommission werden vom Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit den obersten Landesgesundheitsbehörden berufen. Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit, der obersten Landesgesundheitsbehörden, des Robert Koch-Institutes und des Paul-Ehrlich-Institutes nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen teil. Weitere Vertreter von Bundesbehörden können daran teilnehmen. Die Empfehlungen der Kommission werden von dem Robert Koch-Institut den obersten Landesgesundheitsbehörden übermittelt und anschließend veröffentlicht.

(2a) Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 haben sich insbesondere an folgenden Impfzielen auszurichten:

1.
Reduktion schwerer oder tödlicher Krankheitsverläufe,
2.
Unterbindung einer Transmission des Coronavirus SARS-CoV-2,
3.
Schutz von Personen mit besonders hohem Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf,
4.
Schutz von Personen mit besonders hohem behinderungs-, tätigkeits- oder aufenthaltsbedingtem Infektionsrisiko,
5.
Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen, von Kritischen Infrastrukturen, von zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und des öffentlichen Lebens.
Die auf Grund des § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe f sowie des § 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a, auch in Verbindung mit Nummer 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erlassenen Rechtsverordnungen haben sich an den in Satz 1 genannten Impfzielen im Fall beschränkter Verfügbarkeit von Impfstoffen bei notwendigen Priorisierungen auszurichten.

(3) Die obersten Landesgesundheitsbehörden sollen öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission aussprechen.

(4) Zur Durchführung von Schutzimpfungen ist jeder Arzt berechtigt. Fachärzte dürfen Schutzimpfungen unabhängig von den Grenzen der Ausübung ihrer fachärztlichen Tätigkeit durchführen. Die Berechtigung zur Durchführung von Schutzimpfungen nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften bleibt unberührt.

(5) Die obersten Landesgesundheitsbehörden können bestimmen, dass die Gesundheitsämter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen bestimmte übertragbare Krankheiten durchführen. Die zuständigen Behörden können mit den Maßnahmen nach Satz 1 Dritte beauftragen. Soweit die von der Maßnahme betroffene Person gegen einen anderen Kostenträger einen Anspruch auf entsprechende Leistungen hat oder einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für entsprechende Leistungen hätte, ist dieser zur Tragung der Sachkosten verpflichtet. Wenn Dritte nach Satz 2 beauftragt wurden, ist der andere Kostenträger auch zur Tragung dieser Kosten verpflichtet, soweit diese angemessen sind.

(6) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht an Schutzimpfungen oder an anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilnehmen können, können durch Rechtsverordnung nach Satz 1 nicht zu einer Teilnahme an Schutzimpfungen oder an anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe verpflichtet werden. § 15 Abs. 2 gilt entsprechend.

(7) Solange das Bundesministerium für Gesundheit von der Ermächtigung nach Absatz 6 keinen Gebrauch macht, sind die Landesregierungen zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 ermächtigt. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die obersten Landesgesundheitsbehörden übertragen.

(8) Folgende Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind, müssen entweder einen nach den Maßgaben von Satz 2 ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres eine Immunität gegen Masern aufweisen:

1.
Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden,
2.
Personen, die bereits vier Wochen
a)
in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder
b)
in einer Einrichtung nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind, und
3.
Personen, die in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind.
Ein ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, wenn ab der Vollendung des ersten Lebensjahres mindestens eine Schutzimpfung und ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern bei der betroffenen Person durchgeführt wurden. Satz 1 gilt auch, wenn zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten. Satz 1 gilt nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.

(9) Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung vor Beginn ihrer Betreuung oder ihrer Tätigkeit folgenden Nachweis vorzulegen:

1.
eine Impfdokumentation nach § 22 Absatz 1 und 2 oder ein ärztliches Zeugnis, auch in Form einer Dokumentation nach § 26 Absatz 2 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, darüber, dass bei ihnen ein nach den Maßgaben von Absatz 8 Satz 2 ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht,
2.
ein ärztliches Zeugnis darüber, dass bei ihnen eine Immunität gegen Masern vorliegt oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können oder
3.
eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung darüber, dass ein Nachweis nach Nummer 1 oder Nummer 2 bereits vorgelegen hat.
Wenn der Nachweis nach Satz 1 von einer Person, die auf Grund einer nach Satz 8 zugelassenen Ausnahme oder nach Satz 9 in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 beschäftigt oder tätig werden darf, nicht vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass
1.
der Nachweis nach Satz 1 nicht der Leitung der jeweiligen Einrichtung, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen ist,
2.
die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht durch die Leitung der jeweiligen Einrichtung, sondern durch die nach Nummer 1 bestimmte Stelle zu erfolgen hat,
3.
die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht gegenüber dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, sondern gegenüber einer anderen staatlichen Stelle zu erfolgen hat.
Die Behörde, die für die Erteilung der Erlaubnis nach § 43 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständig ist, kann bestimmen, dass vor dem Beginn der Tätigkeit im Rahmen der Kindertagespflege der Nachweis nach Satz 1 ihr gegenüber zu erbringen ist; in diesen Fällen hat die Benachrichtigung nach Satz 2 durch sie zu erfolgen. Eine Benachrichtigungspflicht nach Satz 2 besteht nicht, wenn der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder der anderen nach Satz 3 Nummer 2 oder Satz 4 bestimmten Stelle bekannt ist, dass das Gesundheitsamt oder die andere nach Satz 3 Nummer 3 bestimmte Stelle über den Fall bereits informiert ist. Eine Person, die ab der Vollendung des ersten Lebensjahres keinen Nachweis nach Satz 1 vorlegt, darf nicht in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 beschäftigt werden. Eine Person, die über keinen Nachweis nach Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 nicht tätig werden. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann allgemeine Ausnahmen von den Sätzen 6 und 7 zulassen, wenn das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite einen Lieferengpass zu allen Impfstoffen mit einer Masernkomponente, die für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassen oder genehmigt sind, bekannt gemacht hat; parallel importierte und parallel vertriebene Impfstoffe mit einer Masernkomponente bleiben unberücksichtigt. Eine Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, darf in Abweichung von Satz 6 in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 3 betreut werden.

(9a) Sofern sich ergibt, dass ein Impfschutz gegen Masern erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist oder vervollständigt werden kann oder ein Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 seine Gültigkeit auf Grund Zeitablaufs verliert, haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind, der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 innerhalb eines Monats, nachdem es ihnen möglich war, einen Impfschutz gegen Masern zu erlangen oder zu vervollständigen, oder innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Nachweises nach Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 vorzulegen. Wenn der Nachweis nach Satz 1 nicht innerhalb dieses Monats vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 gilt entsprechend.

(10) Personen, die am 1. März 2020 bereits in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut wurden und noch werden oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig waren und noch sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorzulegen. Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 nicht bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 und 4 findet entsprechende Anwendung.

(11) Personen, die bereits vier Wochen in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder in Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 wie folgt vorzulegen:

1.
innerhalb von vier weiteren Wochen oder,
2.
wenn sie am 1. März 2020 bereits betreut wurden und noch werden oder untergebracht waren und noch sind, bis zum Ablauf des 31. Juli 2022.
Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 nicht innerhalb von vier weiteren Wochen oder in den Fällen von Satz 1 Nummer 2 nicht bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 findet entsprechende Anwendung.

(12) Folgende Personen haben dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 vorzulegen:

1.
Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden,
2.
Personen, die bereits acht Wochen
a)
in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder
b)
in Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind und
3.
Personen, die in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind.
Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen Masern geimpft werden kann; Personen, die über die Echtheit oder inhaltliche Richtigkeit des vorgelegten Nachweises Auskunft geben können, sind verpflichtet, auf Verlangen des Gesundheitsamtes die erforderlichen Auskünfte insbesondere über die dem Nachweis zugrundeliegenden Tatsachen zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und Einsicht zu gewähren; § 15a Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt wird, kann das Gesundheitsamt die zur Vorlage des Nachweises verpflichtete Person zu einer Beratung laden und hat diese zu einer Vervollständigung des Impfschutzes gegen Masern aufzufordern. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung tätig wird. Einer Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, kann in Abweichung von Satz 4 nicht untersagt werden, die dem Betrieb einer Einrichtung nach § 33 Nummer 3 dienenden Räume zu betreten. Einer Person, die einer Unterbringungspflicht unterliegt, kann in Abweichung von Satz 4 nicht untersagt werden, die dem Betrieb einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 4 oder einer Einrichtung nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 dienenden Räume zu betreten. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach Satz 1 oder Satz 2 erlassene Anordnung oder ein von ihm nach Satz 4 erteiltes Verbot haben keine aufschiebende Wirkung. Sobald ein Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 vorgelegt wird, ist die Maßnahme nach Satz 4 aufzuheben und das Verwaltungszwangsverfahren mit sofortiger Wirkung einzustellen.

(13) Wenn eine nach den Absätzen 9 bis 12 verpflichtete Person minderjährig ist, so hat derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den Absätzen 9 bis 12 treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht. Die gleiche Verpflichtung trifft den Betreuer einer von Verpflichtungen nach den Absätzen 9 bis 12 betroffenen Person, soweit die Erfüllung dieser Verpflichtungen zu seinem Aufgabenkreis gehört.

(14) Durch die Absätze 6 bis 12 wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die obersten Landesgesundheitsbehörden und die von ihnen beauftragten Stellen sowie die Gesundheitsämter informieren die Bevölkerung zielgruppenspezifisch über die Bedeutung von Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten. Bei der Information der Bevölkerung soll die vorhandene Evidenz zu bestehenden Impflücken berücksichtigt werden.

(2) Beim Robert Koch-Institut wird eine Ständige Impfkommission eingerichtet. Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit bedarf. Die Kommission gibt Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten und entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung. Die Mitglieder der Kommission werden vom Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit den obersten Landesgesundheitsbehörden berufen. Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit, der obersten Landesgesundheitsbehörden, des Robert Koch-Institutes und des Paul-Ehrlich-Institutes nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen teil. Weitere Vertreter von Bundesbehörden können daran teilnehmen. Die Empfehlungen der Kommission werden von dem Robert Koch-Institut den obersten Landesgesundheitsbehörden übermittelt und anschließend veröffentlicht.

(2a) Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 haben sich insbesondere an folgenden Impfzielen auszurichten:

1.
Reduktion schwerer oder tödlicher Krankheitsverläufe,
2.
Unterbindung einer Transmission des Coronavirus SARS-CoV-2,
3.
Schutz von Personen mit besonders hohem Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf,
4.
Schutz von Personen mit besonders hohem behinderungs-, tätigkeits- oder aufenthaltsbedingtem Infektionsrisiko,
5.
Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen, von Kritischen Infrastrukturen, von zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und des öffentlichen Lebens.
Die auf Grund des § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe f sowie des § 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a, auch in Verbindung mit Nummer 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erlassenen Rechtsverordnungen haben sich an den in Satz 1 genannten Impfzielen im Fall beschränkter Verfügbarkeit von Impfstoffen bei notwendigen Priorisierungen auszurichten.

(3) Die obersten Landesgesundheitsbehörden sollen öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission aussprechen.

(4) Zur Durchführung von Schutzimpfungen ist jeder Arzt berechtigt. Fachärzte dürfen Schutzimpfungen unabhängig von den Grenzen der Ausübung ihrer fachärztlichen Tätigkeit durchführen. Die Berechtigung zur Durchführung von Schutzimpfungen nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften bleibt unberührt.

(5) Die obersten Landesgesundheitsbehörden können bestimmen, dass die Gesundheitsämter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen bestimmte übertragbare Krankheiten durchführen. Die zuständigen Behörden können mit den Maßnahmen nach Satz 1 Dritte beauftragen. Soweit die von der Maßnahme betroffene Person gegen einen anderen Kostenträger einen Anspruch auf entsprechende Leistungen hat oder einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für entsprechende Leistungen hätte, ist dieser zur Tragung der Sachkosten verpflichtet. Wenn Dritte nach Satz 2 beauftragt wurden, ist der andere Kostenträger auch zur Tragung dieser Kosten verpflichtet, soweit diese angemessen sind.

(6) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht an Schutzimpfungen oder an anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilnehmen können, können durch Rechtsverordnung nach Satz 1 nicht zu einer Teilnahme an Schutzimpfungen oder an anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe verpflichtet werden. § 15 Abs. 2 gilt entsprechend.

(7) Solange das Bundesministerium für Gesundheit von der Ermächtigung nach Absatz 6 keinen Gebrauch macht, sind die Landesregierungen zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 ermächtigt. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die obersten Landesgesundheitsbehörden übertragen.

(8) Folgende Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind, müssen entweder einen nach den Maßgaben von Satz 2 ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres eine Immunität gegen Masern aufweisen:

1.
Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden,
2.
Personen, die bereits vier Wochen
a)
in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder
b)
in einer Einrichtung nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind, und
3.
Personen, die in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind.
Ein ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, wenn ab der Vollendung des ersten Lebensjahres mindestens eine Schutzimpfung und ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern bei der betroffenen Person durchgeführt wurden. Satz 1 gilt auch, wenn zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten. Satz 1 gilt nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.

(9) Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung vor Beginn ihrer Betreuung oder ihrer Tätigkeit folgenden Nachweis vorzulegen:

1.
eine Impfdokumentation nach § 22 Absatz 1 und 2 oder ein ärztliches Zeugnis, auch in Form einer Dokumentation nach § 26 Absatz 2 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, darüber, dass bei ihnen ein nach den Maßgaben von Absatz 8 Satz 2 ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht,
2.
ein ärztliches Zeugnis darüber, dass bei ihnen eine Immunität gegen Masern vorliegt oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können oder
3.
eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung darüber, dass ein Nachweis nach Nummer 1 oder Nummer 2 bereits vorgelegen hat.
Wenn der Nachweis nach Satz 1 von einer Person, die auf Grund einer nach Satz 8 zugelassenen Ausnahme oder nach Satz 9 in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 beschäftigt oder tätig werden darf, nicht vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass
1.
der Nachweis nach Satz 1 nicht der Leitung der jeweiligen Einrichtung, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen ist,
2.
die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht durch die Leitung der jeweiligen Einrichtung, sondern durch die nach Nummer 1 bestimmte Stelle zu erfolgen hat,
3.
die Benachrichtigung nach Satz 2 nicht gegenüber dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, sondern gegenüber einer anderen staatlichen Stelle zu erfolgen hat.
Die Behörde, die für die Erteilung der Erlaubnis nach § 43 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständig ist, kann bestimmen, dass vor dem Beginn der Tätigkeit im Rahmen der Kindertagespflege der Nachweis nach Satz 1 ihr gegenüber zu erbringen ist; in diesen Fällen hat die Benachrichtigung nach Satz 2 durch sie zu erfolgen. Eine Benachrichtigungspflicht nach Satz 2 besteht nicht, wenn der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder der anderen nach Satz 3 Nummer 2 oder Satz 4 bestimmten Stelle bekannt ist, dass das Gesundheitsamt oder die andere nach Satz 3 Nummer 3 bestimmte Stelle über den Fall bereits informiert ist. Eine Person, die ab der Vollendung des ersten Lebensjahres keinen Nachweis nach Satz 1 vorlegt, darf nicht in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 beschäftigt werden. Eine Person, die über keinen Nachweis nach Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 nicht tätig werden. Die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann allgemeine Ausnahmen von den Sätzen 6 und 7 zulassen, wenn das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite einen Lieferengpass zu allen Impfstoffen mit einer Masernkomponente, die für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassen oder genehmigt sind, bekannt gemacht hat; parallel importierte und parallel vertriebene Impfstoffe mit einer Masernkomponente bleiben unberücksichtigt. Eine Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, darf in Abweichung von Satz 6 in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 3 betreut werden.

(9a) Sofern sich ergibt, dass ein Impfschutz gegen Masern erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist oder vervollständigt werden kann oder ein Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 seine Gültigkeit auf Grund Zeitablaufs verliert, haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind, der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 innerhalb eines Monats, nachdem es ihnen möglich war, einen Impfschutz gegen Masern zu erlangen oder zu vervollständigen, oder innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Nachweises nach Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 vorzulegen. Wenn der Nachweis nach Satz 1 nicht innerhalb dieses Monats vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 gilt entsprechend.

(10) Personen, die am 1. März 2020 bereits in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut wurden und noch werden oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig waren und noch sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorzulegen. Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 nicht bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 und 4 findet entsprechende Anwendung.

(11) Personen, die bereits vier Wochen in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder in Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 wie folgt vorzulegen:

1.
innerhalb von vier weiteren Wochen oder,
2.
wenn sie am 1. März 2020 bereits betreut wurden und noch werden oder untergebracht waren und noch sind, bis zum Ablauf des 31. Juli 2022.
Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 nicht innerhalb von vier weiteren Wochen oder in den Fällen von Satz 1 Nummer 2 nicht bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 9 Satz 3 findet entsprechende Anwendung.

(12) Folgende Personen haben dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 vorzulegen:

1.
Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden,
2.
Personen, die bereits acht Wochen
a)
in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder
b)
in Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind und
3.
Personen, die in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind.
Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen Masern geimpft werden kann; Personen, die über die Echtheit oder inhaltliche Richtigkeit des vorgelegten Nachweises Auskunft geben können, sind verpflichtet, auf Verlangen des Gesundheitsamtes die erforderlichen Auskünfte insbesondere über die dem Nachweis zugrundeliegenden Tatsachen zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und Einsicht zu gewähren; § 15a Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Wenn der Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt wird, kann das Gesundheitsamt die zur Vorlage des Nachweises verpflichtete Person zu einer Beratung laden und hat diese zu einer Vervollständigung des Impfschutzes gegen Masern aufzufordern. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung tätig wird. Einer Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, kann in Abweichung von Satz 4 nicht untersagt werden, die dem Betrieb einer Einrichtung nach § 33 Nummer 3 dienenden Räume zu betreten. Einer Person, die einer Unterbringungspflicht unterliegt, kann in Abweichung von Satz 4 nicht untersagt werden, die dem Betrieb einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 4 oder einer Einrichtung nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 dienenden Räume zu betreten. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine vom Gesundheitsamt nach Satz 1 oder Satz 2 erlassene Anordnung oder ein von ihm nach Satz 4 erteiltes Verbot haben keine aufschiebende Wirkung. Sobald ein Nachweis nach Absatz 9 Satz 1 vorgelegt wird, ist die Maßnahme nach Satz 4 aufzuheben und das Verwaltungszwangsverfahren mit sofortiger Wirkung einzustellen.

(13) Wenn eine nach den Absätzen 9 bis 12 verpflichtete Person minderjährig ist, so hat derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den Absätzen 9 bis 12 treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht. Die gleiche Verpflichtung trifft den Betreuer einer von Verpflichtungen nach den Absätzen 9 bis 12 betroffenen Person, soweit die Erfüllung dieser Verpflichtungen zu seinem Aufgabenkreis gehört.

(14) Durch die Absätze 6 bis 12 wird das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt die anteilige Erstattung von Kosten für die Impfung seiner beiden Töchter gegen Gebärmutterhalskrebs.

2

Der Kläger ist Beamter des Landes Sachsen Anhalt. Seine am … und am … geborenen Töchter erhielten in der Zeit von … bis … 2008 im Alter von 22 bzw. 20 Jahren die ersten der auf drei Dosen angelegten Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs (Humane Papillomaviren [HPV]) mit dem Impfstoff „Gardasil“. Den hierauf gerichteten, am 29. Juli 2008 bei der Beklagten eingegangenen Beihilfeantrag lehnte diese mit Bescheid vom 30. Juli/1. August 2008 mit der Begründung ab, dass § 10 Abs. 3 BhV die Beihilfefähigkeit an die amtliche Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) knüpfe. Das hier empfohlene Impfalter von 12 bis 17 Jahren hätten die Töchter des Klägers im Zeitpunkt ihrer Impfungen überschritten. Den dagegen am 25. August 2008 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2009 als unbegründet zurück.

3

Hiergegen hat der Kläger mit dem am 20. Februar 2009 bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend machte: In den Impfempfehlungen der STIKO werde ausdrücklich aufgeführt, dass auch ältere Frauen von einer Impfung profitieren könnten und es in der Verantwortung der Ärzte liege, nach individueller Prüfung von Nutzen und Risiken der Impfung die Patienten darauf hinzuweisen. Auch aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 BhV sei kein Anhaltspunkt für eine einschränkende Auslegung ersichtlich, wonach nur Impfungen für die festgelegte Altersgruppe beihilfefähig seien. Die generelle Altersbeschränkung beruhe „nur“ auf statistischen Werten. Darüber hinaus sei im Wege der Gleichstellung zu berücksichtigen, dass der Impfstoff erst seit dem Jahr 2007 auf dem Markt sei und daher ältere Mädchen von vornherein nicht in die altersbeschränkende Zielgruppe hineinfielen. Dementsprechend obliege es der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, eine entsprechende Erstattungsfähigkeit anzunehmen.

4

Der Kläger hat beantragt,

5

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides vom 30. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe in Höhe von 476,99 € für Aufwendungen für den Impfstoff „Gardasil“ zu bewilligen.

6

Die Beklagte hat beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht: Die STIKO habe mit ihrem Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 die Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) nur für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren empfohlen. Diese Regelung sei mit Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 26. März 2007 und mit Erlass des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. April 2007 übernommen und für diesen Adressatenkreis ab dem 23. März 2007 gemäß § 10 Abs. 3 BhV als beihilfefähig anerkannt worden. Entscheidend für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen sei das Alter der geimpften Person bei der ersten Dosisimpfung. Die Impfung sei vor der Aufnahme des Geschlechtsverkehrs durchzuführen. Deshalb habe die STIKO die untere Altersgrenze auf einen Zeitpunkt gelegt, zu dem junge Mädchen üblicherweise noch keine sexuellen Kontakte hätten. Hinsichtlich der oberen Altersgrenze von 17 Jahren habe man sich davon leiten lassen, dass nach einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 73 % der Mädchen bis zum 17. Lebensjahr bereits Geschlechtsverkehr gehabt und 87 % der Mädchen einen Frauenarzt aufgesucht hätten. Demnach bestehe die realistische Chance, durch eine Impfung von Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren einen relevanten Teil der Mädchen zu erreichen, die von einer Impfung gegen HPV profitieren könnten. Soweit die STIKO nicht ausschließe, dass auch Frauen außerhalb der genanten Altersspanne von einer Impfung gegen HPV profitieren könnten, sei dies nicht als Impfempfehlung zu werten. Eine allgemeine Impfempfehlung für alle Mädchen und Frauen habe die STIKO gerade nicht ausgesprochen. Denn mit der Impfempfehlung sollten zum einen möglichst umfassend alle potentiell sinnvollen Zielgruppen einer Impfung benannt sein. Auf der anderen Seite sei das optimale Impfalter im Sinne einer unteren und oberen Grenze anhand von epidemiologischen Überlegungen und Ergebnissen der im Rahmen der Zulassung durchgeführten Studien und weiteren Studien zum Sexualverhalten von Mädchen und jungen Frauen in Deutschland zu definieren und zu begründen. Die Impfung sei daher weder i. S. v. § 10 Abs. 3 BhV „amtlich empfohlen“ noch medizinisch notwendig i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BhV. Die Kosten lediglich nützlicher, aber nicht notwendiger Behandlungen müsse der Beihilfeberechtigte selbst zahlen. Dies begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere verstoße es nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Denn diese werde durch die beihilferechtlichen Vorschriften grundsätzlich abschließend konkretisiert und verlange keine lückenlose Erstattung jeglicher Kosten.

9

Mit - der Beklagten am 13. November 2009 zugestelltem - Urteil vom 13. Oktober 2009 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 30. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 verpflichtet, die Aufwendungen des Klägers für den Impfstoff „Gardasil“ als beihilfefähig anzuerkennen und ihm eine entsprechende Beihilfe zu bewilligen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß §§ 5 Abs. 1 und 10 Abs. 3 BhV einen Anspruch auf die Gewährung einer Beihilfe in Höhe des geltend gemachten Betrages. Nach der Impfempfehlung der STIKO in dem Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 (Ausgabe Nr. 12/2007, S. 97 bis 102; veröffentlicht im Internet) werde die Impfung gegen HPV unzweifelhaft und unstreitig für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren generell empfohlen. Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränke sich diese Impfempfehlung jedoch nicht auf den Adressatenkreis der Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Denn dies ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang der in „Empfehlung“ und „Begründung“ unterteilten Mitteilung der STIKO. Neben Empfehlungen zur Dosierung der Impfung und ihrem Zeitpunkt enthalte der Empfehlungsabschnitt ferner die Aussage der STIKO, dass auch Frauen, die innerhalb des benannten Zeitraums keine Impfung gegen HPV erhalten hätten, ebenfalls von einer solchen Impfung nach individueller Prüfung von Nutzen und Risiko der Impfung durch den betreuenden Arzt profitieren könnten. Es fehle daher die Aussage, dass sich die Impfempfehlung „nur“ auf die genannte Altersgruppe beschränke und etwa älteren Mädchen und jungen Frauen die Impfung nicht empfohlen werde. Der Altersrahmen stelle sich daher nicht als Ausschließlichkeitskriterium dar.

10

Auf den hiergegen von der Beklagten am 30. November 2009 bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg gestellten Antrag hat der beschließende Senat mit Beschluss vom 18. Januar 2010 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen. Die Beklagte trägt zu deren Begründung mit ihrem am 2. Februar 2010 bei dem beschließenden Gericht eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht interpretiere die Impfempfehlung der STIKO falsch. Diese lasse vielmehr hinreichend deutlich erkennen, dass sie sich nur auf die Altersgruppe von 12 bis 17 Jahren beschränke. Insofern habe nach Maßgabe der Empfehlung der STIKO eine Indikation für eine HPV-Impfung der Töchter des Klägers nicht vorgelegen. Da § 10 Abs. 3 BhV hieran anknüpfe, könne nicht auf Rechtsprechung Bezug genommen werden, der andere Vorschriften zugrunde lägen. Diese Beschränkung sei weder sach- noch rechtswidrig. Der Beamte müsse dementsprechend Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus Pauschalierungen und Typisierungen ergäben. Im Übrigen sei ein HPV-Test bei den Töchtern des Klägers nicht durchgeführt worden, so dass die Notwendigkeit einer Impfung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV auch individuell nicht gegeben gewesen sei. Kosten nur nützlicher, aber nicht notwendiger Behandlungen müsse der Beihilfeberechtigte selbst tragen. Dies sei hier weder generell noch individuell für den nach der Besoldungsgruppe B 2 BBesO besoldeten Kläger unzumutbar, insbesondere nicht fürsorgepflichtwidrig.

11

Die Beklagte beantragt,

12

unter Abänderung des Urteiles des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 13. Oktober 2009 den Kläger in vollem Umfange mit der Klage abzuweisen.

13

Der Kläger beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

15

Er führt unter Ergänzung seines bisherigen Vorbringens zur Begründung im Wesentlichen aus: Maßgeblich sei gemäß § 10 Abs. 3 BhV allein die amtliche Empfehlung der STIKO, nicht hingegen der von der Beklagten angeführte Erlass des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. April 2007. Dieser könne eine amtliche Empfehlung der STIKO nicht ersetzen. Die einschränkende Auslegung der STIKO-Empfehlung sei nicht sachgerecht. Sie stehe nicht nur im Widerspruch zum Inhalt der Empfehlung, sondern auch zur Anwendungspraxis der Beklagten für andere Bereiche von Schutzimpfungen. Die Beklagte verwechsele den weiten Begriff der „amtlich empfohlenen Schutzimpfungen“ im Sinne von § 10 Abs. 3 BhV und den weiten Inhalt der STIKO-Empfehlungen mit den Standardimpfungen und dem jeweils empfohlenen Impfalter, die aber nur einen Teil der gesamten STIKO-Empfehlungen darstellten. Im Übrigen gewähre die Beklagte Beihilfeberechtigten unter 60 Jahren Beihilfe bei Influenzaimpfungen, wenngleich das empfohlene Impfalter gemäß den STIKO-Empfehlungen bei 60 Jahren und höher liege. Mit Recht führe das Verwaltungsgericht im Übrigen aus, dass sich die HPV-Impfempfehlung der STIKO nicht auf den Adressatenkreis der Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren beschränke und es auch nicht so sei, dass die Impfung älterer Mädchen und junger Frauen ausdrücklich nicht empfohlen werde. Es komme insoweit auf eine individuelle Prüfung an. Die hier behandelnde Ärztin sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die HPV-Impfung indiziert gewesen sei. Damit sei die medizinische Notwendigkeit gegeben gewesen. Hinzu komme, dass die am 18. Juli 1987 geborene Tochter des Klägers die STIKO-Empfehlung auch deswegen erfülle, weil sie seit dem Jahr 2006 an Diabetes mellitus Typ 1 leide. Schließlich sei im Hinblick auf die Höhe der Kosten deren Tragung durch ihn - den Kläger - unzumutbar.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte A) verwiesen.

II.

17

1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Beklagten gemäß § 130a Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und - wie sich aus den nachfolgenden Gründen ergibt - die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

18

2. Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 13. Oktober 2009 gerichtete Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

19

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der Bescheid der Beklagten vom 30. Juli/1. August 2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2009 sind, soweit sie vorliegend angefochten wurden, rechtmäßig und verletzen den Kläger mithin nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

20

Als Beamter des Landes Sachsen-Anhalt erhielt der Kläger bislang gemäß § 88a Abs. 1 BG LSA u. a. in Krankheitsfällen Beihilfen nach den für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes jeweils geltenden Vorschriften. Dies ist vorliegend die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (BhV) vom 1. November 2001 ( GMBl. S. 919; MBl. LSA 2002, 10 ), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verwaltungsvorschrift vom 30. Januar 2004 ( GMBl. S. 379; MBl. LSA 2004, 235 ), welche für den vorliegenden Fall noch Anwendung findet ( vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2008 - Az.: 2 C 24.07 und 2 C 108.07 -; Beschluss vom 25. September 2008 - Az.: 2 B 16.08 -, jeweils zitiert nach juris [m. w. N.] ). Denn die Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) ist erst mit Wirkung vom 14. Februar 2009 in Kraft getreten und bestimmt in § 58 Abs. 1 BBhV, dass auf Aufwendungen, die - wie hier - vor ihrem Inkrafttreten entstanden sind, weiter die BhV anzuwenden ist.

21

Daran, dass die BhV im gegebenen Fall als solche weiter anzuwenden ist, hat sich auch nichts dadurch geändert, dass gemäß Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Landesbeamtenrechts vom 15. Dezember 2009 ( GVBl. LSA S. 648 ) mit Wirkung ab dem 1. Februar 2010 das Beamtengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (Landesbeamtengesetz - LBG LSA) in Kraft getreten ist. Denn nach § 120 Abs. 8 LBG LSA gelten die für die Beamten, Versorgungsempfänger und früheren Beamten des Bundes jeweils geltenden Vorschriften bis zum Inkrafttreten der Verordnung nach § 120 Abs. 7 LBG LSA weiter. Diese Verordnung ist bislang nicht erlassen worden. Im Übrigen regelt § 120 LBG LSA - insoweit in der Sache übereinstimmend mit dem früheren § 88a Abs. 1 BG LSA - lediglich, dass dem vorgenannten Personenkreis als Ergänzung der aus den laufenden Bezügen zu bestreitenden Eigenvorsorge Beihilfe zudem zu den Aufwendungen berücksichtigungsfähiger Angehöriger gewährt wird (Abs. 1 und 2).

22

Des Weiteren regelt § 120 Abs. 3 LBG LSA, dass grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen in Krankheits- und Pflegefällen (Nr. 1), zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten oder Behinderungen (Nr. 2), in Geburtsfällen, zur Empfängnisverhütung, bei künstlicher Befruchtung sowie in Fällen des nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs und der nicht rechtswidrigen Sterilisation (Nr. 3) und zur Früherkennung von Krankheiten und zu Schutzimpfungen (Nr. 4) beihilfefähig sind.

23

Der Kläger hat nach dem hiernach maßgeblichen § 120 Abs. 1 und 3 Nr. 4, Abs. 8 LBG LSA i. V. m. der BhV keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfe in Bezug auf die in der Zeit von Februar bis April 2008 erfolgten Impfungen seiner Töchter gegen Gebärmutterhalskrebs (Humane Papillomaviren [HPV]) mit dem Impfstoff „Gardasil“.

24

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und wenn die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. § 10 Abs. 3 BhV stellt insoweit eine Sonderbestimmung zur Beihilfefähigkeit von Aufwendungen bei Vorsorgemaßnahmen dar, die in Bezug auf die hier streitbefangenen Schutzimpfungen regelt, dass Aufwendungen für amtlich empfohlene Schutzimpfungen beihilfefähig sind, jedoch nicht anlässlich privater Reisen in Gebiete außerhalb der Europäischen Union.

25

§ 10 Abs. 3 BhV ist dahin zu verstehen, dass die Beihilfefähigkeit ausschließlich Aufwendungen für amtlich empfohlene Schutzimpfungen erfasst. Dies folgt schon daraus, dass die Neufassung von § 10 Abs. 3 BhV mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 mit der Einfügung der weiteren Tatbestandsmerkmale „amtlich empfohlene“ eine Einschränkung des vorherigen Anwendungsbereiches der Regelung zur Folge hat.

26

„Schutzimpfung“ im Sinne von § 10 Abs. 3 BhV ist die Gabe eines Impfstoffes mit dem Ziel, vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen (vgl. § 2 Nr. 9 Infektionsschutzgesetz - IfSG). „Amtlich empfohlen“ im Sinne von § 10 Abs. 3 BhV ist eine Schutzimpfung, wenn sie von der beim Robert Koch-Institut gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 IfSG eingerichteten Ständigen Impfkommission (STIKO) nach § 20 Abs. 2 Satz 3 IfSG empfohlen wird. Die Empfehlung der STIKO wird gemäß § 20 Abs. 2 Satz 7 IfSG vom Robert Koch-Institut den obersten Landesgesundheitsbehörden übermittelt und anschließend veröffentlicht. Denn die STIKO ist gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 IfSG von Gesetzes wegen dazu berufen, Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten zu geben und Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung zu entwickeln. Auf der Grundlage dieser öffentlichen (amtlichen) Empfehlungen sollen nicht nur die obersten Landesgesundheitsbehörden öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission aussprechen (§ 20 Abs. 3 IfSG), sondern wird zudem bestimmt, dass die Gesundheitsämter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen bestimmte übertragbare Krankheiten durchführen (§ 20 Abs. 5 IfSG) sowie die Kosten für bestimmte Schutzimpfungen von den Trägern der Krankenversicherung nach dem dritten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB V getragen werden, falls die Person bei einer Krankenkasse nach § 4 SGB V versichert ist (§ 20 Abs. 4 Satz 1 IfSG).

27

Die Impfung von Mädchen bzw. jungen Frauen gegen Gebärmutterhalskrebs (Humane Papillomaviren [HPV]) nach Vollendung des 18. Lebensjahres, d. h. insbesondere - wie hier - im Alter von 20 bzw. 22 Jahren, war weder im Zeitpunkt der Impfung der Töchter des Klägers noch ist sie gegenwärtig von der STIKO empfohlen. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtes und - ihr folgend - des Klägers ist unzutreffend.

28

Die STIKO hat erstmals mit dem Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 ( 12/2007, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) eine Empfehlung (und Begründung) für die Impfung gegen HPV abgegeben; noch in dem Epidemiologischen Bulletin vom 28. Juli 2006 ( 30/2006, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) war eine auf HPV bezogene Empfehlung nicht enthalten. In dem Epidemiologischen Bulletin 12/2007 heißt es auf Seite 97 ausdrücklich: „Die STIKO empfiehlt zur Reduktion der Krankheitslast durch den Gebärmutterhalskrebs die Einführung einer generellen Impfung gegen humane Papillomaviren (Typen HPV 16, 18) für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren .“ (ebenda, S. 97). Dass sich die Empfehlung auf alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren beschränkt, ergibt sich schon aus den nachfolgenden Ausführungen der STIKO, soweit diese gerade auf Frauen Bezug nimmt, „die innerhalb des von der STIKO empfohlenen Zeitraumes (Alter 12 - 17 Jahre) keine Impfung gegen HPV erhalten haben“.

29

Die STIKO hat ihre Empfehlung in dem Epidemiologischen Bulletin 12/2007 im Einzelnen begründet (Seite 98 ff.) und dabei mehrfach auf die „obere und untere Altersgrenze“, die „empfohlene Altersgruppe“ bzw. die „generelle Impfempfehlung für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren“ rekurriert (vgl. Seite 100 bis 102). Eine anderslautende „Empfehlung“ ist dem Epidemiologischen Bulletin 12/2007 nicht zu entnehmen. Vielmehr begründen die Ausführungen der STIKO lediglich, aus welchen Gründen die vorbezeichnete Empfehlung dergestalt abgegeben worden ist. Dass sich die amtliche, öffentliche Empfehlung der STIKO in Bezug auf HPV seinerzeit und im Übrigen auch nach wie vor lediglich auf „ alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren “ beschränkt, ergibt sich überdies den nachfolgenden Empfehlungen der STIKO.

30

Mit ihrem Epidemiologischen Bulletin vom 27. Juli 2007 ( 30/2007, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) hat die STIKO die neu gefassten Impfempfehlungen zusammengefasst und bekannt gegeben. Der darin enthaltene Impfkalender (Tabelle 1, Seite 268) wie auch die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Altergruppe von Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren und geben die im Epidemiologischen Bulletin 12/2007 gegebene Empfehlung wörtlich wieder (Seite 269 f.). In dem nachfolgenden Epidemiologischen Bulletin vom 3. August 2007 ( 31/2007, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) wird sowohl auf das Epidemiologische Bulletin 12/2007 als auch das Epidemiologische Bulletin 30/2007 Bezug genommen und auf Seite 287 ausgeführt: „Zusätzlich zu diesen bereits bestehenden Empfehlungen zur Impfung Jugendlicher empfiehlt die STIKO seit März 2007 eine generelle Impfung gegen humane Papillomaviren (Typen HPV 16, 18) für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren. “ Im Hinblick auf die „Einführung einer generellen Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren“ wird auf Seite 288 auf die„ausführliche Begründung der STIKO zur Einführung der generellen Impfung gegen HPV für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren“ im Epidemiologischen Bulletin 12/2007 verwiesen. Insoweit inhaltlich gegenüber dem Epidemiologischen Bulletin 30/2007 unverändert hat die STIKO mit ihren Epidemiologischen Bulletins vom 25. Juli 2008 ( 30/2008, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) und vom 27. Juli 2009 ( 30/2009, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) ihre Impfempfehlungen zusammengefasst und bekannt gegeben.

31

Schließlich hat sich die STIKO in dem Epidemiologischen Bulletin vom 10. August 2009 ( 32/2009, veröffentlicht unter: http://www.rki.de ) nochmals zur Impfung gegen HPV mit einer „aktuellen Bewertung“ geäußert. Sie hat zunächst darauf hingewiesen, dass seit dem Jahr 2006 ein Impfstoff gegen HPV der Typen 6, 11, 16 und 18 und seit dem Jahr 2007 ein Impfstoff gegen HPV der Typen 16 und 18 zur Verfügung steht und sie „im März 2007 eine Empfehlung zur Impfung gegen HPV für alle 12 bis 17 Jahre alten Mädchen ausgesprochen“ hat (Seite 319). Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über den Nutzen der HPV-Impfung wurde die STIKO um eine erneute Bewertung der HPV-Impfung gebeten und hat in ihrer fachlichen Stellungnahme diese Bewertung unter Berücksichtigung aktueller Veröffentlichungen aus der wissenschaftlichen Fachliteratur vorgenommen (siehe hierzu: Seite 319). Darin hat die STIKO nochmals darauf hingewiesen, dass sich ihre Empfehlung zur HPV-Impfung nur an „an junge Mädchen und Frauen vor Beginn der sexuellen Aktivität“ richtet und „das empfohlene Impfalter von 12 bis 17 Jahren“ Erkenntnissen aus nationalen Daten zur Jugendsexualität entspricht. „In der Begründung zur HPV-Impfempfehlung von 2007“ sei „darauf ausführlich eingegangen“ worden (siehe Seite 325). Zusammenfassend hat die STIKO ausgeführt: „In Zusammenschau der zur Verfügung stehenden Literatur unter Einbeziehung neu veröffentlichter Daten hält die STIKO die Impfung gegen HPV für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahre unverändert für empfehlenswert.“

32

Es besteht daher nach Auffassung des Senates kein Zweifel daran, dass sich die „amtliche“ öffentliche „Empfehlung“ der STIKO bezogen auf eine HPV-Impfung ausschließlich auf Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren erstreckt(e) und beschränkt(e) ( ebenso: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Februar 2009 - Az.: 2 A 11125/08 -, OVG Niedersachsen, Beschluss vom 19. Januar 2010 - Az.: 5 LA 80/09 -, VG Stuttgart, Urteil vom 8. April 2008 - Az.: 6 K 761/08 -, VG Sigmaringen, Urteil vom 24. Juli 2008 - Az.: 6 K 2527/07 -, VG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2008 - Az.: 26 K 3691/08 -, VG Hannover, Urteil vom 30. April 2009 - Az.: 13 A 2460/08 -,VG Cottbus, Urteil vom 9. Juni 2009 - Az.: 5 K 1323/07 -, a. A. wohl nur: VG Arnsberg, Urteil vom 18. April 2008 - Az.: 13 K 1904/07 -, jeweils zitiert nach juris; siehe zudem, wie hier: Schröder/Beck-mann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Stand: April 2008, Band II, § 10 BhV, S. 45 ).

33

Da die Impfung der Töchter des Klägers gegen HPV erst im Alter von 20 bzw. 22 Jahren erfolgt ist, war diese weder im Zeitpunkt der Impfung noch hiernach amtlich empfohlen. Die Beihilfefähigkeit ist daher gemäß § 10 Abs. 3 BhV bereits dem Grunde nach ausgeschlossen. Auf die Erlasse des Bundesministeriums des Innern vom 26. März 2007 und des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. April 2007 kommt es daher nicht (mehr) entscheidungserheblich an.

34

Dass eine Impfung der Töchter des Klägers gegen HPV (mittels „Gardasil) vor Vollendung des 18. Lebensjahres nicht möglich oder amtlich empfohlen gewesen ist, rechtfertigt entgegen dem klägerischen Vorbringen keine andere Sichtweise. Dass sich der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ändert und damit erst ab einem bestimmten, hiernach liegenden Zeitpunkt Kosten einer Schutzimpfung im Wege der Beihilfe vom Dienstherrn übernommen werden, liegt in der Natur der Sache. Wie im Falle einer Stichtagsregelung hat der Betroffene damit verbundene Härten und eine anderweitige Behandlung gegenüber den zeitlich hiernach liegenden Fällen hinzunehmen.

35

Da es in Fällen eines geänderten Sachverhaltes - wie hier bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen - gegebenenfalls nicht möglich oder sinnvoll ist, die unter dem alten Recht stehenden Rechtsverhältnisse vollständig dem neuen Recht zu unterstellen, und der Grundsatz der Rechtssicherheit klare schematische Entscheidungen über die zeitliche Abgrenzung zwischen altem und neuem Recht verlangt, ist der Normgeber berechtigt, Stichtage einzuführen. Die Wahl des Stichtages überhaupt, die Wahl des Zeitpunktes sowie die Auswahl unter den für die Stichtagsanknüpfung in Betracht kommenden Faktoren müssen dabei am gegebenen Sachverhalt orientiert und sonst sachlich vertretbar sein. Härten, die darin gesehen werden können, dass die tatsächliche Situation derjenigen Personen, die durch Erfüllung der Stichtagsvoraussetzungen gerade noch in den Genuss der Neuregelungen gelangen, sich nur geringfügig von der Lage derjenigen unterscheidet, bei denen diese Voraussetzung fehlt, machen eine Stichtagsregelung jedenfalls nicht verfassungswidrig ( siehe zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - Az.: 2 C 27.99 -, BVerwGE 112, 92 [m. w. N.] ).

36

Hier haben die Töchter des Klägers bereits im Zeitpunkt der hier maßgeblichen, geänderten wissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf die HPV-Impfung, wie sie im Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 ( 12/2007 ) durch die STIKO niedergelegt und veröffentlicht wurden, das 18. Lebensjahr vollendet und damit das empfohlene Impfalter überschritten. Dass der Normgeber die Übernahme von Aufwendungen für die hier streitbefangene Schutzimpfung gemäß §§ 88a Abs. 1 BG LSA, 120 LBG LSA i. V. m. §10 Abs. 3 BhV inhaltlich wie zeitlich allein an die „amtliche Empfehlung“ der STIKO knüpf(e), unterliegt keinen sachlichen Bedenken, da sie sich auf die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse bezieht und für die Einbeziehung von „Alt-Fällen“ bei Überschreitung des empfohlenen Impfalters - wie hier - nach dem Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 ( 12/2007 ) kein Anlass bestand.

37

Hieraus folgt zugleich, dass kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin liegt, dass der Dienstherr in Bezug auf andere Schutzimpfungen gegebenenfalls Kosten übernimmt, wenngleich eine amtliche Empfehlung der STIKO nicht vorliegen sollte. Die Erforderlichkeit einer bestimmten Schutzimpfung und die damit einhergehende anteilige Kostenerstattung ist von den jeweiligen Einzelumständen abhängig und damit die Vergleichbarkeit der Sachverhalte im Falle - wie hier - unterschiedlicher Schutzimpfungen schon bereits dem Grunde nach nicht gegeben. Dass die Beklagte Aufwendungen für HPV-Impfungen von über 17 Jahre alten Mädchen bzw. jungen Frauen erstattet hätte, macht der Kläger nicht (substantiiert) geltend und ist dem beschließenden Senat auch nicht anderweitig bekannt.

38

Unzutreffend macht der Kläger im Hinblick auf die Erkrankung einer seiner Töchter an Diabetes mellitus Typ 1 unter Bezugnahme auf die „Einleitung vor Tabelle 1 der STIKO-Empfehlungen“ geltend, dass insoweit eine Impfempfehlung vorliege. Soweit es darin heißt,

39

„Die im Impfkalender empfohlenen Standardimpfungen sollten auch alle Personen mit chronischen Krankheiten erhalten, sofern keine spezifischen Kontraindikationen vorliegen“,

40

hat dies nämlich keine - gleichsam erweiternde - Impfempfehlung unabhängig oder jenseits von den öffentlichen Empfehlungen der STIKO zum Inhalt. Vielmehr knüpfen diese Ausführungen an die amtlichen, öffentlichen Empfehlungen an und empfehlen in diesem Zusammenhang die Impfung selbst chronisch Kranker, sofern keine Kontraindikation vorliegt. Es ist hiermit daher nur eine besondere Fallgestaltung innerhalb der getroffenen Impfempfehlungen betroffen.

41

Soweit der Kläger schließlich darauf verweist, dass die STIKO in ihrem Epidemiologischen Bulletin vom 23. März 2007 ( 12/2007, Seite 97 ) ausführt

42

„Frauen, die innerhalb des von der STIKO empfohlen Zeitraumes (Alter 12 - 17 Jahre) keine Impfung gegen HPV erhalten haben, können ebenfalls von einer Impfung gegen HPV profitieren. Es liegt in der Verantwortung des betreuenden Arztes, nach individueller Prüfung von Nutzen und Risiko der Impfung seine Patientinnen auf der Basis der Impfstoffzulassung darauf hinzuweisen“,

43

kann darauf ein Anspruch auf Beihilfe nicht mit Erfolg gestützt werden, da es sich insofern - wie bereits dargelegt - nicht um eine Empfehlung der STIKO handelt, an die § 10 Abs. 3 BhV die Beihilfefähigkeit von Schutzimpfungen indes gerade knüpft. Im Übrigen mag die Impfung der Töchter des Klägers zwar - auch nach den sachverständigen Einschätzungen der STIKO - sinnvoll gewesen sein und eine verantwortungsvolle Abwägungsentscheidung der Töchter des Klägers und ihrer Frauenärztin darstellen. Ihre beihilferechtliche Notwendigkeit und Erstattungsfähigkeit folgt hieraus aber nicht, da sich diese allein aus den amtlichen Empfehlungen der STIKO ergibt. Die Kosten lediglich nützlicher, aber nicht im Sinne des Beihilferechtes notwendiger Behandlungen muss der Beihilfeberechtigte selbst tragen.

44

Darin liegt auch kein Verstoß gegen den Fürsorgegrundsatz ( siehe auch: OVG Niedersachsen, a. a. O.; OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O. [nachfolgend: BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2009 - Az.: 2 B 40.09 -] ).

45

Die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht fordert vom Dienstherrn, dass er Vorkehrungen für den Fall besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- oder Todesfälle trifft, damit der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familien nicht gefährdet wird. Im verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht ist dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er - in zumutbarer Weise - aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann. Ob der Dienstherr seiner so umrissenen verfassungsrechtlichen Pflicht zur Fürsorge durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise Genüge tut, bleibt im Übrigen seiner Entscheidung überlassen ( siehe zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2008 - Az.: 2 C 42.07 -, Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 [m. w. N.] ).

46

Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn wird durch die beihilferechtlichen Vorschriften grundsätzlich abschließend konkretisiert. Bei der näheren, abschließenden Ausgestaltung besteht für den Dienstherrn ein weiter Gestaltungsspielraum, welcher prinzipiell auch generalisierende und typisierende Regelungen zulässt, die zwangsläufig im Einzelfall zu gewissen Härten und Friktionen für die Betroffenen führen können. Da die Fürsorgepflicht keine lückenlose Erstattung jeglicher Kosten verlangt, muss der Beamte etwaige Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der Pauschalierung und Typisierung der Beihilfevorschriften ergeben. Der Dienstherr muss lediglich dafür Sorge tragen, dass der Beamte nicht in unzumutbarer Weise mit den Kosten einer notwendigen medizinischen Behandlung belastet bleibt ( siehe zum Vorstehenden schon: BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1980 - Az-.: 6 C 19.79 -, BVerwGE 60, 212; zudem: BVerwG, a. a. O.; BVerfG, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - Az.: 2 BvR 1715/03 u. a. -, NVwZ 2008, 66 ). Ist der Dienstherr danach berechtigt, bei der Konkretisierung der Fürsorgepflicht zu typisieren, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beihilfe die aus den laufenden Bezügen zu bestreitende Eigenvorsorge des Beamten lediglich ergänzt und sich die Gewährung einer Beihilfe auf nicht bloß nützliche, sondern die nur notwendigen Aufwendungen beschränkt.

47

So liegt der Fall hier, denn nach dem bisherigen - oben im Einzelnen aufgezeigten - aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist nur für die Zielgruppe der 12-17-jährigen Mädchen eine gute Wirksamkeit der HPV-Impfung nachgewiesen. Zwar mögen nach der Bewertung der STIKO auch Frauen, die älter als 17 Jahre sind, von der HPV-Impfung profitieren können und kann diese im Einzelfall auch nach der Aufnahme des Geschlechtsverkehrs möglicherweise noch sinnvoll sein. Da die unzureichende Datenlage bislang jedoch diesbezüglich keine belastbaren Aussagen erlaubt, ist der Dienstherr nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, die Kosten einer Behandlung, deren Wirksamkeit nicht belegt ist, als beihilfefähig anzuerkennen ( siehe hierzu: OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O. ).

48

Ist der Dienstherr aus dem Fürsorgegrundsatz heraus dementsprechend nicht verpflichtet, sämtliche in Betracht kommenden gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen über eine Beihilfe anteilig zu tragen, haben die betroffenen Beamten die damit im Einzelfall verbundenen Härten grundsätzlich zu tragen. Der hier letztlich im Streite stehende, relativ geringe Erstattungsbetrag zwingt die Beklagte jedenfalls nicht, außerhalb der Beihilfevorschriften allein auf Grundlage der Fürsorgepflicht eine Beihilfe zu den streitigen Aufwendungen des Klägers zu leisten. Dies gilt sowohl allgemein, als auch insbesondere im Falle des Klägers selbst, der den hier streitigen Erstattungsbetrag als Ministerialrat der Besoldungsgruppe B 2 BBesO ohne erkennbare unzumutbare Härten zu tragen vermag; Gegenteiliges hat der Kläger im Übrigen auch nicht substantiiert vorgetragen.

49

Unabhängig vom Vorstehenden käme im Falle einer ausnahmsweisen unzumutbaren Belastung für die hier in Rede stehenden „Alt-“ oder „Übergangsfälle“ bis zu der normativen Neuregelung des Beihilferechtes des Landes Sachsen-Anhalt zur etwaig erforderlichen Erfüllung der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht in Betracht, die Aufwendungen für nicht beihilfefähige Schutzimpfungen im Falle ihrer individuellen Notwendigkeit und Angemessenheit vorläufig im Rahmen des § 12 Abs. 2 BhV zusätzlich zu den in § 12 Abs. 1 BhV genannten Aufwendungen zu berücksichtigen ( vgl. für den Fall der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel: BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2008 - Az.: 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234; OVG LSA, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - Az.: 1 L 144/08 -, veröffentlicht bei juris = JMBl. LSA 2009, 59 ). Damit werden indes Beihilfeansprüche als solche nicht begründet ( vgl.: BVerwG, a. a. O.; OVG LSA, a. a. O. ).

50

Soweit sich das Verwaltungsgericht und der Kläger für die Annahme der Beihilfefähigkeit von HPV-Impfungen von über 17jährigen Mädchen bzw. Frauen schließlich auf anderslautende Rechtsprechung beziehen, kann diese für die vorliegend maßgebliche Rechtslage nicht herangezogen werden. Denn anders als der hier zugrunde zulegende § 10 Abs. 3 BhV sieht weder die BVO BW ( siehe darauf abstellend: VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 9. Juli 2009 - Az.: 10 S 3385/08 und 10 S 465/09 -, zitiert nach juris; VG Stuttgart, a. a. O. ) noch die BVO NRW ( siehe insoweit: VG Düsseldorf, a. a. O.; VG Arnsberg, a. a. O. ) für die Beihilfefähigkeit von Schutzimpfungen - einschränkend - vor, dass diese „amtlich empfohlen“ sein müssen.

51

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

52

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

53

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in §§ 132 VwGO, 127 BRRG genannten Gründe vorliegt.

54

6. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 52 Abs. 3, 40, 47 GKG.


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Für die Versorgung der zu Beamten ernannten Professoren an Hochschulen, Hochschuldozenten, Oberassistenten, Oberingenieure, Wissenschaftlichen und Künstlerischen Assistenten mit Bezügen nach § 77 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes und ihrer Hinterbliebenen gelten die Vorschriften dieses Gesetzes, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. Satz 1 gilt auch für die Versorgung der zu Beamten ernannten Professoren und der hauptberuflichen Leiter und Mitglieder von Leitungsgremien an Hochschulen mit Bezügen nach der Bundesbesoldungsordnung W und ihre Hinterbliebenen.

(2) Ruhegehaltfähig ist auch die Zeit, in der die Professoren, Hochschuldozenten, Oberassistenten, Oberingenieure, Wissenschaftlichen und Künstlerischen Assistenten nach der Habilitation dem Lehrkörper einer Hochschule angehört haben. Als ruhegehaltfähig gilt auch die zur Vorbereitung für die Promotion benötigte Zeit bis zu zwei Jahren. Die in einer Habilitationsordnung vorgeschriebene Mindestzeit für die Erbringung der Habilitationsleistungen oder sonstiger gleichwertiger wissenschaftlicher Leistungen kann als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden; soweit die Habilitationsordnung eine Mindestdauer nicht vorschreibt, sind bis zu drei Jahre berücksichtigungsfähig. Die nach erfolgreichem Abschluss eines Hochschulstudiums vor der Ernennung zum Professor, Hochschuldozenten, Oberassistenten, Oberingenieur, Wissenschaftlichen und Künstlerischen Assistenten liegende Zeit einer hauptberuflichen Tätigkeit, in der besondere Fachkenntnisse erworben wurden, die für die Wahrnehmung des Amtes förderlich sind, soll im Falle des § 44 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c des Hochschulrahmengesetzes als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden; im Übrigen kann sie bis zu fünf Jahren in vollem Umfang, darüber hinaus bis zur Hälfte als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden. Zeiten nach Satz 4 können in der Regel insgesamt nicht über zehn Jahre hinaus als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden. Zeiten mit einer geringeren als der regelmäßigen Arbeitszeit dürfen nur zu dem Teil als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, der dem Verhältnis der tatsächlichen zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht.

(3) Bei der Einstellung eines in Absatz 1 genannten Beamten in den Dienst des Bundes ist auf Antrag zu entscheiden, ob

1.
ruhegehaltfähige Zeiten nach Absatz 2 Satz 1, 2 und 4 erster Halbsatz sowie nach § 10 vorliegen und
2.
Zeiten auf Grund des Absatzes 2 Satz 3 und 4 zweiter Halbsatz sowie der §§ 11 und 12 als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden können.
Satz 1 gilt für die Versetzung von einem anderen Dienstherrn in den Dienst des Bundes entsprechend. Diese Entscheidungen stehen unter dem Vorbehalt eines Gleichbleibens der Rechtslage, die ihnen zugrunde liegt.

(4) Für Hochschuldozenten, Oberassistenten, Oberingenieure, Wissenschaftliche und Künstlerische Assistenten beträgt das Übergangsgeld abweichend von § 47 Abs. 1 Satz 1 für ein Jahr Dienstzeit das Einfache, insgesamt höchstens das Sechsfache der Dienstbezüge (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 des Bundesbesoldungsgesetzes) des letzten Monats.