Bundesverfassungsgericht Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren, 25. März 2015 - 1 BvR 505/13

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2015:rk20150325.1bvr050513
bei uns veröffentlicht am25.03.2015

Gründe

I.

1

Die zwischenzeitlich für erledigt erklärte Verfassungsbeschwerde betraf eine im Eilverfahren getroffene Entscheidung zum Umgangsrecht eines angeblich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vaters.

2

1. a) Der Beschwerdeführer behauptet, der leibliche Vater eines im Juli 2010 geborenen Kindes zu sein. Unstreitig unterhielt der Beschwerdeführer mit der verheirateten Mutter während der gesetzlichen Empfängniszeit eine außereheliche Beziehung, wobei es auch zu Geschlechtsverkehr zwischen beiden kam. Zahlreiche Textnachrichten der Mutter sowie ein von dieser verfasstes Testament aus der Zeit nach der Geburt des Kindes legen nahe, dass auch die Mutter davon ausging, der Beschwerdeführer sei der leibliche Vater des Kindes.

3

b) Im März 2012 stellte der Beschwerdeführer bei dem Amtsgericht Erlangen einen Antrag auf Erlass einer Umgangsregelung. Die Mutter und ihr Ehemann bestritten in dem daraufhin eingeleiteten Hauptsacheverfahren, dass der Beschwerdeführer der leibliche Vater des Kindes sei. Das Amtsgericht erließ nach mündlicher Anhörung der Beteiligten einen Beweisbeschluss, wonach über die Abstammung des Kindes ein schriftliches DNA-Gutachten einzuholen sei. Das Gericht ging dabei davon aus, dass ein Umgangsrecht eines leiblichen, aber nicht rechtlichen Vaters auch ohne sozial-familiäre Bindung in Betracht komme. Dies ergebe sich aus einer konventionskonformen Auslegung von § 1685 Abs. 2 BGB, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt habe, dass die deutsche Rechtslage, die eine derartige Bindung zwischen dem umgangswilligen leiblichen Vater und dem Kind verlange, konventionswidrig sei. Da aber die leibliche Vaterschaft des Beschwerdeführers nicht feststehe, sei hierüber zunächst Beweis zu erheben.

4

c) Im August 2012 beantragte der Beschwerdeführer bei dem Amtsgericht Erlangen sodann, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung ein Umgangsrecht mit dem Kind einzuräumen. Mit angegriffenem Beschluss vom 13. August 2012 wies das Amtsgericht den Antrag ohne mündliche Verhandlung zurück. Der Antrag sei unbegründet. Die biologische Vaterschaft des Beschwerdeführers werde von der Mutter bestritten und es müsse zunächst geklärt werden, was das Gericht in dem bereits eingeleiteten Hauptsacheverfahren angeordnet habe.

5

d) Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Durchführung der mündlichen Verhandlung. Nach mündlicher Verhandlung wurde mit angegriffenem Beschluss des Amtsgerichts vom 28. November 2012 der Beschluss vom 13. August 2012 aufrechterhalten.

6

e) Die hiergegen gerichtete Gehörsrüge des Beschwerdeführers wurde mit angegriffenem Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Dezember 2012 zurückgewiesen.

7

2. Mit seiner am 7. Januar 2013 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 6, 8 EMRK. Das Amtsgericht habe die Anforderungen an effektiven Rechtsschutz in Umgangssachen sowie die Anforderungen der Grundrechte an die Versagung einer Umgangsregelung verkannt, insbesondere nicht die verfassungs- wie menschenrechtskonforme Auslegung von § 1685 Abs. 2 BGB geprüft.

8

3. Mit Schriftsatz vom 13. August 2013 hat der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf den durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters vom 13. Juli 2013 (BGBl I S. 2176) neu eingefügten § 1686a BGB für erledigt erklärt und um Erstattung seiner notwendigen Auslagen ersucht.

II.

9

1. Über die Auslagenerstattung ist, nachdem der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat, gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 85, 109 <114>). Dabei prüft das Bundesverfassungsgericht die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde nicht, da auch eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts widerspräche, verfassungsrechtliche Zweifelsfragen mit bindender Wirkung inter omnes zu klären (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>). Wesentliche Bedeutung kann aber insbesondere dem Grund zukommen, der zur Erledigung geführt hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. März 2012 - 1 BvR 872/10 -, juris, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Juni 2012 - 1 BvR 349/09 -, juris, Rn. 5). Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, kann, wenn keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat. In diesem Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und sie zu verpflichten, die Auslagen des Beschwerdeführers in gleicher Weise zu erstatten, wie wenn der Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. BVerfGE 87, 394 <397>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. März 2012 - 1 BvR 872/10 -, juris, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Juni 2012 - 1 BvR 349/09 -, juris, Rn. 5).

10

2. Nach diesen Maßstäben ist die Anordnung der Erstattung der Auslagen des Beschwerdeführers nicht veranlasst.

11

Vorliegend betraf die Verfassungsbeschwerde allein die Entscheidung des Amtsgerichts, dem Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung keine Umgangskontakte mit dem Kind zu gewähren. Das Amtsgericht hatte seine Entscheidung aber nicht auf den Umstand gestützt, dass die Rechtsordnung eine Grundlage für einen solchen Anspruch des leiblichen, aber nicht rechtlichen Vaters nicht kenne, sondern insbesondere darauf, dass die leibliche Vaterschaft des Beschwerdeführers (noch) nicht feststehe. Es ist - dem Gesetzgeber insoweit vorgreifend - davon ausgegangen, dass ein Umgangsanspruch des Beschwerdeführers grundsätzlich in Betracht komme, wenn seine leibliche Vaterschaft feststehe, wie sich aus dem im Hauptsacheverfahren erlassenen Beweisbeschluss ergibt. Da auch der durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters vom 13. Juli 2013 (BGBl I S. 2176) neu geschaffene § 1686a BGB die leibliche Vaterschaft eines Umgang begehrenden Antragstellers voraussetzt, hat sich die rechtliche Ausgangslage für den Beschwerdeführer insoweit praktisch nicht verändert. Die Erledigungserklärung war danach nicht durch die Gesetzesänderung veranlasst. Es entspricht daher der Billigkeit, es beim Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen zu belassen.

12

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

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(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1685 Umgang des Kindes mit anderen Bezugspersonen


(1) Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient. (2) Gleiches gilt für enge Bezugspersonen des Kindes, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (so

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1686a Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters


(1) Solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht, hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat,1.ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient, und2.ein Recht auf Auskunft von jedem Elte

Referenzen

(1) Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient.

(2) Gleiches gilt für enge Bezugspersonen des Kindes, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozial-familiäre Beziehung). Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(3) § 1684 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend. Eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 bis 5 kann das Familiengericht nur anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 erfüllt sind.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient.

(2) Gleiches gilt für enge Bezugspersonen des Kindes, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozial-familiäre Beziehung). Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(3) § 1684 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend. Eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 bis 5 kann das Familiengericht nur anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 erfüllt sind.

(1) Solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht, hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat,

1.
ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient, und
2.
ein Recht auf Auskunft von jedem Elternteil über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, soweit er ein berechtigtes Interesse hat und dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(2) Hinsichtlich des Rechts auf Umgang mit dem Kind nach Absatz 1 Nummer 1 gilt § 1684 Absatz 2 bis 4 entsprechend. Eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Absatz 3 Satz 3 bis 5 kann das Familiengericht nur anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Absatz 1 erfüllt sind.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht, hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat,

1.
ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient, und
2.
ein Recht auf Auskunft von jedem Elternteil über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, soweit er ein berechtigtes Interesse hat und dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(2) Hinsichtlich des Rechts auf Umgang mit dem Kind nach Absatz 1 Nummer 1 gilt § 1684 Absatz 2 bis 4 entsprechend. Eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Absatz 3 Satz 3 bis 5 kann das Familiengericht nur anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Absatz 1 erfüllt sind.