Bundessozialgericht Urteil, 27. Juni 2012 - B 6 KA 33/11 R

bei uns veröffentlicht am27.06.2012

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2010 geändert; die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. Februar 2007 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen

Tatbestand

1

Die klagende Betriebskrankenkasse (BKK) mit Sitz in Baden-Württemberg begehrt von der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) Bayerns eine Erstattungszahlung wegen überzahlter Gesamtvergütung im Jahr 2003.

2

Die Klägerin zahlte im Jahr 2003 für zahnärztliche Honorare Gesamtvergütungsbeträge in Höhe von ca 15,6 Mio Euro an die beklagte KZÄV Bayerns, berechnet nach der Honorarvereinbarung, die diese am 21.11.2002 mit dem beigeladenen BKK-Landesverband Bayern abgeschlossen hatte. Mit Schreiben vom 28.10.2004 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten geltend, sie habe ca 2,6 Mio Euro zu viel bezahlt: Das Gesetz zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte (WOrtPrG vom 11.12.2001, BGBl I 3526) sei in der für sie geltenden Honorarvereinbarung hinsichtlich des Jahres 2003 nicht korrekt umgesetzt worden. In dieser Vereinbarung sei ein zu hoher Durchschnittsbeitrag zugrunde gelegt worden; er sei auf der Grundlage der Beträge, die rechnerisch je Mitglied der Bayerischen BKKn für die zahnärztliche Versorgung aufgewandt worden sind, und nicht - wie im WOrtPrG angelegt - bundesweit ermittelt worden. Sie habe danach 2,6 Mio Euro zu viel gezahlt und Anspruch auf deren Rückerstattung.

3

Die Beklagte lehnte den geforderten Budgetausgleich ab. Die von der Klägerin eingeschaltete Landes-Aufsichtsbehörde (Bayerisches Staatministerium für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen) sah keinen Anlass zum Einschreiten, weil kein klarer Rechtsverstoß vorliege; die Selbstverwaltung habe mit dem Inhalt der Vereinbarung den ihr eingeräumten Bewertungsspielraum nicht erkennbar überschritten. Das Bundesversicherungsamt führte aus, dass bei der Umsetzung des WOrtPrG in Bayern zwar Rechtsverstöße erfolgt seien, es aber in Landesangelegenheiten keine Befugnis zu Maßnahmen habe, sodass die Klägerin den Rechtsweg beschreiten müsse.

4

Das SG hat die von der Klägerin erhobene Zahlungsklage abgewiesen (Urteil vom 14.2.2007): Die zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen abgeschlossene Vereinbarung sei auch für die Klägerin verbindlich; Nichtigkeitsgründe seien nicht ersichtlich. Die Vereinbarung sei im Gegenteil rechtmäßig. Darin sei der Pro-Kopf-Betrag, der in früheren Jahren für die bayerischen BKKn gegolten habe, fortgeschrieben worden.

5

Das LSG hat auf die Berufung der Klägerin unter Änderung des Urteils des SG festgestellt, dass die Vergütungsvereinbarung hinsichtlich der Regelung für das Jahr 2003 nichtig ist; es hat die (weitergehende) Zahlungsklage der Klägerin aber abgewiesen (Urteil vom 15.12.2010). Ein Zahlungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu; vielmehr müssten zunächst die Vertragspartner eine Neuregelung treffen, der vorzugreifen Treu und Glauben widerspräche. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vereinbarung ergebe sich daraus, dass die Vertragspartner bei der Anwendung des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG nicht einen Durchschnittswert, der nur auf der Grundlage der Bayerischen BKK-Mitglieder errechnet werde, hätten zugrunde legen dürfen. Darin liege ein sog qualifizierter Rechtsverstoß, der zur Teilnichtigkeit führe.

6

Klägerin und Beklagte haben Revision eingelegt. Die Beklagte erstrebt die Wiederherstellung des SG-Urteils; die Klägerin begehrt über den Feststellungsausspruch hinaus die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung.

7

Die Beklagte - deren Ausführungen sich der Beigeladene anschließt - macht geltend, das LSG hätte der Berufung der Klägerin nicht - auch nicht teilweise - stattgeben dürfen. Wegen der Bindungswirkung, die gemäß der BSG-Rechtsprechung der von ihr mit dem beigeladenen Landesverband geschlossenen Honorarvereinbarung zukomme, müsse die Klägerin eine Gesamtvergütung in der vereinbarten Höhe entrichten. Die verbindliche Wirkung der Honorarvereinbarung entfalle nur bei (Teil-)Nichtigkeit, wofür ein sog qualifizierter Rechtsverstoß vorliegen müsste. Ein derartiger Rechtsverstoß sei nur gegeben bei offensichtlicher Missachtung solcher gesetzlichen Vorschriften, die ein eindeutiges, aus sich heraus verständliches gesetzliches Verbot enthielten und für alle Vertragspartner strikt-verbindlich seien. Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG sei aber eine reine Rechenvorschrift, deren etwaige Missachtung keinen qualifizierten Rechtsverstoß begründe. Zudem gelte Art 2 aaO hier nicht; die Vorschrift sei nämlich nur auf Gesamtvergütungsvereinbarungen anwendbar, denen Kopfpauschalen zugrunde lägen, hingegen nicht auf Vereinbarungen, die an Einzelleistungen ausgerichtet seien, auch wenn dabei eine Gesamtvergütungsobergrenze gelte, wie es in der vertragszahnärztlichen Versorgung verbreitet sei. Im Übrigen hätten die Vertragspartner bei Regelungen der Selbstverwaltung regelmäßig einen Gestaltungsspielraum. Hierauf gestützt habe das BSG Abweichungen von Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG im Sinne eines "Aufsattelns" und eines Überschreitens der Veränderungsrate als unschädlich erachtet. Weiterhin habe es darauf hingewiesen, dass mit den Regelungen des WOrtPrG keine Absenkungen des Ausgangsbetrags beabsichtigt gewesen seien; deshalb dürfe eine Vereinbarung das Vergütungsniveau der Vorjahre fortschreiben und um dieses Ziels willen über die Vorgaben des Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG hinausgehende, zusätzliche oder modifizierende Regelungen treffen. Dadurch entstehende Abweichungen vom Prinzip der Vorjahresanknüpfung und vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität, von dem schon das Gesetz zahlreiche Ausnahmen vorsehe, ergäben keinen qualifizierten Rechtsverstoß. Ein solcher komme dementsprechend auch nicht im Zusammenhang mit Regelungen des WOrtPrG in Betracht.

8

Im Übrigen habe die Klägerin einen Rechtsverstoß überhaupt erst fast elf Monate nach Ablauf des Vergütungszeitraums geltend gemacht, und die Rechtswidrigkeit werde auch nur von zwei der 151 betroffenen Krankenkassen (KKn) behauptet; das stehe der Annahme eines qualifizierten Rechtsverstoßes ebenso entgegen wie die Stellungnahme der Landes-Aufsichtsbehörde. Schließlich sei das Begehren der Klägerin nicht gegen den richtigen Beklagten gerichtet. Richtigerweise hätte sie sich gegen den Beigeladenen wenden müssen, der mit Wirkung für sie die Honorarvereinbarung abgeschlossen habe.

9

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15.12.2010 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.2.2007 insgesamt zurückzuweisen,
sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15.12.2010 insoweit, als es ihren Hauptantrag auf Leistung abgewiesen hat, und das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.2.2007 in vollem Umfang aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr - der Klägerin - 2 626 827,11 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

11

Die Klägerin macht geltend, das LSG hätte nicht nur ihrem Feststellungsantrag, sondern weitergehend ihrer Zahlungsklage stattgeben müssen. Dieses Begehren sei ihr nicht durch die Bindungswirkung der Honorarvereinbarung vom 21.11.2002 verwehrt, denn diese sei entgegen der Ansicht der Beklagten teilweise nichtig. Das BSG erkenne - für den Fall der Nichtigkeit - direkte Ansprüche einzelner KKn gegen die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) bzw KZÄV an, die in Überzahlungsfällen wie hier ihre Rechtsgrundlage in § 61 SGB X iVm § 812 BGB fänden. Die Nichtigkeit der Honorarvereinbarung hinsichtlich des Jahres 2003 folge daraus, dass ein zu hoher Durchschnittsbeitrag - auf der Grundlage nur der Beträge, die rechnerisch je Mitglied der Bayerischen BKKn für die zahnärztliche Versorgung aufgewandt worden sind, und nicht, wie im WOrtPrG angelegt, bundesweit ermittelt - zugrunde gelegt worden sei. In dieser Weise die Regelungen des WOrtPrG umzusetzen, sei rechtswidrig. Ein Gestaltungsspielraum bestehe nicht; es handele sich um zwingende Regelungen. Hierfür spreche auch die Entstehungsgeschichte des WOrtPrG. Das Anliegen des Gesetzgebers sei eine Umsetzung des Wohnortprinzips ohne zusätzliche Leistungsausgaben für die KKn und mit nur regionaler Umverteilung gewesen. Dies impliziere, dass es Gewinner und Verlierer gebe, dass nämlich einer K(Z)ÄV neue Gesamtvergütungsanteile zuwüchsen und anderen K(Z)ÄVen bisherige Anteile entzogen würden. Wegen des Ziels der Vermeidung zusätzlicher Ausgaben sei eine Erhöhung der Gesamtvergütung um 20,8 % untragbar. Die Beklagte habe indessen mehrfach betont, dass eine korrekte Umsetzung der Übergangsvorschrift bei ihr zu Honorarverlusten in beträchtlicher Höhe geführt haben würde; deshalb habe sie, wie auch zahlreiche andere K(Z)ÄVen, fragwürdige Honorarvereinbarungen abgeschlossen. Die Aufdeckung solcher Fälle sei nur in wenigen Fällen gelungen. Die Aufsichtsbehörden griffen, wie sie habe erfahren müssen, nicht ein - möglicherweise auf Grund ihrer Einbindung in die Interessen der vor Ort tätigen Ärzte, Zahnärzte, KÄV und KZÄV -. Deshalb müssten die Gerichte Rechtsschutz gewähren. Vor diesem Hintergrund sei die vom LSG getroffene bloße Feststellung nicht ausreichend. Das LSG hätte weitergehend der von ihr - der Klägerin - erhobenen Zahlungsklage stattgeben müssen. Der Verweis des LSG darauf, die Vertragspartner müssten zunächst eine neue Regelung vereinbaren, und deshalb müsse sich das Gericht auf einen Feststellungsausspruch beschränken, überzeuge nicht. Für eine Neuregelung bestehe angesichts der zwingenden Vorgaben des WOrtPrG kein Spielraum.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten hat Erfolg; diejenige der Klägerin ist zurückzuweisen. Das LSG hätte den Leistungs- und auch den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag der Klägerin abweisen und die Berufung der Klägerin gegen das SG-Urteil zurückweisen müssen. Die KKn sind grundsätzlich an die Honorarvorgaben gebunden, die die für den Ort der Leistungserbringung zuständigen KK-Verbände vereinbaren (unten 3. a); Ausnahmen können nur in Betracht kommen, soweit ein Vertrag nichtig ist (unten 3. b). Dies ist hier nicht der Fall (unten 4.).

13

1. Die Klägerin hat ihr Begehren auf Zahlung von ca 2,6 Mio Euro zu Recht gegen die Beklagte gerichtet. Eine Zahlungsklage ist richtigerweise stets gegen denjenigen zu richten, der die Zahlung leisten soll. Die Klägerin will Teile der Gesamtvergütung, die sie an die Beklagte entrichtete, zurückerstattet erhalten. Für diesen Anspruch ist die Beklagte als Zahlungsempfängerin passiv legitimiert.

14

Ob die Klägerin die von ihr angenommene (Teil-)Nichtigkeit des Gesamtvertrags für 2003 auch zum Gegenstand einer Feststellungsklage gegen den vertragschließenden beigeladenen Landesverband machen könnte, bedarf keiner Entscheidung. Eine Verpflichtung zu einer vorrangigen Inanspruchnahme des Verbandes besteht jedenfalls nicht, und als Beigeladener ist er an die Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung gebunden (§ 141 Abs 1 Nr 1 iVm § 69 Nr 3 SGG).

15

2. Für das Begehren der Klägerin kommt als Anspruchsgrundlage der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht: Ist eine Leistung gewährt worden, stellt sich aber die ihr zugrunde liegende Rechtsvorschrift (hier: der Gesamtvertrag) als nichtig heraus, so kann das, was auf ihrer Grundlage geleistet worden ist, aus dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung des Empfängers von diesem zurückgefordert oder Wertersatz beansprucht werden (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch - in Anlehnung an § 812 Abs 1, § 818 Abs 2 BGB - vgl im vorliegenden Zusammenhang BSGE 95, 141 RdNr 22 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 30).

16

Ein solcher Fall des Wegfalls des Rechtsgrundes für eine Leistung mit der Folge eines Erstattungsanspruchs liegt hier indessen nicht vor.

17

3. Gesamtverträge, die von einem KKn-Landesverband abgeschlossen werden, binden grundsätzlich die beteiligten KKn (unten a). Ausnahmen kommen nur insoweit in Betracht, als ein Vertrag ganz oder teilweise nichtig ist (unten b).

18

a) Vereinbarungen über die vertrags(zahn)ärztlichen Gesamtvergütungen zwischen Landesverbänden der KKn und K(Z)ÄVen binden grundsätzlich alle KKn, für die ihr Verband handelt. Das waren unter Geltung des sog Kassensitzprinzips die Mitgliedskassen (vgl BSG vom 28.9.2005 - BSGE 95, 141 RdNr 10 ff = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 18 ff) und sind nach der Umstellung des Vergütungssystems alle KKn einer Kassenart, deren Versicherte von Mitgliedern der vertragschließenden K(Z)ÄV behandelt werden (BSG vom 17.10.2007 - SozR 4-2500 § 83 Nr 4 RdNr 2, 18, 29; BSG vom 5.11.2008 - SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 12 f).

19

Die Klägerin stellt auf dieser rechtlichen Grundlage ihre prinzipielle Bindung an den zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen für 2003 geschlossenen Gesamtvergütungsvertrag nicht in Frage. Sie ist aber der Auffassung, diese Vereinbarung sei nichtig und deshalb entfalle die Bindung. Dies trifft indessen nicht zu.

20

b) Wie der Senat weiter ausgeführt hat, können mit Blick auf die Funktionsfähigkeit des Gesamtvergütungssystems Ausnahmen von der Bindung der einzelnen KKn an die Vertragsabschlüsse der KK-Verbände nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Der erkennende Senat hat dies dementsprechend nur für den Fall der Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit von Gesamtverträgen erwogen (zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 13 mwN). Er hat dies weiterhin dahin eingegrenzt, dass ein qualifizierter Gesetzesverstoß in dem Sinne gegeben sein muss, dass eine offensichtliche Missachtung eines eindeutigen, aus sich heraus verständlichen gesetzlichen und für alle Vertragspartner strikt-verbindlichen Verbots vorliegt (so besonders deutlich BSG 14.12.2011 - B 6 KA 56/11 B - RdNr 6 f iS einer Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung: BSGE 95, 141 RdNr 16 f = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 24 f; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 4 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 14 f) .

21

4. Eine derartige Konstellation, in der eine (Teil-)Nichtigkeit in Betracht kommen könnte, ist vorliegend nicht gegeben, sodass weiterhin dahinstehen kann, ob insoweit eine Ausnahme von der grundsätzlichen Bindung der Einzel-KKn an die von ihren Landesverbänden abgeschlossenen Verträge begründet wäre. Der hier zu beurteilende Vertrag ist nicht nichtig; nicht einmal kann eindeutig - entgegen der Auffassung des LSG - seine Rechtswidrigkeit festgestellt werden:

22

Ob der Gesamtvertrag, den der beigeladene BKK-Landesverband und die beklagte KZÄV für 2003 miteinander vereinbarten, mit Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG übereinstimmt, hängt davon ab, worauf der in dieser Bestimmung enthaltene Passus "Zahl der Mitglieder der Krankenkasse" zu beziehen ist. In Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 WOrtPrG ist bestimmt:

        

Der Ausgangsbetrag für die für das Jahr 2002 erstmalig nach dem Wohnortprinzip gemäß § 83 Abs 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu vereinbarenden Gesamtvergütungen ergibt sich jeweils durch Multiplikation folgender Faktoren:

        

1.    

des Betrags, der sich bei einer Teilung der für das Jahr 2001 geltenden Gesamtvergütung durch die Zahl der Mitglieder der Krankenkasse ergibt,

        

2.    

der Zahl der Mitglieder der Krankenkasse mit Wohnort im Bezirk der vertragschließenden Kassenärztlichen Vereinigung.

23

a) Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG ist für den Gesamtvertrag zwischen der Beklagten und dem beigeladenen KKn-Landesverband maßgebend. Die hiergegen von der Beklagten vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

24

Daraus, dass die von der Beklagten vereinbarten Gesamtvergütungen - wie sie geltend macht - nicht nach Kopfpauschalen berechnet werden, sondern an Einzelleistungshonoraren orientiert sind und nur ergänzend auch eine Gesamtvergütungsobergrenze enthalten, folgt nicht die Unanwendbarkeit des Art 2 § 1 WOrtPrG. Mit einer derartigen Ausnahme von der Übergangsbestimmung zum WOrtPrG würden weite Bereiche der vertragszahnärztlichen Versorgung von dem WOrtPrG ausgenommen; denn solche Gesamtvergütungsvereinbarungen waren und sind im vertragszahnärztlichen Bereich verbreitet. Indessen lautet die Überschrift des Gesetzes "Gesetz zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte". Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber den zahnärztlichen Bereich gleichermaßen erfassen wollte.

25

Für eine Herausnahme der Bereiche mit Gesamtvergütungen in Orientierung an Einzelleistungsvergütungen kann auch nicht § 85 Abs 2 SGB V angeführt werden, nach dem die Gesamtvergütungen wahlweise nach Einzelleistungen, nach Kopfpauschalen oder nach Fallpauschalen oder nach einer anderen Berechnungsart oder nach einem Mischsystem berechnet werden(vgl § 85 Abs 2 Satz 2 SGB V). Mit dieser Gestaltungsfreiheit ist den Vertragspartnern nicht das Recht eingeräumt worden, die Anwendbarkeit der Regelung des Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG auszuschließen. Darin läge dann zugleich eine Disposition über die Reichweite der befreienden Wirkung der Zahlung der von den KKn-Verbänden vereinbarten Gesamtvergütungen. Damit stünde die durchgängige Geltung der Regelung des § 85 Abs 1 SGB V über die befreiende Wirkung der Zahlung der Gesamtvergütungen in Frage. Eine so weitreichende Einräumung von Dispositionsfreiheit kann dem Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG nicht entnommen werden; mit dem WOrtPrG sollte lediglich die Umsetzung des Wohnortprinzips in den Übergangsjahren 2002/2003 konkretisiert werden.

26

Die Regelung des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG kann ferner nicht als bloße Ordnungsvorschrift qualifiziert werden, deren Nichtbeachtung deshalb unerheblich sei. Die Regelung steht im Kontext mit der Grundregel des § 85 Abs 1 SGB V. Schon dies schließt die Annahme ihrer Unverbindlichkeit aus.

27

b) Der Wortlaut des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG spricht weder eindeutig für die Zulässigkeit noch eindeutig gegen die Zulässigkeit einer gesamtvertraglichen Regelung, wie die Beklagte und der beigeladene KKn-Landesverband sie für 2003 vereinbart haben, die das Honorarniveau der bayerischen BKKn auf alle BKKn - auch auf diejenigen mit Sitz außerhalb Bayerns - erstreckt. Der Wortlaut des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG stellt nur auf "die Zahl der Mitglieder der Krankenkasse" ab. Mit der Regelung in Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG könnten möglicherweise die Mitglieder dieser KK im Basisjahr 2001 mit Wohnsitz im Bezirk der vertragschließenden K(Z)ÄV - wie in Nr 2 der Vorschrift - gemeint sein, oder der Passus könnte auf diejenigen Mitglieder der KK ausgerichtet sein, die am Sitz der KK versichert sind - so scheint die Klägerin die 2,6 Mio Euro errechnet zu haben -, oder es ist ein bundesweiter Durchschnittsbeitrag zu ermitteln. Welche dieser Auslegungen zutreffend ist, ist aus dem Wortlaut allein nicht zu beantworten, sodass weitere Gesichtspunkte wie die Entstehungsgeschichte, die Systematik des Gesetzes, die Zielsetzung des Gesetzgebers und die Praktikabilität der Umsetzung des WOrtPrG einzubeziehen sind.

28

Eine systematische Auslegung kann an dem Unterschied zwischen der Nr 1 des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 WOrtPrG im Vergleich zu dessen Nr 2 ansetzen. In dieser Nr 2 wird ausdrücklich auf die KK-Mitglieder "mit Wohnort im Bezirk der vertragschließenden Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung" abgestellt. Dies kann möglicherweise einen Rückschluss auf Nr 1 in dem Sinne nahelegen, dass es in Nr 1 nicht auf diesen Bezirk ankommen soll, sondern auf den bundesweiten Mitgliederbestand.

29

Hierfür kann auch die Entstehungsgeschichte der Regelung angeführt werden. Nach der Begründung zum Entwurf des WOrtPrG sollte als "Basis für die Höhe der zu vereinbarenden Gesamtvergütungen … für jede … Krankenkasse … ein bundesweiter Durchschnittsbetrag je Versicherten ermittelt" werden, "der mit der Zahl der Versicherten der Krankenkasse mit Wohnsitz in der jeweiligen Vertragsregion multipliziert wird" (BT-Drucks 14/5960 S 6).

30

Sinn und Zweck der Regelung sind ebenso wenig eindeutig wie der Wortlaut. Die Verlautbarungen zum Sinn und Zweck des Gesetzes gehen zum einen dahin, K(Z)ÄV-übergreifend solle ein Ausgleich herbeigeführt werden. Diesem Ziel entspräche es nicht, das höhere Niveau in einigen, insbesondere west- bzw süddeutschen K(Z)ÄV-Bereichen fortzuschreiben - indem bei Anwendung des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG ein höherer, nur landesweit errechneter Durchschnittswert zugrunde gelegt wird - und nur das geringere Niveau in anderen K(Z)ÄVen anzuheben. Damit würden der gesetzlichen Krankenversicherung zusätzliche Ausgaben erwachsen, während nach der Begründung zum Gesetzentwurf "zusätzliche Leistungsausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung nicht entstehen" sollten (BT-Drucks 14/5960 S 2, 7 = BT-Drucks 14/6410 S 2), vielmehr "nur eine andere regionale Verteilung der Gesamtvergütungen" vorgesehen war (BT-Drucks 14/5960 S 2, 7 = BT-Drucks 14/6410 S 2; ebenso Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 14/6566 S 4, und BT, Stenographischer Bericht, 14. Wahlperiode, 167. Sitzung vom 10.5.2001, S 16393 ). Die Regelung sollte "keinen Einfluss auf die Höhe des Beitragsniveaus" haben (BT-Drucks 14/5960 S 2, 7 = BT-Drucks 14/6410 S 2).

31

Indessen kann aus dem Sinn und Zweck der Regelung des WOrtPrG auch Anderes abgeleitet werden. Diese Regelung wird auch als Ausfluss des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität gesehen. Sie konkretisiert, wie der Senat ausgeführt hat, das Prinzip der Vorjahresanknüpfung in Bezug auf die Umstellung des Vergütungssystems vom sog Kassensitzprinzip auf das Wohnortprinzip (vgl BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 18 am Ende), und das Prinzip der Vorjahresanknüpfung ist seinerseits eine Ausprägung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (vgl hierzu BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 14). Ist mithin Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG Ausfluss des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität, so spricht das dafür, Gesamtverträge zu akzeptieren, die darauf ausgerichtet sind, das bisherige Vergütungsniveau fortzuführen und gravierende Abweichungen zu verhindern(in diesem Sinne auch BT-Drucks 14/5694 S 2: "… darf nicht zur Folge haben, dass die Mittel für die ambulante ärztliche Vergütung einer Region verringert werden").

32

Schließlich kann die Praktikabilität der Umsetzung des WOrtPrG dafür sprechen, die Orientierung der Nachfolgevereinbarungen an den früheren Gesamtverträgen zu akzeptieren, weil so die Schwierigkeiten bei der Umsetzung am geringsten sind. Insbesondere kann dafür auch angeführt werden, dass so innerhalb des K(Z)ÄV-Bezirks ein zumindest nach Kassenarten einheitliches Vergütungsniveau gewährleistet ist, unabhängig davon, wo die KK des behandelten Versicherten ihren Sitz hat.

33

Die Möglichkeiten der Konkretisierung des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 WortPrG hat der Senat in seiner Rechtsprechung schon bisher großzügig gesehen. Er hat sowohl ein "Aufsatteln" auf den Ausgangsbetrag nach Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG als auch ein Überschreiten der Veränderungsrate nach § 71 Abs 2 und 3 SGB V hingenommen(BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 56/11 B - RdNr 6 im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 20, 24). Dies entspricht auch der Rechtsprechung zum Grundsatz der Beitragssatzstabilität, der - wie ausgeführt - durch das WOrtPrG konkretisiert wird, und zu dem der Senat bereits darauf hingewiesen hat, dass im Gesetz zahlreiche Ausnahmen normiert sind, dem die Rechtsprechung weitere hinzugefügt hat (vgl dazu BSG vom 14.12.2011 aaO RdNr 7 im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 24). Dies setzt die Rechtsprechung fort, die den Vertragspartnern bei Regelungen der Selbstverwaltung regelmäßig einen Gestaltungsspielraum bei der Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben zubilligt (vgl für Gesamtvergütungsvereinbarungen zB BSGE 95, 141 RdNr 17 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 25 und für Gesamtverträge auch BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 28/11 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

34

Diese Vielfalt der Gesichtspunkte zeigt, dass es gewichtige Argumente sowohl für als auch gegen die Rechtmäßigkeit der vorliegend streitigen Gesamtvertragsregelung gibt. Bei diesem Befund kann jedenfalls eine offensichtliche Missachtung eines eindeutigen, aus sich heraus verständlichen gesetzlichen und für alle Vertragspartner strikt-verbindlichen Verbots (zu dieser Formel vgl oben 3. b mit BSG-Angaben) nicht festgestellt werden.

35

5. Liegt mithin kein qualifizierter Gesetzesverstoß vor, so kann weder die vom LSG getroffene Feststellung der Nichtigkeit der Gesamtvergütungsvereinbarung aufrechterhalten werden noch kann der Klägerin ein Zahlungsanspruch zuerkannt werden. Damit entfällt auch die Grundlage für das Begehren der Klägerin auf Zinszahlungen (zum Anspruch auf Prozesszinsen im Gesamtvergütungsstreit vgl zuletzt BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 65/11 B - RdNr 8 am Ende und 13, jeweils mwN).

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs 1, 2 VwGO), einschließlich der Kosten des Beigeladenen, weil dieser sich am Verfahren beteiligt und auch einen Sachantrag gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


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Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 85 Gesamtvergütung


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Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 71 Beitragssatzstabilität, besondere Aufsichtsmittel


(1) Die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer haben die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Ve

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(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, 1. die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,2. im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen An

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 83 Gesamtverträge


Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich de

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 61 Ergänzende Anwendung von Vorschriften


Soweit sich aus den §§ 53 bis 60 nichts Abweichendes ergibt, gelten die übrigen Vorschriften dieses Gesetzbuches. Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 69


Beteiligte am Verfahren sind 1. der Kläger, 2. der Beklagte, 3. der Beigeladene.

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Tenor Die Beschwerden des Klägers und der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. April 2011 werden zurückgewiesen.

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Soweit sich aus den §§ 53 bis 60 nichts Abweichendes ergibt, gelten die übrigen Vorschriften dieses Gesetzbuches. Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,
2.
im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags der Rechtskraft fähig, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist.

Beteiligte am Verfahren sind
1. der Kläger,
2. der Beklagte,
3. der Beigeladene.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.

(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen; die Landesverbände der Krankenkassen schließen die Gesamtverträge mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Für die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gilt Satz 1 entsprechend, soweit die ärztliche Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung sichergestellt wird. § 82 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Kassenindividuelle oder kassenartenspezifische Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Gesamtverträge sein; § 71 Absatz 6 gilt entsprechend. Satz 4 gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag vereinbart; die Landesverbände der Krankenkassen treffen die Vereinbarung mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien haben auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für eine besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren; das Nähere ist jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 6 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen.

(2a) (weggefallen)

(2b) (weggefallen)

(2c) Die Vertragspartner nach § 82 Abs. 1 können vereinbaren, daß für die Gesamtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden; sie können auch die Grundlagen für die Bemessung der Vergütungsanteile regeln. § 89 Abs. 1 gilt nicht.

(2d) Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Punktwerte nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(3) In der vertragszahnärztlichen Versorgung vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Zahl und Struktur der Versicherten, der Morbiditätsentwicklung, der Kosten- und Versorgungsstruktur, der für die vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der zahnärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz neben den Kriterien nach Satz 1 zu berücksichtigen. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Krankenkassen haben den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Zahl ihrer Versicherten vom 1. Juli eines Jahres, die ihren Wohnsitz im Bezirk der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung haben, gegliedert nach den Altersgruppen des Vordrucks KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 1. Oktober des Jahres mitzuteilen.

(3a) Die Gesamtvergütungen nach Absatz 3 dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Im Jahr 2024 dürfen die Gesamtvergütungen für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(4) Die Kassenzahnärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Sie wendet dabei in der vertragszahnärztlichen Versorgung den im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragszahnärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragszahnarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 Satz 1 vorzusehen. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer haben die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Ausgabensteigerungen auf Grund von gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen oder für zusätzliche Leistungen, die im Rahmen zugelassener strukturierter Behandlungsprogramme (§ 137g) auf Grund der Anforderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f oder der Rechtsverordnung nach § 266 Absatz 8 Satz 1 erbracht werden, verletzen nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität.

(2) Um den Vorgaben nach Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu entsprechen, darf die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach Absatz 3 ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten. Abweichend von Satz 1 ist eine Überschreitung zulässig, wenn die damit verbundenen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden.

(3) Das Bundesministerium für Gesundheit stellt bis zum 15. September eines jeden Jahres für die Vereinbarungen der Vergütungen des jeweils folgenden Kalenderjahres die nach den Absätzen 1 und 2 anzuwendende durchschnittliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen je Mitglied für den gesamten Zeitraum der zweiten Hälfte des Vorjahres und der ersten Hälfte des laufenden Jahres gegenüber dem entsprechenden Zeitraum der jeweiligen Vorjahre fest. Grundlage sind die monatlichen Erhebungen der Krankenkassen und die vierteljährlichen Rechnungsergebnisse des Gesundheitsfonds, die die beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen ausweisen. Die Feststellung wird durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Bei der Ermittlung der durchschnittlichen Veränderungsrate nach Satz 1 werden für die Jahre 2017 und 2018 die Mitglieder nicht berücksichtigt, die nach § 5 Absatz 1 Nummer 2a in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vorrangig familienversichert gewesen wären.

(3a) (weggefallen)

(4) Die Vereinbarungen über die Vergütung der Leistungen nach § 57 Abs. 1 und 2, §§ 83 und 85 sind den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen. Die Aufsichtsbehörden können die Vereinbarungen bei einem Rechtsverstoß innerhalb von zwei Monaten nach Vorlage beanstanden. Klagen der Vertragspartner gegen die Beanstandung haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Die Vereinbarungen nach Absatz 4 Satz 1 und die Verträge nach den §§ 73b und 140a sind unabhängig von Absatz 4 auch den für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder, in denen sie wirksam werden, zu übermitteln, soweit diese nicht die Aufsicht über die vertragsschließende Krankenkasse führen.

(6) Wird durch einen der in den §§ 73b, 127 und 140a genannten Verträge das Recht erheblich verletzt, kann die Aufsichtsbehörde abweichend von § 89 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Vierten Buches alle Anordnungen treffen, die für eine sofortige Behebung der Rechtsverletzung geeignet und erforderlich sind. Sie kann gegenüber der Krankenkasse oder der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen insbesondere anordnen, den Vertrag dafür zu ändern oder aufzuheben. Die Krankenkasse oder Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen kann bei einer solchen Anordnung den Vertrag auch außerordentlich kündigen. Besteht die Gefahr eines schweren, nicht wieder gutzumachenden Schadens insbesondere für die Belange der Versicherten, kann die Aufsichtsbehörde einstweilige Maßnahmen anordnen. Ein Zwangsgeld kann bis zu einer Höhe von 10 Millionen Euro zugunsten des Gesundheitsfonds nach § 271 festgesetzt werden. Die Aufsichtsbehörde kann eine erhebliche Rechtsverletzung auch feststellen, nachdem diese beendet ist, sofern ein berechtigtes Interesse an der Feststellung besteht. Rechtsbehelfe gegen Anordnungen nach den Sätzen 1 bis 4 haben keine aufschiebende Wirkung. Die Sätze 1 bis 7 gelten auch für Verträge nach § 140a Absatz 1 Satz 3. Die Sätze 1 und 4 bis 7 gelten entsprechend bei Verstößen gegen die Pflicht nach § 127 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 2, Vertragsverhandlungen zu ermöglichen. Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern dürfen keine Vorschläge in elektronischer oder maschinell verwertbarer Form für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen für den Vertragspartner beinhalten. Die Krankenkassen haben auf Verlangen der zuständigen Aufsichtsbehörde bezüglich der Einhaltung Nachweise zu erbringen.

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene und der Beklagte tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Der klagende Spitzenverband Bund der Krankenkassen wendet sich gegen zwei vom erweiterten Bewertungsausschuss für die vertragsärztliche Versorgung (eBewA) im Jahr 2009 gefasste Beschlüsse zur "Verhinderung ungewollter Honorarverluste für besonders förderungswürdige Leistungen".

2

Mit Einführung des neuen Vergütungssystems für vertragsärztliche Leistungen durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) zum 1.1.2009 (vgl § 87a Abs 1, § 87b Abs 1 SGB V aF)- insbesondere verbunden mit einer einheitlichen Gebührenordnung in Euro auf der Grundlage bundeseinheitlicher Orientierungspunktwerte - erließ der beklagte eBewA eine Reihe von Beschlüssen, die ua die hier streitgegenständlichen Regelungen enthielten. Bereits mit Beschluss vom 27./28.8.2008 (Teil H Nr 5, DÄ 2008, A 1988, 1998) hatte der eBewA den Partnern der Gesamtverträge "empfohlen, die Höhe der nach der Neubewertung dieser Leistungen zu zahlenden Vergütung auch unter Berücksichtigung der bisherigen gesamtvertraglichen Regelungen zu überprüfen und festzustellen, ob zur Sicherung einer angemessenen Vergütung ergänzende Regelungen erforderlich sind. Hierfür können leistungsbezogene Zuschläge zum Orientierungswert vereinbart werden".

3

Mit Beschluss vom 17.3.2009 ("Beschluss zur Verhinderung ungewollter Honorarverluste für besonders förderungswürdige Leistungen mit Wirkung vom 01. April 2009" - DÄ 2009, A 726) wurden die Partner der Gesamtverträge verpflichtet, durch leistungsbezogene Zuschläge zum Punktwert sicherzustellen, dass die Vergütung der belegärztlichen Leistungen sowie der Leistungen des ambulanten Operierens mindestens die Vergütung des Jahres 2008 erreicht. Teil H Nr 5 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 wurde wie folgt neu gefasst:

        

"Die Partner der Gesamtverträge überprüfen zur Sicherstellung einer ausreichenden und bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten der GKV je Gebührenordnungsposition die Höhe der für die besonders förderungswürdigen Leistungen nach Beschluss Teil A 2.4 und Beschluss Teil B 1.3 zu zahlenden Vergütung unter Berücksichtigung der gesamtvertraglichen Regelungen im Jahr 2008. Unterschreitet die für das Jahr 2009 ermittelte zu zahlende Vergütung je Gebührenordnungsposition für belegärztliche (kurativ-stationäre) Leistungen (Leistungen des Kapitels 36, die Gebührenordnungspositionen 13311, 17370 und Geburtshilfe), Leistungen des Kapitels 31.2 und 31.5, die Gebührenordnungspositionen 13421 bis 13431, 04514, 04515, 04518 und 04520, die gemäß den gesamtvertraglichen Regelungen im Jahr 2008 hierfür zu zahlende Vergütung, vereinbaren die Partner der Gesamtverträge zum Ausgleich der festgestellten Unterschreitungen für die betroffenen Gebührenordnungspositionen leistungsbezogene Zuschläge zum Regelfallpunktwert der Euro-Gebührenordnung.

        

[…]     

        

Die Vergütung der nach Satz 2 vereinbarten Zuschläge erfolgt aus den Rückstellungen zur Verhinderung überproportionaler Honorarverluste nach Beschluss Teil G 1. Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung und diese Rückstellungen sind durch die betroffenen Krankenkassen hierzu zweckgebunden fortlaufend um das Vergütungsvolumen für die je abgerechneter Gebührenordnungsposition für besonders förderungswürdige Leistungen nach Satz 2 zum Ansatz kommende Zuschläge nach Satz 2 zusätzlich zu erhöhen."

4

Gegen diesen Beschluss hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen am 15.4.2009 Klage erhoben (L 7 KA 62/09 KL). Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ließ diesen Beschluss unbeanstandet, erteilte jedoch die Auflage, die regionalen leistungsbezogenen Zuschläge als Übergangsregelung bis zum 31.12.2009 zu befristen und zu überprüfen. Am 2.9.2009 fasste der Beklagte einen weiteren Beschluss "zur Weiterentwicklung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2010", in dessen Teil C mit Wirkung ab 1.1.2010 "Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur" für das Jahr 2010 festgelegt wurden (DÄ 2009, A 1907,1912 f). Dieser Beschluss enthält in Ziff 3.1 Satz 2, 5 und 6 unter der Überschrift "Leistungsbezogene Indikatoren für regionale Besonderheiten der Versorgungsstrukturen" Regelungen, die - soweit hier relevant - denen des vorangegangenen Beschlusses vom 17.3.2009 entsprechen. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger ebenfalls Klage erhoben (L 7 KA 135/09 KL). Das LSG hat beide Verfahren verbunden und mit Urteil vom 15.12.2010 den Klagen stattgegeben. Es hat den Beschluss des Beklagten vom 17.3.2009 (idF des Beschlusses vom 20.5.2009) hinsichtlich der Sätze 2, 5 und 6 sowie den Beschluss des Beklagten vom 2.9.2009, Teil C, Ziff 3.1, Sätze 2 und 6 sowie Satz 5, soweit dieser die Vergütung nach Satz 2 betrifft, aufgehoben.

5

Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Beklagte habe die dort normierten Vergütungsbestimmungen nicht beschließen dürfen, weil er hierzu nicht gesetzlich ermächtigt gewesen sei und die genannten Bestimmungen darüber hinaus im Widerspruch zu höherrangigem Recht stünden. Die angefochtenen Beschlüsse könnten insbesondere nicht auf § 87b Abs 4 Satz 2 iVm Abs 2 Satz 7 und Abs 3 Satz 5 SGB V aF gestützt werden. Schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen sei der Beklagte nicht zum Erlass von Regelungen über leistungsbezogene Zuschläge ermächtigt. Darüber hinaus überschreite er mit der Bestimmung der außerbudgetären Vergütung konkreter vertragsarztrechtlicher Gebührenordnungspositionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) seine Berechtigung aus § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF, hierzu Vorgaben zu beschließen; die vom Beklagten getroffenen Entscheidungen bedürften keiner Umsetzung durch die Partner der Gesamtverträge mehr, weil sie schon abschließend alle Regelungen selbst enthielten. Dasselbe gelte für die Anordnung einer zweckbestimmten Nachschusspflicht der Krankenkassen zur morbiditätsbedingten Gesamtvergütung. Bei der Bestimmung von Grundsätzen zur Bildung von Rückstellungen sei der eBewA darauf beschränkt, einen allgemeinen Rahmen für die Bildung von Rückstellungen vorzugeben; ins Einzelne gehende Bestimmungen über die Summe der Rückstellungen sowie eine zusätzlich zu der vereinbarten Gesamtvergütung zu entrichtende Nachzahlung der Krankenkassen zur Auffüllung der Rückstellungen gingen darüber hinaus.

6

Die angefochtenen Beschlüsse stünden auch im Widerspruch zu höherrangigem Recht. Das Recht, die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung zu vereinbaren, stehe den Gesamtvertragsparteien auf Landesebene zu. Dies schließe es aus, dass der Beklagte die Gesamtvergütung ganz oder auch nur teilweise an Stelle der Gesamtvertragspartner festsetze. Zudem sei die "befreiende Wirkung" iS des § 85 Abs 1 SGB V ein zentrales und unverzichtbares Element des gegenwärtigen vertragsärztlichen Vergütungssystems; Nachschusspflichten für länger zurückliegende Zeiträume seien in diesem System Fremdkörper.

7

Die angefochtenen Beschlüsse verstießen auch gegen die den Vertragspartnern der Gesamtverträge eingeräumte Berechtigung, die außerhalb der Regelleistungsvolumina (RLV) zu vergütenden Leistungen selbst zu bestimmen; es gebe keine Möglichkeit eines Gesamtvertragspartners, eine solche Regelung - ggf durch eine Schiedsamtsentscheidung - zu erzwingen. Das Gleiche gelte für die Entscheidung der Gesamtvertragspartner nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF, ob und in welcher Höhe sie Rückstellungen zB zum Ausgleich überproportionaler Honorarverluste bilden wollten, sowie, ob sie einen Zuschlag auf die Orientierungswerte nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V vereinbarten, um regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Bei der Vereinbarung von Zuschlägen seien die Gesamtvertragspartner im Übrigen durch § 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF zwingend an die Vorgaben des Bewertungsausschusses (BewA) nach § 87 Abs 2f SGB V aF gebunden; der Beklagte habe jedoch in seinen Beschlüssen vom 27./28.8.2008 bzw 2.9.2009 entschieden, dass keine Indikatoren zu regionalen Besonderheiten in der Versorgungsstruktur sowie in der Kostenstruktur definiert werden könnten; für das Jahr 2009 seien die in § 87c Abs 2 SGB V aF angeführten Indikatoren nicht anzuwenden. Damit habe er den Gesamtvertragspartnern die Möglichkeit genommen, Zuschläge zu vereinbaren und stattdessen selbst eine Entscheidung über Zuschläge zu den Orientierungswerten getroffen.

8

Mit ihrer Revision rügt die beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung (KÄBV) die Verletzung von Bundesrecht. Es liege ein absoluter Revisionsgrund nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO vor, da der eBewA seinen Beschluss für das Jahr 2010 auf der Grundlage des § 87 Abs 2f SGB V gefasst habe, diese Rechtsgrundlage in den Entscheidungsgründen des LSG-Urteils aber nicht berücksichtigt werde. Das LSG habe zudem die Vorgaben in § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF nicht gesetzeskonform ausgelegt. Dem eBewA stehe ein weiter Regelungsspielraum zu, da er als Schiedsorgan die Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen und Kompromisse zu schließen habe; er habe sich bei den streitgegenständlichen Beschlüssen im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums gehalten. Der eBewA könne detaillierte inhaltliche Festlegungen dazu treffen, wie die Partner der Gesamtverträge mit besonders förderungswürdigen Leistungen umzugehen hätten. Der Begriff "Vorgaben" enthalte keine Einschränkung hinsichtlich der Reichweite und des Umfangs der zu beschließenden Regelungen. Es bleibe den Partnern der Gesamtverträge unbenommen, weitere Leistungen außerhalb der RLV zu vergüten, so dass deren Regelungsspielraum nicht eingeschränkt worden sei.

9

Der eBewA sei auch berechtigt gewesen, Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V iVm § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF zu bestimmen. Um sicherzustellen, dass Zuschläge aus Rückstellungen zur Verhinderung überproportionaler Honorarverluste zu finanzieren seien, habe er darüber hinaus geregelt, dass die morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen um den Betrag für diese Zuschläge insgesamt zu erhöhen seien. Damit habe der eBewA nicht den Rahmen der "Grundsätze" überschritten und sich im Rahmen seines Gestaltungsspielraums gehalten. Eine Erhöhung der Rückstellungen ohne damit einhergehende Erhöhung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung führe unweigerlich zu einer Reduzierung der Vergütung der anderen Vertragsärzte. Der mit den RLV ausgewiesene Bedarf dürfe durch die leistungsbezogenen Zuschläge nicht gekürzt werden. Es sei daher notwendig gewesen, auch Regelungen darüber zu treffen, auf welche Weise eingetretene Honorarverluste ausgeglichen werden könnten, ohne dass sich weitere Honorarverwerfungen für andere Ärzte ergäben. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass das vertragsärztliche Vergütungssystem durch die Vorgaben des GKV-WSG vollständig neu geregelt worden sei und sich damit in einer Erprobungsphase befunden habe. In einer solchen Phase müsse der BewA berechtigt sein, auf eingetretene, nicht gewollte Folgen seiner Beschlüsse reagieren zu können und ein möglichst stabiles und rechtssicheres System für die Vergütung der Vertragsärzte zu schaffen.

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Der Beklagte sei mit den Beschlüssen zur Verhinderung ungewollter Honorarverluste für besonders förderungswürdige Leistungen seiner Beobachtungs- und Reaktionspflicht nachgekommen. Er habe bei der Prüfung der Folgen seiner Beschlüsse vom 27./28.8.2008 und vom 23.10.2008 festgestellt, dass es gerade bei ambulanten Operationen und bestimmten belegärztlichen Leistungen zu ungewollten Honorarverlusten gekommen sei. Daher sei er selbst verpflichtet gewesen, dem entgegenzuwirken, und habe sich nicht auf die Vereinbarungen der Gesamtvertragspartner verlassen dürfen, zumal die entsprechenden Vereinbarungen zu § 87b Abs 3 Satz 7 SGB V aF mangels Schiedsfähigkeit nicht durchsetzbar seien. Schließlich sei der eBewA berechtigt gewesen, für das Jahr 2010 auf der Grundlage von § 87 Abs 2f SGB V aF Zuschläge in der beschriebenen Weise festzulegen. Im Bescheid des BMG vom 13.5.2009 werde darauf hingewiesen, dass eine unbefristete Regelung zu regionalen Zuschlägen auf der Grundlage von § 87 Abs 2f SGB V aF getroffen werden könne und dass dem BewA auch die Befugnis zustehe, die für bestimmte Gebührenpositionen gemäß den gesamtvertraglichen Regelungen im Jahr 2008 zu zahlende Vergütung als Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur festzulegen. An dieser Rechtsauffassung des BMG habe sich der eBewA orientiert.

11

Die Beschlüsse stünden auch nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht. Der eBewA habe nicht gegen § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V verstoßen, denn die Partner der Gesamtverträge hätten weiterhin die Möglichkeit, Zuschläge nach dieser Norm zu vereinbaren; die Wahrnehmung dieser Ermächtigung habe keinen Beschluss des BewA nach § 87 Abs 2f SGB V aF zur Voraussetzung. Der Beklagte habe auch nicht gegen die gesetzlichen Vorgaben zur Vereinbarung und Zahlung der Gesamtvergütungen verstoßen. Durch die Einführung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung mit dem Übergang des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen habe sich die Bedeutung des Grundsatzes, dass die Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung gezahlt werde, relativiert. Die Krankenkassen müssten nunmehr aufgrund der geänderten Rechtslage selbst entsprechende Rücklagen für Nachvergütungen vorhalten. Das BSG habe zudem bereits anerkannt, dass der Grundsatz der befreienden Wirkung nicht ausnahmslos gelte und die Notwendigkeit einer nachträglichen Anpassung der Gesamtvergütungen bestehen könne, wenn die Krankenkassen in Ausnahmefällen über ihre Spitzenverbände unmittelbaren Einfluss auf Vergütungsentscheidungen genommen hätten oder wenn das Vergütungsniveau einer Gruppe von Leistungserbringern maßgeblich durch für die einzelne Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) verbindliche Vorgaben des BewA beeinflusst werde. Eine solche Situation habe auch hier vorgelegen. Es sei eine Gruppe von Vertragsärzten betroffen, die Leistungen des ambulanten Operierens und belegärztliche Leistungen erbrächten. Diesen Vertragsärzten sei - unter Mitwirkung des Klägers - durch die Beschlüsse des eBewA vom 27./28.8.2008 ein erheblicher Anteil der Vergütung für diese Leistungen entzogen worden. Damit seien die für diese Leistungen zur Verfügung gestellten Gesamtvergütungsanteile zu niedrig veranschlagt worden mit der Folge, dass diese auch nachträglich anzupassen seien.

12

Der Beklagte schließt sich den Ausführungen der Beigeladenen an.

13

Die Beigeladene und der Beklagte beantragen übereinstimmend,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15.12.2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Die Entscheidung des LSG leide nicht unter einem Begründungsmangel. § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO sei nicht einschlägig, wenn das Gericht - wie vorliegend - in den Urteilsgründen einen Anspruch erörtert und lediglich davon abgesehen habe, eine von mehreren Anspruchsgrundlagen zu behandeln, die im Ergebnis nicht durchgriffen. § 87 Abs 2f SGB V aF komme als Rechtsgrundlage offensichtlich nicht in Betracht, da die Norm dem BewA lediglich die Aufgabe übertrage, Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten festzulegen. Die streitgegenständlichen Beschlüsse enthielten schon begrifflich keine Indikatoren im Sinne dieser Norm und träfen im Übrigen weit über die Festlegung eines Indikators hinausgehende Vorgaben. An der Festlegung von Indikatoren fehle es schon deshalb, weil die Vergütung für die erfassten Leistungen konkret und abschließend festgelegt worden sei. Zudem sei die Höhe der regionalen Vergütung auch inhaltlich kein Indikator für regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur. Es laufe dem gesetzlichen Ziel zuwider, nicht gerechtfertigte regionale Preisunterschiede abzubauen, wenn das regionale Preisniveau aus dem Jahr 2008 pauschal als Indikator für regionale Besonderheiten anzusehen sei, denn auf diese Weise würden die ungerechtfertigten regionalen Unterschiede nicht abgebaut, sondern perpetuiert.

16

Auch § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF sei als Rechtsgrundlage ungeeignet. § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V aF erlaube zwar, bestimmte Leistungen von der Geltung der RLV auszunehmen mit der Folge, dass sie nicht der Steuerungsfunktion der RLV unterlägen und die vorgesehene Abstaffelung keine Anwendung finde, doch seien die Leistungen gemäß § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V aF auf der Grundlage der regionalen Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Die in § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF festgelegte Kompetenz des BewA, Vorgaben zu § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V aF zu beschließen, solle es ihm nach der Gesetzesbegründung ermöglichen, festzulegen, für welche Leistungen eine solche Ausnahme sinnvoll sei. Die angefochtenen Beschlüsse beschränkten sich jedoch nicht darauf, Vorgaben zu einer Vergütung von Leistungen außerhalb der RLV zu treffen, sondern sähen vielmehr leistungsbezogene regionale Punktwertzuschläge vor. Die streitgegenständlichen Beschlüsse seien auch nicht aus Sicherstellungsgründen erforderlich gewesen, sondern zur Vermeidung überproportionaler Honorarverluste.

17

§ 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF gelte nur für Rückstellungen, die bei den KÄVen aus den mit befreiender Wirkung gezahlten Gesamtvergütungen gebildet würden. Die für die betroffenen Leistungen zur Verfügung gestellten Gesamtvergütungsanteile seien nicht zu niedrig veranschlagt worden, da diese Leistungen nach den Beschlüssen vom 27./28.8.2008 bzw 2.9.2009 ohnehin extrabudgetär, dh außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, zu vergüten gewesen seien. Die Möglichkeit, Zu- und Abschläge auf den Orientierungswert zu vereinbaren, stelle eine Kann-Bestimmung dar und sei daher nicht schiedsfähig. Den Gesamtvertragspartnern werde durch die angefochtenen Beschlüsse die Freiheit genommen, von der Vereinbarung von Zuschlägen abzusehen. Ein rechtlicher Hinweis des BMG stelle keine Weisung dar und könne auch kein schützenswertes Vertrauen begründen. Die nur auf einzelne Leistungen bezogenen Zuschläge zum Orientierungswert verstießen gegen § 87a Abs 2 Satz 2 bis 4 SGB V, da danach auf einzelne Leistungen bezogene Zuschläge nicht zulässig seien. Zudem verschiebe die Vereinbarung regionaler leistungsbezogener Zuschläge entgegen § 87 Abs 2 Satz 1 SGB V das wertmäßige Verhältnis der mit Zuschlägen versehenen Leistungen zu den übrigen Leistungen.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision der Beigeladenen ist nicht begründet. Das - nach § 29 Abs 4 Nr 1 SGG erstinstanzlich zuständige - LSG hat die Beschlüsse des Beklagten, soweit sie im Streit stehen, zu Recht aufgehoben. Der Beklagte war mangels einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung nicht berechtigt, diese Beschlüsse zu fassen.

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1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

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a. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ist als eine der den BewA tragenden Organisationen befugt, Klage gegen dessen Beschlüsse zu erheben, da diese - ungeachtet der darin liegenden Normsetzung durch Vertrag (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 65) - gegenüber den an der Normsetzung beteiligten Institutionen als Verwaltungsakte ergehen (BSGE 90, 61, 63 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202). Dies gilt nicht allein für Beschlüsse des eBewA, die Regelungen zum einheitlichen Bewertungsmaßstab beinhalten, sondern für alle Entscheidungen des eBewA im Bereich der Normsetzung. Da die in § 87 Abs 4 SGB V vorgesehene Erweiterung des BewA um unparteiische Mitglieder und einen unparteiischen Vorsitzenden ein in den Normsetzungsvorgang inkorporiertes Schiedsverfahren darstellt, können die beteiligten Körperschaften - ebenso wie die an einem Schiedsverfahren nach § 89 SGB V Beteiligten Entscheidungen der Schiedsämter - die schiedsamtsähnlichen Entscheidungen des eBewA im Klagewege angreifen(BSG aaO).

21

Sachgerechte Klageart ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG. Die Klage ist gegen den eBewA zu richten (BSGE 90, 61, 63 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202). Dieser ist berechtigt, seine Beschlüsse im gerichtlichen Verfahren zu verteidigen und ist - als gemeinsames Entscheidungsgremium von Leistungserbringern und Krankenkassen - nach § 70 Nr 4 SGG beteiligtenfähig(BSGE 90, 61, 63 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 203; vgl auch BGHZ 150, 172, 179). Eines Vorverfahrens bedarf es wegen der mit einem Schiedsamt vergleichbaren Stellung des eBewA nicht.

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b. Die Rüge der Beigeladenen, das Berufungsurteil leide an dem formellen Fehler unzureichender Entscheidungsgründe (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO), greift nicht durch. Zwar trifft der Vorhalt der Beigeladenen zu, dass das LSG als Rechtsgrundlage ausdrücklich nur § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF und nicht § 87 Abs 2f SGB V aF geprüft hat. Ein Urteil ist jedoch nicht als fehlerhaft aufzuheben, solange ungeachtet dessen noch eine Auseinandersetzung mit dem Kern des Vorbringens erkennbar sowie die Argumentation noch nachvollziehbar und verständlich ist (BSG MedR 2007, 614 = USK 2007-26). Dies ist vorliegend der Fall.

23

Das LSG hat - wie schon das Wort "insbesondere" verdeutlicht - in § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF zwar die vorrangig in Frage kommende, jedoch nicht die alleinige Rechtsgrundlage gesehen. Auch hat es am Ende der Urteilsgründe Ausführungen zu § 87 Abs 2f SGB V aF gemacht, indem es dargelegt hat, dass der BewA bzw der eBewA den Gesamtvertragspartnern die Möglichkeit genommen habe, selbst Zuschläge auf den Orientierungswert zu vereinbaren, indem er gerade keine Indikatoren bestimmt habe; diese Ausführungen hat es mit dem Satz beschlossen, der eBewA habe ohne eine entsprechende Kompetenz "nach dem SGB V" selbst eine Entscheidung über Zuschläge getroffen. Damit hat es hinreichend deutlich gemacht, dass es diese Norm zwar gesehen, jedoch nicht ansatzweise als Rechtsgrundlage für geeignet angesehen hat.

24

2. In materieller Hinsicht hat das LSG zu Recht entschieden, dass die vom eBewA im Teil H Nr 5 Sätze 2, 5 und 6 seines Beschlusses vom 17.3.2009 (DÄ 2009, A 726) für das Jahr 2009 sowie im Teil C Nr 3.1 - Sätze 2 und 6 sowie Satz 5, soweit er die Vergütung nach Satz 2 aaO betrifft - seines Beschlusses vom 2.9.2009 (DÄ 2009, A 1907, 1913) für das Jahr 2010 beschlossenen Regelungen rechtswidrig und als Rechtsnormen daher nichtig sind.

25

Die Beschlüsse beinhalten inhaltlich gleichlautend

        

-       

eine Verpflichtung der Partner der Gesamtverträge, die Höhe der für besonders förderungswürdige Leistungen (belegärztliche Leistungen und ambulante Operationen) zu zahlenden Vergütung zu überprüfen und Zuschläge zum Regelfallpunktwert der Euro Gebührenordnung zu beschließen, wenn die für 2009 zu zahlende Vergütung die für 2008 zu zahlende Vergütung unterschreitet,

        

-       

die Vorgabe, dass die Vergütung der so vereinbarten Zuschläge aus den Rückstellungen zur Verhinderung überproportionaler Honorarverluste erfolgt,

        

-       

die Verpflichtung "der betroffenen Krankenkassen", die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung und diese Rückstellungen zweckgebunden fortlaufend um das Vergütungsvolumen der vereinbarten Zuschläge zusätzlich zu erhöhen.

Zum Erlass dieser Regelungen war der eBewA jedoch nicht befugt, da es insoweit an einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung fehlt.

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a. Die generelle Befugnis des BewA (bzw des eBewA) zum Erlass des Bewertungsmaßstabs (§ 87 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 SGB V)scheidet als Ermächtigungsgrundlage von vornherein aus. Die strittigen Regelungen - insbesondere die Vorgabe einer Nachschusspflicht der Krankenkassen - bewegen sich so weit außerhalb der nach der gesetzlichen Systematik dem BewA in Abgrenzung zu den Kompetenzen der Gesamtvertragspartner zugewiesenen Aufgaben, dass er hierfür einer ausdrücklichen gesonderten gesetzlichen Ermächtigung bedarf.

27

Das Gesetz hat dem BewA durch § 87 SGB V bestimmte originäre Aufgaben übertragen und sie damit der - ansonsten nach § 82 SGB V bestehenden - Zuständigkeit der Bundesmantelvertragspartner entzogen; ihm kommt mithin ein spezieller Aufgabenbereich zu (BSG Beschluss vom 10.12.2008 - B 6 KA 37/08 B - juris RdNr 11). Schon dieser "spezielle" Aufgabenbereich des BewA lässt es nicht zu, in § 87 SGB V eine Art Generalermächtigung zur Regelung vertragsärztlicher Vergütungstatbestände auf Bundesebene zu sehen. Im Übrigen ließe selbst bei Vorliegen einer Generalermächtigung - wie dies das BSG zu § 92 Abs 1 Satz 1 SGB V für den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) angenommen hat - die Verteilung der Normsetzungskompetenzen im Vertragsarztrecht nicht zu, dass ein Normgeber Regelungen zu Gegenständen der vertragsärztlichen Versorgung trifft, die gesetzlich anderen Normgebern zugewiesen sind(vgl BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 37 - zum GBA).

28

Eine Normsetzungskompetenz des eBewA kann auch nicht ("originär") aus dem ihm grundsätzlich zustehenden weiten Gestaltungsspielraum (vgl hierzu BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26 ua)hergeleitet werden. Zwar ist dem BewA - wie auch dem eBewA - bei der Konkretisierung des Inhalts gesetzlicher Regelungen Gestaltungsfreiheit eingeräumt, wie dies der Senat für die Konkretisierungen nach § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V aF entschieden hat(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 27). Diese Gestaltungsfreiheit ist jedoch durch den Umfang der dem BewA gesetzlich eingeräumten Kompetenzen begrenzt, da ein Gestaltungsspielraum untergesetzlicher Normgeber nur innerhalb der ihnen erteilten Normsetzungsermächtigung besteht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 30).

29

b. Der eBewA kann sich bezüglich der strittigen Regelungen auch nicht auf spezielle gesetzliche Ermächtigungen berufen; die Regelungen sind weder durch § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF(s hierzu aa) noch - für das Jahr 2010 - durch § 87 Abs 2f SGB V aF(s hierzu bb) gedeckt.

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aa. § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V(in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung) kommt als Rechtsgrundlage für die strittigen Regelungen nicht in Betracht.

31

§ 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF gehört systematisch zu den Regelungen über die Vergütung der Ärzte durch arzt- und praxisbezogene RLV, und dort zu den in Abs 4 aaO aF geregelten Aufgaben des BewA. Nach § 87b Abs 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V aF hatte der BewA zum einen Vorgaben zur Umsetzung von § 87b Abs 2 Satz 3, 6 und 7 SGB V aF zu bestimmen(§ 87b Abs 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V aF), dh einerseits zur Abstaffelung der Preise bei einer das RLV überschreitenden Leistungsmenge (Abs 2 Satz 3 aaO), andererseits zu den außerhalb der RLV zu vergütenden Leistungen, zu denen obligatorisch die psychotherapeutischen Leistungen (Abs 2 Satz 6 aaO) sowie fakultativ weitere Leistungen gehören (Abs 2 Satz 7 aaO). Zum anderen hatte er gemäß § 87b Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V aF Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF zu bestimmen.

32

Diese Vorschriften ermächtigen den eBewA weder dazu, die Partner der Gesamtverträge zu verpflichten, Zuschläge auf die Orientierungswerte gemäß § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF für bestimmte besonders förderungswürdige Leistungen zu vereinbaren(dazu <(1)>), noch dazu, die Finanzierung der Zuschläge aus Rückstellungen vorzugeben (dazu <(2)>). Erst recht berechtigen sie ihn nicht dazu, die "betroffenen Krankenkassen" zu verpflichten, die Gesamtvergütungen zum Zwecke der Auffüllung der Rückstellungen und damit zur Finanzierung der Zuschläge zu erhöhen (hierzu <(3)>).

33

(1) Der eBewA war nicht berechtigt, den regionalen Vertragspartnern die Vereinbarung von Zuschlägen auf die Orientierungswerte für besonders förderungswürdige Leistungen verpflichtend vorzugeben. Die Verpflichtung zur Vereinbarung von Zuschlägen stellt keine zulässige "Vorgabe" zur Umsetzung von § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V aF dar(s <(a)>). Der eBewA ist - auch in seiner Eigenschaft als "Schiedsorgan" - nicht berechtigt, die regionalen Vertragspartner zum Abschluss einer (fakultativen) Vereinbarung zu verpflichten (dazu <(b)>).

34

Nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF können die KÄV und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen bei der Festlegung der Punktwerte einen Zuschlag auf die oder einen Abschlag von den Orientierungswerten gemäß § 87 Abs 2e Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB V aF(nF: von dem Orientierungswert nach § 87 Abs 2e SGB V)vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Die Vertragspartner hatten dabei gemäß dem hier maßgeblichen, bis zum 31.12.2011 geltenden Recht (§ 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF) zwingend die Vorgaben des BewA gemäß § 87 Abs 2f SGB V aF anzuwenden, um eine bundeseinheitliche Anwendung dieser Regelung sicherzustellen(FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 129). Sowohl § 87 Abs 2f SGB V aF als auch § 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF sind durch das GKV-Versorgungstrukturgesetz aufgehoben worden. Die Aufhebung des § 87 Abs 2f SGB V aF dient der Stärkung der regionalen Kompetenzen bei den Vereinbarungen(RegE GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 61 zu § 87 Abs 2f SGB V aF); die Aufhebung des § 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF ist eine Folgeänderung zur Aufhebung des § 87 Abs 2f SGB V aF(RegE GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 62 zu § 87a Buchst b Doppelbuchst cc ).

35

(a) Bereits nach dem Wortlaut des § 87a Abs 2 Satz 3 SGB V aF haben die regionalen Vertragspartner bei der Vereinbarung von Zuschlägen (nur) die Vorgaben des BewA "gemäß § 87 Abs 2f SGB V" (aF) - also die Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten - anzuwenden. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass für die Vereinbarung von Zuschlägen auch die Vorgaben nach § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF relevant werden könnten, hätte es nahegelegen, auch diese Norm mit aufzuführen.

36

Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, denn selbst wenn man davon ausgeht, dass die regionalen Vertragspartner alle (wirksamen) Vorgaben des (e)BewA zu beachten haben, handelt es sich bei der Verpflichtung zur Vereinbarung von Zuschlägen für besonders förderungswürdige Leistungen nicht um "Vorgaben zur Umsetzung von § 87b Abs 2 S 7 SGB V" (aF). Der Begriff "Vorgaben" (Duden: "Richtlinie") ist prinzipiell sehr weit und ermöglicht insbesondere auch Detailregelungen (Engelhard in Hauck/Noftz, Stand Mai 2012, SGB V, K § 87b RdNr 67). Allerdings kann daraus, dass das Gesetz in § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF den Begriff "Vorgaben", an anderer Stelle(§ 84 Abs 7 Satz 1 SGB V) hingegen den Begriff "Rahmenvorgaben" verwendet, nicht generell abgeleitet werden, dass der dem (e)BewA durch § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF eingeräumte Gestaltungsspielraum besonders weit ist. Denn welches Maß an Gestaltungsfreiheit dem BewA zukommt, ist nach der Wesensart der Ermächtigungsvorschrift und der ihr zugrunde liegenden Zielsetzung zu bestimmen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 28 unter Hinweis auf BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 21).

37

Im Rahmen einer "Vorgabe" ist der (e)BewA berechtigt, insoweit konkrete Regelungen zu treffen, als er einzelne Leistungen bezeichnet, die er als in jedem Fall förderungswürdig ansieht (in diesem Sinne Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand März 2012, § 87b SGB V RdNr 11). Insoweit wird der Rahmen der "Vorgaben" jedenfalls dann noch nicht verlassen, sofern damit lediglich festgelegt wird, welche Leistungen für eine entsprechende vertragliche Vereinbarung in Frage kommen, aber keine Verpflichtung der Vertragspartner verbunden ist, eine solche Vereinbarung abzuschließen. Ob eine verbindliche Vorgabe mit § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V kompatibel wäre, welcher die Entscheidung darüber, ob überhaupt und welche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden sollen, in das Ermessen ("können") der Gesamtvertragspartner stellt, kann hier offenbleiben. Zu beachten ist allerdings, dass die regionalen Vertragspartner bei ihrer - mit einer Vergütung der Leistungen außerhalb der RLV in engem Zusammenhang stehenden - Entscheidung, ob und für welche Leistungen sie eine Vergütung außerhalb der Gesamtvergütungen vereinbaren wollen (§ 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V), an keinerlei Vorgaben des BewA gebunden sind. Wenn die regionalen Vertragspartner keine Vereinbarung über die extrabudgetäre Vergütung einer bestimmten Leistung treffen, geht eine Vorgabe des BewA, diese Leistung außerhalb der RLV zu vergüten, weitgehend ins Leere.

38

Inhaltlich stehen die Vorgaben des eBewA jedenfalls nicht mit der Ermächtigungsvorschrift in Einklang. § 87b Abs 2 Satz 7 SGB V aF bestimmt, dass weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden können, wenn sie besonders gefördert werden sollen oder soweit dies medizinisch oder aufgrund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist. Nach dem Sachzusammenhang liegt es nahe, dass sich die Vorgaben des BewA nach § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF auf die Kriterien beziehen, anhand derer sich bestimmen lässt, welche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden sollen, etwa auf die Anforderungen an eine besondere Förderungswürdigkeit einer Leistung oder auf die Erforderlichkeit einer extrabudgetären Vergütung; dies schließt - wie dargelegt - auch das Recht ein, konkrete Leistungen zu benennen. Derartige Regelungen enthält der Beschluss des eBewA jedoch nicht. Dieser hat weder derartige Kriterien benannt noch bestimmt, dass die in Rede stehenden Leistungen außerhalb der RLV zu vergüten sind, sondern dass ihre Vergütung exakt dem Niveau des Jahres 2008 zu entsprechen hat, ganz unabhängig davon, wie sich die Vergütung der einzelnen Arztgruppen nach der Neuausrichtung des Vergütungssystems zum 1.1.2009 darstellt.

39

Verbindliche Festlegungen zur Höhe der für diese Leistungen gezahlten Vergütung sind - selbst wenn der BewA berechtigt wäre, die außerhalb der RLV zu vergütenden Leistungen verbindlich vorzugeben - keine "Vorgaben" an die Vertragspartner zur Vergütung von Leistungen außerhalb der RLV. Dass zu diesen Vorgaben auch die Festsetzung der für diese Leistungen zu zahlenden Vergütung gehört, ist schon deswegen eher fernliegend, weil das Gesetz selbst hierzu Regelungen enthält. Denn jedenfalls dann, wenn die besonders zu fördernden Leistungen zugleich außerhalb der Gesamtvergütungen vergütet werden, sind diese Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten (vgl § 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V). Insbesondere aber gilt, dass selbst dann, wenn der (e)BewA verbindliche Vorgaben zur Höhe der Vergütung für die außerhalb der RLV vergüteten Leistungen machen dürfte, dies lediglich die Ebene des § 87b SGB V aF und damit die Ebene der Honorarverteilung betreffen könnte. Demgegenüber handelt es sich bei der Frage, ob Zuschläge auf den Orientierungswert gezahlt werden, um eine Regelung, die die Ebene der (Gesamt-)Vergütung nach § 87a SGB V betrifft. Zu diesem Regelungsbereich darf der (e)BewA jedoch - unabhängig von der Auslegung des § 87b Abs 4 Satz 2 SGB V aF - keinerlei Vorgaben machen, da das Gesetz solche für eine Vergütung von Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung gerade nicht vorsieht.

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(b) Darüber hinaus ist der eBewA nicht berechtigt, den Inhalt der Vereinbarung festzusetzen, wenn die regionalen Vertragspartner über die Vereinbarung von Zuschlägen keine Einigung erzielt haben. Eine entsprechende Kompetenz steht ihm - auch in seiner Eigenschaft als "Schiedsorgan" - nicht zu.

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(aa) Dass die Berechtigung des eBewA, Vorgaben zu bestimmten Regelungen zu machen, nicht auch das Recht umfasst, die Vereinbarung von Zuschlägen verpflichtend vorzugeben, ergibt sich bereits daraus, dass der eBewA andernfalls in die gesetzlich bestimmten Kompetenzen der Partner der Gesamtverträge bzw der Landesschiedsämter nach § 89 SGB V eingreifen würde. § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V ermächtigt die regionalen Vertragspartner zur Vereinbarung von Zuschlägen, gibt deren Vereinbarung aber nicht verpflichtend vor. Nach der Rechtsprechung des Senats hat eine Vertragspartei zwar auch bei fakultativen Vergütungsregelungen grundsätzlich die rechtliche Möglichkeit, das Schiedsamt anzurufen (BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - RdNr 27, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen); dies gilt auch für Vereinbarungen nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V. Die Festsetzung solcher Zuschläge wäre jedoch Aufgabe der jeweiligen Schiedsämter auf Landesebene, nicht des allein auf Bundesebene tätigen eBewA.

42

(bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der besonderen Funktion des eBewA als Schiedsorgan.

43

Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich sowohl beim "einfachen" wie auch beim eBewA um ein "Vertragsorgan" (stRspr des BSG: BSGE 73, 131, 133 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 20; BSGE 90, 61, 64 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 203; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 65; BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, RdNr 26); das Handeln der Bewertungsausschüsse wird den Partnern der Bundesmantelverträge als eigenes zugerechnet (BSGE 89, 259, 263 = SozR 3-2500 § 87 Nr 34 S 191; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2 RdNr 65). Dass der Bewertungsmaßstab bzw die sonstigen vom Bewertungsausschuss zu treffenden Entscheidungen ggf in einem schiedsamtsähnlichen Verfahren durch den eBewA festgesetzt wird, ändert nichts daran, dass es sich dabei um vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der KÄBV handelt (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 66). Die in § 87 Abs 4 SGB V vorgesehene Erweiterung des BewA um unparteiische Mitglieder und einen unparteiischen Vorsitzenden stellt ein in den Normsetzungsvorgang inkorporiertes Schiedsverfahren dar(BSGE 90, 61, 63 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 66, 75). Der eBewA tritt dabei an die Stelle des ansonsten bei Nichtzustandekommen von Verträgen über die vertragsärztliche Versorgung auf Bundesebene zuständigen Schiedsamtes nach § 89 Abs 4 SGB V, dessen Funktionen er insoweit wahrnimmt(BSGE 90, 61, 63 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202 f; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 66, 75).

44

Weder aus seinem Charakter als Vertragsorgan noch aus der schiedsamtsähnlichen Funktion des eBewA kann jedoch dessen Berechtigung abgeleitet werden, den regionalen Vertragspartnern den Abschluss von solchen Vereinbarungen vorzuschreiben, die nach der gesetzlichen Verteilung der Normsetzungskompetenzen allein in deren Zuständigkeit fallen. Der Regelungsspielraum des eBewA ist auf die Materie beschränkt, die auch der BewA einvernehmlich regeln könnte. Das Gesetz hat dem BewA bestimmte originäre Aufgaben übertragen; er hat einen "speziellen Aufgabenbereich" (vgl BSG Beschluss vom 10.12.2008 - B 6 KA 37/08 B - juris RdNr 11). Darüber hinausgehende Gestaltungsmacht steht ihm nicht zu. Aus seinem Charakter als "Vertragsorgan" ergibt sich nichts anderes. Diese Bezeichnung umschreibt lediglich die Funktion des BewA innerhalb der ihm übertragenen Aufgaben. Selbst dann, wenn man - unter Umgehung der Kompetenzen des Bundesschiedsamtes - dem eBewA dieselbe Gestaltungsmacht wie den ihn tragenden Organisationen - also den Bundesmantelvertragspartnern KÄBV und Spitzenverband Bund der Krankenkassen - einräumen würde, er also (grundsätzlich) das regeln könnte, was auch diese Vertragspartner regeln dürften, besäße er ebenso wenig wie diese die Kompetenz, Materien zu regeln, die nach der gesetzlich vorgegebenen Aufgabenverteilung ausschließlich den regionalen Vertragspartnern zugewiesen worden sind.

45

(2) Mangels entsprechender gesetzlicher Ermächtigung durfte der eBewA auch nicht vorgeben, dass die Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen aus den nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF gebildeten Rückstellungen zu finanzieren sind. Die in § 87b Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V aF enthaltene Ermächtigung des BewA, Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen zu bestimmen, trägt dies nicht.

46

(a) Gemäß § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF können Anteile der Vergütungssumme nach § 87b Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB V aF - dh der nach § 87a Abs 3 SGB V insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen - für die Bildung von Rückstellungen verwendet werden. Die Norm richtet sich allein an die KÄVen, von denen die Rückstellungen zu bilden sind. Der Annahme, dass auch die Krankenkassen zur Bildung von Rückstellungen verpflichtet werden sollten, steht schon entgegen, dass die Rückstellungen - wie sich eindeutig aus dem Gesetz ergibt - aus Anteilen der von ihnen zu zahlenden Gesamtvergütungen zu bilden sind.

47

In die sich aus § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF ergebenden Kompetenzen der KÄVen greift der eBewA - ohne hierzu ermächtigt zu sein - ein, wenn er vorgibt, dass die Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen aus den Rückstellungen zu finanzieren sind. Zum einen steht es den KÄVen (grundsätzlich) frei, ob sie überhaupt Rückstellungen bilden, wie sich schon daraus ergibt, dass nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF Anteile der Gesamtvergütungen zur Bildung von Rückstellungen verwendet werden "können". Das Gesetz enthält also keine zwingende Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen, sondern räumt dem Normunterworfenen ein (Handlungs-)Ermessen ein. Die Entscheidung hierüber kann nicht von einem Dritten - dem eBewA - vorgegeben werden. Zum anderen entscheiden auch über die Verwendung der Rücklagen grundsätzlich allein die KÄVen (in diesem Sinne auch Rompf in Liebold-Zalewski, Kassenarztrecht, Stand Mai 2012, § 87b SGB V RdNr C 87b-16), da dies Teil ihrer Honorarverteilungsautonomie ist. Ob insoweit nach dem bis zum 31.12.2011 geltenden Recht ein Mitentscheidungsrecht der in die Regelung der Honorarverteilung eingebundenen Krankenkassen bestand, bedarf hier keiner Entscheidung.

48

(b) Eine rechtliche Grundlage für die Verpflichtung, die Zuschläge aus den Rückstellungen zu finanzieren, ergibt sich auch nicht daraus, dass der (e)BewA gemäß § 87b Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V aF Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen zu bestimmen hat.

49

(aa) Dem steht schon entgegen, dass dem eBewA insoweit - abweichend von den übrigen Regelungen ("Vorgaben") - lediglich die Bestimmung von "Grundsätzen" übertragen worden ist. Auch in der Gesetzesbegründung (Ausschussbericht zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/4247 S 43 zu § 87b Abs 4)wird ausdrücklich betont, dass "die Vorgaben" des BewA insoweit "auf Grundsätze beschränkt" bleiben. Damit obliegt es ihm allein, einen allgemeinen rechtlichen Rahmen für die Bildung von Rückstellungen vorzugeben. Der BewA kann zur Bildung angemessener Rückstellungen anregen und Hinweise für eine sachgerechte Ausrichtung eines Rückstellungsfonds geben; er darf aber weder den Umfang der zu bildenden Rückstellungen noch deren Verwendung im Einzelnen vorgeben. Dieser Rahmen wird durch die strittige Regelung überschritten.

50

(bb) Auch inhaltlich hat der eBewA den Rahmen von "Grundsätzen zu Rückstellungen" verlassen, wenn er vorgibt, gerade die Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen aus den Rückstellungen zu finanzieren. Zum einen hat der eBewA im Ergebnis überhaupt keine Regelung zur Bildung bzw zur Verwendung der Rückstellungen getroffen, weil er zugleich vorgeschrieben hat, dass die Gesamtvergütungen zur Auffüllung der Rückstellungen und damit zur (endgültigen) Finanzierung der Zuschläge entsprechend zu erhöhen sind. Für den Rückstellungsfonds bilden die Zuschläge damit lediglich einen "durchlaufenden Posten"; die Finanzierung der Zuschläge über die Rückstellungen erweist sich als ein Umweg zur Erreichung des Ziels höherer Zahlungen der Krankenkassen für bestimmte belegärztliche und operative Leistungen.

51

Zum anderen betrifft § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF die Bildung von Rückstellungen aus "Anteile(n) der Vergütungssumme nach Satz 2 Nr 1", also aus Anteilen an den vereinbarten Gesamtvergütungen. Es wäre kaum nachvollziehbar, Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen aus den Gesamtvergütungen bzw aus daraus gebildeten Rückstellungen zu finanzieren, weil die Vergütung dieser Leistungen gerade außerhalb der Gesamtvergütungen erfolgt. Es würden also Mittel zur Finanzierung der Zuschläge herangezogen, die überhaupt nicht zur Vergütung der hiervon betroffenen Leistungen gezahlt worden sind.

52

Der eBewA hat nicht nur bestimmt, dass belegärztliche Leistungen sowie Leistungen des ambulanten Operierens außerhalb der RLV vergütet werden (vgl Teil F Nr 2.2 iVm Teil B Nr 1.3 Nr 1 iVm Teil A Nr 1.2 Nr 3 und 4 des Beschlusses vom 27./28.8.2008, DÄ 2008, A 1988, 1989, 1992), sondern zugleich geregelt, dass ua belegärztliche Leistungen sowie Leistungen des ambulanten Operierens bei der Ermittlung des für die Bestimmung des Orientierungswertes maßgeblichen Finanzvolumens unberücksichtigt bleiben (Teil A Nr 1.2 Nr 3 und 4 aaO). Damit hat er berücksichtigt, dass die betroffenen Leistungen zugleich auch außerhalb der Gesamtvergütungen vergütet werden. Auch wenn das bis zum 31.12.2008 geltende Recht keine § 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V in der ab 2009 geltenden Fassung entsprechende Regelung enthielt, entsprach es auch zuvor gerade für die vorliegend in Rede stehenden Leistungen gängiger Praxis, dass die regionalen Vertragspartner für Leistungen, die besonders gefördert werden sollen, eine Vergütung außerhalb der Gesamtvergütungen vereinbart hatten.

53

Bezüglich der belegärztlichen Leistungen gab es hierzu eine "Bundesempfehlung gemäß § 86 SGB V der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Finanzierung der Einführung eines Kapitels für belegärztliche Leistungen (Kapitel 36) in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM)", die mit Wirkung vom 1.4.2007 getroffen wurde (bekanntgemacht als CD-Beilage zu DÄ 2007 Heft 12, vgl DÄ 2007, A 806). Diese sah unter Ziff 2 Satz 1 vor, dass eine Finanzierung der belegärztlichen Leistungen außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung auf der Grundlage fester, angemessener Punktwerte erfolgt.

54

Dass der eBewA davon ausgeht, dass die in Rede stehenden Leistungen nicht allein außerhalb der RLV, sondern auch außerhalb der Gesamtvergütungen vergütet werden, ergibt sich auch aus Teil C Ziff 3.1 Satz 5 seines Beschlusses vom 2.9.2009 (DÄ 2009, A 1913), in dem er - insoweit abweichend von seinem vorangegangenen Beschluss - ausdrücklich bestimmt hat, dass die Vergütung der nach Satz 2 bis 4 vereinbarten Zuschläge "für außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung finanzierten Leistungen" aus den Rückstellungen erfolgt. Auch der Senat ist in seinem Urteil vom 21.3.2012 (B 6 KA 21/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) davon ausgegangen, dass der eBewA mit seinen Vorgaben zur Ermittlung des Finanzvolumens und der Leistungsmenge zugleich auch - wenn auch nicht abschließend - die Leistungen benannt hat, die außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vergütet werden (aaO RdNr 25, 26).

55

(3) Schließlich fehlt dem eBewA eine gesetzliche Grundlage dafür, die Krankenkassen zu verpflichten, zur Finanzierung der Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen die morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen zu erhöhen, indem die Rückstellungen aufgefüllt werden.

56

(a) Soweit der eBewA die Krankenkassen damit (auch) zur Erhöhung "dieser Rückstellungen" - dh zum Ausgleich der für die Finanzierung der Zuschläge entnommenen Teile der Rückstellungen - verpflichtet hat, ist dies schon deshalb nicht gesetzeskonform, weil die Bildung der Rückstellungen nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V aF (wie auch deren Auffüllung) nicht in den Aufgabenbereich der Krankenkassen fällt, sondern allein den KÄVen obliegt.

57

(b) Der Verpflichtung, zur Finanzierung der Zuschläge die Gesamtvergütungen zu erhöhen, steht entgegen, dass die in Rede stehenden Leistungen gerade nicht aus den Gesamtvergütungen vergütet werden. Das Gesetz selbst enthält keine Bestimmungen dazu, wie die nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V vereinbarten Zuschläge zu finanzieren sind. Dies legt nahe, dass ihre Finanzierung sich nach denjenigen Regelungen richtet, die für die Leistungen gelten, für die die Zuschläge gezahlt werden; mithin erfolgt die Finanzierung im Regelfall aus den Gesamtvergütungen, bei extrabudgetär vergüteten Leistungen aus den dazu vereinbarten Beträgen. Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass die Finanzierung der Zuschläge nicht aus den Mitteln erfolgen sollte, die gemäß den gesetzlichen Bestimmungen von den Krankenkassen zur Vergütung der betreffenden Leistungen zu zahlen sind, hätte er dies ausdrücklich regeln können und müssen. Da die in Rede stehenden Leistungen - wie dargestellt (s unter RdNr 52 ff) - aus den hierfür außerhalb der Gesamtvergütungen entrichteten Zahlungen der Krankenkassen vergütet werden, folgt daraus, dass auch etwaige Zuschläge für diese Leistungen aus den extrabudgetären Zahlungen zu finanzieren sind. Daher geht auch das Argument fehl, dass eine "Nachschusspflicht" der Krankenkassen zur Finanzierung der Zuschläge schon deswegen erforderlich sei, um weitere Honorarverwerfungen zu Lasten der übrigen Vertragsärzte zu vermeiden.

58

(c) Zudem widerspricht die Verpflichtung "der Krankenkassen", (nachträglich) höhere Gesamtvergütungen zu leisten, den für die Vereinbarung und Entrichtung der Gesamtvergütungen maßgeblichen Grundsätzen.

59

§ 87a Abs 3 Satz 1 SGB V verpflichtet die regionalen Vertragspartner, die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die KÄV zu zahlenden (morbiditätsbedingten) Gesamtvergütungen für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV zu vereinbaren. Damit werden insoweit die klassischen Elemente des bisherigen Vergütungsrechts übernommen, nämlich die Vereinbarung einer die Gesamtheit der vertragsärztlichen Leistungen abgeltenden Vergütung, die befreiende Wirkung der Zahlung sowie die Geltung des Wohnortprinzips (Engelhard in Hauck/Noftz, Stand Mai 2012, SGB V, K § 87a RdNr 24). Die Regelung entspricht inhaltlich weitgehend § 85 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V. Mit diesen gesetzlichen Vorgaben ist eine Verpflichtung der Krankenkassen zu einer nachträglichen Erhöhung der Gesamtvergütungen nicht vereinbar (s unter ); erst recht gilt dies für entsprechende Vorgaben durch die Normgeber auf Bundesebene (s unter ).

60

(aa) Eine nachträgliche Erhöhung der Gesamtvergütungen sieht das Gesetz - grundsätzlich - nicht vor; die Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nicht einschlägig.

61

Die Gesamtvergütung ist nach der gesetzlichen Definition des § 85 Abs 2 Satz 2 SGB V das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen. Sie ist als die Summe der Vergütungen zu verstehen, die eine Krankenkasse für sämtliche zur vertragsärztlichen Versorgung gehörenden Leistungen zu entrichten hat, die in einem Kalendervierteljahr von den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden zugelassenen Ärzten (einschließlich der Psychotherapeuten) und zugelassenen medizinischen Versorgungszentren, ermächtigten Ärzten und ermächtigten Einrichtungen und in Notfällen auch von sonst nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen im Geltungsbereich des SGB V erbracht wurden. Der Begriff "Gesamtvergütung" stellt klar, dass die Krankenkassen mit dieser Vergütung die Gesamtheit der von den KÄVen gemäß § 75 Abs 1 SGB V sicherzustellenden vertragsärztlichen Versorgung abgelten(vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 40 S 323; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 25). Eine Vergütung von Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung ist nur zulässig, soweit dies das Gesetz ausdrücklich vorsieht (Engelhard in Hauck/Noftz, Stand Mai 2012, SGB V, K § 87a RdNr 25).

62

Ungeachtet dessen, dass bereits der Begriff "Gesamtvergütung" diese Konsequenz nahelegt, ist im Gesetz zudem ausdrücklich bestimmt, dass die Zahlung der Gesamtvergütung "mit befreiender Wirkung" erfolgt (vgl § 85 Abs 1 SGB V, § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V). Damit ist klargestellt, dass mit der Zahlung der Gesamtvergütung (grundsätzlich) alle Vergütungsansprüche aus den im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen für den jeweiligen Vergütungszeitraum abgegolten sind und die Krankenkasse von ihren finanziellen Lasten für die vertragsärztliche Versorgung befreit wird (s schon BSGE 19, 270, 272 = SozR Nr 2 zu § 368 d RVO, S Aa4). Daraus folgt, dass Nachforderungen der KÄVen, etwa im Hinblick auf einen Anstieg der Leistungsmenge oder der zugelassenen Ärzte, regelmäßig ausgeschlossen sind (stRspr des BSG, vgl BSGE 80, 48, 53 = SozR 3-2500 § 85 Nr 19 S 123; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 120; BSGE 95, 141 RdNr 15 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2, RdNr 23), weil die Krankenkassen ihrerseits von den Versicherten nachträglich keine höheren Beiträge einziehen können (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 30 S 228/229)und daher Nachforderungen von einem anders zusammengesetzten Versichertenkollektiv zu finanzieren wären (BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21, RdNr 17). Diese Befreiungswirkung ist ein zentrales und unverzichtbares Element des (gegenwärtigen) vertragsärztlichen Vergütungssystems (BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21, RdNr 17).

63

Daran hat sich - soweit vorliegend relevant - auch unter der Geltung des neuen Vergütungssystems nichts geändert. Zwar sieht § 87a Abs 3a Satz 4 SGB V die nachträgliche Berücksichtigung von Veränderungen bei der Zahl der Versicherten vor; zudem führt der Übergang des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen dazu, dass Leistungen nachträglich zu vergüten sind, die über den vereinbarten Behandlungsbedarf hinausgehen, sofern sie sich aus einem unvorhersehbaren Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs ergeben. Auch der letztgenannte Gesichtspunkt ist jedoch nicht geeignet, die vom eBewA vorgegebene nachträgliche Erhöhung der Gesamtvergütungen zu rechtfertigen. Dies würde - neben der Frage der Vorhersehbarkeit - zunächst voraussetzen, dass überhaupt ein (medizinisch begründeter) Anstieg des Behandlungsbedarfs gegeben war. Schon hieran fehlt es. Ein derartiger Anstieg lag weder vor noch war ein solcher Veranlassung für die (strittige) Beschlussfassung des eBewA; diesem ging es vielmehr allein darum, die Vergütung der ohnehin erbrachten Leistungen zu erhöhen. Eine Aufrechterhaltung des bisherigen Vergütungsniveaus der Vertragsärzte sieht das Gesetz als Grund für nachträgliche Erhöhungen jedoch nicht vor.

64

Schließlich liegt auch keine Ausnahme vor, wie sie der Senat in seinem Urteil vom 28.1.2004 (B 6 KA 52/03 R - BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, RdNr 35)für bestimmte psychotherapeutische Leistungen angenommen hat. Dort hat er ausgeführt, dass "in der hier bestehenden besonderen Konstellation, dass nämlich das Vergütungsniveau einer Gruppe von Leistungserbringern maßgeblich durch für die einzelne KÄV verbindliche Vorgaben des Bewertungsausschusses beeinflusst" werde, auch die Notwendigkeit einer Anpassung der Gesamtvergütungen bestehen könne. Die Partner der Gesamtverträge müssten berücksichtigen, dass die auf der Grundlage eines nunmehr als rechtswidrig erkannten Beschlusses des BewA zur Verfügung gestellten Gesamtvergütungsanteile zu niedrig veranschlagt worden seien. Auf der Basis einer geänderten Rechtsgrundlage, wie sie vom BewA zu schaffen sei, könne sich die Notwendigkeit ergeben, auch die Höhe der Gesamtvergütung zu modifizieren.

65

Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass bezüglich des Beschlusses des eBewA vom 27./28.8.2008 eine vergleichbare Situation vorliegt. Nachschusspflichten der Krankenkassen - außerhalb der im Gesetz ausdrücklich geregelten Fälle - müssen auf besondere Ausnahmesituationen beschränkt bleiben (vgl BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21, RdNr 17: "Nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen …"). Die vom BSG für eine ausnahmsweise Abweichung aufgezeigten Voraussetzungen liegen nicht vor, weil der Beschluss des eBewA weder die vom BSG beschriebenen Folgen hatte noch überhaupt rechtswidrig war.

66

Dass aufgrund des Beschlusses des eBewA vom 27./28.8.2008, dessen Folgen nach dem Vortrag der Beigeladenen korrigiert werden sollten, die zur Verfügung gestellten "Gesamtvergütungsanteile" zu niedrig veranschlagt worden sind, trifft schon deswegen nicht zu, weil die belegärztlichen Leistungen und die Leistungen des ambulanten Operierens außerhalb der Gesamtvergütungen vergütet werden und deshalb bei der Ermittlung des für die Bestimmung des Orientierungswerts maßgeblichen Finanzvolumens außer Betracht gelassen wurden (vgl Teil A Nr 1.2 des Beschlusses des eBewA vom 27./28.8.2008, DÄ 2008, A 1988). Soweit es ab dem Jahr 2009 in bestimmten KÄV-Bezirken zu geringeren Zahlungen der Krankenkassen für die betreffenden Leistungen gekommen sein sollte, wäre dies darauf zurückzuführen, dass die Preise der Euro-Gebührenordnung niedriger sind als die sich im Jahr 2008 aus den Punktzahlen des EBM-Ä und dem vertraglich vereinbarten Punktwert ergebende Vergütung. Dies ist aber keine Folge des Beschlusses des eBewA, sondern der gesetzlichen Vorgabe, dass auch die Vergütung der extrabudgetären Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu erfolgen hat (§ 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V). Darüber hinaus war der Beschluss des eBewA vom 27./28.8.2008 - in Bezug auf die Vergütung besonders förderungswürdiger Leistungen - nicht rechtswidrig, sondern entsprach sowohl inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben als auch in seiner Wirkung der vom Gesetzgeber angestrebten und vorgegebenen (grundsätzlichen) Nivellierung von Vergütungsunterschieden zwischen den KÄV-Bezirken.

67

(bb) Im Übrigen resultierte selbst dann, wenn in der Sache eine ausnahmsweise Verpflichtung der Krankenkassen zur nachträglichen Erhöhung der Gesamtvergütungen bestünde, hieraus nicht das Recht des eBewA, "den Krankenkassen" eine entsprechende Erhöhung vorzugeben. Die Vorgabe des eBewA stellt zum einen einen Eingriff in die Kompetenz und die Autonomie der regionalen Gesamtvertragspartner dar, denn nach den gesetzlichen Vorgaben steht allein ihnen - nicht den Vertragspartner bzw Normgebern auf Bundesebene - das Recht zu, die Höhe der Gesamtvergütungen zu vereinbaren. Daran hat sich im Kern auch dadurch nichts geändert, dass die Höhe der Gesamtvergütungen nicht mehr - unter Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität - "frei" ausgehandelt werden kann, sondern sich (weitgehend) aus den Vorgaben des Gesetzes und - jedenfalls in der Zeit zwischen 2009 bis Ende 2011 - des BewA (vgl § 87a Abs 5 SGB V aF)ergibt, denn ungeachtet dessen sieht das Gesetz weiterhin eine "Vereinbarung" der Gesamtvergütung vor (vgl § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V).

68

Zum anderen gilt (weiterhin) die gesetzliche Vorgabe, dass die "Vergütungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen" durch Gesamtverträge geregelt werden (§ 82 Abs 2 Satz 1 SGB V) und die Gesamtvergütungen "nach Maßgabe der Gesamtverträge" entrichtet werden (§ 85 Abs 1 SGB V). Auch für den vertragsärztlichen Bereich hat sich durch § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V hieran nichts geändert. Die vertragliche Vereinbarung in der normativen Form einer gesamtvertraglichen Regelung ist Rechtsgrundlage für die Zahlung der Gesamtvergütung. Bestünde - materiell-rechtlich - eine Nachschusspflicht der Krankenkassen, hätte die KÄV Anspruch auf eine Änderung der Gesamtvergütungsvereinbarung und könnte dies ggf über das Schiedsamt oder gerichtlich durchsetzen.

69

bb. Eine rechtliche Grundlage für die strittigen Vorgaben in den Beschlüssen des eBewA vom 17.3. und 2.9.2009 ergibt sich auch nicht aus § 87 Abs 2f SGB V aF.

70

§ 87 Abs 2f Satz 1 SGB V aF verpflichtete den BewA, jährlich Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V festzulegen, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den Orientierungswerten nach § 87 Abs 2e Satz 1 SGB V aF abgewichen werden konnte. Diese Bestimmung korrespondierte mit der Regelung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V, welche die Vertragspartner auf regionaler Ebene ermächtigt, bei der Festlegung der Punktwerte einen Zuschlag auf oder einen Abschlag von den Orientierungswerten gemäß § 87 Abs 2e Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB V aF(nF: von dem Orientierungswert nach § 87 Abs 2e SGB V)zu vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Die regionalen Vertragspartner hatten dabei gemäß § 87a Abs 2 S 3 SGB V aF zwingend die Vorgaben des BewA nach § 87 Abs 2f SGB V aF anzuwenden. Dies sollte sicherstellen, dass bei der Vereinbarung von Zu- und Abschlägen bundeseinheitliche Vorgaben angewandt werden, und zugleich, dass regionale Preisunterschiede, welche sachlich nicht gerechtfertigt sind, abgebaut werden (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 119 zu § 85a Abs 2). Als herausgehobene Beispiele ("insbesondere") von Indikatoren für das Vorliegen regionaler Besonderheiten nennt das Gesetz hinsichtlich der Versorgungsstruktur Indikatoren, die Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklung von der bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen, hinsichtlich der Kostenstruktur solche, die Abweichungen der für die Arztpraxen maßgeblichen regionalen Investitions- und Betriebskosten von den entsprechenden bundesdurchschnittlichen Kosten messen (§ 87 Abs 2f Satz 3 und 4 SGB V aF).

71

Für das Jahr 2009 kann aus dieser Vorschrift schon deswegen nichts hergeleitet werden, weil der (e)BewA solche Indikatoren nicht festgelegt hat. Aber auch für das Jahr 2010 ermächtigte § 87 Abs 2f SGB V aF den Beklagten nicht dazu, die strittigen Regelungen zu erlassen, auch wenn er in seinem Beschluss vom 2.9.2009 (Teil C unter 2. und 3.2) diese als "Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur" bezeichnet hat. Dem steht schon entgegen, dass nach dem Wortlaut des § 87 Abs 2f Satz 1 SGB V aF "auf der Grundlage" dieser Indikatoren "in den regionalen Punktwertvereinbarungen" von den Orientierungswerten abgewichen werden kann. Damit wird zum einen verdeutlicht, dass die Entscheidung über eine Abweichung vom Orientierungswert Gegenstand der regionalen Vereinbarungen und damit Aufgabe der regionalen Vertragspartner ist, und dies nicht auf Bundesebene vorgegeben wird. Zum anderen wird damit klargestellt, dass die Indikatoren lediglich die "Grundlage" für die Vereinbarung von Zuschlägen auf regionaler Ebene darstellen. Daraus folgt, dass die Indikatoren zwar Vorgaben für regionale Vereinbarungen enthalten können, diese aber nicht in der Art ersetzen bzw vorwegnehmen dürfen, dass den Gesamtvertragspartnern keine Handlungsspielräume mehr verbleiben. Dies ist jedoch vorliegend der Fall, weil der eBewA den regionalen Vertragspartnern die Vereinbarung von Zuschlägen für die in Rede stehenden Leistungen sowohl dem Grunde nach vorgeschrieben als auch deren Höhe verbindlich vorgegeben hat.

72

Zudem hat der eBewA mit den streitigen Teilen seines Beschlusses keine Indikatoren bestimmt. Der Begriff "Indikator" bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch "ein Merkmal, das etwas anzeigt" (Duden); dem entspricht, dass der BewA Indikatoren "zur Messung" regionaler Besonderheiten zu bestimmen hat. Derartige Angaben enthält der Beschluss des eBewA jedoch nicht. Er zeigt nichts an, was von den Vertragsparteien beachtet und umgesetzt werden kann, sondern er verpflichtet unmittelbar. Darüber hinaus bestehen schon Zweifel, ob die vom eBewA für die in Rede stehenden Leistungen angestrebte einheitliche Absicherung des Vergütungsniveaus des Jahres 2008 in allen Regionen unter den Begriff der "Versorgungsstruktur" im Sinne von § 87 Abs 2f Satz 1 SGB V aF subsumiert werden kann. Schon nach dem Gesetzeswortlaut geht es dabei ausschließlich um Indikatoren zur Kosten- und Versorgungsstruktur und nicht um die regionale Honorarhöhe. Der Begriff "Versorgungsstruktur" bezeichnet die strukturellen Gegebenheiten der ambulanten ärztlichen Versorgung der Patienten und damit das Leistungsangebot sowie dessen Inanspruchnahme, wie das gesetzliche Beispiel der "Fallzahlentwicklung" belegt.

73

c. Schließlich rechtfertigen sich die strittigen Beschlussteile auch nicht aus sonstigen Erwägungen.

74

aa. Ein Recht des eBewA, die strittigen Regelungen zu erlassen, ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht. Zwar trifft den eBewA als Normgeber grundsätzlich eine entsprechende Verpflichtung, wenn sich im Vollzug von ursprünglich gerechtfertigten Regelungen herausstellt, dass die die Norm legitimierenden Gründe weggefallen oder die Auswirkungen für einzelne Normadressaten unzumutbar geworden sind (stRspr des BSG, vgl zB BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 15 S 60/61; BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, RdNr 42). Diese Pflicht erweitert jedoch nicht die Kompetenzen des Normgebers; vielmehr ist dieser allein verpflichtet (wie auch berechtigt), Korrekturen innerhalb dem ihm zustehenden Kompetenzen vorzunehmen.

75

bb. Die strittigen Regelungen rechtfertigen sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung, weil eine Regelung, die schon von ihrer Richtung oder Struktur prinzipiell systemfremd ist oder nicht mit höherrangigen Vorgaben übereinstimmt, auch unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung nicht hingenommen werden kann (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 16 S 107; BSGE 88, 126, 137 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 157; BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 31; BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 29). Nichts anderes gilt für eine Regelung, die ein untergesetzlicher Normgeber erlässt, ohne hierzu durch Gesetz ermächtigt worden zu sein.

76

3. Im Ergebnis stellt sich die vom eBewA gewählte Lösung einer Vorgabe von zusätzlich von den Krankenkassen zu finanzierenden Zuschlägen als ein - wenn auch ggf vom BMG empfohlener - technischer Umweg zu Erreichung des Ziels einer den Krankenkassen verbindlich vorgegebenen Erhöhung der von den Krankenkassen geleisteten Zahlungen zur Sicherung des Vergütungsniveaus für belegärztliche Leistungen und solche des ambulanten Operierens dar. Hierfür besteht - wie dargelegt - jedoch keine rechtliche Grundlage, aber auch keine Notwendigkeit, weil der Gesetzgeber den Partnern der Gesamtverträge hinreichende Instrumente zur Verfügung gestellt hat, um eine angemessene Höhe der für diese Leistungen gezahlten Vergütung zu gewährleisten.

77

Eine verbindliche bundesweite Regelung durch den eBewA war schon deswegen nicht zwingend erforderlich, weil auch auf Seiten der Krankenkassen Bereitschaft bestand, an einer - vom Gesetzgeber im Übrigen durch § 121 Abs 4 SGB V für die Ebene des Bewertungsmaßstabs vorgegebenen - angemessenen Vergütung der belegärztlichen Leistungen mitzuwirken. Denn diese haben - jedenfalls auf Spitzenverbandsebene - an der bereits erwähnten Bundesempfehlung zur Finanzierung der belegärztlichen Leistungen mitgewirkt. Danach erfolgt eine Finanzierung der belegärztlichen Leistungen außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung auf der Grundlage fester, angemessener Punktwerte (vgl Ziff 2 Satz 1 der Empfehlung s RdNr 53). Anhaltspunkte dafür, dass es auf regionaler Ebene zu Defiziten bei der Umsetzung dieser Bundesempfehlung gekommen ist, liegen nicht vor. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniel Bahr ua ergibt sich vielmehr, dass bereits mit Stand 22.10.2007 - also 1½ Jahre vor der Beschlussfassung durch den eBewA - in 10 von 17 KÄV-Bezirken Vereinbarungen zur Umsetzung der extrabudgetären Vergütung belegärztlicher Leistungen getroffen worden waren; in zwei der verbliebenen KÄV-Bezirke war das Schiedsamt angerufen worden, in den übrigen liefen noch Verhandlungen (BT-Drucks 16/6848 S 4). Die auf der Grundlage der Bundesempfehlung geschlossenen regionalen Vereinbarungen über die extrabudgetäre Vergütung bestimmter Leistungen haben durch die Einführung des neuen Vergütungssystems ab dem Jahr 2009 nicht ihre Grundlage verloren. Dem steht schon entgegen, dass das Gesetz - anders als das bisherige Recht - die Vereinbarung extrabudgetärer Vergütungen ausdrücklich zulässt (vgl § 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V).

78

Außer Frage steht zwar, dass die gesetzliche Vorgabe, auch diese Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten (vgl § 87a Abs 3 Satz 5 Halbsatz 2 SGB V), dann Probleme aufwerfen kann, wenn die Preise der Euro-Gebührenordnung niedriger sind als die sich im Jahr 2008 aus den Punktzahlen des EBM-Ä und dem vertraglich vereinbarten Punktwert ergebende Vergütung. Die regionalen Vertragspartner haben jedoch gemäß § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V die Möglichkeit, einen Zuschlag auf den Orientierungswert (bzw auf die Orientierungswerte) zu vereinbaren. Der Vereinbarung von Zuschlägen für besonders förderungswürdige Leistungen durch die regionalen Vertragspartner steht nicht entgegen, dass diese damit Zuschläge für einzelne Leistungen vereinbaren; dies ist zulässig, wie der Senat bereits entschieden hat (s hierzu BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - RdNr 35 f, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Vereinbarung von Zuschlägen ist auch nicht auf den - nur exemplarisch aufgeführten - Gesichtspunkt der regionalen Besonderheiten beschränkt, sondern auch aus anderen Gründen zulässig (BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - RdNr 34, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl auch Hess in Kasseler Komm, Stand April 2012, SGB V, § 87a RdNr 6; Rompf in Liebold-Zalewski, Kassenarztrecht, Stand Mai 2012, § 87a SGB V RdNr C 87a-7). In diesem Zusammenhang hat der Senat bereits entschieden, dass die regionalen Vertragspartner bei der Vereinbarung von Zuschlägen berücksichtigen dürfen, dass ein Absinken der Vergütung für besonders förderungswürdige Leistungen zu Sicherstellungsproblemen führen könnte (BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - RdNr 37, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Schließlich steht auch der Umstand, dass der BewA überhaupt keine Vorgaben nach § 87 Abs 2f SGB V aF gemacht hat, der Vereinbarung von Zuschlägen nicht entgegen, da die gesetzlichen Regelungen dem BewA lediglich die Befugnis geben, bundesweit geltende Vorgaben für die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu machen, das Fehlen solcher Vorgaben aber regionale Zuschlagsvereinbarungen nicht ausschließt(BSG aaO RdNr 34).

79

Im Übrigen hätte der (e)BewA dann, wenn es aus seiner Sicht infolge der Anwendung der Euro-Gebührenordnung zu einer unangemessen niedrigen Vergütung namentlich der belegärztlichen Leistungen gekommen ist, die Möglichkeit gehabt, die Bewertung dieser Leistungen im Kapitel 36 des EBM-Ä entsprechend anzupassen. Sofern es hierdurch - im Vergleich zu 2008 - dennoch zu regionalen Honorarverlusten gekommen wäre, dürfte dies in Anbetracht der vom Gesetzgeber gewollten Beseitigung sachlich nicht gerechtfertigter Honorarunterschiede hinzunehmen sein, sofern nicht regionale Besonderheiten - namentlich in der Kostenstruktur - eine Abweichung gebieten.

80

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Beigeladene und der Beklagte die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, da sie unterlegen sind (§ 154 Abs 2 iVm § 159 Satz 1 VwGO).

Tenor

Die Beschwerden des Klägers und der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. April 2011 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 202 727 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Rechtsstreit betrifft Ansprüche des Klägers gegen die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) auf (Nach-)Zahlungen sowie deren Verzinsung.

2

Nach jahrelangen Streitigkeiten, in deren Verlauf mehrere gerichtliche Vergleiche geschlossen wurden (vom 21.1.1997, 20.7.2004, 9.3.2005 und 28.4./17.5.2005), hat das LSG dem Kläger, einem Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen, Honorarnachzahlungen in Höhe von ca 203 000 Euro zugesprochen, ihm aber Verzugs- und Prozesszinsen versagt (Urteil vom 7.4.2011). Das LSG hat sich in seinem Urteil mit zahlreichen Einwänden der Beklagten befasst, so zB damit, dass anderweitige Rechtshängigkeit gegeben sei (Urteil S 20 f), dass durch die gerichtlichen Vergleiche bereits Erledigung eingetreten sei (S 21-24), dass die Forderungen bereits vollständig erfüllt worden (S 26 f) und Verjährung eingetreten sei (S 24-26). Die Höhe der Forderung hat es im Einzelnen dargestellt (S 19 f und S 26 f).

3

Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich sowohl der Kläger - wegen der Versagung von Zinsen - als auch die Beklagte - wegen der Zahlungsverurteilung -. Der Kläger ist der Ansicht, die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage nach einem Zinsanspruch habe grundsätzliche Bedeutung; die Beklagte macht sowohl eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache als auch eine Rechtsprechungsabweichung sowie Verfahrensmängel geltend.

4

Der Senat hat dem Kläger insoweit Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt, als dieser sich gegen das Begehren der Beklagten nach Revisionszulassung verteidigt; der Senat hat hingegen seinen Antrag abgelehnt, ihm auch insoweit PKH zu bewilligen, als er die Revisionszulassung wegen der ihm gegenüber erfolgten Versagung von Verzugs- und Prozesszinsen begehrt hat (Beschluss vom 21.12.2011).

5

Die Beschwerden des Klägers und der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision sind erfolglos.

6

II. Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Mit seinem Vorbringen, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu bzw es liege eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG vor, hat er keinen Erfolg.

7

1. Die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht gegeben.

8

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Vertrags(zahn)ärzten für Ansprüche gegen ihre K(Z)ÄVen weder Verzugszinsen noch Prozesszinsen zustehen. Die grundlegenden Ausführungen hierzu ergeben sich aus dem Senatsurteil vom 28.9.2005 (B 6 KA 71/04 R, BSGE 95, 141 RdNr 23 ff, 30 ff = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 31 ff, 38 ff). Dies hat der Senat in späteren Entscheidungen weitergeführt (zu Honorarforderungen im Insolvenzverfahren s BSG vom 23.3.2011 - B 6 KA 14/10 R - BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 30 und BSG vom 17.8.2011 - B 6 KA 24/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 64 RdNr 22; vgl ferner - zur Forderung nach Verzinsung rückständiger Honorarzahlungen - zB BSG vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - Juris RdNr 26; ebenso BSG vom 8.2.2012 - B 6 KA 12/11 R - RdNr 52 für Krankenhäuser wegen Honorars für ambulante Notfallbehandlungen, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Anderes gilt nach dem Senatsurteil vom 28.9.2005 (nur) für Ansprüche der K(Z)ÄVen gegen Krankenkassen (KKn) auf Zahlung von Gesamtvergütungen, hier allerdings auch nur für Prozesszinsen, also für Zinsen, die (erst) ab Klageerhebung zu zahlen sind (BSG vom 28.9.2005 aaO RdNr 38 ff, 41 iVm 47 am Ende bzw RdNr 30 ff, 33 iVm 39 am Ende).

9

Entgegen der Ansicht des Klägers besteht kein erneuter Klärungsbedarf. Seine Ausführungen, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die vom BSG formulierten Beschränkungen für Verzinsungspflichten eingeschränkt werden müssten - sodass sie im vorliegenden Fall unanwendbar seien -, bzw, ob nicht die im Urteil vom 28.9.2005 herausgestellte Ausnahme für Ansprüche der K(Z)ÄVen gegen KKn auf Zahlung von Gesamtvergütungen auch auf Ansprüche wie die von ihm - dem Kläger - erhobenen gelten müssten, treffen nicht zu.

10

Der Kläger führt zur Fortentwicklungsbedürftigkeit aus, dass in einem Fall wie hier nicht ein eigener Honoraranspruch des Zahnarztes gegen die beklagte KZÄV umstritten sei, denn das Honorar sei bereits von den KKn gezahlt worden; streitig sei lediglich die Weiterleitung der Geldbeträge von der KZÄV an ihn. Deshalb seien Entscheidungen, wonach für Honoraransprüche keine Zinsen zuerkannt werden könnten (zB BSG vom 11.3.2009 aaO, vom 17.8.2011 aaO und vom 23.3.2011 aaO), nicht einschlägig. Er fordere von der KZÄV lediglich die Auszahlung der Geldmittel, die diese schon von den KKn erhalten habe und rechtswidrig zurückhalte. Ein solcher Auszahlungsanspruch sei wesensmäßig mit zivilrechtlichen Zahlungsansprüchen wie solchen aus Bankgeschäften vergleichbar, bei denen zweifelsfrei bei Zahlungsverzögerungen Verzugs- und Prozesszinsen zu zahlen seien.

11

Mit dieser Sichtweise geht der Kläger davon aus, es gebe einen Honoraranspruch des (Zahn-)Arztes gegen die KKn, und die KZÄV sei lediglich der Zahlungsmittler. Dies trifft indessen nicht zu. Vielmehr hat der Gesetzgeber das System des Vertrags(zahn)arztrechts so ausgestaltet, dass die KKn Gesamtvergütungen mit befreiender Wirkung an die K(Z)ÄVen für die gesamte vertrags(zahn)ärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der K(Z)ÄV einschließlich deren mitversicherten Familienangehörigen entrichten (§ 85 Abs 1 SGB V). Die K(Z)ÄV verteilt diese Gesamtvergütungen nach Maßgabe der bestehenden Honorarverteilungsregelungen (§ 85 Abs 4 SGB V) ; hierbei sind Modifizierungen möglich durch zB die Bildung von sog Honorartöpfen und die Normierung von Fallwert-, Fallzahl- und Punktzahlbegrenzungen (vgl die umfangreiche Rechtsprechung zu § 85 Abs 4 SGB V, zusammengefasst zB in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 34 RdNr 23 ff, 43 ff). Diese Gestaltungsmöglichkeiten verdeutlichen - da eben nicht die zur Verfügung stehende Gesamtvergütung lediglich durch die Menge der von den Vertrags(zahn)ärzten erbrachten Leistungen dividiert und weitergeleitet wird -, dass die K(Z)ÄV nicht bloße Weiterleitungsinstanz ist. Die K(Z)ÄV hat nicht nur die Aufgabe der Weiterleitung einer Honorarzahlung der KKn an den Vertrags(zahn)arzt, sondern die K(Z)ÄV ist selbst die Schuldnerin des Honorars gegenüber dem Vertrags(zahn)arzt, und dessen Honoraranspruch besteht (nur) ihr gegenüber. Dem entspricht auch die Terminologie der vom Kläger herangezogenen Entscheidungen des BSG, in denen ein Zinsanspruch für diesen Honoraranspruch gegen die K(Z)ÄV verneint wird.

12

Auch die Ansicht des Klägers, jedenfalls seit dem umfassenden Vergleichsabschluss zwischen ihm und der beklagten KZÄV im Jahr 2005 seien nur noch reine Zahlungsansprüche im Streit, die der Verzinsung zugänglich seien (Schriftsatz vom 20.10.2011, insbesondere S 11), trifft nicht zu. Rechtsansprüche verlieren ihre Rechtsnatur nicht durch ihre Einbindung - und Bestätigung - in einen gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich.

13

Auch die Auffassung des Klägers, es sei nicht konsequent - und deshalb erneut klärungsbedürftig -, zwar bei den Ansprüchen der K(Z)ÄV auf Zahlung ausstehender Gesamtvergütungen Prozesszinsen zuzuerkennen (BSG vom 28.9.2005, BSGE 95, 141 RdNr 30 ff, insbesondere RdNr 33 iVm RdNr 39 am Ende = SozR 4-2500 § 83 Nr 2, RdNr 38 ff, insbesondere RdNr 41 iVm RdNr 47 am Ende). nicht aber auch bei Ansprüchen zwischen Vertrags(zahn)arzt und K(Z)ÄV (vgl Beschwerdebegründung vom 6.12.2011, zB S 2, 7), ist nicht zutreffend; denn die Rechtsbeziehungen zwischen K(Z)ÄVen und KKn einerseits und diejenigen zwischen Vertrags(zahn)arzt und K(Z)ÄV andererseits unterscheiden sich grundlegend. Die Gründe für die Zuerkennung von Prozesszinsen bei Ansprüchen auf Gesamtvergütungen bzw Gesamtvergütungsanteilen hat der Senat im Urteil vom 28.9.2005 angesprochen: nämlich die Verpflichtung zur Kooperation zwischen K(Z)ÄV und KKn sowie die wirtschaftlichen Folgen eines erheblichen Finanzierungsbedarfs durch Einbehaltung von Gesamtvergütungsanteilen (vgl hierzu BSG vom 28.9.2005 aaO RdNr 36, 38 f bzw RdNr 44, 46 f). Dass diese Erwägungen auf das Verhältnis zwischen Vertrags(zahn)arzt und K(Z)ÄV nicht in gleicher Weise zutreffen, liegt auf der Hand. Ein Bedarf nach näherer - grundsätzlicher - Klärung in einem Revisionsverfahren besteht insoweit nicht.

14

Nichts anderes ergibt sich aus der Neufassung des § 69 SGB V zum 1.1.2000 mit der Klarstellung, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den KKn und den Leistungserbringern sozialversicherungsrechtlicher und nicht privatrechtlicher Natur sind (BSG aaO RdNr 27 bzw RdNr 35). Hieraus können keine Rückschlüsse dahingehend gezogen werden, dass innerhalb der Leistungsbeziehungen nach dem Vierten Kapitel des SGB V (§§ 69 bis 140h SGB V) Verzugszinsen zu zahlen seien (BSG aaO RdNr 27 bzw RdNr 35 am Ende). Eine Bestimmung, dass die Vertragspartner Zinsregelungen vereinbaren müssten, besteht ebenfalls - anders als im Recht der stationären Versorgung nach dem Krankenhausentgeltgesetz und der Pflegesatzverordnung - nicht (BSG aaO RdNr 28 bzw RdNr 36 in Abgrenzung zu BSG vom 4.3.2004, BSGE 92, 223 RdNr 31 = SozR 4-2500 § 39 Nr 1 RdNr 30; BSG vom 13.5.2004, SozR 4-2500 § 132a Nr 1 RdNr 19 ff).

15

2. Auch die Divergenzrügen, die der Kläger formuliert hat (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, - Schriftsatz vom 6.12.2011, S 1 ff, 2 bis 5), haben keinen Erfolg. Entscheidungserhebliche Abweichungen des Urteils des LSG von einem Urteil des 6. Senats oder des 3. Senats des BSG liegen nicht vor. Die Urteile des LSG und diejenigen des BSG betreffen verschiedene Fallkonstellationen, die unterschiedlich zu beurteilen sind:

16

Dies ergibt sich für die gerügte Abweichung von dem Urteil des 6. Senats vom 28.9.2005 (aaO) ohne Weiteres aus den vorstehenden Ausführungen unter 1.b), die die Besonderheiten jenes Urteils deutlich machen.

17

Aber auch soweit in der Beschwerdebegründung - zumindest sinngemäß - Abweichungen des LSG von Urteilen des 3. Senats des BSG vom 23.3.2006 (BSGE 96, 133 = SozR 4-7610 § 291 Nr 3, RdNr 10 ff) und vom 3.8.2006 (BSGE 97, 23 = SozR 4-2500 § 129 Nr 3, RdNr 19 ff)gerügt werden (Schriftsatz vom 6.12.2011 S 6 f), sind Divergenzen im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht ersichtlich. Diese Urteile betreffen anders gelagerte Fallkonstellationen, nämlich Vergütungsansprüche einer Rehabilitationsklinik und eines Apothekers gegen eine KK. Einschlägig sind dort Bestimmungen des Krankenhausrechts (§§ 107 ff SGB V, Bundespflegesatzverordnung, Krankenhausentgeltgesetz und Krankenhausfinanzierungsgesetz, vgl dazu schon BSG vom 28.9.2005 aaO RdNr 28 bzw RdNr 36) bzw des Apothekenrechts iVm dem BGB und dem Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrag (vgl hierzu BSGE 97, 23 = SozR 4-2500 § 129 Nr 3, RdNr 19 ff, 21, 23). Durch diese spezifische krankenhausrechtliche Prägung unterscheidet sich die dortige Rechtslage von der hier maßgeblichen nach § 85 SGB V für die Vertrags(zahn)ärzte. Für eine entscheidungserhebliche Divergenz bestehen deshalb keine Anhaltspunkte.

18

3. Schließlich hat auch die vom Kläger im Schriftsatz vom 20.10.2011 formulierte Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs keine Aussicht auf Erfolg (aaO S 13 iVm S 16 ff - Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Zinsforderungen stellen im Regelfall - wie auch hier - nur sog Nebenforderungen dar. Es ist weder erforderlich noch üblich, solche Nebenforderungen in Gerichtsverhandlungen ausdrücklich zu erörtern, es sei denn, dies würde vom Anspruchsteller ausdrücklich erbeten. Der Kläger ist anwaltlich vertreten gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass sein Bevollmächtigter eine solche Erörterung ausdrücklich erbeten hätte, sind weder ersichtlich noch in der Beschwerdebegründung vom 6.12.2011 geltend gemacht worden.

19

III. Die Beschwerde der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Mit ihrem Vorbringen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, es lägen eine Abweichung von der Rechtsprechung des BSG und Verfahrensmängel vor, hat sie keinen Erfolg.

20

1. Eine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht gegeben. Dies würde voraussetzen, dass die Beklagte eine Rechtsfrage aufgeworfen hat, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN). Die Bedeutung über den Einzelfall hinaus ist nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 50/07 B - RdNr 6 iVm 11).

21

Umstritten ist nur, ob dem Kläger noch Honorar zusteht oder ob bzw inwieweit seine Honoraransprüche bereits durch Zahlung und/oder Verrechnung und/oder Verjährung erfüllt bzw erloschen sind und/oder ob bzw inwieweit Honoraransprüche durch wirksame sachlich-rechnerische Richtigstellungen bzw Honorarkürzungen aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen reduziert worden sind. Zentrale Bedeutung hat bei alledem die Frage, ob bzw inwieweit Honoraransprüche von einem der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich erfasst und damit erledigt worden sind. Gerade auch über deren Reichweite ist gestritten worden. Vor dem Hintergrund dieser Vielzahl von Verwaltungsverfahren und von gerichtlichen Vergleichen ist der Rechtsstreit von vornherein in erheblichem Ausmaß von den besonderen Aspekten des Einzelfalls geprägt. Diese sind vom LSG umfassend gewürdigt worden und haben es zu dem Ergebnis kommen lassen, dass die Beklagte dem Kläger noch ca 203 000 Euro zu zahlen hat.

22

Die hiergegen von der Beklagten erhobenen Rügen, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, greifen allesamt nicht durch, betreffen vielmehr sämtlich die Rechtsanwendung im Einzelfall, ohne dass in diesem Rahmen zugleich entscheidungserhebliche, grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen ersichtlich wären.

23

a) Dies gilt zunächst ohne Weiteres insoweit, als die Beklagte das LSG-Urteil nur als schlicht fehlerhaft beanstandet, so zB mit ihrem Einwand, das LSG hätte bei der Berechnung der Höhe der festgestellten Forderungen nicht auch "Forderungen aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung" einbeziehen dürfen. Hiermit beanstandet die Beklagte nur Fehler in der Rechtsanwendung im hier vorliegenden konkreten Einzelfall; aus solchen Rügen kann sich eine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht ergeben(ebenso zB BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 5/09 B - RdNr 13; BSG vom 17.8.2011 - B 6 KA 20/11 B - RdNr 17). Die Untauglichkeit der Beanstandung von Rechtsanwendungsfehlern im Einzelfall für eine Grundsatzrüge - und ebenso für eine Divergenzrüge - entspricht der Konzentration der Revisionsgerichte auf die ihnen vorrangig zugewiesene Aufgabe, das Recht zu vereinheitlichen und fortzubilden sowie sich mit grundsätzlichen Rechtsfragen zu befassen: Aufgabe der Revisionsgerichte ist es nicht, jede inhaltlich fehlerhafte Subsumtion eines Berufungsgerichts zu korrigieren.

24

Das Vorbringen der Beklagten, das LSG habe nichts Näheres zu den Vorschriften über die Erfüllung in den §§ 362 ff BGB und insbesondere zu § 366 BGB ausgeführt, kann ebenfalls nicht zur Revisionszulassung führen. Auch insoweit zeigt die Beklagte keine über eine Subsumtionsfrage hinausgehende grundsätzliche Bedeutung auf. Sie macht geltend, insoweit stehe eine vom LSG "ursprünglich als sehr bedeutend bewertete Rechtsfrage" an; nähere Ausführungen hierzu enthält die Beschwerdebegründung aber nicht.

25

Ebenso wenig wird eine grundsätzliche Bedeutung durch die Frage deutlich,
ob für die K(Z)ÄV eine "Erfüllungswirkung" eintritt, "wenn auf dem Abrechnungskonto des Vertragszahnarztes eine entsprechende Gutschrift erfolgt ist bzw. ob einzelne Vergütungsforderungen eines Zahnarztes aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit fortbestehen können, wenn das Abrechnungskonto nach Auszahlung aller gebuchten Forderungen und Auflösung ausgebrachter Einbehalte keinen Saldo mehr aufweist" (Beschwerdebegründung S 3).

26

Auch in diesem Zusammenhang zeigt die Beklagte nicht in der erforderlichen Klarheit auf, inwiefern eine Befassung mit dieser Frage auf grundsätzlich bedeutsame Klärungen hinführen könnte. Sie räumt selbst ein, dass diese Frage mit dem Einzelfallaspekt verbunden ist, ob bzw dass die Forderungen des Klägers aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch den gerichtlichen Vergleich vom 17.5.2005 abgegolten sind. Eine von dieser Prägung des Einzelfalls ausreichend losgelöste, allgemeinere Bedeutung wird aus der Beschwerdebegründung nicht deutlich. Diese lässt nicht ausreichend erkennen, inwiefern der abstrakt formulierten Rechtsfrage nach der "Erfüllungswirkung" mehr als die Frage richtiger Rechtanwendung im Einzelfall - ob bestimmte Gutschriften erfolgten und dadurch alle ausstehenden Forderungen erfüllt wurden - zugrunde liegen könnte.

27

b) Nichts anderes gilt für die Frage,
ob ein Honorareinbehalt der K(Z)ÄV zu einer Hemmung der Verjährung für einzelne Vergütungsforderungen führen kann.

28

Mit ihrer Beanstandung, das LSG habe eine Hemmung der Verjährung entsprechend § 202 Abs 1 BGB aF, § 205 Abs 1 BGB nF nicht ohne Vorliegen einer Vereinbarung oÄ zwischen ihr und dem Kläger annehmen dürfen, rügt sie zunächst nur die Ablehnung des Eintritts von Verjährung in ihrem konkreten Fall. Für eine vom BSG zu entscheidende Frage grundsätzlicher Art hätte die Beklagte sich mit der Rechtsprechung des Senats zur Hemmung von Verjährungsfristen auseinandersetzen müssen (vgl dazu etwa BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 13 ff).

29

Dasselbe gilt für die von der Beklagten in diesem Zusammenhang formulierte weitere Frage,

        

welche verjährungsrechtlichen Auswirkungen einem Honorareinbehalt einer K(Z)ÄV zukommen.

Diese Frage ist zudem so sehr allgemein gehalten, dass sie schon nicht als "konkrete Rechtsfrage" angesehen werden kann (zu diesem Erfordernis vgl zB BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 21/10 B - Juris RdNr 12-14; vom 20.10.2010 - B 6 KA 26/10 B - Juris RdNr 7, 14; vom 3.11.2010 - B 6 KA 35/10 B - Juris RdNr 9, 11; vom 23.8.2011 - B 6 KA 37/11 B - Juris RdNr 7). Honorareinbehalte können in unterschiedlichster Art erfolgen - zB im Wege eines schlichten Realakts, gegründet auf eine entsprechende öffentlich-rechtliche Willenserklärung oder gegründet auf einen Verwaltungsakt -, ohne dass diese Fälle alle gleich behandelt werden müssten. Gerade in einem so komplexen Fall, wie er hier zu entscheiden gewesen ist, bedürfte es substantiierter Darlegungen in der Beschwerdebegründung, dass nicht nur eine Problematik der Rechtsanwendung und der Subsumtion im Einzelfall betroffen, sondern darüber hinausgehend eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären ist. Dafür reichen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht aus.

30

c) Soweit die Beklagte schließlich noch anführt, "entgegen der Behauptung des LSG" habe sie "sehr wohl die Einrede der Verjährung erhoben und dies auch begründet" (Beschwerdebegründung S 6 unter c), betrifft dies ebenfalls erkennbar nur die Rechtsanwendung im Einzelfall.

31

2. Auch die Rüge der Beklagten, das LSG weiche von der Rechtsprechung des BSG ab, hat keinen Erfolg. Die Beklagte führt hierzu an, das BSG sehe Honorarzahlungen an Vertrags(zahn)ärzte nicht als "Sozialleistungen" an, das LSG habe dagegen die Honorarzahlungen - mittelbar - als Sozialleistungen und die K(Z)ÄV als Sozialleistungsträger bezeichnet (LSG-Urteil S 25 f), indem es im Zusammenhang mit vertrags(zahn)ärztlichen Vergütungen auf die "Grundsätze des § 39 SGB I" Bezug nehme, der Ermessensentscheidungen bei Sozialleistungen und deren Gewährung als möglich bezeichne, und den Begriff des Leistungsträgers verwende, während das BSG in einem Urteil vom 20.12.1983 (BSGE 56, 116, 117 f = SozR 1200 § 44 Nr 10 S 33 f) die Zuordnung zu Sozialleistungen und Leistungsträgern ausdrücklich ablehne (Beschwerdebegründung S 5 f unter b).

32

Mit dieser Divergenzrüge kann die Beklagte indessen keinen Erfolg haben, denn sie macht in ihrer Beschwerdebegründung nicht deutlich, inwiefern über eine evtl unzutreffende begriffliche Zuordnung hinaus auch das Urteilsergebnis des LSG davon beeinflusst sein könnte. Dies wäre aber erforderlich, denn eine Divergenzrüge kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nur Erfolg haben, "wenn das Urteil (des LSG) von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts … abweicht und auf dieser Abweichung beruht". Daher kann die Rüge, das LSG habe terminologisch in unzulässiger Weise eine Zuordnung zu den Begriffen Sozialleistungen und Leistungsträger vorgenommen, nicht zur Zulassung der Revision führen.

33

3. Ohne Erfolg ist schließlich auch die von der Beklagten erhobene Rüge, das Verfahren des LSG leide an Verfahrensmängeln, auf denen das Urteilsergebnis beruhen könne (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Die Beklagte beanstandet insofern, dass das LSG den Prozessbevollmächtigten des Klägers als Zeugen vernommen und anschließend bei der Vernehmung anderer Zeugen akzeptiert hat, dass er diese befragt. Eine derartige Verfahrensweise sei weder im SGG noch in der ZPO vorgesehen; sie sei auch damit unvereinbar, dass die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht selbst obliege (Beschwerdebegründung S 6-8). Dieses Vorbringen lässt indessen keinen Verfahrensmangel erkennen:

34

a) Daraus, dass das LSG den Prozessbevollmächtigten des Klägers als Zeugen vernommen hat, ergibt sich kein Verfahrensmangel; denn es ist anerkannt, dass auch Prozessbevollmächtigte als Zeugen vernommen werden können.

35

Ein gesetzlicher Ausschluss solcher Zeugenvernehmung ist nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht benannt. Dementsprechend hat der BFH in einer Entscheidung vom 22.11.2008 ausgeführt, dass der "Prozessbevollmächtigte als Zeuge benannt" werden kann, "was … zulässig ist" (BFH vom 22.11.2008 - X B 205/07 - Juris RdNr 14). Auch das OLG Hamm hat ausgeführt, dass die Stellungen als Prozessbevollmächtigter und als Zeuge miteinander vereinbar sind; Hinderungsgründe, den Prozessbevollmächtigten einer Partei als Zeugen zu vernehmen, bestehen nicht (OLG Hamm MDR 1977, 142). Davon geht auch das OLG München aus: Es hat erörtert, ob ein "Prozessbevollmächtigter … während der Zeit, in der er als Zeuge einvernommen wird", weiter das Mandat als Rechtsanwalt wahrnehmen kann; mit dieser Fragestellung hat das OLG den Ausgangspunkt, ob ein Prozessbevollmächtigter überhaupt als Zeuge vernommen werden kann, implizit bejaht (OLG München MDR 1989, 830). Gegenläufige Entscheidungen, die die Einvernahme eines Prozessbevollmächtigten als Zeugen für unzulässig halten, sind nicht ersichtlich; auch die Beklagte hat keine solchen Entscheidungen benannt. Dementsprechend vermag auch der Senat keinen rechtlichen Ansatzpunkt für die Annahme zu erkennen, Prozessbevollmächtigte könnten nicht als Zeugen vernommen werden.

36

b) Soweit die Beklagte darüber hinaus beanstandet, das LSG hätte bei der anschließenden Vernehmung anderer Zeugen nicht akzeptieren dürfen, dass der Prozessbevollmächtigte diese befragt, ist ebenfalls kein Verfahrensmangel feststellbar. Das Recht der Zeugenbefragung ergibt sich aus der Position als Prozessbevollmächtigter. Diese Rolle hatte der Rechtsanwalt nach der Beendigung seiner Vernehmung wieder voll wahrgenommen, ohne dass die Beklagte sich mit einer Rüge hiergegen gewandt hatte.

37

Die Befragung hätte allenfalls unter hier nicht gegebenen besonderen Umständen als unzulässig angesehen werden können, etwa dann, wenn der Prozessbevollmächtigte im Zeitpunkt der Befragung noch nicht aus dem Zeugenstand entlassen worden wäre. Er war aber ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 7.4.2011 aus seiner Zeugenstellung bereits erlassen worden. Auch besteht keine gesetzliche Regelung des Inhalts, dass die Befragung eines Zeugen nur auf (förmlichen) Antrag hin gestattet werden dürfte (insoweit unzutreffend Beschwerdebegründung S 8 unter b).

38

Das LSG hat keinen Verfahrensfehler dadurch begangen, dass es im Rahmen der von ihm geleiteten Zeugenvernehmung dem zuvor als Zeugen vernommenen Prozessbevollmächtigten die Befragung anschließend vernommener Zeugen gestattet hat. Ob dadurch die Gefahr entstanden ist, dass der zuvor als Zeuge Vernommene durch seine Befragung versuchen könnte, seine eigenen Aussagen zu verstärken, kann offenbleiben. Es gibt weder eine Vorschrift, dass das Gericht wegen einer derartigen Gefahr eine solche Zeugenbefragung nicht zulassen dürfte, noch Anhaltspunkte, dass eine solche Gefahr bestanden oder sich gar realisiert habe. Hätte eine solche Gefahr bestanden, so hätte sich daraus zudem ohnehin nicht die Fehlerhaftigkeit der Verfahrensweise ableiten lassen. Vielmehr wäre es Sache des Gerichts, auf eine unparteiliche Befragung der Zeugen hinzuwirken bzw im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu erwägen, ob sich die Gefahr realisiert haben könnte, und daraus Schlussfolgerungen für seine Bewertung der Zeugenaussagen und seine Entscheidung zu ziehen.

39

c) Die Beklagte hätte ihre Rügen im Zusammenhang mit der Zeugenvernehmung im Übrigen bereits in der mündlichen Verhandlung des LSG vorbringen müssen. In § 295 Abs 1 ZPO ist bestimmt, dass eine Partei, der ein Verfahrensmangel bekannt wird, diesen spätestens bei der nächsten mündlichen Verhandlung rügen muss, andernfalls sie ihn nicht mehr rügen kann. Diese Vorschrift ist gemäß § 173 VwGO, § 202 SGG im Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren entsprechend anwendbar(vgl zB BVerwGE 50, 344 ff = MDR 1976, 781 f; BSG SozR 3-1500 § 61 Nr 1 S 4 ff, 6). Bei der "entsprechenden Anwendung" ist zu beachten, dass "nächste mündliche Verhandlung" nicht notwendigerweise ein neuer Termin ist, sondern auch eine Verhandlung sein kann, die sich an eine Beweisaufnahme anschließt (BVerwGE 50, 344, 346 = MDR 1976, 781, 782; in der Sache ebenso BSG SozR 3-1500 § 61 Nr 1 S 4 ff, 6: "nächsten Verhandlungsabschnitt"). Bei Beachtung dieser Grundsätze hätte der Prozessvertreter der Beklagten den erkennbar gewordenen vermeintlichen Verfahrensmangel in der an die Zeugenvernehmungen anschließenden fortgesetzten Verhandlung rügen müssen.

40

d) Schließlich zeigt die Beklagte in ihrer Beschwerdebegründung auch nicht auf, inwiefern sich die von ihr beanstandete Verfahrensweise konkret auf das Urteilsergebnis ausgewirkt haben könnte. Hierfür müsste aus der Beschwerdebegründung der Beklagten zu entnehmen sein, welches abweichende Verwertungsergebnis sich nach ihrer Ansicht bei einem Vorgehen ohne die von ihr als fehlerhaft beanstandeten Vorgänge ergeben hätte. Daran fehlt es. Somit ist auch nicht erkennbar, dass das Urteil des LSG auf einem etwaigen Verfahrensmangel im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG "beruhen" könnte.

41

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach sind die Kosten des Verfahrens bei teilweisem Obsiegen und teilweisem Unterliegen verhältnismäßig zu teilen, es sei denn, der eine ist nur zu einem geringen Teil unterlegen (§ 155 Abs 1 Satz 1 und 3 VwGO). Hier ist der Kläger im Verhältnis zur Beklagten lediglich wegen des Zinsanspruchs unterlegen, das betrifft nur einen "geringen Teil" im Sinne des § 155 Abs 1 Satz 3 VwGO(ebenso schon BSG vom 28.9.2005 - B 6 KA 71/04 R - Juris RdNr 42, insoweit weder in BSGE noch in SozR abgedruckt).

42

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 GKG. Die Bemessung erfolgt entsprechend dem Betrag der LSG-Verurteilung. Ein zusätzlicher Betrag wegen der Zinsen ist nicht anzusetzen, weil diese nur als Nebenforderung im Sinne des § 43 Abs 1 GKG geltend gemacht werden; dies gilt auch im vorliegenden Fall, ungeachtet dessen, dass hier vom Kläger und von der Beklagten gegenläufig eingelegte Rechtsmittel verfolgt werden; denn die Grundlage für die Zinsforderung ist durch die nach wie vor bestehende Rechtshängigkeit auch des Zahlungsbegehrens noch in der Schwebe. Der Abs 2 des § 43 GKG wäre nur anzuwenden, wenn bzw soweit der Hauptanspruch nicht mehr im Streit wäre und dadurch die Grundlage für das Zinsbegehren außer Frage stünde und somit der Zinsanspruch zum Hauptanspruch geworden wäre(vgl grundlegend BGHZ 26, 174, 175 ff = NJW 1958, 342; vgl auch OLG München, NJW-RR 1994, 1484, 1485; OLG Koblenz JurBüro 1999, 197; zu unselbstständigen Nebenforderungen als bloßem Annex vgl ferner BGH NJW 1968, 1275; OLG München MDR 1988, 1060).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.