Bundessozialgericht Urteil, 16. Mai 2018 - B 6 KA 15/17 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:160518UB6KA1517R0
16.05.2018

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. April 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Zuerkennung eines höheren Regelleistungsvolumens (RLV) für eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in den Quartalen IV/2009 und I/2010 geltend.

2

Der im Bezirk der beklagten KÄV als Facharzt für Urologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger war ab dem 1.10.2009 als dritter Arzt in einer ursprünglich aus zwei Fachärzten für Urologie bestehenden BAG tätig. In den Quartalen IV/2009 und I/2010 erhöhte die Beklagte das RLV der BAG allein bezogen auf die Anteile am RLV, die auf die beiden bereits vor dem 1.10.2009 in der BAG tätigen Ärzte entfielen, um 10 vH (sog BAG-Zuschlag). Den Antrag des Klägers, auch seine Zugehörigkeit zur BAG bei der Ermittlung des zehnprozentigen Zuschlags zu berücksichtigen, lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass dieser in den für die Berechnung des RLV maßgebenden Vorjahresquartalen noch in Einzelpraxis tätig gewesen sei. Für ihn bestehe deshalb nicht der Nachteil, der mit der Gewährung eines BAG-Zuschlags ausgeglichen werden solle, nämlich dass die von mehreren ärztlichen Mitgliedern gleichzeitig betreuten Patienten nur einmal in die Berechnung des RLV einfließen könnten (Bescheide vom 29.9.2009 und vom 18.12.2009). Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 24.3.2010).

3

Die dagegen erhobene Klage wies das SG mit der Begründung ab, dass der BAG-Zuschlag nach den einschlägigen Bestimmungen nur zu gewähren sei, wenn der jeweilige Arzt auch schon in dem für die Ermittlung des RLV maßgebenden Vorjahresquartal in einer BAG tätig gewesen sei (Urteil vom 21.11.2012). Dies ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Bestimmungen, die eine solche Einschränkung nicht enthielten. Nach Auffassung der Kammer würden sich jedoch nicht zu rechtfertigende Widersprüche ergeben, wenn die Gewährung des Zuschlags nicht an die Zugehörigkeit zu einer BAG im Aufsatzquartal anknüpfen würde. Ohne die Zuschlagsgewährung würde sich für BAGen ein Nachteil bei der Berechnung des RLV dadurch ergeben, dass bei der BAG innerhalb eines Behandlungsfalles eine Behandlung auch durch mehrere Ärzte erfolgen könne und dieser erhöhte Behandlungsaufwand bei der Berechnung des RLV keinen Niederschlag finde. Wenn man auch denjenigen Ärzten einen Zuschlag auf ihr RLV gewähren würde, die im Aufsatzquartal noch in Einzelpraxis tätig gewesen seien, würden diese keinen Ausgleich erhalten, sondern sie würden über die Gewährung des Zuschlags sowohl gegenüber Ärzten, die weiterhin in Einzelpraxis tätig seien, als auch gegenüber Ärzten, die bereits im Aufsatzquartal in einer BAG praktiziert hätten, ohne sachliche Rechtfertigung bevorzugt.

4

Auf die dagegen eingelegte Berufung des Klägers hat das LSG Niedersachsen-Bremen das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, "das Regelleistungsvolumen des Klägers in den Quartalen IV/2009 und I/2010 um einen Zuschlag iHv 10 vH zu erhöhen" (Urteil vom 13.4.2016). Der Kläger sei prozessführungsbefugt. Maßgebend dafür sei, dass die beklagte KÄV den BAG-Zuschlag in Niedersachsen nicht auf das praxis-, sondern auf das arztbezogene RLV berechnet habe. Daher sei durch die Entscheidung der Beklagten unmittelbar auch nur der Kläger und nicht die BAG, der er angehört habe, beschwert.

5

Die Klage sei auch begründet. Der Kläger habe einen Anspruch darauf, dass sein RLV für die Quartale IV/2009 und I/2010 um den BAG-Zuschlag erhöht werde. Nach dem Wortlaut der insoweit maßgebenden Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses (BewA) sei bei einer fach- und schwerpunktgleichen BAG das "praxisbezogene Regelleistungsvolumen" (und nicht das arztbezogene RLV) um den BAG-Zuschlag zu erhöhen. Die Höhe des auf die Arztpraxis bezogenen RLV ergebe sich dabei aus der Addition der RLV aller Ärzte, die in der Arztpraxis tätig seien. Der BAG-Zuschlag fließe in die Berechnung des RLV erst ein, nachdem die zunächst arztbezogen ermittelten RLV der aktuell in der BAG tätigen Ärzte zusammengezählt worden seien. Erst ein nach diesen Vorgaben berechnetes RLV werde von der KÄV "praxisbezogen" zugewiesen. Dem Wortlaut der hier maßgebenden Beschlüsse des (E)BewA lasse sich an keiner Stelle ein Hinweis darauf entnehmen, dass die Zuschlagsregelung auf solche Ärzte beschränkt sei, die bereits im Vorjahresquartal Mitglied einer BAG gewesen seien. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus Sinn und Zweck des BAG-Zuschlags herleiten. Dieser Zuschlag sei ab dem 1.7.2009 "zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften" und nicht in erster Linie zum Ausgleich von sog "Fallzählungsverlusten" geregelt worden. Unabhängig davon sei davon auszugehen, dass es zumindest bei fachgleichen BAGen allenfalls in Ausnahmefällen zu Fallzählungsverlusten bei der Berechnung der RLV komme. Von der in den Beschlüssen des EBewA eröffneten Möglichkeit, in Gesamtverträgen Anfangs- und Übergangsregelungen für Neuzulassungen von Vertragsärzten und die Umwandlung der Kooperationsform zu vereinbaren, hätten die Gesamtvertragspartner bezogen auf die vorliegende Konstellation keinen Gebrauch gemacht.

6

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Entgegen der Auffassung des LSG seien die in den streitbefangenen Quartalen maßgeblichen Beschlüsse des BewA dahin auszulegen, dass der Aufschlag auf das RLV mit Bezug auf die Zahl der im Vorjahresquartal in der BAG tätigen Ärzte berechnet werde. Der BAG-Zuschlag sei keine von der Gesamtkonzeption des jeweils maßgeblichen Beschlusses des BewA losgelöste Besserstellung im Sinne einer Bevorzugung der kooperativen Tätigkeit. Die Berechnung des RLV baue auf der Tätigkeit des Arztes im Vorjahresquartal auf. Dies müsse auch für den Zuschlag gelten.

7

Auch die Formulierung "Zuschläge" im Plural in Nr 5 der Anlage 2 des maßgebenden Beschlusses des BewA spreche für ihre Auffassung. Nur in dem Fall, dass der Zuschlag derart ermittelt werde, könnten sich mehrere Zuschläge auf das RLV - nämlich entsprechend der Anzahl der Ärzte der BAG - ergeben. Diese Auslegung werde durch die Systematik und die historische Entwicklung gestützt. In dem Beschluss des EBewA aus seiner 7. Sitzung vom 27./28.8.2008 werde zunächst kein BAG-Zuschlag für das Quartal I/2009 geregelt. Wegen der Einführung der Kennzeichnung der Abrechnung unter Angabe einer Arztnummer erst zum Quartal III/2008 sei eine Übergangsregelung aufgenommen worden, nach der zur Umsetzung des Arztbezugs für das 1. und 2. Quartal 2009 auf die Arztfälle des 1. und 2. Quartals 2008 zurückzugreifen sei. Bezogen auf fachgleiche BAGen werde näher bestimmt, dass die Zahl der Arztfälle der Zahl der Behandlungsfälle dividiert durch die Anzahl der Ärzte der Arztpraxis entspreche. Unter Bezugnahme auf diese Übergangsbestimmung habe der BewA in seiner 164. Sitzung mit Beschluss vom 17.10.2008 geregelt, dass bei der Fallzählung im 1. Halbjahr 2008 für die Bildung des RLV in fachgleichen BAGen, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Praxen mit angestellten Ärzten ein Aufschlag von 10 % in diese Rechnung einzustellen sei. Mithin sei diese Aufschlagsregelung eingeführt worden, um Auswirkungen bei der Fallzählung in fachgleichen BAGen zu kompensieren. Der BAG-Zuschlag sei damit schon immer (auch) ein Nachteilsausgleich. Das ergebe sich ebenfalls aus den Beschlüssen des BewA in seiner 180. Sitzung vom 20.4.2009 (DÄ 2009, A-942) und in seiner 199. Sitzung vom 22.9.2009 (DÄ 2009, A-2103). Im Zusammenhang mit der Einführung der lebenslangen Arztnummern sei eine geänderte Fallzählung in Nr 2.3 Teil F des og BewA-Beschlusses eingeführt worden. Danach führe die kooperative Tätigkeit von zwei Ärzten in einer BAG bei der Behandlung eines Patienten im selben Behandlungsfall zu einer geringeren RLV-relevanten Behandlungsfallzahl des einzelnen Arztes. Diese kooperative Behandlung sei jedoch seit den Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) politisch gewollt. Um einen Ausgleich zu den in Einzelpraxis tätigen Ärzten herzustellen, bei denen weiterhin die Arztfallzahl für das RLV relevant sei, seien die in Nr 1.2.4 des BewA-Beschlusses der Höhe nach geregelten Zuschläge auf das RLV eingeführt worden. Dabei stelle Nr 1.2.4 ausdrücklich einen Bezug zu der ab dem Quartal I/2008 unter Vorbehalt eingeführten Versicherten-, Grund- und Konsiliarpauschale her. Die Annahme des LSG Niedersachsen, dass Fallzählungsverluste bei fachgleichen BAGen im Verhältnis zu den in Einzelpraxis tätigen Ärzten nicht bestehen würden, sei fehlerhaft.

8

Der Vorjahresbezug der Zuschlagsregelung werde durch den Inhalt des Beschlusses bestätigt, den der BewA in seiner 245. Sitzung am 22.12.2010 (DÄ 2011, A-125) für die Zeit ab dem 1.7.2011 getroffen habe. Danach hänge der Anspruch auf den Zuschlag bei standortübergreifenden BAGen auch vom Kooperationsgrad ab. Auch insoweit werde auf das Vorjahresquartal Bezug genommen. Da das RLV in den hier maßgebenden Quartalen nach § 87b Abs 5 SGB V idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer habe zugewiesen werden müssen, wäre die Regelung überhaupt nicht umsetzbar gewesen, wenn für den Anspruch auf den Zuschlag die tatsächlichen Verhältnisse in dem Quartal maßgebend wären, für das das Honorar gezahlt werde. Der zehnprozentige Zuschlag zum RLV für BAGen stelle eine Kompensation dafür dar, dass bestimmte Pauschalen innerhalb der BAG nur einmal abgerechnet werden könnten, während mehrere in Einzelpraxis tätige Ärzte die Pauschale mehrfach abrechnen könnten.

9

Die Auffassung des LSG, nach der auch für BAG-Mitglieder, die in dem für die Bemessung des RLV maßgebenden Vorjahresquartals noch in Einzelpraxis tätig gewesen seien, ein BAG-Zuschlag zu berechnen sei, sei mit Art 3 Abs 1 GG nicht vereinbar, weil diese Ärzte gegenüber solchen, die weiterhin in Einzelpraxis tätig seien, ungerechtfertigt bessergestellt würden.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13.4.2016 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21.11. 2012 zurückzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Die Revisionsklägerin hätte die Gewährung des BAG-Zuschlags auf das RLV nicht auf die Mitglieder der BAG beschränken dürfen, die bereits im Vorjahresquartal kooperativ tätig gewesen sind. Der Zuschlag werde nach der maßgebenden Regelung in Teil F Nr 1.2.4 in der hier maßgebenden Fassung der Beschlüsse des BewA vom 20.4.2009 und vom 22.9.2009 auf das praxisbezogene RLV addiert und nicht auf die im ersten Schritt ermittelten arztbezogenen RLV. Die prospektive Ermittlung des RLV stehe dem nicht entgegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten diene der Zuschlag nicht allein dem Ausgleich von Fallzählungsverlusten, sondern auch der Förderung der kooperativen Tätigkeit. Zudem sei das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es zumindest bei fachgleichen BAGen allenfalls in Ausnahmefällen zu den von der Beklagten angeführten Fallzählungsverlusten komme. Damit führe die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsauffassung auch nicht zu dem von der Beklagten bezeichneten Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat das klagabweisende Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Recht aufgehoben und diese (sinngemäß) verurteilt, den Kläger bei der Berechnung des zehnprozentigen Zuschlags zum RLV für die BAG, in der er tätig war, zu berücksichtigen.

14

1. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die von dem Kläger persönlich und nicht von der BAG erhobene Klage zulässig ist. Dies folgt entgegen der Auffassung des LSG allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass die Beklagte die angefochtenen Bescheide, mit denen sie die Berücksichtigung des Klägers bei der Berechnung des Zuschlags auf das RLV abgelehnt hatte, an diesen persönlich gerichtet hat. Daraus könnte allein die Zulässigkeit der Anfechtungsklage hergeleitet werden, nicht jedoch die damit verbundene Verpflichtung der Beklagten zur Zuweisung eines höheren RLV an die BAG. Die von dem Kläger als (ehemaligem) Mitglied der BAG erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist indes insgesamt zulässig, weil der Kläger hier von der BAG ermächtigt worden ist, ihre Rechte im vorliegenden Verfahren geltend zu machen.

15

Nach der Rechtsprechung des Senats ist jeder Partner einer BAG berechtigt, eine gegen die BAG gerichtete Regressforderung auch allein abzuwehren (BSG Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16). Der Senat hat das in erster Linie damit begründet, dass der Praxispartner als Gesellschafter auch für die gegen die BAG gerichteten Forderungen in eigener Person einzustehen hat (vgl BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 30). Auf die hier streitige Geltendmachung von Honorar ist diese Rechtsprechung zwar nicht unmittelbar übertragbar, weil der einzelne Arzt nicht ohne Weiteres berechtigt ist, die Zahlung des gesamten Honorars der BAG an sich zu verlangen (BGH Urteil vom 12.10.1987 - II ZR 21/87 - NJW 1988, 1585 = Juris RdNr 12; zur Anwaltssozietät vgl BGH Urteil vom 20.6.1996 - IX ZR 248/95 - NJW 1996, 2859). Vielmehr steht der Honoraranspruch der BAG zu, die der KÄV wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenübertritt (BSG Urteil vom 4.5.2016 - B 6 KA 24/15 R - BSGE 121, 154 = SozR 4-2500 § 103 Nr 19, RdNr 14 mwN). Allerdings können die in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossenen Partner einer BAG einen Praxispartner ermächtigen, die Rechte der BAG auch im gerichtlichen Verfahren im eigenen Namen geltend zu machen. Eine solche gewillkürte Prozessstandschaft wird nach der neueren Rechtsprechung des BSG im sozialgerichtlichen Verfahren nicht mehr generell ausgeschlossen (vgl zB BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 1 KR 18/12 R - BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9, RdNr 10; vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 11 mwN; aA noch BSG Urteil vom 29.4.1997 - 4 RA 98/95 - SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 6 Nr 2 S 23 f). Mit seiner Rechtsprechung, nach der die GbR, in der die Mitglieder einer BAG zusammengeschlossen sind, formell zur Klagerhebung berechtigt ist (BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 45/03 R - SozR 4-1500 § 86 Nr 2 RdNr 8 = Juris RdNr 15; BSG Urteil vom 29.11.2006 - B 6 KA 21/06 R - SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 12; vgl auch das Urteil des 3. Senats des BSG vom 4.3.2004 - B 3 KR 12/03 R - SozR 4-5425 § 24 Nr 5 RdNr 12 = Juris RdNr 19), sodass es keiner Klagerhebung durch die einzelnen Gesellschafter bedarf, hat sich der Senat an der Rechtsprechung des BGH orientiert, nach der die GbR - obgleich sie nach §§ 705 ff BGB nicht zu den juristischen Personen gehört - Rechtsfähigkeit besitzt, soweit sie als Außengesellschaft durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Gleichzeitig geht der Senat davon aus, dass die den Gesellschaftern einer GbR im Zivilprozess grundsätzlich eröffnete Möglichkeit, Rechte dieser GbR im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft gerichtlich geltend zu machen (vgl BGH Urteil vom 20.6.1996 - IX ZR 248/95 - NJW 1996, 2859; BGH Urteil vom 12.10.1987 - II ZR 21/87 - NJW 1988, 1585), auch den Mitgliedern einer BAG im sozialgerichtlichen Verfahren zur Verfügung steht (vgl bereits BSG Urteil vom 21.5.2003 - B 6 KA 33/02 R - MedR 2004, 172, Juris RdNr 17). Wenn - wie vorliegend - Honoraransprüche dieser BAG im Streit stehen, bestehen auch keine Zweifel am Vorliegen des erforderlichen eigenen Rechtsschutzinteresses des klagenden Mitglieds der BAG.

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2. Die Zulässigkeit der Klage wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger (und die BAG, deren Mitglied er war) davon abgesehen hat, auch gegen die nach der RLV-Festsetzung ergangenen Honorarbescheide für die Quartale IV/2009 und I/2010 vorzugehen. Das Urteil vom 15.8.2012 (B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 13 ff), mit dem der Senat klargestellt hat, dass das rechtlich geschützte Interesse an einer gesonderten Anfechtung der RLV-Zuweisung bei Bestandskraft des Honorarbescheides entfällt, war zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide noch nicht ergangen. Daher ist hier von dem Erfordernis der Anfechtung der Honorarbescheide unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes abzusehen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 24.1.2018 - B 6 KA 23/16 R -, zur Veröffentlichung für SozR vorgesehen, RdNr 12).

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3. In Übereinstimmung mit der Auffassung des LSG ist die Klage auch begründet. Der Kläger macht zu Recht geltend, dass der BAG-Zuschlag nicht nur für die beiden Praxispartner zu berechnen war, die bereits in den entsprechenden Quartalen des Vorjahres in der BAG tätig waren, sondern dass er - als zum 1.10.2009 hinzugetretenes drittes Mitglied der BAG - bei der Berechnung hätte berücksichtigt werden müssen. Für die Ermittlung des Zuschlags kommt es auf die BAG in ihrer Zusammensetzung zum Zeitpunkt der Leistungserbringung an. Die Erhöhung um 10 % bezieht sich also auf das RLV, das der BAG als Ganzes zugeteilt wird. Eine Reduzierung des Zuschlags in Fällen, in denen sich die Zusammensetzung der BAG gegenüber dem entsprechenden Quartal des Vorjahres verändert hat, ist nicht vorgesehen.

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a) In den hier streitbefangenen Quartalen IV/2009 und I/2010 wurden die vertragsärztlichen Leistungen gemäß § 87b Abs 1 S 1 SGB V idF des GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I, 378) abweichend von § 85 SGB V von der KÄV auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 SGB V vergütet. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis waren gemäß § 87b Abs 2 S 1 SGB V aF arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Dabei definierte § 87b Abs 2 S 2 SGB V aF ein RLV nach S 1 als die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs 2 SGB V aF enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Abweichend von Abs 1 S 1 war die das RLV überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten konnte hiervon abgewichen werden (§ 87b Abs 2 S 3 SGB V aF).

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Der gemäß § 87b Abs 4 S 1 SGB V aF zur Bestimmung des Verfahrens zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V aF berufene BewA hat - als EBewA - in seiner Sitzung am 27./28.8.2008 unter Teil F einen entsprechenden Beschluss gefasst (DÄ 2008, A-1988). Nach Teil F Nr 1.2.1 des vorgenannten Beschlusses werden die RLV nach Maßgabe von Nr 2. und 3. sowie den Anlagen 1 und 2 zu Teil F für das jeweilige Abrechnungsquartal ermittelt. Den Rechenweg für die Bestimmung des arztindividuellen RLV hat der EBewA in der Anlage 2 zu Teil F Nr 1. des Beschlusses vom 27./28.8.2008 (DÄ 2008, A-1995) vorgegeben.

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Danach ist zwischen der arztbezogenen Ermittlung des RLV (Teil F Nr 1.2.2) und dessen praxisbezogener Zuweisung (Nr 1.2.4 S 1) zu unterscheiden. Die von der Beklagten betonte Anknüpfung an das entsprechende Quartal des Vorjahres bezieht sich nach Teil F Anlage 2 Nr 4 und 5 allein auf die arztbezogene Ermittlung des RLV. Maßgebend für die Ermittlung des RLV ist der arztgruppenspezifische Fallwert und die Fallzahl des einzelnen Arztes im entsprechenden Quartal des Vorjahres. Vereinfacht dargestellt ergibt sich die Höhe des RLV aus der Multiplikation der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert (vgl BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 6/13 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 29 RdNr 20). Auch die von der Beklagten in der Revisionsbegründung angesprochene Übergangsregelung in Anlage 2 Nr 7 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 und die Änderung von 2.3 durch Beschluss des BewA in seiner 180. Sitzung vom 20.4.2009 betreffen die arztbezogene Ermittlung des RLV und nicht die Zuweisung an die BAG. Das ergibt sich insbesondere aus der Bezugnahme auf Nr 1.2.2 ("Zur Umsetzung des Arztbezuges gemäß 1.2.2 …"), der die arztbezogene Ermittlung des RLV zum Gegenstand hat.

21

Für die in einem zweiten Schritt vorzunehmende Ermittlung und Zuweisung des RLV der gesamten BAG wird ein entsprechender Vorjahresbezug dagegen nicht geregelt. Teil F Anlage 2 Nr 5 letzter Satz in der hier maßgebenden Fassung der Beschlüsse des BewA vom 20.4.2009 (180. Sitzung, mWv 1.7.2009) und vom 22.9.2009 (199. Sitzung, mWv 1.1.2010) bestimmt, dass sich das praxisbezogene RLV aus der Addition der Regelleistungsvolumen je Arzt ergibt. Die Zuweisung dieses RLV erfolgt nach Teil F Nr 1.2.4 ausdrücklich praxisbezogen. Dabei ergibt sich die Höhe des Regelleistungsvolumens einer Arztpraxis aus der Addition der Regelleistungsvolumen je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind.

22

Nach Teil F Nr 1.2.4 wird das nach Teil F Anlage 2 Nr 5 ermittelte praxisbezogene RLV um 10 % erhöht. Die Erhöhung um 10 % bezieht sich also ausdrücklich nicht auf das im ersten Schritt zu ermittelnde arztbezogene RLV, sondern auf das RLV, das der gesamten BAG zugewiesen wird. Für einen Vorjahresbezug dieser Zuweisung und der im Zusammenhang damit geregelten Erhöhung um 10 % gibt es im Wortlaut der Regelung keinen Hinweis. Das wird im Übrigen auch vom SG, das die Klage abgewiesen hatte, nicht in Zweifel gezogen. Ein Vorjahresbezug ergäbe bezogen auf die Zuweisung des RLV auch keinen Sinn: Wenn sich eine BAG nach dem für die Ermittlung des arztbezogenen RLV maßgebenden Vorjahresquartal aufgelöst hat, dann können den einzelnen Ärzten für das aktuelle Quartal der Leistungserbringung nur noch ihre jeweiligen arztbezogenen RLV zugewiesen werden und nicht ein gemeinsames RLV der BAG. Umgekehrt muss einer neu gegründeten BAG, deren Mitglieder im Vorjahr noch in Einzelpraxis tätig waren, ein gemeinsames RLV für die gesamte BAG zugewiesen werden.

23

b) Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten gebieten Sinn und Zweck der Regelungen zum BAG-Zuschlag keine von Wortlaut und Systematik abweichende Auslegung.

24

aa) Der Beurteilung, nach der der BAG-Zuschlag allein für die Mitglieder der BAG zu ermitteln sei, die bereits im Vorjahr in einer BAG tätig waren, liegt die Annahme zugrunde, dass der Sinn der Zuschlagsregelung für BAGen im Wesentlichen darin bestehe, "Fallzählungsverluste" zu kompensieren. Weil für die Berechnung des RLV die Fallzahlen aus dem entsprechenden Quartal des Vorjahres maßgebend seien, würden diese Verluste bei einem Arzt, der zuvor in Einzelpraxis tätig gewesen ist, im ersten Jahr seiner Tätigkeit in der BAG nicht auftreten. Indes kann der Sinn der Regelung zum BAG-Zuschlag nicht auf das Ziel des Ausgleichs einer Benachteiligung der BAG in Form von Fallzählungsverlusten beschränkt werden (so auch bereits: Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 9.5.2017 - L 4 KA 93/14 - Juris RdNr 40 ff; ähnlich SG Marburg Urteil vom 26.10.2016 - S 12 KA 59/15 - Juris RdNr 46; SG Marburg Urteil vom 14.4.2010 - S 11 KA 512/09 - Juris RdNr 34, 36; anders dagegen LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.11.2016 - L 24 KA 10/15 - Juris RdNr 22; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 18.3.2016 - L 24 KA 22/15 - Juris RdNr 55, 57, insoweit aufgehoben durch das Urteil des Senats vom heutigen Tage zum Az: - B 6 KA 17/17 R -; SG Berlin Urteil vom 19.9.2012 - S 83 KA 399/11 - Juris RdNr 101 f).

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Zur Zulässigkeit von Vergütungsbestimmungen zur Förderung von Gemeinschaftspraxen und deren Zielsetzung hat der Senat bereits im Zusammenhang mit Zuschlägen Stellung genommen, die für die Zeit vom 1.7.1997 bis zum 30.6.2003 unter A I Teil B Nr 1.6 der Allgemeinen Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) geregelt waren (vgl BSG Beschluss vom 28.1.2004 - B 6 KA 112/03 B - Juris RdNr 11 f; BSG Beschluss vom 10.3.2004 - B 6 KA 129/03 B). Der damals geltende EBM-Ä sah unter Nr 5.1 in Teil I der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä eine Privilegierung von fachgleichen Gemeinschaftspraxen in Gestalt eines zehnprozentigen Zuschlags bei der Berechnung der Fallpunktzahl vor. Nach der Neufassung des EBM-Ä zum 1.4.2005 durch Beschluss des BewA vom 29.10.2004 erfolgte die Förderung von Gemeinschaftspraxen im EBM-Ä nicht mehr durch einen prozentualen Aufschlag, sondern nach Teil I Nr 5.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen durch einen Aufschlag von 60 Punkten auf den Ordinationskomplex. Daran anknüpfend enthielt Nr 3.2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 zur Festlegung von RLV durch die KÄVen gemäß § 85 Abs 4 SGB V idF des GMG(DÄ 2004, A-3129) begünstigende Regelungen für Gemeinschaftspraxen ua in Gestalt einer Erhöhung der Fallpunktzahl für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen um 130 Punkte. Für die im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Quartale IV/2009 und I/2010 bestimmt Nr 5.1 S 4 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä in der ab 2009 geltenden Fassung, dass in arztgruppen- und schwerpunktgleichen (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaften oder Arztpraxen mit angestellten Ärzten derselben Arztgruppe/desselben Schwerpunktes ein Aufschlag in Höhe von 10 % auf die jeweiligen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen vorzunehmen ist.

26

Sowohl den vom 1.7.1997 bis zum 30.6.2003 geregelten prozentualen Aufschlag auf das Praxisbudget für Gemeinschaftspraxen (BSG Beschluss vom 28.1.2004 - B 6 KA 112/03 B - Juris; vgl dazu auch den Kammerbeschluss des BVerfG vom 8.6.2004 - 1 BvR 507/04 -) als auch den ab 1.4.2005 geltenden, in Punkten bemessenen Aufschlag auf den Ordinationskomplex (BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 6 KA 41/08 R - BSGE 106, 49 = SozR 4-2500 § 87 Nr 21) hat der Senat mit der Erwägung gebilligt, dass die Privilegierung der Gemeinschaftspraxen durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sei. Die Regelung trage dem Bemühen Rechnung, den interkollegialen Aufwand bzw die Kosten für konsiliarische Rücksprachen zwischen den Partnern einer Gemeinschaftspraxis abzugelten (vgl dazu auch die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 87 Abs 2a S 1 durch das GMG, BT-Drucks 15/1525 S 105). Außerdem hat der Senat ausdrücklich die damaligen Erwägungen des BewA gebilligt, generell die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis zu fördern (BSG Beschluss vom 28.1.2004 - B 6 KA 112/03 B - Juris RdNr 12; BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 6 KA 41/08 R - BSGE 106, 49 = SozR 4-2500 § 87 Nr 21, RdNr 15, 22). In der gesundheits- und versorgungspolitischen Diskussion würden zahlreiche unterschiedliche Aspekte angeführt, unter denen die kooperative Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit als sinnvoll angesehen werde. Das betreffe zB die bessere Auslastung von teuren medizinischen Geräten im fachärztlichen Bereich und eine bessere Realisierbarkeit von ambulanten Operationen sowie der belegärztlichen Tätigkeit durch Gemeinschaftspraxen. Im Kontext mit einer hausärztlichen Tätigkeit könne die Gemeinschaftspraxis den Patienten Vorteile durch längere Öffnungszeiten der Praxis und geringere Zeiten der Vertretung wegen Urlaubs oder wegen Erkrankung des Praxisinhabers bieten. Auch unter dem Aspekt der Gewinnung ärztlichen Nachwuchses gerade im hausärztlichen Bereich werde in dem Angebot von Gemeinschaftspraxen und BAGen ein Vorteil gesehen, weil diese eher als die Einzelpraxen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Ärztinnen und Ärzte gerade zu Beginn ihrer Niederlassung erleichtern könnten. Die Annahme eines oftmals größeren Behandlungsspektrums auch in fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxen im Vergleich zu Einzelpraxen sei mindestens plausibel (BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 6 KA 41/08 R - BSGE 106, 49 = SozR 4-2500 § 87 Nr 21, RdNr 18 ff). Jenseits des von der Rechtsprechung gebilligten Förderzwecks hinsichtlich kooperativer Formen der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit spielt bei der Regelung zum 10-%-Aufschlag auf das RLV eine Rolle, dass bestimmte Ordinationskomplexe und Pauschalen in einer Berufsausübungsgemeinschaft nur einmal je Behandlungsfall der gesamten Praxis abgerechnet werden können (BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 4/13 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 13).

27

Daraus wird deutlich, dass auch der im hier maßgebenden Zeitraum geltende zehnprozentige BAG-Zuschlag auf das RLV keinesfalls auf das Ziel reduziert werden kann, Fallzählungsverluste auszugleichen, die in der BAG dadurch entstehen können, dass bestimmte Pauschalen nur einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden können. Diesen Aspekt hat der Senat zwar durchaus gesehen (vgl BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 4/13 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 13; BSG Beschluss vom 28.1.2004 - B 6 KA 112/03 B - Juris RdNr 12). Die genannten Regelungen zur Privilegierung von BAGen hat er aber jedenfalls nicht in erster Linie unter diesem Aspekt gebilligt, sondern ist von einer darüber hinausgehenden Tendenz zur Privilegierung der BAG durch die Normgeber ausgegangen und hat diese ausdrücklich als sachlich gerechtfertigt angesehen.

28

Vor diesem Hintergrund kann die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage dahingestellt bleiben, in welchem Umfang die von der Beklagten in den Vordergrund gestellten Fallzählungsverluste tatsächlich eintreten. Deren Umfang dürfte auch nur schwer zu ermitteln sein. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass die sog Fallzählungsverluste stets genau dem Anteil entsprechen, mit dem Patienten in einer fach- und schwerpunktgleichen BAG von mehreren Mitgliedern der BAG behandelt werden. Wie oben dargelegt, bietet die Behandlung in einer BAG für den Patienten auch deshalb Vorteile, weil die Sprechzeiten durch die größere Zahl von Ärzten erweitert werden können. Von den damit verbundenen Vorteilen kann der Patient indes nur dann in vollem Umfang profitieren, wenn er bereit ist, sich durch unterschiedliche Mitglieder der BAG behandeln zu lassen. Patienten, die sich durch einen in Einzelpraxis niedergelassenen Arzt behandeln lassen, haben diese Möglichkeit von vornherein nicht, und es kann nicht angenommen werden, dass die Zahl der Patienten, die den in Einzelpraxis niedergelassenen Facharzt ausnahmsweise innerhalb eines Quartals wechseln und dadurch neue Behandlungsfälle generieren, mit der Zahl der Patienten übereinstimmt, die innerhalb eines Quartals unterschiedliche Mitglieder einer BAG in Anspruch nehmen. Auf die genaue Höhe eintretender Fallzählungsverluste kommt es aber auch nicht an. Ausschlaggebend ist, dass die BAG-Zuschläge ihre Rechtfertigung in erster Linie in dem Ziel der Förderung der gemeinschaftlichen Berufsausübung von Ärzten finden.

29

Angesichts der dargestellten Zielsetzung des BAG-Zuschlags erscheint die vom BewA getroffene Regelung, nach der das RLV unabhängig davon um einen Zuschlag von 10 % erhöht wird, ob und ggf mit welcher Mitgliederzahl die BAG im entsprechenden Quartal des Vorjahres bestanden hat, sachgerecht und auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

30

bb) Darüber hinaus spricht der Umstand, dass der zehnprozentige Zuschlag auf das RLV für fach- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen (Teil F Nr 1.2.4) an die im EBM-Ä geregelten Aufschläge (zehnprozentige Erhöhung der Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale nach Nr 5.1 S 4 der Allgemeinen Bestimmungen) anknüpft (so bereits BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 4/13 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 13), gegen eine Vorjahresanknüpfung beim RLV-Zuschlag. Wenn die im EBM-Ä vorgesehenen Zuschläge keine Entsprechung in den Bestimmungen zur Ermittlung des RLV gefunden hätten, könnten diese nicht innerhalb des RLV mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung, sondern nur quotiert mit einem in der Regel sehr viel niedrigeren Punktwert vergütet werden. Damit gewährleistet die Erhöhung des RLV, dass der BAG die im EBM-Ä geregelten Zuschläge auch tatsächlich zugute kommen.

31

Da es für die Zahlung der - für fachgleiche BAGen um 10 % erhöhten - Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Leistungserbringung ankommt, ist es naheliegend, dass auch für die damit korrespondierende Erhöhung des RLV um ebenfalls 10 % auf die aktuellen Verhältnisse im Quartal der Abrechnung und nicht auf diejenigen im entsprechenden Quartal des Vorjahres abgestellt wird. Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung würde dazu führen, dass Ärzte, die von der Einzelpraxis in eine BAG wechseln, im ersten Jahr der Tätigkeit in der BAG zwar Anspruch auf die Zuschläge auf die Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale hätten, nicht jedoch auf die damit korrespondierende Erhöhung des RLV. Umgekehrt würde ihnen beim Austritt aus einer BAG im ersten Jahr der Tätigkeit in Einzelpraxis ein Zuschlag auf das RLV gewährt, obwohl sie keine erhöhte Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale mehr erhalten.

32

cc) Der Senat braucht hier nicht darüber zu entscheiden, ob die Gesamtvertragspartner durch Teil F Nr 3.5 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 ermächtigt worden sind, abweichende Regelungen zur Ermittlung des RLV für den Fall des Eintritts in eine oder des Austritts aus einer BAG zu treffen. Mit der genannten Vorschrift wird den Gesamtvertragspartnern die Möglichkeit eingeräumt, Anfangs- und Übergangsregelungen für Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform zu treffen. Die Gesamtvertragspartner in Niedersachsen haben keine Übergangsreglungen getroffen, die sich auf die Berechnung des BAG-Zuschlags beziehen. An die entsprechende Auslegung des Landesrechts durch das LSG, gegen die sich im Übrigen auch keiner der Beteiligten gewandt hat, ist der Senat nach § 162 SGG gebunden. Die unter Teil A Nr 4 von den Gesamtvertragspartnern in der "Vereinbarung zur Umsetzung der Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009" bzw "… im Jahr 2010" für den Bezirk der Beklagten getroffenen Regelungen zur Ausfüllung der ihnen durch Teil F Nr 3.5 des og Beschlusses des BewA eingeräumten Spielräume beschränken sich insoweit auf Anfängerregelungen zur Höhe des RLV für Neupraxen in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens.

33

dd) Der vom BewA getroffenen Regelung zum BAG-Zuschlag steht auch nicht der Umstand entgegen, dass das RLV nach § 87b Abs 5 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG vor Beginn des Geltungszeitraums zuzuweisen war. Zwar trifft es zu, dass sich die für die Bemessung des RLV maßgebenden Umstände nach dem Zeitpunkt der Zuweisung ändern können. Das betrifft indes nicht allein die Voraussetzungen für den Zuschlag zum RLV, sondern gilt in gleicher Weise für eine Änderung der Zahl der Mitglieder einer BAG und deren Bestand als Ganzes. Einer nach der RLV-Zuweisung eintretenden Änderung der Verhältnisse kann die Beklagte durch eine Änderung der RLV-Festsetzung jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft Rechnung tragen (vgl dazu BSG Urteil vom 2.8.2017 - B 6 KA 7/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 12 RdNr 70, 73).

34

ee) Ferner kann sich die Beklagte mit ihrer Auffassung nicht auf die Verwendung des Begriffs der "Zuschläge" im Plural in Teil F Nr 5 der Anlage 2 stützen. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass der Zuschlag je Arzt und nicht je BAG zu berechnen sei. Die von der Beklagten in Bezug genommene Regelung hat folgenden Wortlaut: "Das praxisbezogene Regelleistungsvolumen ergibt sich gemäß 1.2.4 aus der Addition der Regelleistungsvolumen je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind sowie der entsprechenden Zuschläge für Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten." Die Verwendung des Plurals ergibt sich danach zwanglos aus dem Umstand, dass auch die Ärzte, die BAGen und die MVZ im Plural ("Zuschläge für Berufsausübungsgemeinschaften …") angesprochen werden.

35

ff) Aus den zum 1.7.2011 eingeführten Regelungen zum BAG-Zuschlag in fach- und schwerpunktübergreifenden BAGen (Beschluss des BewA nach § 87 Abs 1 S 1 SGB V in seiner 245. Sitzung am 22.12.2010 zur Neuregelung der Zuschläge für die Erbringung von ärztlichen Leistungen in Berufsausübungsgemeinschaften) kann die Beklagte schon deshalb nichts zur Stützung ihrer Auffassung herleiten, weil hier die Zuschläge einer fachgleichen BAG im Streit stehen, die sich zudem auf die Quartale IV/2009 und I/2010 und damit nicht auf den Geltungszeitraum der in der 245. Sitzung des BewA beschlossenen Regelung beziehen. Entsprechendes gilt für die von der Beklagten in Bezug genommene Übergangsregelung in Teil B Nr 1 des Beschlusses des BewA vom 17.10.2008 (164. Sitzung), die sich auf die ersten beiden Quartale des Jahres 2009 bezieht. Auch wenn der Beklagten zuzugestehen ist, dass in der Regelung das Wort "Fallzählung" im Zusammenhang mit der Erhöhung des RLV um 10 % verwendet wird, vermag der Senat der Formulierung nicht zu entnehmen, dass andere Zwecke ausgeschlossen sind. Für die hier streitbefangenen Quartale bestimmt Teil F Nr 1.2.4 in der Fassung der Beschlüsse des BewA vom 20.4.2009 (180. Sitzung) und vom 22.9.2009 (199. Sitzung), dass das RLV "zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften" erhöht wird. Diese Formulierung weist jedenfalls nicht auf einen unmittelbaren Zusammenhang des Zuschlags mit Fallzählungsverlusten hin.

36

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

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Bundessozialgericht Urteil, 16. Mai 2018 - B 6 KA 15/17 R zitiert 12 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und einen einheitliche

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(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärzt

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(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 162


Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezir

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(1) Abweichend von § 82 Abs. 2 Satz 2 und § 85 gelten für die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen die in Absatz 2 bis 6 getroffenen Regelungen; dies gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen. (2) Die Kassenärztliche Vereinigung und die

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 705 Inhalt des Gesellschaftsvertrags


Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.

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(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

2

Der Kläger zu 1. betrieb bis zum Quartal III/1999 zusammen mit dem Kläger zu 2. eine Gemeinschaftspraxis, die danach in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt wurde. Beide waren bzw sind als Fachärzte für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen sie bzw gegen die von ihnen geführte Gemeinschaftspraxis ergingen Regressbescheide, weil sie in den Quartalen II und III/1998, I, II und IV/1999 autologe Tumorvakzine verordnet hatten, ohne dass sie dazu berechtigt gewesen seien. Die jeweiligen Patienten waren bzw sind bei den zu 2., 9. bis 11. beigeladenen Krankenkassen (KKn) - bzw bei deren Rechtsvorgängern - versichert.

3

Die Verordnungen betrafen das Therapieverfahren der sogenannten aktiv-spezifischen Immunisierung (ASI) mit autologen Tumorvakzinen (Impfungen mit eigenem Körperzellmaterial) bei Patienten, die an Darmkrebs, Nierenkrebs oder Osteosarkom litten. Die Gewinnung autologer Tumorvakzine wird als sogenanntes Rezepturarzneimittel auf Rezeptblättern verordnet und erfolgt für jeden Patienten individuell aus seinen körpereigenen Tumorzellen. Die Bearbeitung und die Injektion der Zellen führte für die Kläger der damalige Pharmahersteller macropharm GmbH bzw für diese Firma der Arzt Dr. N. durch. Dabei fielen je Verordnung bzw Verordnungsserie ca 15.000 DM an. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft insgesamt zehn solcher Verordnung(sseri)en.

4

Die wegen dieser Verordnungen ergangenen Regressbescheide bestätigte - unter Zurückweisung der Widersprüche der Kläger - der beklagte Beschwerdeausschuss. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Klageverfahrens ersetzte der Beklagte seine Bescheide durch neue Bescheide vom 9.11.2002. Hierin führte er unter Bezugnahme auf § 106 SGB V aus, dass er von einer vorgängigen Beratung habe absehen können, weil die Kläger - bereits seit 1992 bzw 1997 vertragsärztlich tätig - über das Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend informiert gewesen seien. Zur ASI mit autologen Tumorvakzinen habe es keine Anwendungsempfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und KKn (BA - heute Gemeinsamer Bundesausschuss ) gegeben.

5

Der BA beschloss am 10.4.2000 die Zuordnung der ASI zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden (s Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V mit der Anfügung der Nr 29 in die Anlage B "nicht anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden", BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828).

6

Das von den Klägern angerufene SG hat ihre Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 18.8.2003, vom 26.8.2003, vom 27.8.2003, vom 8.10.2003, vom 29.10.2003, vom 20.11.2003, vom 19.11.2003 und vom 2.12.2003). Mit ihren dagegen gerichteten Berufungen sind die Kläger nur zu einem geringen Teil erfolgreich gewesen. Das LSG, das die Berufungsverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat mit Urteil vom 27.8.2008 auf die Berufung des Klägers zu 2. den Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 insoweit aufgehoben, als dieser einen Regress wegen der Verordnung im Quartal IV/1999 auch gegen den Kläger zu 2. ausgesprochen hatte (L 3 KA 484/03 - in Juris dokumentiert): Hierzu hat das LSG ausgeführt, die Gemeinschaftspraxis habe nur bis zum Quartal III/1999 bestanden und daher habe der Kläger zu 2. diese Verordnung nicht mehr mitzuverantworten, vielmehr habe der Kläger zu 1. sie allein vorgenommen.

7

Im Übrigen hat das LSG in seinem Urteil vom 27.8.2008 die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Der Bescheid vom 9.11.2002, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens sei (§ 96 SGG), sei hinsichtlich des Klägers zu 2. im Übrigen rechtmäßig und hinsichtlich des Klägers zu 1. insgesamt rechtmäßig. Der auf eine Einzelfallprüfung nach § 106 SGB V gestützte Regress sei sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Weder hätte zunächst eine Beratung durchgeführt werden müssen, noch stehe dem Regress eine Überschreitung der Prüfantragsfrist entgegen. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide ergebe sich daraus, dass eine Leistungspflicht der KKn für die ASI nicht bestanden habe. Für diese habe es keine Empfehlung des BA oder des G-BA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V gegeben. Es habe sich auch nicht um Fälle seltener Krankheiten im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu ausnahmsweise zulässigen sogenannten Einzelimporten gehandelt. Zwar seien die betroffenen Patienten im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG lebensbedrohlich erkrankt; sie hätten an metastasierenden bzw rezidivierenden Karzinomerkrankungen mit infauster Prognose gelitten. Die ASI sei allerdings nur adjuvant zur Lebensverlängerung eingesetzt worden. Es fehle sowohl an Darlegungen zur Nichteignung der allgemein anerkannten medizinischen Standardmaßnahmen als auch an ernsthaften Hinweisen dafür, dass die umstrittene Therapie Aussicht auf positive Einwirkung geboten habe, was erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen Wirkungszusammenhang erfordere. Wirksamkeitsbelege mit Aussagekraft für die hier zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm ergäben sich indessen aus den von den Klägern angeführten Phase-III-Studien nicht. Die von der Firma macropharm selbst veröffentlichte Studie von R. reiche nicht aus, denn sie weise methodische Unzulänglichkeiten auf, wie bereits ein LSG und das BSG ausgeführt hätten. Ferner fehle es an der erforderlichen Dokumentation durch die Kläger. Diese hätten lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen angefertigt, zudem habe die verantwortliche Behandlung jedenfalls in einigen Fällen nach ihren eigenen Berichten nicht bei ihnen gelegen, sondern bei Dr. N. Im Übrigen gebe es Zweifel, ob es sich nicht um ein Massenexperiment gehandelt habe, das als Heilversuch den Anforderungen der Deklaration von Helsinki mit vorheriger Anhörung der Ethik-Kommission und ausdrücklicher Einwilligung der Patienten hätte Rechnung tragen müssen. Schließlich könne zur Rechtfertigung der ASI nicht auf ein sogenanntes Systemversagen wegen verspäteter Entscheidung des BA zurückgegriffen werden. Dies komme allenfalls in Betracht, wenn die Wirksamkeit der Therapie durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt gewesen sei. Solche Belege hätten bis 1998/1999 nicht vorgelegen, wie sich daraus ableiten lasse, dass der BA kurze Zeit später (10.4.2000) festgestellt habe, dass es an ausreichenden Wirksamkeitsnachweisen fehle; dies habe auch das BSG in seiner ASI-Entscheidung vom 28.3.2000 so bestätigt. Auch dafür, dass sich die ASI 1998/1999 wenigstens in der medizinischen Praxis durchgesetzt habe, lägen keine ausreichenden Belege vor. Aufgrund der nach alledem zu verneinenden Leistungspflicht der KKn für die ASI könne der bei den KKn entstandene Schaden regressiert werden. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, sei weder Raum für den Gesichtspunkt, dass ohne den Einsatz der Tumorvakzine - durch andere Behandlungsmaßnahmen - ebenfalls Kosten entstanden wären (sogenannte Vorteilsausgleichung), noch sei bei Verordnungsregressen, die auf § 106 SGB V gestützt seien, ein etwaiges Fehlen von Verschulden bedeutsam.

8

Der Kläger zu 1. hat allein Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine falsche Anwendung des § 106 SGB V in formeller und materieller Hinsicht. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Prüfantrag nicht fristgerecht mit hinreichender Begründung gestellt worden. Auch in materieller Hinsicht sei der Regress nicht rechtmäßig. Die Auffassung, er und sein Partner, der Kläger zu 2., hätten die ASI nicht verordnen dürfen, treffe nicht zu. Als zulassungsfreie Rezepturarzneimittel hätten die Tumorvakzine keiner Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bedurft. Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der BA durch sein Schreiben vom 7.6.1999 die Tumorvakzine vorläufig als verordnungsfähig anerkannt habe. Auch wenn dieses Schreiben nicht die rechtliche Form einer Richtlinie habe, sei es zumindest im Rahmen des Vertrauensschutzes bzw Ermessens bei der Regressentscheidung bis zu der ablehnenden Entscheidung des BA vom 10.4.2000 maßgebend gewesen. Das LSG habe auch die Vorgaben des BVerfG vom 6.12.2005 und des sogenannten Systemversagens fehlerhaft verneint. Die Annahme, die vorliegenden statistischen Wirksamkeitsnachweise seien auf die Vakzine der Firma macropharm nicht übertragbar, leide an Defiziten der Sachverhaltsaufklärung. Soweit das LSG der Auffassung sei, die Vakzine der Firma macropharm unterschieden sich wesentlich von denen, zu denen die Wirksamkeitsnachweise vorgelegen hätten, hätte dem zumindest ein Hinweis an die Kläger vorausgehen müssen, damit klägerseits hätte weiter vorgetragen werden können. Die Ansicht des LSG stehe im Gegensatz zu den Feststellungen des Gerichtsgutachters in dem früheren Verfahren des LSG Niedersachsen und der Studie von Vermorken von 1999. Auch gehe es nicht an, die bei unerklärten Krankheiten geminderten Anforderungen an ein Systemversagen bei Krebserkrankungen mit hohen Erkrankungszahlen außer Anwendung zu lassen. Jedenfalls bei Nieren- und Darmkrebs könne nicht einfach von der Zahl der Erkrankungen auf eine Klärung von Entstehung und Verlauf geschlossen werden. Zu beanstanden sei ferner das Erfordernis, die ASI könne nur dann als verordnungsfähig anerkannt werden, wenn auch eine substantiierte Dokumentation erfolgt sei. Derartige Dokumentationen seien vor 10 Jahren noch nicht üblich gewesen und könnten nicht jetzt nachträglich gefordert werden. In Fällen der vorliegenden Art dürfe nur eine Schlüssigkeit gefordert werden. Dem genügten seine - des Klägers zu 1. - Darlegungen, dass es sich bei den Krebserkrankungen in jedem Einzelfall um unheilbare Erkrankungen gehandelt habe, bei denen die ASI eine nicht fern liegende Aussicht auf Heilung bzw jedenfalls Linderung versprochen habe. Die Anforderung einer Dokumentation passe auch nicht zur Durchführung einer Einzelfallprüfung. Diese gebiete nötigenfalls die Heranziehung der Patienten. Insofern liege ein Mangel der Sachaufklärung vor. Schließlich sei zu beanstanden, dass das LSG das Erfordernis eines Verschuldens und einen Ermessensspielraum der Prüfgremien verneint habe. Dies sei weder mit § 106 Abs 5 SGB V noch mit dem verfassungsrechtlichen Willkür- und Übermaßverbot vereinbar. Die Prüfgremien müssten im Rahmen der von ihnen geforderten wertenden Entscheidung eine Verschuldensprüfung vornehmen oder jedenfalls eine Ermessensentscheidung mit einer Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen und den Auswirkungen auf den betroffenen Arzt treffen. Eine Haftung könne im Falle bösgläubiger Ärzte berechtigt sein, aber nicht bei schuldlos handelnden wie den Klägern, die in nachvollziehbarem Vertrauen subjektiv rechtstreu gehandelt hätten. Ein Regress stelle sich als "maßlose" Haftung des Vertragsarztes dar, die einer Garantiehaftung für ein Verhalten von vor 10 Jahren gleichkomme und zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit weder erforderlich noch verhältnismäßig sei.

9

Der Kläger zu 1. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 und die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hannover vom 18.8.2003, 26.8.2003, 27.8.2003, 8.10.2003, 29.10.2003 und 19.11.2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls, wie sie schriftsätzlich ausgeführt hat,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1., 2., 6., 9. und 10. verteidigen das Urteil des LSG.

13

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers zu 1. ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

15

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die neuen Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.11.2002, mit denen dieser - seine früheren Bescheide gemäß § 96 SGG ersetzend - die Widersprüche gegen die Regressbescheide des Prüfungsausschusses wegen Verordnung autologer Tumorvakzine im Rahmen von ASI-Behandlungen zurückgewiesen, dh die Regressforderungen des Prüfungsausschusses bestätigt hat(zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids vgl stRspr des BSG, zB BSGE 72, 214, 219 f = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 10 f; BSGE 74, 59, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide allerdings nur insoweit, als sie sich gegen den Kläger zu 1. gerichtet haben. Der Kläger zu 2. hat das Urteil des LSG nicht angefochten; deshalb sind die Bescheide, soweit sie gegen ihn gerichtet worden sind, bestandskräftig.

16

Da nur noch der Kläger zu 1. das Verfahren im Revisionsverfahren weiter betreibt, stellt sich hier nicht die Frage, ob die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Rubrum als Gemeinschaftspraxis zu führen sind. Die Befugnis des Klägers zu 1., sowohl die Revision als auch die zugrunde liegende Anfechtungsklage allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21 f; BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 mwN; - zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17). Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (s zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; vgl auch BSG, MedR 2004, 172). Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (so auch BSGE aaO mwN). Die eigenständige Anfechtungsbefugnis und Aktivlegitimation steht dem Kläger zu 1. nicht nur gegenüber denjenigen Regressforderungen zu, die die Verordnungen in den Quartalen II und III/1998 sowie I und II/1999 betreffen, sondern ohnehin auch gegenüber der Regressforderung für die Verordnung(sserie) im Quartal IV/1999, als die Gemeinschaftspraxis bereits aufgelöst war.

17

2. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266, die in den Jahren 1998 und 1999 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (aaO Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese Prüfvereinbarungen (PrüfVen) ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Diese waren auch in § 9 Abs 3, § 12 Abs 6 ff der hier einschlägigen PrüfV vorgesehen(vgl zur Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung von Landesrecht § 162 SGG, dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14).

18

3. Die durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Weder die vom Kläger erhobenen formellen Rügen (nachfolgend a) noch seine materiellen Beanstandungen (unten b) greifen durch.

19

a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des Klägers zu 1., das Prüf- und Regressverfahren hätte hinsichtlich derjenigen Quartale, für welche die Prüfanträge erst nach Ablauf der in der PrüfV normierten Frist gestellt worden seien, nicht durchgeführt werden dürfen. Zwar galt nach § 12 Abs 6 PrüfV(hier zugrunde zu legen in der Fassung vom 24.6.1996) eine Frist von zwölf Monaten nach Quartalsende; innerhalb dieser Frist konnten die KKn die Prüfung der Verordnungsweise nach Einzelfällen beantragen. Aus einer Versäumung dieser Frist kann aber nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden.

20

Der Senat hat bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung dienen, also dem Interesse an effektiver Verfahrensdurchführung (s insbesondere BSG USK 9596 S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelungen und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise zuwider.

21

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff; vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Zwölf-Monate-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

22

Hat mithin die Nichteinhaltung der Zwölf-Monats-Frist nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt es vorliegend nicht darauf an, ob diese Frist in einem der Regressfälle überschritten wurde. Im Übrigen beginnt sie gemäß § 12 Abs 6 PrüfV jeweils erst ab Quartalsende. Daher wurde sie vorliegend auch ohnehin nur in wenigen Fällen - und jeweils auch nur um wenige Tage - überschritten (Eingang der KK-Anträge für das Quartal II/1998 erst am 12.7.1999 - Fall 2 - und am 20.7.1999 - Fall 1 - und für das Quartal II/1999 erst am 3.7.2000 - Fall 6 -; zu diesen Feststellungen s LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 - L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 4 bis 9 iVm 37).

23

Soweit der Kläger zu 1. der Ansicht ist, entsprechend dem Grundsatz "Beratung vor Regress" hätte kein Regress, sondern nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft das nicht zu. Für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ist eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296; SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 19; BSG MedR 2004, 577, 578 f). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern einzelne Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Frage stehen, wenn also dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss durch die Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird, also in Fällen, in denen ein sogenannter Basismangel vorliegt(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 am Ende; - zu solchen Verordnungsregressfällen vgl Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, , jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 53 ff, 56 ff, 71 ff). Dementsprechend ist in der hier einschlägigen PrüfV ausdrücklich geregelt, dass im Falle von Verordnungen unter Verstoß gegen die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien Regressfestsetzungen keine vorherige Beratung voraussetzen (§ 12 Abs 10 iVm Abs 12 PrüfV). Die dem gleichwertige Konstellation des Vorwurfs der Unvereinbarkeit von Verordnungen mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V ist hier gegeben.

24

b) Die vom Kläger zu 1. angefochtenen Verordnungsregresse sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der ASI bestand weder eine Leistungspflicht der KKn noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

25

Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln besteht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V. Aus den dabei mit heranzuziehenden § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 SGB V folgt, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 17 mwN).

26

aa) Für die Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hält die Rechtsordnung zwei Verfahren bereit, zum einen für Arzneimittel die Überprüfung im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff AMG oder durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nach Europäischem Verordnungs- und Richtlinienrecht -, und zum anderen für Behandlungs- und Untersuchungsmethoden die Überprüfung durch den BA - bzw heute G-BA - gemäß § 135 Abs 1 SGB V. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen grundsätzlich anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aufgrund der Beurteilung einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sein; dafür ist in beiden vorgenannten Verfahren die Überprüfung durch Auswertung sogenannter randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien vorgesehen.

27

Soweit diese Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, wie es bei Arzneimitteln die Regel ist, bereits im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgt, wird eine etwaige zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V als entbehrlich angesehen(vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 19 mwN zur Rspr und zum Streitstand). Bei Arzneimitteln folgt somit im Regelfall aus der Verkehrsfähigkeit zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV (vgl zu diesem Zusammenhang BSG SozR aaO und MedR aaO, jeweils RdNr 19)

28

bb) Von diesen Grundsätzen sind bei Arzneimitteltherapien allerdings Ausnahmen anerkannt. In den Fällen, in denen die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit nach dem AMG ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erlangt werden kann, fehlt die Grundlage dafür, um von der Verkehrsfähigkeit gemäß dem AMG auf die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV schließen zu können.

29

In diesem Sinne hat das BSG zu Fällen aus der ersten Zeit nach der Neuordnung des deutschen Arzneimittelrechts Ende der 70er Jahre ausgesprochen, dass die damalige sogenannte fiktive Zulassung, die übergangsrechtlich bis zur fundierten Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährt wurde, nicht für die Annahme der Verordnungsfähigkeit ausreicht (BSG - 1. Senat - BSGE 95, 132 RdNr 18 ff = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 ff; BSG - 1. Senat - BSGE 82, 233, 235 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 ff; BSG - 6. Senat - SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 21 ff).

30

Dem ist vergleichbar, wenn - wie vorliegend - ein Arzneimittel ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit deshalb nach dem AMG verkehrsfähig ist, weil es sich um ein sogenanntes Rezepturarzneimittel handelt. Bei Rezepturarzneimitteln, dh solchen, die nicht wie Fertigarzneimittel im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs 1 AMG), reicht für die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit eine Herstellungserlaubnis aus (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbs 2 iVm § 47 AMG); ein Zulassungsverfahren mit Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien ist arzneimittelrechtlich nicht vorgesehen (vgl dazu BSGE 86, 54, 60 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 65 f). Bei solchen Arzneimitteln fehlt es mithin an der fundierten Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, sodass sie zwar verkehrsfähig gemäß dem AMG sind, aber ohne dass daraus abgeleitet werden könnte, dass sie auch verordnungsfähig sind.

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cc) Anders wiederum liegt der Fall, wenn das Arzneimittel, das arzneimittelrechtlich keiner Zulassung bedarf, so eingesetzt wird, dass darin zugleich eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung liegt (sogenannte Pharmakotherapie - zur Definition s zB BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; zum Methodenbegriff vgl ferner zB BSG - 6. Senat - zB BSGE 84, 247, 249 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50 f; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; ebenso BSG - 1. Senat - zB BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14 mwN). Dann liegt eine Behandlungsmethode vor, deren Einsatz im Rahmen der GKV gemäß § 135 Abs 1 SGB V eine positive Empfehlung durch den BA bzw G-BA erfordert. In solchen Fällen ist zwar arzneimittelrechtlich keine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorgesehen; da aber eine Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V vorliegt, ist das Arzneimittel bzw die dieses einschließende Behandlungsmethode im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V zu überprüfen(BSGE 86, 54, 58, 59 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63, 65; vgl auch zB BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 55 f). Falls die in diesem Verfahren stattfindende Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien zu einer positiven Empfehlung des BA bzw G-BA führt, ist das Arzneimittel dann auch verordnungsfähig. Kommt es demgegenüber zur Zuordnung zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden, so darf eine Therapie mit diesem Arzneimittel nicht erfolgen; dieses ist nicht verordnungsfähig.

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Differenziert sind die Fälle zu beurteilen, in denen das Arzneimittel im Rahmen einer Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden soll, aber - wie im vorliegenden Fall - im Behandlungszeitpunkt die nach dieser Bestimmung notwendige Überprüfung durch den BA bzw G-BA noch nicht zu einem Ergebnis geführt hat(zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts s zB BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 69 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 12 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 15 f). Dann ist zu prüfen, ob die Vorenthaltung des Einsatzes in der GKV noch gerechtfertigt ist, ob nämlich die Dauer des Verfahrens noch rechtens ist oder ob die Durchführung des Verfahrens aus sachfremden Gründen verzögert wurde; in letzterem Fall ist weiter zu prüfen, ob die Behandlungsmethode als dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend bewertet werden kann und deshalb ungeachtet des Noch-Nicht-Vorliegens einer positiven Empfehlung für die GKV freigegeben werden kann (BSGE 86, 54, 60 ff, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66 ff, 69 ff; BSGE 94, 221 RdNr 23 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 24). Bei der ersatzweise gerichtlicherseits vorzunehmenden Bewertung sind die Belege zu würdigen, die im Behandlungszeitpunkt für eine Wirksamkeit sprechen konnten. Dabei sind für eine Wirksamkeitsanerkennung grundsätzlich wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken zu fordern. Im Falle von Krankheiten allerdings, bei denen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, sodass Therapien nur bei Symptomen ansetzen können, und daher die Forderung von Wirksamkeitsbelegen den Anspruch auf umfassende Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs 1 SGB V und die damit korrespondierende Behandlungspflicht des Vertragsarztes unmöglich machen würde(vgl zu diesem Ansatz BSGE 86, 54, 60 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66), reicht es ersatzweise aus, wenn sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis und/oder in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat (BSG aaO S 62 bzw S 67 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 37; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 25 ff, 29) bzw - in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen - eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung bzw auf eine positive Einwirkung auf den weiteren Krankheitsverlauf gegeben ist (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33).

33

Auch in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen sind aber weitere einschränkende Voraussetzungen zu beachten. Zwar ergeben sich aus der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33 f) und dem von diesem herangezogenen Sozialstaatsprinzip sowie aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates einerseits Abschwächungen zugunsten der Versicherten (vgl hierzu BVerfGE aaO S 41 ff, 44 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 17 ff, 24 ff; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 24 ff). Andererseits besteht aber auch eine Schutzpflicht in der Weise, dass der Staat den Versicherten davor zu bewahren hat, mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden. Dem dient das Erfordernis fundierter Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies darf nicht durch eine vermeintlich großzügige Gestattung der Versorgung mit Arzneimitteln unterlaufen und umgangen werden (vgl BSG aaO RdNr 25 iVm 35). Dementsprechend darf eine Pharmakotherapie, bei der eine fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nicht stattgefunden hat, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur eingesetzt werden, wenn der Wirksamkeitszusammenhang, der dieser Arzneimitteltherapie zugeschrieben wird, wenigstens in gewissem Umfang belegt werden kann. Fehlen höherwertige Studien, so können als Beleg auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Berichte von Expertenkomitees, Konsensuskonferenzen und Einzelfallberichte in Betracht kommen (vgl Nr 8.2 unter III der NUB-RL; vgl ebenso BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40 am Ende). Insgesamt müssen - auch bei lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen - erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen jedenfalls individuellen Wirkungszusammenhang vorliegen (BSG aaO RdNr 47). Dabei kommt auch der fachlichen Einschätzung durch den behandelnden Arzt Bedeutung zu (vgl BVerfGE aaO S 50 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 35 am Ende und BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende).

34

dd) Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die vorliegend zu beurteilenden Verordnungen ergibt sich, dass die vom Kläger zu 1. durchgeführten ASI-Verfahren in der GKV nicht zulässig waren. Die autologen Tumorvakzine wurden im Rahmen einer gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftigen Behandlungsmethode verordnet, wie das BSG bereits in seiner früheren Entscheidung vom 28.3.2000 ausgeführt hat (BSGE 86, 54, 57 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 62). In dem Zeitpunkt, als der Kläger zu 1. bzw die Gemeinschaftspraxis die Verordnungen vornahm (1998/1999), war das Verfahren der ASI gemäß § 135 Abs 1 SGB V noch beim BA anhängig (dieser gab erst am 10.4.2000 eine - negative - Empfehlung ab, s BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828), sodass also der Fall fehlender Entscheidung des BA bzw G-BA gemäß § 135 Abs 1 SGB V vorlag.

35

Zu der Frage, ob das Verfahren beim BA im Sinne der in RdNr 32 angesprochenen ersten Voraussetzung zu lange dauerte, braucht vorliegend nicht Stellung genommen zu werden. Denn es fehlen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für eine Akzeptanz der Anwendung dieser Therapiemethode: Ausgehend davon, dass die betroffenen Patienten hier an lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen litten (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 17 betreffend Darmkrebs), bedürfte es wenigstens ausreichender Belege im Sinne erheblicher ernsthafter Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang (s oben RdNr 33 am Ende). Daran fehlt es.

36

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil (L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 45) gab es zwar Phase-III-Studien, diesen konnte aber keine Aussagekraft für die vom Kläger zu 1. verordneten Tumorvakzine der Firma macropharm entnommen werden. Denn die Tumorvakzine unterschieden sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen schon in der Herstellungsweise der verschiedenen Herstellerfirmen. Diese hatten unterschiedliche Anwendungs- und Verarbeitungsmethoden. Zudem erfolgte die Herstellung jeweils speziell für den jeweiligen Versicherten, sodass sie auch untereinander verschieden waren und individueller Beurteilung bedurften (vgl LSG aaO RdNr 44). Tauglich könnte insoweit lediglich die von der Firma macropharm veröffentlichte Studie von R. sein; diese wies aber nach den Feststellungen im Berufungsurteil (aaO RdNr 45) und auch nach der Wertung des BSG in seinem früheren Urteil (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70) methodische Unzulänglichkeiten auf.

37

Auch hatte sich die ASI mit autologen Tumorvakzinen nicht etwa schon in der medizinischen Praxis durchgesetzt. Diese Behauptung hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend belegt bezeichnet (LSG aaO RdNr 48 bis 51). Die dazu vom Kläger zu 1. erhobene Verfahrensrüge, das LSG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, greift nicht durch. Die Rüge unzureichender Aufklärung des LSG erfordert im Falle eines Klägers, der bereits dort anwaltlich vertreten gewesen ist, die Darlegung, dass sich dem LSG auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl zB BVerwGE 131, 186, 189 RdNr 13; s auch zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 bis 26). In der Revisionsbegründung wird indessen nicht aufgezeigt, aufgrund welcher konkreten Darlegungen des Klägers zu 1. im LSG-Verfahren sich dem LSG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Mit seinen Ausführungen, entgegen der Auffassung des LSG hätten die vorliegenden Phase-III-Studien durchaus Aussagekraft für die von ihm zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm, setzt der Kläger zu 1. dem LSG lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegen. Er müsste aber konkrete Ansatzpunkte für Möglichkeiten des LSG zu weitergehender Aufklärung benennen und darlegen, dass er auf diese schon im LSG-Verfahren hingewiesen habe. Dies ist der Revisionsbegründung so nicht zu entnehmen.

38

Zu diesem Fragenkomplex hat es keines Hinweises des LSG bedurft - wie der Kläger zu 1. geltend macht -. Denn dieser Streitpunkt lag schon während des gesamten Verfahrens zu Tage (s dazu auch schon BSGE 86, 54, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 ff). Zudem hat bei ihm, da er bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen ist, vorausgesetzt werden können, dass er die Anforderungen kennt, die erfüllt sein müssen, damit das Gericht Anlass zu weiterer Aufklärung hat.

39

Bei den hier betroffenen Behandlungsfällen fehlt zudem eine weitere Voraussetzung, die für die Anerkennung ärztlich sachgerechten Vorgehens erforderlich wäre: Für die ausnahmsweise Zulässigkeit von Verordnungen zweifelhafter Art muss eine ausreichend substantiierte fachliche Einschätzung durch den verordnenden Arzt selbst erkennbar sein (vgl hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende und 50); dafür ist auch eine entsprechende therapiebegleitende Kontrolle und Dokumentation durch den behandelnden Arzt erforderlich (vgl dazu BSG aaO RdNr 50 f; s auch BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8). Indessen lag nach den Feststellungen im Urteil des LSG die Behandlung vor allem in den Händen des Dr. N., der im Auftrag der Firma macropharm die autologen Tumorvakzine herstellte und bearbeitete sowie die ASI bei den Patienten im Wesentlichen durchführte (LSG aaO RdNr 46). Wie im Urteil des LSG festgestellt ist, fertigten der Kläger zu 1. bzw der Partner der damaligen Gemeinschaftspraxis lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen an (LSG aaO RdNr 46).

40

Diese Feststellungen des LSG sind nach alledem tragfähig. Dem LSG fallen keine Verfahrensmängel zur Last. Abgesehen davon, dass die erhobenen Aufklärungsrügen nicht durchgreifen, sind auch keine Verstöße gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ersichtlich. Insbesondere liegen keine ausreichenden Umstände für die Annahme einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor. Dass das LSG, ohne dass dies voraussehbar gewesen wäre, strengere Anforderungen gestellt hätte als die bisherige BSG-Rechtsprechung, kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nicht anerkannt werden (vgl zB zu vorgenannten Dokumentationsanforderungen: BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 50 f). Der Kläger zu 1. hat das auch nicht in ausreichend substantiierter Weise geltend gemacht.

41

ee) Waren mithin die autologen Tumorvakzine nicht verordnungsfähig, so war Unwirtschaftlichkeit gegeben (zu dieser Gleichsetzung s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 25 mwN). Bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise ist die Festsetzung eines Regresses grundsätzlich berechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt vorliegend nicht in Betracht.

42

(1) Ohne Erfolg ist der Einwand des Klägers, ihm könne kein Verschulden oder höchstens vermindertes Verschulden angelastet werden und deshalb sei entweder ein Regress ganz ausgeschlossen oder dieser müsse jedenfalls erheblich herabgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 28 mwN, im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18; BSG MedR 2004, 577, 578) .

43

Bei Verordnungsregressen der hier vorliegenden Art ist auch kein Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AMRL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden(sogenannter Basismangel, vgl oben RdNr 23, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29). Mit dem Regress lediglich einen Teil der Unwirtschaftlichkeit abzuschöpfen, kann nur in anders gelagerten Fällen in Betracht kommen, zB im Rahmen eines Regresses aufgrund einer sogenannten Durchschnittsprüfung bei insgesamt deutlich höherem Verordnungsvolumen als im Durchschnitt der Arztgruppe und/oder bei einer Anfängerpraxis, evtl auch bei der Belassung von Restüberschreitungen (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30 am Ende; vgl weiterhin BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29 mit Hinweis auf die Fallgruppe "Anfängerpraxis", hierzu s zB Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 mwN). Bei Rezepturarzneimitteln, die nicht von Apotheken bezogen werden, ist im Übrigen nicht einmal Raum für einen Abzug von Apothekenrabatt und/oder Patienteneigenanteilen (vgl hierzu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 269 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 33). Dementsprechend ist in solchen Fällen die Höhe des Regresses dahingehend vorgezeichnet, dass vom Arzt Ersatz der vollen Kosten zu fordern ist. Raum für eine Regressermäßigung aufgrund einer Ermessensentscheidung besteht nicht.

44

(2) Zu Unrecht beruft sich der Kläger weiterhin darauf, dass er jedenfalls vor dem Hintergrund des Schreibens des BA vom 7.6.1999 auf die Zulässigkeit der ASI habe vertrauen dürfen. Ein Vertrauen könnte insoweit ohnehin allenfalls für diejenigen Verordnungen in Betracht gezogen werden, die der Kläger zu 1. nach Bekanntwerden des BA-Schreibens tätigte (also für seine Verordnungen im Quartal IV/1999). Indessen begründet das Schreiben bereits von seinem Inhalt her keinen Vertrauensschutz. Denn der BA hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der Behandlungsansatz (die Verordnung autologer Tumorvakzine) "bisher ohne abschließendes Ergebnis" von dem dem BA zuarbeitenden Arbeitsausschuss bearbeitet worden sei und dass daher "eine verbindliche Auskunft … zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht" werden könne. Da das Schreiben somit schon aufgrund seines "offenen Inhalts" für eine Vertrauensbegründung nicht ausreichen kann, bedarf es keiner Erörterung, ob der vom Kläger zu 1. geltend gemachten rechtlichen Bedeutung auch entgegensteht, dass das Schreiben des BA nicht an ihn selbst gerichtet war und dass es nicht die dem BA durch § 135 Abs 1 SGB V vorgegebene Handlungsform "Richtlinie" aufwies. Ist das Schreiben des BA vom 7.6.1999 mithin für den vorliegenden Fall rechtlich irrelevant, so fehlt der vom Kläger zu 1. erhobenen Verfahrensrüge, das LSG hätte es nicht ausreichend berücksichtigt, die Grundlage.

45

Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht darauf gestützt werden, dass in der Regel aus der arzneirechtlichen Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels dessen Verordnungsfähigkeit folgt. Denn dies betrifft nur den Regelfall von Fertigarzneimitteln, für deren Verkehrsfähigkeit das Zulassungsverfahren mit fundierter Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen werden muss, während hier der besondere Fall eines Rezepturarzneimittels zu beurteilen ist. Dass insoweit keine Überprüfung nach dem AMG und typischerweise auch keine dem nahekommende Überprüfung stattgefunden hat, kann bei Ärzten als bekannt vorausgesetzt werden (zur ärztlichen Sachkunde vgl BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 24 mit Hinweis auf zB BSGE 96, 1= SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 34). Von daher bedürfte es besonderer Umstände, um annehmen zu können, der Arzt habe auf die Verordnungsfähigkeit vertrauen dürfen. Hierfür fehlt es an den ausreichenden Anhaltspunkten. Den vom Kläger zu 1. angeführten Gerichtsentscheidungen stehen gegenläufige Entscheidungen gegenüber, in denen die Verordnungsfähigkeit autologer Tumorvakzine verneint wurde (s die Angaben im Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 S 4; vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 30).

46

(3) Ohne Erfolg wendet der Kläger zu 1. ferner ein, er habe sich in schwierigen Konfliktsituationen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen dafür entschieden, eine Behandlung durchzuführen, die immerhin von manchen Medizinern und Gerichten gebilligt worden sei, und deshalb sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) ein Regress ausgeschlossen. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit nach der vom Beklagten und von den Vorinstanzen vorgenommenen umfänglichen Prüfung überhaupt noch Raum für eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein kann. Selbst wenn hierfür Raum wäre, könnte dies nicht zu einem Erfolg für den Kläger zu 1. führen. Denn mit den autologen Tumorvakzinen sind Arzneimittel betroffen, bei denen sich Zweifel an der Verordnungsfähigkeit aufdrängen mussten: Eine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem Zulassungsverfahren hatte - da Rezepturarzneimittel - erkennbar nicht stattgefunden, eine Empfehlung des BA gab es nicht, und die Studienlage konnte nicht ohne Weiteres als tragfähig angesehen werden (vgl oben RdNr 34 ff). Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - und daher offenzulassen - ist die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein Arzt, der von einem pharmazeutischen Hersteller zur Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel veranlasst bzw verleitet wird und Regress an die vertragsärztlichen Institutionen leisten muss, Rückgriff gegen den Hersteller nehmen kann.

47

Im Rahmen von Regressen in der GKV ist auch kein Raum für die Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass bei Nicht-Durchführung dieser Arzneimitteltherapie Kosten für andere Behandlungsarten angefallen wären - sogenannte Vorteilsausgleichung - (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21).

48

c) Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers zu 1. entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger zu 1. nicht unverhältnismäßig (vgl oben RdNr 46).

49

4. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger zu 1. ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden - im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Stichtag hier noch anwendbaren - Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rückforderung vertragsärztlichen Honorars für die Quartale IV/1996 bis I/2001.

2

Der Kläger nahm bis zum 30.6.2004 als Radiologe an der vertragsärztlichen Versorgung in S. teil. Zunächst - ab 1.7.1989 bis zum 30.9.1996 - führte er eine Gemeinschaftspraxis mit Dr. B., welcher auf seine Zulassung zum 30.9.1996 verzichtete. Unter dem 17.7.1996 schloss der Kläger mit dem Arzt für Radiologische Diagnostik und für Strahlentherapie Dr. H. sowie dem Arzt für Radiologische Diagnostik Dr. M. einen "Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis". Danach war vorgesehen, dass Dr. B. nach seinem Ausscheiden seine Geschäftsanteile an Dres. H. und M. verkaufen und diese an seiner Stelle in die Gemeinschaftspraxis eintreten sollten. Als Hauptsitz der Gemeinschaftspraxis wurde S. bestimmt; weitere Praxisteile sollten in V. und im Krankenhaus W. betrieben werden. An Gewinnen und Verlusten sowie am Anlagevermögen waren der Kläger zu ½, die beiden anderen Ärzte zu je ¼ beteiligt. Zum geschäftsführenden Gesellschafter wurde der Kläger bestimmt. Gemäß "Gesellschafterbeschluss" vom 17.7.1996 war die Aufnahme eines weiteren Partners - "voraussichtlich" des zu 2. beigeladenen Dr. Ph. - vorgesehen (Nr 16a des Beschlusses). Der vierte Partner sollte sich gemäß Ziff 18a des Beschlusses "KV-rechtlich im Außenverhältnis ab 1.10.1996 niederlassen, und zwar offiziell in Gemeinschaftspraxis mit Dr. P. "; mit ihm sollte ein "Probejahr (freie Mitarbeit)" vereinbart werden (Nr 18b).

3

Am 30.7.1996 schlossen die "Gemeinschaftspraxis" Dres. P., H. und M. sowie der Beigeladene zu 2. sodann einen sogenannten Kooperationsvertrag. Dieser beinhaltete im Wesentlichen, dass der Beigeladene zu 2. ab dem 1.10.1996 bis zum Ablauf einer Probezeit als "freier Mitarbeiter" der "Gemeinschaftspraxis" tätig werden sollte. Nach beiderseits befriedigendem Ablauf der Probezeit sollte der Mitarbeiter am 1.10.1997 "partnerschaftlich eingebunden werden, und zwar bei Herstellung paritätischer Gesellschaftsanteile" (Ziff 6a der Präambel des Vertrages). Auf ein Mitarbeiterverhältnis waren auch die Detailregelungen (Zahlung eines Festgehalts ua) ausgerichtet. Ein "ggf. dem Zulassungsausschuss vorzulegender Vertrag" sollte zwischen den Vertragsparteien keine eigene Rechtswirkung entfalten (Ziff 2c der Präambel). Nach Ziff 6b der Präambel sollte der Mitarbeiter "im Außenverhältnis" den Gemeinschaftspraxis-Anteil des ausscheidenden Partners Dr. B. "erwerben" (Satz 1), aber hieraus keine Rechte herleiten können (Satz 2). Ebenso war bestimmt, dass der Vertragsarztsitz "der Praxis gehört" und bei "Ausscheiden ohne Gemeinschaftspraxis-Eintritt … vom freien Mitarbeiter … unentgeltlich (formal) zu übertragen" ist (Satz 4).

4

Der Beigeladene zu 2. bewarb sich auf den zur Nachbesetzung ausgeschriebenen Vertragsarztsitz von Dr. B. und wurde vom Zulassungsausschuss zum 1.10.1996 als Facharzt für Diagnostische Radiologie für den Vertragsarztsitz S. zugelassen. Zugleich genehmigte der Zulassungsausschuss den Antrag des Klägers sowie des Beigeladenen zu 2. auf Führung einer Gemeinschaftspraxis. Dres. H. und M. erhielten die Genehmigung zum Führen einer Gemeinschaftspraxis in V. Zu der im Kooperationsvertrag vorgesehenen partnerschaftlichen Einbindung des Beigeladenen zu 2. in die durch Dres. P. (Kläger), H. und M. gebildete "Gemeinschaftspraxis" kam es in der Folgezeit nicht. Insbesondere nahm er nach den Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an Gesellschafterversammlungen teil. Unstimmigkeiten zwischen den beteiligten Ärzten führten dazu, dass die zwischen dem Kläger und Dres. H. und M. bestehende Gesellschaft zum 31.12.2001 beendet wurde. Die zu 1. beigeladene "Gemeinschaftspraxis" wurde zum 31.3.2001 beendet.

5

Die Beigeladene zu 1. rechnete als "Gemeinschaftspraxis Dr. P./Dr. Ph." Leistungen ab, die in der Praxis in S. und in einem ausgelagerten, mit einem CT-Gerät ausgestatteten Praxisteil im Kreiskrankenhaus S. erbracht worden waren. In den Quartalen IV/1996 bis I/2001 erhielt sie Honorarzahlungen in einer Gesamthöhe von 4 145 507,66 DM. Mit inhaltlich identischen, sowohl an den Kläger als auch an den Beigeladenen zu 2. adressierten Bescheiden vom 30.11.2001 - dem Kläger am 5.12.2001 zugestellt - hob die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Honorarbescheide für die Quartale IV/1996 bis I/2001 auf und forderte die in diesen Quartalen ihres Erachtens zu Unrecht gezahlten Honorare in Höhe von insgesamt 1 785 135,03 DM (von der Beklagten in 880 578,27 Euro umgerechnet) zurück. Beide Ärzte hätten die Genehmigung zur gemeinschaftlichen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch vorsätzlich falsche Angaben über die gesellschaftsrechtliche Beteiligung erlangt. Die Höhe des neu festzusetzenden Honorars des Klägers sei unter Zugrundelegung des Fachgruppendurchschnitts ermittelt worden.

6

Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Auf Antrag des Klägers hat das LSG mit Beschluss vom 13.8.2002 (L 3 KA 161/02 ER) die aufschiebende Wirkung des Widerspruches insgesamt angeordnet. Auf die Klage des Klägers hat das SG die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und dies damit begründet, für die Rechtmäßigkeit der Honorarrückforderung komme es allein auf die eingereichten Sammelerklärungen an. Diese seien jedenfalls im Hinblick auf die Leistungserbringung nicht "falsch" (Urteil vom 13.10.2004).

7

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Richtigstellungs- und Rückforderungsbescheid sei rechtmäßig, auch wenn er an den Kläger und den Beigeladenen zu 2., nicht jedoch an die zu 1. beigeladene "Gemeinschaftspraxis" gerichtet gewesen sei. Der Bescheid erweise sich auch inhaltlich als rechtmäßig. Eine Abrechnung sei auch dann falsch, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit, in deren Rahmen die Leistungen erbracht worden seien, nicht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der vertragsärztlichen Versorgung ausgeübt worden sei. Dies gelte auch für den Fall der Leistungserbringung durch eine nur formal bestehende Gemeinschaftspraxis.

8

Für die Rechtmäßigkeit der Honorargewährung komme es nicht nur auf die formelle Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung an, sondern der Vertragsarzt müsse vielmehr auch materiell berechtigt sein, Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen. Daher sei die Beklagte berechtigt, im Falle eines Gestaltungsmissbrauchs der Rechtsformen vertragsärztlicher Kooperation die Honorarabrechnungen der beteiligten Ärzte sachlich-rechnerisch richtig zu stellen. Dies gelte auch für Fälle, in denen nach außen hin eine Gemeinschaftspraxis mit entsprechender Genehmigung des Zulassungsausschusses betrieben worden sei, die Genehmigung aber nicht hätte erteilt werden dürfen oder hätte widerrufen werden müssen, weil eine gemeinschaftliche Berufsausübung nie gewollt gewesen oder später nicht mehr realisiert worden sei. Dieser Fall sei vorliegend gegeben, denn die Beigeladene zu 1. sei ungeachtet ihrer formellen Genehmigung keine Gemeinschaftspraxis gewesen, weil der Beigeladene zu 2. tatsächlich als angestellter Arzt tätig geworden sei.

9

Unverzichtbar für die Annahme einer Tätigkeit in "freier Praxis" sei, dass dem Gesellschafter Mitgliedschaftsrechte in Form von Mitwirkungsrechten, insbesondere Stimmrechten, durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumt würden, weil ansonsten nicht angenommen werden könne, dass der Arzt den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen und persönlichen Mittel selbst bestimme. Dem Beigeladenen zu 2. seien weder nach Vertragslage noch tatsächlich Mitwirkungsmöglichkeiten an den zentralen, die Struktur der Praxis in S. bestimmenden Entscheidungen eingeräumt worden. Hierüber hätten allein der Kläger und die Dres. H. und M. in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der GbR, die die wirkliche Trägerin der Praxis in S. und V. gewesen sei, befunden. Der Beigeladene zu 2. sei nie in die Gesellschaft aufgenommen worden und habe insbesondere an keiner Gesellschafterversammlung teilgenommen. Dass er bei seiner Arbeit in der CT-Außenstelle selbstständig habe arbeiten können, ändere daran nichts, da die GbR über die Rechtsmacht verfügt habe, sich im Konfliktfall gegen den Beigeladenen zu 2. durchzusetzen. Dieser sei zudem weder an Gewinnen noch Verlusten der Praxis beteiligt gewesen, sondern habe ein festes Gehalt bezogen. Auch eine Beteiligung am Vermögen der Gemeinschaftspraxis habe zu keiner Zeit vorgelegen.

10

Die Beklagte habe die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen in Anknüpfung an die in den strittigen Quartalen unrichtigen Sammelerklärungen durchführen dürfen. Den Kläger treffe auch ein Verschulden, zumindest im Sinne grober Fahrlässigkeit. Er habe aufgrund der Verträge wissen müssen, dass der Beigeladene zu 2. in Wirklichkeit nur die Stellung eines unselbstständig tätigen Assistenten inne gehabt habe. Bei der Neufestsetzung des Honorars sei die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die vom Beigeladenen zu 2. erarbeiteten Honorare zu Unrecht ausgezahlt worden seien. Die Schätzung der verbleibenden Honorare anhand der durchschnittlichen Einnahmen einer radiologischen Einzelpraxis bewege sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil vom 17.12.2008, MedR 2009, 497 = GesR 2009, 206).

11

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die bundesmantelvertraglichen Bestimmungen über die sachlich-rechnerische Richtigstellung von Honorarforderungen stellten keine ausreichende Rechtsgrundlage für die streitbefangene Honorarrückforderung dar, da die abgerechneten Leistungen entsprechend den Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen erbracht und abgerechnet worden seien. Die Beklagte mache vielmehr einen vermeintlichen "sonstigen Schaden" geltend. Der Anwendung der Regelungen über die sachlich-rechnerische Richtigstellung stehe im Übrigen die Drittbindungswirkung der ihm - dem Kläger - und dem Beigeladenen zu 2. erteilten Gemeinschaftspraxis-Genehmigung entgegen. Diese Genehmigung habe statusbegründenden Charakter. Die Kompetenz der Zulassungsgremien sei abschließend und lückenlos; auch die Beklagte sei an deren Entscheidung gebunden. Diese Kompetenzverteilung und die daraus resultierende Drittbindungswirkung könne die Beklagte nicht dadurch umgehen, dass sie einseitig im Wege der Aufhebung erteilter Honorarbescheide ihre Ansicht durchzusetzen versuche.

12

Selbst wenn man unterstelle, dass der Vertrag über die Gemeinschaftspraxis vertragsarztrechtlich bedenklich sei, könne ihm - dem Kläger - als juristischem Laien, der einen solchen Vertrag unter fachlicher Beratung durch einen bundesweit anerkannten Spezialisten auf dem Gebiet des Vertragsarztrechts abgeschlossen habe, nicht der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs gemacht werden. Die Frage der fehlerhaften Vertragsgestaltung sei erst in das Blickfeld der Beklagten gerückt, nachdem gegen den beratenden Rechtsanwalt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, das mit einer Verurteilung geendet habe. Der Vertrag sei von ihm - dem Kläger - freiwillig vorgelegt worden; nur dadurch habe die Beklagte Kenntnis von diesem erhalten. Dies spreche gegen die ihm unterstellte Absicht der Irreführung.

13

Im Übrigen sei der Beigeladene zu 2. in "freier Praxis" tätig gewesen; er habe den ausgelagerten Praxisteil am Krankenhaus S. selbstständig und eigenverantwortlich geführt. Der Kooperationsvertrag stehe den Anforderungen einer Tätigkeit in "freier Praxis" nicht entgegen. Der Beigeladene zu 2. habe seine Tätigkeit frei und eigenverantwortlich ausgeübt, habe Beginn, Dauer und Ende seiner Tätigkeit frei bestimmt und über den Einsatz des nichtärztlichen Personals verfügt. Unzutreffend sei auch, dass der Beigeladene zu 2. an keiner Gesellschafterversammlung teilgenommen habe. Unabhängig davon hätte das LSG den Beteiligten einen Hinweis darauf geben müssen, dass es seine Entscheidung wesentlich auf die Feststellung stützen wolle, dass sich aus den Protokollen der Gesellschafterversammlungen eine Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. nicht ergebe. Das LSG habe dies jedoch nicht getan und so den Beteiligten keine Möglichkeit gegeben, diesbezüglich Beweis anzutreten. Das Fehlen einer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen vermöge ebenso wenig wie eine feste Gewinnbeteiligung und der Ausschluss einer Verlustbeteiligung die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Arztes zu gefährden. Eine unterschiedliche Ausgestaltung der Rechte der Gesellschafter sei jedenfalls für eine Übergangszeit des "Kennenlernens" von in der Regel drei Jahren - aber auch darüber hinaus - zulässig.

14

Wie das BVerfG entschieden habe, sei der Begriff des "freien Berufes" ein soziologischer Begriff und kein eindeutiger Rechtsbegriff, aus dem präzise normative Wirkungen abgeleitet werden könnten. Es obliege dem Gesetzgeber, die Merkmale eines "freien" Berufs im Einzelnen festzulegen und damit das Berufsbild zu fixieren. Die Unbestimmtheit des § 32 Abs 1 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) lasse eine Auslegung, die konkrete Anforderungen an die Vertragsgestaltung stelle, um so weniger zu, als die Regelung damit in die Nähe einer Berufszugangsregelung gerückt werde. Schließlich verstoße § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV in der Auslegung des LSG gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, wenn sich Partner einer Gemeinschaftspraxis einem drohenden Honorarregress bereits dadurch entziehen könnten, dass sie ihre internen vertraglichen Regelungen geheim hielten. Schließlich scheide, da der angefochtene Bescheid dem Kläger am 5.12.2001 zugestellt worden sei, eine sachlich-rechnerische Richtigstellung von Quartalsbescheiden, die vor dem 5.12.1997 ergangen seien, aus.

15

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 17.12.2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hannover vom 13.10.2004 zurückzuweisen.

16

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

17

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Insbesondere stehe der sachlich-rechnerischen Richtigstellung keine "Drittbindungswirkung" durch die vom Zulassungsausschuss erteilte Gemeinschaftspraxisgenehmigung entgegen. Denn die angefochtenen Bescheide hätten keinen Einfluss auf den Zulassungsstatus des Klägers. Sie - die Beklagte - sei berechtigt, das Honorar einer Scheingemeinschaftspraxis in der Weise zu reduzieren, dass die einzelnen Ärzte so behandelt würden, als wären sie in einer Einzelpraxis tätig gewesen. Es liege ein offenkundiger Rechtsmissbrauch vor, wenn bereits in der Präambel des Kooperationsvertrages bestimmt werde, dass ein ggf dem Zulassungsausschuss vorzulegender Vertrag keine Bindungswirkung entfalten werde. Die behauptete gleichberechtigte Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. an Entscheidungen werde durch die vorliegenden Unterlagen widerlegt. Dessen Befragung vor dem LSG habe ergeben, dass er noch nicht einmal Kenntnis gehabt habe, wann die regulären Gesellschafterversammlungen stattgefunden hätten. Für Fälle von Abrechnungsbetrug gelte die vierjährige Verjährungsfrist nicht.

18

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat seine Klage zu Recht unter Aufhebung des Urteils des SG abgewiesen. Die Beklagte hat die der Beigeladenen zu 1. erteilten Honorarbescheide zu Recht aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung teilweise aufgehoben und von den an ihr beteiligten Ärzten zu viel gezahltes Honorar zurückverlangt. Sie hat den Rückforderungsbetrag auch der Höhe nach zutreffend berechnet.

20

1. Die Entscheidung des LSG ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe den Beteiligten einen Hinweis darauf geben müssen, es werde seine Entscheidung wesentlich auf die Feststellung stützen, dass sich aus den Protokollen eine Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. an Entscheidungen über "Praxisangelegenheiten" nicht ergebe, macht er einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne einer Überraschungsentscheidung geltend. Eine Überraschungsentscheidung liegt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; zuletzt BVerfG , Beschluss vom 7.10.2009 - 1 BvR 178/09 - juris RdNr 8) wie auch des BSG (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 4 S 23; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 17)dann vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht.

21

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn Art 103 Abs 1 GG begründet keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts (stRspr des BVerfG, vgl BVerfGE 66, 116, 147; BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG , Beschluss vom 27.11.2008 - 2 BvR 1012/08 - juris RdNr 6). Prozessbeteiligte - insbesondere anwaltlich vertretene - müssen grundsätzlich von sich aus alle vertretbaren Gesichtspunkte in Betracht ziehen und sich in ihrem Vortrag darauf einstellen (BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 18 mwN). Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll lediglich verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (BSG Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R - NZS 2004, 660 ff unter Hinweis auf BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN). Dementsprechend liegt keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, wenn die betroffene Sach- oder Rechtsfrage bereits Gegenstand von Äußerungen der Beteiligten des Verfahrens war, das zu der angegriffenen Entscheidung führte (BVerfG, , Beschluss vom 12.7.2006 - 2 BvR 513/06 - BVerfGK 8, 376). So liegt es auch hier, denn die Frage einer Tätigkeit des Beigeladenen zu 2. in "freier Praxis" - für deren Beantwortung ggf auch eine Beteiligung an Gesellschafterversammlungen Bedeutung haben kann - hat von Beginn des Verfahrens an im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung gestanden.

22

2. Die Beklagte hat die allgemeinen Vorgaben für eine Richtigstellung der Abrechnungen der Beigeladenen zu 1. beachtet.

23

a) Rechtsgrundlage der aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung erfolgten Aufhebung der Honorarbewilligungen für die Quartale IV/1996 bis I/2001 sind hier noch § 45 Abs 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw § 34 Abs 4 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä)(für Zeiträume ab 1.1.2004 vgl nunmehr § 106a SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190).

24

Nach diesen im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften hat die KÄV von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse die Befugnis, die von Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und nötigenfalls richtig zu stellen (stRspr, vgl BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 5 RdNr 13). Dies kann auch im Wege nachgehender Richtigstellung erfolgen (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 10 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich weiter, dass der Vertragsarzt das Honorar, das ihm nach sachlich-rechnerischer Abrechnungskorrektur nicht mehr zusteht, erstatten muss (BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11; BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 13).

25

b) Der Anwendung dieser bundesmantelvertraglichen Regelungen steht nicht entgegen, dass vorliegend nicht Abrechnungsverstöße im engeren Sinne - etwa der fehlerhafte Absatz von Gebührennummern - in Rede stehen. Zwar geht es bei der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vor allem um die Auslegung und Anwendung der Gebührenordnungen (s schon BSGE 42, 268, 270 = SozR 2200 § 368n Nr 9, S 21 f), jedoch hat der Senat die entsprechenden bundesmantelvertraglichen Vorschriften in ständiger Rechtsprechung umfassend verstanden.

26

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertrags(zahn)arztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 10; BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 15; s schon BSG SozR 5557 Nr 5451 Nr 1 S 2). Dies entspricht den Formulierungen in den zu § 106a SGB V erlassenen Richtlinien(vgl § 3 Abs 1 und 2 iVm § 4 der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KÄVen und der Krankenkassen, DÄ 2004, A 2555 bzw A 3135; § 5 Abs 1 iVm Abs 3 der Richtlinien der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 106a SGB V, zm 2008, S 111 ff).

27

Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht danach nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11). Dementsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung das Rechtsinstitut der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zB bei der Abrechnung fachfremder Leistungen (vgl ua BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 1)oder qualitativ mangelhafter Leistungen angewandt, aber auch bei Leistungen eines nicht genehmigten Assistenten (BSG SozR 3-5525 § 32 Nr 1 S 3 f)sowie bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten (BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 2), bei der Abrechnung von Leistungen, die nach stationärer Aufnahme erbracht werden (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 8; s hierzu auch die Nachweise bei BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11),bei der Nichtbeachtung der bereichsspezifischen Vorschriften zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung (BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 15)und schließlich bei einem Missbrauch vertragsarztrechtlicher Kooperationsformen (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6; zuletzt BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris).

28

Die Beklagte hat die sachlich-rechnerische Richtigstellung daher zu Recht darauf stützen dürfen, dass sich die Beigeladene zu 1. durch die angeblich gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers mit dem Beigeladenen zu 2. vertragsärztliches Honorar verschafft hat, das sie - bzw der Kläger in Einzelpraxis - bei Beachtung der vertragsärztlichen Pflichten nicht hätte erzielen können. Diesen auf pflichtwidriger Verhaltensweise beruhenden Honoraranteil darf die KÄV sachlich-rechnerisch richtig stellen und insoweit bereits ausgezahltes Honorar zurückfordern. Sie ist nicht darauf beschränkt, den Pflichtenverstoß disziplinarisch zu ahnden und/oder auf die Entziehung der Zulassung hinzuwirken (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 12).

29

c) Die Beklagte war auch berechtigt, eine Honorarrückforderung - statt gegenüber der zu 1. beigeladenen "Gemeinschaftspraxis" - gegenüber dem Kläger geltend zu machen.

30

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide, die Quartale betreffen, in denen eine Praxis als Gemeinschaftspraxis (jetzt Berufsausübungsgemeinschaft) geführt wurde, nicht an die Gemeinschaftspraxis, sondern nur an einen der Partner gerichtet wurden (vgl BSGE 89, 90, 93 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6). Die Partner einer Gemeinschaftspraxis können jeder für sich in Anspruch genommen werden (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16).

31

Zum anderen rechtfertigt sich der an den Kläger gerichtete Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid auch dadurch, dass eine Gemeinschaftspraxis lediglich pro forma bestand. Weil dies materiell-rechtlich die Zusammenarbeit zweier in "freier Praxis" tätiger Ärzte voraussetzt, der Beigeladene zu 2. jedoch in Wirklichkeit lediglich als Angestellter des Klägers (bzw der "Gesellschaft") tätig war (s dazu unter 3. b cc), war der Kläger somit tatsächlich in Einzelpraxis tätig. Die Beklagte ist - jedenfalls in Bezug auf die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen - nicht an lediglich formal bestehende, materiell-rechtlich jedoch rechtswidrige Statusentscheidungen gebunden (s unter 3. c). "Vertragspartner" der Beklagten war daher der Kläger, so dass auch die Rückabwicklung im Verhältnis Kläger-Beklagte zu erfolgen hat.

32

3. Die Beklagte war auch in der Sache berechtigt, die Abrechnungen der "Gemeinschaftspraxis" für die streitgegenständlichen Quartale richtig zu stellen. Denn die "Gemeinschaftspraxis", der (auch) der Kläger angehörte, hat in dieser Zeit Leistungen abgerechnet, die im Widerspruch zu bindenden Vorgaben des Vertragsarztrechts erbracht wurden. Die vom Zulassungsausschuss genehmigte, aus ihm und dem zu 2. beigeladenen Arzt Dr. Ph. bestehende Gemeinschaftspraxis existierte tatsächlich nicht. Dr. Ph. war lediglich als Angestellter des Klägers tätig, und die Genehmigung zur Beschäftigung eines angestellten Arztes hatte die Beklagte nicht erteilt.

33

Die vertraglich zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2. vereinbarte Kooperation erfüllte die Voraussetzungen des § 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV nicht, weil der zu 2. beigeladene Dr. Ph. nicht in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV tätig war. Über die berufliche und persönliche Selbstständigkeit, die für die Ausübung der Tätigkeit des Vertragsarztes in "freier Praxis" erforderlich ist, verfügte Dr. Ph. zu keinem Zeitpunkt. Dieser Arzt trug nach den Vereinbarungen zwischen ihm und dem Kläger das wirtschaftliche Risiko der Praxis nicht mit und war in keiner Weise am Wert der Praxis beteiligt, die durch seine Tätigkeit mit geschaffen wurde. Jedenfalls soweit beides explizit ausgeschlossen ist, wird die ärztliche Tätigkeit nicht mehr in freier Praxis ausgeübt.

34

a) Nach § 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV ist die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit zulässig unter allen zugelassenen Leistungserbringern. Das setzt die (auch materiell rechtmäßige) Zulassung eines jeden einzelnen Mitglieds der Gemeinschaftspraxis voraus (vgl Engelmann, ZMGR 2004, 3, 10). Schon hieran fehlt es. Denn der Beigeladene zu 2. war - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - bereits nicht als Arzt in freier Praxis, sondern tatsächlich als "freier Mitarbeiter" tätig. Da das Vertragsarztrecht den Typus des "freien Mitarbeiters" nicht kennt, ist der Beigeladene zu 2. vertragsarztrechtlich als "angestellter Arzt" bzw als "Assistent" zu qualifizieren. Derartige Tätigkeiten sind nur mit entsprechender Genehmigung zulässig; daran fehlte es jedoch.

35

b) Nach § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in "freier Praxis" auszuüben. Dies war dem Beigeladenen zu 2. gesellschaftsvertraglich nicht möglich, und er hat es auch tatsächlich nicht getan.

36

aa) Der Begriff der "freien Praxis" ist nicht zu unbestimmt, um hieraus Anforderungen an die vertragsärztliche Tätigkeit abzuleiten. Dem steht auch nicht die Aussage des BVerfG entgegen, dass der (vergleichbare) Begriff "freier Beruf" kein eindeutiger Rechtsbegriff, sondern ein soziologischer Begriff sei, der aus einer bestimmten gesellschaftlichen Situation erwachsen sei und aus dem sich keine präzise normative Wirkungen ableiten ließen (BVerfGE 10, 354, 364). Abgesehen davon, dass das BVerfG diese Aussagen getätigt hat, um der (gegenteiligen) Auffassung entgegenzutreten, dieser Begriff beinhalte einen spezifischen, gesteigerten Gehalt an Freiheit (vgl BVerfG aaO), unterscheidet sich die Situation vornehmlich dadurch, dass der ähnliche Begriff der "freien Praxis" vorliegend nicht im allgemeinen - "soziologischen" - Sinne gebraucht wird, sondern durch die Regelungen in § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV wie auch in § 98 Abs 2 Nr 13 SGB V ("nach den Grundsätzen der Ausübung eines freien Berufes …") normativen Gehalt bekommen hat. Darüber hinaus ist der Begriff der "freien Praxis" durch zahlreiche Entscheidungen des BSG weiter konkretisiert worden (s unter 3. b bb).

37

Im Übrigen hat auch das BVerfG in verschiedenen Entscheidungen den Kerngehalt dieses Begriffes dahingehend umschrieben, dass der Arztberuf durch ein hohes Maß an eigener Verantwortlichkeit und eigenem Risiko in wirtschaftlicher Beziehung charakterisiert sei (BVerfGE 9, 338, 351). Das Berufsbild der freiberuflich Tätigen trage im Ganzen den "unternehmerischen Zug", der auf Selbstverantwortung, individuelle Unabhängigkeit und eigenes wirtschaftliches Risiko gegründet sei (BVerfGE 10, 354, 369). Der frei praktizierende Arzt habe die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, könne insbesondere seine Arbeitszeit frei einteilen, er trage aber auch das volle wirtschaftliche Berufsrisiko (BVerfGE 16, 286, 294). Mithin wird eine Tätigkeit in "freier Praxis" unzweifelhaft durch die Merkmale individuelle Unabhängigkeit und Tragung des wirtschaftlichen Risikos konkretisiert.

38

bb) Was für eine Tätigkeit persönlich in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV - im Gegensatz zu einem Angestelltenverhältnis im Sinne des § 32b Ärzte-ZV - erforderlich ist, hat das BSG in seinen Urteilen vom 16.3.1973 (BSGE 35, 247 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435), vom 16.7.2003 (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2)und vom 28.11.2007 (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3)vorgezeichnet. Das Merkmal erfordert mehr, als nach den §§ 705 ff BGB für die Stellung als Gesellschafter erforderlich ist. Die vertragsärztliche Tätigkeit muss in beruflicher und persönlicher Selbstständigkeit gesichert sein; erhebliche Einflussnahmen Dritter müssen ausgeschlossen sein; insbesondere darf nicht in Wahrheit ein verstecktes Angestelltenverhältnis vorliegen (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26, anknüpfend an BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2; vgl auch BSGE 91, 164 RdNr 17, 18 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 16, 17; - jeweils betreffend Gemeinschaftspraxis). Zur erforderlichen eigenverantwortlichen Gestaltung ärztlicher Tätigkeit gehört es, dass der Arzt ein wirtschaftliches Risiko trägt, insoweit es maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen muss, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt (BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1437 - betreffend Facharzt für Laboratoriumsmedizin). Zudem muss der Arzt die Befugnis haben, den medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen zu gestalten sowie über die räumlichen und sächlichen Mittel, ggf auch über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken (BSGE 35, 247, 250 = NJW 1973, 1435, 1436; BSGE 76, 59, 64 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 7; BSGE 80, 130, 132 f = SozR 3-5520 § 20 Nr 2 S 13).

39

Somit beinhaltet die Tätigkeit in "freier Praxis" zum einen eine wirtschaftliche Komponente - die Tragung des wirtschaftlichen Risikos wie auch eine Beteiligung an den wirtschaftlichen Erfolgen der Praxis - und zum anderen eine ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht.

40

Für das Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, das einem Arzt bei der von ihm bei seinem Antrag auf Zulassung geplanten und dann ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit verbleibt, können zivilrechtliche Vereinbarungen, die er bezogen auf die Arztpraxis getroffen hat, Bedeutung haben. Dies gilt nicht nur für Gemeinschaftspraxen (hierzu s BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25 f), sondern auch in anderen Fällen, etwa dann, wenn einem Arzt die Praxisräume und -ausstattung von einem anderen zur Verfügung gestellt werden und dieser sich erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Praxisausstattung und den Praxisbetrieb vorbehält. In solchen Fällen ist es Aufgabe der Zulassungsgremien, aber ggf auch der Sozialgerichte und der KÄVen, die zivilrechtlichen Verhältnisse in die Überprüfung einzubeziehen (hierzu zuletzt BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26 mwN).

41

cc) Die dargestellten Voraussetzungen einer Tätigkeit in "freier Praxis" waren im Falle des Beigeladenen zu 2. schon nicht gegeben, als er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde. Sie sind angesichts der gescheiterten Aufnahme in die "Gesellschaft" ebenso wenig während seiner anschließenden Tätigkeit eingetreten. Der Beigeladene zu 2. trug nämlich zu keinem Zeitpunkt ein erkennbares wirtschaftliches Risiko (1) und war an der Verwertung des von ihm erarbeiteten Praxiswerts nicht beteiligt (2). Ob er darüber hinaus auch in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung (3).

42

(1) Das Erfordernis, dass es beim Vertragsarzt "maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen" muss, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt (BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1437), ihn also im positiven wie im negativen Sinne die Chance und das Risiko des beruflichen Erfolges oder Misserfolges persönlich treffen müssen, ist der Notwendigkeit geschuldet, den Status des Vertragsarztes von dem Status des angestellten Arztes abzugrenzen. Nur dann ist das Merkmal beruflicher und persönlicher Selbstständigkeit gegeben und liegt nicht ein (verstecktes) Angestelltenverhältnis vor. Dies bedeutet insbesondere, dass der Vertragsarzt nicht wie ein Angestellter nur ein Festgehalt erhalten darf. Vielmehr muss ihm maßgeblich der Ertrag seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zugute kommen, ebenso wie ein eventueller Verlust zu seinen Lasten gehen muss. Dieses Erfordernis muss von Anbeginn der vertragsärztlichen Tätigkeit erfüllt sein, kann mithin nicht für die Dauer einer "Probezeit" suspendiert werden.

43

Diese Teilhabe an Gewinn und Verlust der laufenden Praxistätigkeit kann nicht allein auf den Kapitaleinsatz bezogen werden, der bei der ärztlichen Tätigkeit nicht die ausschlaggebende Rolle spielt, wie der Senat bereits in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 16.3.1973 - BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1436 f ) ausgeführt hat. Fehlender wirtschaftlicher Erfolg einer Praxis wirkt sich im Übrigen vor allem in Gestalt einer Reduzierung des sogenannten Unternehmerlohns aus, weil die laufenden Praxiskosten nicht sogleich einem Umsatzrückgang angepasst werden können, und kann auch zum Auflaufen von Verbindlichkeiten führen. Ob im Übrigen die Gewichtung von Kapitaleinsatz und persönlicher Arbeitskraft des Arztes, die im Urteil vom 16.3.1973 zum Ausdruck kommt, heute im Zuge der Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Tätigkeit anders vorgenommen werden müsste, bedarf hier keiner Entscheidung.

44

Diese Voraussetzungen lagen, wie vom LSG zutreffend festgestellt, nicht vor:
Nach dem - die Rahmenbedingungen für das Tätigwerden des Beigeladenen zu 2. in der "Gemeinschaftspraxis" regelnden - Kooperationsvertrag sollte der Beigeladene zu 2. kein wirtschaftliches Risiko tragen (Ziff 2a und b der Präambel zum Kooperationsvertrag); gemäß § 4 des Vertrages erhielt er ein Festgehalt("regelmäßige Vergütung pro Arbeitswoche"). Die "Abrechnung von Privat- und Kassenpatienten" oblag allein "den Praxisinhabern" (§ 5 Abs 1 des Vertrages); zudem war der Beigeladene zu 2. "im Innenverhältnis" von allen Honorarkürzungs- und Regressansprüchen freigestellt (§ 2 Abs 6 des Vertrages). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese - eine "Mitunternehmerschaft" des Beigeladenen zu 2. in Bezug auf die Einkünfte ausschließenden - Regelungen in der Folgezeit nicht mehr gegolten haben. Denn zu dessen avisierten Eintritt in die von Dres. P., H. und M. gebildete Gesellschaft ist es unzweifelhaft nicht gekommen, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG bestätigt hat. Der Beigeladene zu 2. hat bekräftigt, dass es bis 2001 bei den im Vertrag vereinbarten Zahlungen geblieben sei und er auch in der Folgezeit ein Festgehalt erhalten habe. Die im Schrifttum erörterte Frage, ob die Zahlung eines Festgewinnanteils für die Annahme einer Tätigkeit in "eigener Praxis" ausreichen kann (s hierzu Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 4 f), stellt sich vorliegend nicht, da der Beigeladene zu 2. gerade keine gewinnbezogenen Zahlungen erhalten hat.

45

Auch wenn die für bzw gegen eine Tätigkeit in "freier Praxis" sprechenden Gesichtspunkte grundsätzlich in ihrer Gesamtheit in die Abwägung einzubeziehen sind, stellt der Umstand, dass sich die Einkommenssituation des Beigeladenen zu 2. nicht von der eines "freien Mitarbeiters" bzw der eines Angestellten unterschied, ein so wesentliches Indiz gegen eine selbstständige Tätigkeit in "freier Praxis" dar, dass bereits aus diesem Grunde die Entscheidung des LSG zu bestätigen ist. Daher kann es dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene zu 2. im Übrigen Einfluss auf die Führung der - letztlich auch die "Gemeinschaftspraxis" beherrschenden, vom Kläger sowie Dres. H. und M. gebildeten - "Gesellschaft" hatte.

46

Da es bereits an jeglicher Tragung eines wirtschaftlichen Risikos fehlt, kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob im Falle von Gemeinschaftspraxen (bzw Berufsausübungsgemeinschaften) jeder Partner auch substantiell am Gesellschaftsvermögen beteiligt werden muss (s hierzu die Nachweise bei Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 6 f mit Fn 57 bis 60) oder ob - ggf auch nur für eine Übergangsfrist - auch eine sogenannte "Null-Beteiligung" unschädlich sein kann. Dieser Aspekt könnte lediglich dann Bedeutung haben, wenn die Bewertung des vorrangigen (einkommensbezogenen) Kriteriums der "Tragung des wirtschaftlichen Risikos" keine eindeutige Aussage erlaubt. Allerdings sprechen gewisse Gesichtspunkte dafür, dass eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen nicht ausnahmslos erforderlich ist. Wenn ein Arzt sowohl am wirtschaftlichen Gewinn wie auch an einem etwaigen Verlust beteiligt ist, also das Einkommens-Risiko trägt, muss er nicht auch noch zwingend das weitere (Vermögens-)Risiko tragen. So könnten Gestaltungen zulässig sein, in denen Ärzte (gemeinsam) nicht nur die Praxisräume, sondern auch die komplette Praxisausstattung anmieten, ihr Kapitaleinsatz also gegen Null geht, oder in denen ein alteingesessener Vertragsarzt mit einem jungen Arzt, der in fernerer Zukunft die Praxis übernehmen soll, zunächst eine Gemeinschaftspraxis bildet, in der die gesamte Praxisausstattung dem "Alt-Arzt" gehört.

47

(2) Ein wesentlicher Mangel an ausreichender Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ergab sich ferner daraus, dass dem Beigeladenen zu 2. bei Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit keine Chance auf Verwertung des auch von ihm erarbeiteten Praxiswertes blieb. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ist - unabhängig von der Frage einer Beteiligung der Partner an den Investitionen und Kosten der Praxis - grundsätzlich eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis (dem sogenannten "Goodwill") erforderlich, da dies Ausfluss der mit einer Tätigkeit in "freier Praxis" verbundenen Chancen ist. Dabei kann die vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall unterschiedlich sein (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 14).

48

Zwar sind Einschränkungen des für Einzelpraxen typischen Rechts, im Falle der Aufgabe der Praxistätigkeit über die Verwertung des Praxiswerts - insbesondere durch Ausschreibung des Vertragsarztsitzes in Verbindung mit dem Abschluss eines Vertrages mit dem Praxisnachfolger über einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswertes der Praxis (§ 103 Abs 4 SGB V) - zu verfügen, dann üblich, wenn es sich um eine Gemeinschaftspraxis handelt. Bei ihr sind die Bindungen und Arbeitsteilungen unter den Praxispartnern zu beachten; diese rechtfertigen Beschränkungen der Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen Partners. Dabei werden auch die Rechte des Ausscheidenden häufig beschränkt, nämlich zB auf den Anspruch auf Abfindungszahlungen reduziert (s dazu H.-J. Rieger, Verträge zwischen Ärzten in freier Praxis, 8. Aufl 2009: Heidelberger Musterverträge, Heft 41, Teil 2: Kooperationsverträge, Vertrag für Gemeinschaftspraxis, § 14, S 46-48).

49

Selbst derart beschränkte Teilhaberechte am Wert der Praxis waren aber durch den Kooperationsvertrag ausgeschlossen. Dort war insbesondere bestimmt, dass der freie Mitarbeiter den Gemeinschaftspraxis-Anteil "nur im Außenverhältnis" erwirbt und hieraus keine Rechte herleiten kann; zudem hat er den Anteil bei einem Ausscheiden unentgeltlich auf die "Gemeinschaftspraxis" zu übertragen (Ziff 6b der Präambel). Auch ist er nicht am "Good-Will" der Praxis beteiligt (Ziff 7 der Präambel). Selbst wenn man dies ggf für die Dauer einer begrenzten "Probezeit" akzeptieren wollte, käme dies im Falle des Beigeladenen zu 2. schon wegen der auf unbestimmte Zeit fortgesetzten Probezeit nicht zum Tragen.

50

(3) Dahingestellt bleiben kann, ob der Beigeladene zu 2. ausreichende Dispositionsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht besaß. Das Erfordernis, dass der Arzt die Befugnis haben muss, den medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen zu gestalten sowie über die räumlichen und sächlichen Mittel, ggf auch über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken (BSGE 35, 247, 250 = NJW 1973, 1435, 1436), hat zum Inhalt, dass erhebliche Einflussnahmen Dritter bei der Gestaltung des medizinischen Auftrags und bei der Disposition über das Hilfspersonal ausgeschlossen sein müssen. Entsprechendes gilt für die Disposition über die Sachausstattung der Praxis. Dies sind Ausprägungen der rechtlichen Vorgabe, dass die vertragsärztliche Tätigkeit "persönlich in freier Praxis" ausgeübt werden muss (§ 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV), wofür wesentlich ist, dass er die Verfügungsmacht über die Praxis hat. Selbst wenn die Praxis und deren Inventar nicht unbedingt in seinem Eigentum stehen müssen, muss er neben der Gestaltung des medizinischen Auftrags und neben der Personalhoheit auch in einem gewissen Umfang die Sachherrschaft haben. Nur dann ist eine Verfügungsmacht über die Praxis und eine Tätigkeit "in freier Praxis" gegeben.

51

Nach den Feststellungen des LSG steht nicht in Zweifel, dass der Beigeladene zu 2. bei der Gestaltung des medizinischen Auftrags in ausreichendem Maß "sein eigener Herr" war. Insoweit hat das LSG jedoch zutreffend darauf verwiesen, dass erhebliche (fachliche) Entscheidungs- und Handlungsspielräume allen höheren Dienstleistungen eigen sind. Bezüglich der Frage, ob dem Beigeladenen zu 2. in ausreichendem Maße die Personalhoheit verblieben ist, liegt es schon aus Gründen der - im Gesamtinteresse liegenden - Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Praxis nahe, dass er wohl im ausreichenden Maße über das für seine Tätigkeit erforderliche Personal verfügen konnte. Auch die Weisungsbefugnis gegenüber dem nichtärztlichen Hilfspersonal dürfte angesichts der Notwendigkeiten, die eng mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit zusammenhängen, bestanden haben. Offen bleiben kann, ob dem Beigeladenen zu 2. das Recht zustand, über die Organisation des Inventars und der sächlichen Hilfsmittel, die Materialwirtschaft, die kaufmännische und administrative Ausgestaltung der Arztpraxis zu bestimmen. Zweifellos konnte er nicht über größere Anschaffungen bestimmen, da die Mittel dazu von der "Gesellschaft", an der er nicht beteiligt war, aufgebracht wurden. Andererseits dürften ihm die für seine Tätigkeit erforderlichen Materialien und Geräte zur Verfügung gestanden haben.

52

c) Einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung steht schließlich nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 2. formal zugelassen und die zu 1. beigeladene Gemeinschaftspraxis formal genehmigt war, und diese Zulassung bzw Genehmigung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden kann (vgl hierzu BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 14 - Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes; dies aufgreifend BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25; LSG Nordhrein-Westfalen, Urteil vom 13.9.2006 - L 11 KA 30/06 - MedR 2008, 50; Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 20 RdNr 47). Denn der Beigeladene zu 2. hätte nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden dürfen, weil - aus den vorstehend dargelegten Gründen - von vornherein die Voraussetzungen für eine Zulassung fehlten; Entsprechendes gilt für die Gemeinschaftspraxis-Genehmigung. In derartigen Fällen steht dem Vertragsarzt ungeachtet des rückwirkend nicht korrigierbaren Status kein Honorar zu (so auch Wenner aaO RdNr 48; Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13; Schallen, Zulassungsverordnung, 7. Aufl 2009, § 33 RdNr 142 ff).

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aa) Ein die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllender oder für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ungeeigneter Arzt, der sich die Vertragsarztzulassung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verschafft hat, kann nicht unter Berufung auf den dadurch erworbenen formalrechtlichen Status vertragsärztliche Leistungen erbringen und abrechnen (BSGE 76, 153, 155 = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368f Nr 1). Dies gilt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl Spoerr/Fenner, MedR 2002, 109, 115) nicht allein - wie in den bereits entschiedenen Fällen - dann, wenn es an der erforderlichen Approbation und damit bereits an der Erbringung ärztlicher Leistungen fehlt, und/oder, wenn der Arzt rückwirkend auf seine Zulassung verzichtet hat (vgl Spoerr/Fenner aaO). Vielmehr ist eine Berufung auf einen formalrechtlichen Status - jedenfalls soweit es die Abrechnungsprüfung betrifft - auch in anderen Fällen ausgeschlossen, in denen die Zulassungsgremien eine Zulassung bei Kenntnis der genauen Umstände nicht erteilt hätten bzw nicht hätten erteilen dürfen (in diesem Sinne - Honorarrückforderung im Falle des Rechtsmissbrauchs - auch Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 9; vgl weiterhin Clemens/Steinhilper in Laufs/Kern , Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 35 RdNr 78 ff).

54

Dies gilt insbesondere im Falle einer missbräuchlichen Nutzung von Gestaltungsformen. Ein Gestaltungsmissbrauch in Form eines Missbrauchs der Rechtsform liegt nicht nur - wie vom Senat bereits entschieden - dann vor, wenn rechtlich in Praxisgemeinschaft verbundene Ärzte die Patienten wie Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis behandeln (vgl BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 16 ff; BSG, Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris), sondern auch in anderen Fällen, in denen die formal gewählte Rechtsform nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Vorliegend haben der Kläger und der Beigeladene zu 2. die Kooperationsform Gemeinschaftspraxis dadurch missbräuchlich genutzt, dass beide die vertragsärztliche Tätigkeit nicht "gemeinsam" ausgeübt haben, sondern faktisch der Kläger in Einzelpraxis tätig war und den Beigeladenen zu 2. - ohne entsprechende Genehmigung - als Assistenten bzw Angestellten beschäftigte.

55

Für die Rechtmäßigkeit der Gewährung vertragsärztlichen Honorars kommt es nicht allein darauf an, dass der Vertragsarzt formell zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sondern er muss vielmehr auch materiell berechtigt sein, Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen (Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13 unter Bezugnahme auf BSGE 76, 153, 155 = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368f Nr 1). Zudem sind die mit der Verleihung des Status einer Gemeinschaftspraxis verbundenen Vorteile gegenüber einer Einzelpraxis nur gerechtfertigt, wenn die rechtsförmige Gestaltung der Kooperation die Gewähr dafür bietet, dass die mit der Genehmigung der gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit verbundenen Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrgenommen werden (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 22).

56

bb) Einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung wie auch einer daraus resultierenden Rückforderung vertragsärztlichen Honorars steht eine etwaige "Tatbestandswirkung" bzw Drittbindungswirkung (zur Terminologie s BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2 S 6; s auch Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl 2008, § 43 RdNr 105) der Zulassung bzw der Gemeinschaftspraxisgenehmigung in dem Sinne, dass andere Behörden bzw Gerichte an diese Entscheidung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gebunden sind (vgl Roos in v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Vor § 39 RdNr 4 mwN),nicht entgegen. Drittbindungswirkung hat der Senat etwa einem Arztregistereintrag im Rahmen eines Zulassungsverfahrens (vgl BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2; BSG SozR 3-2500 § 95c Nr 1; eingrenzend aber BSGE 104, 128 = SozR 4-2500 § 95 Nr 15, RdNr 15 ff) sowie der Approbationsentscheidung im Rahmen einer Arztregistereintragung (BSGE 95, 94 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1)beigemessen. Ob eine solche Drittbindungswirkung besteht, ist bereichsspezifisch durch Auslegung der einschlägigen Normen entsprechend ihrem Regelungszweck zu ermitteln; sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Behörde für den Erlass eines gestaltenden bzw konstitutiv-feststellenden Verwaltungsaktes mit einem Regelungsmonopol ausgestattet ist (BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 42 mwN). Sie erfordert das Vorhandensein entsprechender gesetzlicher Regelungen, in denen der Umfang der Bindung wiederum bereichsspezifisch und abhängig von ihrem erkennbaren Regelungszweck unterschiedlich ausgestaltet sein kann (BSG aaO mwN).

57

Es kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang eine Drittbindungswirkung der Entscheidungen der Zulassungsgremien zu bejahen ist, denn zumindest bezogen auf die vorliegende Konstellation wirken sich der Status des zu 2. beigeladenen Arztes als Vertragsarzt wie die ebenfalls statusbegründende Genehmigung der zu 1. beigeladenen Gemeinschaftspraxis nicht auf die Berechtigung der Beklagten aus, aus der gesetzwidrigen Gestaltung der beruflichen Kooperation die notwendigen vergütungsrechtlichen Folgerungen zu ziehen. Der Status des zugelassenen Vertragsarztes und der genehmigten Gemeinschaftspraxis sichern die vertragsärztliche Tätigkeit im Rechtsverhältnis zu Dritten ab (s hierzu schon BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 16 mwN). Die Versicherten können sich darauf verlassen, durch einen zugelassenen Arzt im Rahmen des Sachleistungsprinzips behandelt zu werden; die von einem solchen Arzt ausgestellten Verordnungen sind wirksam und - von der hier nicht relevanten Situation des kollusiven Zusammenwirkens mit einem Apotheker abgesehen - von diesem auszuführen (BSG aaO; vgl auch BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25). Solange der Status nicht beseitigt ist, wird der betreffende Arzt im Rahmen der Bedarfsplanung berücksichtigt und darf seine organschaftlichen Mitwirkungsrechte innerhalb der KÄV wahrnehmen.

58

Das alles spielt im Rechtsverhältnis zwischen der KÄV und ihrem Mitglied keine Rolle mehr, wenn bekannt ist, dass der Arzt von seiner Zulassung keinen gesetzeskonformen Gebrauch gemacht hat. Für den Rückgriff der KÄV auf die tatsächlichen Verhältnisse bedarf es entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Spoerr/Fenner, MedR 2002, 109, 112 f) nicht der rückwirkenden Beseitigung des Status (ebenso Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13; Clemens/ Steinhilper aaO, RdNr 76 ff). Im Innenverhältnis zur KÄV schützt der verliehene, aber rechtswidrig erlangte bzw genutzte Status den betroffenen Arzt zumindest in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht.

59

Insoweit besteht eine Parallele zur Beamtenernennung, die durch Täuschung herbeigeführt worden ist. Diese ist nicht nichtig, sondern vielmehr mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (vgl § 14 Abs 1 Nr 1 Bundesbeamtengesetz - BBG -). Im Innenverhältnis hat dies ua zur Folge, dass der Beamte die erhaltene Besoldung zu erstatten hat (s hierzu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 23.10.1979 - IV 1423/77 - juris, dort RdNr 18 f), sofern der Dienstherr sein Ermessen (vgl § 15 Satz 4 BBG in der ab 12.2.2009 gültigen Fassung = § 14 Satz 2 BBG in der bis 11.2.2009 gültigen Fassung) nicht dahingehend ausübt, dass sie ihm belassen wird. Im Außenverhältnis zu Dritten sind die bis zur Zustellung der Erklärung der Rücknahme vorgenommenen Amtshandlungen jedoch in gleicher Weise gültig, wie wenn ein Beamter sie ausgeführt hätte (§ 15 Satz 3 BBG). Wegen der mehrpoligen Rechtsbeziehungen im Vertragsarztrecht scheidet hier die rückwirkende Beseitigung des Status aus; vergleichbar dem Dienstherrn im Beamtenverhältnis darf aber die KÄV aus der zu Unrecht erfolgten Verleihung des Status die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Ihr gegenüber entfaltet der Status dann keine Schutzwirkung mehr.

60

d) Der Aufhebung der ursprünglichen Honorarbescheide steht auch die vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb derer der Bescheid über die sachlich-rechnerische Richtigstellung ergehen muss (s hierzu BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16; BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12), nicht entgegen. Die Ausschlussfrist beginnt in allen Fällen der Richtigstellung von Honorarbescheiden mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (BSG MedR 2008, 100 RdNr 18; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 18; ebenso das weitere Urteil vom 28.3.2007- B 6 KA 28/06 R -; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 28 iVm 31, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), begann mithin für das Quartal IV/1996 mit der Mitte April 1997 erfolgten Bekanntgabe der Honorarbescheide und endete dementsprechend Mitte April 2001. Da der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid erst am 30.11.2001 erlassen worden ist, ist dieser in Bezug auf Teile der Honorarrückforderung nicht innerhalb der Ausschlussfrist erlassen worden.

61

Nach Ablauf der Ausschlussfrist ergehende Kürzungs- bzw Rückforderungsbescheide können - auch wenn die Richtigstellung von fehlerhaften vertragsärztlichen Abrechnungen grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzt (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6 RdNr 28)- regelmäßig nur noch dann Rechtswirkungen entfalten, wenn die Vertrauensschutzausschlusstatbestände des § 45 SGB X(Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1) vorliegen (grundlegend BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; ebenso BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 16; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 32, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Dies ist jedoch hier der Fall. Denn die Honorarbescheide beruhen zum einen auf Angaben, die der Kläger grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X), zum anderen hat er die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X).

62

Für den Senat bestehen auf der Grundlage der Feststellungen des LSG keine Zweifel, dass der Kläger wusste, dass der zu 2. beigeladene Dr. Ph. im Innenverhältnis nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis werden sollte bzw dass es hierzu noch einer ausdrücklichen Aufnahme des Beigeladenen zu 2. in die Gesellschaft bedurft hätte, zu der es später nicht gekommen ist. Die ausdrückliche Wendung in den geschlossenen Verträgen, für die Binnenbeziehungen der Beteiligten soll es auf die den Zulassungsgremien vorgelegten Verträge nicht ankommen, lässt deutlich erkennen, dass den Beteiligten die Unrechtmäßigkeit der Konstruktion bewusst war. Dass diese nach Darstellung des Klägers auf anwaltlicher Beratung beruhte, hat offenbar strafverfahrensrechtliche Konsequenzen für den betroffenen Rechtsanwalt gehabt und mag Schadensersatzansprüche des Klägers gegen diesen Rechtsanwalt begründen. Als langjährig tätiger Vertragsarzt hat der Kläger jedoch gewusst, dass ein Arzt, der weder am Erfolg noch am Wertzuwachs der Praxis beteiligt sein sollte, kein Partner einer Gemeinschaftspraxis sein kann. Im Übrigen hatte der damals beratende Rechtsanwalt M. den Kläger bereits im Jahre 1998 (mit an die Mitglieder der "Gesellschaft" gerichtetem Schreiben vom 9.7.1998) mitgeteilt, dass er erneut auf das "Problem Dr. Ph." gestoßen sei, das er mit den Beteiligten zu unterschiedlichen Zeitpunkten bereits angesprochen habe, und darauf aufmerksam gemacht, dass "aufgrund der neuesten Entwicklungen" KÄVen und Zulassungsausschüsse vermehrt die Auffassung verträten, dass Ärzte, die kein unternehmerisches Risiko trügen, nicht in "freier Praxis" niedergelassen seien. Da die Gefahr einer Rückforderung der Gesamthonorare bestehe, solle das Problem schnell gelöst werden.

63

4. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Klägers gegen seine Rückzahlungspflicht greifen nicht durch.

64

a) Es begegnet zunächst keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an eine Tätigkeit in "freier Praxis" zu binden (zur hinreichenden Bestimmtheit des Begriffes s bereits unter 3. b aa). Diese Einschränkung hat vor Art 12 Abs 1 GG Bestand, weil sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und nicht weitergeht, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander (vgl hierzu BSGE 91, 164 RdNr 14 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 13 mwN). Wie bereits dargelegt, dient das Merkmal "in freier Praxis" der Abgrenzung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV von der eines Angestellten im Sinne des § 32b Ärzte-ZV (bzw der eines Assistenten). Diese Abgrenzung ist erforderlich, weil mit der Zuordnung zu der einen oder der anderen Gruppe erheblich voneinander abweichende Rechte und Pflichten verbunden sind. Insbesondere ist im Rahmen einer Beschäftigung von Angestellten und Assistenten eine Ausweitung der Leistungsmenge nur in begrenztem Umfang möglich.

65

b) Soweit der Kläger darüber hinaus einen Gleichheitsverstoß annimmt, weil Ärzte, die keine Verträge vorlegen würden, besser gestellt wären, geht er fehl. Wie der Senat bereits entschieden hat, sind Vertragsärzte verpflichtet, den Zulassungsgremien Verträge über die Gemeinschaftspraxis vorzulegen (BSG, Urteil vom 16.7.2003 - B 6 KA 34/02 R - SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 24; ebenso BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26). Dass die Vorlage solcher Verträge in früheren Zeiten noch nicht üblich gewesen sein mag und es vorliegend nicht um deren Vorlage im Genehmigungsverfahren, sondern in einem Verfahren auf Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung geht, ändert nichts daran, dass auch die KÄVen die Befugnis und Aufgabe haben, die Vorlage der Verträge zu verlangen, wenn dies zur Prüfung der Abrechnung auf ihre sachliche Richtigkeit erforderlich ist (vgl oben 3. b bb letzter Absatz).

66

c) Die rückwirkende Aufhebung der Honorarbescheide und die Pflicht zu vollständiger Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Honorare ist für die betroffenen Ärzte auch (im engeren Sinne) verhältnismäßig, da bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (vgl BVerfGE 76, 196, 207; BVerfGE 85, 248, 259 mwN; BVerfGE 94, 372, 390). Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Rechtsfolge nicht aus Umständen resultiert, die vom Vertragsarzt nicht zu beeinflussen sind, wie etwa das Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze oder eines bestimmten Versorgungsgrades in einem Planungsgebiet (s hierzu BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 75). Vielmehr hat der Kläger die Ursache selbst gesetzt (vgl hierzu BSG aaO), indem er sich bewusst und in zumindest möglicher Kenntnis der Folgen für die gewählte Form der Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen zu 2. entschieden hat.

67

Zudem ist die Rechtsfolge unvermeidlich, um die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu erhalten. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG haben Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems die Funktion, zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Vertragsarzt für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 47 mwN). Daher steht dem Vertragsarzt für Leistungen, die nicht gemäß den Bestimmungen des Vertragsarztrechts erbracht worden sind, auch kein Vergütungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu. Denn die Bestimmungen des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn der Vertragsarzt die rechtswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis dennoch vergütet bekäme (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14). Dies gilt selbst dann, wenn bei Wahl der rechtmäßigen Gestaltungsform der Honoraranspruch ebenso hoch gewesen wäre.

68

Diese Aussagen gelten auch für den vorliegenden Fall. Könnten Verstöße gegen die für die Leistungserbringung maßgeblichen Bestimmungen nur mit Wirkung für die Zukunft sanktioniert werden, ginge deren Steuerungsfunktion verloren, weil für Vertragsärzte jeglicher Anreiz fehlte, sich normgemäß zu verhalten. Im Gegenteil bestünde gerade ein Anreiz zu normwidrigen Verhalten, wenn die Früchte des Handelns dem Arzt verblieben.

69

5. Schließlich ist der Rückforderungsbetrag auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Beklagte durfte das verbleibende Honorar im Wege der Schätzung ermitteln und dabei ein Honorar in Höhe des Fachgruppendurchschnitts festsetzen (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1 S 6, 8). Diese Schätzung hat sich das LSG in nicht zu beanstandender Weise zu Eigen gemacht (zu den Anforderungen vgl BSG aaO S 9).

70

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Genehmigung zur Anstellung eines Strahlentherapeuten im Zusammenhang mit der Einbeziehung dieser Arztgruppe in die Bedarfsplanung.

2

Am 20.12.2012 beantragte der Kläger, der Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) ist, bei dem Zulassungsausschuss (ZA), ihm die Anstellung des zu 8. beigeladenen Strahlentherapeuten zu genehmigen. Daraufhin teilte der ZA dem Kläger mit, dass künftig auch die Arztgruppe der Strahlentherapeuten der Bedarfsplanung unterliegen würden. Aufgrund eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom 6.9.2012 könne über den Antrag erst entschieden werden, nachdem der Landesausschuss erstmalig über den Versorgungsgrad befunden habe (sog Moratorium). Nachdem der Landesausschuss in seiner Sitzung am 15.2.2013 für Bayern eine Zulassungsbeschränkung für Strahlentherapeuten wegen Überversorgung angeordnet hatte, lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag des Klägers auf Genehmigung der Anstellung des Beigeladenen zu 8. ab.

3

Der beklagte Berufungsausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 14.11.2013 (Beschluss vom 26.9.2013) zurück. Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg. Das LSG hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger nur einen Anspruch auf Genehmigung der Anstellung habe, sofern für die Arztgruppe der Strahlentherapeuten keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet seien. Zwar hätten zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Zulassungsbeschränkungen bestanden. Aufgrund des am 6.9.2012 vom GBA beschlossenen Entscheidungsmoratoriums sei der Antrag jedoch auch dann abzulehnen, wenn die Zulassungsbeschränkungen erst nach der Antragstellung angeordnet würden. Sowohl das Entscheidungsmoratorium als auch die Regelungen des GBA zur Einbeziehung der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung stünden mit höherrangigem Recht im Einklang und seien deshalb wirksam. Auch eine unzulässige Rückwirkung liege nicht vor, weil der Kläger seinen Antrag auf Genehmigung der Anstellung erst nach der Veröffentlichung des Beschlusses des GBA im Bundesanzeiger gestellt habe.

4

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass er Anspruch auf die beantragte Anstellungsgenehmigung habe, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung im Dezember 2012 keine Zulassungsbeschränkungen bestanden hätten und solche Beschränkungen auch nicht nachträglich wirksam angeordnet werden könnten. Grundsätzlich werde die Legitimation des GBA nicht in Frage gestellt. Mit der Anordnung eines Entscheidungsmoratoriums für Anträge auf Zulassung und auf Erteilung einer Anstellungsgenehmigung bis zur Entscheidung des Landesausschusses über den Versorgungsgrad habe der GBA seine Regelungskompetenz jedoch überschritten. Sowohl § 19 Abs 1 S 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) als auch § 95 Abs 2 S 9 SGB V regelten explizit, dass Zulassungsanträge wegen Zulassungsbeschränkungen nur abgelehnt werden dürften, wenn diese bereits im Zeitpunkt der Antragstellung angeordnet waren. Gemäß § 95 Abs 9 S 1 SGB V gelte das sinngemäß auch für Anstellungsgenehmigungen. Die einschränkende Auslegung des § 19 Abs 1 S 2 Ärzte-ZV aus Urteilen des Senats vom 17.10.2007 (B 6 KA 31/07 R - USK 2007-95 sowie BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4), in denen es um ein Entscheidungsmoratorium im Zusammenhang mit der Neuordnung der Planungsbereiche im Land Berlin gegangen sei, seien auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Anders als dort diene das Entscheidungsmoratorium hier nicht der Vermeidung eines vorübergehenden Regelungsvakuums für bereits beplante Arztgruppen. Vielmehr beziehe sich das Moratorium auf Arztgruppen, die erst später - durch die ab dem 1.1.2013 geltenden "Richtlinien über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung" (Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte ) - in die Bedarfsplanung einbezogen worden seien. Darüber hinaus sei die Einbeziehung von kleinen Arztgruppen mit bundesweit weniger als 1000 Ärzten und damit auch für Strahlentherapeuten gemäß § 101 Abs 2 Nr 2 SGB V unzulässig. Die Einbeziehung kleiner Arztgruppen in die Bedarfsplanung sei auch nicht Teil des gesetzgeberischen Auftrags zur Neuordnung der Bedarfsplanung zum 1.1.2013 gewesen. Ferner macht der Kläger unter Bezugnahme auf Stellungnahmen der Bundesärztekammer geltend, dass die Grenze zur Überversorgung für die zum 1.1.2013 neu in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen undifferenziert und ohne ausreichende Sachverhaltsermittlungen auf der Basis der im Jahr 2010 bestehenden Einwohner-Arzt-Relation festgelegt worden sei. So sei bezogen auf die strahlentherapeutische Versorgung nicht berücksichtigt worden, dass diese vor 10 bis 15 Jahren überwiegend durch ermächtigte Krankenhausärzte abgedeckt worden sei. Darüber hinaus seien die Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung hier überschritten. Die Kriterien für die Einbeziehung von Strahlentherapeuten seien durch den GBA erst mit Wirkung zum 1.1.2013 festgelegt worden. Die mit Wirkung vom 1.1.2013 neu gefasste Bedarfsplanungs-Richtlinie vom 20.12.2012 sei erst am 31.12.2012 veröffentlicht worden. Aufgrund des Moratoriumsbeschlusses wirke diese Änderung auf einen davor liegenden Zeitraum zurück. Es fehle an einer gesetzlichen Grundlage für einen so weitgehenden Eingriff in grundrechtsrelevante Rechtspositionen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 14.1.2015, das Urteil des SG Nürnberg vom 20.3.2014 und den Bescheid des Beklagten vom 14.11.2013 (Beschluss vom 26.9.2013) aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Genehmigung zur Anstellung des Beigeladenen zu 8. als Facharzt für Strahlentherapie am Vertragsarztsitz des Klägers mit einem Beschäftigungsumfang von 45 Stunden pro Woche zu erteilen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das Urteil des LSG. Bei der Einbeziehung neuer Arztgruppen in die Bedarfsplanung komme dem GBA ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der auch die Regelung einer Entscheidungssperre für die Zeit bis zur Entscheidung des Landesausschusses über das Vorliegen von Überversorgung umfasse. Die gesetzlichen Vorgaben im SGB V genügten den an die Bestimmtheit zu stellenden Anforderungen.

8

Die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV), die keinen Antrag stellt, hält das Urteil des LSG ebenfalls für zutreffend. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten habe der Versorgungsgrad für die Arztgruppe der Strahlentherapeuten im maßgeblichen Planungsbereich (KÄV Bezirk Bayern) 161,8 % betragen. Daran habe sich bis heute nichts Wesentliches geändert. Weder die Einbeziehung der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung noch die am 6.9.2012 durch den GBA beschlossene Entscheidungssperre (Moratorium) seien zu beanstanden.

9

Die Anstellungsgenehmigung sei zu Recht von dem Kläger und nicht von der BAG beantragt worden, deren Mitglied er sei. Sowohl das SGB V als auch die Ärzte-ZV regelten allein die Genehmigung der Anstellung bei einem Arzt und nicht die Anstellung bei einer BAG. Die Personenbezogenheit der Anstellungsgenehmigung ergebe sich auch aus dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Ferner sei der Vertragsarzt verpflichtet, seine Praxis persönlich zu leiten und den angestellten Arzt zur Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten. Verstöße könnten nur gegenüber dem einzelnen Vertragsarzt und nicht gegenüber einer BAG disziplinarisch geahndet werden. Die Erteilung der Anstellungsgenehmigung gegenüber der BAG führe zudem im Falle der Auflösung einer aus zwei Vertragsärzten bestehenden BAG zu rechtlich schwer lösbaren Problemen. Auch der Umstand, dass der Arzt zivilrechtlich in der Regel durch die BAG und nicht durch eines ihrer Mitglieder angestellt werde, stehe dem nicht entgegen, weil die zulassungsrechtlichen Anforderungen nicht von zivilrechtlichen Vereinbarungen abhingen.

10

Der GBA, dem der Senat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, teilt bezogen auf die Rechtmäßigkeit der Einbeziehung von Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung im Wesentlichen die Auffassung der zu 1. beigeladenen KÄV und trägt außerdem vor, dass die Neufassung des § 101 Abs 1 Satz 6 SGB V mit dem Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) auf eine wesentliche Änderung der Grundlagen der Bedarfsplanung abgezielt habe. In diesem Zusammenhang seien die sog unbeplanten Arztgruppen auf der Grundlage des § 101 Abs 2 Nr 1 SGB V einbezogen worden und es sei - im Vorgriff auf noch zu beschließende Änderungen - eine Entscheidungssperre geregelt worden. Die Einbeziehung der Strahlentherapeuten und weiterer Arztgruppen sei aufgrund der bereits mehr als ausreichenden Versorgung und des ungebrochenen Wachstums bei überproportionalem Ressourcenverbrauch erforderlich gewesen. Es habe Anlass zu der Befürchtung bestanden, dass es mit dem Bekanntwerden der Absicht zur Einbeziehung in die Bedarfsplanung zu einer weiteren Zunahme von Zulassungsanträgen von Ärzten der betroffenen Arztgruppen kommen werde. Von Übergangsregelungen, die das BSG in seiner Rechtsprechung bereits als rechtmäßig angesehen habe, unterscheide sich das hier zu beurteilende Moratorium allein dadurch, dass sie nicht nur den Zeitraum seit der Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie bis zur Entscheidung des Landesausschusses über Zulassungsbeschränkungen, sondern bereits einen Zeitraum vor der Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie umfasse. Dies stehe der Rechtmäßigkeit des Moratoriums aber nicht entgegen. Auch sei die Bestimmung der Verhältniszahlen nicht zu beanstanden. Der GBA habe das Versorgungsniveau zum Stichtag 2010 zutreffend mit 110 % bewertet. Es treffe auch nicht zu, dass die demografische Entwicklung bei der Bestimmung der Verhältniszahlen unberücksichtigt geblieben sei. Bei den neu in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen hänge die Leistungsmengenentwicklung weniger stark mit der allgemeinen demografischen Entwicklung zusammen, als in anderen Leistungsbereichen. Als Korrektiv habe der GBA sich zudem verpflichtet, seine Entscheidung zur Nichtanwendung des Demografiefaktors zu überprüfen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger die Genehmigung der Anstellung des Beigeladenen zu 8. zu versagen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

12

1. Dem Anspruch des Klägers auf Erteilung der Genehmigung steht nicht entgegen, dass er zunächst die Anstellungsgenehmigung nur für sich selbst und nicht für die BAG geltend gemacht hat, deren Mitglied er ist. Allerdings geht der Senat davon aus, dass der Anspruch auf eine Anstellungsgenehmigung nach § 95 Abs 9 Satz 1 SGB V, § 32b Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV im Grundsatz nur der BAG und nicht dem einzelnen Vertragsarzt als Mitglied der BAG zustehen kann. Ausgeschlossen ist jedenfalls die Erteilung einer Anstellungsgenehmigung ohne die Zustimmung der anderen Mitglieder der BAG, der der Arzt angehört.

13

Die Frage, ob die Genehmigung für die Anstellung eines Arztes in einer BAG einem der Mitglieder der BAG oder aber der BAG selbst zu erteilen ist, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur (vgl zB Bedei/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Stand der Nachlief 1/2011, § 33 Ärzte-ZV RdNr E 33-2b; Michels/Möller, Ärztliche Kooperationen, 3. Aufl 2014, S 100, Rompf/Schröder/Willaschek, Kommentar zum Bundesmantelvertrag-Ärzte, 2014, § 14a RdNr 17; Schallen, Zulassungsverordnung, 8. Aufl 2012, § 32b RdNr 63; Bonvie, GesR 2008, 505, 506; Steinhilper in Halbe/Schirmer, Kooperation im Gesundheitswesen, A 1300, Stand November 2015, RdNr 53; aA Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2008, § 32b RdNr 35) geht bisher davon aus, dass die Genehmigung nur dem einzelnen Arzt erteilt werden kann. § 95 Abs 9 Satz 1 SGB V bestimmt ebenso wie § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV, dass "der Vertragsarzt" unter bestimmten Voraussetzungen Ärzte anstellen kann und § 103 Abs 4b Satz 1 SGB V regelte den Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung mit dem Ziel, "bei einem Vertragsarzt als nach § 95 Abs 9 Satz 1 angestellter Arzt" tätig zu werden. Daraus kann jedoch entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1. nicht der Schluss gezogen werden, dass die Genehmigung auch für die Anstellung in einer BAG dem einzelnen Arzt zu erteilen wäre. Eine Zuordnung von Rechten und Pflichten entweder zum einzelnen Arzt oder zur BAG nimmt das SGB V nicht vor. Die Begriffe "Arzt" oder "Vertragsarzt" werden im SGB V an verschiedenen Stellen verwendet, ohne dass zwischen den in Einzelpraxis tätigen Ärzten und den in einer BAG zusammenarbeitenden Ärzten unterschieden würde. Im Übrigen enthält das SGB V auch keine Definition der BAG (vgl dazu § 1a Nr 12 Bundesmantelvertrag - Ärzte).

14

Mit den Vertragsärzten sind regelmäßig auch die in einer BAG verbundenen Vertragsärzte gemeint, ohne dass eine Aussage dazu getroffen wird, ob ein Anspruch der BAG oder dem einzelnen Arzt als deren Mitglied zusteht. So betreffen die Vorschriften zur Honorarverteilung - wie bereits in der Überschrift zu § 87b SGB V (Vergütung der Ärzte) zum Ausdruck kommt - grundsätzlich die Vergütung "der Ärzte". Gleichwohl ist in ständiger Rechtsprechung geklärt, dass Adressat des Honorarbescheides im Falle der gemeinschaftlichen Ausübung der ärztlichen Tätigkeit die BAG und nicht der einzelne Arzt ist, der der BAG angehört (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 65 RdNr 12). Die BAG tritt der KÄV wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber. Dementsprechend ist sie rechtlich gesehen eine Praxis (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 65 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21; BSG Urteil vom 8.12.2010 - B 6 KA 38/09 R - MedR 2011, 823, RdNr 23; BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14; Engelmann in von Wulffen/Krasney, Festschrift 50 Jahre BSG, S 429, 435). Sie erwirbt gegenüber der KÄV Honoraransprüche und sie ist ggf zur Rückzahlung überzahlten Honorars verpflichtet (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 23). Daran ändert sich auch durch den Wechsel ihrer Mitglieder oder durch das Ausscheiden eines Mitglieds aus einer mehr als zweigliedrigen Gemeinschaftspraxis im Grundsatz nichts (vgl BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 27; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17; BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 39/11 R - RdNr 19; BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 18; BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 42/11 R - RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 30 RdNr 14; zum Fortbestand der Gesellschaft bürgerlichen Rechts vgl zB BGH vom 2.12.2010 - V ZB 84/10 - BGHZ 187, 344 = NJW 2011, 615, RdNr 13).

15

Die Beigeladene zu 1. weist zwar zutreffend darauf hin, dass bei der BAG der einzelne Arzt Träger der Zulassung bleibt. Insofern unterscheidet sich die BAG von dem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ). Deshalb verbleibt das Recht, zB das Ruhen der Zulassung zu verlangen oder sich im Urlaubsfall vertreten zu lassen, bei dem einzelnen in der BAG tätigen Vertragsarzt. Bezogen auf die Anstellungsgenehmigung nach § 32b Ärzte-ZV, die deutlich weitergehende Wirkung hat, ist jedoch zu berücksichtigen, dass durch die Genehmigung der BAG ein besonderer vertragsarztrechtlicher Status vermittelt wird(vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 78 RdNr 26; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 17, BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 31 RdNr 17, jeweils mwN). Ausschlaggebend dafür, dass die Anstellungsgenehmigung nicht dem einzelnen Vertragsarzt als Mitglied einer BAG, sondern der BAG zu erteilen ist, ist indes, dass der anzustellende Arzt nicht nur vorübergehend unter der Abrechnungsnummer der BAG tätig wird und mit seiner Tätigkeit Rechte und Pflichten der in der Rechtsform einer GbR gemäß §§ 705 ff BGB oder einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (PartGG) verbundenen Mitglieder der BAG gegenüber der KÄV begründen kann. Beim Abschluss von Behandlungsverträgen verpflichten sich die Mitglieder einer fachgleichen BAG, die nach außen gemeinschaftlich auftreten, grundsätzlich gemeinschaftlich gegenüber dem Patienten (vgl BGHZ 142, 126, 137; BGHZ 165, 36, 39 f) und auch Arbeitsverträge mit nichtärztlichem Personal werden regelmäßig mit der hinter der BAG stehenden Gesellschaft geschlossen. Für den Anstellungsvertrag mit einem Arzt gilt - wie die Beigeladene zu 1. ausdrücklich einräumt - in der Regel nichts anderes (vgl Rompf/Schröder/Willaschek, Kommentar zum Bundesmantelvertrag-Ärzte, 2014, § 14a RdNr 17). Wenn die Anstellungsgenehmigung der BAG und nicht deren Mitglied erteilt wird, werden Konflikte aufgrund voneinander abweichender Gestaltung der vertragsarztrechtlichen und der zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen und daraus folgende Konflikte zB im Falle des Ausscheidens eines Arztes aus einer mehr als zweigliedrigen BAG soweit wie möglich vermieden. Wenn die Anstellungsgenehmigung einem einzelnen Mitglied der BAG erteilt würde, würde deren Verbleib in der Arztpraxis durch sein Ausscheiden in Frage gestellt.

16

Dem kann die Beigeladene zu 1. auch nicht mit Erfolg die ua aus § 14a Abs 1 Satz 1 BMV-Ä folgende Verpflichtung des anstellenden Arztes zur persönlichen Leitung der Arztpraxis entgegenhalten. In einer Gesellschaft iS des § 705 BGB (Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR) oder einer Partnerschaftsgesellschaft iS des PartGG wird die nach § 14a Abs 1 Satz 1 BMV-Ä sicherzustellende Leitung der Arztpraxis regelmäßig nicht nur von einem der in der BAG zusammengeschlossenen Vertragsärzte wahrgenommen und auch die vertragliche Haftung bei Behandlungsfehlern trifft im Regelfall die Mitglieder der BAG gemeinsam(zur gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder einer BAG mit gleicher Gebietsbezeichnung, die gegenüber Kassenpatienten gemeinschaftlich auftreten vgl BGHZ 142, 126, 136 f). Zudem spricht der Wortlaut des § 14a Abs 1 Satz 2 BMV-Ä, der die Zahl der in einer BAG angestellten Ärzte auf drei "je Vertragsarzt" begrenzt, eher für die Erteilung der Genehmigung gegenüber der BAG; die einzelnen Vertragsärzte sind nach der Formulierung der Regelung insofern nur Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Zahl der Ärzte, die in der BAG höchstens angestellt werden dürfen. Dass die Leitung der Praxis nicht durch die Gesellschaft, sondern nur durch die in ihr zusammengeschlossenen natürlichen Personen - und damit die einzelnen Vertragsärzte - wahrgenommen werden kann, steht dem nicht entgegen. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch § 58 Abs 4 Satz 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie ("Beantragt eine BAG eine Genehmigung zur Tätigkeit eines angestellten Arztes …") von der Erteilung der Anstellungsgenehmigung gegenüber der BAG ausgeht.

17

Der Senat verkennt nicht, dass durch die Erteilung der Anstellungsgenehmigung an die BAG anstelle des einzelnen Vertragsarztes auch bezogen auf die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages neuer Regelungsbedarf für den Fall der Auflösung der BAG - etwa beim Ausscheiden eines Arztes aus einer zweigliedrigen BAG (vgl BSGE 115, 57 = SozR 4-2500 § 103 Nr 13, RdNr 45 mwN)- begründet werden kann, geht aber davon aus, dass die daraus resultierenden Probleme jedenfalls nicht schwieriger zu überwinden sind als diejenigen, die sich ergeben, wenn die Genehmigung einem einzelnen Arzt erteilt worden ist, der aus der Praxis ausscheidet (vgl dazu zB Michels/Möller, Ärztliche Kooperationen, 3. Aufl 2014, S 100). Anders als die Beigeladene zu 1. neigt der Senat auch nicht zu der Auffassung, dass sich die einer zweigliedrigen BAG erteilte Anstellungsgenehmigung mit dem Ausscheiden eines der beiden Mitglieder gemäß § 39 Abs 2 SGB X auf andere Weise erledigt und dass nach Eintritt eines Nachfolgers eine neue Anstellungsgenehmigung nur erteilt werden könnte, wenn Zulassungsbeschränkungen dem nicht entgegenstehen. Dass sich die vertragsarztrechtliche von der zivilrechtlichen Beurteilung unterscheiden kann und dass deshalb eine BAG auch nach Auflösung der GbR vertragsarztrechtlich als fortbestehend anzusehen ist, solange sie noch Pflichten aus ihrem Status zu erfüllen hat oder ihr hieraus noch Rechte zustehen, hat der Senat bereits in anderem Zusammenhang entschieden (vgl BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; zur umgekehrten Situation der Beendigung der Gemeinschaftspraxis unabhängig von einem möglichen Fortbestehen der GbR vgl BSG SozR 3-2200 § 368c Nr 1 S 6 f).

18

Der Umstand, dass der Kläger und nicht die BAG, deren Mitglied er ist, die Anstellungsgenehmigung beantragt und nach deren Ablehnung das Klageverfahren geführt hat, kann ihm im vorliegenden Verfahren jedoch bereits aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht entgegengehalten werden. Nach den Angaben der Beigeladenen zu 1., deren Richtigkeit der Senat nicht in Zweifel zieht, entsprach die Erteilung der Anstellungsgenehmigung an den einzelnen Arzt der Praxis der Zulassungsgremien jedenfalls in ihrem Bezirk. Zudem hat der Kläger im Revisionsverfahren die Zustimmung der anderen Mitglieder der BAG zur Erteilung der Anstellungsgenehmigung mitgeteilt.

19

2. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil Zulassungsbeschränkungen der Erteilung der Anstellungsgenehmigung entgegengestanden haben und der Beklagte den Antrag des Klägers deshalb zu Recht abgelehnt hat.

20

Gemäß § 95 Abs 9 Satz 1 SGB V kann ein Vertragsarzt mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. Trotz Zulassungsbeschränkungen kann eine Anstellungsgenehmigung nach § 95 Abs 9 Satz 2 SGB V nur unter den - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen erteilt werden, dass sich der Vertragsarzt gegenüber dem Zulassungsausschuss zu einer Leistungsbegrenzung verpflichtet, die den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich überschreitet(sog Job-Sharing, § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V) oder zugunsten der Anstellung auf seine Zulassung verzichtet (§ 103 Abs 4b Satz 1 SGB V) sowie in Fällen der Praxisnachfolge (§ 103 Abs 4b Satz 2 SGB V).

21

Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Zulassungsgremien hatte der zuständige Landesausschuss für die Arztgruppe, der der Kläger angehört, im maßgebenden Planungsbereich Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung angeordnet, nachdem die Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung einbezogen worden waren. Nach den Angaben der zu 1. beigeladenen KÄV, deren Richtigkeit von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen wird, betrug der Versorgungsgrad der Strahlentherapeuten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses über den Antrag des Klägers 161,6 %. Daran hat sich in der Folgezeit nichts Wesentliches geändert. Überversorgung ist nach § 101 Abs 1 Satz 3 SGB V bereits bei einem Versorgungsgrad von 110 % anzunehmen.

22

a) Die Einbeziehung der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung durch die geänderte Bedarfsplanungs-Richtlinie ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden.

23

aa) Die Strahlentherapeuten sind in einem ersten Schritt durch die Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie mit Beschluss des GBA vom 6.9.2012 (BAnz AT 06.09.2012 B6; BAnz AT 21.9.2012 B4) in die Bedarfsplanung einbezogen worden. § 48 Abs 1 Nr 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie bestimmte in der damals geänderten Fassung, dass Strahlentherapeuten ab dem 1.1.2013 in die Bedarfsplanung einbezogen werden (zu der damit verbundenen Übergangregelung vgl unten). Die näheren Regelungen, insbesondere zu Planungsbereichen und Verhältniszahlen blieben einer weiteren Beschlussfassung vorbehalten, die am 20.12.2012 erfolgte (BAnz AT 31.12.2012 B7). Danach wurden die Strahlentherapeuten der gesonderten fachärztlichen Versorgung zugeordnet (§ 14 Abs 1 Nr 7, Abs 2 Nr 7 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Planungsbereich für die gesonderte fachärztliche Versorgung ist nach § 14 Abs 3 Satz 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie der Bezirk der KÄV. Die Verhältniszahl (Einwohnerzahl pro Arzt) wurde nach § 14 Abs 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie auf der Basis des im Jahr 2010 erreichten Versorgungsgrades(vgl 2.2 § 8 der im Internet veröffentlichten Tragende Gründe), der speziell für die neu in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen mit 110 % bewertet wurde (vgl 2.4 § 14 der Tragenden Gründe), auf 173.576 festgesetzt.

24

bb) Die hier maßgebenden Regelungen in der Bedarfsplanungs-Richtlinie finden ihre gesetzliche Grundlage in § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 9, § 101 Abs 1 Nr 1 SGB V. Nach diesen gesetzlichen Vorgaben zur Bedarfsplanung, die mit dem Grundgesetz vereinbar sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 10 RdNr 17 mwN), beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien einheitliche Verhältniszahlen für den allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad. Die Befugnis des GBA zur Normkonkretisierung - auch gerade im Bereich der Bedarfsplanung - hat das BSG in ständiger Rechtsprechung anerkannt (BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 10 RdNr 25 mwN). Eine funktionelle Zuständigkeit des GBA ist jedenfalls begründet, soweit es sich um Regelungen handelt, die bundeseinheitlich getroffen werden müssen (BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 10 RdNr 25 mwN). Diese umfasst auch die Bestimmung der Arztgruppen, für die Verhältniszahlen festgelegt werden (BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 10 RdNr 25; aA Heun, VSSR 2015, 215, 221 ff) sowie deren Zusammensetzung (BSG SozR 3-2500 § 101 Nr 3 S 15 ff).

25

cc) Die durch den GBA auf der Rechtsgrundlage des § 92 SGB V erlassenen Richtlinien sind nach der Rechtsprechung der mit dieser Frage befassten Senate des BSG untergesetzliche Rechtsnormen(BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 30; BSGE 82, 41, 47 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 17<6. Senat>; BSGE 81, 73, 81 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 56<1. Senat>; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7 RdNr 20<3. Senat>). Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (dazu und insbesondere zur hinreichenden demokratischen Legitimation des GBA vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 57 ff mit ausführlicher Darstellung der Rechtsprechung des BVerfG; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 33). Nach einer Entscheidung vom 10.11.2015 (1 BvR 2056/12), in der das BVerfG anlässlich der Verwerfung einer Verfassungsbeschwerde als unzulässig die Frage der demokratischen Legitimation des GBA angesprochen hat, haben die beiden für Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zuständigen Senate des BSG daran ausdrücklich festgehalten (BSG Urteil vom 15.12.2015 - B 1 KR 30/15 R - SozR 4-2500 § 34 Nr 18, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen, RdNr 42 ff; BSG Urteil vom 19.4.2016 - B 1 KR 28/15 R - RdNr 28; BSG Urteil vom 20.4.2016 - B 3 KR 18/15 R - zur Veröffentlichung für SozR vorgesehen). Dem schließt sich der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat des BSG an. Die in dem genannten Beschluss des BVerfG aufgeworfene Frage der demokratischen Legitimation des GBA für den Erlass von Normen, wenn sie mit hoher Intensität Angelegenheiten von an der Normsetzung unbeteiligten Dritten regeln (aaO RdNr 23), stellt sich im Übrigen in der vorliegenden Fallkonstellation nicht. Es geht nicht um Eingriffe in Grundrechte von Leistungserbringern, die nicht im GBA vertreten sind oder von Patienten, deren Vertreter im GBA nicht stimmberechtigt sind. Der Kläger ist von der angefochtenen Entscheidung des Beklagten zur Erteilung einer Anstellungsgenehmigung in seiner Rolle als Vertragsarzt betroffen. Die Gruppe der Vertrags(-zahn)ärzte wird im GBA durch die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vertreten, die gemäß § 91 Abs 1 Satz 1 SGB V gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen den GBA bilden und gemäß § 91 Abs 2 Satz 1 SGB V Mitglieder des Beschlussgremiums benennen.

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dd) Die Entscheidung des GBA zur Einbeziehung der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung kann gerichtlich nur nach den Maßstäben überprüft werden, die die Rechtsprechung zur gerichtlichen Kontrolle der Richtlinien des GBA entwickelt hat (stRspr vgl dazu BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 68; BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 46; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 17, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen, RdNr 53). Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich regelmäßig darauf, ob die äußersten Grenzen der Rechtsetzungsbefugnis durch den Normgeber eingehalten wurden (BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 46); dies ist der Fall, wenn sich die getroffene Regelung auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und die maßgeblichen Verfahrensvorschriften sowie die Grenzen des dem Normgeber ggf zukommenden Gestaltungsspielraums beachtet worden sind (BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, RdNr 17; BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 46; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 65; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 17, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen, RdNr 53).

27

ee) Der Einbeziehung der Gruppe der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung steht nicht der Umstand entgegen, dass die Zahl der Ärzte dieser Arztgruppe bundesweit 1000 unterschreitet und auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten noch unterschritten hat. Nach den von der KÄBV veröffentlichten Statistischen Informationen aus dem Bundesarztregister nahmen 949 Strahlentherapeuten (nach Köpfen; entsprechend 744 nach "Bedarfsplanungsgewicht") am 31.12.2015 an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Ein Ausschluss sog kleiner Arztgruppen mit weniger als 1000 teilnehmenden Ärzten aus der Bedarfsplanung folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 101 Abs 2 Nr 2 SGB V. Nach dieser Vorschrift hat der GBA die auf der Grundlage des § 101 Abs 1 Sätze 4 und 5 SGB V ermittelten Verhältniszahlen anzupassen oder neue Verhältniszahlen festzusetzen, wenn dies erforderlich ist, weil die Zahl der Ärzte einer Arztgruppe bundesweit 1000 übersteigt. Wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat, kann dem Wortlaut des § 101 Abs 2 Nr 2 SGB V lediglich die Verpflichtung entnommen werden, Verhältniszahlen für Arztgruppen mit mehr als 1000 Ärzten festzusetzen, nicht jedoch ein Verbot der Festsetzung für kleinere Arztgruppen abzusehen(ebenso: Hess, Kasseler Kommentar, Stand der Nachlief März 2013, § 101 SGB V RdNr 14).

28

Dass § 101 Abs 2 Nr 2 SGB V keine Beschränkung der Bedarfsplanung auf Arztgruppen mit mehr als 1000 Ärzten zu entnehmen ist, wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Die Regelung ist mit dem Zweiten Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-Neuordnungsgesetz) vom 23.6.1997 (BGBl I 1520) mit Wirkung vom 1.7.1997 eingeführt worden. Hintergrund war die bereits in Nr 7 S 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie vom 9.3.1993 (DÄBl 1993 S A 1 -2014) enthaltene Regelung nach der "für Arztgruppen, bei denen nach dem Stand vom 31.12.1990 bundesweit eine Zahl von weniger als 1000 Vertragsärzten an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen hat […], allgemeine Verhältniszahlen nicht bestimmt" werden (vgl BT-Drucks 13/7264 S 66). Eine Einschränkung der Befugnisse des GBA war damit auch nach der Begründung zu der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, auf den die Änderung zurückgeht, nicht beabsichtigt. Vielmehr sollte der GBA "über die bereits jetzt in § 101 geregelten Kompetenzen hinaus" beauftragt werden, die Verhältniszahlen in bestimmten Fällen anzupassen oder neu festzulegen(BT-Drucks 13/7264 S 66). Eine gesetzliche Einschränkung der Kompetenzen des GBA zur Festlegung von Verhältniszahlen für kleine Arztgruppen existierte jedenfalls bis dahin nicht, sondern folgte lediglich aus der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Bedarfsplanungs-Richtlinie. Dass der Gesetzgeber die Einschränkungen bezogen auf kleine Arztgruppen, die damals in der Bedarfsplanungs-Richtlinie enthalten waren, nicht in eine entsprechende gesetzliche Regelung überführen wollte, wird auch daran deutlich, dass er nicht die Formulierung aus Nr 7 S 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie vom 9.5.1993 ("Für Arztgruppen, bei denen […] bundesweit eine Zahl von weniger als 1000 Vertragsärzten an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen hat, werden allgemeine Verhältniszahlen nicht bestimmt.") in das Gesetz übernommen hat, sondern eine abweichende Formulierung gewählt hat, die auf eine Verpflichtung zur Einführung von Verhältniszahlen ua bei Überschreitung der Grenze von 1000 Vertragsärzten abzielt.

29

ff) Der Kläger kann gegen die Einbeziehung der sog kleinen Arztgruppen in die Bedarfsplanung nicht mit Erfolg einwenden, dass der Neufassung des § 101 Abs 1 Satz 6 SGB V mit dem GKV-VStG kein Auftrag zur Einbeziehung auch der bisher davon ausgenommenen Arztgruppen in die Bedarfsplanung zu entnehmen sei. Es trifft zu, dass dem GBA nur allgemein aufgegeben wurde, die regionalen Planungsbereiche mit Wirkung zum 1.1.2013 so festzulegen, dass eine flächendeckende Versorgung sichergestellt wird. Ausschlaggebend ist jedoch, dass der GBA den ihm als Normgeber zukommenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat. Mit der Neufassung des § 101 Abs 1 Satz 6 SGB V wurde die bis dahin geltende Vorgabe aufgehoben, nach der die Planungsbereiche den Stadt- und Landkreisen entsprechen sollen. Durch die Möglichkeit zur Bildung auch größerer Planungsbereiche wurde der Gestaltungsspielraum des GBA erweitert und die Einbeziehung auch kleiner Arztgruppen in die Bedarfsplanung erleichtert. Wenn der GBA im Zusammenhang mit der Umsetzung der durch das GKV-VStG geänderten Vorgaben zur Bedarfsplanung und der dazu erforderlichen Auswertung von Daten zu der begründeten Einschätzung gelangt, dass die Einbeziehung weiterer Arztgruppen in die Bedarfsplanung sinnvoll und erforderlich ist, ist das grundsätzlich nicht zu beanstanden.

30

Nach dem Inhalt der dazu vom GBA im Internet veröffentlichten Tragenden Gründe zum Beschluss vom 6.9.2012 (S 2), kann das Bedürfnis zur Einbeziehung ohne Weiteres nachvollzogen werden. Danach ging aus den vom GBA ausgewerteten Daten der KBV hervor, dass die Zahl der Ärzte aus den bisher nicht beplanten Arztgruppen in den vorangegangenen fünf Jahren stetig angestiegen war. Dabei war das Wachstum bei einigen Arztgruppen, zu denen auch die Strahlentherapeuten gehörten (+ 277 %), besonders stark ausgeprägt. Im zeitlichen Zusammenhang mit den Diskussionen um die Änderung der Regelungen zur Bedarfsplanung zum 1.1.2013 verstärkte sich im Quartal I/2012 der Trend zum Anstieg der Zulassungsanträge bei den nicht beplanten Arztgruppen noch einmal um 35 % gegenüber dem durchschnittlichen Wachstum der fünf Vorquartale, wobei je nach Arztgruppe ein Anstieg zwischen 15 % und 258 % zu verzeichnen war. Soweit der Kläger dagegen einwendet, dass die strahlentherapeutische Versorgung lange Zeit weit überwiegend von persönlich ermächtigten Krankenhausärzten sichergestellt wurde, die bedarfsplanungsrechtlich nicht berücksichtigt wurden, und dass die strahlentherapeutische Versorgung teilweise durch Radiologen erfolgte, die nach ihrem Ausscheiden in den letzten 10 Jahren durch Strahlentherapeuten ersetzt wurden, so kann das zwar im Grundsatz nachvollzogen werden. Allerdings hat der GBA nach dem Inhalt der Tragenden Gründe auf die Zuwachsraten lediglich der letzten fünf Jahre und dabei besonders auf die im Quartal I/2012 noch einmal angestiegenen Zuwachsraten abgestellt. Durch die vom Kläger geltend gemachten längerfristigen Entwicklungen können diese Zuwachsraten nicht erklärt werden. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Rechtmäßigkeit der Einbeziehung kleiner Arztgruppen in die Bedarfsplanung auch nicht davon abhängig, dass der GBA die Gründe für den Anstieg der Arztzahlen in diesem Bereich vollständig aufklärt. Ausreichend ist, dass der GBA auf der Grundlage der verfügbaren Daten nachvollziehbar zu der Auffassung gelangen konnte, dass die Arztzahlen bei den bis dahin nicht in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen stetig anstiegen, obwohl eine jedenfalls bedarfsdeckende Versorgung in diesem Bereich bereits gewährleistet ist.

31

Die Einbeziehung der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung dient unter diesen Umständen dem Erhalt der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit dieser Zielsetzung wurden die im Grundsatz bis heute geltenden Regelungen zur Bedarfsplanung durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GSG) vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) eingeführt (vgl dazu BVerfGE 103, 172, 188 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 29 f; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 27.4.2001 - 1 BvR 1282/99 - MedR 2001, 639). Der Gesetzgeber durfte sich besondere wirtschaftliche Einsparungen davon versprechen, Zulassungsbeschränkungen bei Überversorgung vorzusehen und konnte sich dabei auf plausible Annahmen stützen. Unter Hinweis auf eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen hat er in der Begründung zum GSG auf das "Phänomen der angebotsinduzierten Nachfrage" (BT-Drucks 12/3608 S 97 ff) hingewiesen, wonach Ärzte in überversorgten Gebieten sich veranlasst sehen könnten, die infolge geringerer Patientenzahlen je Arzt drohenden Einkommenseinbußen durch eine Ausweitung ihres Leistungsvolumens je Patient auszugleichen (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 27.4.2001 - 1 BvR 1282/99; BSGE 82, 41, 45 = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 14; BSGE 73, 223, 227 ff = SozR 3-5520 § 25 Nr 1 S 5 ff). Dieser gesetzgeberischen Intention entsprechend durfte der GBA auf den zu beobachtenden, mit medizinischen Notwendigkeiten nicht erklärbaren dynamischen Anstieg der Arztzahlen im Bereich sog kleiner Arztgruppen (vgl RdNr 30) mit deren Einbeziehung in die Bedarfsplanung reagieren, ohne damit seinen Gestaltungsspielraum zu überschreiten. Regelungen, die wie die Zulassungsbeschränkungen zur finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit beitragen sollen, dienen einem Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung, der selbst Eingriffe in die durch Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsfreiheit rechtfertigt, die Beschränkungen der Berufswahl nahekommen (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4 RdNr 23-24 mwN; BSGE 82, 41, 44 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 13 ff; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 71; BVerfG Beschluss vom 27.4.2001 - 1 BvR 1282/99, MedR 2001, 639; zur Einbeziehung der Psychotherapeuten in die Bedarfsplanung vgl BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 1 RdNr 7 mwN).

32

gg) Ferner ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass der GBA den Grad der bedarfsgerechten Versorgung bezogen auf die neu in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen - und damit auch die Gruppe der Strahlentherapeuten - auf der Grundlage eines Stichtags ermittelt hat, der gesetzlich nicht vorgegeben war. Zwar hat der GBA seinen Gestaltungsspielraum überschritten, indem er den zum Stichtag bestehenden Versorgungsgrad nicht als bedarfsgerechten Versorgungsgrad (100 %), sondern an der Grenze zur Überversorgung (110 %) festgelegt hat. Für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren kommt es darauf indes nicht an.

33

(1) § 101 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V verpflichtet den GBA unter bestimmten Voraussetzungen, Verhältniszahlen anzupassen oder neue Verhältniszahlen festzulegen. Eine Verpflichtung zur Festlegung von Verhältniszahlen besteht ua nach § 101 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V, wenn die Zahl der Ärzte einer Arztgruppe bundesweit 1000 übersteigt. Konkrete Vorgaben, wie diese Verhältniszahlen zu bestimmen sind, enthält das Gesetz nicht, sodass es Teil der dem GBA übertragenen Aufgabe ist, die für die Umsetzung erforderlichen Festlegungen zu treffen.

34

Auch für Fälle, in denen der GBA - wie hier bezogen auf die sog kleinen Arztgruppen - zu einer Einbeziehung in die Bedarfsplanung zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt ist (vgl RdNr 27 ff), enthält das Gesetz keine spezifischen Vorgaben für die Bildung der Verhältniszahlen. Unter diesen Umständen ist es nahliegend und nicht zu beanstanden, dass sich der GBA an den Regelungen orientiert, die der Gesetzgeber bei der Einführung der in der Grundstruktur bis heute geltenden vertragsärztlichen Bedarfsplanung durch das GSG festgelegt hat. Nach § 101 Abs 1 Satz 3 SGB V idF des GSG(heute im Übrigen unverändert als § 101 Abs 1 Satz 4 SGB V) iVm der Bedarfsplanungs-Richtlinie mit Stand vom 9.3.1993 war der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad auf der Grundlage des tatsächlich erreichten Versorgungsgrades an einem Stichtag, dem 31.12.1990, zu ermitteln. Im Zusammenhang mit der Einbeziehung der Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung bestimmt § 101 Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad erstmals zum Stand vom 1.1.1999 zu ermitteln ist. Nach der Gesetzesbegründung sollte die zu diesem Stichtag ermittelte Verhältniszahl den allgemeinen Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen "möglichst zielgenau" abbilden (BT-Drucks 13/8035 S 22, zu § 101 Abs 4; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 1 RdNr 15).

35

(2) Es ist nicht zu beanstanden, dass der GBA den Versorgungsgrad bezogen auf die in die Bedarfsplanung einzubeziehenden sog kleinen Arztgruppen nicht auf der Grundlage von Erhebungen und wissenschaftlichen Untersuchungen festgelegt hat. Jedenfalls eine zeitnahe Einbeziehung der Strahlentherapeuten auf der Grundlage einer im Vorwege durchzuführenden Erhebung zum Bedarf wäre kaum möglich gewesen. Die Schwierigkeiten, denen eine auf Erhebungen zum Versorgungsgrad beruhende Bedarfsermittlung begegnet, werden an den letztlich nicht umgesetzten Vorgaben zur Einführung einer Bedarfszulassung deutlich. § 102 SGB V idF des GSG hatte zunächst die Einführung gesetzlich festgelegter Verhältniszahlen zum 1.1.1999 vorgesehen. Die Vorschrift ist dann mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) insoweit geändert worden, als der Zeitpunkt der Einführung auf den 1.1.2003 verschoben wurde. Außerdem wurde in einem neuen § 102 Abs 2 SGB V bestimmt, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bis zum 31.12.2001 durch Beauftragung eines geeigneten wissenschaftlichen Instituts die erforderliche Datengrundlage für die Bedarfszulassung nach gesetzlich festzulegenden Verhältniszahlen nach Absatz 1 erstellen zu lassen hat. Mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz wurde die Vorschrift schließlich mit der Begründung, dass der bei Einführung der Regelung im Jahr 1992 befürchtete Anstieg der Überversorgung zum Stillstand gekommen sei (vgl BT-Drucks 16/2474 S 25), ersatzlos gestrichen, sodass die Vorgabe im Ergebnis nicht umgesetzt wurde. Der Senat geht auch unter Berücksichtigung dieser Entwicklung davon aus, dass es bisher keine wissenschaftlich anerkannte und allgemein akzeptierte Methode zur Festlegung des Bedarfs an Ärzten in einem Planungsbereich gibt (vgl Hess in Kasseler Kommentar, Stand der Nachlief März 2013, § 99 SGB V RdNr 6).

36

(3) Auch die Festlegung auf den 31.12.2010 als Stichtag für Bestimmung des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades ist nicht zu beanstanden. Wie der GBA in den "Tragenden Gründen zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie: Bedarfsplanung gemäß GKV-VStG" vom 20.12.2012, geändert am 18.2.2013 und am 18.6.2013 S 9, zu § 8 und auch in seiner gegenüber dem Senat abgegebenen Stellungnahme ausgeführt hat, lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Einbeziehung der kleinen Arztgruppen die erforderlichen bundesweiten, durch das Statistische Bundesamt veröffentlichten Bevölkerungsdaten für 2010 vor. In den Tragenden Gründen (S 32, zu Anlage 5) hat der GBA ferner dargelegt, dass "zu keinen Zeitpunkt … Defizite in der Versorgung dieser Arztgruppen deutlich geworden" seien, dass bereits zum Stichtag von einer "überdurchschnittlichen Versorgungslage" auszugehen sei und dass sich das Wachstum der letzten Jahre nicht allein durch gestiegene Erfordernisse in der Versorgung der Bevölkerung begründen lasse.

37

Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass der Beschluss des GBA vom 20.12.2012 aufgrund der Verfügung des BMG über die Nichtbeanstandung vom 21.12.2012 (224 - 21432 - 09; veröffentlicht auf der Internetseite des GBA) mit der Auflage in Kraft getreten ist, dass der GBA dem BMG mit Stand zum 30.6.2014 über die konkreten Auswirkungen der Einbeziehung bisher nicht beplanter Arztgruppen in die Bedarfsplanung zu berichten hat. Der GBA war also verpflichtet, die weitere Entwicklung zu beobachten. Der Bericht vom 5.11.2014 (abrufbar auf der Internetseite des GBA), den der GBA dem BMG nach Durchführung einer schriftlichen Befragung zahlreicher Institutionen (Landesausschüsse, KÄVen, Krankenkassen, Koordinierungskreise für Patientenvertreter in den Ländern, Berufsverbände der betreffenden Arztgruppen, ua) und der Auswertung von Bedarfsplänen und von Daten aus dem Bundesarztregister über die Auswirkungen der Einbeziehung bislang nicht beplanter Arztgruppen in die Bedarfsplanung vorgelegt hat, hat ergeben, dass die Möglichkeit zur Niederlassung durch einen Antrag auf Sonderbedarf von Angehörigen aller neu in die Planung einbezogenen Arztgruppen nur sehr vereinzelt genutzt wurde (bundesweit 30 Anträge seit März 2013, davon 5 erfolgreich), was nachvollziehbar als Indiz gegen einen grundsätzlichen Bedarf für zusätzliche Ärzte dieser Arztgruppen gewertet wurde. Als Ergebnis der Befragung wurden keine Auswirkungen der Zulassungsbeschränkung auf die Versorgung festgestellt. Die überwiegende Mehrzahl der Befragten hat angegeben, keine oder keine negativen Konsequenzen in der Versorgung beobachtet zu haben. Im Übrigen hat der GBA in seinem Bericht mit Blick auf den kurzen Zeitraum, auf den sich die erste Auswertung nur beziehen konnte, bereits angekündigt, auch in Zukunft im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags die Entwicklung der Versorgungslage bei den bislang nicht beplanten Arztgruppen zu beobachten und im Jahr 2017 eine erneute Überprüfung der Auswirkungen vorzunehmen.

38

(4) Gleichwohl hat der GBA seinen Gestaltungsspielraum bei der Einbeziehung kleiner Arztgruppen insoweit überschritten, als er den tatsächlich zum Stichtag bestehenden Versorgungsgrad nicht als allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad (100 %), sondern - ohne dass dieser Prozentsatz mit entsprechenden Daten hinterlegt wäre - auf 110 % und damit an der Grenze zur Überversorgung festgelegt.

39

Wenn sich der GBA an der Verfahrensweise orientiert, die der Gesetzgeber sowohl bei der Neuregelung der Bedarfsplanung durch das GSG im Jahr 1993 (vgl § 101 Abs 1 Satz 4 SGB V) als auch bei der Einbeziehung der Psychotherapeuten in das System der vertragsärztlichen Versorgung im Jahr 1999 (vgl § 101 Abs 4 Satz 2 SGB V) gewählt hat und zur Festlegung der bedarfsgerechten Versorgung auf den zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich bestehenden Versorgungsgrad abstellt, genügt zur Begründung dieser Festlegung der Rückgriff auf gewonnene praktische Erfahrungen. Wenn sich gezeigt hat, dass in einem Bereich tatsächlich keine Versorgungsengpässe bestehen, dann kann damit die Annahme begründet werden, dass der erreichte Versorgungsgrad eine wenigstens bedarfsgerechte Versorgung widerspiegelt.

40

Der GBA ist zwar nicht darauf festgelegt, den allgemeinen Grad der bedarfsgerechten Versorgung auf der Grundlage des tatsächlichen Versorgungsgrades zu einem bestimmten Stichtag festzulegen. Vielmehr ist vom Gestaltungsspielraum des GBA als Normgeber auch die Festlegung des Grades der bedarfsgerechten Versorgung nach einer anderen Methode umfasst. Allerdings genügt dann nicht mehr der allgemeine Verweis auf gewonnene Erfahrungen mit der bestehenden Versorgungslage und auf allgemeine Beobachtungen zB zur Frage von Wartezeiten, sondern die Festlegung muss realitätsgerecht in einem transparenten und sachgerechten Verfahren erfolgen (zu den entsprechenden Anforderungen bei der Bemessung der existenznotwendigen Aufwendungen nach dem SGB II vgl BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 139 mwN; BSGE 117, 250 = SozR 4-4200 § 22 Nr 81, RdNr 13 mwN). Als Normgeber ist der GBA grundsätzlich nicht verpflichtet, die Normsetzung zu begründen (stRspr, vgl nur BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 63, mwN; BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 23; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 24; BSGE 115, 131 = SozR 4-2500 § 135 Nr 20, RdNr 39; vgl auch Steiner, GesR 2013, 193 ff). Abweichend davon fordert § 94 Abs 2 Satz 1 SGB V die Veröffentlichung der "Tragenden Gründe" im Internet. Erforderlich ist danach jedoch keine vollumfängliche Begründung mit wissenschaftlichen Belegen, sondern nur eine Mitteilung der aus Sicht des GBA maßgeblichen Gesichtspunkte (vgl BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 23). Da der gerichtlichen Prüfung unterliegt, ob die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 65, mwN; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 25), kann eine unzureichende Begründung indes Auswirkungen auf die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung und damit auch auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit haben (vgl BSGE 115, 131 = SozR 4-2500 § 135 Nr 20, RdNr 39; BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 64 ff).

41

Der GBA hat die Festlegung dahin, dass der am 31.12.2010 bestehende Versorgungsgrad nicht mit 100 %, sondern mit 110 % - und damit an der Grenze zur Überversorgung - zu bewerten ist, mit der Angabe begründet, dass zu diesem Stichtag bereits eine überdurchschnittliche Versorgungslage vorgelegen habe (vgl die im Internet veröffentlichten "Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie: Bedarfsplanung gemäß GKV-VStG" vom 20.12.2012, geändert am 18.2.2013 und am 18.6.2013, S 13 zu § 14). Defizite in der Versorgungslage seien zu keinem Zeitpunkt deutlich geworden. Stattdessen sei bereits in den vergangenen Jahren ein dynamisches Wachstum dieser Arztgruppen zu beobachten, dass sich nicht alleine durch gestiegene Erfordernisse in der Versorgung der Bevölkerung begründen lasse (vgl "Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie: Bedarfsplanung gemäß GKV-VStG" vom 20.12.2012, geändert am 18.2.2013 und am 18.6.2013, S 32, zu Anlage 5). Weder aus dieser Begründung noch aus anderen Umständen sind Tatsachengrundlagen ersichtlich, die die Festlegung nicht nur mit 100 %, sondern gerade mit 110 % tragen würden. Soweit der konkrete Prozentsatz unter Berücksichtigung des Umstands bestimmt worden sein sollte, dass bei diesem Versorgungsgrad nach § 101 Abs 1 Satz 3 iVm § 103 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V Zulassungsbeschränkungen angeordnet werden, so würde es sich dabei nicht um ein sachgerechtes Kriterium für die Festlegung des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades handeln. Nach § 101 Abs 1 Satz 3 SGB V liegt Überversorgung noch nicht bei jeder Überschreitung des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades vor, sondern erst bei einer Überschreitung um mindestens 10 %. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass ein gewisser Grad der Überschreitung der bedarfsgerechten Versorgung zu tolerieren ist und noch nicht zu Zulassungsbeschränkungen führt. Diese gesetzgeberische Entscheidung darf der GBA nicht dadurch umgehen, dass er den allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad zu einem Stichtag auf genau 110 % festsetzt, ohne sich damit auf das Ergebnis von Bedarfsermittlungen beziehen zu können. Die allgemeine nicht mit konkreten Daten unterlegte Annahme, dass die Versorgungslage aufgrund einer dynamischen Entwicklung in den vorangegangenen Jahren bereits zum Stichtag überdurchschnittlich gewesen sei, genügt den an die Sachverhaltsermittlung zu stellenden Anforderungen nicht, wenn es darum geht, einen Prozentsatz festzulegen, mit dem der Grad der bedarfsgerechten Versorgung zu einem bestimmten Zeitpunkt überschritten worden ist.

42

hh) Im Wesentlichen zutreffend ist auch der Einwand des Klägers, dass eine Bedarfsplanung, die das gesamte Bundesland als Planungseinheit definiert, bezogen auf die Arztgruppe der Strahlentherapeuten eine wohnortnahe Versorgung nicht zuverlässig gewährleisten dürfte. Indes ist zu berücksichtigen, dass die Bedarfsplanung - neben der Gewährleistung einer wohnortnahen Versorgung - auch der Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung dient (vgl RdNr 31). Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn kleinere Arztgruppen in einem ersten Schritt auf der Grundlage einer großflächigen Bedarfsplanung einbezogen werden, gerade wenn sie - wie die Strahlentherapeuten - verhältnismäßig kostenintensive Leistungen erbringen.

43

Allerdings trifft der Einwand des Klägers insofern zu, als § 101 Abs 1 Satz 6 SGB V dem GBA aufgibt, die regionalen Planungsbereiche so festzulegen, dass eine flächendeckende Versorgung sichergestellt wird. Die Größe der Planungsbereiche muss danach - neben der Größe der Arztgruppe - auch davon abhängen, ob es sich um Arztgruppen mit unmittelbarem Patientenkontakt handelt und ob den Patienten, die Ärzte dieser Arztgruppe aufsuchen, aufgrund der Art der zu behandelnden Erkrankung lange Anfahrtswege zugemutet werden können. Den zum 1.1.2013 in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen, die der GBA der gesonderten fachärztlichen Versorgung zugeordnet hat, ist gemeinsam, dass ihnen bundesweit weniger als 1000 Ärzte angehören; im Übrigen bestehen bezogen auf die Anforderungen, die an die Erreichbarkeit zu stellen sind, erkennbar erhebliche Unterschiede. Während Laborärzte und Pathologen in der Regel ohne unmittelbaren Patientenkontakt vertragsärztlich tätig sind, werden Strahlentherapeuten von Patienten aufgesucht, die nicht selten an einer schweren Erkrankung leiden und die lange Anfahrtswege deshalb nur mit erheblichen Schwierigkeiten zurücklegen können. Aus Sicht des Senats erscheint fraglich, ob die Festlegung des gesamten Bezirks der KÄV als Planungsbereich gerade in großen Flächenländern wie Bayern damit vereinbar ist. Die Gründe für diese Zuordnung sind für den Senat jedenfalls anhand der Tragenden Gründe auch unter Berücksichtigung der im vorliegenden Verfahren vorgelegten Stellungnahme des GBA nicht vollständig nachvollziehbar. Allein die in § 99 Abs 1 Satz 3 SGB V vorgesehene Möglichkeit, von den Vorgaben der Bedarfsplanungs-Richtlinie abzuweichen, sowie der Umstand, dass Defizite im Einzelfall durch die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung ausgeglichen werden können, ändert nichts an der Vorgabe des § 101 Abs 1 Satz 6 SGB V, nach der die regionalen Planungsbereiche so festzulegen sind, dass eine flächendeckende Versorgung sichergestellt wird. Der GBA wird deshalb anknüpfend an die ohnehin erforderliche Weiterentwicklung der Bedarfsplanung (vgl § 101 Abs 1 Satz 7 SGB V idF des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16.7.2015, BGBl I 1211) und die im Bericht des GBA vom 5.11.2014 angekündigte erneute Überprüfung der Auswirkungen der Einbeziehung kleiner Arztgruppen in die Bedarfsplanung (vgl RdNr 37) bis Ende des Jahres 2017 zu prüfen haben, ob zB in Raumordnungsregionen oder anderen abgrenzbaren Regionen, in denen rechnerisch mehrere Strahlentherapeuten zugelassen werden können, eine Bedarfsplanung auf der Ebene dieser Regionen zu erfolgen hat.

44

Auf den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruch des Klägers kann sich diese bis zum Ende des Jahres 2017 umzusetzende Verpflichtung des GBA zur Überprüfung der Planungsbereiche für die Gruppe der Strahlentherapeuten noch nicht auswirken. Im Übrigen könnte eine künftige Änderung in Richtung auf eine kleinräumigere Planung von vornherein Möglichkeiten zur Erteilung einer Zulassung oder einer Anstellungsgenehmigung nur in Regionen mit einem bisher niedrigen Versorgungsgrad eröffnen. Dafür sind gerade bezogen auf die größte Stadt des Regierungsbezirks Mittelfranken, für die der Kläger die Erteilung der Anstellungsgenehmigung begehrt, angesichts einer Einwohnerzahl von etwa 1,7152 Mio im Regierungsbezirk (Stand 2014) und 17 vertragsärztlich tätigen Strahlentherapeuten (Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern, Stand Februar 2016, S 20) bei einer Verhältniszahl nach § 14 Abs 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie von 173 576 (entsprechend einem Versorgungsgrad von rund 172 %) keine Anhaltspunkte ersichtlich und dies wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht.

45

ii) Der Kläger macht ferner im Grundsatz zutreffend geltend, dass nicht nachvollzogen werden kann, aus welchem Grunde der GBA für alle neu in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen auf die in § 9 des Beschlusses des GBA vom 20.12.2012 vorgesehene Modifikation der Verhältniszahlen durch einen Demografiefaktor verzichtet, während dieser Berechnungsfaktor für alle anderen nicht auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen ausgerichteten Arztgruppen zur Anwendung kommen soll.

46

Nach § 101 Abs 2 Nr 3 SGB V idF des GKV-VStG soll der GBA die Verhältniszahlen zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung anpassen; dabei ist insbesondere die demografische Entwicklung zu berücksichtigen. Diese gesetzliche Vorgabe verlangt nicht, dass die demografische Entwicklung bei allen Arztgruppen in gleicher Weise in Ansatz zu bringen wäre. So kann der Anteil älterer Menschen keine unmittelbare Bedeutung für die Festlegung der Verhältniszahlen bei Arztgruppen haben, die typischerweise keine älteren Menschen behandeln. Insofern ist auch unter Berücksichtigung der aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) abzuleitenden Vorgaben nicht zu beanstanden, dass der GBA von einer Modifikation der Verhältniszahlen bei Arztgruppen abgesehen hat, die auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet sind. Das Erfordernis einer ungleichen Behandlung ist insoweit offensichtlich und bedarf keiner weiteren Begründung. Etwas anderes gilt indes für die die zum 1.1.2013 neu in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen (Humangenetiker, Laborärzte, Neurochirurgen, Nuklearmediziner, Pathologen, Physikalische- und Rehabilitations-Mediziner, Strahlentherapeuten, Transfusionsmediziner), die der gesonderten fachärztlichen Versorgung zugeordnet worden sind und für die § 9 Abs 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie generell bestimmt, dass der Demografiefaktor nicht zur Anwendung kommt. Die wesentliche Gemeinsamkeit der genannten Arztgruppen besteht darin, dass ihnen bundesweit weniger als 1000 Ärzte angehören und dass sie deshalb erst zum 1.1.2013 in die Bedarfsplanung einbezogen worden sind. Zwischen der Größe einer Arztgruppe und der Bedeutung demografischer Faktoren für die Bedarfsermittlung besteht jedoch kein unmittelbarer Zusammenhang. Auch aus den Tragenden Gründen zum Beschluss des GBA vom 20.12.2012 (S 10) wird ein solcher Zusammenhang nicht deutlich. Dem dort angeführten Umstand, dass die Versorgung bei den betreffenden Arztgruppen grundsätzlich als ausreichend und bedarfsgerecht zu bewerten sei, kann nur bei der Festlegung des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades Bedeutung zukommen, nicht aber für die Frage, ob und in welchem Maße diese Festlegung aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen in unterschiedlichen Regionen durch einen Demografiefaktor zu modifizieren ist. Die Angabe in den Tragenden Gründen, dass die Leistungsmengenentwicklung hier nach Einschätzung des GBA deutlich weniger stark mit der allgemeinen demografischen Entwicklung zusammenhängen soll als in anderen Leistungsbereichen, wird nicht näher begründet und kann in dieser Allgemeinheit nicht ohne Weiteres nachvollzogen werden.

47

Allerdings kommt es für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren auch auf die Rechtmäßigkeit des Verzichts auf die Modifikation der Verhältniszahlen durch einen Demografiefaktor ua für die Gruppe der Strahlentherapeuten angesichts eines Versorgungsgrades, der die Schwelle zur Überversorgung im gesamten Planungsbereich (Bezirk der KÄV) um etwa 50 Prozentpunkte und im Bezirk Mittelfranken sogar um etwa 60 Prozentpunkte überschreitet, offensichtlich nicht an. Die Anwendung des Demografiefaktors kann in dem hier maßgebenden Zeitraum seit 2013 Veränderungen nur im Umfang einzelner Prozentpunkte bewirken (vgl dazu die Beispielsrechnung für Hausärzte in der Anlage 4 des Beschlusses des GBA vom 20.12.2012, BAnz AT 31.12.2012 B7 S 58 f).

48

b) Der Kläger kann einen Anspruch auf Genehmigung der Anstellung des Beigeladenen zu 8. nicht aus dem Umstand herleiten, dass er den Antrag auf Erteilung der Genehmigung am 20.12.2012 und damit noch vor dem Inkrafttreten des Beschlusses des GBA vom 20.12.2012 über die Einbeziehung der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung zum 1.1.2013 gestellt hat. Die Entscheidungssperre für Anträge, die nach dem 6.9.2012 gestellt worden sind (sog Moratorium), ist nicht zu beanstanden.

49

aa) Der mit Beschluss des GBA vom 6.9.2012 eingeführte § 48 Abs 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie bestimmt, dass der Zulassungsausschuss über Zulassungsanträge ua der Arztgruppe der Strahlentherapeuten, die nach dem 6.9.2012 gestellt werden, erst dann entscheidet, wenn der Landesausschuss die Feststellung nach § 103 Abs 1 Satz 1 SGB V getroffen hat(§ 48 Abs 2 Satz 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Der Landesausschuss soll bis zum 15.2.2013 über die Versorgungssituation im Planungsbereich für die neu in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen entscheiden (§ 48 Abs 2 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Zulassungsanträge sind auch dann wegen Zulassungsbeschränkungen abzulehnen, wenn diese noch nicht bei Antragstellung angeordnet waren (§ 48 Abs 2 Satz 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Nach § 48 Abs 2 Satz 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie gelten die Sätze 1 bis 3 auch für die Genehmigung von Anstellungen in Medizinischen Versorgungszentren oder bei Vertragsärzten. Mit Beschluss des GBA vom 20.12.2012 wurde § 48 Abs 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie mit Wirkung vom 1.1.2013 ohne eine im vorliegenden Zusammenhang maßgebende inhaltliche Änderung in § 63 Abs 4, Abs 6 Bedarfsplanungs-Richtlinie überführt.

50

bb) Die genannten Bestimmungen der Bedarfsplanungs-Richtlinie stehen mit höherrangigem Recht im Einklang. Mit § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 9 SGB V hat der Gesetzgeber dem GBA die Befugnis zur Normkonkretisierung im Bereich der ärztlichen Bedarfsplanung übertragen und dazu spezifische Vorgaben in § 101 SGB V geregelt(BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4 Juris RdNr 15 mwN). Darauf Bezug nehmend bestimmt § 104 Abs 2 SGB V, dass das Nähere über das Verfahren bei der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen in der Zulassungsverordnung zu regeln ist. Wie der Senat bereits in zwei Entscheidungen vom 17.10.2007 (B 6 KA 31/07 R - USK 2007-95 sowie BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4) unter Bezugnahme auf ein Urteil vom 23.2.2005 (B 6 KA 81/03 R - BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr 2, RdNr 11) dargelegt hat, wird hierdurch eine abgestufte Form der Normsetzungsdelegation sowohl an den Verordnungsgeber der Ärzte-ZV als auch an den Gemeinsamen Bundesausschuss vorgenommen. Daraus folgt, dass auch die Verfahrensweise im Zusammenhang mit der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen in den Richtlinien des GBA näher ausgestaltet werden kann, soweit die Ärzte-ZV entsprechende Regelungen nicht selbst trifft.

51

§ 48 Abs 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie in der Fassung des Beschlusses vom 6.9.2012 und § 63 Abs 4, Abs 6 Bedarfsplanungs-Richtlinie in der Fassung des Beschlusses des GBA vom 20.12.2012 enthalten solche Verfahrensregelungen. Entgegen der Auffassung des Klägers verstoßen diese nicht gegen § 95 Abs 2 Satz 9 SGB V sowie § 19 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV. Nach § 95 Abs 2 Satz 9 SGB V sind Anträge auf Zulassung eines Arztes und auf Zulassung eines MVZ sowie auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen MVZ abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs 1 Satz 2 SGB V angeordnet sind. § 19 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV bestimmt, dass ein Antrag auf Zulassung wegen Zulassungsbeschränkungen nur dann abgelehnt werden kann, wenn diese bereits bei Antragstellung angeordnet waren.

52

Bezogen auf die hier streitgegenständliche Anstellungsgenehmigung stehen diese Vorschriften nach ihrem Wortlaut der in der Bedarfsplanungs-Richtlinie geregelten Entscheidungssperre bereits deshalb nicht unmittelbar entgegen, weil sich diese allein auf die Zulassung eines Arztes, die Zulassung eines MVZ sowie die Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem MVZ und nicht auf die vorliegend allein streitige Anstellung eines Arztes bei einem Vertragsarzt beziehen. Für ein solches Anstellungsverhältnis bestimmt § 95 Abs 9 Satz 1 SGB V nur allgemein, dass die Genehmigung zu erteilen ist, wenn der anzustellende Arzt in das Arztregister eingetragen ist, "sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind". Dass dabei auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist, wird für die bei einem Vertragsarzt anzustellenden Ärzte auch nicht in der Ärzte-ZV geregelt. Nach § 32b Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV bedarf die Anstellung der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Nach § 32b Abs 2 Satz 2 Ärzte-ZV gelten für den Antrag § 4 Abs 2 bis 4 und § 18 Abs 2 bis 4 Ärzte-ZV entsprechend. Die entsprechende Geltung des § 19 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV wird hingegen nicht angeordnet. Allerdings trifft der Einwand des Klägers zu, dass es unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes kaum zu rechtfertigen wäre, wenn bei der Erteilung einer Zulassung und auch bei Anträgen auf Anstellung in einem MVZ für die Frage, ob Zulassungsbeschränkungen der Erteilung der Genehmigung entgegenstehen, auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen wäre, während bei der Anstellungsgenehmigung, die sich auf die Anstellung bei einem Vertragsarzt bezieht, in Richtlinien des GBA ein späterer Zeitpunkt vorgegeben werden könnte. Gegen eine unterschiedliche Behandlung der Genehmigung einer Anstellung und der Zulassung in dieser Frage spricht auch der Umstand, dass die genehmigte Anstellung nach § 95 Abs 9b SGB V auf Antrag des anzustellenden Arztes in eine Zulassung umgewandelt werden kann, sodass eine allein für die Zulassung geltende einschränkende Voraussetzung leicht umgangen werden könnte.

53

Indes kommt es darauf für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht an. Nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4 Juris RdNr 18; BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 31/07 R - USK 2007-95, Juris RdNr 18) werden die besonderen Fallgestaltungen, welche aus Anlass von Rechtsänderungen bei den Grundlagen der Bedarfsplanung entstehen, vom Anwendungsbereich des § 19 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV von vornherein nicht erfasst. Im Hinblick auf ihren anders gelagerten Anwendungsbereich führt die Vorschrift des § 19 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV nicht dazu, dass dem Normgeber der Bedarfsplanungs-Richtlinie die Kompetenz fehlt, Regelungen für die Übergangsprobleme anlässlich von Rechtsänderungen in den Grundlagen der Bedarfsplanung zu treffen. Vielmehr greift insoweit der in § 104 Abs 2 SGB V enthaltene Vorbehalt ("nach Maßgabe des § 101") zugunsten des Bundesausschusses ein. Aus demselben Grund widerspricht die vom Bundesausschuss getroffene Regelung auch nicht den Vorgaben des höherrangigen Verordnungsrechts. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Aus § 95 Abs 2 Satz 9 SGB V, der mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) als § 95 Abs 2 Satz 8 SGB V mit dem Ziel eingeführt worden war, für Vertragsärzte geltende Bestimmungen auf MVZ zu übertragen(vgl BT-Drucks 15/1525 S 108 zu Buchst b) und der sich im Übrigen erkennbar an dem Wortlaut des bereits existierenden § 19 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV orientiert, folgt nichts Anderes.

54

cc) Die Auffassung des Klägers, nach der die zu § 19 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV ergangene Rechtsprechung des Senats(BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4; BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 31/07 R - USK 2007-95) nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden könne, weil die Sachverhalte in entscheidungserheblicher Weise voneinander abweichen, trifft nicht zu.

55

(1) Richtig ist, dass sich die Übergangsregelung, auf die sich die beiden og Urteile des Senats vom 17.10.2007 bezogen, von dem Beschluss des GBA, der vorliegend zu beurteilen ist, insofern unterscheidet, als damals zunächst die materielle Neuregelung (dort: Beschluss des damaligen Ausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Zusammenfassung der Planungsbereiche in Berlin vom 24.3.2003) mit Wirkung für die Zukunft (ab 1.6.2003) getroffen wurde. Gleichzeitig (ebenfalls als Bestandteil des Beschlusses vom 24.3.2003) wurde das Entscheidungsmoratorium beschlossen, das dementsprechend den Zeitraum vom 1.6.2003 bis zur Entscheidung des Landesausschusses umfasste. Im vorliegenden Fall trat das Entscheidungsmoratorium dagegen sofort mit der Beschlussfassung und Bekanntmachung (am 6.9.2012) in Kraft. Gleichzeitig wurde darüber entschieden, welche Arztgruppen in die Bedarfsplanung einbezogen werden. Allerdings enthält der Beschluss vom 6.9.2012 noch keine Festlegung zu den Verhältniszahlen (Einwohner pro Arzt), die für die neu in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen gelten sollten. Damit standen die Grundlagen für die Entscheidung des Landesausschusses über die Feststellung einer Überversorgung und die Anordnung von Zulassungssperren bei Wirksamwerden der Entscheidungssperre noch nicht vollständig fest. Das ändert aber nichts daran, dass es auch hier um die Einführung von Zulassungsbeschränkungen aufgrund von Rechtsänderungen geht, die die Grundlage der Bedarfsplanung beeinflussen und die nach der og Rechtsprechung des Senats nicht vom Anwendungsbereich des § 19 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV erfasst werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Einbeziehung der sog kleinen Arztgruppen in die Bedarfsplanung erst durch § 101 Abs 1 Satz 6 SGB V idF des GKV-VStG und die damit bewirkte Erweiterung des Gestaltungsspielraums des GBA beim Zuschnitt der Planungsbereiche ermöglicht worden ist(zu den vor der Änderung durch das GKV-VStG im Regelfall geltenden Festlegung auf die Stadt- oder Landkreise vgl BSGE 81, 207, 209 ff = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 9 ff). Ein konkreter Auftrag zu einer entsprechenden Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie kann dem Gesetz jedenfalls nicht entnommen werden (vgl RdNr 29). Ausschlaggebend ist indes, dass die hier in Rede stehenden Zulassungsbeschränkungen nicht unmittelbar aus einem Anstieg der Arztzahlen und einer daraus folgenden Feststellung einer Überversorgung nach § 103 Abs 1 Satz 1 SGB V resultieren, sondern aus der Entscheidung des GBA, auch die sog kleinen Arztgruppen in die Bedarfsplanung einzubeziehen. Der geänderten Konzeption entsprechend hat der GBA die Bedarfsplanungs-Richtlinie und damit Rechtsnormen geändert. Auf dieser Rechtsänderung beruht die hier maßgebende Anordnung von Zulassungsbeschränkungen ua für die Arztgruppe der Strahlentherapeuten. Insofern unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation entgegen der Auffassung des Klägers nicht von derjenigen, die den og Entscheidungen des Senats vom 17.10.2007 zugrunde lag und in der die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen auf einer Änderung des Zuschnitts von Planungsbereichen durch den damaligen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beruhte (ebenso Pawlita, JurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 101 RdNr 29 mwN; Tiedemann, VSSR 2015, 229, 231, Fn 7; aA: Wigge/Remmert, MedR 2013, 228, 233).

56

(2) Auch der Einwand des Klägers, dass das ab 6.9.2012 geltende Moratorium gegen die Vorgabe aus § 101 Abs 1 Satz 6 SGB V idF des GKV-VStG verstoße, nach der der GBA die Planungsbereiche nicht schon zum 6.9.2012, sondern erst "mit Wirkung zum 1. Januar 2013" neu festzulegen habe, greift nicht durch. Zwar trifft es zu, dass Strahlentherapeuten im Zuständigkeitsbereich der zu 1. Beigeladenen bereits ab dem Inkrafttreten des Moratoriums und nicht erst ab dem Inkrafttreten des Beschlusses vom 20.12.2012 mit Wirkung vom 1.1.2013 grundsätzlich eine Anstellungsgenehmigung nur noch in Abhängigkeit vom Bedarf erteilt werden konnte. Da die Einbeziehung der kleinen Arztgruppen und damit auch der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung ihre Grundlage nicht unmittelbar in dem erst mit Wirkung vom 1.1.2013 eingefügten § 101 Abs 1 Satz 6 SGB V hat(vgl RdNr 29), folgen daraus aber keine rechtlichen Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Regelung mit höherrangigem Recht.

57

(3) Ein weiterer Unterschied zwischen dem hier zu beurteilenden Sachverhalt und dem Sachverhalt, der den Entscheidungen des Senats vom 17.10.2007 (B 6 KA 45/06 R - BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4 und B 6 KA 31/07 R - USK 2007-95 ) zugrunde lag, besteht nach den Darlegungen des Klägers darin, dass es hier nicht darum geht, ein vorübergehendes Regelungsvakuum für eine bereits in die Bedarfsplanung einbezogene Arztgruppe zu vermeiden, sondern um die erstmalige Einbeziehung einer Arztgruppe in die Bedarfsplanung. Allerdings ist dem Kläger aus dem am 17.10.2007 entschiedenen Verfahren zum Az B 6 KA 45/06 R (SozR 4-2500 § 103 Nr 4 RdNr 22), ebenfalls erst durch die Zusammenfassung der Planungsbereiche die Möglichkeit versperrt worden, eine Zulassung zu erhalten, weil für den Planungsbereich, in dem er sich niederlassen wollte, bis dahin keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet worden waren. Die durch die Zusammenfassung der Planungsbereiche und den darauf aufbauenden Beschluss des Landesausschusses vom 20.8.2003 (Überversorgung bezogen auf das entsprechende Fachgebiet des Klägers für den Planungsbereich "Gesamtberlin") eingetretene Sperrwirkung war deshalb auch in dem damaligen Verfahren durch das ab dem 1.6.2003 geltende Entscheidungsmoratorium faktisch vorverlegt worden.

58

Richtig ist, dass es hier nicht um die Vermeidung eines vorübergehenden Regelungsvakuums ging. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass im vorliegenden Fall keine oder nur weniger gewichtige Gründe für die Regelung einer Entscheidungssperre vorgelegen hätten, als in den Verfahren, die die Zusammenfassung der Planungsbereiche für Berlin zum Gegenstand hatten. Mit der Entscheidungssperre aus dem Beschluss vom 6.9.2012 wollte der GBA vermeiden, dass die mit Einbeziehung der kleinen Arztgruppen in die Bedarfsplanung angestrebte Begrenzung der Zahl der Ärzte aufgrund einer hohen Zahl von Zulassungsanträgen, die noch kurz vor dem Wirksamwerden der Begrenzung gestellt werden, umgangen wird und dass alle zulassungswilligen Ärzte ohne Rücksicht auf die dadurch entstehende (weitere) Überversorgung zugelassen werden müssen. In den Tragenden Gründen zum Beschluss vom 6.9.2012 (S 2 f) wird nachvollziehbar unter Hinweis auf die bereits erheblich gestiegene Zahl der Zulassungsanträge und auf die Erfahrungen bei der Einführung der "verschärften" Bedarfsplanung mit dem Gesundheitsstrukturgesetz 1993 ("Seehoferbauch"; zur Vermeidung eines entsprechenden Effekts bei der Einbeziehung der Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung vgl BSGE 87, 158, 180 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 128 f)dargelegt, dass Ärzte dieser Arztgruppen voraussichtlich in erheblicher Zahl von der Möglichkeit Gebrauch machen würden, vor dem Wirksamwerden der Zulassungsbeschränkungen die Erteilung einer Zulassung oder eine Anstellungsgenehmigung zu beantragen. Diese Gründe sind nicht weniger gewichtig als die bei der Neuordnung der Planungsbereiche für Berlin angestrebte Vermeidung eines "Regelungsvakuums".

59

(4) Entgegen der Auffassung des Klägers können rechtlich relevante Unterschiede zwischen der Fallgestaltung, die den og Entscheidungen des Senats vom 17.10.2007 (aaO) zugrunde lagen und dem hier zu beurteilenden Sachverhalt auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass das Moratorium im Zusammenhang mit der Neuordnung der Planungsbereiche für Berlin mit Wirkung für einen künftigen Zeitraum angeordnet worden war, während das Moratorium hier bereits unmittelbar ab dem Tag der Beschlussfassung durch den GBA eingreift. In beiden Fällen sind die Regelungen getroffen worden, die erforderlich waren, um die Bedarfsplanung wirksam werden zu lassen und eine unkontrollierte Zunahme der Zahl von Vertragsärzten in bereits überversorgten Regionen entgegenzuwirken. Bezogen auf die Neuordnung der Planungsbereiche, die Gegenstand der Urteile vom 17.10.2007 waren, konnte der damalige Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen den Zeitpunkt für das Inkrafttreten der Änderung der Planungsbereiche und damit auch den Zeitpunkt, zu dem die Entscheidungssperre zur Vermeidung eines "Regelungsvakuums" erforderlich wird, selbst bestimmen. Dagegen ging es dem GBA bei dem am 6.9.2012 beschlossenen Moratorium darum, unverzüglich einer bereits einsetzenden und nicht mehr steuerbaren Entwicklung entgegenzuwirken. Für den GBA bestand Anlass zu sofortigem Handeln, als sich abzeichnete, dass Überlegungen zur Einbeziehung auch der sog kleinen Arztgruppen in die Bedarfsplanung in den Kreisen der davon betroffenen Ärzte bekannt wurden und zu einem Anstieg der Zahl von Zulassungsanträgen führten, die erkennbar mit dem Ziel gestellt wurden, der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen zuvorzukommen.

60

c) Die vom GBA in seinem Beschluss vom 6.9.2012 getroffene Übergangsregelung verstößt nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) abgeleitete Rückwirkungsverbot. Wie der Senat bereits in den beiden genannten Urteilen vom 17.10.2007 (B 6 KA 45/06 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 4 RdNr 20 und B 6 KA 31/07 - Juris RdNr 20; vgl auch BSGE 73, 131 = SozR 4-2500 § 85 Nr 4 RdNr 10 mwN) dargelegt hat, gelten die vom BVerfG zur Rückwirkung von Normen entwickelten Grundsätze auch für untergesetzliche Rechtsnormen wie die Bedarfsplanungs-Richtlinie. Für die Unterscheidung zwischen der nur ausnahmsweise unter besonderen Voraussetzungen zulässigen echten Rückwirkung, die vorliegt, wenn eine Norm nachträglich in abgewickelte der Vergangenheit angehörende Sachverhalte ändernd eingreift (BVerfGE 114, 258, 300; BVerfGE 132, 302 = NJW 2013, 145, RdNr 42) von der unter erleichterten Voraussetzungen zulässigen unechten Rückwirkung, die vorliegt, wenn eine Rechtnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt, indem sie Rechtspositionen nachträglich entwertet, ist der Zeitpunkt der Bekanntmachung der Norm maßgebend (BVerfGE 126, 369, 391; BVerfGE 97, 67, 78; BVerfGE 127, 1, 16 f; BVerfGE 132, 302 = NJW 2013, 145, RdNr 42).

61

Den vom GBA beschlossenen Regelungen zur Einbeziehung ua der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung kommt danach keine echte, sondern unechte Rückwirkung zu. Der Beschluss des GBA vom 6.9.2012 ist vorab (vor der erforderlichen Genehmigung durch das BMG) am 6.9.2012 und endgültig am 21.9.2012 veröffentlicht worden. Der Kläger hat seinen Antrag auf Erteilung der Anstellungsgenehmigung erst danach - am 20.12.2012 - gestellt. Allein der Umstand, dass die Kriterien für die Bildung von Planungsbereichen und Verhältniszahlen in dem Beschluss vom 6.9.2013 noch nicht enthalten waren, sondern erst in dem am 31.12.2012 im Bundesanzeiger veröffentlichten Beschluss des GBA vom 20.12.2012 (BAnz AT 31.12.2012 B7 S 61), kann ein über den 6.9.2012 hinausgehendes schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Regelungen aus den Bedarfsplanungs-Richtlinien zum Ausschluss der sog kleinen Arztgruppen von der Bedarfsplanung nicht begründen. Entscheidend ist, dass die Einbeziehung ua der Arztgruppe der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung bereits in § 48 Abs 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie idF des "Moratoriumsbeschlusses" des GBA vom 6.9.2012 normiert war und dass damit zum Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers feststand, dass die Anstellungsgenehmigung nicht mehr unabhängig von der Bedarfslage erteilt werden würde. Insofern stimmt die Übergangsregelung in Art 48 Abs 2 Satz 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie aF, nach der über Zulassungsanträge der neu in die Bedarfsplanung einbezogenen Arztgruppen erst zu entscheiden ist, wenn der Landesausschuss die Feststellung zum Vorliegen einer Überversorgung (§ 103 Abs 1 Satz 1 SGB V) getroffen hat, mit der Regelung überein, die der Gesetzgeber anlässlich der Verschärfung der Regelungen zur Bedarfsplanung in Art 33 § 3 Abs 2 Satz 1 GSG getroffen hat(zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung vgl bereits BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 1 RdNr 9; BSGE 79, 152, 156 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 1 S 6; BSGE 81, 207, 212 = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 12).

62

Anders als die "echte Rückwirkung" ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen") ist die "unechte" Rückwirkung ("tatbestandliche Rückanknüpfung") nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Normgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl BVerfGE 76, 256, 348; BVerfGE 105, 17, 40; BVerfGE 114, 258, 301). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung seiner Erwartungen in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu bewahren (vgl BVerfGE 63, 312, 331; BVerfGE 67, 1, 15; BVerfGE 76, 256, 349 f mwN). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl BVerfGE 38, 61, 83; BVerfGE 105, 17, 40; BVerfGE 109, 133, 180 f; BVerfGE 125, 104, 135; BVerfGE 131, 20 RdNr 73). Der Normgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Dabei sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen (vgl BVerfGE 30, 392, 404; BVerfGE 75, 246, 280; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4 RdNr 22 und BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 31/07 R - Juris RdNr 22) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl BVerfGE 95, 64, 86; BVerfGE 122, 374, 394). Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl BVerfGE 127, 1, 18; BVerfGE 131, 20 RdNr 73).

63

Wie bereits dargelegt war das sog Moratorium erforderlich, nachdem im zeitlichen Zusammenhang mit Überlegungen zur Einbeziehung der sog kleinen Arztgruppen in die Bedarfsplanung bereits ein deutlicher Anstieg der Zulassungsanträge zu verzeichnen war. Der GBA musste mit einem weiteren Anstieg von Anträgen rechnen, die nicht mit Blick auf medizinische Erfordernisse, sondern mit dem Ziel gestellt werden, der Einbeziehung ua der Strahlentherapeuten in die Bedarfsplanung und der absehbar damit verbundenen Anordnung von Zulassungsbeschränkungen zuvorzukommen. Nach der nicht zu beanstandenden Beurteilung des Gesetzgebers sind die Regelungen zur Bedarfsplanung und zu Zulassungsbeschränkungen zur Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und damit einem Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung (vgl BVerfGE 114, 196, 244, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 131, 139; BVerfGE 103, 172, 184 f = SozR 3-5520 § 25 Nr 4; BVerfG NZS 2008, 34 RdNr 12; BSGE 82, 41, 45 = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 15; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 71) weiterhin erforderlich.

64

Mit der Entscheidung, die in der Bedarfsplanungs-Richtlinie enthaltene Ausnahmeregelung für die sog kleinen Arztgruppen auslaufen zu lassen, hat der GBA seinen Entscheidungsspielraum nicht überschritten. Die Erreichung der mit dieser Entscheidung angestrebten Ziele wäre zumindest gefährdet gewesen, wenn weitere Angehörige dieser Arztgruppen trotz mindestens ausreichender Versorgung ungesteuert zur vertragsärztlichen Versorgung hätten zugelassen werden müssen, bevor Regelungen zur Bedarfsplanung eingreifen. Dem konnte der GBA nur durch das angeordnete Entscheidungsmoratorium effektiv entgegenwirken. Schutzwürdiges Vertrauen von Zulassungsbewerbern, die ihren Wunsch sich niederzulassen bis zum Zeitpunkt der Bekanntmachung des Beschlusses des GBA vom 6.9.2012 noch nicht durch einen Zulassungsantrag dokumentiert haben, wird dadurch nicht beeinträchtigt (vgl bereits die Urteile des Senats vom 17.10.2007 - B 6 KA 45/06 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 4 und B 6 KA 31/07 R- jeweils Juris RdNr 23). Nach dem Inhalt und der veröffentlichten Begründung zum Beschluss des GBA vom 6.9.2012 war für die betroffenen Personen (Ärzte für Strahlenheilkunde) und Institutionen (KÄVen) klar, dass es zumindest in den attraktiven Ballungsräumen Deutschlands absehbar keine Zulassungsmöglichkeiten mehr geben würde. Im Hinblick auf die im September 2012 veröffentlichten statistischen Angaben zum Anstieg der Zahl der Strahlentherapeuten und zur - vom GBA so gesehenen - Notwendigkeit einer Begrenzung ist die Beendigung der freien Zulassung bereits mit dem Tag der Veröffentlichung der Beschlussfassung zum Moratorium festgeschrieben worden. Ein Vertrauen von Strahlentherapeuten in den Fortbestand der zuvor bestehenden Rechtslage war damit zerstört. Über das Eingreifen der Beschränkungen konnte es bei den Betroffenen keine Zweifel mehr geben.

65

Im Übrigen geht das BVerfG selbst bei einer echten Rückwirkung davon aus, dass schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung nicht erst mit der Verkündung der Änderung im Bundesgesetzblatt, sondern grundsätzlich schon durch den Gesetzesbeschluss des Bundestages (BVerfGE 127, 31 RdNr 58 f; BVerfGE 132, 302 RdNr 57) beseitigt wird. Ein Vertrauen des Betroffenen, bis zur Verkündung der Norm könne sich noch etwas ändern, ist nicht geschützt (BVerfGE 95, 64, 87). Der Zweck, Ankündigungs- und Mitnahmeeffekte auszuschließen, kann es sogar rechtfertigen, den Schutz des Vertrauens auf eine unveränderte Rechtslage schon vor dem Wirksamwerden einer Neuregelung enden zu lassen (BVerfGE 97, 67, 81 f).

66

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Juni 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird für die erste Instanz auf 29 738,27 Euro und für das Berufungs- und Revisionsverfahren auf 22 753,84 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung des Erhöhungsanteils des Herstellerrabatts für das Fertigarzneimittel Pamidronat M. in der Zeit vom 1.7. bis 30.11.2003.

2

Die klagende GmbH, ein von Landesapothekerverbänden getragenes Rechenzentrum, rechnet im Auftrag von Apotheken (im Folgenden: angeschlossene Apotheken) gegenüber Kostenträgern Rezepte ab. Die beklagte GmbH, die bei Klageerhebung noch als M. Pharma (Deutschland) GmbH firmierte (im Folgenden: Beklagte), ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie vertreibt das apotheken- und verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel Pamidronat M. mit den Wirkstoffmengen 30 mg, 60 mg und 90 mg je 10 ml. Die Beigeladenen zu 1. bis 3. sind gesetzliche Krankenkassen (KKn). Deren Versicherte und weitere Versicherte anderer KKn erhielten in der Zeit vom 1.7. bis 30.11.2003 auf vertragsärztliches Rezept Pamidronat M. 90 mg von angeschlossenen Apotheken. Die Beklagte wollte für das - bis Juli 2003 noch als Pamidronat F. bezeichnete - Arzneimittel als Herstellerabgabepreis 307,29 Euro für die Wirkstoffmenge 30 mg und 915,68 Euro für die Wirkstoffmenge 90 mg an die Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten GmbH (IFA) melden. Die Firma P.
Dr. M. (im Folgenden: P.) meldete im Auftrag der Beklagten am 21.5.2003 der IFA fehlerhaft den Herstellerabgabepreis für Pamidronat M. Sie vertauschte irrtümlich die Preise für die 30 mg- und die 90 mg-Packung. Die Beklagte erhielt hiervon am 4.6.2003 Kenntnis und ersuchte IFA über P. um Korrektur, die IFA aus technischen Gründen erst mit der übernächsten, im Zwei-Wochen-Rhythmus erfolgenden Aktualisierung einpflegte. ABDATA Pharma-Daten-Service (im Folgenden: ABDATA), ein Unternehmensbereich der Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker mbH, veröffentlichte mit Gültigkeitsdatum 15.6.2003 in der Lauer-Taxe die fehlerhaft gemeldeten Daten und stellte dort zum 1.7.2003 die korrigierten Preisangaben ein. Der falsch gemeldete Markteinführungspreis verblieb in der Lauer-Taxe. Deren Verwender gingen deshalb von einer Preiserhöhung für Pamidronat M. 90 mg zum 1.7.2003 aus. Sie errechneten einen entsprechend erhöhten Herstellerrabatt, den die Klägerin den Beigeladenen zu 1. bis 3. und ua der M. BKK bei Abgabe von Pamidronat M. 90 mg aufgrund von vertragsärztlichen Rezepten an deren Versicherte zahlte. Die Beklagte erstattete der Klägerin auf Aufforderung den erhöhten Herstellerrabatt für im Juli 2003 abgegebene 90 mg-Packungen, lehnte aber eine Erstattung des von der Klägerin an die KKn gezahlten Erhöhungsanteils des Herstellerrabatts ab August 2003 ab. IFA meldete am 10.11.2003 rückwirkend geänderte Markteinführungspreise für Pamidronat M. 90 mg an ABDATA, die diese zum 1.12.2003 in der Lauer-Taxe berücksichtigte. Neben anderen KKn waren die Beigeladenen zu 1. bis 3. nach Hinweis auf die Informationsfehler nicht bereit, der Klägerin den von ihr gezahlten Erhöhungsanteil zurückzuzahlen.

3

Die Klägerin hat, nachdem sie der Beklagten vergeblich eine Frist bis 15.11.2004 gesetzt hatte, den von ihr bezifferten Erhöhungsanteil des Herstellerrabatts nebst vorprozessualen Anwaltskosten zu zahlen, Klage erhoben. Die zunächst geltend gemachte Forderung von 22 875,60 Euro hat sie - nach teilweiser übereinstimmender Erledigungserklärung - auf 15 891,17 Euro reduziert. Das SG hat die Beklagte zur Erstattung der Erhöhungsanteile des Herstellerrabatts von 15 897,17 Euro für von August bis November 2003 abgegebene 90 mg-Packungen nebst Zinsen hierauf von 8 vH über dem Basiszinssatz seit 16.11.2004 sowie Zahlung weiterer 387,90 Euro vorprozessualer Anwaltskosten verurteilt und die Widerklage der Beklagten auf Rückzahlung für Juli 2013 gezahlter Erhöhungsanteile von 6862,67 Euro abgewiesen (Urteil vom 9.5.2008). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf die noch nicht geleistete Erstattung der Erhöhungsanteile des Herstellerrabatts aus § 130a Abs 1 S 2 iVm Abs 2 SGB V zu. Die Beklagte habe den erhöhten Herstellerrabatt für Juli 2003 mit Rechtsgrund geleistet. Für die Berechnung sei der in der Lauer-Taxe ausgewiesene Herstellerabgabepreis maßgeblich (Urteil vom 30.6.2011).

4

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 130a SGB V, des § 129 SGB V, der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sowie des Art 12 GG und des Art 14 GG. Sie habe den Preis für Pamidronat M. 90 mg zum 1.7.2003 nicht erhöht, sondern das Fertigarzneimittel erst an diesem Tag in den Markt eingeführt. Nicht der in der Lauer-Taxe ausgewiesene, sondern der von der Beklagten gewollte Herstellerabgabepreis sei dem Herstellerrabatt zugrunde zu legen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem nach § 130a Abs 6 S 4 SGB V geschlossenen Rahmenvertrag. Die spätestens seit 24.10.2003 über das tatsächliche Geschehen informierte Klägerin verhalte sich rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich auf die Preisangaben der Lauer-Taxe berufe.

5

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Juni 2011 und des Sozialgerichts Darmstadt vom 9. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 6862,67 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 13. September 2005 zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Juni 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen,
ganz hilfsweise,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Juni 2011 und des Sozialgerichts Darmstadt vom 9. Mai 2008 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 23 x 571,89 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 16. November 2004 sowie weitere 387,90 Euro zu zahlen Zug-um-Zug gegen Abtretung der Erstattungsansprüche der Klägerin gegen die Beigeladene zu 3. auf Zahlung von 22 x 571,89 Euro entsprechend den Angaben Blatt 284 der Revisionsakte und gegen Abtretung des Erstattungsanspruchs gegen die M. BKK (571,89 Euro) entsprechend den Angaben Blatt 284 der Revisionsakte nebst Zinsen jeweils hierauf in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 16. November 2004 sowie Zug-um-Zug gegen Abtretung des Anspruchs auf Zahlung weiterer 387,90 Euro, und auf die Widerklage hin die Klägerin zu verurteilen, ihren Erstattungsanspruch gegen die Beigeladenen zu 1. bis 3. und gegebenenfalls gegen weitere Krankenkassen auf Zahlung von insgesamt 6862,67 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 13. September 2005 der Beklagten abzutreten.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

8

Die Beigeladenen zu 1. bis 3. stellen keine Anträge.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung des § 75 Abs 2 SGG und des Rechtsgedankens des § 75 Abs 2 SGG iVm Art 19 Abs 4 GG beruht. Die Klägerin macht einen Anspruch auf Erstattung des Erhöhungsanteils (571,89 Euro je abgegebener 90 mg-Packung) des erhöhten Herstellerrabatts für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte zulässig mit der echten Leistungsklage in Prozessstandschaft geltend (vgl dazu 1.). Über die Klage kann der erkennende Senat aus prozessualen Gründen nicht abschließend entscheiden. Es kommt die notwendige Beiladung einer betroffenen KK in Betracht (dazu 2.). Im Übrigen hätte das LSG P. und IFA - entsprechend dem schon beim SG gestellten Antrag der Beklagten - sowie die Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker mbH als Rechtsträger von ABDATA beiladen müssen (dazu 3.). Nach den gebotenen Beiladungen spricht viel dafür, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von lediglich 13 153,47 Euro Erstattung des erhöhten Herstellerrabatts für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte der dann vollständig beigeladenen KKn zulässig und begründet einklagt (dazu 4.) und auch der Anspruch auf Verzugsschaden teilweise berechtigt ist (dazu 5.), während die Widerklage dagegen unbegründet sein dürfte (dazu 6.).

10

1. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG)statthaft. Die Klägerin ist auch prozessführungsbefugt. Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen bestimmten Prozess als richtige Partei zu führen (vgl zB BSGE 37, 33, 34 = SozR Nr 4 zu § 69 SGG; BSG SozR 3-3300 § 72 Nr 2 S 3 f; BVerwGE 3, 150, 154). Sie ist ohne Weiteres gegeben, wenn der Kläger einen nach seinem Vortrag ihm zustehenden sachlichen Anspruch im eigenen Namen geltend macht. Dagegen bedarf die Prozessführungsbefugnis besonderer Feststellung und Begründung, wenn der Kläger einen fremden materiell-rechtlichen Anspruch im eigenen Namen verfolgt. Der Kläger ist in solchen Fällen nur dann prozessführungsbefugt, wenn entweder das Gesetz dies ausdrücklich anordnet (gesetzliche Prozessstandschaft) oder er aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Befugnis ("Prozessgeschäftsführung") handelt und ein eigenes rechtliches (und nicht nur ein wirtschaftliches) Interesse an der Geltendmachung des fremden materiell-rechtlichen Anspruchs hat (gewillkürte Prozessstandschaft; vgl BSGE 10, 131, 134; 37, 33, 35 = SozR Nr 4 zu § 69 SGG; BGHZ 94, 117, 121 f; BAGE 41, 209, 225; BFHE 125, 138; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 11a mwN; Zeihe, SGb 2002, 714, 715; tendenziell enger - zu hier nicht betroffenen Konstellationen - BSG SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 6 Nr 2 S 23 f; Castendiek in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 54 RdNr 87 f).

11

Die Klägerin macht keine eigenen Rechte, sondern fremde Rechte der betroffenen Apotheker im eigenen Namen geltend (vgl § 130a Abs 1 S 2 SGB V idF durch Art 1 Nr 8 Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23.12.2002, BGBl I 4637; zu dessen Verfassungsmäßigkeit vgl BVerfGE 114, 196 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 9; vgl auch BSGE 101, 161 = SozR 4-2500 § 130a Nr 3, RdNr 14). Die betroffenen Apotheker ermächtigten die Klägerin rechtmäßig zur Prozessführung. Die Klägerin hat dies bereits in der Klageschrift offengelegt (zur Notwendigkeit der Offenlegung gewillkürter Prozessstandschaft vgl BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 67 mwN; BGH Urteil vom 23.3.1999 - VI ZR 101/98 - NJW 1999, 2110, 2111 mwN). Dies wird von den übrigen Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen.

12

Die Klägerin hat auch ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung. Sie trat vertragskonform mit den Beträgen in Vorleistung, die die Apotheker - nach der hier umstrittenen Auffassung der Klägerin und der KKn - gemäß § 130a Abs 1 S 1 SGB V den KKn schulden. Nach § 31 Abs 2 SGB V(idF durch Art 1 Nr 3 BSSichG) trägt die KK für ein Arzneimittel, für das kein Festbetrag festgesetzt ist, die vollen Kosten jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a SGB V und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler(Art 11 BSSichG). Gemäß § 300 Abs 1 Nr 2 SGB V(idF durch Art 1 Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988, BGBl I 2477) sind die Apotheker und weitere Anbieter von Arzneimitteln verpflichtet, die Verordnungsblätter an die KKn weiterzuleiten und diesen die nach Maßgabe der nach § 300 Abs 3 Nr 2 SGB V(idF durch Art 1 Nr 78 Buchst c Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626) getroffenen Vereinbarungen erforderlichen Abrechnungsdaten zu übermitteln. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung dürfen sie Rechenzentren in Anspruch nehmen (§ 300 Abs 2 S 1 SGB V idF durch Art 1 GRG; vgl dazu auch § 8 der zwischen den Spitzenverbänden der KKn und dem Deutschen Apothekerverband eV aufgrund § 300 Abs 3 SGB V geschlossenen Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V vom 4.11.1994; siehe zur Inanspruchnahme von Rechenzentren auch BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 29). Die KKn rechnen die Arzneimittel und damit auch den Abschlag nach § 130a Abs 1 und Abs 2 SGB V(idF durch Art 1 Nr 8 BSSichG vom 23.12.2002, BGBl I 4637) mit schuldbefreiender Wirkung mit den Rechenzentren ab (vgl § 18 Abs 4 S 1, § 20 Abs 4 Arzneilieferungsvertrag zwischen dem Hessischen Apothekerverband eV und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 1.1.2002; § 18 Abs 3, § 21 Abs 3 ALV zwischen dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz eV und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 26.2.1996; Anl 9 Nr 3 Abs 7 S 1 Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrag zwischen dem Thüringer Apothekerverband eV und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 1.9.2003). Die sich daran anschließende Abwicklung des Anspruchs auf Erstattung des Herstellerrabatts der Apotheker gegen die pharmazeutischen Unternehmen (vgl § 130a Abs 1 S 2 SGB V) hat ausschließlich über die Abrechnungsstellen zu erfolgen, sofern die jeweilige Apotheke und das pharmazeutische Unternehmen - wie hier - dem aufgrund § 130a Abs 6 S 4 SGB V(idF durch Art 1 Nr 8 BSSichG vom 23.12.2002, BGBl I 4637) geschlossenen Rahmenvertrag beigetreten sind (vgl § 1 Abs 2 S 8 des zwischen den Herstellerverbänden und dem Deutschen Apothekerverband geschlossenen Rahmenvertrages nach § 130a Abs 6 S 4 SGB V in der ab dem 1.1.2003 geltenden Fassung).

13

2. Das LSG hätte alle KKn notwendig beiladen müssen (vgl § 75 Abs 2 SGG), die weiterhin den erhöhten Herstellerrabatt wegen Abgabe von Pamidronat M. 90 mg an ihre Versicherten in der Zeit von Juli bis November 2003 beanspruchen, soweit die Klägerin Erhöhungsanteile solcher konkreten Herstellerrabattforderungen von der Beklagten noch begehrt. Denn die Entscheidung über die Pflicht der Beklagten, der Klägerin im Interesse der betroffenen Apotheken den Erhöhungsanteil des Herstellerrabatts zu erstatten, kann gegenüber den KKn, deren Versicherte die Arzneimittel als Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erhielten, nur einheitlich ergehen. Die Apotheken haben kein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Reichweite der Regelung des Herstellerrabatts. Sie werden lediglich für dessen technische Abwicklung als Bindeglied zu Gunsten der KKn in Dienst genommen (vgl BVerfGE 114, 196, 246 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 135; BSGE 101, 161 = SozR 4-2500 § 130a Nr 3, RdNr 31; zur Problematik der Indienstnahme vgl Schlegel in von Wulffen/Krasney, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, S 265, 268 f).

14

Die von der Klägerin auf Nachfrage des Senats im Revisionsverfahren zur Untermauerung der Zulässigkeit der Klage vorgelegten Aufstellungen über die betroffenen einzelnen Arzneimittelabgaben, die der Klageforderung zugrunde liegen, weisen aus, dass eine Arzneimittelabgabe der F.-Apotheke am 2.10.2003 an eine Versicherte der M. BKK einbezogen ist. Da die M. BKK bisher nicht beigeladen ist, aber ihre Beiladung - wie dargelegt - notwendig ist, wenn sie den Erhöhungsanteil weiterhin für sich beansprucht, wird das LSG die Beiladung der M. BKK zu prüfen und gegebenenfalls nachzuholen haben.

15

3. Das LSG hätte auch die Unternehmen notwendig beiladen müssen, die als Haftungsschuldner der Beklagten für fehlerhafte Angaben in der Lauer-Taxe (auch bezeichnet als "Große Deutsche Spezialitätentaxe" und "ABDA-Artikelstamm") in Betracht kommen, nämlich die Firmen P., IFA und Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker mbH (als Rechtsträgerin von ABDATA). Dazu zählen nicht weitere Dritte, die die Lauer-Taxe nur fehlerhaft verwenden. Die Beiladungspflicht beruht auf dem Rechtsgedanken des § 75 Abs 2 SGG iVm Art 19 Abs 4 und Art 20 Abs 3 iVm Art 2 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber hat § 75 Abs 2 SGG unbewusst lückenhaft geregelt(dazu a). Die weitgehende Bindung Dritter an die in der Lauer-Taxe veröffentlichten Informationen zu Lasten der mit dem Herstellerrabatt belasteten pharmazeutischen Unternehmen erfordert, dass potentiell für Schäden aufgrund der Bindungswirkung Verantwortliche nicht nur materiell-rechtlich Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sind, sondern dass die Durchsetzung dieser Ansprüche auch prozessual wirksam möglich ist (dazu b). Die Regelungslücke ist durch eine von Art 19 Abs 4 und Art 20 Abs 3 GG iVm Art 2 Abs 1 GG gebotene teleologische Erstreckung der notwendigen Beiladung entsprechend der Rechtsfolge des § 75 Abs 2 SGG zu schließen. Beruft sich ein pharmazeutisches Unternehmen bei Inanspruchnahme durch eine Apotheke auf den Herstellerrabatt für ein von der Apotheke an Versicherte abgegebenes, vom pharmazeutischen Unternehmen in Verkehr gebrachtes Arzneimittel darauf, seine Angaben zu dem betroffenen Arzneimittel seien in der Lauer-Taxe fehlerhaft veröffentlicht und nicht rechtzeitig korrigiert worden, muss das Gericht diejenigen notwendig beiladen, die als dem pharmazeutischen Unternehmen im Innenverhältnis Haftende für fehlerhafte Angaben in der Lauer-Taxe in Betracht kommen (dazu c). Ein Fall, in dem sich die Bindungswirkung Dritter an die Inhalte der Lauer-Taxe entscheidungserheblich auswirkt, liegt hier vor (dazu d).

16

a) § 75 Abs 2 SGG regelt bei seiner unmittelbaren Anwendung nicht die notwendige Beiladung derjenigen, die gegenüber einem pharmazeutischen Unternehmen im Innenverhältnis als Haftende für fehlerhafte Angaben in der Lauer-Taxe in Betracht kommen (dazu aa). Der Gesetzgeber des SGG hat solche Konstellationen nicht bedacht, wie sie sich durch die Einführung des § 130a SGB V ergeben können(dazu bb).

17

aa) § 75 Abs 2 SGG fordert nach seinem Wortlaut eine notwendige Beiladung lediglich, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder wenn sich im Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt. Das Institut der Beiladung soll es einerseits einem Dritten ermöglichen, in einem anhängigen Rechtsstreit für den Kläger oder Beklagten mitzustreiten und durch eigene Prozesshandlungen auf die Entscheidung des Gerichts Einfluss zu nehmen, weil seine berechtigten Interessen durch die Entscheidung berührt werden oder die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann (vgl BSGE 2, 289, 290; BSG SozR 1500 § 75 Nr 49 S 56). Die Beiladung dient zugleich der Prozessökonomie. Würde der Dritte nicht am Rechtsstreit beteiligt werden, so würde die Rechtskraft der Entscheidung ihn nicht binden (§ 141 Abs 1 SGG), und es könnte ihm gegenüber später anders entschieden werden. Um dies zu vermeiden, ist er zum Rechtsstreit beizuladen (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 75 Nr 2 S 2 f mwN).

18

bb) Der Gesetzgeber des SGG übernahm nicht die Rechtsinstitute, die andere Prozessordnungen für die eingangs aufgezeigte Konfliktlage vorsehen, weil sie nicht von Anbeginn an im Anwendungsbereich des SGG auftrat. Ursprünglich regelte das SGG Gerichtsverfahren im Wesentlichen in besonderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, die insbesondere geprägt waren durch Streitigkeiten zwischen Sozialleistungsberechtigten und Sozialleistungsträgern sowie zwischen Sozialleistungsträgern untereinander. Spezielle Problemlagen fielen nicht an, wie sie bei der Bindungswirkung der Lauer-Taxe für den Herstellerrabatt und ihren haftungsrechtlichen Folgen auftreten.

19

Grundsätzlich geeignete spezielle Prozessrechtsinstitute, die eine über die Rechtskraftwirkung eines Urteils hinausgehende Bindung der Beteiligten bewirken, kennt etwa der Zivilprozess in Form der Nebenintervention (§§ 66 ff ZPO) oder einer Streitverkündung (§§ 72 ff ZPO). Beide Gestaltungsmöglichkeiten gibt es im sozialgerichtlichen Verfahren aus den aufgezeigten Gründen nicht (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 21 mwN). Das Gericht kann aber - funktional grundsätzlich gleichwertig - beiladen, um eine Bindungswirkung seiner Entscheidung zu erreichen (vgl BSGE 40, 130, 132 = SozR 1750 § 41 Nr 1; BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 20 mwN). In der Regel ist eine solche Beiladung nicht eine notwendige, sondern lediglich eine einfache Beiladung (vgl § 75 Abs 1 SGG). Sie steht als solche im Ermessen des Gerichts, ihr Unterlassen begründet keinen Verfahrensfehler (vgl BSG SozR 3-5520 § 32b Nr 3; BSGE 95, 141 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 8b mwN). Unterbleibt die lediglich einfache Beiladung, sind Betroffene aber nicht in gleicher Weise wie bei Nebenintervention (§§ 66 ff ZPO) oder Streitverkündung (§§ 72 ff ZPO)gesichert. Sie können nicht durch eigene Anträge effizienten Rechtsschutz erzwingen, obwohl sie dessen uU bei Fällen arbeitsteiligen Zusammenwirkens bedürfen: Sie laufen Gefahr, mangels hinreichender prozessualer Sicherung durch Rechtskrafterstreckung wegen der Relativität der Prozessrechtsverhältnisse trotz bestehender Schadensersatzansprüche den Schädiger nicht belangen zu können, der bei ihnen aufgrund der Bindung an veröffentlichte Informationen in der Lauer-Taxe erhebliche Schäden verursacht hat (vgl dazu b, sogleich).

20

b) Das besonders hohe Risiko, dem pharmazeutische Unternehmen bei Veröffentlichung von Informationen über ihre Arzneimittel in der Lauer-Taxe ausgesetzt sind, beruht auf der weitgehenden, nur mit Zukunftswirkung korrigierbaren Bindungswirkung für Dritte auch bei fehlerhaften Angaben in der Lauer-Taxe, die nicht rechtzeitig korrigiert werden. Pharmazeutische Unternehmen wie die Beklagte tragen gegenüber Apothekern, Ärzten und KKn nach der gesetzlichen und ergänzenden normenvertraglichen Regelungskonzeption das Risiko falscher Angaben in der Lauer-Taxe. Die in der Lauer-Taxe veröffentlichten Informationen gelten im genannten Außenverhältnis der pharmazeutischen Unternehmen insbesondere für die Arzneimittelpreise (dazu aa), die Vergütung der Apotheker für die von ihnen an Versicherte der KKn abgegebenen Arzneimittel (dazu bb) sowie den Apotheker- und sog Herstellerrabatt (dazu cc) einschließlich des nicht rückwirkend korrigierbaren Tatbestands einer Preiserhöhung (dazu dd). Dieses Risiko trifft sie im genannten Außenverhältnis auch dann, wenn fehlerhafte Meldungen ohne ihr eigenes Verschulden nicht zeitgerecht korrigiert werden.

21

aa) Die Geltung der in der Lauer-Taxe veröffentlichten Informationen für Arzneimittelpreise beruht auf den Normen des Arzneimittelpreisrechts. Es fußt auf der verbindlichen Festlegung des Herstellerabgabepreises durch den pharmazeutischen Unternehmer. Nach dem Preisrecht des Arzneimittelgesetzes (AMG) konnten die Arzneimittelhersteller im Jahr 2003 jeden Preis verlangen, den sie für angemessen hielten (vgl zB Francke, MedR 2006, 683). Der Abgabepreis an den Endverbraucher wurde durch Hinzurechnung der Handelsspannen für Großhandel und Apotheken bestimmt. Seit Inkrafttreten des Vierten Gesetzes zur Änderung des AMG war ein - für den Endverbraucher maßgeblicher - einheitlicher Apothekenabgabepreis für solche Arzneimittel zu gewährleisten, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen, also apothekenpflichtig sind (§ 78 Abs 2 S 2 AMG, eingefügt durch Art 1 Nr 44 Viertes Gesetz zur Änderung des AMG vom 11.4.1990, BGBl I 717, mit Wirkung vom 20.4.1990). Der Gesetzgeber sah damit in Abkehr von früherer Rechtsprechung (BGH Urteil vom 22.2.1984 - I ZR 13/82 - NJW 1986, 1544 ff) einen einheitlichen Apothekenabgabepreis für Arzneimittel als erforderlich an, um die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen (vgl Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Vierten Gesetzes zur Änderung des AMG, BT-Drucks 11/5373 S 27 Nr 31 zu Art 1 nach Nr 34 - § 78 Abs 2 -). Einzelheiten regelte auf der Grundlage des § 78 Abs 1 AMG die AMPreisV(idF durch Art 2 § 12 des Gesetzes vom 20.7.2000, BGBl I 1045 mit Wirkung vom 1.1.2001 nebst späteren, hier nicht einschlägigen Änderungen). Sie legte zwingend (vgl § 1 Abs 1 Nr 1 und 2 AMPreisV) ua für Fertigarzneimittel, deren Abgabe nach § 43 Abs 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist, die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken(vgl § 2 AMPreisV) sowie die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf fest (§ 3 AMPreisV; vgl zum Ganzen auch BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 3).

22

Die später in Kraft getretene Regelung des § 78 Abs 3 AMG(idF durch Art 30 Nr 5 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) stellte insoweit die Rechtslage zusammenfassend klar (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit/14. Ausschuss zum Gesetzentwurf eines GKV-WSG ua der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/4247 S 65 f zu Art 30 Nr 5). Danach ist ein einheitlicher Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers für alle Arzneimittel zu gewährleisten, soweit für diese verbindliche Preise und Preisspannen durch die AMPreisV bestimmt sind. Erst hierdurch ergibt sich in Verbindung mit den Handelszuschlägen, die die AMPreisV festlegt, ein einheitlicher, bei der Abgabe an den Endverbraucher verbindlicher Apothekenabgabepreis. Pharmazeutische Unternehmer dürfen Rabatte auf den von ihnen festgelegten Abgabepreis nur an die Kostenträger (KKn) gewähren, nicht aber an die Handelsstufen (Großhändler; Apotheken). Diese Verpflichtung des pharmazeutischen Unternehmers gilt inzwischen allerdings grundsätzlich nur noch für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel, die der AMPreisV unterliegen.

23

Um die für die Markteinführung und das Abrechnen von Arzneimitteln vorgesehenen, verbindlichen Angaben des pharmazeutischen Unternehmers rechtstechnisch ordnungsgemäß den Betroffenen bekannt zu geben, gründeten die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie eV (BPI) sowie der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels eV (PHAGRO) im Jahre 1988 die IFA, deren Gesellschafter sie sind. Aufgabe der IFA ist es ua, Informationen über die geltenden Herstellerabgabepreise für Arzneimittel einzuholen und zu überprüfen sowie die Pharmazentralnummer zu vergeben (§ 3 GmbH-Gesellschaftsvertrag). Zum Aufgabenbereich gehört die rechtzeitige Weitergabe der Daten in Form von Artikelstammsätzen und Änderungsdiensten an die berechtigten Bezieher (§ 4 Abs 3 GmbH-Gesellschaftsvertrag). Die Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker mbH ist berechtigter Bezieher der von IFA verarbeiteten Daten und hat das ausschließliche Recht, diese Daten direkt oder durch Dritte an Apotheken zu übermitteln und zu diesem Zweck weiterzuverarbeiten (§ 4 Abs 4 GmbH-Gesellschaftsvertrag). Aufgrund des gemeldeten Herstellerabgabepreises wird der einheitliche Apothekenverkaufspreis berechnet und in der Lauer-Taxe ausgewiesen. Neben den Namen aller in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimittel enthält die Lauer-Taxe weitere Informationen. Dazu gehören nicht nur Preisinformationen (wie GEP , AEP , AVP ), sondern auch Artikelgrunddaten (wie die von IFA vergebene Pharmazentralnummer , Darreichungsformen), Rechtsinformationen, Vertriebsinformationen, Name und Anschrift des Anbieters sowie ergänzende Produktinformationen (vgl auch Anl 1 des zwischen IFA, Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker mbH und dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen geschlossenen Vertrages über die Bereitstellung eines Produktverzeichnisses Arzneimittel vom 17.12.2004 ; zur nachträglichen gesetzgeberischen Billigung der durch den Bereitstellungsvertrag begründeten Verfahrensweise zur Übermittlung von Produktinformationen an die KKn vgl auch § 131 Abs 4 S 2 SGB V idF des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26.4.2006, BGBl I 984, und Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks 16/194 S 11, Zu Nummer 8 <§ 131>; vgl auch § 131 Abs 4 S 6 SGB V idF des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2010, BGBl I 2262, wonach die nach § 131 Abs 4 S 2 SGB V übermittelten Angaben oder, im Falle einer Korrektur nach § 131 Abs 4 S 5 SGB V, die korrigierten Angaben "verbindlich" sind; vgl auch Burk, Die Funktionen der unabhängigen Apotheke für die Arzneimittelversorgung der GKV und das Fremd- und Mehrbesitzverbot, 2008, S 42; zum heutigen Rechtszustand vgl § 2 und § 3 des Rahmenvertrages nach § 131 SGB V über das bundeseinheitliche Arzneimittelkennzeichen sowie Preis- und Produktinformationen pharmazeutischer Unternehmer vom 14.5.2012, der den ab dem 1.3.1991 geltenden Vertrag ablöst; § 8b Abs 1 des zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband eV geschlossenen Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 SGB V in der derzeit geltenden Fassung vom 15.6.2012).

24

bb) Auch die Vergütung der Apotheker für die von ihnen an Versicherte der KKn abgegebenen Arzneimittel beruht auf den in der Lauer-Taxe veröffentlichten Angaben. Ansprüche der Apotheker auf Vergütung für die von ihnen an Versicherte der Beigeladenen abgegebenen Arzneimittel ergeben sich aus § 129 SGB V(hier anzuwenden zunächst idF durch Art 1 Nr 92 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190, iVm der Bekanntmachung über das Inkrafttreten von Vorschriften des GMG vom 15.3.2004, BGBl I 452, mit Wirkung vom 2.4.2004; geändert durch Art 256 Nr 1 Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006, BGBl I 2407 mit Wirkung vom 8.11.2006) in Verbindung mit den hierfür geltenden vertraglichen Regelungen des Leistungserbringungsrechts. Nach § 129 SGB V geben die Apotheker nach Maßgabe der ergänzenden Rahmenvereinbarungen und Landesverträge(§ 129 Abs 2 und Abs 5 S 1 SGB V, vgl auch § 2 Abs 2 S 3 SGB V) vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an Versicherte der GKV ab. Diese Vorschrift begründet im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apotheker, vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an die Versicherten abzugeben. Die Apotheker erwerben im Gegenzug für die Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht einen durch Normenverträge näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die KKn, der schon in § 129 SGB V vorausgesetzt wird(stRspr, vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2; ausführlich BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6, RdNr 12 f; BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15). Die auf § 129 Abs 5 SGB V basierenden Normenverträge verweisen einheitlich jedenfalls für Arzneimittel, die der AMPreisV unterfallen, auf die Preise der Lauer-Taxe. Sie stellen damit zugleich sicher, dass das zwingende Preisrecht der AMPreisV Beachtung findet. Liegt eine Abgabe von Arzneimitteln vor, für die das Preisbildungssystem des § 1 Abs 1 AMPreisV maßgeblich ist, muss dem nämlich in der Weise Rechnung getragen werden, dass bei der Berechnung der vom Arzneimittelhersteller bekannt gemachte und in der Lauer-Taxe ausgewiesene Herstellerabgabepreis zugrunde zu legen ist(BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 4 RdNr 20; dem folgend BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 6 RdNr 21).

25

cc) Die Angaben in der Lauer-Taxe sind ebenfalls für den Apotheker- und sog Herstellerrabatt maßgeblich. § 130a SGB V(in der hier maßgeblichen, durch BSSichG in das SGB V eingefügten Fassung) bestimmt nämlich: "(1) Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für ab dem 1. Januar 2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 vom Hundert des Herstellerabgabepreises. Pharmazeutische Unternehmen sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten. … Der Abschlag ist den Apotheken … innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten. (2) Ab dem 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2004 erhöht sich der Abschlag um den Betrag einer Erhöhung des Herstellerabgabepreises gegenüber dem Preisstand vom 1. Oktober 2002. Für Arzneimittel, die nach dem 1. Oktober 2002 erstmals in den Markt eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. … (6) Zum Nachweis des Abschlags übermitteln die Apotheken die Arzneimittelkennzeichen über die abgegebenen Arzneimittel sowie deren Abgabedatum auf der Grundlage der den Krankenkassen nach § 300 Abs 1 SGB V übermittelten Angaben maschinenlesbar an die pharmazeutischen Unternehmen … Die pharmazeutischen Unternehmen sind verpflichtet, die erforderlichen Angaben zur Bestimmung des Abschlags an die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker sowie die Spitzenverbände der Krankenkassen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auf maschinell lesbaren Datenträgern zu übermitteln. Die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Apotheker, der pharmazeutischen Großhändler und der pharmazeutischen Unternehmen können in einem gemeinsamen Rahmenvertrag das Nähere regeln." Aufgrund des gemeldeten Herstellerabgabepreises wird der Apothekenverkaufspreis berechnet und in der Lauer-Taxe ausgewiesen.

26

Mit diesem Verfahren wird die rechtliche Verpflichtung der pharmazeutischen Hersteller und des Deutschen Apothekerverbandes nicht nur aus § 130a Abs 6 S 3 SGB V, sondern auch aus § 131 Abs 4 und § 129 Abs 6 SGB V zur Übermittlung der notwendigen Produktinformationen an die KKn und ihre Verbände für deren Aufgabenerfüllung nachvollzogen und die entsprechende praktische Grundlage geschaffen(vgl auch Präambel Abs 1 S 1 des genannten Vertrages über die Bereitstellung eines Produktverzeichnisses Arzneimittel; zur nachträglichen gesetzgeberischen Billigung dieser Verfahrensweise der Praxis vgl auch § 131 Abs 4 S 2 SGB V idF des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26.4.2006, BGBl I 984, und Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks 16/194 S 11, Zu Nummer 8 <§ 131>; vgl auch § 131 Abs 4 S 6 SGB V idF AMNOG vom 22.12.2010, BGBl I 2262, wonach die nach § 131 Abs 4 S 2 SGB V übermittelten Angaben oder, im Falle einer Korrektur nach § 131 Abs 4 S 5 SGB V, die korrigierten Angaben "verbindlich" sind; vgl auch Burk, Die Funktionen der unabhängigen Apotheke für die Arzneimittelversorgung der GKV und das Fremd- und Mehrbesitzverbot, 2008, S 42; zum heutigen Rechtszustand vgl § 2 und § 3 des Rahmenvertrages nach § 131 SGB V über das bundeseinheitliche Arzneimittelkennzeichen sowie Preis- und Produktinformationen pharmazeutischer Unternehmer vom 14.5.2012, der den ab dem 1.3.1991 geltenden Vertrag ablöst; § 8b Abs 1 des zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband eV geschlossenen Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 SGB V in der derzeit geltenden Fassung vom 15.6.2012).

27

Dementsprechend regelt der aufgrund von § 130a Abs 6 S 4 SGB V geschlossene Rahmenvertrag(in der hier anzuwendenden ab dem 1.1.2003 geltenden Fassung) die Abrechnung und Erfüllung des Erstattungsanspruchs der Apotheken (hinsichtlich des Herstellerrabattes, vgl § 130a Abs 1 S 2 SGB V) gegen die pharmazeutischen Unternehmen (vgl Präambel des genannten Vertrages).

28

dd) Die Angaben in der Lauer-Taxe sind ebenfalls im Rahmen des sog Herstellerrabatts für den Tatbestand einer Preiserhöhung (siehe § 130a Abs 2 SGB V)maßgeblich, ohne dass eine rückwirkende Korrektur möglich ist. Ob sich ein Preis eines Arzneimittels im Rechtssinne "erhöht", ist rein objektiv nach dem Inhalt der Lauer-Taxe zu den dort genannten Preisangaben zu bestimmen. Wie bereits oben dargelegt, ist für die Abrechnung der an Versicherte der GKV abgegebenen Arzneimittel der Inhalt der Lauer-Taxe aus Rechtsgründen maßgeblich. Nur das, was den Systembeteiligten aus diesen Daten - in der Regel maschinenlesbar - verfügbar ist, ist Grundlage der Arzneimittelvergütung und der Arzneimittelrabatte. Eine Korrektur ist lediglich mit Wirkung für die Zukunft möglich. Das folgt vor allem aus dem Regelungssystem und Regelungszweck und steht in Einklang mit den vertraglichen Grundlagen der Ausgestaltung der Meldungen zur Lauer-Taxe.

29

Die in der eingeschränkten Korrekturmöglichkeit liegende Risikozuordnung ist in § 130a Abs 6 S 4 SGB V angelegt: Die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Apotheker, der pharmazeutischen Großhändler und der pharmazeutischen Unternehmen haben nicht nur die Möglichkeit, das Nähere in einem gemeinsamen Rahmenvertrag zu regeln. Sie tragen hierfür auch im Interesse ihrer Mitglieder oder Repräsentierten die Verantwortung. Diese Organisationen haben sich in einem Rahmenvertrag auf das beschriebene Verfahren mit der Maßgeblichkeit der Datensätze in der Lauer-Taxe verständigt (zur Einschaltung von Apothekenrechenzentren - wie die Klägerin - siehe § 1 Abs 2 S 8 und § 2 des Rahmenvertrages nach § 130a Abs 6 SGB V in der hier anzuwendenden ab dem 1.1.2003 geltenden Fassung). Es wäre wenig systemgerecht, die nicht in die Gestaltung eingebundenen KKn mit Fehlerfolgen zu belasten, denen sie nicht nahe stehen.

30

Die Meldung von Preisen von Arzneimitteln für Versicherte der GKV an IFA hat für pharmazeutische Unternehmer die Bedeutung, dass sie hierbei nicht rückwirkend korrigierbare einseitige Gestaltungserklärungen abgeben mit einem nicht rückholbaren Informationsgehalt sowie erheblichem Schadenspotential. Dem entspricht die Praxis, dass sich pharmazeutische Unternehmen bei den erforderlichen Meldungen professioneller Hilfe bedienen, wie es die Beklagte auch gemacht hat. Sie decken Risiken von Fehlern durch Versicherung ab.

31

Wie das LSG zutreffend hervorgehoben hat, verschafft allein die Lauer-Taxe zuverlässige Informationen über den Herstellerabgabepreis und ggf weitere Arzneimittelpreise, PZN uÄ. Denn es gibt außerhalb der Meldung des Herstellerabgabepreises über IFA an die die Lauer-Taxe herausgebende ABDATA kein anderes formalisiertes Meldeverfahren für den vom pharmazeutischen Unternehmen für sein Medikament grundsätzlich frei bestimmbaren Herstellerabgabepreis. Es fehlt an alternativen gesicherten Informationsquellen, welche eine Abgleichung der Preisangaben zuließen.

32

Das mit der Lauer-Taxe verfügbare Informationskonvolut wirkt zugleich mit dem Markteintritt eines jeden dort aufgeführten Arzneimittels steuernd. Versicherter Patient, Vertragsarzt und Apotheker müssen ihre am Wirtschaftlichkeitsgebot ausgerichteten Auswahlentscheidungen (vgl § 12 Abs 1 SGB V)auf eine verlässliche Informationsquelle über die Preise von Therapiealternativen stützen. Die Vergütungsansprüche der Apotheker gegen KKn für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte basieren - wie dargelegt - auf den taggenauen Preisangaben der Lauer-Taxe. Die nachträgliche Kontrolle des Verordnungsverhaltens der Vertragsärzte durch die Prüfgremien (§ 106 SGB V)und die nachträgliche Kontrolle des Abgabeverhaltens der Apotheker bei der Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte durch die KKn ist darauf angewiesen, die Preisangaben der Lauer-Taxe zugrunde zu legen. Die Vorwirkung der Preisinformation auf die Entscheidungsprozesse, die absolute Notwendigkeit der Verlässlichkeit der Preisinformation und das äußerst umfangreiche betroffene Entscheidungsvolumen, die Massenhaftigkeit der betroffenen Vorgänge schließen aus, Preisangaben in der Lauer-Taxe nachträglich rückwirkend zu ändern.

33

Die in den Rahmenverträgen vorgesehenen Korrekturmöglichkeiten müssen die genannten Strukturprinzipien beachten. Sie schließen Rückabwicklungen aus und müssen sicherstellen, dass Fehler-Korrekturen nicht in der Vergangenheit veröffentlichte Informationen der Lauer-Taxe beseitigen, sondern die unterlaufenen Fehler mit Zukunftswirkung durch ergänzende Informationen unschädlich machen. In diesem Sinne verfuhr ABDATA auch mit der Korrekturmeldung der Beklagten. Sie stellte durch begleitende Angaben zum Herstellerrabatt ab 1.12.2003 sicher, dass die Nutzer - gerade und auch der elektronischen Datei - hierdurch ohne Veränderung der zum 15.6. und 1.7.2003 erfolgten Informationen über Pamidronat M. 90 mg erkennen konnten, dass den Angaben vom 15.6. und 1.7.2003 keine willentliche Preiserhöhung vom pharmazeutischen Unternehmen zugrunde lag, sondern ein Zahlendreher bei der Übermittlung der Preise für die Arzneimittelpackungsgrößen von 30 mg und 90 mg.

34

Die nur mit Zukunftswirkung korrigierbare Maßgeblichkeit der Angaben in der Lauer-Taxe für die Berechnung und Abwicklung des Herstellerrabatts hat nicht zur Folge, dass pharmazeutische Unternehmen unzumutbar, in einer der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) widersprechenden Weise belastet werden. Vielmehr greift der Grundsatz, dass derjenige die Folgen von Fehlern zu tragen hat, der sie verursacht. Haben IFA oder ABDATA bei der Information der Öffentlichkeit trotz korrekter Angaben des pharmazeutischen Unternehmens und zutreffender umgehender Beanstandung der Kontrollmitteilung einen Fehler gemacht und unzutreffende Informationen in die Lauer-Taxe eingestellt, müssen sie hierfür gegenüber den pharmazeutischen Unternehmen haften. Haben unkorrekte Angaben des pharmazeutischen Unternehmens einen Fehler verursacht, trägt es selbst die Folgen. Die drohende Haftung begründet bei demjenigen, der die Steuerungskompetenz besitzt, einen Anreiz, Fehler zu vermeiden. Ihm bleibt die Möglichkeit verschlossen, die Kosten der Fehlervermeidung durch Rückabwicklung von Geschäften Dritter zu externalisieren.

35

c) Das Grundrecht des Art 19 Abs 4 S 1 GG garantiert jedem den Rechtsweg, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen ihm von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen (BVerfGE 129, 1, 20 mwN). Für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten ist vorrangig das Rechtsstaatsprinzip iVm Art 2 Abs 1 GG, aus dem die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten ist (BVerfGE 85, 337, 345; BVerfGE 93, 99, 107), heranzuziehen. Der auch das SGG erfassende spezifische Justizgewährleistungsanspruch des Art 19 Abs 4 GG und der den zivilrechtlichen Haftungsprozess des pharmazeutischen Unternehmens erfassende allgemeine Justizgewährleistungsanspruch des Art 20 Abs 3 GG iVm Art 2 Abs 1 GG gebieten, zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes die aufgezeigte Lücke in der Regelung der notwendigen Beiladung im Wege entsprechender Anwendung des § 75 Abs 2 SGG zu schließen, damit das pharmazeutische Unternehmen auch auf der Ebene des Zivilprozesses effektiven Rechtsschutz erlangen kann. Das besondere prozessuale Erfordernis einer notwendigen Beiladung der potentiell haftenden Unternehmen erwächst aus dem Bedürfnis nach Rechtskrafterstreckung vor dem Hintergrund der aufgezeigten weitgehenden Folgen, die sich aus unzutreffenden Angaben in der Lauer-Taxe ergeben, und die lediglich mit Wirkung für die Zukunft korrigierbar sind. Nur dieser Weg sichert, dass die als Ausgleich für diese strikte Bindung der pharmazeutischen Unternehmen an ihre in der Lauer-Taxe veröffentlichten Angaben vorgesehenen Schadensersatzansprüche nicht leerzulaufen drohen, und verhindert, dass die Betroffenen mehrere Prozesse mit dem Risiko führen müssen, dass ihnen die Prozessführung - mangels Bindungswirkung für die verantwortlichen Dritten - im Ergebnis nichts nutzt.

36

d) Ein solcher Fall, in dem sich die weitgehende Bindungswirkung Dritter an die Inhalte der Lauer-Taxe mit nur eingeschränkten Korrekturmöglichkeiten entscheidungserheblich auswirkt, liegt hier vor. Es geht in diesem Rechtsstreit im Kern um die Frage, ob die Beklagte der Klägerin den an die beizuladenden KKn gewährten erhöhten Herstellerrabatt zu erstatten hat. Soweit die Klageforderung zulässig geltend gemacht ist, weil sie hinreichend spezifiziert ist, kommt es darauf an, dass Pamidronat M. 90 mg als ein apotheken- und verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel, das dem Herstellerrabatt unterfällt, nach dem 1.10.2002 in den Markt eingeführt wurde und sich sein Preis danach erhöhte (vgl § 130a Abs 2 SGB V). Diese Voraussetzungen sind wegen der Bindungswirkung der in der Lauer-Taxe veröffentlichten Angaben auch für den Herstellerrabatt erfüllt. Soweit die Klage zulässig ist, ist nach den für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs aus § 130a Abs 1 S 2 SGB V im Umfang gemäß § 130a Abs 2 SGB V erfüllt sind. Die Beigeladenen erhielten rechtmäßig (vgl zum Erfordernis zutreffend 3. Senat BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 6 RdNr 13)von Apotheken, für die die Klägerin in Prozessstandschaft handelt, für zwischen dem 1.7. und 30.11.2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel Pamidronat M. 90 mg einen über den Abschlag in Höhe von 6 vH des Herstellerabgabepreises hinausgehenden, erhöhten Abschlag wegen Erhöhung des Herstellerabgabepreises vom 15.6. zum 1.7.2003.

37

aa) Das Arzneimittel Pamidronat M. 90 mg unterfällt der Regelung des § 130a Abs 1 SGB V. Der in § 130a Abs 1 SGB V geregelte Rabatt der pharmazeutischen Unternehmer gilt nur für Fertigarzneimittel(zu Impfstoffen s § 130a Abs 2 SGB V), deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG bestimmt sind (vgl zu § 130a Abs 1 SGB V bereits vgl BSGE 101, 161 = SozR 4-2500 § 130a Nr 3, RdNr 15 ff mwN). Die betroffenen Fertigarzneimittel Pamidronat M. 90 mg, die die Beklagte an GKV-Versicherte der Beigeladenen abgab, unterlagen den Preisregelungen der AMPreisV, die nach dem AMG bestimmt sind.

38

Pamidronat M. 90 mg wurde 2003 von § 1 Abs 1 Nr 2 AMPreisV erfasst, weil es ein apotheken- und verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel ist. Nach § 1 Abs 1 Nr 1 und 2 AMPreisV werden ua für Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel) und deren Abgabe nach § 43 AMG den Apotheken vorbehalten ist, die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken sowie die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf festgelegt. Gemäß § 43 Abs 1 AMG dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 oder Abs 2 Nr 1 AMG, die nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den Fällen des § 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. Pamidronat M. 90 mg ist ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 1 AMG. Es ist nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben(vgl entsprechend BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 4 RdNr 16).

39

Liegt - wie hier - eine Abgabe von Arzneimitteln vor, für die das Preisbildungssystem des § 1 Abs 1 AMPreisV maßgeblich ist, ist bei der Berechnung - wie oben dargelegt - der vom Arzneimittelhersteller bekannt gemachte und in der Lauer-Taxe ausgewiesene Herstellerabgabepreis zugrunde zu legen(BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 4 RdNr 20; dem folgend BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 6 RdNr 21). Dementsprechend ergibt sich aus § 5 S 1 und § 12 Abs 1 S 2 ALV zwischen dem Hessischen Apothekerverband eV und den Landesverbänden der Krankenkassen idF vom 1.1.2002, § 5 Abs 2 ALV zwischen dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz eV und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 26.2.1996 und Nr 2.8 Abs 3 ALV zwischen dem Thüringer Apothekerverband eV und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 1.9.2003 für den betroffenen Zeitraum entsprechend der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des LSG, dass der Preisberechnung apothekenpflichtiger Fertigarzneimittel der im ABDA-Artikelstamm aufgeführte Herstellerabgabepreis zugrunde zu legen ist.

40

bb) Pamidronat M. 90 mg erfüllte ab Juli 2003 auch die Voraussetzungen für einen erhöhten Abschlag nach § 130a Abs 2 SGB V. Die Beklagte führte das Arzneimittel Pamidronat M. nach dem 1.10.2002 erstmals in den Markt ein, nämlich am 15.6.2003, und erhöhte den Preis zum 1.7.2003.

41

Ein pharmazeutisches Unternehmen führt ein Fertigarzneimittel iS von § 130a Abs 2 S 2 SGB V in den Markt ein, indem es dafür sorgt, dass die rechtlichen Voraussetzungen zur Abgabe des Fertigarzneimittels an Versicherte erfüllt sind. Die Markteinführung ist abgeschlossen, wenn das arzneimittelrechtlich verkehrsfähige Arzneimittel mit PZN und Herstellerabgabepreis in der Lauer-Taxe gelistet ist. Das entspricht dem Regelungszweck des § 130a Abs 2 S 2 SGB V, zu verhindern, dass sich der pharmazeutische Unternehmer durch Preisaufschläge seinen Rabattverpflichtungen entzieht(vgl hierzu zB Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II - SGB V, Stand 1.1.2013, § 130a RdNr 9 zu § 130a Abs 3b S 2; Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2013, § 130a RdNr 3a; Schneider in Engelmann/Schlegel, jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 130a RdNr 19). Es harmoniert mit dem Regelungssystem, das in den ALV nach § 129 SGB V, den Rabattregelungen des § 130 SGB V(vgl dazu BSGE 104, 160 = SozR 4-2500 § 13 Nr 22, RdNr 25)und des § 130a SGB V sowie den Abrechnungsregelungen(vgl § 300 SGB V und die hierauf fußenden Normenverträge)an das Preisbildungssystem der AMPreisV und speziell die in der Lauer-Taxe veröffentlichten Daten anknüpft. Der Gesetzgeber stellt nicht etwa auf den Begriff des "Inverkehrbringens" der Arzneimittel (vgl § 4 Abs 17 AMG)ab, der in Zusammenhang mit einem anderen Schutzzweck (demjenigen gemäß § 1 AMG)steht (vgl auch Dettling, A&R 2010, 99, 105). Wortlaut und Entstehungsgeschichte stehen dem Auslegungsergebnis nicht entgegen.

42

In diesem Sinne stellte ABDATA nach den den Senat bindenden unangegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) die für die Markteinführung erforderlichen, gemeldeten Daten des Arzneimittels einschließlich des Herstellerabgabepreises mit "Gültigkeitsdatum 15.06.2003" in die Datenbank der Lauer-Taxe ein. Das zieht die Revisionsführerin nicht in Zweifel.

43

Der Herstellerabgabepreis für das Arzneimittel Pamidronat M. 90 mg "erhöhte" sich auch gegenüber dem Preisstand vom 15.6.2003 zum 1.7.2003: Der Preis stieg nach dem Inhalt der Lauer-Taxe von 307,29 Euro am 15.6.2003 auf 915,68 Euro am 1.7.2003. Ob sich ein Preis eines Arzneimittels im Rechtssinne "erhöht", ist - wie oben dargelegt - rein objektiv nach dem Inhalt der Lauer-Taxe zu den dort genannten Preisangaben zu bestimmen. Nur das, was den Systembeteiligten aus diesen Daten - in der Regel maschinenlesbar - verfügbar ist, ist Grundlage der Arzneimittelvergütung und der Arzneimittelrabatte. Eine Korrektur ist lediglich mit Wirkung für die Zukunft möglich.

44

4. Nach Nachholung der gebotenen Beiladungen und Anhörung der Beigeladenen spricht viel dafür, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von lediglich 13 153,47 Euro Erstattung des erhöhten Herstellerrabatts für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte der dann vollständig beigeladenen KKn zulässig und begründet einklagt. Denn die Klägerin kann lediglich 23 Arzneimittelabgaben bezogen auf die betroffenen Versicherten, Apotheken sowie die Beigeladene zu 3. und die M. BKK spezifiziert belegen. Soweit sie drei weitere Vorgänge aus dem Zeitraum Juli 2003 einbezieht, lässt sie außer Acht, dass diese Gegenstand der Widerklage sind, weil die Beklagte für diesen Zeitraum den erhöhten Herstellerrabatt gezahlt hat und nun dessen Rückerstattung fordert. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich nicht, dass die Klägerin (noch) bestimmbare Forderungen wegen Arzneimittelabgaben an Versicherte der Beigeladenen zu 1. und 2. geltend machen kann.

45

Rechtmäßig konnten - die Feststellungen des LSG zugrunde gelegt - die Beizuladenden aus dem maßgeblichen Inhalt der Lauer-Taxe vom 1.7. bis 30.11.2003 ableiten, dass die Beklagte den Preis von Pamidronat M. 90 mg von 307,29 Euro am 15.6.2003 auf 915,68 Euro am 1.7.2003 erhöhte. Sie durften deshalb nach § 130a Abs 2 S 2 SGB V den Abschlag von 6 vH gemäß § 130a Abs 1 SGB V um den Betrag der Erhöhung des Herstellerabgabepreises erhöhen. Der Erhöhungsbetrag multipliziert mit der Zahl der betroffenen Fälle ergibt unter Anrechnung des bereits geleisteten sog Herstellerrabatts die nach derzeitigem Sachstand begründete Klageforderung von 13 153,47 Euro (23 x 571,89 Euro).

46

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Aktionen der Fehlerbeseitigung in der Lauer-Taxe, die über klarstellende ergänzende Informationen hinausgehen, insbesondere eine spezifische Auslegung des Rechts voraussetzen, unproblematisch nur im Einverständnis aller Betroffenen erfolgen können.

47

5. Die Klägerin kann - die Feststellungen des LSG zugrunde gelegt - auch die geltend gemachten Verzugszinsen und grundsätzlich auch einen weitergehenden Verzugsschaden für Rechtsanwaltskosten beanspruchen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats können - übereinstimmend mit der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG - bei Leistungsbeschaffungsbeziehungen von KKn nach § 69 S 3 SGB V aF grundsätzlich Verzinsungsansprüche in entsprechender Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften bestehen(vgl insgesamt BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 14 mwN). Die Voraussetzungen eines Verzugs der Beklagten (vgl § 286 Abs 1 BGB)liegen ab 16.11.2004 vor. Die Klägerin hatte sie mit Schreiben vom 5.11.2004 - allerdings mit einer der Höhe nach - wie dargelegt - wohl nicht berechtigten Hauptforderung von 15 440,96 Euro gemahnt. Die Prüfung, ob eine Zuvielforderung zur Unwirksamkeit einer Mahnung führt, erfordert entsprechend der Rechtsprechung des BGH eine unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben vorzunehmende Würdigung, ob der Schuldner die Erklärung als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger auch zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist (vgl zB BGHZ 146, 24, 35; BGH Urteil vom 25.6.1999 - V ZR 190/98 - NJW 1999, 3115, 3116 mwN). Diese Voraussetzungen waren - die Feststellungen des LSG zugrunde gelegt - seinerzeit erfüllt.

48

Die Klägerin hat insoweit auch - ausgehend von dem niedrigeren Betrag von 13 153,47 Euro - der Höhe nach Anspruch auf die zuerkannte Zinsforderung. Denn bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs 2 BGB). Der Begriff der "Rechtsgeschäfte" erfasst auch den Erstattungsanspruch nach § 130a Abs 1 S 2 SGB V, denn er ist richtlinienkonform auszulegen. Der deutsche Gesetzgeber wollte mit der Verwendung des Begriffs "Entgeltforderung" in § 286 Abs 3 und § 288 Abs 2 BGB die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000 (EG RL 2000/35, ABl EG L 200, 35) in das modernisierte Schuldrecht umsetzen. Während er zunächst eine weiterreichende Regelung vorsah, beschränkte er sie im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auf den Anwendungsbereich der Zahlungsverzugsrichtlinie (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks 14/6857 S 51, Zu Nr 34 bis 36, und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks 14/7052 S 186, Zu § 286; anders noch Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks 14/6040 S 147). Ziel der EG RL 2000/35 ist die Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, der als Ursache für Verwaltungs- und Finanzlasten der Unternehmen, für Insolvenzen von Unternehmen und den damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen angesehen wird (Erwägungsgrund 7 EG RL 2000/35). Die EG RL 2000/35 ist auf die als "Entgelt für Handelsgeschäfte" geleisteten Zahlungen beschränkt und umfasst weder Geschäfte mit Verbrauchern noch die Zahlung von Zinsen im Zusammenhang mit anderen Zahlungen, zB unter das Scheck- und Wechselrecht fallende Zahlungen oder Schadensersatzzahlungen einschließlich Zahlungen von Versicherungsgesellschaften (Erwägungsgrund 13 EG RL 2000/35). Nach Art 1 betrifft sie Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind. Art 2 Nr 1 EG RL 2000/35 definiert den Begriff des Geschäftsverkehrs dahin, dass es um Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen geht, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen (vgl insgesamt BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 19 mwN). Dies erfasst bei einer hier zweckentsprechenden weiten Auslegung sinngemäß auch den streitbefangenen Erstattungsanspruch des sog Herstellerrabatts der Apotheker gegen pharmazeutische Unternehmen (vgl im Ergebnis ebenso BSG SozR 4-2500 § 130a Nr 6 RdNr 26). Grundsätzlich ist auch ein weitergehender Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen des Schuldnerverzugs als Verzugsschaden begründet (vgl auch BSGE 99, 208 = SozR 4-2500 § 69 Nr 3, RdNr 22 ff mwN). Die Klägerin durfte es für erforderlich halten, sich vorprozessual durch einen Rechtsanwalt unterstützen zu lassen, da schwierige Sach- und Rechtsfragen eine Rolle spielten.

49

6. Das SG hat die Widerklage (vgl § 100 SGG) - die Feststellungen des LSG zugrunde gelegt - zu Recht abgewiesen und das LSG die diesbezügliche Berufung rechtmäßig zurückgewiesen. Die Beklagte musste aus den dargelegten Gründen im betroffenen Zeitraum für das genannte Mittel den erhöhten Rabatt bezahlen. Zudem fehlte der Klägerin insoweit die passive Prozessführungsbefugnis. Im Rahmen der Abrechnung und Erfüllung des Erstattungsanspruchs der Apotheken gegen die pharmazeutischen Unternehmen (vgl § 130a Abs 1 S 2 SGB V) fungieren die Apothekenrechenzentren - wie die Klägerin - als bloße Zahlstellen, über die das Rabattinkasso mit schuldbefreiender Wirkung für die pharmazeutischen Unternehmen abzuwickeln ist (vgl § 1 Abs 2 S 8, § 2 Abs 4 des Rahmenvertrages nach § 130a Abs 6 SGB V in der hier anzuwendenden ab dem 1.1.2003 geltenden Fassung). Damit wird lediglich der Anspruch der Apotheken gegen die pharmazeutischen Unternehmen erfüllt (vgl auch § 130a Abs 1 S 2 SGB V). Macht dagegen ein pharmazeutisches Unternehmen eine rechtsgrundlose Überzahlung auf einen Anspruch nach § 130a Abs 1 S 2 SGB V geltend, sind insoweit ausschließlich die betroffenen Apotheken selbst insoweit passiv legitimiert. Ein eigener Anspruch des pharmazeutisches Unternehmens gegen ein Apothekenrechenzentrum besteht - vorbehaltlich anderer, hier nicht existierender vertraglicher Regelungen - dagegen nicht.

50

7. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung für alle Instanzen beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 und 3, § 52 Abs 3, § 45 Abs 1 S 1, § 47 Abs 1 S 1, Abs 2 S 1 GKG. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG sind die Streitwerte aus der Klage (15 891,17 Euro) und der Widerklage (6862,67 Euro) zusammenzurechnen, weil es sich um eine Mehrzahl rechtlich eigenständiger Forderungen handelt, die Anträge sich also nicht gegenseitig ausschließen (vgl hierzu BGH Beschluss vom 28.9.2011 - IV ZR 146/10 - Juris RdNr 4 mwN; BGH Beschluss vom 6.10.2004 - IV ZR 287/03 - NJW-RR 2005, 506, unter III; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl 2012, § 45 GKG RdNr 10; Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Aufl 2009, § 45 RdNr 4 ff, 15 f). Dagegen sind die mit der Klage ebenfalls geltend gemachten 387,90 Euro Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden entgegen der Ansicht des LSG nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, weil es sich dabei um eine Nebenforderung handelt (vgl § 43 Abs 1 GKG und hierzu zB BGH Beschluss vom 9.2.2012 - I ZR 142/11 - Juris RdNr 5).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6. April 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Höhe des dem Kläger für das Quartal II/2009 zuzuweisenden Regelleistungsvolumens (RLV).

2

Der Kläger nimmt als Praktischer Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) teil. Nachdem die Beklagte ihm für das Quartal I/2009 ein RLV in Höhe von 41 848 Euro zugewiesen hatte, setzte sie mit Bescheid vom 24.2.2009 - der dem Kläger nach den Feststellungen des SG am 9.3.2009 zugegangen ist - das RLV des Klägers für das Quartal II/2009 auf 37 981,44 Euro fest. Während der Widerspruch des Klägers erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 27.5.2009), hat das SG auf dessen Klage hin die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Honorarfestsetzung für das Quartal II/2009 das dem Kläger für das Quartal I/2009 zugewiesene RLV zugrunde zu legen (Urteil vom 6.4.2011). Da die Zuweisung des neuen RLV nicht spätestens vier Wochen vor Beginn des Quartals II/2009 erfolgt sei, gelte auch für dieses Quartal das höhere RLV des Quartals I/2009 fort. Dies folge aus § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V(in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ), nach dem das bisherige RLV vorläufig fortgelte, wenn ein RLV nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums zugewiesen werden könne. Diese Regelung verweise nicht ausdrücklich auf die Frist des § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF, doch könne der Begriff "rechtzeitig" nur als Bezugnahme auf diese Frist verstanden werden. Auch die in § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF vorgesehene vorläufige Fortgeltung des bisher zugewiesenen RLV korrespondiere allein mit der in Satz 5 aaO geregelten Rechtsfolge, dass Zahlungsansprüche aus einem zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenen höheren RLV rückwirkend zu erfüllen seien, was auch bedeute, dass ein ggf zu hohes fortgeltendes RLV nicht nachträglich korrigiert werden dürfe. Die Regelungen des § 87b Abs 5 SGB V aF könnten deswegen nur dahin verstanden werden, dass der Arzt Zahlungsansprüche aus dem höheren RLV habe, wenn die Mitteilung des RLV später als vier Wochen vor Quartalsbeginn erfolge.

3

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Ein bisheriges RLV gelte vorläufig fort, wenn die Zuweisung des neuen RLV nicht vor dem Beginn des Geltungszeitraums - dem Abrechnungsquartal - zugewiesen sei. § 87b Abs 5 SGB V aF solle sicherstellen, dass das Mengensteuerungsinstrument RLV kontinuierlich Anwendung finde und kein regelungsfreier Raum entstehe. Um dieses Ziel zu erreichen, habe es dem Gesetzgeber für den Fall der Zuweisung des RLV noch vor seinem Geltungsbeginn genügt, in § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF lediglich eine Ordnungsfrist zu normieren. Der Begriff "rechtzeitig" in § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF solle lediglich die Bedeutung des Beginns des Abrechnungsquartales unterstreichen. Zudem sei sie - die Beklagte - zu Unrecht verpflichtet worden, das dem Kläger für das Quartal I/2009 zugewiesene RLV für das gesamte Quartal II/2009 zugrunde zu legen. Der vorläufige Geltungscharakter des nicht rechtzeitig bekannt gegebenen RLV ergebe sich daraus, dass gemäß § 87b Abs 5 Satz 5 SGB V aF Zahlungsansprüche aus einem zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenen höheren RLV (rückwirkend) zu erfüllen seien, und dass das bisher zugewiesene RLV "vorläufig" fortgelte. Selbst für den Fall, dass ein RLV erst nach Beginn seines Geltungszeitraums bekannt gegeben werde, gelte das bisher zugewiesene RLV nur bis zur Bekanntgabe des neuen RLV.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6.4.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Der Gesetzgeber habe RLV eingeführt, um eine Planbarkeit des ärztlichen Honorars ex ante - vor Beginn des Quartals - zu realisieren. Für den Fall der nachträglichen Zuweisung eines niedrigeren RLV habe er keine Regelung getroffen. Jedoch ergebe sich unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien sowie bei systematischer Betrachtung, dass er die Kalkulationssicherheit für den einzelnen Arzt hoch bewertet habe. § 87b Abs 5 Satz 1 SGB V aF normiere eine zwingend einzuhaltende Frist; daher sei eine nachträgliche Korrektur durch ein niedrigeres RLV im Regelfall nicht mehr möglich. Das RLV gelte für das gesamte Folgequartal fort; für eine Anwendung "pro-rata-temporis" sei ausweislich des Gesetzeswortlauts kein Raum. Eine auf die Zeit bis zur verspäteten Zuweisung des neuen niedrigeren RLV beschränkte Fortgeltung stelle in Anbetracht der gesetzlichen Regelung in § 87b Abs 5 Satz 5 SGB V aF eine unzulässige Rückwirkung dar. Das RLV solle gerade nicht einer nachträglichen Korrektur vorbehaltlich der endgültigen Festsetzung im Honorarbescheid unterliegen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten ist begründet.

8

Im Streit steht allein die Höhe des dem Kläger für das Quartal II/2009 zugewiesenen RLV, wiederum beschränkt auf die Frage, ob das ihm für das Quartal I/2009 zugewiesene (höhere) RLV auch für das Quartal II/2009 zugrunde zu legen ist. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass das ihm für das Quartal II/2009 zugewiesene RLV fehlerhaft berechnet worden oder aus anderen Gründen rechtswidrig ist. Dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte.

9

Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, der Honorarfestsetzung für das Quartal II/2009 das dem Kläger für das Quartal I/2009 zugewiesene RLV zugrunde zu legen. Das RLV war dem Kläger noch rechtzeitig vor Beginn des Quartals II/2009 zugewiesen worden.

10

1. a) Die Zuweisung eines RLV ist gesondert anfechtbar. Dies folgt bereits aus der in § 87b Abs 5 Satz 2 SGB V aF angeordneten Geltung des § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V, welcher bestimmt, dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben. Dieser Geltungsanordnung hätte es nicht bedurft, wenn die Zuweisung nicht gesondert, sondern nur zusammen mit dem Honorarbescheid anfechtbar wäre. Die Zuweisung des RLV erfolgt im Übrigen in Form einer eigenständigen Regelung und stellt daher einen Verwaltungsakt dar. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senats zur eigenständigen Bedeutung einer gesonderten Feststellung der Bemessungsgrundlagen im Rahmen von Individualbudgets (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 193; BSGE 83, 52, 53 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 202)und der Festsetzung von Praxisbudgets (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 3 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 9), die unabhängig von den Honorarbescheiden angefochten werden können.

11

b) Aus der gesonderten Anfechtbarkeit folgt zum einen, dass ein Vertragsarzt, der die Zuweisung eines RLV hat bestandskräftig werden lassen, an diese Festsetzung gebunden ist und im nachfolgenden Honorarstreitverfahren nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen kann. Zum anderen ist (umgekehrt) für die Klärung der Rechtmäßigkeit der Zuweisung eines RLV nur solange Raum - und ein Rechtschutzbedürfnis gegeben -, als die den streitbefangenen Zeitraum betreffenden Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (vgl bereits BSG Beschluss vom 17.8.2011 - B 6 KA 30/11 B - RdNr 6 - für Individualbudgets).

12

In der Rechtsprechung des Senats sind Voraussetzungen und Konsequenzen der gesonderten Anfechtbarkeit von Regelungen im Zusammenhang mit der Vergütung allerdings nicht einheitlich beurteilt worden. So lässt sich den älteren - zu Individualbudgets im zahnärztlichen Bereich sowie zu Praxis- und Zusatzbudgets im ärztlichen Bereich ergangenen - Entscheidungen des Senats die Auffassung entnehmen, dass eine Anfechtung der gesondert ergangenen Bescheide auch dann zulässig ist, wenn die jeweiligen Quartalshonorarbescheide nicht angefochten worden sind (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 193; BSGE 83, 52, 53 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 202; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 3 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 9). Demgegenüber hat der Senat in neueren Entscheidungen gefordert, dass die den streitbefangenen Zeitraum betreffenden Honorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 12, 14 - zur Vergütung von Dialyseleistungen ohne Anwendung von RLV; grundlegend BSG Beschluss vom 17.8.2011 - B 6 KA 30/11 B - RdNr 6 f; s auch BSG Urteil vom 8.2.2012 - B 6 KA 14/11 R - RdNr 11 - SozR 4-2500 § 85 Nr 69).

13

Zur Vereinheitlichung seiner Rechtsprechung stellt der Senat - unter Modifikation seiner in früheren Entscheidungen getroffenen Aussagen - nunmehr klar, dass für die gerichtliche Klärung von gesonderten Feststellungen (Bemessungsgrundlagen, Budgets, RLV), Teilelementen und Vorfragen zur Bestimmung des Quartalshonorars nur dann und solange Raum ist, als die jeweiligen Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Dies gilt auch dann, wenn entsprechende Feststellungen durch gesonderten Verwaltungsakt erfolgt sind.

14

Der Honorarbescheid würde seine Funktion einer abschließenden verbindlichen Regelung des Honoraranspruchs des Arztes verlieren, wenn er - trotz formeller Bestandskraft - und ohne ausdrückliche Kennzeichnung als vorläufig in der Sache kaum verlässlich Auskunft darüber gibt, wie hoch der Vergütungsanspruch des Arztes im jeweiligen Quartal ist. Wenn etwa wegen des Streits über das für die Höhe des Honoraranspruchs entscheidenden RLV eine verbindliche Festlegung des Honorars nicht möglich ist, spiegelt die Bestandskraft eine Sicherheit vor, die es tatsächlich nicht gibt, wenn mit umfassenden Änderungen des Bescheides nach endgültiger Festlegung des RLV zu rechnen wäre. Die Gewährleistungsfunktion von bestandskräftigen Honorarbescheiden erfordert deshalb, dass die arztbezogenen Grundlagen des Honoraranspruchs nicht mehr umstritten sind; sind diese ungeklärt, muss die endgültige Honorarhöhe zwischen KÄV und Arzt offenbleiben (Widerspruch gegen Honorarbescheid, Vorläufigkeitserklärung durch KÄV). Ergeht eine als abschließend gedachte Regelung und wird diese bestandskräftig, besteht an der Klärung von Vorfragen zum Honorar - wie etwa RLV - kein rechtlich geschütztes Interesse des Arztes mehr.

15

Die Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft muss nicht notwendig in der Weise erfolgen, dass der Vertragsarzt gegen den abschließenden Honorarbescheid Widerspruch einlegt. Es reicht auch aus, wenn die KÄV gegenüber Vertragsärzten, deren RLV noch im Streit steht, die Verpflichtung übernimmt, den Honorarbescheid einer eventuell geänderten RLV-Festsetzung anzupassen oder generell verlautbart, dass sie neue Honorarbescheide erlassen wird, wenn sich beim einzelnen Arzt Änderungen bei dem RLV ergeben.

16

Der Senat weist darauf hin, dass die KÄVen ggf zu prüfen haben, ob Vertragsärzten, die im Vertrauen auf die (ältere) Rechtsprechung des Senats von einer gleichzeitigen Anfechtung der Honorarbescheide abgesehen haben, Vertrauensschutz zu gewähren sein kann. Hierfür besteht ggf Veranlassung, weil durch die nicht einheitliche Rechtsprechung des Senats Rechtsunsicherheit eingetreten sein kann und zudem die grundlegenden Ausführungen des Senats im Beschluss vom 17.8.2011 (B 6 KA 30/11 B) nicht veröffentlicht worden sind, sodass hiervon keine Kenntnis genommen werden konnte. Dies gilt jedenfalls für Honorarbescheide, bei denen vor Veröffentlichung der Entscheidung des Senats vom heutigen Tag Bestandskraft eingetreten ist.

17

Vorliegend hat der Kläger - nach den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - auch den Honorarbescheid für das Quartal II/2009 angefochten.

18

2. Die Beklagte hat der Honorarabrechnung des Klägers für das Quartal II/2009 zu Recht das mit Bescheid vom 24.2.2009 zugewiesene RLV zugrunde gelegt. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass das ihm für das Vorquartal zugewiesene (höhere) RLV weiterhin zur Anwendung gelangt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine (ausnahmsweise) Fortgeltung des bisherigen RLV nicht gegeben sind.

19

Nach § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF gilt das bisherige, dem Arzt oder der Arztpraxis zugewiesene RLV vorläufig fort, wenn ein RLV "nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums" zugewiesen werden kann. Voraussetzung für eine Fortgeltung des bisherigen RLV ist mithin eine "nicht rechtzeitige" Zuweisung des neuen RLV. "Nicht rechtzeitig" iS des § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF ist die Zuweisung nach dem Wortlaut der Norm dann, wenn das RLV nicht "vor Beginn des Geltungszeitraums" zugewiesen worden ist. Geltungszeitraum des RLV ist der "Abrechnungszeitraum" (vgl § 87b Abs 2 Satz 5 SGB V aF), mithin das Quartal. Das RLV für das Quartal II/2009 ist dem Kläger am 9.3.2009 und damit rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums - hier der 1.4.2009 - zugewiesen worden.

20

Der Auffassung des SG, dass das Merkmal "rechtzeitig" auf die Vier-Wochen-Frist in § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF verweise, folgt der Senat nicht. Nach dieser Bestimmung hat die Zuweisung der RLV wie auch die Mitteilung der maßgeblichen Preise jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV zu erfolgen. Der Annahme, eine Überschreitung dieser Frist stelle eine nicht rechtzeitige Zuweisung iS des § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF dar, steht schon der Wortlaut der Norm entgegen. Der Gesetzgeber hat den Begriff "rechtzeitig" gerade nicht mit dem Zeitpunkt der Zuweisung, sondern ausdrücklich mit dem Beginn des Geltungszeitraums des RLV verknüpft; hätte er an die Zuweisungsfrist anknüpfen wollen, hätte er dies unschwer umsetzen können, indem er in § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF die Formulierung "nicht innerhalb der Frist nach Satz 1 zugewiesen" gebraucht hätte. Dies ist jedoch nicht geschehen. Auch die Argumentation, die Verwendung des Wortes "rechtzeitig" könne nur als Bezugnahme auf die Frist des § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF verstanden werden, weil es andernfalls des Wortes "rechtzeitig" nicht bedurft hätte, ist nicht zwingend. Zwar würde sich die rechtliche Aussage, dass der Beginn des Geltungszeitraums maßgeblich ist, durch das Weglassen des Wortes nicht verändern ("nicht vor Beginn ... zugewiesen"), jedoch ändert dies nichts an der verstärkenden Wirkung des Wortes, dass eine nicht bis zum Beginn des Geltungszeitraums erfolgte Zuweisung eben nicht rechtzeitig ist.

21

Dieses Auslegungsergebnis wird durch den Zweck der die Fortgeltung des bisherigen RLV anordnenden Regelung bestätigt. Durch § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF soll eine kontinuierliche Geltung des Mengensteuerungsinstruments RLV gewährleistet werden(Fraktionsentwurf GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 126 zu § 85b Abs 6). Der Gesetzgeber wollte mithin ausschließen, dass durch eine nicht rechtzeitige Zuweisung des RLV eine Geltungslücke entsteht. Mit vergleichbarer Zielsetzung bestimmt zB § 84 Abs 1 Satz 3 SGB V für Arzneimittelvereinbarungen, dass die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung weiter gilt. Zur Wahrung der Kontinuität bzw zur Vermeidung einer Geltungslücke ist es jedoch ausreichend, wenn die Zuweisung des neuen RLV jedenfalls noch vor dem Beginn seines Geltungszeitraums erfolgt.

22

Gegen die Annahme, für die Rechtzeitigkeit der Zuweisung sei auf die Vier-Wochen-Frist des Satzes 1 aaO abzustellen, spricht auch die Regelung des § 87b Abs 5 Satz 5 SGB V aF. Dort ist bestimmt, dass Zahlungsansprüche aus einem zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenen höheren RLV rückwirkend zu erfüllen sind. Würde man die Begriffe "nicht rechtzeitig" (Satz 4 aaO) und "zu einem späteren Zeitpunkt" (Satz 5 aaO), die aufeinander aufbauen und daher einheitlich auszulegen sind, jeweils in Bezug zur Frist des § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF setzen, würde dies bei der Anwendung des Satzes 5 aaO zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen führen. Gälte eine noch vor Beginn des Geltungszeitraums, aber nicht innerhalb der Vier-Wochen-Frist erfolgte Zuweisung bereits als verspätet, bedürfte es keiner "rückwirkenden" Erfüllung etwaiger Zahlungsansprüche, weil das (höhere) RLV bereits von Beginn des Quartals an gelten würde.

23

Dass § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF zugleich dem Zweck dienen soll, einen Verstoß gegen die in Satz 1 aaO normierte Frist zu sanktionieren, ist weder den Gesetzesmaterialien zu entnehmen noch sonst erkennbar. Im Übrigen ginge die Regelung des Satzes 4 aaO als derartige Sanktion ins Leere, weil es in der Zeit zwischen dem Ende der Vier-Wochen-Frist und dem Beginn der Geltungsdauer des neuen RLV der vorläufigen Weitergeltung des bisherigen RLV nicht bedürfte, da das alte RLV ohnehin noch gelten würde. Zwar hat das SG - nach seiner Auslegung der Vorschrift konsequent - angenommen, dass bei verspäteter Zuweisung das bisherige RLV für das gesamte (Folge-)Quartal fort gilt, doch kann auch dieser Auffassung nicht gefolgt werden.

24

Hiergegen spricht schon der Wortlaut des § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF; danach gilt das bisherige RLV "vorläufig" fort. Dieses Einschubs hätte es nicht bedurft, wenn die Fortgeltung der bisherigen Regelung das gesamte (weitere) Quartal erfassen sollte. Um die bloße Endlichkeit der Fortgeltung anzuzeigen, wäre das Wort überflüssig, weil das RLV ohnehin für jeden Abrechnungszeitraum neu zuzuweisen ist. Für eine Fortgeltung pro rata temporis spricht zudem § 87b Abs 5 Satz 5 SGB V aF. Danach sind Zahlungsansprüche aus einem zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenen höheren RLV rückwirkend zu erfüllen. Schon der Wortlaut der Norm spricht von einem (verspätet) "zugewiesenen", nicht nur als zugewiesen "geltenden" RLV. Dies setzt voraus, dass eine wirksame Zuweisung des neuen RLV noch im Laufe des maßgeblichen Quartals erfolgen kann. Gälte das alte RLV zwingend für das gesamte (Folge-)Quartal, käme es überhaupt nicht zur "späteren" Zuweisung eines neuen RLV; damit liefe die Regelung leer. Zudem kann sich der als Tatbestandsvoraussetzung normierte "Anspruch" aus einem verspätet zugewiesenen (höheren) RLV nur dann ergeben, wenn auch diesem verspäteten RLV Rechtsfolgen beigemessen werden; gälte das bisherige RLV das gesamte Folgequartal fort, wäre dies nicht der Fall.

25

§ 87b Abs 5 Satz 5 SGB V kann auch nicht in dem Sinne verstanden werden, dass ausschließlich höhere RLV zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesen werden dürfen. Die Norm regelt die Zulässigkeit einer späteren Zuweisung nicht, sondern setzt diese voraus. Geregelt wird ausschließlich, dass höhere Zahlungsansprüche rückwirkend zu erfüllen sind; es sollen die durch eine zeitverzögerte Festsetzung und Zuweisung von höheren Regelleistungsvolumina beim einzelnen Arzt auftretenden "Vergütungsnachteile" ausgeglichen werden (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 12 zu § 85b Abs 6). Die Annahme, dass der Gesetzgeber einem (verspätet) zugewiesenen RLV nur für den Fall Rechtsfolgen beimessen wollte, dass sich ein höheres RLV ergeben hätte, ist auch deswegen fernliegend, weil dies zu Lasten der übrigen Vertragsärzte ginge.

26

Nach alledem handelt es sich bei der Frist nach § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF um eine bloße Ordnungsfrist(ebenso Freudenberg in jurisPK SGB V, 1. Aufl 2008, § 87b RdNr 79; Rompf in Liebold/Zalewski, Stand April 2010, § 87b RdNr C 87b-23; aA Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 87b RdNr 7), um deren Einhaltung die KÄV pflichtgemäß besorgt sein muss, die aber keine Ausschlussfrist in dem Sinne darstellt, dass bei ihrem Verstreichen das alte RLV weitergilt. Dass die Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der Frist nicht geregelt sind, stellt - ungeachtet der vom Gesetzgeber hervorgehobenen Bedeutung der Kalkulationssicherheit (vgl FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 126 zu § 85b Abs 4) - auch keine Lücke dar, die der Ausfüllung im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung bedarf. Eine bewusste Nichtbeachtung der Frist stellte eine Rechtsverletzung dar, die der für die Beklagte zuständigen Aufsichtsbehörde (vgl § 78 Abs 2 Satz 1 SGB V)im Rahmen der ihr obliegenden Rechtsaufsicht (vgl § 78 Abs 3 Satz 1 SGB V)Veranlassung zum Einschreiten gäbe.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Dezember 2015 und des Sozialgerichts München vom 16. Mai 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die klagende GmbH begehrt für das Quartal III/2009 die Zuweisung eines höheren Regelleistungsvolumens (RLV) an das von ihr betriebene Medizinische Versorgungszentrum (MVZ).

2

Dem MVZ mit Praxissitz in der K. Straße in C., das zum 1.7.2007 gegründet wurde, gehörten zunächst der Internist Dr. T. und zwei Fachärzte für Pathologie an. Dr. T. war als angestellter Arzt mit einem Tätigkeitsumfang von 40 Stunden/Woche beschäftigt und zugleich ärztlicher Leiter des MVZ. Ab dem 1.7.2008 stellte die Klägerin Dr. L. (Internist mit Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie) mit einem Beschäftigungsumfang von 10 Stunden/Woche an. Dr. T. übte seine Tätigkeit vom 1.7.2008 bis zum 30.9.2010 in einem Umfang von 30 Stunden/Woche aus. Vor seiner Anstellung im MVZ war Dr. T. seit dem 1.7.1986 in C. in einer Einzelpraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

3

Mit Bescheid vom 23.6.2009 wies die beklagte KÄV der Klägerin ein RLV für das Quartal III/2009 in Höhe von insgesamt 30 661,82 Euro zu. Das RLV wurde dabei für Dr. L. in Höhe von 12 936,03 Euro und für Dr. T. in Höhe von 17 725,79 Euro ermittelt. Bei Dr. L. legte die Beklagte eine RLV-relevante Fallzahl aus dem Quartal III/2008 von 177 zugrunde (Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe: 499), bei Dr. T. eine RLV-relevante Fallzahl aus III/2008 von 419 (Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe: 701). Die in Ansatz gebrachte RLV-relevante Fallzahl von Dr. T. betrug im Quartal III/2009 511. Der Honorarbescheid vom 21.4.2010 wies ein Gesamthonorar des MVZ, dem neben Dr. T. und Dr. L. mittlerweile drei Pathologen mit insgesamt einem vollen Versorgungsauftrag angehörten, von 237 600,72 Euro aus.

4

Mit Schreiben vom 8.7.2009 (eingegangen am 21.10.2009) stellte Dr. T. für die Quartale ab I/2009 einen Antrag auf Erhöhung der Fallzahl - Anpassung des RLV wegen Jungpraxis - und beantragte die Übernahme der Fallzahl der von ihm vor seiner Anstellung im MVZ betriebenen Praxis. Mit Bescheid vom 17.8.2010 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil der Zeitpunkt der Erstniederlassung von Dr. T., gerechnet ab dem Antragsquartal, länger als fünf Jahre zurückliege. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.9.2012 zurück. Der Arzt, der von einer Einzelpraxis zu einem MVZ wechsele, könne nicht als Praxisneugründer im Sinne einer Jungpraxis angesehen werden.

5

Das SG hat mit Urteil vom 16.5.2014 die Bescheide der Beklagten vom 23.6.2009 und 17.8.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.9.2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über die Zuweisung des RLV der Klägerin im Quartal III/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Jungpraxisregelung finde grundsätzlich auch auf neu zugelassene MVZ Anwendung, nicht jedoch auf einzelne im MVZ tätige Ärzte. Abzustellen sei auf die Zulassung, nicht auch auf die Anstellung von Ärzten durch einen zugelassenen Leistungserbringer. Wettbewerber am Markt sei die Praxis und nicht der angestellte Arzt. Da seit der Gründung des hier maßgeblichen MVZ noch keine 20 Quartale vergangen seien und dieses im Vorjahresquartal auch noch nicht den Fachgruppendurchschnitt erreicht habe, sei es als Jungpraxis zu definieren.

6

Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 16.12.2015 zurückgewiesen und auf die Begründung des SG verwiesen. Soweit die Beklagte der Auffassung sei, die maßgeblichen Vorschriften seien für MVZ im Hinblick auf dessen Schutzbedürftigkeit zu modifizieren, gebe es hierfür keine Rechtsgrundlage. Schutzbedürftig als "Wenigabrechner", bezogen auf die Fallzahlen des Vorjahresquartals, könne ebenso ein MVZ wie ein in Einzelpraxis niedergelassener Arzt sein. Das Argument, die Klägerin rechne wegen der hohen Umsätze bei den freien Leistungen überdurchschnittlich ab und könne bereits deshalb nicht unter den Schutzbereich der Jungpraxisregelung fallen, trage ebenfalls nicht. Die hier maßgebliche Regelung im Honorarvertrag stelle nur auf die Leistungen ab, die im Rahmen des RLV abgerechnet werden könnten, indem sie den Jungpraxen die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe zubillige. Eine weitere Voraussetzung dergestalt, dass auch das Gesamthonorar unterdurchschnittlich sein müsse, sei der Regelung nicht zu entnehmen. Maßgeblich für den Beginn der Berechnung, bis wann eine Jungpraxis vorliege, sei der Gründungszeitpunkt des MVZ. Die arztbezogene Berechnung des RLV führe nicht dazu, dass für den Beginn der Jungpraxisregelung auf die Erstzulassung des in das MVZ eintretenden Arztes abzustellen sei. Seit der Gründung des MVZ zum 1.7.2007 seien bis zum Quartal III/2009 noch keine 20 Quartale vergangen. Das MVZ habe im Vorjahresquartal auch unstreitig noch nicht den Fachgruppendurchschnitt erreicht.

7

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Beklagte vor, eine Aufbaupraxis liege nur dann vor, wenn der Honorarumsatz unterdurchschnittlich sei. Bei einem überdurchschnittlichen Umsatz sei eine unterdurchschnittliche Fallzahl unerheblich. Es könne für das Vorliegen einer Aufbaupraxis nicht allein auf den Zulassungszeitpunkt des MVZ abgestellt werden, wenn ein Arzt im MVZ tätig werde, der zuvor bereits längere Zeit im selben Planungsbereich wie das MVZ vertragsärztlich tätig gewesen sei. Ansonsten könne es zu einer Perpetuierung von Aufbauphasen kommen. Bei MVZ seien die Regelungen zur Aufbaupraxis hinsichtlich Fallzahl und Tätigkeitsdauer arztbezogen anzuwenden.

8

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16.12.2015 und des Sozialgerichts München vom 16.5.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Senat sei an die Auslegung des Landesrechts durch das LSG gebunden. Die Vergütung für die freien Leistungen dürfe nicht berücksichtigt werden.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten hat Erfolg. SG und LSG haben die Beklagte zu Unrecht zur Neubescheidung verurteilt. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr RLV nach der für Aufbaupraxen geltenden Regelung des Honorarvertrages (HV) bemessen wird.

12

1. Es fehlt nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die gesonderte Anfechtung der RLV-Zuweisung und der Ablehnung des Antrags auf Erhöhung des RLV. Nach dem bisherigen Gang des Verfahrens ist zu erwarten, dass die Beklagte die Verpflichtung übernimmt, den von der Klägerin nicht angefochtenen Honorarbescheid einer eventuell geänderten RLV-Festsetzung anzupassen. Jedenfalls ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vom Erfordernis der Anfechtung des Honorarbescheides abzusehen. Die Rechtsprechung des Senats zum fehlenden rechtlich geschützten Interesse an einer gesonderten Anfechtung der Zuweisung eines RLV bei Bestandskraft des Honorarbescheides lag zum Zeitpunkt des Erlasses des Honorarbescheides vom 21.4.2010 noch nicht vor (vgl BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 13 ff).

13

2. Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind die Regelungen, die der Bewertungsausschuss (BewA) auf der Grundlage des § 87b Abs 2 und 3 iVm Abs 4 S 1 und 2 SGB V(in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378, im Folgenden: aF) getroffen hat, sowie die hierauf fußenden Regelungen des im streitbefangenen Quartal geltenden HV.

14

a) Gemäß § 87b Abs 2 S 1 SGB V aF waren zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Ein RLV nach S 1 ist die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs 2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Gemäß § 87b Abs 3 S 1 SGB V aF waren die Werte für die RLV nach Abs 2 morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Nach § 87b Abs 4 S 1 SGB V aF bestimmte der BewA erstmalig bis zum 31.8.2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach den Abs 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten.

15

b) Der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) hat in seiner 7. Sitzung am 27. und 28.8.2008 unter Teil F einen Beschluss gemäß § 87b Abs 4 S 1 SGB V zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V gefasst(DÄ 2008, A-1988). Nach Teil F Ziffer 1.2.2 werden die RLV je Arzt ermittelt. Die Zuweisung der RLV erfolgt nach Ziffer 1.2.4 praxisbezogen. Dabei ergibt sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der RLV je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind. In Teil F Ziffer 3.5 ist bestimmt: "Die Partner der Gesamtverträge beschließen für Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Sofern nichts entsprechend Anderes vereinbart wurde, gilt für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren (Neupraxen), das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal." Mit Beschluss des BewA vom 20.4.2009 (DÄ 2009, A-942) erfolgte zum 1.7.2009 eine Neuformulierung in Teil A Nr 4: "Die Partner der Gesamtverträge beschließen für Neuzulassungen von Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge." Für die Ermittlung der für das RLV relevanten Fälle (RLV-Fälle) wurde in Teil F Ziffer 2.3 S 2 Buchst b des Beschlusses bestimmt, dass in Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten die Zahl der RLV-Fälle eines Arztes der Zahl der Behandlungsfälle der Arztpraxis multipliziert mit seinem Anteil an der RLV-relevanten Arztfallzahl der Praxis entspricht.

16

c) Gemäß Abschnitt 2.1 Teil B Nr 4.1 Abs 4 des im Quartal III/2009 geltenden HV der Beklagten werden für Praxen, die sich noch im Aufbau befinden (Jungpraxen), bei denen seit der ersten Niederlassung nicht mehr als 20 Quartale vergangen sind und den Fachgruppendurchschnitt im Vorjahresquartal noch nicht erreicht haben, die eigenen Fallzahlen im Abrechnungsquartal angesetzt. Soweit die eigenen Fallzahlen im Abrechnungsquartal über dem Fachgruppendurchschnitt liegen, kommt der Fachgruppendurchschnitt zum Ansatz.

17

d) Die dargestellten gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte bei der Festsetzung des RLV der Klägerin zutreffend umgesetzt. Sie hat für Dr. T. und für Dr. L.
jeweils RLV berechnet und deren Summe der Klägerin als RLV zugewiesen. Für eine Anknüpfung des RLV für Dr. T. an die Fallzahlen seiner vormaligen Einzelpraxis, wie dies im Antrag auf Erhöhung der Fallzahl begehrt wurde, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Allenfalls käme ein solches Vorgehen in Betracht, wenn Dr. T. im maßgeblichen Vorquartal noch nicht im MVZ tätig gewesen wäre (vgl BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 30: "Hinzurechnung der vom Eintretenden zuvor erbrachten Fallzahlen"). Im Quartal III/2008 war er jedoch bereits mit einer zum streitbefangenen Quartal unveränderten Stundenzahl im MVZ tätig.

18

e) Die RLV-Zuweisung ist auch insoweit rechtmäßig, als die Beklagte die Sonderregelungen für Praxen in der Anfangsphase, nach der dem RLV die eigene Fallzahl bis zum Fachgruppendurchschnitt zugrunde zu legen war, nicht berücksichtigt hat. Zwar erfüllte das MVZ noch die Voraussetzungen für die Annahme einer Aufbaupraxis. Nach dem HV der Beklagten war eine Praxis in den ersten 20 Quartalen ab der Zulassung als Aufbaupraxis anzusehen. Auch bei einem MVZ ist zunächst auf den Zeitpunkt seiner Zulassung abzustellen. Nur solange sich das MVZ ab diesem Zeitpunkt noch in der Wachstumsphase befindet, können besondere Regelungen für Aufbaupraxen zur Anwendung kommen. Daneben muss aber auch der Arzt, für den ein RLV gegenüber dem MVZ festgesetzt wird, über einen entsprechenden "Anfängerstatus" verfügen. Daran fehlt es hier.

19

aa) In der Rechtsprechung des Senats ist wiederholt klargestellt worden, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 14 mit zahlreichen Nachweisen). Dem Vertragsarzt muss - wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sogenannten Honorarverteilungsgerechtigkeit, die auf Art 12 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG gründet (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 17 sowie das weitere Urteil vom 28.3.2007, B 6 KA 10/06 R - MedR 2007, 560 = USK 2007-26), - die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (vgl zuletzt Urteile des Senats vom 2.8.2017 - B 6 KA 7/17 R ua mwN). Daher ist allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen (stRspr des Senats, ua BSGE 83, 52, 57 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 f; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 28; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 14).

20

Für neu gegründete Praxen gelten nach der Rechtsprechung insoweit Besonderheiten, als ihnen in der Aufbauphase, die auf einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren bemessen werden kann (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 15), die Steigerung auf den Durchschnittsumsatz sofort möglich sein muss, während dies anderen, noch nach der Aufbauphase unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen jedenfalls innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden muss (BSG jeweils aaO). Allerdings haben auch Aufbaupraxen keinen Anspruch auf Teilhabe an der Honorarverteilung, der über den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe hinausgeht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19). Soweit neu gegründete Praxen für die Zeit des Aufbaus von der Wachstumsbegrenzung freizustellen sind, bezieht sich dies in aller Regel nicht auf Umsatzsteigerungen, sondern allein auf eine Steigerung der Fallzahlen (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 35 auch zu einer denkbaren Ausnahme).

21

Die genaue Bestimmung des Zeitraums des Aufbaus einer Praxis, bei der es sich um eine Erstzulassung oder um eine Neuzulassung nach vorheriger vertragsärztlicher Tätigkeit in einem anderen Planungsbereich handeln kann, ist der Regelung im Honorarverteilungsmaßstab der KÄV - bzw im HV zwischen der KÄV und den Krankenkassen - vorbehalten. Es kann festgelegt werden, ob der Anspruch auf sofortige Honorarsteigerung bis zum Durchschnittsumsatz der Arztgruppe für einen Zeitraum von drei, vier oder fünf Jahren bestehen soll (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 18, 23).

22

bb) Hier ist im HV ein Zeitraum von 20 Quartalen ab der Zulassung festgelegt. Danach liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer Aufbauphase zwar für das MVZ der Klägerin, nicht jedoch für Dr. T. vor.

23

(1) Für den Fall des Eintritts eines weiteren Arztes in eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) hat der Senat entschieden, dass dies keine Neuaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit darstelle, wenn die BAG bereits mehr als fünf Jahre vertragsärztlich tätig war (SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 26 ff). In dem entschiedenen Fall war streitbefangen das Quartal III/2009, die klagende BAG nahm seit Ende Juni 2004 an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die im Januar 2008 als weitere Partnerin in die BAG eingetretene Ärztin war von 2005 bis Ende 2007 in Einzelpraxis im Planungsbereich zugelassen. Eine solche Neuformierung einer BAG führt nach dieser Entscheidung des Senats nicht zu einer Neugründung im Sinne einer Aufbaupraxis. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass entsprechend der Rechtsprechung des BGH die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die Partnerschaftsgesellschaft und gleichermaßen auch die BAG unverändert fortbestehen (SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 27 mit zahlreichen Nachweisen). Dies gilt beim Eintritt eines neuen Partners unabhängig davon, wie lange dieser schon praktiziert hat. Eine BAG kann sich nicht durch Aufnahme eines Partners "verjüngen" und so die Eigenschaft als Aufbaupraxis länger als fünf Jahre - oder gar durch regelmäßige Neueintritte "junger" Partner fortwährend - behalten.

24

(2) Die vom Senat für die BAG entwickelten Grundsätze gelten entsprechend auch für ein MVZ. In der erstmaligen Zulassung des MVZ liegt grundsätzlich eine Neuaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit. Dieser Zeitpunkt ist zunächst für die Frage des Vorliegens einer Aufbaupraxis maßgeblich. Ebenso wie die BAG ist das MVZ in seinem Bestand unabhängig vom Wechsel der bei ihm angestellten Personen. Im Beschluss des BewA vom 20.4.2009 wird in Teil A Nr 4 zwischen "Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform" differenziert. Dass in dem Beschluss, ebenso wie in § 87b Abs 5 S 1 SGB V aF, neben den einzelnen Vertragsärzten auch Praxen genannt werden, spricht dafür, dass bei Kooperationen auf deren Bestand abzustellen ist. Im früheren Beschluss vom 27./28.8.2008 war nur von "Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform" die Rede (vgl Teil F Nr 3.5). Da es sich bei der Neugründung eines MVZ nicht stets um eine "Umwandlung" handelt, mussten die MVZ in diesem Zusammenhang von dem Begriff "Vertragsarzt" mitumfasst sein (vgl die vom LSG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 24.11.2016 - L 24 KA 10/15 - Juris RdNr 21 zitierten Regelungen: "Als Vertragsarzt zählen … auch medizinische Versorgungszentren"). Für die Anknüpfung an den Zeitpunkt der erstmaligen Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung spricht bei einem MVZ noch mehr als bei einer BAG, weil das MVZ einen eigenen Zulassungsstatus hat. Als zugelassener Leistungserbringer steht ihm der Honoraranspruch und damit der Wachstumsanspruch zu. Dieser Gedanke steht hinter der Formulierung des SG, dass das MVZ "Wettbewerber am Markt" sei (vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 5.10.2016 - L 5 KA 773/13 - MedR 2017, 418, 422). Dementsprechend wird das RLV dem MVZ zugewiesen und nicht dem einzelnen im MVZ tätigen Arzt.

25

(3) Da aber die Berechnung des RLV an den einzelnen Arzt anknüpft und das dem MVZ zuzuweisende RLV sich aus der Addition der RLV für die einzelnen dort tätigen Ärzte ergibt (vgl Teil F Ziffer 1.2.4 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008), ist weitere Voraussetzung für die Anwendung der Sonderregelungen zur "Jungpraxis", dass auch der einzelne Arzt noch einen Aufbaustatus beanspruchen kann. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn er, wie hier Dr. T., vor seiner Tätigkeit im MVZ bereits über einen den Anfängerstatus ausschließenden Zeitraum im selben Planungsbereich wie das MVZ vertragsärztlich tätig war. Ebenso wie eine Verlegung des Standortes einer Praxis innerhalb eines Planungsbereichs nicht dazu führen kann, dass eine Praxis erneut als Aufbaupraxis zu behandeln ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 31), fehlt es im Fall eines Zulassungsverzichts zugunsten einer Anstellung in einem MVZ an einer Rechtfertigung dafür, den Arzt bei der Berechnung des RLV unter dem Gesichtspunkt der nur für einen begrenzten Zeitraum zu eröffnenden sofortigen Wachstumsmöglichkeit bis zum Durchschnitt der Fachgruppe weiterhin zu begünstigen. Die Chance, "durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen" (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 17), benötigt ein solcher Arzt nicht mehr. Es würde dem Sinn und Zweck der Sonderregelungen für Aufbaupraxen zuwiderlaufen, würde der langjährig zugelassene Arzt, der zugunsten einer Anstellung in einem in demselben Planungsbereich neu gegründeten MVZ auf seine Zulassung verzichtet, erneut einen Anfängerstatus erlangen. Im Fall von Dr. T., der vor seiner Anstellung im MVZ seit 1986 in derselben Stadt und in nur geringer Entfernung (ca 3 km) in eigener Praxis vertragsärztlich tätig war, ist dies besonders augenfällig. Ebenso wenig wie das MVZ sich durch die Aufnahme neuer Ärzte "verjüngen" kann, kann ein Vertragsarzt nach langjähriger Tätigkeit durch Eintritt in ein neu gegründetes MVZ wieder zum "Wachstumsarzt" werden. Dabei kann offenbleiben, ob und in welchem Umfang das MVZ von der Vortätigkeit des Vertragsarztes in eigener Praxis tatsächlich profitiert. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Praktikabilität der Honorarverteilung ist typisierend auf die vorherige Tätigkeit in demselben Planungsbereich abzustellen.

26

Den Gesamtvertragspartnern bzw der KÄV steht es frei, in dem durch das Gleichbehandlungsgebot vorgegebenen Rahmen spezielle Regelungen zur Förderung von Kooperationen in der Wachstumsphase zu treffen. Dabei könnten etwa im Hinblick auf die Größe der Planungsbereiche oder regionale Besonderheiten auch Bestimmungen vorgesehen werden, die auf kleinere räumliche Einheiten abstellen. Das ist hier aber nicht geschehen.

27

cc) Die Betrachtung hat zur Folge, dass - wie der Senat dies bereits für die BAG herausgestellt hat (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 27) - der neu in ein MVZ eintretende Arzt sich darüber im Klaren sein muss, dass er durch den Eintritt in das MVZ in dieses eingebunden wird. Damit kann auch der Verlust von Vorteilen verbunden sein, wenn etwa die aufgegebene Einzelpraxis noch eine Aufbaupraxis wäre, das MVZ aber nicht mehr. Umgekehrt kann - wie hier - der "Status" der Aufbaupraxis für das MVZ nach dem HV bestehen, die Zuweisung eines entsprechenden RLV für einen angestellten Arzt aber daran scheitern, dass dieser zuvor bereits eine Praxis betrieben hat, der kein Aufbaustatus mehr zukommt. Von der Qualifizierung als Aufbaupraxis profitiert das MVZ nur dann, wenn und solange auch der Arzt, für den ein RLV zuzuweisen ist, die Voraussetzungen für die besondere Wachstumsregelung erfüllt. Nach dem Verlust der Eigenschaft einer Aufbaupraxis kann sich das MVZ ebenso wenig wie die BAG dadurch "verjüngen", dass es weitere Ärzte als Anfänger aufnimmt. Es ist lediglich, wie der Senat schon für die BAG ausgeführt hat, eine zusätzliche Fallzahl für den neu hinzutretenden Arzt zu berücksichtigen (vgl BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 30).

28

f) Ob die Anwendung der Regelung zu den "Jungpraxen" hier auch deshalb ausgeschlossen war, weil die Klägerin im streitbefangenen Quartal insgesamt ein überdurchschnittliches Honorar erwirtschaftete, kann offenbleiben. Es spricht allerdings viel dafür, dass eine Praxis mit überdurchschnittlichem Honorar keiner besonderen Förderung mehr bedarf. Nach der Rechtsprechung des Senats folgt der Wachstumsanspruch von Aufbaupraxen aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 21). Es geht darum, dass diesen Praxen die Möglichkeit eingeräumt werden muss, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 14 mwN). Dabei ist unerheblich, ob der Umsatz im RLV-Bereich oder im Bereich der freien Leistungen generiert wird. Das folgt bereits daraus, dass die Leistungen der einzelnen Arztgruppen in unterschiedlichem Umfang den RLV unterliegen. Soweit das LSG darauf abgestellt hat, dass sich die Regelung für Neupraxen im HV nur zu RLV verhalten, hält die Beklagte dem zu Recht entgegen, dass dort von "Praxen, die sich noch im Aufbau befinden", die Rede ist. Nach Sinn und Zweck kann es sich dabei nur um solche Praxen handeln, die noch unterhalb des durchschnittlichen Umsatzes liegen. Es wäre mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit schwerlich vereinbar, Praxen mit überdurchschnittlichem Honorarumsatz allein deshalb zu fördern, weil sie noch keine 20 Quartale zugelassen sind und in einem Teilbereich noch keine durchschnittliche Fallzahl erreicht haben. Das gilt umso mehr, wenn dieser Teilbereich - wie hier - nur einen geringen Teil des Gesamthonorars (ca 34 000 Euro von 236 000 Euro) ausmacht.

29

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu tragen.

(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag vereinbart; die Landesverbände der Krankenkassen treffen die Vereinbarung mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien haben auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für eine besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren; das Nähere ist jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 6 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen.

(2a) (weggefallen)

(2b) (weggefallen)

(2c) Die Vertragspartner nach § 82 Abs. 1 können vereinbaren, daß für die Gesamtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden; sie können auch die Grundlagen für die Bemessung der Vergütungsanteile regeln. § 89 Abs. 1 gilt nicht.

(2d) Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Punktwerte nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(3) In der vertragszahnärztlichen Versorgung vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Zahl und Struktur der Versicherten, der Morbiditätsentwicklung, der Kosten- und Versorgungsstruktur, der für die vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der zahnärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz neben den Kriterien nach Satz 1 zu berücksichtigen. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Krankenkassen haben den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Zahl ihrer Versicherten vom 1. Juli eines Jahres, die ihren Wohnsitz im Bezirk der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung haben, gegliedert nach den Altersgruppen des Vordrucks KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 1. Oktober des Jahres mitzuteilen.

(3a) Die Gesamtvergütungen nach Absatz 3 dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Im Jahr 2024 dürfen die Gesamtvergütungen für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(4) Die Kassenzahnärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Sie wendet dabei in der vertragszahnärztlichen Versorgung den im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragszahnärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragszahnarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 Satz 1 vorzusehen. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Abweichend von § 82 Abs. 2 Satz 2 und § 85 gelten für die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen die in Absatz 2 bis 6 getroffenen Regelungen; dies gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(2) Die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich vereinbaren auf der Grundlage des Orientierungswertes gemäß § 87 Absatz 2e jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres einen Punktwert, der zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden ist. Die Vertragspartner nach Satz 1 können dabei einen Zuschlag auf den oder einen Abschlag von dem Orientierungswert gemäß § 87 Absatz 2e vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Darüber hinaus können auf der Grundlage von durch den Bewertungsausschuss festzulegenden Kriterien zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten, insbesondere in Planungsbereichen, für die Feststellungen nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen wurden, Zuschläge auf den Orientierungswert nach § 87 Absatz 2e für besonders förderungswürdige Leistungen sowie für Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern vereinbart werden. Bei der Festlegung des Zu- oder Abschlags ist zu gewährleisten, dass die medizinisch notwendige Versorgung der Versicherten sichergestellt ist. Aus dem vereinbarten Punktwert nach diesem Absatz und dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen gemäß § 87 Absatz 1 ist eine regionale Gebührenordnung mit Euro-Preisen (regionale Euro-Gebührenordnung) zu erstellen. Besonders förderungswürdige Leistungen nach Satz 3 können auch vertragsärztliche Leistungen sein, die telemedizinisch erbracht werden.

(3) Ebenfalls jährlich bis zum 31. Oktober vereinbaren die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragsparteien gemeinsam und einheitlich für das Folgejahr mit Wirkung für die Krankenkassen die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zu zahlenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung. Hierzu vereinbaren sie als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf und bewerten diesen mit dem nach Absatz 2 Satz 1 vereinbarten Punktwert in Euro; der vereinbarte Behandlungsbedarf gilt als notwendige medizinische Versorgung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1. Die im Rahmen des Behandlungsbedarfs erbrachten Leistungen sind mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 zu vergüten. Darüber hinausgehende Leistungen, die sich aus einem bei der Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung nicht vorhersehbaren Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs ergeben, sind von den Krankenkassen zeitnah, spätestens im folgenden Abrechnungszeitraum unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 ebenfalls mit den in der Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 enthaltenen Preisen zu vergüten. Von den Krankenkassen sind folgende Leistungen und Zuschläge außerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 zu vergüten:

1.
Leistungen im Rahmen der Substitutionsbehandlung der Drogenabhängigkeit gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses,
2.
Zuschläge nach § 87 Absatz 2b Satz 3 sowie Absatz 2c Satz 3 und 4,
3.
Leistungen im Behandlungsfall, die aufgrund der Vermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 1 und 4 erbracht werden, sofern es sich nicht um Fälle nach § 75 Absatz 1a Satz 8 handelt,
4.
Leistungen im Behandlungsfall bei Weiterbehandlung eines Patienten durch einen an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer nach Vermittlung durch einen an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer nach § 73 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2,
5.
bis zum 31. Dezember 2022 Leistungen im Behandlungsfall, die von Ärzten, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, gegenüber Patienten erbracht werden, die in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht und behandelt werden oder die mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt wurden,
6.
Leistungen im Behandlungsfall, die im Rahmen von bis zu fünf offenen Sprechstunden je Kalenderwoche ohne vorherige Terminvereinbarung gemäß § 19a Absatz 1 Satz 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte erbracht werden; bei einem reduzierten Versorgungsauftrag ist die Vergütung außerhalb der Gesamtvergütung auf die jeweils anteilige Zeit offener Sprechstunden je Kalenderwoche gemäß § 19a Absatz 1 Satz 4 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte begrenzt,
7.
die regelmäßige Beratung nach § 2 Absatz 1a des Transplantationsgesetzes und
8.
ab dem 1. April 2023 kinder- und jugendpsychiatrische Grundversorgung, Gespräche, Beratungen, Erörterungen, Abklärungen, Anleitung von Bezugs- oder Kontaktpersonen, Betreuung sowie kontinuierliche Mitbetreuung in häuslicher Umgebung oder in beschützenden Einrichtungen oder Heimen.
Darüber hinaus können Leistungen außerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden sollen oder wenn dies medizinisch oder aufgrund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist. Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragspartner haben die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in den Vereinbarungen nach Absatz 3 Satz 1 um die in Satz 5 Nummer 3 bis 6 genannten Leistungen unter Berücksichtigung der arztgruppenspezifischen Auszahlungsquoten des jeweiligen Vorjahresquartals, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den Krankenkassen nachzuweisen sind, begrenzt auf ein Jahr zu bereinigen. Zudem haben sie unter Berücksichtigung der vom Bewertungsausschuss zu beschließenden Vorgaben nach Satz 10 vierteljährlich ein für die Kassenärztliche Vereinigung spezifisch durchzuführendes Korrekturverfahren zu vereinbaren, mit dem bei der Bereinigung nach Satz 7 nicht berücksichtigte Leistungsmengen bei den in Satz 5 Nummer 5 und 6 genannten Leistungen berücksichtigt werden. Das Korrekturverfahren erfolgt für vier Quartale beginnend mit Wirkung ab dem 1. Juli 2021; der Zeitraum wird verlängert, wenn die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht bis zum 30. Juni 2021 gemäß § 5 Absatz 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes aufgehoben wird, und endet ein Jahr nach deren Aufhebung zum Ende des dann laufenden Quartals. Der Bewertungsausschuss beschließt nach Maßgabe der Sätze 11 und 12 Vorgaben zum Korrekturverfahren einschließlich der jeweiligen Korrekturbeträge der Leistungsmengen bei den in Satz 5 Nummer 5 und 6 genannten Leistungen, um die nach Satz 1 vereinbarte Gesamtvergütung basiswirksam zusätzlich zur Bereinigung nach Satz 7 zu bereinigen. Der Korrekturbetrag für die in Satz 5 Nummer 5 genannten Leistungen wird quartalsweise für jede Kassenärztliche Vereinigung ermittelt auf der Grundlage des aus den Abrechnungsdaten des Jahres 2018, unter Berücksichtigung der Abrechnungsdaten der Jahre 2016 und 2017, abgeleiteten zu erwartenden Verhältnisses aus dem Punktzahlvolumen für die in Satz 5 Nummer 5 genannten Leistungen zum Punktzahlvolumen aller Leistungen innerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütung und der in Satz 5 Nummer 3 bis 6 genannten Leistungen bei rechnerischer Anwendung dieses Verhältnisses auf das Punktzahlvolumen aller Leistungen innerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütung und der in Satz 5 Nummer 3 bis 6 genannten Leistungen im zu bereinigenden Quartal nach Satz 9; von dem ermittelten Korrekturbetrag in Abzug zu bringen ist die bereits nach Satz 7 erfolgte Bereinigung für die in Satz 5 Nummer 5 genannten Leistungen. Für die Ermittlung des Korrekturbetrags für die in Satz 5 Nummer 6 genannten Leistungen gilt Satz 11 entsprechend mit der Maßgabe, dass das zu erwartende Verhältnis aus einer empirisch zu bestimmenden Quote ermittelt wird, die sich am höchsten Anteil des Punktzahlvolumens für die in Satz 5 Nummer 6 genannten Leistungen an dem Punktzahlvolumen aller Leistungen innerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütung und der in Satz 5 Nummer 3 bis 6 genannten Leistungen im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung in einem Quartal im Bereinigungszeitraum nach Satz 7 bemisst. Ab dem 1. Januar 2023 sind die in Satz 5 Nummer 3, 4 und 6 genannten Leistungen bei der Abrechnung zu kennzeichnen. Das Bereinigungsvolumen nach den Sätzen 7 bis 12 für Leistungen nach Satz 5 Nummer 5 wird im Zeitraum 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023 in die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung rückgeführt, wobei vereinbarte Anpassungen des Punktwertes und des Behandlungsbedarfs seit der Bereinigung zu berücksichtigen sind; der Bewertungsausschuss beschließt bis zum 30. November 2022 entsprechende Vorgaben. Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragspartner haben ab dem Jahr 2023 in jedem Quartal die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in den Vereinbarungen nach Satz 1 unter Berücksichtigung der arztgruppenspezifischen Auszahlungsquoten des jeweiligen Vorjahresquartals zu bereinigen, wenn und soweit das arztgruppenspezifische Punktzahlvolumen der in Satz 5 Nummer 6 genannten Leistungen der einzelnen Arztgruppen das arztgruppenspezifische Punktzahlvolumen dieser Leistungen im Vorjahresquartal um 3 Prozent übersteigt. Die arztgruppenspezifischen Auszahlungsquoten sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den Krankenkassen nachzuweisen. Der Bewertungsausschuss beschließt das Nähere zur Bereinigung nach Satz 15 bis spätestens zum 31. März 2023. Der Bewertungsausschuss evaluiert, ob und wieweit durch die Vergütung der Leistungen nach Satz 5 Nummer 6 außerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütung im Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis zum 30. Juni 2024 gegenüber dem zum Vergleich herangezogenen Zeitraum eine Verbesserung des Zugangs zur fachärztlichen Versorgung eingetreten ist. Das Verfahren der Evaluierung bestimmt der Bewertungsausschuss im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit. Der Bewertungsausschuss hat dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2024 über die Ergebnisse der Evaluierung zu berichten. Die Evaluierung umfasst auch die Evaluierung der Zuschläge nach § 87 Absatz 2b Satz 3 und Absatz 2c Satz 3 und 4. Abweichend von Satz 20 hat der Bewertungsausschuss dem Bundesministerium für Gesundheit halbjährlich, erstmals bis zum 30. September 2023, über die Ergebnisse der Evaluierung der Zuschläge nach § 87 Absatz 2b Satz 3 Nummer 1 und Absatz 2c Satz 3 Nummer 1 zu berichten. Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragspartner haben die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in den Vereinbarungen nach Absatz 3 Satz 1 um die in Satz 5 Nummer 8 genannten Leistungen für vier Quartale zu bereinigen. Hierzu wird die Leistungsmenge der Leistungen nach Satz 5 Nummer 8 aus dem Vorjahresquartal unter Berücksichtigung der Auszahlungsquote dieser Leistungen im Vorjahresquartal ermittelt. Die Auszahlungsquote ist von der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber den Krankenkassen nachzuweisen. Die Bereinigung darf nicht zu Lasten anderer Arztgruppen gehen. In den Vereinbarungen zur Bereinigung ist auch über notwendige Korrekturverfahren zu entscheiden. Das Nähere regelt der Bewertungsausschuss.

(3a) Für den Fall der überbezirklichen Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung sind die Leistungen abweichend von Absatz 3 Satz 3 und 4 von den Krankenkassen mit den Preisen zu vergüten, die in der Kassenärztlichen Vereinigung gelten, deren Mitglied der Leistungserbringer ist. Weichen die nach Absatz 2 Satz 5 vereinbarten Preise von den Preisen nach Satz 1 ab, so ist die Abweichung zeitnah, spätestens bei der jeweils folgenden Vereinbarung der Veränderung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu berücksichtigen. Die Zahl der Versicherten nach Absatz 3 Satz 2 ist entsprechend der Zahl der auf den zugrunde gelegten Zeitraum entfallenden Versichertentage zu ermitteln. Weicht die bei der Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu Grunde gelegte Zahl der Versicherten von der tatsächlichen Zahl der Versicherten im Vereinbarungszeitraum ab, ist die Abweichung zeitnah, spätestens bei der jeweils folgenden Vereinbarung der Veränderung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu berücksichtigen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 5 sind auf die nach Absatz 3 Satz 1 zu zahlende Gesamtvergütung anzurechnen.

(3b) Die in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten Leistungen sind ab dem 1. April 2023 von den Krankenkassen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 vollständig zu vergüten. Abweichend von § 85 Absatz 1 und abweichend von Absatz 3 Satz 1 wird die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung hinsichtlich der Vergütung der in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten Leistungen nicht mit befreiender Wirkung gezahlt. Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragsparteien vereinbaren Zuschläge zur Förderung der Kinder- und Jugendmedizin, soweit die in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten abgerechneten Leistungen die festgesetzte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung nicht ausschöpfen. Für die erstmalige Festsetzung der auf die Leistungen nach § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütung ist das Honorarvolumen zugrunde zu legen, das für die Leistungen im zweiten Quartal 2022 gemäß dem Verteilungsmaßstab ausgezahlt worden ist. Sofern dieses Honorarvolumen Zuschläge enthält, haben die Vertragsparteien nach Absatz 2 Satz 1 diese Zuschläge in der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu vereinbaren. Für die Zuschläge nach den Sätzen 3 und 5 sowie nach § 87a Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt Satz 2 nicht. Der Bewertungsausschuss beschließt bis zum 31. Mai 2023 Vorgaben für ein Verfahren zur Festsetzung der auf die in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten Leistungen entfallenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, die erstmalig rückwirkend zum 1. April 2023 für das laufende Kalenderjahr und danach jährlich für das folgende Kalenderjahr zu erfolgen hat. Zudem beschließt der Bewertungsausschuss bis zum 31. Mai 2023 Vorgaben für ein Verfahren zur Ermittlung des auf die jeweilige Krankenkasse entfallenden Anteils an Ausgleichszahlungen, der sich nach ihrem jeweiligen leistungsmengenbezogenen Anteil an dieser Ausgleichszahlung bemisst. Eine Ausgleichszahlung ist dann zu leisten, wenn die auf die in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten Leistungen entfallende morbiditätsbedingte Gesamtvergütung nicht ausreicht, um die vollständige Vergütung nach Satz 1 zu gewährleisten. Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragsparteien haben sich auf ein Verfahren zu verständigen, nach dem die Kassenärztliche Vereinigung die Entwicklung der in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten Leistungen und von deren Vergütungen gegenüber den Krankenkassen nachweist. Der Bewertungsausschuss analysiert die Auswirkungen der Regelungen des Absatzes 3 Satz 5 Nummer 8, dieses Absatzes sowie der Regelungen in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz insbesondere auf die Versorgung der Kinder und Jugendlichen, die Honorare sowie die Ausgaben der Krankenkassen und berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2025 über die Ergebnisse.

(4) Grundlage der Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs jeweils aufsetzend auf dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung für das Vorjahr nach Absatz 3 Satz 2 vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf sind insbesondere Veränderungen

1.
der Zahl der Versicherten der Krankenkasse mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung,
2.
der Morbiditätsstruktur der Versicherten aller Krankenkassen mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung,
3.
von Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs der Krankenkassen oder auf Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Absatz 1 beruhen,
4.
des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen aufgrund von Verlagerungen von Leistungen zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor und
5.
des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen aufgrund der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven bei der vertragsärztlichen Leistungserbringung;
dabei sind die Empfehlungen und Vorgaben des Bewertungsausschusses gemäß Absatz 5 zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des Aufsatzwertes für den Behandlungsbedarf nach Satz 1 für eine Krankenkasse ist ihr jeweiliger Anteil an dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung für das Vorjahr vereinbarten, bereinigten Behandlungsbedarf entsprechend ihres aktuellen Anteils an der Menge der für vier Quartale abgerechneten Leistungen jeweils nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung anzupassen. Die jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung ist auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen gemäß § 295 Absatz 1 Satz 2 einerseits sowie auf der Grundlage demografischer Kriterien (Alter und Geschlecht) andererseits durch eine gewichtete Zusammenfassung der vom Bewertungsausschuss als Empfehlungen nach Absatz 5 Satz 2 bis 4 mitgeteilten Raten zu vereinbaren. Falls erforderlich, können weitere für die ambulante Versorgung relevante Morbiditätskriterien herangezogen werden. Die jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung nach Satz 3 ist ab dem Jahr, in dem die nach Absatz 5 Satz 2 bis 4 mitgeteilte Veränderungsrate auf der Grundlage der Behandlungsdiagnosen der Jahre 2023 bis 2025 ermittelt wird, allein auf der Grundlage dieser Veränderungsrate zu vereinbaren.

(4a) Über eine mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 einmalige basiswirksame Erhöhung des nach Absatz 4 Satz 1 für das Jahr 2016 angepassten Aufsatzwertes ist in den Vereinbarungen nach Absatz 3 Satz 1 im Jahr 2016 zu verhandeln, wenn die jeweils für das Jahr 2014 und jeweils einschließlich der Bereinigungen zu berechnende durchschnittliche an die Kassenärztliche Vereinigung entrichtete morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung die durchschnittliche an alle Kassenärztlichen Vereinigungen im Bundesgebiet entrichtete morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten unterschreitet. Die Berechnungen nach Satz 1 werden durch das Institut nach § 87 Absatz 3b Satz 1 durchgeführt. Es teilt den Vertragsparteien nach Absatz 2 Satz 1 und dem Bundesministerium für Gesundheit das Ergebnis bis spätestens zum 15. September 2016 mit. Eine einmalige basiswirksame Erhöhung des Aufsatzwertes ist nur dann zu vereinbaren, wenn in den Verhandlungen nach Satz 1 festgestellt wird, dass der Aufsatzwert im Jahr 2014 unbegründet zu niedrig war. Ob und in welchem Umfang der Aufsatzwert im Jahr 2014 unbegründet zu niedrig war, ist von der Kassenärztlichen Vereinigung auch unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme des stationären Sektors nachzuweisen. Der Aufsatzwert ist in dem Umfang zu erhöhen, wie der Aufsatzwert im Jahr 2014 unbegründet zu niedrig war. Die durch die vereinbarte Erhöhung des Aufsatzwertes einschließlich der Bereinigungen sich ergebende morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten mit Wohnort im Bezirk der betroffenen Kassenärztlichen Vereinigung im Jahr 2014 darf die für das Jahr 2014 berechnete durchschnittliche an alle Kassenärztlichen Vereinigungen im Bundesgebiet einschließlich der Bereinigung entrichtete morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten nicht übersteigen. Die Erhöhung erfolgt um einen im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung für alle Krankenkassen einheitlichen Faktor. Die vereinbarte Erhöhung kann auch schrittweise über mehrere Jahre verteilt werden. Die zusätzlichen Mittel sind zur Verbesserung der Versorgungsstruktur einzusetzen. Umverteilungen zu Lasten anderer Kassenärztlicher Vereinigungen sind auszuschließen.

(5) Der Bewertungsausschuss beschließt Empfehlungen

1.
zur Vereinbarung des Umfangs des nicht vorhersehbaren Anstiegs des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs nach Absatz 3 Satz 4,
2.
zur Vereinbarung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 sowie
3.
zur Bestimmung von Vergütungen nach Absatz 3 Satz 6.
Bei der Empfehlung teilt der Bewertungsausschuss den in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragspartnern die Ergebnisse der Berechnungen des Instituts des Bewertungsausschusses zu den Veränderungen der Morbiditätsstruktur nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 mit. Das Institut des Bewertungsausschusses errechnet für jeden Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung zwei einheitliche Veränderungsraten, wobei eine Rate insbesondere auf den Behandlungsdiagnosen gemäß § 295 Absatz 1 Satz 2 und die andere Rate auf demografischen Kriterien (Alter und Geschlecht) basiert. Die Veränderungsraten werden auf der Grundlage des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses vom 2. September 2009 Teil B Nummer 2.3 bestimmt mit der Maßgabe, die Datengrundlagen zu aktualisieren. Zur Ermittlung der diagnosenbezogenen Rate ist das geltende Modell des Klassifikationsverfahrens anzuwenden. Der Bewertungsausschuss kann das Modell in bestimmten Zeitabständen auf seine weitere Eignung für die Anwendung in der vertragsärztlichen Versorgung überprüfen und fortentwickeln. Der Bewertungsausschuss hat zudem Vorgaben für ein Verfahren zur Bereinigung des Behandlungsbedarfs in den durch dieses Gesetz vorgesehenen Fällen sowie zur Ermittlung der Aufsatzwerte nach Absatz 4 Satz 1 und der Anteile der einzelnen Krankenkassen nach Absatz 4 Satz 2 zu beschließen; er kann darüber hinaus insbesondere Empfehlungen zur Vereinbarung von Veränderungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 bis 5 und Satz 3 und 4 sowie ein Verfahren zur Bereinigung der Relativgewichte des Klassifikationsverfahrens im Falle von Vergütungen nach Absatz 3 Satz 5 und 6 beschließen. Die Empfehlungen nach Satz 1 sowie die Vorgaben nach Satz 7 sind jährlich bis spätestens zum 31. August zu beschließen; die Mitteilungen nach Satz 2 erfolgen jährlich bis spätestens zum 15. September. Der Bewertungsausschuss beschließt geeignete pauschalierende Verfahren zur Bereinigung des Behandlungsbedarfs in den Fällen des § 73b Absatz 7 Satz 7 und 8. In den Vorgaben zur Ermittlung der Aufsatzwerte nach Absatz 4 Satz 1 sind auch Vorgaben zu beschließen, die die Aufsatzwerte einmalig und basiswirksam jeweils in dem Umfang erhöhen, der dem jeweiligen Betrag der Honorarerhöhung durch die Aufhebung des Investitionskostenabschlags nach § 120 Absatz 3 Satz 2 in der bis einschließlich 31. Dezember 2015 geltenden Fassung entspricht. Ab dem Jahr, in dem die Veränderungsraten auf der Grundlage der Behandlungsdiagnosen der Jahre 2020 bis 2022 durch das Institut des Bewertungsausschusses nach Satz 3 errechnet werden, sind Kodiereffekte, die insbesondere durch die Einführung und Aktualisierung der verbindlichen Regelungen nach § 295 Absatz 4 Satz 2 zur Vergabe und Übermittlung der Schlüssel nach § 295 Absatz 1 Satz 6 entstehen, in den Berechnungen zu bereinigen. Hierzu hat der Bewertungsausschuss ein entsprechendes Verfahren zu beschließen. Der Bewertungsausschuss hat bis zum 1. September 2019 Vorgaben zu beschließen, bei welchen Arztgruppen, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, eine Vergütung nach Absatz 3 Satz 5 Nummer 5 vorzusehen ist. Soweit erforderlich, beschließt der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach § 87 Absatz 5a für die von ihm beschlossenen Vergütungen für Leistungen die Empfehlungen zur Bestimmung von Vergütungen nach Absatz 3 Satz 6.

(5a) Der Bewertungsausschuss erstellt zum Zwecke der Erhöhung der Transparenz über die der Empfehlung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 zugrunde liegenden Datengrundlagen einen Bericht über die Veränderungen der Behandlungsdiagnosen und den Einfluss der jeweiligen Behandlungsdiagnose auf die Veränderungsrate für jeden Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung. Der Bericht ist dem Bundesministerium für Gesundheit zusammen mit der Empfehlung und den der Empfehlung zugrunde liegenden weiteren Beratungsunterlagen vorzulegen. § 87 Absatz 6 Satz 10 gilt entsprechend.

(6) Der Bewertungsausschuss beschließt erstmals bis zum 31. März 2012 Vorgaben zu Art, Umfang, Zeitpunkt und Verfahren der für die Vereinbarungen und Berechnungen nach den Absätzen 2 bis 4 erforderlichen Datenübermittlungen von den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen an das Institut des Bewertungsausschusses, welches den Vertragspartnern nach Absatz 2 Satz 1 die jeweils erforderlichen Datengrundlagen bis zum 30. Juni eines jeden Jahres zur Verfügung stellt; § 87 Absatz 3f Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(1) Abweichend von § 82 Abs. 2 Satz 2 und § 85 gelten für die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen die in Absatz 2 bis 6 getroffenen Regelungen; dies gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

(2) Die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich vereinbaren auf der Grundlage des Orientierungswertes gemäß § 87 Absatz 2e jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres einen Punktwert, der zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden ist. Die Vertragspartner nach Satz 1 können dabei einen Zuschlag auf den oder einen Abschlag von dem Orientierungswert gemäß § 87 Absatz 2e vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Darüber hinaus können auf der Grundlage von durch den Bewertungsausschuss festzulegenden Kriterien zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten, insbesondere in Planungsbereichen, für die Feststellungen nach § 100 Absatz 1 oder Absatz 3 getroffen wurden, Zuschläge auf den Orientierungswert nach § 87 Absatz 2e für besonders förderungswürdige Leistungen sowie für Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern vereinbart werden. Bei der Festlegung des Zu- oder Abschlags ist zu gewährleisten, dass die medizinisch notwendige Versorgung der Versicherten sichergestellt ist. Aus dem vereinbarten Punktwert nach diesem Absatz und dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen gemäß § 87 Absatz 1 ist eine regionale Gebührenordnung mit Euro-Preisen (regionale Euro-Gebührenordnung) zu erstellen. Besonders förderungswürdige Leistungen nach Satz 3 können auch vertragsärztliche Leistungen sein, die telemedizinisch erbracht werden.

(3) Ebenfalls jährlich bis zum 31. Oktober vereinbaren die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragsparteien gemeinsam und einheitlich für das Folgejahr mit Wirkung für die Krankenkassen die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zu zahlenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung. Hierzu vereinbaren sie als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf und bewerten diesen mit dem nach Absatz 2 Satz 1 vereinbarten Punktwert in Euro; der vereinbarte Behandlungsbedarf gilt als notwendige medizinische Versorgung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1. Die im Rahmen des Behandlungsbedarfs erbrachten Leistungen sind mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 zu vergüten. Darüber hinausgehende Leistungen, die sich aus einem bei der Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung nicht vorhersehbaren Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs ergeben, sind von den Krankenkassen zeitnah, spätestens im folgenden Abrechnungszeitraum unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 ebenfalls mit den in der Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 enthaltenen Preisen zu vergüten. Von den Krankenkassen sind folgende Leistungen und Zuschläge außerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 zu vergüten:

1.
Leistungen im Rahmen der Substitutionsbehandlung der Drogenabhängigkeit gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses,
2.
Zuschläge nach § 87 Absatz 2b Satz 3 sowie Absatz 2c Satz 3 und 4,
3.
Leistungen im Behandlungsfall, die aufgrund der Vermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 1 und 4 erbracht werden, sofern es sich nicht um Fälle nach § 75 Absatz 1a Satz 8 handelt,
4.
Leistungen im Behandlungsfall bei Weiterbehandlung eines Patienten durch einen an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer nach Vermittlung durch einen an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer nach § 73 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2,
5.
bis zum 31. Dezember 2022 Leistungen im Behandlungsfall, die von Ärzten, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, gegenüber Patienten erbracht werden, die in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht und behandelt werden oder die mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt wurden,
6.
Leistungen im Behandlungsfall, die im Rahmen von bis zu fünf offenen Sprechstunden je Kalenderwoche ohne vorherige Terminvereinbarung gemäß § 19a Absatz 1 Satz 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte erbracht werden; bei einem reduzierten Versorgungsauftrag ist die Vergütung außerhalb der Gesamtvergütung auf die jeweils anteilige Zeit offener Sprechstunden je Kalenderwoche gemäß § 19a Absatz 1 Satz 4 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte begrenzt,
7.
die regelmäßige Beratung nach § 2 Absatz 1a des Transplantationsgesetzes und
8.
ab dem 1. April 2023 kinder- und jugendpsychiatrische Grundversorgung, Gespräche, Beratungen, Erörterungen, Abklärungen, Anleitung von Bezugs- oder Kontaktpersonen, Betreuung sowie kontinuierliche Mitbetreuung in häuslicher Umgebung oder in beschützenden Einrichtungen oder Heimen.
Darüber hinaus können Leistungen außerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden sollen oder wenn dies medizinisch oder aufgrund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist. Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragspartner haben die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in den Vereinbarungen nach Absatz 3 Satz 1 um die in Satz 5 Nummer 3 bis 6 genannten Leistungen unter Berücksichtigung der arztgruppenspezifischen Auszahlungsquoten des jeweiligen Vorjahresquartals, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den Krankenkassen nachzuweisen sind, begrenzt auf ein Jahr zu bereinigen. Zudem haben sie unter Berücksichtigung der vom Bewertungsausschuss zu beschließenden Vorgaben nach Satz 10 vierteljährlich ein für die Kassenärztliche Vereinigung spezifisch durchzuführendes Korrekturverfahren zu vereinbaren, mit dem bei der Bereinigung nach Satz 7 nicht berücksichtigte Leistungsmengen bei den in Satz 5 Nummer 5 und 6 genannten Leistungen berücksichtigt werden. Das Korrekturverfahren erfolgt für vier Quartale beginnend mit Wirkung ab dem 1. Juli 2021; der Zeitraum wird verlängert, wenn die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht bis zum 30. Juni 2021 gemäß § 5 Absatz 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes aufgehoben wird, und endet ein Jahr nach deren Aufhebung zum Ende des dann laufenden Quartals. Der Bewertungsausschuss beschließt nach Maßgabe der Sätze 11 und 12 Vorgaben zum Korrekturverfahren einschließlich der jeweiligen Korrekturbeträge der Leistungsmengen bei den in Satz 5 Nummer 5 und 6 genannten Leistungen, um die nach Satz 1 vereinbarte Gesamtvergütung basiswirksam zusätzlich zur Bereinigung nach Satz 7 zu bereinigen. Der Korrekturbetrag für die in Satz 5 Nummer 5 genannten Leistungen wird quartalsweise für jede Kassenärztliche Vereinigung ermittelt auf der Grundlage des aus den Abrechnungsdaten des Jahres 2018, unter Berücksichtigung der Abrechnungsdaten der Jahre 2016 und 2017, abgeleiteten zu erwartenden Verhältnisses aus dem Punktzahlvolumen für die in Satz 5 Nummer 5 genannten Leistungen zum Punktzahlvolumen aller Leistungen innerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütung und der in Satz 5 Nummer 3 bis 6 genannten Leistungen bei rechnerischer Anwendung dieses Verhältnisses auf das Punktzahlvolumen aller Leistungen innerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütung und der in Satz 5 Nummer 3 bis 6 genannten Leistungen im zu bereinigenden Quartal nach Satz 9; von dem ermittelten Korrekturbetrag in Abzug zu bringen ist die bereits nach Satz 7 erfolgte Bereinigung für die in Satz 5 Nummer 5 genannten Leistungen. Für die Ermittlung des Korrekturbetrags für die in Satz 5 Nummer 6 genannten Leistungen gilt Satz 11 entsprechend mit der Maßgabe, dass das zu erwartende Verhältnis aus einer empirisch zu bestimmenden Quote ermittelt wird, die sich am höchsten Anteil des Punktzahlvolumens für die in Satz 5 Nummer 6 genannten Leistungen an dem Punktzahlvolumen aller Leistungen innerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütung und der in Satz 5 Nummer 3 bis 6 genannten Leistungen im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung in einem Quartal im Bereinigungszeitraum nach Satz 7 bemisst. Ab dem 1. Januar 2023 sind die in Satz 5 Nummer 3, 4 und 6 genannten Leistungen bei der Abrechnung zu kennzeichnen. Das Bereinigungsvolumen nach den Sätzen 7 bis 12 für Leistungen nach Satz 5 Nummer 5 wird im Zeitraum 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023 in die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung rückgeführt, wobei vereinbarte Anpassungen des Punktwertes und des Behandlungsbedarfs seit der Bereinigung zu berücksichtigen sind; der Bewertungsausschuss beschließt bis zum 30. November 2022 entsprechende Vorgaben. Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragspartner haben ab dem Jahr 2023 in jedem Quartal die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in den Vereinbarungen nach Satz 1 unter Berücksichtigung der arztgruppenspezifischen Auszahlungsquoten des jeweiligen Vorjahresquartals zu bereinigen, wenn und soweit das arztgruppenspezifische Punktzahlvolumen der in Satz 5 Nummer 6 genannten Leistungen der einzelnen Arztgruppen das arztgruppenspezifische Punktzahlvolumen dieser Leistungen im Vorjahresquartal um 3 Prozent übersteigt. Die arztgruppenspezifischen Auszahlungsquoten sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den Krankenkassen nachzuweisen. Der Bewertungsausschuss beschließt das Nähere zur Bereinigung nach Satz 15 bis spätestens zum 31. März 2023. Der Bewertungsausschuss evaluiert, ob und wieweit durch die Vergütung der Leistungen nach Satz 5 Nummer 6 außerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütung im Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis zum 30. Juni 2024 gegenüber dem zum Vergleich herangezogenen Zeitraum eine Verbesserung des Zugangs zur fachärztlichen Versorgung eingetreten ist. Das Verfahren der Evaluierung bestimmt der Bewertungsausschuss im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit. Der Bewertungsausschuss hat dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2024 über die Ergebnisse der Evaluierung zu berichten. Die Evaluierung umfasst auch die Evaluierung der Zuschläge nach § 87 Absatz 2b Satz 3 und Absatz 2c Satz 3 und 4. Abweichend von Satz 20 hat der Bewertungsausschuss dem Bundesministerium für Gesundheit halbjährlich, erstmals bis zum 30. September 2023, über die Ergebnisse der Evaluierung der Zuschläge nach § 87 Absatz 2b Satz 3 Nummer 1 und Absatz 2c Satz 3 Nummer 1 zu berichten. Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragspartner haben die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung in den Vereinbarungen nach Absatz 3 Satz 1 um die in Satz 5 Nummer 8 genannten Leistungen für vier Quartale zu bereinigen. Hierzu wird die Leistungsmenge der Leistungen nach Satz 5 Nummer 8 aus dem Vorjahresquartal unter Berücksichtigung der Auszahlungsquote dieser Leistungen im Vorjahresquartal ermittelt. Die Auszahlungsquote ist von der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber den Krankenkassen nachzuweisen. Die Bereinigung darf nicht zu Lasten anderer Arztgruppen gehen. In den Vereinbarungen zur Bereinigung ist auch über notwendige Korrekturverfahren zu entscheiden. Das Nähere regelt der Bewertungsausschuss.

(3a) Für den Fall der überbezirklichen Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung sind die Leistungen abweichend von Absatz 3 Satz 3 und 4 von den Krankenkassen mit den Preisen zu vergüten, die in der Kassenärztlichen Vereinigung gelten, deren Mitglied der Leistungserbringer ist. Weichen die nach Absatz 2 Satz 5 vereinbarten Preise von den Preisen nach Satz 1 ab, so ist die Abweichung zeitnah, spätestens bei der jeweils folgenden Vereinbarung der Veränderung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu berücksichtigen. Die Zahl der Versicherten nach Absatz 3 Satz 2 ist entsprechend der Zahl der auf den zugrunde gelegten Zeitraum entfallenden Versichertentage zu ermitteln. Weicht die bei der Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu Grunde gelegte Zahl der Versicherten von der tatsächlichen Zahl der Versicherten im Vereinbarungszeitraum ab, ist die Abweichung zeitnah, spätestens bei der jeweils folgenden Vereinbarung der Veränderung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu berücksichtigen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 5 sind auf die nach Absatz 3 Satz 1 zu zahlende Gesamtvergütung anzurechnen.

(3b) Die in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten Leistungen sind ab dem 1. April 2023 von den Krankenkassen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 vollständig zu vergüten. Abweichend von § 85 Absatz 1 und abweichend von Absatz 3 Satz 1 wird die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung hinsichtlich der Vergütung der in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten Leistungen nicht mit befreiender Wirkung gezahlt. Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragsparteien vereinbaren Zuschläge zur Förderung der Kinder- und Jugendmedizin, soweit die in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten abgerechneten Leistungen die festgesetzte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung nicht ausschöpfen. Für die erstmalige Festsetzung der auf die Leistungen nach § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütung ist das Honorarvolumen zugrunde zu legen, das für die Leistungen im zweiten Quartal 2022 gemäß dem Verteilungsmaßstab ausgezahlt worden ist. Sofern dieses Honorarvolumen Zuschläge enthält, haben die Vertragsparteien nach Absatz 2 Satz 1 diese Zuschläge in der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu vereinbaren. Für die Zuschläge nach den Sätzen 3 und 5 sowie nach § 87a Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt Satz 2 nicht. Der Bewertungsausschuss beschließt bis zum 31. Mai 2023 Vorgaben für ein Verfahren zur Festsetzung der auf die in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten Leistungen entfallenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, die erstmalig rückwirkend zum 1. April 2023 für das laufende Kalenderjahr und danach jährlich für das folgende Kalenderjahr zu erfolgen hat. Zudem beschließt der Bewertungsausschuss bis zum 31. Mai 2023 Vorgaben für ein Verfahren zur Ermittlung des auf die jeweilige Krankenkasse entfallenden Anteils an Ausgleichszahlungen, der sich nach ihrem jeweiligen leistungsmengenbezogenen Anteil an dieser Ausgleichszahlung bemisst. Eine Ausgleichszahlung ist dann zu leisten, wenn die auf die in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten Leistungen entfallende morbiditätsbedingte Gesamtvergütung nicht ausreicht, um die vollständige Vergütung nach Satz 1 zu gewährleisten. Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragsparteien haben sich auf ein Verfahren zu verständigen, nach dem die Kassenärztliche Vereinigung die Entwicklung der in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz genannten Leistungen und von deren Vergütungen gegenüber den Krankenkassen nachweist. Der Bewertungsausschuss analysiert die Auswirkungen der Regelungen des Absatzes 3 Satz 5 Nummer 8, dieses Absatzes sowie der Regelungen in § 87b Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz insbesondere auf die Versorgung der Kinder und Jugendlichen, die Honorare sowie die Ausgaben der Krankenkassen und berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2025 über die Ergebnisse.

(4) Grundlage der Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs jeweils aufsetzend auf dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung für das Vorjahr nach Absatz 3 Satz 2 vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf sind insbesondere Veränderungen

1.
der Zahl der Versicherten der Krankenkasse mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung,
2.
der Morbiditätsstruktur der Versicherten aller Krankenkassen mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung,
3.
von Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs der Krankenkassen oder auf Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Absatz 1 beruhen,
4.
des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen aufgrund von Verlagerungen von Leistungen zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor und
5.
des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen aufgrund der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven bei der vertragsärztlichen Leistungserbringung;
dabei sind die Empfehlungen und Vorgaben des Bewertungsausschusses gemäß Absatz 5 zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des Aufsatzwertes für den Behandlungsbedarf nach Satz 1 für eine Krankenkasse ist ihr jeweiliger Anteil an dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung für das Vorjahr vereinbarten, bereinigten Behandlungsbedarf entsprechend ihres aktuellen Anteils an der Menge der für vier Quartale abgerechneten Leistungen jeweils nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung anzupassen. Die jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung ist auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen gemäß § 295 Absatz 1 Satz 2 einerseits sowie auf der Grundlage demografischer Kriterien (Alter und Geschlecht) andererseits durch eine gewichtete Zusammenfassung der vom Bewertungsausschuss als Empfehlungen nach Absatz 5 Satz 2 bis 4 mitgeteilten Raten zu vereinbaren. Falls erforderlich, können weitere für die ambulante Versorgung relevante Morbiditätskriterien herangezogen werden. Die jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung nach Satz 3 ist ab dem Jahr, in dem die nach Absatz 5 Satz 2 bis 4 mitgeteilte Veränderungsrate auf der Grundlage der Behandlungsdiagnosen der Jahre 2023 bis 2025 ermittelt wird, allein auf der Grundlage dieser Veränderungsrate zu vereinbaren.

(4a) Über eine mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 einmalige basiswirksame Erhöhung des nach Absatz 4 Satz 1 für das Jahr 2016 angepassten Aufsatzwertes ist in den Vereinbarungen nach Absatz 3 Satz 1 im Jahr 2016 zu verhandeln, wenn die jeweils für das Jahr 2014 und jeweils einschließlich der Bereinigungen zu berechnende durchschnittliche an die Kassenärztliche Vereinigung entrichtete morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung die durchschnittliche an alle Kassenärztlichen Vereinigungen im Bundesgebiet entrichtete morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten unterschreitet. Die Berechnungen nach Satz 1 werden durch das Institut nach § 87 Absatz 3b Satz 1 durchgeführt. Es teilt den Vertragsparteien nach Absatz 2 Satz 1 und dem Bundesministerium für Gesundheit das Ergebnis bis spätestens zum 15. September 2016 mit. Eine einmalige basiswirksame Erhöhung des Aufsatzwertes ist nur dann zu vereinbaren, wenn in den Verhandlungen nach Satz 1 festgestellt wird, dass der Aufsatzwert im Jahr 2014 unbegründet zu niedrig war. Ob und in welchem Umfang der Aufsatzwert im Jahr 2014 unbegründet zu niedrig war, ist von der Kassenärztlichen Vereinigung auch unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme des stationären Sektors nachzuweisen. Der Aufsatzwert ist in dem Umfang zu erhöhen, wie der Aufsatzwert im Jahr 2014 unbegründet zu niedrig war. Die durch die vereinbarte Erhöhung des Aufsatzwertes einschließlich der Bereinigungen sich ergebende morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten mit Wohnort im Bezirk der betroffenen Kassenärztlichen Vereinigung im Jahr 2014 darf die für das Jahr 2014 berechnete durchschnittliche an alle Kassenärztlichen Vereinigungen im Bundesgebiet einschließlich der Bereinigung entrichtete morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten nicht übersteigen. Die Erhöhung erfolgt um einen im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung für alle Krankenkassen einheitlichen Faktor. Die vereinbarte Erhöhung kann auch schrittweise über mehrere Jahre verteilt werden. Die zusätzlichen Mittel sind zur Verbesserung der Versorgungsstruktur einzusetzen. Umverteilungen zu Lasten anderer Kassenärztlicher Vereinigungen sind auszuschließen.

(5) Der Bewertungsausschuss beschließt Empfehlungen

1.
zur Vereinbarung des Umfangs des nicht vorhersehbaren Anstiegs des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs nach Absatz 3 Satz 4,
2.
zur Vereinbarung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 sowie
3.
zur Bestimmung von Vergütungen nach Absatz 3 Satz 6.
Bei der Empfehlung teilt der Bewertungsausschuss den in Absatz 2 Satz 1 genannten Vertragspartnern die Ergebnisse der Berechnungen des Instituts des Bewertungsausschusses zu den Veränderungen der Morbiditätsstruktur nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 mit. Das Institut des Bewertungsausschusses errechnet für jeden Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung zwei einheitliche Veränderungsraten, wobei eine Rate insbesondere auf den Behandlungsdiagnosen gemäß § 295 Absatz 1 Satz 2 und die andere Rate auf demografischen Kriterien (Alter und Geschlecht) basiert. Die Veränderungsraten werden auf der Grundlage des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses vom 2. September 2009 Teil B Nummer 2.3 bestimmt mit der Maßgabe, die Datengrundlagen zu aktualisieren. Zur Ermittlung der diagnosenbezogenen Rate ist das geltende Modell des Klassifikationsverfahrens anzuwenden. Der Bewertungsausschuss kann das Modell in bestimmten Zeitabständen auf seine weitere Eignung für die Anwendung in der vertragsärztlichen Versorgung überprüfen und fortentwickeln. Der Bewertungsausschuss hat zudem Vorgaben für ein Verfahren zur Bereinigung des Behandlungsbedarfs in den durch dieses Gesetz vorgesehenen Fällen sowie zur Ermittlung der Aufsatzwerte nach Absatz 4 Satz 1 und der Anteile der einzelnen Krankenkassen nach Absatz 4 Satz 2 zu beschließen; er kann darüber hinaus insbesondere Empfehlungen zur Vereinbarung von Veränderungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 bis 5 und Satz 3 und 4 sowie ein Verfahren zur Bereinigung der Relativgewichte des Klassifikationsverfahrens im Falle von Vergütungen nach Absatz 3 Satz 5 und 6 beschließen. Die Empfehlungen nach Satz 1 sowie die Vorgaben nach Satz 7 sind jährlich bis spätestens zum 31. August zu beschließen; die Mitteilungen nach Satz 2 erfolgen jährlich bis spätestens zum 15. September. Der Bewertungsausschuss beschließt geeignete pauschalierende Verfahren zur Bereinigung des Behandlungsbedarfs in den Fällen des § 73b Absatz 7 Satz 7 und 8. In den Vorgaben zur Ermittlung der Aufsatzwerte nach Absatz 4 Satz 1 sind auch Vorgaben zu beschließen, die die Aufsatzwerte einmalig und basiswirksam jeweils in dem Umfang erhöhen, der dem jeweiligen Betrag der Honorarerhöhung durch die Aufhebung des Investitionskostenabschlags nach § 120 Absatz 3 Satz 2 in der bis einschließlich 31. Dezember 2015 geltenden Fassung entspricht. Ab dem Jahr, in dem die Veränderungsraten auf der Grundlage der Behandlungsdiagnosen der Jahre 2020 bis 2022 durch das Institut des Bewertungsausschusses nach Satz 3 errechnet werden, sind Kodiereffekte, die insbesondere durch die Einführung und Aktualisierung der verbindlichen Regelungen nach § 295 Absatz 4 Satz 2 zur Vergabe und Übermittlung der Schlüssel nach § 295 Absatz 1 Satz 6 entstehen, in den Berechnungen zu bereinigen. Hierzu hat der Bewertungsausschuss ein entsprechendes Verfahren zu beschließen. Der Bewertungsausschuss hat bis zum 1. September 2019 Vorgaben zu beschließen, bei welchen Arztgruppen, die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, eine Vergütung nach Absatz 3 Satz 5 Nummer 5 vorzusehen ist. Soweit erforderlich, beschließt der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach § 87 Absatz 5a für die von ihm beschlossenen Vergütungen für Leistungen die Empfehlungen zur Bestimmung von Vergütungen nach Absatz 3 Satz 6.

(5a) Der Bewertungsausschuss erstellt zum Zwecke der Erhöhung der Transparenz über die der Empfehlung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 zugrunde liegenden Datengrundlagen einen Bericht über die Veränderungen der Behandlungsdiagnosen und den Einfluss der jeweiligen Behandlungsdiagnose auf die Veränderungsrate für jeden Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung. Der Bericht ist dem Bundesministerium für Gesundheit zusammen mit der Empfehlung und den der Empfehlung zugrunde liegenden weiteren Beratungsunterlagen vorzulegen. § 87 Absatz 6 Satz 10 gilt entsprechend.

(6) Der Bewertungsausschuss beschließt erstmals bis zum 31. März 2012 Vorgaben zu Art, Umfang, Zeitpunkt und Verfahren der für die Vereinbarungen und Berechnungen nach den Absätzen 2 bis 4 erforderlichen Datenübermittlungen von den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen an das Institut des Bewertungsausschusses, welches den Vertragspartnern nach Absatz 2 Satz 1 die jeweils erforderlichen Datengrundlagen bis zum 30. Juni eines jeden Jahres zur Verfügung stellt; § 87 Absatz 3f Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Höhe des dem Kläger für das Quartal I/2009 zustehenden Regelleistungsvolumens (RLV).

2

Der Kläger nimmt als Facharzt für Augenheilkunde im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Beklagte setzte das RLV seiner Praxis für das Quartal I/2009 zunächst mit Bescheid vom 27.11.2008 auf 38 896,20 Euro fest, mit Änderungsbescheid vom 19.3.2009 sodann auf 42 765,24 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.3.2009 gab die Beklagte dem Widerspruch des Klägers teilweise statt und setzte den Fallwert der Arztgruppe vor Gewichtung anhand des Altersfaktors der Praxis auf 20,85 Euro neu fest; im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Hiergegen erhob der Kläger Klage. Nach Klageerhebung wurde dem Kläger mit Bescheid vom 18.8.2010 für das Quartal I/2009 Honorar in Höhe von 645,52 Euro nachvergütet und damit das RLV - unter Zugrundelegung eines (praxisbezogenen) Fallwerts von 21,18 Euro und einer Fallzahl von 2058 - auf nunmehr 43 588,44 Euro erhöht.

3

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 3.8.2011, Urteil des LSG vom 17.1.2013). Zur Begründung hat das SG ua ausgeführt, ein Grundsatz, dass der RLV-Fallwert nur rechtmäßig sei, wenn dieser sämtliche medizinisch notwendigen Leistungen umfasse, sei der Regelung des § 87b SGB V aF nicht zu entnehmen. Im Übrigen werde die durchschnittliche Höhe der augenärztlichen Grundpauschale durch den zuletzt festgesetzten (Arztgruppen-)Fallwert von 21,25 Euro abgedeckt. Der einzelne Arzt habe keinen subjektiven Rechtsanspruch auf Vergütung jeder einzelnen Leistung in einer bestimmten Höhe oder darauf, dass das vertragsärztliche Honorar für jede Einzelleistung kostendeckend sei. Das LSG hat auf die Ausführungen des SG Bezug genommen und ergänzend ua ausgeführt, der Vortrag des Klägers, die aufgrund des Gesetzes erlassene Gebührenordnung werde durch die Festlegung von RLV signifikant abgeändert, überzeuge nicht, weil die durchschnittliche Grundpauschale im streitgegenständlichen Quartal I/2009 abgedeckt werde. Die Frage, ob weitergehende Absenkungen des Fallwertes in den Folgequartalen rechtmäßig seien, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Das LSG habe zunächst gegen die §§ 153 Abs 2, 153 Abs 1 und 136 SGG verstoßen, da es sich nicht mit dem Verhältnis der RLV zu den zwingenden Vorgaben des Gesetzes zur Berechnung des Honorars gemäß dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) auseinandergesetzt habe; dies sei zentraler Gegenstand der Berufungsbegründung gewesen. In der Sache verstoße das RLV gegen § 87b Abs 2 SGB V aF, da der ihm - dem Kläger - im Rahmen des RLV zugebilligte Fallwert notwendige Leistungen des Kap 6.3 EBM-Ä in keiner Weise abbilde. Der Fallwert erreiche nicht einmal die von jedem Augenarzt in nahezu jedem Behandlungsfall zugrunde zu legende Grundpauschale gemäß den Nr 06210, 06211 und 06212 EBM-Ä. Der seinem RLV zugrunde gelegte Fallwert staffele notwendige Leistungen, die jenseits der Grundpauschale zu erbringen seien, nahezu vollständig ab, ohne dass dies mit dem Ziel der RLV, eine "übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes" zu verhindern, in Übereinstimmung zu bringen sei. Soweit er - der Kläger - weitere Leistungen gemäß dem Kap 6.3 EBM-Ä erbringen müsse, erfülle dies schon nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben nicht den Tatbestand einer "übermäßigen Ausdehnung" seiner Tätigkeit. Er habe nicht die Wahl, ausschließlich Leistungen der Grundpauschale zu erbringen.

5

Entgegen der Auffassung des LSG fordere er kein höheres Honorar, sondern er berufe sich für seinen Honoraranspruch auf geltendes Recht, nämlich den EBM-Ä. Die Leistungen des Kap 6.3 EBM-Ä seien dort zutreffend bewertet. Die Beklagte habe bei der Festsetzung des für das RLV maßgeblichen Fallwerts keine davon abweichende Bewertung vorgenommen. Der niedrige Fallwert habe ausschließlich mit dem den konventionellen Augenärzten zur Verfügung gestellten "Honorartopf" in den Vorjahren zu tun. § 87b SGB V enthalte keine Regelung, wonach die Bewertungen des EBM-Ä im Rahmen der RLV "außer Kraft" gesetzt würden, sondern beziehe sich im Gegenteil in § 87b Abs 2 SGB V aF ausdrücklich auf die Vergütung gemäß EBM-Ä. Der vorliegend festgesetzte Fallwert habe zur Folge, dass alle Leistungen des Kap 6.3 EBM-Ä unbeschadet ihrer Notwendigkeit "mit abgestaffelten Preisen" vergütet würden, konkret in etwa mit einem Fünftel des von Gesetzes wegen garantierten Preises. Eine solche Korrektur sei insbesondere dann rechtswidrig, wenn man die Einführung der RLV als eine Maßnahme ansehe, die auf das Verhalten der Ärzte Einfluss nehmen solle. Die "Entwertung" einer notwendigen medizinischen Leistung habe mit einer Mengensteuerung nichts zu tun.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 17.1.2013 sowie das Urteil des SG Mainz vom 3.8.2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2008, geändert durch Bescheid vom 19.3.2009, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.3.2009, erneut abgeändert durch Bescheid vom 18.8.2010, abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ein höheres Regelleistungsvolumen zuzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Das LSG habe sich nicht vertieft mit dem Verhältnis zwischen EBM-Ä und RLV auseinandersetzen müssen, weil es dem Kläger in Wirklichkeit darum gehe, dass keine angemessene Vergütung seiner vertragsärztlichen Leistungen erfolge. Das LSG habe zu Recht festgestellt, dass der Kläger keinen subjektiven Rechtsanspruch auf Vergütung jeder einzelnen Leistung in einer bestimmten Höhe habe. Dies gelte auch für pauschalierte Vergütungen. Die Pauschalen stünden für eine unbestimmte Menge an Leistungen. Dies bedeute, dass Teile der angeforderten Grundpauschalen mit abgestaffelten Preisen vergütet werden dürften. Es könne demnach nur der Fall eintreten, dass nicht alle zur Abrechnung gelangten Pauschalen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet würden, nicht aber der Fall, dass keine Pauschale vollständig vergütet würde. Daher sei für die augenärztlichen Grundpauschalen eine Abstaffelung nicht ausgeschlossen. Die Grundpauschalen seien das Ergebnis einer Pauschalierung sämtlicher Behandlungsfälle der Augenärzte; ihnen liege eine Mischkalkulation zugrunde.

9

Die Berechnung der RLV-Fallwerte sei entsprechend der gesetzlichen Vorgabe und den Vorgaben des Bewertungsausschusses (BewA) vorgenommen worden. An die Beschlüsse des BewA sei sie - die Beklagte - gebunden. Diese seien auch rechtmäßig. Das RLV eines Arztes sei von einer Vielzahl gesetzlicher und untergesetzlicher Faktoren abhängig. Danach entziehe sich die Frage, ob für eine Leistung eine kostendeckende Vergütung zu erzielen sei, einer generellen Beantwortung. Es könne daher nicht von vornherein ein RLV in einer bestimmten Höhe erwartet werden. Das RLV sei ein Mengensteuerungsinstrument. Die Honorarverteilung könne nur im Rahmen der der KÄV zur Verteilung zur Verfügung stehenden Geldmenge erfolgen. Eine Auffüllung des augenärztlichen "Topfes" würde dazu führen, dass das Geld an anderer Stelle fehle. Eine nachträgliche Modifizierung der Gesamtvergütung komme nicht in Betracht.

10

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt; sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht die Festsetzung des RLV für die klägerische Praxis als rechtmäßig angesehen.

12

A. 1. Die prozessualen Einwände des Klägers greifen nicht durch. Das Berufungsurteil leidet nicht an dem formellen Fehler unzureichender Entscheidungsgründe (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO). Ein Urteil ist nicht als fehlerhaft aufzuheben, solange noch eine Auseinandersetzung mit dem Kern des Vorbringens erkennbar sowie die Argumentation noch nachvollziehbar und verständlich ist (BSG MedR 2007, 614 = USK 2007-26; BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 22). Diese Voraussetzungen erfüllt die angefochtene Entscheidung, da sie sich - wenn auch ggf nicht in der vom Kläger gewünschten Breite - mit dessen Vortrag auseinandersetzt, durch die Festlegung des RLV werde die gesetzliche Gebührenordnung abgeändert.

13

2. Die Zuweisung eines RLV ist gesondert anfechtbar (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 10). Dies folgt, wie der Senat (aaO) dargelegt hat, bereits aus der in § 87b Abs 5 Satz 2 SGB V aF angeordneten Geltung des § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V aF(jetzt § 87b Abs 2 Satz 4 SGB V nF bzw § 85 Abs 4 Satz 6 SGB V nF), welcher bestimmt, dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben. Dieser Geltungsanordnung hätte es nicht bedurft, wenn die Zuweisung nicht gesondert, sondern nur zusammen mit dem Honorarbescheid anfechtbar wäre. Die Zuweisung des RLV erfolgt im Übrigen in Form einer eigenständigen Regelung und stellt daher einen Verwaltungsakt dar (BSG aaO). Allerdings ist für die Klärung der Rechtmäßigkeit der Zuweisung eines RLV nur solange Raum - und ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben - als die den streitbefangenen Zeitraum betreffenden Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (BSG aaO RdNr 11 ff). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

14

B. In der Sache ist die Revision des Klägers unbegründet.

15

1. Streitgegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Höhe des dem Kläger für das Quartal I/2009 zugewiesenen RLV, nicht aber die Frage, ob ihm ein Anspruch auf höheres Honorar - etwa aufgrund von Regelungen über Ausgleichszahlungen im Fall von Honorarverlusten um mehr als 15 % gemäß Teil F Nr 3.7 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28.8.2008 oder von Härteregelungen nach dem Honorarverteilungsvertrag - zusteht. Ebenfalls nicht streitbefangen ist die Frage, ob Gründe dafür vorliegen, ausnahmsweise von einer Vergütung mit abgestaffelten Preisen abzusehen (vgl § 87b Abs 2 Satz 3 Halbsatz 2 SGB V aF).

16

2. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuweisung eines höheren RLV zu. Dass die Beklagte das RLV fehlerhaft berechnet hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers sind auch die normativen Grundlagen dieser Berechnung beachtet worden und für sich genommen wirksam. Dass die gesetzlichen Vorgaben (§§ 87a und 87b SGB V aF) gegen höherrangiges Recht verstoßen, wird vom Kläger zu Recht nicht geltend gemacht, ebenso wenig, dass der zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erlassene Beschluss des EBewA nicht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben steht. Im Kern rügt der Kläger, dass das ihm zugewiesene RLV mit einem Fallwert von 21,18 Euro die notwendigen medizinischen Leistungen seiner Praxis nicht annähernd abbilde, und dass die Leistungsbewertungen im augenärztlichen Kapitel 6.3 des EBM-Ä durch ein derart niedriges RLV konterkariert würden. Letztlich macht der Kläger damit geltend, dass das - nach den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben zutreffend berechnete - RLV jedenfalls in seinen Auswirkungen nicht mit höherrangigem Recht im Einklang steht.

17

Das trifft jedoch nicht zu. Das ihm zugewiesene RLV verstößt weder gegen die gemäß § 87b Abs 2 SGB V aF bei der Festlegung des RLV zu beachtenden Grundsätze (a.) noch gegen die in § 87 Abs 2 SGB V normierten Regelungen über die Bewertung ärztlicher Leistungen (b.). Auch der Grundsatz der angemessenen Vergütung vertragsärztlicher Leistungen ist durch die Festsetzung des RLV nicht verletzt worden (c.). Schließlich kann der Kläger auch keine Rechte aus den Grundsätzen über die Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Beklagten herleiten (d.).

18

a. Das dem Kläger zugewiesene RLV verstößt nicht gegen § 87b Abs 2 SGB V aF.

19

aa. Gemäß § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V aF werden die vertragsärztlichen Leistungen abweichend von § 85 von der KÄV auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 vergütet. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis sind gemäß § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V aF arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Dabei definiert § 87b Abs 2 Satz 2 SGB V aF ein RLV nach Satz 1 als die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs 2 enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Abweichend von Abs 1 Satz 1 ist die das RLV überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten kann hiervon abgewichen werden (§ 87b Abs 2 Satz 3 SGB V aF).

20

Der gemäß § 87b Abs 4 Satz 1 SGB V aF zur Bestimmung des Verfahrens zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V berufene BewA hat - als EBewA - in seiner Sitzung am 27./28.8.2008 unter Teil F einen entsprechenden Beschluss gefasst (DÄ 2008, A-1988). Nach Teil F Nr 1.2.1 des vorgenannten Beschlusses werden die RLV nach Maßgabe von Nr 2. und 3. sowie den Anlagen 1 und 2 zu Teil F für das jeweilige Abrechnungsquartal ermittelt. Den Rechenweg für die Bestimmung des arztindividuellen RLV hat der EBewA in der Anlage 2 zu Teil F Nr 1 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 (DÄ 2008, A-1995) wie folgt vorgegeben: zunächst ist anhand der im Beschluss festgelegten Berechnungsformel und auf der Grundlage des (angepassten) Vergütungsvolumens 2007 das "vorläufige RLV-Vergütungsvolumen" - getrennt nach hausärztlichem und fachärztlichem Versorgungsbereich - zu ermitteln, sodann aus diesem unter Vornahme vorgegebener Abzüge (insbesondere für abgestaffelte Leistungen, erwartete Zahlungen für Neupraxen, für Ärzte und Einrichtungen, die kein RLV erhalten, sowie der Vergütungen des Jahres 2007 für bestimmte Leistungen, im hausärztlichen Bereich auch für zu erwartende Zahlungen für Qualitätszuschläge) das jeweilige "RLV-Vergütungsvolumen" eines Versorgungsbereichs (Nr 2). Gemäß der unter der Nr 3 vorgegebenen Formel ist sodann der arztgruppenspezifische Anteil hieran zu berechnen, sodann gemäß der Nr 4 der arztgruppenspezifische Fallwert. Die Multiplikation dieses Fallwertes mit der Fallzahl des Arztes (Nr 5) sowie eine morbiditätsbezogene Differenzierung nach Altersklassen gemäß der unter Nr 6 aufgeführten Formel ergibt dann unter Anwendung der konkreten (regionalen) Berechnungsformel das arztindividuelle RLV. Vereinfacht dargestellt ergibt sich die Höhe des arzt- und praxisbezogenen RLV damit aus der Multiplikation der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert.

21

bb. Ein Verstoß gegen § 87b Abs 2 SGB V aF ergibt sich nicht daraus, dass - wie der Kläger meint - der ihm zugebilligte Fallwert notwendige Leistungen des Kap 6.3 EBM-Ä nicht hinreichend abbilde. Der Kläger geht davon aus, dass sein RLV so hoch sein muss, dass die wesentlichen Leistungen seines Fachgebietes rechnerisch in jedem Behandlungsfall mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten sind. Das mag der Idealkonzeption des Gesetzes entsprechen, ist jedoch nicht durchweg realisierbar, wenn die tatsächlich gezahlten Gesamtvergütungen Grundlage der Berechnung der RLV sind. Das Grundsystem der Vergütung der Gesamtheit der vertragsärztlichen Leistungen durch die Krankenkassen mit einem - steigenden, aber grundsätzlich festen - Betrag ist nicht durchweg kompatibel mit der Vorstellung, eine bestimmte, den Großteil der vertragsärztlichen Leistungen auf einem bestimmten Fachgebiet umfassende Leistungsmenge je Fall mit festen Preisen zu vergüten.

22

(1) Im Ausgangspunkt ist allerdings zutreffend, dass ein RLV nach seiner gesetzlichen Definition einer bestimmten Leistungsmenge entsprechen soll, die mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet wird (§ 87b Abs 2 Satz 2 SGB V aF). Innerhalb eines RLV werden die typischen und speziellen Leistungen einer Arztgruppe honoriert (BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 45/12 R - RdNr 26 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Weiter ist davon auszugehen, dass diese Leistungsmenge - jedenfalls bei generalisierender Betrachtung - die jeweils notwendigen Leistungen umfasst (in diesem Sinne auch die Gesetzesbegründung zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 124 zu § 85b Abs 1). Die Annahme des Klägers, dass das ihm zugewiesene RLV die notwendigen Leistungen "nicht abbilde", wäre allerdings nur dann richtig, wenn man die RLV nicht allein als Leistungsmenge, sondern als garantiertes "Vergütungsvolumen" ansieht, welches sich zwingend aus der Multiplikation des Punktzahlvolumens der in das RLV fallenden Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung ergibt.

23

Diese Sichtweise ließe aber außer Acht, dass eine Diskrepanz zwischen den gesetzlichen Regelungen zur Euro-Gebührenordnung und den Faktoren besteht, welche die Höhe des dem Kläger zugewiesenen RLV bestimmen: Auf der einen Seite regelt § 87a Abs 2 Satz 6 SGB V, dass aus den - gemäß § 87a Abs 2 Satz 1 SGB V auf der Grundlage der Orientierungswerte vereinbarten - Punktwerten und dem EBM-Ä eine regionale Gebührenordnung mit Euro-Preisen (Euro-Gebührenordnung) zu erstellen ist. Weiter gibt § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V aF vor, dass die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1.1.2009 auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 vergütet werden. Schließlich wird das RLV - wie bereits erwähnt - nach § 87b Abs 2 Satz 2 SGB V aF als die Menge der vertragsärztlichen Leistungen definiert, die mit den in der Euro-Gebührenordnung enthaltenen Preisen zu vergüten sind. Den sich daraus ergebenden Anschein, dass das RLV einem Geldbetrag entspricht, der sich aus der Multiplikation der in das RLV fallenden Leistungsmenge mit den für die einbezogenen Leistungen geltenden Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung ergibt, erweckt auch die Gesetzesbegründung zum GKV-WSG (BT-Drucks 16/3100 S 124 zu § 85b Abs 2 SGB V): Danach erhalte der Arzt nach dem vorliegenden Modell für die im Rahmen des RLV erbrachten Leistungen die Preise der regionalen Euro-Gebührenordnung und nicht nur die Zusage auf eine Vergütung mit einem festen Punktwert. Das RLV einer Arztpraxis sei so zu bemessen, dass der einzelne Arzt in der Regel die medizinisch erforderlichen Leistungen im Rahmen seines RLV erbringen könne und er sie somit mit den vollen Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet bekomme (aaO S 124).

24

Auf der anderen Seite enthält das Gesetz jedoch keine diese Intention umsetzenden Berechnungsvorgaben für die RLV: Es gibt nicht vor, dass ein RLV anhand der mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung bewerteten Leistungsmenge zu berechnen ist. Nach § 87b Abs 3 SGB V aF sind die Werte für die RLV vielmehr zum einen morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen(Satz 1 aaO), zum anderen sind gemäß Satz 2 aaO insbesondere die dort aufgeführten Zahlungen sowie Zahl und Tätigkeitsumfang der der jeweiligen Arztgruppe angehörenden Ärzte zu berücksichtigen (Satz 2 aaO). Nach Satz 2 Nr 1 aaO wird ausdrücklich die Berücksichtigung der "Summe der für einen Bezirk der KÄV nach § 87a Abs 3 insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen" vorgegeben. Maßgeblicher Faktor für die Höhe des RLV sind somit nicht die Preise der Euro-Gebührenordnung, sondern die tatsächlich gezahlten Gesamtvergütungen. Somit stellt das RLV nur im "Idealfall" sicher, dass die von ihm erfasste Leistungsmenge in vollem Umfang mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet wird: Dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn die Höhe der gezahlten Gesamtvergütungen - bzw der auf die in das RLV fallende Leistungsmenge bezogene Anteil hieran - mit dem Geldbetrag übereinstimmt, der für die in das RLV fallenden Leistungen nach den Preisen der Euro-Gebührenordnung insgesamt zu zahlen wäre. Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass der für die Vergütung der in das RLV fallenden Leistungen zur Verfügung stehende Gesamtvergütungsanteil hierfür nicht ausreicht.

25

(2) Diese Diskrepanzen beruhen darauf, dass der Gesetzgeber die Vorgaben für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen - zum einen für die Berechnung der Gesamtvergütungen, zum anderen für die Ermittlung der vertragsärztlichen Honorare - nicht vollständig synchronisiert hat (vgl zur Vergütung im Quartal I/2009 auch Senatsurteil B 6 KA 4/13 R vom heutigen Tag).

26

Die Höhe der von den Krankenkassen zu zahlenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen (MGV) bestimmt sich nach § 87a Abs 3 SGB V aF(der Umstand, dass § 87c SGB V aF für das Jahr 2009 hiervon abweichende Übergangsregelungen enthielt, kann vorliegend außer Betracht bleiben). Danach haben die KÄVen und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung zu zahlenden Gesamtvergütungen für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV zu vereinbaren (Satz 1 aaO); damit sind insoweit die klassischen Elemente des bisherigen Vergütungsrechts übernommen worden (BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 59). Hierzu haben die Vertragspartner den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs zu vereinbaren und diesen mit den nach Absatz 2 Satz 1 - dh auf der Grundlage des bundeseinheitlichen Orientierungswertes - vereinbarten Punktwerten in Euro zu bewerten (Satz 2 aaO). Für die Höhe der Gesamtvergütungen maßgeblich ist mithin der vereinbarte Behandlungsbedarf, nicht hingegen das Punktzahlvolumen der tatsächlich abgerechneten Leistungen.

27

Entgegen der offenbar vom Kläger vertretenen Auffassung ist mit "Behandlungsbedarf" iS des § 87a Abs 3 SGB V nicht das faktische Behandlungsaufkommen gemeint, sondern allein der durch Vereinbarung festgelegte Bedarf. Damit ist es durchaus denkbar, dass auch Leistungen, die nach Ansicht des Klägers "notwendig" sind, nicht mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden können und müssen. Diesem Umstand hat im Übrigen der Gesetzgeber schon dadurch Rechnung getragen, dass er in § 87a Abs 3 Satz 3 SGB V aF bestimmt hat, dass die "im Rahmen des Behandlungsbedarfs" erbrachten Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 6 zu vergüten sind. Für Leistungen, die über den "Behandlungsbedarf" iS des § 87a Abs 3 SGB V hinausgehen, gilt dies nicht.

28

Eine Vergütung mit festen Eurobeträgen kommt danach nur in dem Idealfall in Betracht, in dem das zur Verteilung benötigte - aus der Multiplikation aller erbrachten und abgerechneten Leistungen in Punkten mit dem regionalen Punktwert in Euro errechnete - Vergütungsvolumen der Summe der gesamtvertraglich vereinbarten (und zur Vergütung der in das RLV fallenden Leistungen bestimmten) Gesamtvergütungen entspräche. Der Umstand, dass die Höhe der von den Krankenkassen zu zahlenden Gesamtvergütungen gesondert zu vereinbaren ist, hat - in Verbindung mit dem Grundsatz, dass eine nachträgliche Erhöhung der Gesamtvergütungen nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt (vgl BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 59 ff) -jedoch zur Folge, dass dann, wenn die tatsächlich abgerechnete Leistungsmenge die als Behandlungsbedarf vereinbarte Leistungsmenge übersteigt, eine "Vergütungslücke" entsteht. Dieser Umstand bedingt, dass die von den Vertragsärzten erbrachten Leistungen auch nach dem 31.12.2008 nicht in jedem Fall mit den - nach Auffassung des Klägers - "garantierten Preisen" zu vergüten sind, sondern sich - namentlich bei abweichender Mengenentwicklung - zwangläufig Vergütungsabsenkungen ergeben. Dies ist letztlich unvermeidbar, weil angesichts insgesamt begrenzter Mittel eine "Auffüllung" der fehlenden Vergütungsanteile nur zu Lasten der übrigen Arztgruppen oder der freien Leistungen erfolgen könnte.

29

(3) Auf den Umstand, dass eine Garantie fester Preise nicht durchweg mit begrenzten Gesamtvergütungen kompatibel ist, hat der Senat im Übrigen bereits mit Urteil vom 17.7.2013 (B 6 KA 45/12 R - RdNr 26 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) hingewiesen: "Eine feste, begrenzte Gesamtvergütung schließt die Vergütung aller vertragsärztlicher Leistungen mit einem garantierten Punktwert aus. Mengenbegrenzungen oder Quotierungen sind unvermeidlich, und jeder Garantiepreis für bestimmte, mengenmäßig nicht begrenzte Leistungen führt bei entsprechender Mengenentwicklung zwangsläufig zu einer Absenkung der Vergütung anderer Leistungen. Diese Beurteilung liegt der Rechtsprechung des Senats zu den festen Punktwerten iS von § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V aF zugrunde, wonach die Festlegung von 'absolut' festen Punktwerten von vornherein ausgeschlossen ist, weil bei gedeckelter Gesamtvergütung die Vorgabe fester Punktwerte nur dadurch ermöglicht wird, dass entweder die RLV bzw Grenzwerte so (niedrig) bemessen werden, dass die gezahlten Gesamtvergütungen ausreichen, um alle erfassten Leistungen mit dem vorgesehenen Punktwert zu vergüten, oder dass dies zu Lasten der 'freien Leistungen' geht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 40; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 70 RdNr 33). Daher ist auch ein gewisses Floaten der Punktwerte nicht zu vermeiden; das System der RLV bei begrenzter Gesamtvergütung setzt vielmehr eine Quotierung voraus (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 40 unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 16; ebenso BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 70 RdNr 33)." Auch wenn sich diese Ausführungen auf eine Quotierung von Leistungen beziehen, die nicht Bestandteil des RLV sind, beschreiben sie allgemeingültig die dem Grunde nach auch für die Vergütung der innerhalb des RLV liegenden Leistungen geltende Situation.

30

(4) Auch unabhängig von der schon durch die Vereinbarung der MGV bedingten Begrenzung der vertragsärztlichen Vergütungen geht die Annahme des Klägers fehl, dass mit dem EBM-Ä eine "absolute" Vergütungshöhe vorgegeben wird, der sich alle übrigen Regelungen unterzuordnen hätten. Denn das Gesetz geht weiterhin von der Notwendigkeit aus, bei der Verteilung der Gesamtvergütungen regulierend einzugreifen. Zwar bestimmt § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V aF, dass die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1.1.2009 auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 SGB V vergütet werden, doch wird zugleich die Festlegung arzt- und praxisbezogener RLV vorgegeben(§ 87b Abs 2 SGB V aF). Diese RLV sind ausdrücklich als Instrument zur Mengensteuerung eingeführt worden (vgl den Gesetzentwurf zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 123 zu § 85b Abs 2); sie bilden mit ihrer mengensteuernden Wirkung das notwendige Korrektiv zur Euro-Gebührenordnung (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 10/09, K § 87b RdNr 9). Ziel dieser Mengensteuerung ist weiterhin, den Vertragsärzten einerseits Kalkulationssicherheit zu geben und andererseits (durch Abstaffelungen) den ökonomischen Anreiz zur Leistungsausweitung zu begrenzen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 68 RdNr 31 mwN).

31

Zielrichtung ist dabei nicht nur eine Begrenzung der Menge insgesamt, sondern auch eine Begrenzung des Umfangs der von einzelnen Arztgruppen erbrachten Leistungen, um zu verhindern, dass diese ihren Anteil an den zur Verteilung anstehenden Gesamtvergütungen zu Lasten anderer Arztgruppen erhöhen können. Dementsprechend bestimmt § 87b Abs 3 Satz 1 SGB V aF, dass die Werte für die RLV ua differenziert nach Arztgruppen festzulegen sind. Dies beinhaltet die Notwendigkeit, der jeweiligen Arztgruppe ein Vergütungsvolumen zuzuweisen, das bei der Festlegung der RLV zugrunde zu legen ist. Wie bereits oben dargestellt, hat der EBewA in der Anlage 2 zu Teil F Nr 1 seines Beschlusses vom 27./28.8.2008 (DÄ 2008, A-1995) den Rechenweg zur Bestimmung des arztgruppenspezifischen Anteils am RLV-Vergütungsvolumen vorgegeben. Dieser Anteil bestimmt sich - vereinfacht dargestellt - anhand des Anteils der Arztgruppe am Vergütungsvolumen 2007, welches einerseits an Veränderungen des EBM-Ä im Jahr 2008 angepasst und andererseits um zahlreiche Vorwegabzüge (s hierzu Nr 2.b. der Anlage) vermindert wurde. Dieses arztgruppenspezifische Vergütungsvolumen ist den früheren Honorarkontingenten oder -töpfen vergleichbar. Auch die nach Arztgruppen getrennte Zuweisung von RLV dient damit - wie Honorarkontingente - dem Zweck, die Folgen einer Leistungsmengenausweitung auf die jeweilige Teilgruppe zu beschränken und Honorarminderungen für solche Gruppen zu verhindern, die zu einer Leistungsausweitung nichts beitragen (vgl schon BSGE 81, 213, 218 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 154 - zu Honorarkontingenten). Diesen Zweck hat der Senat in ständiger Rechtsprechung gebilligt.

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(5) In dem Umstand, dass aus den dargestellten Gründen nicht sichergestellt ist, dass die in das RLV fallenden Leistungen in jedem Fall mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden (oder das RLV umgekehrt nicht alle "notwendigen" Leistungen umfasst), liegt keine "gesetzwidrige" Lücke, die von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung zu füllen wäre. Wenn der Gesetzgeber für die Berechnung des RLV nicht die Preise der Euro-Gebührenordnung, sondern die Höhe der vereinbarten Gesamtvergütungen zum Maßstab genommen hat, hat er damit zwangsläufig in Kauf genommen, dass die angestrebte Vergütung aller in das RLV fallenden Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung nicht in jedem Fall erreicht werden kann. Im Übrigen blieb dem Gesetzgeber insoweit ohnehin kein Spielraum, weil er andernfalls die Finanzierung der vertragsärztlichen Leistungen von Grund auf neu hätte regeln müssen. Die Vorgabe absolut fester Preise für eine bestimmte - zumindest bei zahlreichen Arztgruppen den größeren Teil der vertragsärztlichen Leistungen umfassenden - Leistungsmenge ist nicht kompatibel mit einer nach anderen Kriterien vereinbarten Gesamtvergütung. Durch die Einführung der MGV und der RLV hat sich nichts daran geändert, dass die Menge des zur Verteilung unter die Vertragsärzte zur Verfügung stehenden Geldes begrenzt ist.

33

Auch in Bezug auf die Arztgruppe der Augenärzte (bzw speziell die Untergruppe der nicht operativ tätigen Augenärzte) stellt sich die Höhe des RLV somit als zwangsläufige Folge der gesetzlichen Rahmenbedingungen dar. Maßgebender Faktor für die Höhe des arzt- bzw praxisindividuellen RLV ist - wie dargestellt - der arztgruppenspezifische Fallwert, welcher sich nach dem arztgruppenspezifischen Anteil am RLV-Vergütungsvolumen des (fach-)ärztlichen Versorgungsbereiches und dieser wiederum nach dem (angepassten) Vergütungsvolumen 2007 bemisst. Da der Fallwert der nicht operativ tätigen Augenärzte somit deren Honorarvolumen in der Vergangenheit widerspiegelt, hat ein niedriger Fallwert seine Ursache nicht in der Neuregelung des Vergütungssystems. Der Gesetzgeber - wie auch der EBewA als Normgeber - war nicht gehindert, bei der Festlegung des maßgeblichen Vergütungsvolumens an die Werte vorangegangener Vergütungszeiträume anzuknüpfen; in Anbetracht der hinsichtlich der Bestimmung der Gesamtvergütungen weitgehend beibehaltenen gesetzlichen Vorgaben lag dies sogar nahe. Es mag sein, dass der Anteil an den Gesamtvergütungen, der für die von nicht operativ tätigen Augenärzten erbrachten Leistungen zur Verfügung steht, bereits in der Vergangenheit auf ein niedriges Niveau abgesunken ist; zwar fehlen hierzu entsprechende Feststellungen, doch ist die Annahme nicht von der Hand zu weisen, dass die Zunahme ambulanter augenärztlicher Operationen nicht ohne Auswirkungen auf das für konservativ ausgerichtete augenärztliche Leistungen zur Verfügung stehende Honorarvolumen geblieben ist. Für die Berechnung des RLV ist dieser Gesichtspunkt jedoch nicht relevant, sondern kann allenfalls im Rahmen des Grundsatzes der angemessenen Vergütung vertragsärztlicher Leistungen Berücksichtigung finden (s dazu c.).

34

cc. Soweit der Kläger weiter rügt, dass RLV gemäß § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V aF allein den Zweck hätten, eine "übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis" zu verhindern, nicht aber dazu dienten, notwendige Leistungen abzustaffeln, übersieht er zum einen, dass die "übermäßige Ausdehnung" nicht allein arztindividuell, sondern auch fachgruppenbezogen zu betrachten ist, nämlich auch in dem Sinne, dass eine "übermäßige" Ausdehnung des vergütungsrelevanten Leistungsumfangs durch eine Facharztgruppe zu Lasten anderer Arztgruppen verhindert wird. Zum anderen hat sich der Begriff "übermäßige Ausdehnung" von seinem ursprünglichen Inhalt entfernt. Der in § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V aF verwendete Begriff der "übermäßigen Ausdehnung" ist daher nicht auf die in der früheren Rechtsprechung des BSG zu § 85 Abs 4 Satz 6 SGB V aF bzw zu § 368f Abs 1 Satz 5 RVO angezogenen Fallgestaltungen beschränkt, dass der Arzt das "Praxisvolumen" nur unter Verletzung der Pflichten zur sorgfältigen und persönlichen Behandlung bewältigen kann(BSG SozR 2200 § 368f Nr 6 S 10), also angesichts des Umfangs der abgerechneten Leistungen davon auszugehen ist, dass die einzelnen Leistungen nicht mehr in einer der Leistungsbeschreibung entsprechenden Art und Weise erbracht worden sein können und mithin Qualitätsmängel zu befürchten sind (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 44 S 359; BSGE 89, 173, 174 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 369). Vielmehr erfasst er nunmehr - ohne hiermit, wie in der Vergangenheit, zugleich ein "Unwerturteil" zu verbinden - alle Konstellationen, in denen - aus welchen Gründen auch immer - honorarbegrenzende Maßnahmen erforderlich werden (in diesem Sinne auch Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 12/13, § 87b RdNr 99). Hierzu gehören auch Maßnahmen, die Mengenausweitungen zu Lasten anderer Arztgruppen verhindern.

35

dd. Wenn der Kläger schließlich geltend macht, jedenfalls die über die Grundpauschalen hinausgehenden Leistungen würden nur noch (abgestaffelt) mit einem Fünftel des garantierten Preises vergütet, lässt er dabei (auch) außer Betracht, dass Mengenbegrenzungsregelungen nach der Rechtsprechung des Senats nicht dazu führen, dass die über die Grenze hinausgehenden Leistungen (mehr oder weniger) unvergütet bleiben, sondern lediglich die Höhe der Vergütung für jede einzelne der erbrachten Leistungen relativ absinkt (stRspr des BSG, vgl BSGE 78, 98, 108 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 44; BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, RdNr 13).

36

b. Entgegen der Auffassung des Klägers verletzt "die Höhe des ihm zugewiesenen RLV" auch nicht § 87 Abs 2 SGB V. Weder die Vorgaben zur Berechnung der RLV noch das konkret für die Praxis des Klägers berechnete RLV stehen im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben zur Leistungsbewertung durch einheitliche Bewertungsmaßstäbe.

37

aa. Schon im Grundsatz gibt es keinen generellen Vorrang der Bestimmungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs gegenüber den Regelungen der Honorarverteilung, zu denen auch die Bestimmungen über die Festlegung von RLV gehören. Soweit sich in der Rechtsprechung des BSG Aussagen der Art finden, dass Honorarverteilungsmaßstäbe nicht gegen die Vorschriften des Bewertungsmaßstabes verstoßen dürfen (BSGE 86, 16, 25 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 124) bzw auf die sich aus der Normhierarchie ergebende Vorrangigkeit der vom BewA getroffenen Regelungen verwiesen wird (vgl BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 19), gilt dies allein dann, wenn der Bewertungsmaßstab selbst Regelungen enthält, die sich auf die Honorarverteilung - insbesondere durch dort normierte honorarbegrenzende Regelungen - auswirken sollen. Im Übrigen gilt weiterhin, dass die gesetzlichen Vorschriften keine Bindung der Honorarverteilung an den Bewertungsmaßstab vorsehen (s schon BSGE 73, 131, 134 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 22).

38

Vorliegend macht der Kläger keine Verletzung des Vorrangs bundesweiter Vorgaben für die Honorarverteilung geltend, sondern einen Verstoß gegen die in § 87 Abs 2 Satz 1 SGB V normierten Vorgaben für die Leistungsbewertung, indem er die These aufstellt, dass die auf dieser Grundlage erfolgten Leistungsbewertungen nicht durch Regelungen der Honorarverteilung verändert werden dürften. Regelungen des Bewertungsmaßstabs über die Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen bewirken jedoch keine generelle Bindung des Normgebers der Honorarverteilung. Art und Umfang der Leistungen, wie sie im einheitlichen Bewertungsmaßstab festgelegt sind, bilden nicht das alleinige Verteilungskriterium; vielmehr können die KÄVen im Rahmen ihrer Satzungsautonomie ebenso wie die Gesamtvertragspartner im Rahmen des ihnen vom Gesetz eingeräumten Handlungsspielraums daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigen, auch wenn dadurch im Ergebnis von Bewertungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs abgewichen wird (BSGE 73, 131, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 22; BSGE 76, 6, 10 = SozR 3-2500 § 121 Nr 1 S 5; vgl auch BSG SozR 2200 § 368f Nr 9 S 23 und SozR 2200 § 368f Nr 14 S 47).

39

Erst recht muss dies dann gelten, wenn das Gesetz selbst ausdrücklich Vorgaben für die Honorarverteilung - hier die RLV - normiert, weil diese Honorarverteilungsregelungen nicht lediglich durch den Gestaltungsspielraum des Normgebers des Honorarverteilungsvertrages gerechtfertigt, sondern vom Normgeber zwingend zu beachten und umzusetzen sind. Wenn schon durch Satzungsrecht bestimmte Honorarkontingente nicht gegen die Bewertungsvorgaben des Bewertungsmaßstabs verstoßen, weil es sich insoweit nicht um Bewertungskorrekturen handelt, sondern um Honorarverteilungsregelungen, die aus anderen Gründen erfolgen (so schon BSGE 73, 131, 135 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 23), muss dies gleichermaßen - oder erst recht - für gesetzlich vorgegebene Honorarkontingente in Form von RLV gelten. Dass die These einer strikten Bindung auf der Honorarverteilungsebene an die Bewertungen des EBM-Ä (iVm dem regionalen Euro-Punktwert) nicht tragfähig ist, ergibt auch folgende Überlegung: Wäre das Argument zutreffend, müsste dies auch für die das RLV übersteigenden Leistungen gelten, denn diese sind ja im EBM-Ä mit denselben Punktzahlen bewertet wie die innerhalb des RLV erbrachten Leistungen.

40

bb. Soweit der Kläger geltend macht, die Bewertungen des EBM-Ä würden durch die RLV unzulässiger Weise "außer Kraft" gesetzt, geht er schon von einer unzutreffenden Prämisse aus: Gemäß § 87 Abs 2 Satz 1 Teilsatz 1 SGB V bestimmt der einheitliche Bewertungsmaßstab den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander. Der EBM-Ä stellt damit keine - der Gebührenordnung für Ärzte vergleichbare - Gebührenordnung dar. Nach wie vor erfolgt die Leistungsbewertung nicht in Euro-Beträgen, sondern in Punktzahlen. Es handelt sich mithin um eine "relative" (vgl BSG SozR 3-2200 § 368g Nr 2 S 6), sowie, da sie der Konkretisierung durch andere Faktoren bedarf, um eine "abstrakte" Bewertung (vgl Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 9/13, K § 87 RdNr 27). Einzig feststehende Größe ist - wie gesetzlich vorgegeben - das wertmäßige Verhältnis der im Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen zueinander.

41

Hieran hat sich auch nach dem im Jahre 2009 geltenden Recht nichts geändert. Zum einen ergibt sich auch nach dem 31.12.2008 die Höhe der von den Krankenkassen für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen zur Verfügung zu stellenden Geldmittel nicht anhand gesetzlich vorgegebener - quasi mathematischer - Berechnungsschritte, sondern wird (weiterhin) im Verhandlungswege durch gesamtvertragliche Vereinbarung festgelegt. Zum anderen stimmen die den Vertragspartnern der Gesamtverträge für die Vereinbarung der Gesamtvergütungen vorgegebenen Kriterien - wie dargelegt - nicht im vollen Umfang mit den für die Verteilung der Gesamtvergütungen geltenden Regelungen überein. Der Umstand, dass die vertragsärztliche Vergütung auf zwei - der die Vereinbarung der Gesamtvergütung und der die Honorarverteilung betreffenden - Ebenen geregelt ist, hat (weiterhin) zur Folge, dass der einzelne Vertragsarzt keinen Anspruch auf ein Honorar in einer bestimmten Höhe, sondern nur auf einen angemessenen Anteil an der Gesamtvergütung hat (BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 45/12 R - RdNr 25 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Dieser Gesichtspunkt schlägt auch auf die Festlegung der RLV durch.

42

c. Die Festsetzung des RLV verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung. Nach § 72 Abs 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Unabhängig davon, ob dieser Grundsatz auch bei der Verteilung der Gesamtvergütungen zu berücksichtigen ist (bejahend Spoerr, MedR 1997, 342, 344; in diesem Sinne wohl auch BSGE 81, 213, 219 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 154, das von einer "Mitverantwortung" der KÄVen spricht; verneinend Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 12/00, § 85 RdNr 203), ist dieser jedenfalls vorliegend nicht verletzt, weil die hierfür in ständiger Rechtsprechung des Senats aufgestellten Anforderungen nicht vorliegen. Danach kommt ein subjektives Recht auf höheres Honorar aus § 72 Abs 2 SGB V iVm Art 12 Abs 1 GG erst dann in Betracht, wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und deshalb in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist(stRspr des BSG, vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 127 f, 140; BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, RdNr 24 ff; SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 23 ff; BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21, RdNr 21; SozR 4-2500 § 85 Nr 26 RdNr 27; zuletzt SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 20). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Situation im Bereich der Beklagten für die Gruppe der Fachärzte für Augenheilkunde in dem hier maßgeblichen Zeitraum eingetreten sein könnte, sind nicht ersichtlich. Auch der Kläger trägt hierzu nichts vor.

43

d. Schließlich verstößt die Festsetzung des RLV durch die Beklagte auch nicht gegen die Grundsätze, die der Senat in ständiger Rechtsprechung für eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht des Normgebers aufgestellt hat. Danach kann eine Reaktionspflicht insbesondere dann gegeben sein, wenn sich bei einer Arztgruppe ein auf das Honorar mindernd auswirkender gravierender Punktwertverfall ergibt (vgl BSGE 83, 1, 5 = SozR 3-2500 § 85 Nr 26 S 186; BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 40 RdNr 20; zuletzt BSG Beschluss vom 28.10.2009 - B 6 KA 61/08 B - RdNr 12). Sofern diese Grundsätze in Bezug auf die Festsetzung von RLV überhaupt anwendbar sind, was angesichts der Bindung der Beklagten an die Vorgaben des BewA zweifelhaft sein könnte (vgl BSGE 86, 16, 28 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 128 - zu Praxisbudgets), hier jedoch keiner Entscheidung bedarf, steht ihrer Anwendung vorliegend schon entgegen, dass es um das Quartal I/2009 geht, mithin um das erste Quartal nach Inkrafttreten des neuen Vergütungssystems (§§ 87a, 87b SGB V). Eine Reaktionsverpflichtung der Beklagten setzt aber voraus, dass es sich um eine dauerhafte, nicht nur um eine vorübergehende Entwicklung handelt (BSGE 83, 1, 5 = SozR 3-2500 § 85 Nr 26 S 186; BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 23, 25); dies kann im Regelfall frühestens nach Vorliegen der Daten aus mindestens zwei Quartalen angenommen werden (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 25). Hinzu kommt, dass nach der Senatsrechtsprechung eine Korrektur bzw Nachbesserung regelmäßig nur für die Zukunft gefordert werden kann (BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, RdNr 42 - unter Hinweis auf BSG SozR 3-5533 Nr 763 Nr 1 S 5).

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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keinen Antrag gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Auf die Berufungen der Klägerin werden die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Kiel vom 26. November 2014 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Abänderung des RLV – Mitteilungsbescheides vom 1. April 2009 und des Honorarbescheides vom 16. Oktober 2009, jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2011, verurteilt, der Klägerin für das Quartal II/09 ein um 10 % erhöhtes RLV zuzuweisen und unter Berücksichtigung des erhöhten RLV ein höheres Honorar für dieses Quartal zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf insgesamt 11.325,33 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Mitteilung des Regelleistungsvolumens (RLV) und der Honorarabrechnung für das Quartal II/09. Strittig ist zwischen den Beteiligten dabei noch, ob die Klägerin Anspruch auf Berücksichtigung eines zehnprozentigen Zuschlages bei Ermittlung des RLV hat.

2

Die Klägerin ist eine aus den Ärzten Dr. M... H... und Dr. B... L... bestehende Berufsausübungsgemeinschaft, die in O... zur vertragsärztlichen Versorgung im fachärztlichen Bereich zugelassen ist. Seit dem 1. April 2009 sind beide Ärzte als fachärztliche Internisten mit dem Schwerpunkt Nephrologie zugelassen, so dass ab dem Quartal II/09 eine fachgleiche Berufsausübungsgemeinschaft bestand.

3

Mit Bescheid vom 1. April 2009 wies die Beklagte der Klägerin für das Quartal II/09 ein RLV im Umfang von insgesamt 90.602,74 € zu. Dieses setzte sich aus einem RLV für Dr. L... in Höhe von 50.883,44 € und einem RLV für Dr. H... in Höhe von 39.719,30 € zusammen. Einen Zuschlag für fachgruppengleiche Berufsausübungsgemeinschaften berücksichtigte die Beklagte bei Ermittlung des RLV nicht. Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 3. April 2009.

4

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2009 gewährte die Beklagte der Klägerin für die im Quartal II/09 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen ein Honorar in Höhe von insgesamt 108.203,54 €. Grundlage war dabei ein RLV in oben genannter Höhe. Einen Zuschlag für fachgruppengleiche Berufsausübungsgemeinschaften berücksichtigte die Beklagte wiederum nicht. Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 17. November 2009.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2011 wies die Beklagte die genannten Widersprüche zusammen mit weiteren Widersprüchen gegen andere Quartale betreffende RLV-Mitteilungen und Honorarbescheide zurück. Zur Begründung führte sie dabei bezogen auf die hier streitgegenständliche Frage aus, Voraussetzung für einen entsprechenden Zuschlag in den Quartalen I/09 und II/09 sei, dass die Praxis bereits im Quartal I/08 bzw. II/08 als fachgleiche Gemeinschaftspraxis bestanden habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Somit habe ein zehnprozentiger Aufschlag nicht berücksichtigt werden können. Ab dem Quartal III/09 sei die Systematik umgestellt worden und der Aufschlag sei daher zu gewähren gewesen.

6

Mit ihrer dagegen am Montag, dem 6. Juni 2011 beim Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Gegenstand des Klagebegehrens waren zunächst auch RLV-Mitteilungen und Honorarabrechnungen für die Quartale I/09 sowie III/09 bis II/10.

7

Bereits mit Beschluss vom 23. Dezember 2013 hat das Sozialgericht mehrere Streitgegenstände abgetrennt und in eigenständigen Klageverfahren fortgeführt. Mit Beschluss vom 14. Januar 2014 hat das Sozialgericht Kiel die dann noch verbliebenen Streitgegenstände abgetrennt und sowohl die hier nicht streitbefangene Mitteilung des RLV für das Quartal II/10 als auch die streitgegenständliche Mitteilung des RLV für das Quartal II/09 und die Honorarabrechnung für das letztgenannte Quartal in eigenständigen Verfahren weitergeführt.

8

Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klagen vorgetragen, rechtswidrig sei ihr ein zehnprozentiger Zuschlag auf das RLV verweigert worden. Bei der zustehenden Erhöhung des RLV um 10 % hätte auch das Honorar höher ausfallen müssen, weil ein weit geringerer Anteil der RLV-relevanten Leistungen abgestaffelt vergütet worden wäre. Grundlage ihres Anspruchs sei der Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner Sitzung vom 17. Oktober 2008. Die dort getroffene Regelung sei eindeutig. Wie die Beklagte zu der Annahme komme, diese Regelung verlange das Bestehen einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis bereits im Vorjahresquartal, sei nicht nachvollziehbar.

9

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

10

die RLV-Mitteilung und die Honorarabrechnung für das Quartal II/2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2011 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ein um 9.060,27 € höheres RLV zu gewähren und eine entsprechende Nachvergütung vorzunehmen.

11

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe im Quartal II/09 noch keinen Anspruch auf den zehnprozentigen Zuschlag gehabt. Ihre Auffassung, wonach Voraussetzung das Bestehen einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis bereits im Quartals II/08 sei, sei schon deshalb richtig, weil der Zuschlag dazu diene, für die Fallzählung bei fachgleichen Gemeinschaftspraxen einen Ausgleich zu schaffen. Da die RLV auf den Fallzahlen der Vorjahresquartale beruhten und für fachgleiche Gemeinschaftspraxen eine andere Fallzählung als bei fachungleichen Gemeinschaftspraxen oder Einzelpraxen vorgenommen werde, könne der als Ausgleich gedachte Zuschlag nur dann gewährt werden, wenn die Fallzählung aus 2008 aus einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis stamme. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall.

14

Mit Gerichtsbescheiden vom 26. November 2014 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. In den Begründungen hat es die Regelungen über die Gewährung eines zehnprozentigen Zuschlages in den Beschlüssen des erweiterten Bewertungsausschusses bzw. des Bewertungsausschusses dargestellt und ausgeführt, zwar finde sich darin kein ausdrückliches Abstellen auf das Bestehen einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis bereits in den Vorjahresquartalen. Aus teleologischen und regelungssystematischen Erwägungen ergebe sich aber, dass der zehnprozentige Aufschlag ausschließlich für die genannten Berufsausübungsgemeinschaften gedacht gewesen sei. Der Sinn und Zweck des Zuschlages auf das RLV bestehe darin, den Nachteil auszugleichen, der dadurch entstehe, dass in einer fachgleichen BAG die Pauschale bei Behandlung durch mehrere Ärzte im selben Quartal nur einmal abrechenbar sei, obwohl der Behandlungsaufwand unter Umständen wegen der Behandlung durch mehrere Ärzte höher sei als in einer Einzelpraxis. Den Nachteil, dass im Rahmen der Fallzählung Behandlungsfälle und nicht Arztfälle gezählt würden, den der zehnprozentige Zuschlag ausgleichen solle, hätten im Vorjahresquartal in Einzelpraxis tätig gewesen Ärzte gerade nicht. Insofern spreche auch der Umstand, dass der Zuschlag zu den Pauschalen nach dem EBM ohne Einschränkung gewährt werde, nicht für die Gewährung des Zuschlages im Rahmen des RLV. In systematischer Hinsicht sei darauf zu verweisen, dass die Regelung aus dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 17. Oktober 2008 ebenso wie die Übergangsregelung in Nr. 7 der Anlage 2 zu Teil F des Beschlusses vom 27./28. August 2008 ausdrücklich bis zum 30. Juni 2009 befristet gewesen sei. Diese Regelungen nähmen auf die bis zum 30. Juni 2008 nicht bestehende leistungserbringerbezogene Kennzeichnungspflicht auch Bezug. Das Sozialgericht hat sich auch auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Berlin im Verfahren S 83 KA 399/11 gestützt.

15

Gegen die ihr am 2. Dezember 2014 zugestellten Gerichtsbescheide richten sich die Berufungen der Klägerin vom 29. Dezember 2014.

16

Der erkennende Senat hat beide Berufungsverfahren in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

17

Zur Begründung ihrer Berufungen trägt die Klägerin vor, die Entscheidungen des Sozialgerichts vermögen nicht zu überzeugen. Dieses beziehe sich auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2012 (S 83 KA 399/11) und habe dessen Begründung abgeschrieben. Dabei habe das Sozialgericht aber übersehen, dass die Entscheidung des SG Berlin zu einer anderen Konstellation ergangen sei. Im dortigen HVV sei nämlich in Abweichung zum Wortlaut des Beschlusses des Bewertungsausschusses eindeutig geregelt gewesen, dass nur diejenigen Praxen, die bis zum 30. Juni 2008 keiner leistungserbringerbezogenen Leistungskennzeichnung unterlegen seien, einen Aufschlag von 10 % erhielten. Das Sozialgericht Berlin habe sich dann mit der Frage befasst, ob diese einschränkende Regelung im dortigen HVV von der Ermächtigung im Beschluss des Bewertungsausschusses gedeckt sei. Im Gegensatz dazu enthalte der HVV für Schleswig-Holstein keine abweichenden Regelungen von den Vorgaben des Bewertungsausschusses. Eine Einschränkung sei auch rechtswidrig. Das Sozialgericht habe nicht beachtet, dass Beschlüsse des Bewertungsausschusses streng nach ihrem Wortlaut auszulegen seien. Für eine teleologische und regelungssystematische Interpretation sei insoweit kein Raum. Nach Rechtsprechung des BSG sei eine systematische Interpretation erst dann zulässig, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft sei oder einer Klarstellung bedürfe. Vorliegend sei der Wortlaut des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 17. Oktober 2008 indessen eindeutig und lasse keine Interpretationsspielräume zu. Das Sozialgericht und die Beklagte interpretierten in die Beschlüsse des erweiterten Bewertungsausschusses und des einfachen Bewertungsausschusses in unzulässiger Weise etwas hinein, was dort nicht stehe, und setzten sich über den klaren Wortlaut der Regelungen hinweg.

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Die Klägerin beantragt,

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die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Kiel vom 26. November 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der RLV-Mitteilung vom 1. April 2009 sowie der Honorarabrechnung vom 16. Oktober 2009, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2011, zu verurteilen der Klägerin für das Quartal II/09 ein um 10 % erhöhtes RLV zuzuweisen und unter Berücksichtigung dessen ein höheres Honorar zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt

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die Berufungen zurückzuweisen.

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Sie trägt vor, sie halte die angefochtenen Gerichtsbescheide für rechtmäßig. Ihres Erachtens sei nicht entscheidend, ob im HVV ausdrücklich aufgenommen worden sei, dass der zehnprozentige Zuschlag nur dann zu gewähren sei, wenn eine schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaft bereits in den Quartalen I/08 und II/08 bestanden habe. Dies wäre eine rein deklaratorische Feststellung gewesen, die sich ohnehin aus dem Beschluss des Bewertungsausschusses ergebe. Der Wortlaut der Anlage 2 zum Teil F des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses lasse keinen anderen Schluss zu, als dass die Praxiskonstellation im ersten Halbjahr 2008 maßgeblich für die Gewährung eines BAG-Zuschlages gewesen sei. Ausdrücklich sei dort die Fallzahlermittlung für verschiedene Praxiskonstellationen anhand der Abrechnung des ersten bzw. zweiten Quartals 2008 geregelt worden. Es könne sich auch die darunter gefasste Regelung zu den Zuschlägen, die ein bestimmtes Quartal nicht benenne, nur auf Berufsausübungsgemeinschaften beziehen, die in diesem Zeitraum auch abgerechnet hätten. Vor diesem Hintergrund ließen sowohl die Wortlautauslegung als auch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung keinen anderen Schluss zu, als dass die Gewährung des BAG-Zuschlages maßgeblich von der in 2008 bestehenden Praxiskonstellation abhänge.

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Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakten und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufungen der Klägerin sind zulässig. Sie sind insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG (Sozialgerichtsgesetz) bei dem Landessozialgericht eingegangen.

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Die Berufungen sind auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht Kiel die Klagen in den angefochtenen Urteilen abgewiesen. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die hat Anspruch auf Berücksichtigung eines 10%igen Zuschlags bei der Bildung des RLV und dementsprechend bei der Honorierung vertragsärztlicher Tätigkeiten auch im Quartal II/09.

26

Gemäß § 87b Abs. 1 SGB V (Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung-) in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (alle Paragrafenangaben des SGB V beziehen sich auf diese Fassung des Gesetzes) werden abweichend von § 85 SGB V die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung auf Grundlage der regional geltenden Euro-Gebühren-Ordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V vergütet. Gemäß § 87b Abs. 2 SGB V sind zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen. Diese definieren die von einem Arzt oder einer Praxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit Entgelten der Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist gemäß § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V mit abgestaffelten Preisen zu vergüten. Die Werte der RLV sind nach § 87b Abs. 3 Satz 1 SGB V morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Soweit dazu Veranlassung besteht, sind gemäß § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V auch Praxisbesonderheiten bei der Bestimmung des RLV zu berücksichtigen. § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V bestimmt, dass der Bewertungsausschuss erstmals zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten bestimmt. Gemäß § 87b Abs. 4 Satz 3 SGB V bestimmen die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam erstmalig zum 15. November 2008 und danach jeweils zum 31. Oktober eines jeden Jahres gemäß den Vorgaben des Bewertungsausschusses unter Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der RLV konkret anzuwendende Berechnungsformel. Gemäß § 87b Abs. 5 S. 1 SGB V weisen die Kassenärztlichen Vereinigungen den Ärzten und Praxen deren RLV erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV zu.

27

Die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben auf Bundesebene ist zunächst durch den Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Versorgung vom 27./28. August 2008 (Beschluss eBA 2008) erfolgt. Dieser enthält in seinem Teil F Vorschriften zur Berechnung und zur Anpassung der arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V. Darin ist in Teil F Nr. 2.1 vorgesehen, dass Regelleistungsvolumina für die Ärzte der in der Anlage 1 genannten Arztgruppen zur Anwendung kommen. Die Berechnung der arztindividuellen RLV ist in der Anlage 2 zu Teil F Beschluss eBA 2008 geregelt. Danach ist zunächst auf Grundlage des Vergütungsvolumens 2007 das vorläufige RLV-Vergütungsvolumen getrennt nach dem hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereich zu ermitteln (Nr. 1 der Anlage 2). Sodann ist aus diesem unter Vornahme vorgegebener Abzüge (insbesondere für abgestaffelte Leistungen, erwartete Zuzahlungen für Neupraxen, für Ärzte und Einrichtungen, die kein RLV erhalten, sowie der Vergütungen des Jahres 2007 für bestimmte Leistungen und im hausärztlichen Bereich auch für zu erwartende Zuzahlungen für Qualitätszuschläge) das jeweilige RLV-Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs zu ermitteln (Nr. 2 der Anlage 2). Sodann ist ein arztgruppenspezifischer Anteil am RLV-Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs gemäß Nr. 3 der Anlage 2 zu ermitteln und gemäß Nr. 4 der Anlage 2 der arztgruppenspezifische Fallwert, der aus den arztgruppenspezifischen Behandlungsfällen des Vorjahresquartals ermittelt wird. Die Multiplikation dieses Fallwerts mit der Fallzahl des konkreten Arztes im jeweiligen Vorjahresquartal gemäß Nr. 5 der Anlage 2 ist die Basis für die Ermittlung des arzt- und praxisbezogenen RLV. Es erfolgt sodann noch eine morbiditätsbezogene Differenzierung des RLV nach Altersklassen (Nr. 6 der Anlage 2). Vereinfacht ausgedrückt ist das arztbezogene RLV das Produkt aus der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal und dem arztgruppenspezifischen Fallwert.

28

Zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV in Berufsausübungsgemeinschaften sieht Teil F Nr.1.2.2 Beschluss eBA 2008 zunächst eine arztbezogene Ermittlung des RLV vor. Die Zuweisung der RLV und die Abrechnung erfolgt dann aber gemäß Teil F Nummer 1.2.4 Beschluss eBA 2008 praxisbezogen, wobei sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der RLV je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind, ergibt. Teil F Nummer 2.3 Beschluss eBA 2008 enthält eine Definition der für die Berechnung des RLV relevanten Fälle. Zur Ermittlung der Fallzahl je Arzt war in Nr. 7 der Anlage 2 zum Beschluss eBA 2008 bis 30. Juni 2009 eine Übergangsregelung vorgesehen, wonach bei fachgleichen Berufsausübungsgemeinschaften eine Ermittlung der Fallzahlen pro Arzt nach Kopfteilen erfolgen sollte. Demgegenüber war bei fachgruppenübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaften grundsätzlich eine Ermittlung der Fallzahlen pro Arzt anhand der arztgruppenspezifischen Versicherten-, Grund- und Konsiliarpauschalen vorgesehen. Bei fachgleichen Ärzten innerhalb einer fachgruppenübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft war wiederum eine Fallzahlermittlung nach dem Kopfteilprinzip vorgesehen.

29

Mit Beschluss vom 20. April 2009 ist der Beschluss eBA 2008 mit Wirkung zum 1. Juli 2009 in Teil F Nummer 2.3 dahingehend geändert worden, dass in Berufsausübungsgemeinschaften die Zahl der RLV-Fälle eines Arztes der Zahl der Behandlungsfälle der Arztpraxis multipliziert mit seinem Anteil an der RLV-relevanten Arztfallzahl der Praxis entspricht. Die Summe der RLV-Fälle einer Arztpraxis entspricht damit immer der Anzahl der RLV-relevanten Behandlungsfälle der Arztpraxis.

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Hintergrund dieser Übergangsregelung und der späteren Änderung war die Einführung einer arztindividuellen Kennzeichnungspflicht erst zum dritten Quartal 2008. Infolgedessen war die Ermittlung individualisierter Arztleistungen durch Anknüpfen an die ersten beiden Quartale 2008 für die Bildung der arztbezogenen RLV in den ersten beiden Quartale 2009 erschwert.

31

Mit Beschluss vom 17. Oktober 2008 hat der Bewertungsausschuss gestützt auf § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V neben dem EBM auch den Beschluss des eBA vom August 2008 geändert und dabei in Teil B Ziffer 1 unter der Überschrift „Teil F und Übergangsbestimmung zur Fallzählung im ersten Halbjahr 2008 – Zuschlag zu Regelleistungsvolumen in fachgruppengleichen Gemeinschaftspraxen mit Wirkung zum 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009“ bestimmt, dass die Höhe des zutreffenden Regelleistungsvolumens für arztgruppen – und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften unter Berücksichtigung eines Aufschlags in Höhe von 10 % berechnet wird.

32

Mit Beschluss vom 20. April 2009 hat der Bewertungsausschuss diese Regelung an anderer Stelle fortgeführt und erweitert. Durch dessen Teil A Ziffer 1 ist nach Teil F Nr. 1.2.4 Beschluss eBA 2008 ein weiterer Absatz eingeführt worden, der ausdrücklich zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften bestimmt, dass das nach Anlage 2 Nr. 5 ermittelte praxisbezogene Regelleistungsvolumen für fach- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften um 10 % erhöht wird und für fach- und schwerpunktübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften um 5 % je Arztgruppe bzw. Schwerpunkt für maximal sechs Arztgruppen und um je 2,5 % je weitere Arztgruppe, insgesamt jedoch höchstens um 40 %.

33

Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut der Bestimmungen maßgeblich. Soweit der Wortlaut einer Vergütungsregelung zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, kann eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen erfolgen. Hingegen kommt eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmung diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R m.w.N.)

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Vorliegend ist zu konzedieren, dass der Wortlaut der geschilderten Regelungen die Berücksichtigung eines zehnprozentigen Zuschlags nicht von dem Bestehen einer fachgleichen Berufsausübungsgemeinschaft bereits in den Vorjahresquartalen 2008 abhängig macht. Eine ergänzende systematische Interpretation des Beschlusses führt ebenfalls nicht eindeutig zu dem von der Beklagten und dem Sozialgericht eingenommenen Verständnis.

35

Eine Bezugnahme zu der Übergangsregelung nach Nr.7 der Anlage 2 zum Beschluss eBA 2008 und die dieser Regelung zugrunde liegenden Schwierigkeiten bei der arztbezogen Fallzahlermittlung im ersten Halbjahr 2009 ergibt sich nur aus der Regelungsüberschrift in Teil B Nr.1 des Beschlusses vom 17. Oktober 2009. Diese gibt aber keine eindeutige Positionierung der nachträglich getroffenen Regelung innerhalb der Regelungssystematik des Beschlusses eBA 2008 an, sondern gibt als Bezugspunkt sowohl allgemein Teil F des Beschlusses als auch die Übergangsregelung an.

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So hat dann auch das Bundessozialgericht in dem Urteil vom 11. Dezember 2013 im Verfahren B 6 KA 4/13, in der es um einen geltend gemachten Aufschlag für eine fachungleiche Berufsausübungsgemeinschaft ging, die Regelung zum zehnprozentigen Aufschlag für fachgleiche Berufsausübungsgemeinschaften in Teil F Nummer 1.2.4 Beschluss eBA 2008 in der Fassung des Korrekturbeschlusses vom 17. Oktober 2008 verortet (vergleiche Rn. 12 des Urteils, juris). Das BSG hat dann weiter ausgeführt, die Regelung knüpfe an entsprechende Vorschriften im EBM zur Förderung von Berufsausübungsgemeinschaften an. Dieser Zweck sei billigenswert. Darüber hinaus spiele für die Regelung eine Rolle, dass bestimmte Ordinationskomplexe und Pauschalen in einer Berufsausübungsgemeinschaft nur einmal je Behandlungsfall der gesamten Praxis abgerechnet werden könnten. Soweit die Identität der Arztgruppen bzw. Schwerpunkte in einer Berufsausübungsgemeinschaft als tatbestandliche Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschlags verlangt werde, halte sich dies im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Normgebers.

37

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in einem Urteil vom 13. April 2016 (L 3 KA 51/13 R) entschieden, dass eine Erhöhung des RLV für eine Berufsausübungsgemeinschaft nicht davon abhängig gemacht werden könne, ob ein Mitglied im Vorjahresquartal noch in einer Einzelpraxis tätig gewesen sei. Die Entscheidung erging zu den Quartalen IV/09 und I/10. Das LSG Nds.-HB hat dabei vornehmlich auf den Wortlaut der Regelung in den Beschlüssen des BA abgestellt. Ferner hat es darauf hingewiesen, dass zwischen der arztbezogen Ermittlung der RLV und der praxisbezogenen Zuweisung der RLV zu unterscheiden sei. Nur die arztbezogene Ermittlung enthalte einen Vorjahresbezug. Der Zuschlag sei aber im Zusammenhang mit der Zuweisung der RLV geregelt, erst nach Bildung des praxisbezogenen RLV sei dieses um einen Zuschlag zu erhöhen. Dem Sinn und Zweck der Regelung lasse sich nichts anderes entnehmen, denn es sei nicht zutreffend, dass die Regelung eingeführt worden sei, um „Fallzählungsverluste“ von Berufsausübungsgemeinschaften auszugleichen. (Vergleiche Rn. 28 ff des Urteils, juris)

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Ähnlich sieht es das Sozialgericht Marburg, das in einem Urteil vom 14. April 2010 (S 11 KA 512/09) , welches zum Quartal I/09 ergangen ist, entschieden hat, dass es für den BAG-Aufschlag auf das Bestehen einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis im abzurechnenden Quartal ankomme und dabei ausgeführt hat, der Wortlaut der Ergänzungsregelung aus dem Beschluss vom 17. Oktober 2008 gebe keinen hinreichenden Aufschluss darüber, ob die Fachgruppengleichheit im zu berechnenden

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oder im Referenzquartal vorliegen müsse. Aus dem systematischen Zusammenhang ergebe sich jedoch, dass nur das abzurechnende Quartal für die Beurteilung der Fachgleichheit in Betracht zu ziehen sei, denn es handele sich um eine kongruente Regelung zu der Änderung des EBM zum 1. Januar 2009, nach der arztgruppen– und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften einen Aufschlag in Höhe von 10 % auf die jeweiligen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen erhielten. (Vergleiche Rn. 32 ff des Urteils, juris).

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Auch der erkennende Senat hat sich die Überzeugung gebildet, dass der 10%ige RLV-Zuschlag auch in den Quartalen I/09 und II/09 allein das Bestehen einer fach- und schwerpunktgleichen BAG im abzurechnenden Quartal voraussetzt. Entscheidend ist, dass der Wortlaut der Regelung im Beschluss vom 17. Oktober 2008 einen Bezug auf das Vorjahresquartal nicht enthält. Da das Vorjahresquartal nach den allgemeinen Regelungen bloßer Anknüpfungspunkt für die Fallzählung, nicht aber für die Bildung des RLV insgesamt ist und der zehnprozentige Zuschlag nach Addition der arztindividuellen RLV zu einem praxisbezogenen RLV gewährt wird, spricht dies dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Regelung, hier das Bestehen einer arztgruppen– und schwerpunktgleichen Berufsausübungsgemeinschaft, im abzurechnenden Quartal vorliegen müssen.

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Es müssten schon sehr gewichtige, systematische Gründe vorliegen, um eine restriktive Interpretation der Vorschrift über den Wortlaut hinaus zu rechtfertigen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des von ihm zitierten Sozialgerichts Berlin liegen derartige systematische Gründe nicht in dem Zusammenhang der streitigen Regelung mit den Sonderregelungen für die Fallzählung in Berufsausübungsgemeinschaften in den ersten beiden Quartalen 2009. Ein derartiger Zusammenhang lässt sich aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Regelung nämlich nicht unzweideutig herleiten. Die Verortung der Änderung aus dem Beschluss vom 17. Oktober 2008 in dem Regelungswerk vom 27./28. August 2008 ist vielmehr unklar, denn in Teil B Nr.1 des Beschlusses wird ein Bezug sowohl zu Teil F allgemein als auch zu der Übergangsbestimmung zur Fallzählung im ersten Halbjahr 2008 genannt. Auch wenn eine Verortung der Regelung in Teil F Nr.1.2.4 des Beschlusses eBA 2008 aus dem Wortlaut der Regelungen nicht eindeutig herzuleiten zu sein vermag (so aber BSG aaO), so gilt dies ebenso für die Verortung der Regelung in Anlage 2 Nr. 7 zur Teil F Beschluss eBA 2008.

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Nicht zu verkennen ist, dass die Regelung mit der gleichzeitig vorgenommenen Änderung des EBM in Teil A Nr.1 des Beschlusses vom 17. Oktober 2008 korrespondiert, wonach fachgleiche Berufsausübungsgemeinschaften einen zehnprozentigen Aufschlag auf die Abrechnungspauschalen erhalten. Dies spricht deutlich dafür, dass die Regelung jedenfalls auch zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften ergangen ist. Für die Fortführung der Regelung durch den Beschluss vom 20. April 2009 ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut der Regelung. Insoweit ist der Sichtweise der Beklagten, die Regelung sei zum dritten Quartal 2009 geändert worden, nicht zu folgen. Die fachgleiche Berufsausübungsgemeinschaften betreffende Regelung ist inhaltlich gerade nicht geändert worden. Geändert worden ist allenfalls ihr systematischer Kontext und es ist eine eindeutige Zielbestimmung mit aufgenommen worden, die an der objektiven Regelung aber nichts ändert. Neu eingeführt worden zum Quartal III/09 ist lediglich ein Zuschlag auch für fachungleiche Berufsausübungsgemeinschaften.

43

Gleichwohl ist mit dem BSG im Urteil vom 11. Dezember 2013 davon auszugehen, dass der BAG-Zuschlag nicht ausschließlich der Förderung der vertragsärztlichen Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften dient, sondern es auch eine Rolle spielt, dass bestimmte Koordinationskomplexe und Pauschalen in einer Berufsausübungsgemeinschaft nur einmal je Behandlungsfall abgerechnet werden können. Darin kann ein auszugleichender Nachteil von Berufsausübungsgemeinschaften gegenüber Einzelpraxen gesehen werden. Dieser Effekt beschränkt sich aber nicht auf das erste Halbjahr 2009 und folgt auch nicht den Schwierigkeiten bei der arztindividuellen Ermittlung der Fallzahl anhand der Aufsatzquartale I/08 und II/08. Die Anrechenbarkeit von Ordinationskomplexen und Pauschalen nur einmal pro Quartal und Patient besteht unabhängig von der Übergangsproblematik 2008/2009. Die Schwierigkeit, die im ersten Halbjahr 2008 abgerechneten Fallpauschalen den einzelnen Mitgliedern einer Berufsausübungsgemeinschaft zuzuordnen, mag dazu führen, dass die arztindividuellen RLV in den beiden Anfangsquartalen 2009 nicht der tatsächlichen Arbeitsverteilung zwischen den Praxispartnern im ersten Halbjahr 2008 entsprechen. Da grundsätzlich – von Besonderheiten bei Wachstumsärzten abgesehen - aber die Summe der Behandlungsfälle aller Ärzte in einer Berufsausübungsgemeinschaft der Summe der Behandlungsfälle der Praxis insgesamt entspricht, besteht keine Benachteiligung der BAG insgesamt. Dies spricht gegen die Notwendigkeit, einen Zuschlag für fachgleiche Berufsausübungsgemeinschaften im ersten Halbjahr 2009 losgelöst von den mit der Folgeregelung angestrebten Zielen allein zum Ausgleich der Schwierigkeiten bei der Fallzählung im ersten Halbjahr 2008 einzuführen.

44

Abgesehen davon wären derartige über eine Wortlaut- und eine systematische Interpretation hinausgehende Normauslegung nach den o.a. Beschränkungen des BSG (Urteil vom 22. Juni 2005, aaO) unmaßgeblich.

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Insgesamt bietet die Regelung des Bewertungsausschusses vom Oktober 2008 sowohl unter Berücksichtigung ihres Wortlauts als auch ihres systematischen Kontexts keine Grundlage für eine Beschränkung des BAG-Zuschlags auf Praxen, die bereits im Vorjahresquartal als fachgleiche Berufsausübungsgemeinschaften bestanden haben.

46

Die Kostenentscheidung beruht § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 VwGO und folgt der Sachentscheidung.

47

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

48

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 , 52 Abs.1, Abs. 3 GKG. Sie orientiert sich an der RLV – und Honorarmehrforderung der Klägerin. Der Senat berücksichtigt dabei in ständiger Rechtsprechung eine RLV-Mehrforderung, die neben einer Honorarmehrforderung für das gleiche Quartal geltend gemacht wird, für die Streitwertfestsetzung zu einem Viertel.


Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. März 2016 und des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Mai 2015 geändert. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung der Bescheide über die Zuweisung des Regelleistungsvolumens vom 17. Dezember 2009 und vom 25. Februar 2010, der Honorarbescheide vom 29. Juli 2010 und vom 28. Oktober 2010 sowie der Widerspruchsbescheide vom 9. Oktober 2013 verpflichtet, über den Honoraranspruch der Klägerin für die Quartale I/2010 und II/2010 hinsichtlich des Kooperationszuschlags für Berufsausübungsgemeinschaften unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des vertragsärztlichen Honorars für die Quartale I/2010 und II/2010.

2

Die Klägerin, eine zum 1.10.2009 gegründete überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) zweier Chirurgen, hatte ihre Betriebsstätte in N. und eine Nebenbetriebsstätte im ca 40 km entfernten W. Die an der BAG beteiligte Fachärztin für Chirurgie Dr. L. war zuvor seit 1992 in N. in Einzelpraxis tätig. Bei dem in W. niedergelassenen Chirurgen Dr. G. war seit 2007 der Orthopäde Dr. Gu. und ab 1.4.2009 - aufgrund eines Sonderbedarfs für ambulante Operationen - der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. T.
angestellt.

3

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) wies der Klägerin für das Quartal I/2010 ein Regelleistungsvolumen (RLV) zu, das keinen Aufschlag für Kooperationen (sog BAG-Zuschlag) enthielt (Bescheid vom 17.12.2009). In dem Bescheid war ausgeführt, dass das mitgeteilte RLV Bestandteil des Honorarbescheids werde, gegen den der Widerspruch eröffnet sei. Die Klägerin erhob sogleich Widerspruch gegen die RLV-Zuweisung im Hinblick auf die unterbliebene Berücksichtigung des BAG-Zuschlags; die Beklagte stellte die Entscheidung hierüber zurück. Nachfolgend bewilligte die Beklagte der Klägerin für dieses Quartal ein Gesamthonorar (brutto) in Höhe von 239 119,70 Euro (Honorarbescheid vom 29.7.2010). Dabei legte sie ein RLV von 97 728,72 Euro zugrunde, das nunmehr - beschränkt auf die Anteile der Ärzte Dr. G. und Dr. Gu. einen BAG-Zuschlag von 10 % enthielt. Das arztbezogene RLV für Dr. T. beruhte auf dessen Fallzahl im Quartal I/2010 von 249, das für Dr. L. auf deren Fallzahl des Vorjahresquartals von 1440. Auf dieser Basis erhielt die Klägerin für die vom RLV erfassten Leistungen, für die sie insgesamt 109 804,88 Euro angefordert hatte, 99 852,67 Euro vergütet. Zusätzlich erhielt sie für die Zuschlagsleistungen der diagnostischen Radiologie (Nr 34210 bis 34282 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen ) 22 164,99 Euro, die damit im Ergebnis zu 100 % honoriert wurden. Zwar forderte Dr. L. für solche Leistungen ca 2500 Euro mehr an, als das Honorarvolumen ausmachte, das sich aufgrund des Fallwertzuschlags Radiologie rechnerisch für sie ergab (1440 Fälle x 6,10 Euro/Fall = 8784 Euro). Da die übrigen Ärzte der BAG ihre entsprechenden Kontingente aber nicht ausschöpften, kamen im Honorarbescheid für die gesamte BAG deren "Reste" den von Dr. L.
erbrachten Leistungen zugute, sodass insbesondere auch für deren 269 Mammographien nach Nr 34270 EBM-Ä ohne Quotierung ein Honorar von 7072,01 Euro gezahlt wurde (vgl Anlage zum Honorarbescheid, Liste C "GOP-Übersicht je Arzt", S 20).

4

Für das Quartal II/2010 wies die Beklagte der klagenden BAG ein RLV zu, bei dem ein BAG-Zuschlag von 10 % nur bei den arztbezogenen RLV für Dr. G. und Dr. Gu. berücksichtigt war (Bescheid vom 25.2.2010). Im Übrigen entsprach die RLV-Zuweisung, gegen die kein gesonderter Rechtsbehelf erhoben wurde, dem Bescheid für das vorangegangene Quartal I/2010. Später setzte die Beklagte zugunsten der Klägerin für das Quartal II/2010 ein Gesamthonorar (brutto) in Höhe von 231 718,59 Euro fest (Honorarbescheid vom 28.10.2010). Dem lag ein RLV von 105 285,30 Euro zugrunde, das - wiederum beschränkt auf die Anteile von Dr. G. und Dr. Gu. einen BAG-Zuschlag von 10 % enthielt. Dem arztbezogenen RLV für Dr. T. lag dessen Fallzahl im Quartal II/2010 von 284 zugrunde, dem von Dr. L.
deren Fallzahl des Vorjahresquartals von 1317. Danach erhielt die Klägerin für die vom RLV erfassten Leistungen, für die sie insgesamt 113 816,22 Euro angefordert hatte, 106 562,34 Euro vergütet. Die Zuschlagsleistungen der diagnostischen Radiologie (einschließlich Mammographien) wurden auch in diesem Quartal aufgrund des Ausgleichs innerhalb der BAG ohne Quotierung honoriert.

5

Die Klägerin beanstandete mit ihren Widersprüchen gegen beide Honorarbescheide - neben hier nicht mehr streitbefangenen Einwendungen in Bezug auf diverse sachlich-rechnerische Richtigstellungen -, dass der BAG-Zuschlag versagt worden sei. Zudem rügte sie die "Vergütung des Röntgens mit 6,10 Euro pro Patient", obwohl Dr. L. als einzige Fachärztin für Chirurgie in Brandenburg Mammographien anbiete und damit eine Praxisbesonderheit aufweise. Der Röntgenzuschlag sei für chirurgietypische Leistungen gedacht; er werde mit diesen Leistungen auch ausgeschöpft, während die von ihr erbrachten Mammographien unvergütet blieben. Die Beklagte erließ hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigstellungen jeweils Teilabhilfebescheide (vom 20.1.2012 für Quartal II/2010, vom 9.3.2012 für Quartal I/2010) und wies die Rechtsbehelfe im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheide vom 9.10.2013).

6

Das SG hat die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Klagen abgewiesen (Urteil vom 6.5.2015). Die Beklagte habe bei der Honorarberechnung die Vorgaben im Beschluss des Bewertungsausschusses (BewA) vom 22.9.2009 (199. Sitzung) sowie in der am 22.12.2009 zwischen der Beklagten, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen abgeschlossenen "Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina im Jahr 2010" (M-GV/A-RLV 2010 - dort § 16) zutreffend umgesetzt. Für Dr. T. seien in den "Anfängerquartalen" zutreffend seine tatsächlichen Fallzahlen der Berechnung des RLV zugrunde gelegt worden. Für Dr. L. seien zwar die Behandlungsfallzahlen des Vorjahresquartals herangezogen worden; dabei handele es sich aber nicht um "quotierte Fallzahlen" aus der Tätigkeit in einer BAG, sondern um die Fallzahlen ihrer Einzelpraxis. Die Nichtgewährung des BAG-Zuschlags für diese beiden Ärzte sei nicht zu beanstanden. Dieser Kooperationsaufschlag sei nach Teil F Nr 1.2.4 Abs 2 S 1 des Beschlusses des BewA vom 22.9.2009 nur für "das nach Anlage 2 Nr. 5 ermittelte praxisbezogene RLV" zu gewähren. Letzteres werde aber wesentlich durch die Anzahl der RLV-Fälle des Arztes im Vorjahresquartal bestimmt, sodass schon nach dem Wortlaut des Beschlusses des BewA den genannten Ärzten kein BAG-Zuschlag zustehe. Dieser sei als Ausgleich für die ungünstige Zählweise der Behandlungsfälle in einer BAG oder einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) eingeführt worden. Daher widerspreche es weder dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit noch dem Gebot einer angemessenen Vergütung, wenn der Zuschlag nicht gewährt werde, falls der Bemessung des RLV eine nicht quotierte Fallzahl des Vorjahresquartals oder die tatsächlich im Quartal abgerechnete Behandlungsfallzahl zugrunde zu legen sei. Die Beklagte habe auch die Vorgaben in § 17 M-GV/A-RLV 2010 zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten ausreichend umgesetzt. Die von Dr. L. erbrachten Mammographien seien zu 100 % vergütet worden; ihr Vorbringen, sie müsse diese Leistungen umsonst erbringen, sei nicht nachvollziehbar.

7

Die Berufung der Klägerin hat das LSG im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Entscheidung des SG zurückgewiesen (Urteil vom 18.3.2016). Für den BAG-Zuschlag sei kein Raum, soweit zur Berechnung des RLV - wie etwa bei Anwendung der Jungpraxenregelung - die aktuellen Fallzahlen heranzuziehen seien. Das SG habe auch richtig gesehen, dass die Besonderheit der Erbringung von Mammographien keine Abweichung von den Regelungen zur Ermittlung des RLV aufgrund einer bedeutsamen fachlichen Spezialisierung oder zur Beachtung der Grundrechte der Klägerin gebiete, zumal die Beklagte wiederholt darauf hingewiesen habe, dass der Klägerin die Zusatzleistungen Radiologie ohne Abstaffelung zuerkannt worden seien.

8

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 85 Abs 4 S 3 SGB V und des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Die Verknüpfung der Jungarztregelung mit dem BAG-Zuschlag sei unzulässig. Nach dem Wortlaut der Bestimmung in Teil F Nr 1.2.4 Abs 2 S 1 des Beschlusses des BewA vom 22.9.2009 sei das "praxisbezogene RLV" und nicht das "arztbezogene RLV" um den BAG-Zuschlag zu erhöhen. Der Zuschlag fließe somit in die Berechnung des RLV erst ein, nachdem die arztbezogenen RLV der aktuell in der BAG tätigen Ärzte addiert worden seien. Aus dem Sinn und Zweck des BAG-Zuschlags folge nichts Abweichendes. Dieser sei nach der ausdrücklichen Angabe im Beschluss des BewA "zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften" eingeführt worden. Die Zuschlagsregelung korrespondiere mit der Regelung in Nr 5.1 Abs 3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä in der seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung, wonach in arztgruppen- und schwerpunktgleichen BAGen oder Arztpraxen mit angestellten Ärzten derselben Arztgruppe bzw desselben Schwerpunkts ein Aufschlag von 10 % auf die jeweiligen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen vorzunehmen sei. Demgegenüber bezwecke die Jungarztregelung unter wettbewerblichen Aspekten die Verwirklichung von Honorarverteilungsgerechtigkeit. Ihr Schutzmechanismus würde ins Gegenteil verkehrt, wenn der BAG-Zuschlag nur deshalb versagt werde, weil keine Vorjahresfallzahl vorliege.

9

Das Urteil des LSG könne auch keinen Bestand haben, soweit es im Hinblick auf die seit 1992 in der Praxis der Klägerin in N. etablierte Mamma-Diagnostik weder eine Praxisbesonderheit aufgrund einer für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung (§ 17 Abs 3 M-GV/A-RLV 2010) noch einen Härtefall (§ 17 Abs 4 M-GV/A-RLV 2010) anerkenne. Es widerspreche dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, wenn wesentliche und für die Region bedeutende fachliche Spezialisierungen einer "Nullvergütung" unterlägen und eine vom Durchschnitt der Arztgruppe deutlich abweichende Praxisstruktur unberücksichtigt bleibe.

10

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.3.2016 und des Sozialgerichts Potsdam vom 6.5.2015 aufzuheben, die Bescheide über die Zuweisung des Regelleistungsvolumens vom 17.12.2009 und vom 25.2.2010, die Honorarbescheide vom 29.7.2010 und vom 28.10.2010 sowie die Widerspruchsbescheide vom 9.10.2013 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Honoraranspruch der Klägerin für die Quartale I/2010 und II/2010 hinsichtlich des Kooperationszuschlags für Berufsausübungsgemeinschaften und der Erweiterung des Regelleistungsvolumens für Mammographien unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Ihre Vorgehensweise, den BAG-Zuschlag nur zu berücksichtigen, soweit auch im Vorjahresquartal eine Kooperation vorgelegen habe, folge aus dessen Sinn und Zweck, einen Nachteilsausgleich für das bei BAGen anzuwendende Verfahren der Fallzahlenzählung zu gewähren. Das ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und der weiteren Entwicklung des Zuschlags. Dieser sei durch Beschluss des BewA in der 164. Sitzung vom 17.10.2008 mit Wirkung ab 1.1.2009 zunächst nur für fachgruppengleiche BAGen eingeführt worden. Die damals ausdrückliche Bezugnahme auf die Übergangsregelung zur Fallzählung nach Ziffer 7 in Anlage 2 zu Teil F des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28.8.2008 belege, dass Sinn und Zweck des Zuschlags nur der Nachteilsausgleich für das besondere Verfahren der Fallzählung sein könne. In Nr 1 S 2 des Beschlusses vom 27.2.2009 (175. Sitzung) habe der BewA angekündigt, im Zusammenhang mit der Überprüfung des Verfahrens der Fallzählung zugleich auch den Aufschlag für fachgruppengleiche BAGen zu überprüfen; er habe damit selbst einen Zusammenhang zwischen Fallzählung und BAG-Zuschlag hergestellt. Das in der Folge zum 1.7.2009 geänderte Verfahren der Fallzählung (Beschluss des BewA in der 180. Sitzung am 20.4.2009) habe Fallzählungsverluste auch für fachverschiedene BAGen mit sich gebracht; deshalb sei ab 1.7.2009 der Zuschlag auch für solche BAGen eingeführt worden. Die Konnexität zwischen Fallzählung und BAG-Zuschlag liege gleichfalls dessen Neuregelung ab 1.7.2011 nach Maßgabe des tatsächlichen Kooperationsgrades zugrunde (Beschluss des BewA vom 25.1.2011 - 248. Sitzung). Im Übrigen folge der Vorjahresbezug unmittelbar aus § 87b Abs 5 SGB V aF. Würde hingegen der Ansicht der Klägerin gefolgt, würde das aufgrund der ständigen Veränderungen in der Zusammensetzung von BAGen, MVZ und Praxen mit angestellten Ärzten zu einem erhöhten Bedarf an Honorarrückstellungen mit negativen Auswirkungen auf die Höhe der Fallwerte führen.

13

Der Vortrag der Klägerin, sie habe für die Mammographien keine Vergütung erhalten, sei unzutreffend. Im Übrigen habe die Praxis der Klägerin in den streitbefangenen Quartalen weder die Voraussetzungen für Praxisbesonderheiten gemäß Teil F Abschnitt I Nr 3.6 des Beschlusses des BewA vom 22.9.2009 iVm § 17 M-GV/A-RLV 2010 noch die für einen Härtefallausgleich nach § 18 M-GV/A RLV 2010 erfüllt.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin hat zum Teil Erfolg. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sowie die RLV-Zuweisungs- und Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale I/2010 und II/2010 können keinen Bestand haben, soweit sie bei der Berechnung des für die BAG maßgeblichen RLV den BAG-Zuschlag weder für die Ärztin, die in den Vorjahresquartalen als Einzelärztin tätig war, noch für den Arzt in der Aufbauphase berücksichtigen. Mit dieser Maßgabe muss die Beklagte erneut über die Honoraransprüche der Klägerin entscheiden. Im Hinblick auf die von ihr erbrachten Mammographien kann die Klägerin hingegen kein höheres RLV oder eine erneute Entscheidung der Beklagten verlangen.

15

1. a) Gegenstand des Revisionsverfahrens sind das Urteil des LSG sowie die Honorarbescheide vom 29.7.2010 (Quartal I/2010) und vom 28.10.2010 (Quartal II/2010) in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9.10.2013. Zudem sind die vor Beginn des jeweiligen Quartals erlassenen RLV-Zuweisungsbescheide streitbefangen. Das gilt auch für den Bescheid vom 25.2.2010, der das RLV für die Praxis der Klägerin im Quartal II/2010 festsetzte. Zwar legte die Klägerin gegen diesen Bescheid - anders als gegen den Zuweisungsbescheid für das Quartal I/2010 - keinen eigenständigen Rechtsbehelf ein. Ihr nach Erlass des Honorarbescheids erhobener Widerspruch vom 25.11.2010 richtete sich aber erkennbar gegen die Festsetzung des RLV und erfasste damit auch den RLV-Zuweisungsbescheid vom 25.2.2010. Dieser hatte aufgrund der unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung, dass ein Widerspruch erst gegen den Honorarbescheid offen stehe, damals noch keine Bestandskraft erlangt (§ 66 Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGG). Sind danach die RLV-Zuweisungsbescheide für beide hier streitbefangenen Quartale nicht bindend geworden (vgl § 77 SGG), ist die Klägerin im Streit über die nachfolgend erlassenen Honorarbescheide mit Einwendungen gegen das bereits vorab in den Zuweisungsbescheiden festgelegte RLV nicht ausgeschlossen (BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 11).

16

b) Die Honorarbescheide für die Quartale I/2010 und II/2010 unterliegen entsprechend dem Revisionsantrag der Überprüfung durch den Senat nur im Hinblick darauf, ob bei Ermittlung des maßgeblichen RLV der BAG-Zuschlag für sämtliche Ärzte sowie eine Erhöhung im Hinblick auf die Besonderheit der Mammographie-Leistungen zu berücksichtigen sind. Die Klägerin hat ausdrücklich auf diese beiden Fragen begrenzt gegen die Honorarbescheide Klage erhoben und damit in zulässiger Weise die Honorarbescheide lediglich teilweise angefochten (vgl BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R - SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 8 ff, 13).

17

2. Die Revision ist begründet, soweit die Klägerin geltend macht, dass der BAG-Zuschlag nicht nur für diejenigen Ärzte zu berechnen war, die bereits in den entsprechenden Quartalen des Vorjahres in kooperativer Form - hier: in einer Praxis mit angestellten Ärzten - tätig waren. Für die Ermittlung des Zuschlags kommt es auf die BAG in ihrer Zusammensetzung zum Zeitpunkt der Leistungserbringung an (dazu unter a und b). Der BAG-Zuschlag ist daher auch zugunsten der BAG-Praxispartnerin, die in den Vorjahresquartalen noch in Einzelpraxis tätig war, zu berücksichtigen. Dasselbe gilt in Bezug auf den angestellten Arzt, der sich in den Quartalen I/2010 und II/2010 noch in der Aufbauphase der vertragsärztlichen Tätigkeit befand (dazu unter c).

18

a) Die Klägerin hat Anspruch auf Festsetzung des Honorars für die Quartale I/2010 und II/2010 unter Zugrundelegung eines praxisbezogenen RLV, das für sämtliche im jeweiligen Abrechnungsquartal in der Praxis tätigen Ärzte - somit auch für die im Vorjahresquartal noch in Einzelpraxis tätige Dr. L. um den BAG-Zuschlag zu erhöhen ist.

19

In den hier streitbefangenen Quartalen I/2010 und II/2010 wurden die vertragsärztlichen Leistungen gemäß § 87b Abs 1 S 1 SGB V(idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378 ) abweichend von § 85 SGB V von der KÄV auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 SGB V aF vergütet. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis waren gemäß § 87b Abs 2 S 1 SGB V aF arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Dabei definierte § 87b Abs 2 S 2 SGB V aF ein RLV nach S 1 als die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs 2 SGB V aF enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Abweichend von Abs 1 S 1 war die das RLV überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten konnte hiervon abgewichen werden (§ 87b Abs 2 S 3 SGB V aF).

20

Der gemäß § 87b Abs 4 S 1 SGB V aF zur Bestimmung des Verfahrens zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V aF berufene BewA hat - als Erweiterter Bewertungsausschuss - in seiner Sitzung am 27./28.8.2008 unter Teil F einen entsprechenden Beschluss gefasst (DÄ 2008, A-1988). Nach Teil F Nr 1.2.1 des vorgenannten Beschlusses werden die RLV nach Maßgabe von Nr 2 und 3 sowie den Anlagen 1 und 2 zu Teil F für das jeweilige Abrechnungsquartal ermittelt. Den Rechenweg für die Bestimmung des arztindividuellen RLV hat der EBewA in der Anlage 2 zu Teil F Nr 1 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 (DÄ 2008, A-1995) vorgegeben.

21

Danach ist zwischen der arztbezogenen Ermittlung des RLV (Teil F Nr 1.2.2) und dessen praxisbezogener Zuweisung (Teil F Nr 1.2.4 Abs 1 S 1) zu unterscheiden. Die von der Beklagten betonte Anknüpfung an das entsprechende Quartal des Vorjahres bezieht sich nach Teil F Anlage 2 Nr 4 und 5 allein auf die arztbezogene Ermittlung des RLV. Maßgebend für die Ermittlung des RLV ist der arztgruppenspezifische Fallwert und die Fallzahl des einzelnen Arztes im entsprechenden Quartal des Vorjahres. Vereinfacht dargestellt ergibt sich die Höhe des RLV aus der Multiplikation der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert (vgl BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 6/13 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 29 RdNr 20). Auch die von der Beklagten angesprochene Übergangsregelung in Anlage 2 Nr 7 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 und die Änderung von Teil F Nr 2.3 durch Beschluss des BewA in seiner 180. Sitzung vom 20.4.2009 (DÄ 2009, A-942) betreffen die arztbezogene Ermittlung des RLV und nicht die Zuweisung an die BAG. Das ergibt sich insbesondere aus der Bezugnahme auf Nr 1.2.2 ("Zur Umsetzung des Arztbezuges gemäß 1.2.2 …"), der die arztbezogene Ermittlung des RLV zum Gegenstand hat.

22

Für die in einem zweiten Schritt vorzunehmende Ermittlung und Zuweisung des RLV der gesamten BAG wird ein entsprechender Vorjahresbezug dagegen nicht geregelt. Teil F Anlage 2 Nr 5 letzter Satz in der hier maßgebenden Fassung des Beschlusses des BewA vom 22.9.2009 (199. Sitzung mWv 1.1.2010, DÄ 2009, A-2103) bestimmt, dass sich das praxisbezogene RLV aus der Addition der RLV je Arzt ergibt. Die Zuweisung dieses RLV erfolgt nach Teil F Nr 1.2.4 Abs 1 S 1 ausdrücklich praxisbezogen. Dabei ergibt sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der RLV je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind.

23

Nach Teil F Nr 1.2.4 Abs 2 wird das nach Teil F Anlage 2 Nr 5 ermittelte praxisbezogene RLV für fach- und schwerpunktgleiche BAGen und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe um 10 % erhöht, bei fach- und schwerpunktübergreifenden Kooperationen (BAGen, MVZ und Praxen mit angestellten Ärzten) um 5 % je Arztgruppe bzw Schwerpunkt für maximal sechs Arztgruppen bzw Schwerpunkte, darüber hinaus um 2,5 %, jedoch insgesamt höchstens um 40 %. Diese Erhöhung um 10 % bis maximal 40 % bezieht sich also ausdrücklich nicht auf das im ersten Schritt zu ermittelnde arztbezogene RLV, sondern auf das RLV, das der gesamten BAG zugewiesen wird. Für einen Vorjahresbezug dieser Zuweisung und der im Zusammenhang damit geregelten Erhöhung gibt es im Wortlaut der Regelung keinen Hinweis. Ein Vorjahresbezug ergäbe bezogen auf die Zuweisung des RLV auch keinen Sinn: Wenn sich eine BAG nach dem für die Ermittlung des arztbezogenen RLV maßgebenden Vorjahresquartal aufgelöst hat, dann können den einzelnen Ärzten für das aktuelle Quartal der Leistungserbringung nur noch ihre jeweiligen arztbezogenen RLV zugewiesen werden und nicht ein gemeinsames RLV der BAG. Umgekehrt muss einer neu gegründeten BAG, deren Mitglieder im Vorjahr noch in Einzelpraxis tätig waren, ein gemeinsames RLV für die gesamte BAG zugewiesen werden.

24

b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und der Beklagten gebieten Sinn und Zweck der Regelungen zum BAG-Zuschlag keine von Wortlaut und Systematik abweichende Auslegung.

25

Der Beurteilung, nach der der BAG-Zuschlag allein für die Mitglieder der BAG zu ermitteln sei, die bereits im Vorjahr in einer BAG (oder einer der anderen begünstigten Kooperationsformen) tätig waren, liegt die Annahme zugrunde, dass der Sinn der Zuschlagsregelung für BAGen im Wesentlichen darin bestehe, "Fallzählungsverluste" zu kompensieren. Weil für die Berechnung des RLV die Fallzahlen aus dem entsprechenden Quartal des Vorjahres maßgebend seien, würden diese Verluste bei einem Arzt, der zuvor in Einzelpraxis tätig gewesen ist, im ersten Jahr seiner Tätigkeit in der BAG nicht auftreten. Indes kann der Sinn der Regelung zum BAG-Zuschlag nicht auf das Ziel des Ausgleichs einer Benachteiligung der BAG in Form von Fallzählungsverlusten beschränkt werden (so auch bereits: Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 9.5.2017 - L 4 KA 93/14 - Juris RdNr 40 ff; ähnlich SG Marburg Urteil vom 26.10.2016 - S 12 KA 59/15 - Juris RdNr 46; SG Marburg Urteil vom 14.4.2010 - S 11 KA 512/09 - Juris RdNr 34, 36; anders dagegen LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.11.2016 - L 24 KA 10/15 - Juris RdNr 22; SG Berlin Urteil vom 19.9.2012 - S 83 KA 399/11 - Juris RdNr 101 f).

26

aa) Zur Zulässigkeit von Vergütungsbestimmungen zur Förderung von Gemeinschaftspraxen und deren Zielsetzung hat der Senat bereits im Zusammenhang mit Zuschlägen Stellung genommen, die für die Zeit vom 1.7.1997 bis zum 30.6.2003 unter A I Teil B Nr 1.6 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä geregelt waren (vgl BSG Beschluss vom 28.1.2004 - B 6 KA 112/03 B - Juris RdNr 11 f; BSG Beschluss vom 10.3.2004 - B 6 KA 129/03 B - Juris RdNr 7). Der damals geltende EBM-Ä sah eine Privilegierung von fachgleichen Gemeinschaftspraxen in Gestalt eines zehnprozentigen Zuschlags bei der Berechnung der Fallpunktzahl vor; fachverschiedene Gemeinschaftspraxen erhielten einen Zuschlag von 5 % je Fachgruppe, maximal 35 %. Nach der Neufassung des EBM-Ä zum 1.4.2005 durch Beschluss des BewA vom 29.10.2004 (DÄ 2004, A-3133) erfolgte die Förderung von Gemeinschaftspraxen im EBM-Ä nicht mehr durch einen prozentualen Aufschlag, sondern nach Teil I Nr 5.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä durch einen Aufschlag auf den Ordinationskomplex (60 Punkte für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen, 60 bis maximal 105 Punkte für arztgruppen- oder schwerpunktübergreifende Gemeinschaftspraxen oder MVZ). Daran anknüpfend enthielt Nr 3.2.2 des Beschlusses des BewA vom 29.10.2004 zur Festlegung von RLV durch die KÄVen gemäß § 85 Abs 4 SGB V(DÄ 2004, A-3129) begünstigende Regelungen für Gemeinschaftspraxen ua in Gestalt einer Erhöhung der Fallpunktzahl für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten um 130 Punkte, für arztgruppen- und schwerpunktübergreifende Gemeinschaftspraxen und MVZ je nach Zahl der repräsentierten Fachgebiete oder Schwerpunkte um 130 bis maximal 220 Punkte. Für die im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Quartale I/2010 und II/2010 bestimmt Nr 5.1 S 4 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä in der ab 2009 geltenden Fassung, dass in arztgruppen- und schwerpunktgleichen (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaften oder Arztpraxen mit angestellten Ärzten derselben Arztgruppe/desselben Schwerpunktes ein Aufschlag in Höhe von 10 % auf die jeweiligen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen vorzunehmen ist (Teil A Nr 1 des Beschlusses des BewA in der 164. Sitzung am 17.10.2008 - DÄ 2008, A-2607).

27

Sowohl den vom 1.7.1997 bis zum 30.6.2003 geregelten prozentualen Aufschlag auf das Praxisbudget für Gemeinschaftspraxen (BSG Beschluss vom 28.1.2004 - B 6 KA 112/03 B - Juris; vgl dazu auch BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 1 BvR 507/04) als auch den ab 1.4.2005 geltenden, in Punkten bemessenen Aufschlag auf den Ordinationskomplex (BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 6 KA 41/08 R - BSGE 106, 49 = SozR 4-2500 § 87 Nr 21) hat der Senat mit der Erwägung gebilligt, dass die Privilegierung der Gemeinschaftspraxen durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sei. Die Regelung trage dem Bemühen Rechnung, den interkollegialen Aufwand bzw die Kosten für konsiliarische Rücksprachen zwischen den Partnern einer Gemeinschaftspraxis abzugelten (vgl dazu auch die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 87 Abs 2a S 1 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz, BT-Drucks 15/1525 S 105 - zu Buchst d, Doppelbuchst aa). Außerdem hat der Senat ausdrücklich die damaligen Erwägungen des BewA gebilligt, generell die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis zu fördern (BSG Beschluss vom 28.1.2004 - B 6 KA 112/03 B - Juris RdNr 12; BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 6 KA 41/08 R - BSGE 106, 49 = SozR 4-2500 § 87 Nr 21, RdNr 15, 22). In der gesundheits- und versorgungspolitischen Diskussion würden zahlreiche unterschiedliche Aspekte angeführt, unter denen die kooperative Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit als sinnvoll angesehen werde. Das betreffe zB die bessere Auslastung von teuren medizinischen Geräten im fachärztlichen Bereich und eine bessere Realisierbarkeit von ambulanten Operationen sowie der belegärztlichen Tätigkeit durch Gemeinschaftspraxen. Im Kontext mit einer hausärztlichen Tätigkeit könne die Gemeinschaftspraxis den Patienten Vorteile durch längere Öffnungszeiten der Praxis und geringere Zeiten der Vertretung wegen Urlaubs oder wegen Erkrankung des Praxisinhabers bieten. Auch unter dem Aspekt der Gewinnung ärztlichen Nachwuchses gerade im hausärztlichen Bereich werde in dem Angebot von Gemeinschaftspraxen und BAGen ein Vorteil gesehen, weil diese eher als die Einzelpraxen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Ärztinnen und Ärzte gerade zu Beginn ihrer Niederlassung erleichtern könnten. Die Annahme eines oftmals größeren Behandlungsspektrums auch in fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxen im Vergleich zu Einzelpraxen sei mindestens plausibel (BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 6 KA 41/08 R - BSGE 106, 49 = SozR 4-2500 § 87 Nr 21, RdNr 18 ff). Jenseits des von der Rechtsprechung gebilligten Förderzwecks hinsichtlich kooperativer Formen der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit spielt bei der Regelung zum 10 %-Aufschlag auf das RLV eine Rolle, dass bestimmte Ordinationskomplexe und Pauschalen in einer BAG nur einmal je Behandlungsfall der gesamten Praxis abgerechnet werden können (BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 4/13 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 13).

28

Daraus wird deutlich, dass auch der im hier maßgebenden Zeitraum geltende BAG-Zuschlag auf das RLV keinesfalls auf das Ziel reduziert werden kann, Fallzählungsverluste auszugleichen, die in der BAG dadurch entstehen können, dass bestimmte Pauschalen nur einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden können. Diesen Aspekt hat der Senat zwar durchaus gesehen (vgl BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 4/13 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 13; BSG Beschluss vom 28.1.2004 - B 6 KA 112/03 B - Juris RdNr 12). Die genannten Regelungen zur Privilegierung von BAGen hat er aber jedenfalls nicht in erster Linie unter diesem Aspekt gebilligt, sondern ist von einer darüber hinausgehenden Tendenz zur Privilegierung der BAG durch die Normgeber ausgegangen und hat diese ausdrücklich als sachlich gerechtfertigt angesehen.

29

Vor diesem Hintergrund kann die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage dahingestellt bleiben, in welchem Umfang die von der Beklagten in den Vordergrund gestellten Fallzählungsverluste tatsächlich eintreten. Deren Umfang dürfte auch nur schwer zu ermitteln sein. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass die sog Fallzählungsverluste stets genau dem Anteil entsprechen, mit dem Patienten von mehreren Mitgliedern einer BAG behandelt werden. Wie oben dargelegt, bietet die Behandlung in einer BAG für den Patienten auch deshalb Vorteile, weil die Sprechzeiten durch die größere Zahl von Ärzten erweitert werden können. Von den damit verbundenen Vorteilen kann der Patient indes nur dann in vollem Umfang profitieren, wenn er bereit ist, sich durch unterschiedliche Mitglieder der BAG behandeln zu lassen. Patienten, die sich durch einen in Einzelpraxis niedergelassenen Arzt behandeln lassen, haben diese Möglichkeit von vornherein nicht, und es kann nicht angenommen werden, dass die Zahl der Patienten, die den in Einzelpraxis niedergelassenen Facharzt ausnahmsweise innerhalb eines Quartals wechseln und dadurch neue Behandlungsfälle generieren, mit der Zahl der Patienten übereinstimmt, die innerhalb eines Quartals unterschiedliche Mitglieder einer BAG in Anspruch nehmen. Auf die genaue Höhe eintretender Fallzählungsverluste kommt es aber auch nicht an. Ausschlaggebend ist, dass die BAG-Zuschläge ihre Rechtfertigung in erster Linie in dem Ziel der Förderung der gemeinschaftlichen Berufsausübung von Ärzten finden.

30

Angesichts der dargestellten Zielsetzung des BAG-Zuschlags erscheint die vom BewA getroffene Regelung, nach der das RLV unabhängig davon um einen Zuschlag erhöht wird, ob und ggf mit welcher Mitgliederzahl die BAG im entsprechenden Quartal des Vorjahres bestanden hat, sachgerecht und auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Das gilt jedenfalls, soweit der BAG-Zuschlag den Umfang von 10 % nicht deutlich übersteigt. Ob dies bei einem BAG-Zuschlag in Höhe von immerhin 40 %, wie er nach Teil F Nr 1.2.4 des Beschlusses des BewA in der ab 1.7.2009 geltenden Fassung (180. Sitzung) bzw nach Teil F Abschnitt I Nr 1.2.4 in der ab 1.1.2010 bis 30.6.2011 geltenden Fassung (199. Sitzung) für BAGen oder MVZ mit zehn oder mehr vertretenen Arztgruppen oder Schwerpunkten vorgesehen war, in gleicher Weise angenommen werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung, nachdem die Klägerin als BAG mit Ärzten zweier unterschiedlicher Fachgebiete gleichfalls nur einen BAG-Zuschlag in Höhe von 10 % beanspruchen kann.

31

bb) Darüber hinaus spricht der Umstand, dass der zehnprozentige Zuschlag auf das RLV für fach- und schwerpunktgleiche BAGen an die für diese im EBM-Ä geregelten Aufschläge anknüpft, gegen eine Vorjahresanknüpfung beim RLV-Zuschlag (vgl dazu das Senatsurteil vom heutigen Tag - B 6 KA 15/17 R - RdNr 30, das - anders als hier - eine fachgleiche BAG betrifft). Wenn die im EBM-Ä vorgesehenen Zuschläge keine Entsprechung in den Bestimmungen zur Ermittlung des RLV gefunden hätten, könnten diese nicht innerhalb des RLV mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung, sondern nur quotiert mit einem in der Regel sehr viel niedrigeren Punktwert vergütet werden. Damit gewährleistet die Erhöhung des RLV, dass der BAG die im EBM-Ä geregelten Zuschläge auch tatsächlich zugutekommen.

32

Da es für die Zahlung der - für fachgleiche BAGen um 10 % erhöhten - Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Leistungserbringung ankommt, ist es naheliegend, dass auch für die damit korrespondierende Erhöhung des RLV um ebenfalls 10 % auf die aktuellen Verhältnisse im Quartal der Abrechnung und nicht auf diejenigen im entsprechenden Quartal des Vorjahres abgestellt wird. Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung würde dazu führen, dass Ärzte, die von der Einzelpraxis in eine BAG wechseln, im ersten Jahr der Tätigkeit in der BAG zwar Anspruch auf die Zuschläge auf die Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale hätten, nicht jedoch auf die damit korrespondierende Erhöhung des RLV. Umgekehrt würde ihnen beim Austritt aus einer BAG im ersten Jahr der Tätigkeit in Einzelpraxis ein Zuschlag auf das RLV gewährt, obwohl sie keine erhöhte Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale mehr erhalten. Auch wenn es bezogen auf die hier maßgebenden Quartale im EBM-Ä keine Zuschläge für fach- und schwerpunktübergreifende BAGen gab, die mit der Erhöhung des RLV um einen Zuschlag auch für solche BAGen korrespondieren, spricht nichts dafür, dass der Zuschlag zum RLV bei fachübergreifenden BAGen einem grundlegend anderem Zweck dient, als das bei fachgleichen BAGen der Fall ist.

33

cc) Der Senat braucht hier nicht darüber zu entscheiden, ob die Gesamtvertragspartner durch Teil F Nr 3.5 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 ermächtigt worden sind, abweichende Regelungen zur Ermittlung des RLV für den Fall des Eintritts in eine oder des Austritts aus einer BAG zu treffen. Mit der genannten Vorschrift in der ab 1.7.2009 maßgeblichen Fassung von Teil A Nr 4 des Beschlusses des BewA vom 20.4.2009 (180. Sitzung - DÄ 2009, A-942) wurde den Gesamtvertragspartnern die Möglichkeit eingeräumt, Anfangs- und Übergangsregelungen für Neuzulassungen von Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform zu treffen. Die Gesamtvertragspartner in Brandenburg haben keine Übergangsregelungen getroffen, die sich auf die Berechnung des BAG-Zuschlags beziehen. Die von den Gesamtvertragspartnern in § 16 Abs 1 und 2 M-GV/A-RLV 2010 für den Bezirk der Beklagten getroffenen Regelungen zur Ausfüllung der ihnen durch Teil F Nr 3.5 des og Beschlusses des BewA eingeräumten Spielräume beschränken sich insoweit auf Regelungen zur Höhe des RLV für neu zugelassene Vertragsärzte in den ersten acht Abrechnungsquartalen sowie für weitere Sonderkonstellationen (zB zeitweiliges Ruhen der Zulassung). Eine Regelung dahingehend, dass für den Fall der Bemessung des RLV anhand der tatsächlichen Fallzahl eines neu zugelassenen Arztes (vgl § 16 Abs 1 M-GV/A-RLV 2010) dieser Arzt auch bei der Bestimmung des BAG-Zuschlags nicht zu berücksichtigen ist, wurde erst mit Wirkung ab dem Quartal III/2010 in die M-GV/A-RLV 2010 aufgenommen (vgl LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.11.2016 - L 24 KA 10/15 - Juris RdNr 22) und ist hier somit ohne Belang.

34

dd) Der vom BewA getroffenen Regelung zum BAG-Zuschlag steht auch nicht der Umstand entgegen, dass das RLV nach § 87b Abs 5 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des GKV-WSG vor Beginn des Geltungszeitraums zuzuweisen war. Zwar trifft es zu, dass sich die für die Bemessung des RLV maßgebenden Umstände nach dem Zeitpunkt der Zuweisung ändern können. Das betrifft indes nicht allein die Voraussetzungen für den Zuschlag zum RLV, sondern gilt in gleicher Weise für eine Änderung der Zahl der Mitglieder einer BAG und deren Bestand als Ganzes. Einer nach der RLV-Zuweisung eintretenden Änderung der Verhältnisse kann die Beklagte durch eine Änderung der RLV-Festsetzung jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft Rechnung tragen (vgl dazu BSG Urteil vom 2.8.2017 - B 6 KA 7/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 12 RdNr 70, 73).

35

ee) Ferner kann sich die Beklagte mit ihrer Auffassung nicht auf die Verwendung des Begriffs der "Zuschläge" im Plural in Nr 5 der Anlage 2 zum Beschluss Teil F Abschnitt I des BewA (199. Sitzung vom 22.9.2009, DÄ 2009, A-2103, 2110) stützen. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass der Zuschlag je Arzt und nicht je BAG zu berechnen sei. Die von der Beklagten in Bezug genommene Regelung hat folgenden Wortlaut: "Das praxisbezogene Regelleistungsvolumen ergibt sich gemäß 1.2.4 aus der Addition der Regelleistungsvolumen je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind sowie der entsprechenden Zuschläge für Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinische Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten." Die Verwendung des Plurals ergibt sich danach zwanglos aus dem Umstand, dass auch die Praxen mit angestellten Ärzten, die BAGen und die MVZ im Plural ("Zuschläge für Berufsausübungsgemeinschaften …") angesprochen werden.

36

ff) Aus den zum 1.7.2011 eingeführten Regelungen zum BAG-Zuschlag (Beschluss des BewA in seiner 245. Sitzung am 22.12.2010 zur Neuregelung der Zuschläge für die Erbringung von ärztlichen Leistungen in Berufsausübungsgemeinschaften, DÄ 2011, A-125) kann die Beklagte nichts zur Stützung ihrer Auffassung herleiten, weil hier die Quartale I/2010 und II/2010 im Streit stehen. Entsprechendes gilt für die von der Beklagten in Bezug genommene Übergangsregelung in Teil B Nr 1 des Beschlusses des BewA vom 17.10.2008 (164. Sitzung), die sich auf die ersten beiden Quartale des Jahres 2009 bezieht. Auch wenn der Beklagten zuzugestehen ist, dass in der Überschrift der Regelung das Wort "Fallzählung" im Zusammenhang mit der Erhöhung des RLV in fachgruppengleichen Gemeinschaftspraxen verwendet wird, vermag der Senat der Formulierung nicht zu entnehmen, dass andere Zwecke ausgeschlossen sind. Für die hier streitbefangenen Quartale bestimmt Teil F Nr 1.2.4 Abs 2 in der Fassung des Beschlusses des BewA vom 22.9.2009 (199. Sitzung), dass das RLV "zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften" erhöht wird. Diese Formulierung weist jedenfalls nicht auf einen unmittelbaren Zusammenhang des Zuschlags mit Fallzählungsverlusten hin.

37

c) Das praxisbezogene RLV der Klägerin ist auch hinsichtlich des Teilbetrags, der für den erstmals ab dem Quartal II/2009 an der vertragsärztlichen Versorgung mitwirkenden Dr. T. einzustellen ist, um den BAG-Zuschlag zu erhöhen. Insoweit ergeben sich für Ärzte in der Aufbauphase (nach stRspr des Senats drei bis fünf Jahre, vgl zuletzt BSG Urteile vom 24.1.2018 - B 6 KA 23/16 R - Juris RdNr 20 bzw B 6 KA 2/17 R - Juris RdNr 25; abweichend aber § 16 Abs 1 S 1 M-GV/A RLV 2010: acht Abrechnungsquartale)aus den oben näher dargestellten Regelungen, wie sie in den Quartalen I/2010 und II/2010 gegolten haben, keine Abweichungen (so auch die Praxis in anderen KÄV-Bezirken, vgl BSG Urteil vom 24.1.2018 - B 6 KA 2/17 R - Juris RdNr 3 f). Wäre - wie die Beklagte dies abweichend von der Auslegung des Senats befürwortet - für die Gewährung des BAG-Zuschlags entscheidend darauf abzustellen, ob bei den für das RLV maßgeblichen Fallzahlen sog Fallzählungsverluste aufgrund der Tätigkeit in einer BAG wirksam geworden sind, würde sich insoweit nichts anderes ergeben. Der Zuschlag wäre für Dr. T. auch auf dieser Grundlage zu berücksichtigen, da seinem arztbezogenen RLV die tatsächlichen Fallzahlen der Quartale I/2010 und II/2010 zugrunde gelegt (vgl § 16 Abs 1 M-GV/A-RLV 2010) und diese Fallzahlen von ihm bereits im Rahmen einer BAG nach den dort geltenden Regeln zur Fallzählung erbracht worden sind.

38

3. Die Revision ist unbegründet, soweit die Klägerin eine Erhöhung des RLV im Hinblick auf die Besonderheit der von Dr. L. als einziger Chirurgin in Brandenburg erbrachten Mammographien fordert. Die Vorinstanzen haben insoweit zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Erhöhung des RLV aufgrund von Praxisbesonderheiten nicht erfüllt sind.

39

Rechtsgrundlage für eine Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten bei der Bemessung des RLV ist § 87b Abs 3 S 3 SGB V aF iVm Teil F Nr 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 in der hier maßgeblichen Fassung des Beschlusses des BewA vom 22.9.2009 (199. Sitzung - DÄ 2009, A-2103 - nunmehr: Teil F Abschnitt I Nr 3.6). Danach können sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliegt (s dazu BSG Urteil vom 2.8.2017 - B 6 KA 7/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 12 RdNr 59 f). Bei der Festsetzung der Praxisbesonderheiten ist die Verrechnung mit Unterschreitungen des durchschnittlichen Fallwertes einer Arztgruppe bei anderen Ärzten derselben Praxis möglich (Teil F Abschnitt I Nr 3.6 S 3 aaO). Die näheren Regelungen - auch zum Verfahren der Umsetzung - treffen die Partner der Gesamtverträge (Teil F Abschnitt I Nr 3.6 S 4 aaO). Solche Regelungen haben die Gesamtvertragspartner für Brandenburg in § 17 M-GV/A-RLV 2010 normiert. Ergänzend zu den in Abs 2 der Vorschrift pauschal anerkannten, hier nicht einschlägigen Praxisbesonderheiten (zB Gefäßchirurgie, Neurochirurgie) sind in Abs 3 die im Widerspruchsverfahren gegen den Honorarbescheid anzuerkennenden Praxisbesonderheiten näher präzisiert. Hiernach ist von einer Praxisbesonderheit auszugehen, wenn der tatsächliche Fallwert der Arztgruppe aus den im A-RLV enthaltenen Leistungen aufgrund einer für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung um mehr als 30 % überschritten wird und darüber hinaus der Anteil spezialisierter Leistungen im A-RLV sowohl größer als 15 % des A-RLV-Gesamtleistungsbedarfs ist als auch den Durchschnitt der Arztgruppe um mindestens 50 % überschreitet. Bei Praxen mit mehreren Vertragsärzten soll ferner das RLV der Praxis um mindestens 30 % überschritten werden.

40

Es bedarf an dieser Stelle keiner detaillierten Prüfung der genannten Voraussetzungen, deren Vorliegen das LSG unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid verneint hat. Selbst wenn unterstellt würde, dass die von Dr. L. als Chirurgin erbrachten Mammographien eine besondere und für die Versorgung bedeutsame Spezialisierung im Sinne der Regelungen zu RLV-Praxisbesonderheiten darstellen, könnte das allenfalls zu einer Erhöhung des diese Leistungen umfassenden qualifikationsgebundenen Fallwertzuschlags (Zusatzbudgets) für Röntgenleistungen führen. Dieses Zusatzbudget für Teilradiologie hat die Klägerin als BAG in den hier streitbefangenen Quartalen aber nicht einmal voll ausgeschöpft, sodass sämtliche davon erfassten Leistungen der Radiologie - auch alle von Dr. L. erbrachten Mammographien nach Nr 34270 EBM-Ä - zu 100 % vergütet wurden. Für eine Erhöhung des Zusatzbudgets für Teilradiologie im Hinblick auf die erbrachten Mammographien besteht somit von vornherein keine "Veranlassung" (§ 87b Abs 3 S 3 SGB V aF).

41

Der Fallwertzuschlag Teilradiologie wurde mit Beschluss des BewA vom 17.10.2008 (164. Sitzung - DÄ 2008, A-2607 - dort Teil B Nr 5) zum 1.1.2009 in Teil F Anlage 1 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 eingefügt und mWv 1.7.2009 modifiziert (Teil A Nr 7 und 8 des Beschlusses des BewA in der 180. Sitzung am 20.4.2009 - DÄ 2009, A-942). Danach erhalten Ärzte des fachärztlichen Leistungsbereichs (ausgenommen Fachärzte für Nuklearmedizin, Radiologie oder Strahlentherapie) ein weiteres Honorarvolumen, das für die Abrechnung der Leistungen nach Nr 34210 bis 34282 EBM-Ä zusätzlich zur Verfügung steht, sofern sie über die entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen verfügen. Das zusätzliche Honorarvolumen ergibt sich aus der Multiplikation der RLV-Fälle des Vorjahresquartals mit dem für den Leistungsbereich ausgewiesenen Betrag, der für Fachärzte für Chirurgie auf 6,10 Euro festgesetzt wurde. Zum Verhältnis zwischen dem allgemeinen RLV und dem Zusatzbudget Teilradiologie bestimmt Teil F Anlage 1 Nr 6 S 3 und 4 des Beschlusses, dass ein Arzt, der das für ihn zutreffende RLV nicht ausschöpft, das ihm noch zur Verfügung stehende Honorarvolumen mit den Leistungen der diagnostischen Radiologie nach Nr 34210 bis 34282 EBM-Ä ausfüllen kann. Dagegen kann das Zusatzbudget Teilradiologie nicht mit anderen Leistungen abgerufen werden. Nach der Systematik und dem Sinn und Zweck dieser Regelungen kann das Vorliegen einer Praxisbesonderheit bei Leistungen, die vom Zusatzbudget Teilradiologie umfasst sind, ggf nur zu einer Erhöhung dieses Zusatzbudgets führen. Nur so ist gewährleistet, dass ein aufgrund von Praxisbesonderheiten einzuräumendes zusätzliches Honorarvolumen gerade der fachlichen Spezialisierung zugutekommt, die sie erforderlich macht; zur Subventionierung anderer Leistungen, bei denen keine Besonderheiten bestehen, ist es nicht bestimmt.

42

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 155 Abs 1 S 1 VwGO.

(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag vereinbart; die Landesverbände der Krankenkassen treffen die Vereinbarung mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien haben auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für eine besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren; das Nähere ist jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 6 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen.

(2a) (weggefallen)

(2b) (weggefallen)

(2c) Die Vertragspartner nach § 82 Abs. 1 können vereinbaren, daß für die Gesamtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden; sie können auch die Grundlagen für die Bemessung der Vergütungsanteile regeln. § 89 Abs. 1 gilt nicht.

(2d) Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Punktwerte nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(3) In der vertragszahnärztlichen Versorgung vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Zahl und Struktur der Versicherten, der Morbiditätsentwicklung, der Kosten- und Versorgungsstruktur, der für die vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der zahnärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz neben den Kriterien nach Satz 1 zu berücksichtigen. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Krankenkassen haben den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Zahl ihrer Versicherten vom 1. Juli eines Jahres, die ihren Wohnsitz im Bezirk der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung haben, gegliedert nach den Altersgruppen des Vordrucks KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 1. Oktober des Jahres mitzuteilen.

(3a) Die Gesamtvergütungen nach Absatz 3 dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Im Jahr 2024 dürfen die Gesamtvergütungen für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(4) Die Kassenzahnärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Sie wendet dabei in der vertragszahnärztlichen Versorgung den im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragszahnärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragszahnarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 Satz 1 vorzusehen. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Höhe vertragsärztlichen Honorars in den Quartalen II/2005 und III/2005.

2

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin in einer Einzelpraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er legte gegen die Honorarbescheide der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) für die Quartale II/2005 und III/2005 jeweils Widerspruch ein. Diesen begründete er - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - damit, dass nach der Neufassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) zum 1.4.2005 Gemeinschaftspraxen gegenüber Einzelpraxen bei der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen in rechtswidriger Weise bevorzugt würden. Er verwies dabei darauf, dass seit dem 1.4.2005 Ärzte, die in Gemeinschaftspraxen tätig seien, einen Aufschlag von mindestens 60 und höchstens 105 Punkten auf den Ordinationskomplex erhalten. Auch die Regelungen unter Teil III Nr 3.2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs 4 SGB V(BRLV-DÄ 2004, A 3129) bevorzugten die Gemeinschaftspraxen. Die Fallpunktzahlen für Gemeinschaftspraxen würden als arithmetischer Mittelwert der Fallpunktzahlen der in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Arztgruppen berechnet. Die so errechnete Fallpunktzahl erhöhe sich um 130 Punkte für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen und in einer arztgruppen- bzw schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxis um 30 Punkte je repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, jedoch um mindestens 130 und höchstens 220 Punkte. Diese Bevorzugung der Gemeinschaftspraxen, die der Honorarverteilungsvertrag (HVV), den die Beklagte mit den Krankenkassen (KKn) abgeschlossen habe, übernommen habe, stehe mit höherrangigem Gesetzesrecht sowie mit dem GG nicht im Einklang.

3

Widerspruch und Klage sind - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - erfolglos geblieben. Das SG hat eine rechtswidrige Benachteiligung von Einzelpraxen gegenüber Gemeinschaftspraxen weder auf der Ebene des EBM-Ä noch des HVV gesehen. Die Vorgaben im Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 zu den Regelleistungsvolumina (RLV) seien allerdings für die Honorarverteilung verbindlich. Soweit bei den RLV erhöhte Fallpunktzahlen für Gemeinschaftspraxen vorgesehen seien, berücksichtige das die Höherbewertung des Ordinationskomplexes im EBM-Ä in der ab 1.4.2005 geltenden Fassung. Die Zuschläge zum Ordinationskomplex und zu den RLV widersprächen weder dem Gebot der leistungsproportionalen Vergütung noch dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit, das sich aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG ergebe. Der Gesetzgeber habe dem Bewertungsausschuss in § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V ausdrücklich aufgegeben, die Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen zu berücksichtigen. Unter Heranziehung der für die Kontrolle von Entscheidungen des Bewertungsausschusses von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe habe dieser die ihm kraft Gesetzes zukommende Gestaltungsfreiheit nicht missbraucht. Die Gründe für die (begrenzte) Bevorzugung von Gemeinschaftspraxen bei der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen seien sachbezogen und mindestens plausibel. Der Bewertungsausschuss sei nicht gezwungen gewesen, Ordinationskomplex und RLV in mathematisch gleicher Form zugunsten der Gemeinschaftspraxen zu erhöhen. Dass feste und einheitliche Zuschläge für Gemeinschaftspraxen zu prozentual unterschiedlichen Erhöhungen der Ordinationsgebühr und der RLV je nach Arztgruppe in Relation zu Einzelpraxen führen könnten, indiziere noch nicht die Sachwidrigkeit der Entscheidung des Bewertungsausschusses. Im Übrigen liege die Annahme des Klägers fern, unter den seit dem zweiten Quartal 2005 geltenden Bedingungen könne eine Einzelpraxis wirtschaftlich nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg geführt werden (Urteil vom 8.10.2008).

4

Mit seiner auf die Ungleichbehandlung von Einzel- und Gemeinschaftspraxen beschränkten Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung des Art 3 Abs 1 und des Art 12 Abs 1 GG und insbesondere einen Verstoß gegen das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung vertragsärztlicher Leistungen sowie der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG verfüge der Bewertungsausschuss über einen relativ weiten Gestaltungsspielraum, er sei berechtigt zu generalisieren und zu typisieren und dürfe auch steuernde Eingriffe in das Vergütungsgefüge zur Verfolgung bestimmter sachgerechter Ziele vornehmen. Er agiere gleichwohl nicht in einem rechtsfreien Raum, und dürfe seine Bewertungskompetenz nicht missbräuchlich oder willkürlich ausüben und ärztliche Minderheitengruppen bei der Honorierung nicht bewusst benachteiligen. Soweit Regelungen des EBM-Ä in den Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art 12 Abs 1 GG eingriffen, seien die Regelungen im EBM-Ä an den Grundsätzen der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Zumutbarkeit zu messen. Vor allem sei der Bewertungsausschuss strikt an das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG gebunden. Es sei ihm verwehrt, bestimmte Vergütungen ohne sachlichen Grund nur einer Arztgruppe zu gewähren, obgleich dieselbe Leistung auch von anderen Arztgruppen erbracht werde, oder einzelne Gruppen von Leistungserbringern bei der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen bewusst zu benachteiligen. Auch die einfachgesetzlichen Vorgaben insbesondere in § 87 SGB V seien vom Bewertungsausschuss strikt zu beachten.

5

Auch die vom SG besonders hervorgehobene Gestaltungsfreiheit von KÄV und KKn bei Abschluss des HVV sei nicht unbegrenzt, insbesondere könne sich die KÄV nicht beliebig auf die Rechtsprechung des BSG berufen, wonach ihr bei Anfangs- und Erprobungsregelungen ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zustehe. Diesem weiten Gestaltungsspielraum korrespondiere nach der Rechtsprechung zumindest eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht der KÄV.

6

Bei Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe für EBM-Ä und HVV sei die Privilegierung der Gemeinschaftspraxen bei der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen ab dem Quartal II/2005 nicht zu rechtfertigen. Willkürlich sei zunächst, dass sich der pauschale Zuschlag von 60 Punkten für den Ordinationskomplex bei einzelnen Arztgruppen ganz unterschiedlich auswirke. Je niedriger der Ordinationskomplex je nach Arztgruppe und Versichertenstatus sei, desto höher sei prozentual die Begünstigung der Gemeinschaftspraxen; diese könne bei hausärztlichen Internisten und Allgemeinärzten, die einen relativ niedrigen Ordinationskomplex erhielten, bis zu 40 % erreichen. Das sei im Hinblick darauf, dass in einer Einzelpraxis und in einer Gemeinschaftspraxis die gleichen Leistungen erbracht würden, nicht zu rechtfertigen.

7

Soweit sich das SG auf einen Beschluss des Senats vom 28.1.2004 berufen habe, habe es verkannt, dass der Senat zu einer Regelung des EBM-Ä entschieden habe, die sich grundsätzlich von der hier zu beurteilenden Normstruktur unterschieden habe. Bei der damaligen Regelung habe die Bevorzugung der Gemeinschaftspraxen dazu gedient, die Wirkungen einer Abstaffelungsregelung abzumildern, die praxis- und nicht arztbezogen ausgerichtet gewesen sei. Die Bildung der RLV ab dem Quartal II/2005 erfolge jedoch arzt- und nicht praxisbezogen, sodass für eine Benachteiligung der Gemeinschaftspraxen, die dann wiederum ggf ausgeglichen werden müsste, keine Grundlage bestehe. Im Übrigen sei die Annahme, die Zahl der Patienten in einer Gemeinschaftspraxis steige nicht proportional zu jedem vollzeittätigen Arzt an, nicht plausibel.

8

Der Kläger beantragt,

 das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 8.10.2008 sowie die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale II und III/2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.9.2007 aufzuheben, soweit die Frage der Bevorzugung von Gemeinschaftspraxen gegenüber Einzelpraxen betroffen ist, und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

9

Die Beklagte beantragt,

 die Revision zurückzuweisen.

10

Sie verweist darauf, dass die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Regelungen des EBM-Ä für sie verbindlich und nach der Rechtsprechung des BSG rechtmäßig seien.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die angefochtenen Honorarbescheide sind - soweit sie im Revisionsverfahren zu überprüfen sind - nicht zu beanstanden. Das SG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen.

12

Die Regelungen der Nr 3.2.2 in Teil III des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 zu den KÄV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen sowie die Vorschrift der Nr 5.1 in Teil I der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä zur Höhe des Ordinationskomplexes für Gemeinschaftspraxen stehen mit höherrangigem Recht in Einklang. Der Bewertungsausschuss (§ 87 Abs 1 SGB V) hat seinen Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des Bewertungsmaßstabs nicht überschritten, und die normativen Vorgaben zur Förderung der Gemeinschaftspraxen verstoßen weder gegen Art 12 Abs 1 GG noch gegen Art 3 Abs 1 GG.

13

Nach Nr 5.1 in Teil I der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä erhalten Gemeinschaftspraxen (heute: Berufsausübungsgemeinschaften) einen Aufschlag zum Ordinationskomplex, der mindestens 60 und höchstens 105 Punkte beträgt. Die Fallpunktzahl im RLV erhöht sich nach Teil III Nr 3.2.2 BRLV um 130 Punkte für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen. In arztgruppen- und schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxen erhöht sich die Fallpunktzahl um 30 Punkte je repräsentiertem Fachgebiet, jedoch mindestens um 130 und höchstens um 220 Punkte. Diese bundeseinheitlich geltenden Vorgaben sind rechtmäßig; der HVV, den die Beklagte mit den KKn abgeschlossen hat, hat sie korrekt umgesetzt.

14

Die Maßstäbe der gerichtlichen Kontrolle von Regelungen in den Bewertungsmaßstäben sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Dem Bewertungsausschuss als Normgeber steht bei der Erfüllung des ihm in § 87 Abs 1 SGB V übertragenen Auftrags ein Gestaltungsspielraum zu; dieser ist auch von der Rechtsprechung zu respektieren, die daher Regelungen des EBM-Ä nur in Ausnahmefällen korrigieren darf (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 86; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 11 RdNr 9). Gleichwohl unterliegt der Bewertungsausschuss als untergesetzlicher Normgeber gerichtlicher Kontrolle; er ist an die einfachgesetzlichen Vorgaben ebenso wie an die grundrechtlichen Gewährleistungen in Art 3 Abs 1 und Art 12 Abs 1 GG gebunden. Geklärt ist weiterhin, dass der Bewertungsausschuss pauschalieren, generalisieren und typisieren darf und betriebswirtschaftliche Erwägungen nicht zwingend berücksichtigen muss, aber berücksichtigen kann, soweit sie eine gewisse Plausibilität für sich haben (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 21, 23 und 24; BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 28). Auch mit den Auswirkungen des Gleichbehandlungsgebotes des Art 3 Abs 1 GG auf Einzel- und Gemeinschaftspraxen bei differenzierenden Vergütungsregelungen im EBM-Ä hat sich der Senat befasst und in diesem Zusammenhang dargelegt, dass der Normgeber nicht auf lediglich hypothetische Konstellationen wie große laborähnliche Praxisgemeinschaften Rücksicht nehmen muss (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 30). Bei Anwendung dieser auch vom Kläger zu Grunde gelegten Prüfungsmaßstäbe sind die Regelungen über die Zuschläge für Gemeinschaftspraxen beim Ordinationskomplex im EBM-Ä und bei den Vorgaben für RLV im BRLV ab dem 1.4.2005 nicht zu beanstanden.

15

Der Bewertungsausschuss hat bei seinem Beschluss vom 29.10.2004 wie mit der Neufassung des Ordinationskomplexes in Nr 5.1 in Teil I der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä zum 1.4.2005 vergleichbare Regelungen aus vorangegangenen Zeiträumen zur Förderung von Gemeinschaftspraxen auf der Vergütungsebene vorgefunden. Der EBM-Ä enthielt in der Zeit vom 1.7.1997 bis zum 30.6.2003 in den Allgemeinen Bestimmungen über die Fallpunktzahlen in den Praxisbudgets Vorgaben über einen Aufschlag von 10 % für Gemeinschaftspraxen zwischen Hausärzten oder zwischen Fachärzten desselben Fachgebiets. Diese Regelung hat der Senat in zwei Beschlüssen vom 28.1.2004 und vom 10.5.2004 jeweils in Verfahren von Ärzten in Einzelpraxen gebilligt (B 6 KA 112/03 B und B 6 KA 129/03 B). Der Beschluss vom 28.1.2004 (B 6 KA 112/03 B) ist auf die Verfassungsbeschwerde vom BVerfG ausdrücklich nicht beanstandet worden (Kammerbeschluss vom 8.6.2004 - 1 BvR 507/04). Damit ist die grundsätzliche Zulässigkeit begünstigender Sonderregelungen für Gemeinschaftspraxen auf der Ebene des EBM-Ä geklärt. Das gilt umso mehr, als der Senat seine Entscheidungen nicht allein damit begründet hatte, dass die damals zu beurteilende Regelung über den Aufschlag für die Gemeinschaftspraxen eine gewisse Kompensation für den Ausschluss der Berechnungsfähigkeit der Nr 44 EBM-Ä aF (konsiliarische Erörterung) zwischen Ärzten derselben Gemeinschaftspraxis bewirken sollte. Der Senat hat vielmehr ausdrücklich auch die Erwägungen des Bewertungsausschusses gebilligt, generell die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis zu fördern und Regelungen zu treffen, die das Ausweichen in Praxisgemeinschaften unattraktiv machen.

16

Bei der Neufassung des EBM-Ä zum 1.4.2005, durch die der Bewertungsausschuss die Übergangsphase nach dem Auslaufen der Praxisbudgets zum 30.6.2003 beendet hat, konnte der Normgeber an die frühere Regelung im EBM-Ä und dazu ergangene Rechtsprechung anknüpfen. Zudem war er nach § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) gehalten, Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen zu berücksichtigen. Dieser gesetzliche Auftrag ist im Gesetzgebungsverfahren zum GMG dahin interpretiert worden, der Bewertungsausschuss sei verpflichtet, bei der Zusammenfassung von Einzelleistungen zu Leistungskomplexen und Fallpauschalen die Besonderheiten von Gemeinschaftspraxen und anderen Kooperationsformen zu berücksichtigen. Zur Begründung dieses Regelungsziels ist darauf hingewiesen worden, der anfallende Betreuungsaufwand pro Patient bei der Behandlung durch eine kooperative Versorgungsform im Vergleich zur Behandlung durch eine Einzelpraxis sei höher, da in der kooperativen Versorgungsform oftmals mehrere Ärzte an der Behandlung beteiligt seien. Zur Förderung der Versorgung durch kooperative Versorgungsformen, beispielsweise medizinische Versorgungszentren, sollten spezifische Fallpauschalen entwickelt werden, die den Besonderheiten dieser Versorgungsform Rechnung tragen (BT-Drucks 15/1525 zu Artikel 1 Nr 66 <§ 87> Buchst d Doppelbuchst aa). Im Hinblick auf diese spezialgesetzliche Ermächtigung konnte sich der Bewertungsausschuss für die Regelungen in Nr 5.1 in Teil I der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä und in Nr 3.2.2 in Teil III des BRLV nicht nur auf die allgemeine gesetzliche Ermächtigung des § 87 Abs 2 SGB V, sondern auf den expliziten Regelungsauftrag des § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V stützen. Für die rechtliche Prüfung der von der Revision beanstandeten Regelung hat das Konsequenzen. Es geht nicht mehr vorrangig um die Frage, ob der Bewertungsausschuss kraft seiner generellen Kompetenz für den Erlass der Bewertungsmaßstäbe Gemeinschaftspraxen in begrenztem Umfang gegenüber Einzelpraxen fördern darf, sondern vor allem um die Frage, ob der Gesetzgeber selbst den Bewertungsausschuss - wenn auch eher allgemein - zu einer entsprechenden Regelung ermächtigen darf. Damit sind nicht in erster Linie die gesetzlichen Grenzen der Gestaltungskompetenz des Bewertungsausschusses, sondern diejenigen des politisch gestaltenden Gesetzgebers angesprochen. Dass insoweit unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe die gerichtliche Kontrolle determinieren, hat der Senat jüngst in seinem Urteil vom 28.10.2009 im Hinblick auf Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Gesprächspsychotherapie dargelegt (B 6 KA 11/09 R - RdNr 32 ff - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

17

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehindert sein könnte, im Rahmen von Regelungen der vertragsärztlichen Vergütung vorzugeben, dass die Leistungserbringung in kooperativer Berufsausübung besonders zu berücksichtigen sei, bestehen nicht. Solange diese Vorgaben nicht bewirken, dass wegen der begrenzten Gesamtvergütungen die Förderung der Gemeinschaftspraxis in der Weise zu Lasten der Einzelpraxen geht, dass diese nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können, ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sehr weit. Die Auffassung der Revision, die (vermeintlichen) Vorteile der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in kooperativer Form seien nicht ausreichend sicher belegt, berücksichtigt die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung durch den Gesetzgeber nicht hinreichend.

18

In der gesundheitspolitischen und versorgungspolitischen Diskussion werden zahlreiche unterschiedliche Aspekte angeführt, unter denen die kooperative Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit als sinnvoll angesehen wird. Das betrifft zB die bessere Auslastung von teuren medizinisch-technischen Geräten im fachärztlichen Bereich; diese Entwicklung hat dazu geführt, dass in den medizinisch-technischen Fächern wie Labormedizin, Radiologie und Pathologie Einzelpraxen fast verschwunden sind. Nach den "Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland" (Hrsg: Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2009) waren im Jahr 2008 von den 2859 radiologisch tätigen Vertragsärzten 2201 in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Von den 3907 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Chirurgen waren 1765 in einer Gemeinschaftspraxis tätig, also deutlich mehr als 40 %. Von den 40862 Allgemeinärzten, praktischen Ärzten und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung waren bereits 15685, also mehr als ein Drittel, in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Auch die Verzahnung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit der Versorgung von Patienten im Krankenhaus bzw der Durchführung ambulanter Operationen, die dem Gesetzgeber insbesondere des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes vom 22.12.2006 (BGBl I 3439) ein besonderes Anliegen war, lässt sich - abgesehen von der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch ein Medizinisches Versorgungszentrum - in Gemeinschaftspraxen bzw Berufsausübungsgemeinschaften besser als in einer Einzelpraxis realisieren. Ambulante Operationen und belegärztliche Tätigkeiten sind in Gemeinschaftspraxen bzw Berufsausübungsgemeinschaften eher realisierbar, weil die Praxis für die "regulären" ambulanten Patienten auch in Zeiten weiter betrieben werden kann, in der ein Vertragsarzt - ggf außerhalb der Praxisräume - ambulante Operationen ausführt oder in einem Krankenhaus Patienten belegärztlich versorgt.

19

Auch im Kontext der hier betroffenen hausärztlichen Tätigkeit werden Vorteile für den Patienten durch das Angebot von Gemeinschaftspraxen benannt. Das betrifft etwa längere Öffnungszeiten der Praxis, geringe Zeiten der Vertretung wegen des Urlaubs oder der Erkrankung des Praxisinhabers sowie das in der zitierten Gesetzesbegründung zum GMG angesprochene größere Leistungsspektrum von Berufsausübungsgemeinschaften aus mehreren Ärzten. Gerade die umfassenden Koordinationsaufgaben, die Hausärzte nach der Vorstellung des Gesetzgebers übernehmen sollen (vgl § 73 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V), lassen es als vorteilhaft erscheinen, wenn eine Praxis an so vielen Tagen wie möglich für die Patienten zugänglich ist und alle den einzelnen Patienten betreffenden Daten jeweils verfügbar sind und nicht erst Befunde von vertretenden Ärzten in die vorhandenen Dateien eingepflegt werden müssen. Schließlich wird auch unter dem Gesichtspunkt der Gewinnung ärztlichen Nachwuchses gerade im hausärztlichen Bereich in dem Angebot von Gemeinschaftspraxen und Berufsausübungsgemeinschaften ein Vorteil gesehen, weil diese eher als die Einzelpraxis die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Ärztinnen und Ärzte gerade zu Beginn ihrer Niederlassungstätigkeit erleichtern können. Der Gesetzgeber, der die Leitbilder seiner politischen Gestaltung nicht wie eine Verwaltungsbehörde begründen muss, darf den hier nur beispielhaft genannten Aspekten Rechnung tragen, ohne zuvor umfassende Gutachten dazu eingeholt zu haben, wie sich genau welche Regelungsabsicht realisieren lässt.

20

Soweit der Kläger geltend macht, es stehe nicht fest, dass das Behandlungsspektrum (auch) in einer fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxis größer als in einer Einzelpraxis sei, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. In der Begründung zu § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V idF des GMG wird ein Erfahrungssatz formuliert, für den kein Anspruch auf ausnahmslose Geltung erhoben wird ("oftmals"). Als solcher ist die Annahme eines in einer Gemeinschaftspraxis höheren Betreuungsaufwands mindestens plausibel. Das SG verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf ein typischerweise breiteres fachliches Spektrum und auf die kollegiale Zusammenarbeit in einer Gemeinschaftspraxis. Das ist nach den Vorgaben des Gesetzes zu Inhalt und Gegenstand der hausärztlichen Versorgung (§ 73 Abs 1 Satz 2 SGB V) auch in diesem Leistungsbereich von Bedeutung. So kann beispielsweise die stärker chirurgische, internistische oder psychosomatische Ausrichtung einzelner Mitglieder einer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis dazu führen, dass Untersuchungen und Behandlungen angeboten werden können, die in einer Einzelpraxis nicht verfügbar sind. Auch der Aspekt, dass in einer Gemeinschaftspraxis ohne Überweisung ein zweiter Arzt einen Patienten oder einen Untersuchungsbefund mitüberprüfen kann und ein formloser kollegialer Austausch zB in medizinischen Zweifelsfällen leicht möglich ist, stützt die Plausibilität der Annahme des Gesetzgebers. Ohne dass feststünde oder auch nur empirisch ermittelbar wäre, in wie vielen Fällen in einer Gemeinschaftspraxis ein solches informelles Konsil stattfindet und Überweisungen dadurch eingespart werden, rechtfertigt schon allein die Möglichkeit einer solchen Kooperation eine höhere Vergütung auf der Ebene des EBM-Ä.

21

Auch soweit der Kläger der Sache nach geltend macht, der Bewertungsausschuss habe keine Befugnis, die vertragsärztliche Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis für qualitativ höherwertig als diejenige in einer Einzelpraxis zu bewerten, folgt der Senat dem nicht. Der Gesetzgeber wie der Bewertungsausschuss stellen nicht in Frage, dass - abgesehen von den oben angeführten medizinisch-technischen Fachgebieten - die Versorgungslandschaft nach wie vor von Einzelpraxen dominiert wird, der Anteil der Gemeinschaftspraxen aber steigt. In einer solchen Lage dürfen beide Normgeber Anreize setzen, die eine Verstärkung des Trends zur kooperativen vertragsärztlichen Tätigkeit bewirken können. Daran liegt keine wirtschaftliche und immaterielle Abwertung von Einzelpraxen, die heute nach wie vor das unverzichtbare Rückgrat der vertragsärztlichen Versorgung vor allem im hausärztlichen Bereich bilden. Die Vergütungszuschläge beim Ordinationskomplex und (folgerichtig) auch bei den RLV sind nämlich der Höhe nach weder geeignet noch darauf angelegt, die Führung einer Einzelpraxis wirtschaftlich unattraktiv zu machen.

22

Zu Recht macht der Kläger allerdings geltend, die auch in den zitierten Senatsbeschlüssen aus dem Jahre 2004 (RdNr 15) angeführte Erwägung, die finanzielle Förderung von Gemeinschaftspraxen wirke dem Ausweichen auf rechtlich zweifelhafte Formen der Zusammenarbeit von Vertragsärzten entgegen, könne für sich genommen allein die Privilegierung von Gemeinschaftspraxen gegenüber Einzelpraxen nicht rechtfertigen. Vertragsärzte, die in der äußeren Gestalt einer Praxisgemeinschaft, in der praktizierten Realität aber wie in einer Gemeinschaftspraxis kooperieren, verletzen ihre vertragsärztlichen Pflichten mit allen damit verbundenen Konsequenzen (vgl BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 18 ff). Gesetzeskonformes Verhalten kann von Vertragsärzten voraussetzungslos erwartet und muss nicht erst über besondere Anreize bewirkt werden. Da aber - wie eben aufgezeigt - hinreichende Gründe für die vom Kläger beanstandeten Regelungen im EBM-Ä und im BRLV bestehen, sind diese in ihrem rechtlichen Bestand nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Bewertungsausschuss sich möglicherweise zusätzlich von der Erwägung hat leiten lassen, Anreize für die Wahl der "richtigen" Kooperationsform zu setzen.

23

Auch soweit der Kläger die konkrete Ausgestaltung der Zuschlagsregelungen beanstandet, verstoßen die Vorgaben des EBM-Ä nicht gegen höherrangiges Recht. Der Bewertungsausschuss durfte sich für feste Punktzahlaufschläge beim Ordinationskomplex entscheiden und war nicht gezwungen, einen prozentualen Zuschlag für Gemeinschaftspraxen vorzuschreiben, wie er im EBM-Ä zwischen dem 1.7.1997 und dem 30.6.2003 im Zusammenhang mit den Praxisbudgets normiert und Gegenstand der oben (RdNr 15) aufgeführten Senatsbeschlüsse aus dem Jahr 2004 war. Sowohl von starren wie von prozentualen Aufschlägen für Gemeinschaftspraxen gehen bestimmte Verteilungswirkungen aus, die nicht von vornherein positiv oder negativ zu bewerten sind. Feste Punktzahlzuschläge begünstigen alle Gemeinschaftspraxen gleichmäßig und variieren den Effekt nicht nach der punktzahlmäßigen Bewertung des Ordinationskomplexes der einzelnen Arztgruppe. Bei relativ niedrigen Ordinationskomplexen fällt dann allerdings zwangsläufig die Begünstigung im Vergleich zu Einzelpraxen besonders hoch aus; der Zuschlag von 60 Punkten kann - wie der Kläger zu Recht geltend macht - in besonderen Konstellationen (zB Behandlung eines Versicherten einer bestimmten Alterskohorte bei einem Allgemeinarzt) zu einer Erhöhung des Ordinationskomplexes um bis zu 40 % führen. Bezogen auf das Gesamthonorar je Vertragsarzt sind die Auswirkungen der beiden in Betracht kommenden Zuschlagsvarianten indessen nicht annähernd so groß wie in diesem Beispielsfall. Für die Festlegung eines starren Zuschlags spricht auch die Erwägung, die Förderung der Gemeinschaftspraxis nicht von der - unter dieser Zielsetzung irrelevanten - Höhe des Ordinationskomplexes der einzelnen Arztgruppe abhängig zu machen. Die Höhe des Ordinationskomplexes, die etwa bei Anästhesisten je nach Alter der Patienten zwischen 155 und 255 Punkten und bei Augenärzten zwischen 405 und 465 Punkten schwankt, spiegelt den Grad der Standardisierung typischer Behandlungsabläufe in den einzelnen Arztgruppen wider und weist deshalb keinen inneren Bezug zur Förderung von Gemeinschaftspraxen auf. Diesem arztgruppenübergreifenden Ziel trägt deshalb eher eine feste als eine prozentuale Zuschlagsregelung Rechnung.

24

Soweit sich der Kläger gegen die Übernahme der Zuschlagsregelung aus dem EBM-Ä und dem BRLV in den HVV wendet, kann seine Revision von vornherein keinen Erfolg haben. An die Vorgaben des Bewertungsausschusses ist die Beklagte nach § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 iVm Abs 4a Satz 1 letzter Teils SGB V idF des GMG gebunden. Danach hat der Bewertungsausschuss Vorgaben für die Honorarverteilung zu machen, die Bestandteil des HVV werden und von den Partnern dieses Vertrages zwingend beachtet werden müssen (dazu näher Senatsurteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 31/08 R - RdNr 22, zur Veröffentlichung vorgesehen).

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die klagende Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft), die im streitbefangenen Quartal I/2009 aus acht Radiologen und einem Nuklearmediziner bestand, wendet sich gegen den Bescheid über ihr Regelleistungsvolumen (RLV) für dieses Quartal.

2

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) wies der Klägerin mit Bescheid vom 8.12.2008 (korrigiert am 5.3.2009) unter Zugrundelegung der maßgeblichen Fallwerte der in der Praxis vertretenen Arztgruppen ein RLV von 447 397 Euro zu. Dabei gewährte sie der Klägerin nicht den 10%igen Zuschlag für Berufsausübungsgemeinschaften, weil die Klägerin keine fachgleiche Berufsausübungsgemeinschaft sei. Den Widerspruch der Klägerin, der in erster Linie auf die Nichtgewährung des Zuschlags für Berufsausübungsgemeinschaften gestützt war, wies die Beklagte zurück.

3

Im Klageverfahren hat die Klägerin - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - geltend gemacht, der Zuschlag für Berufsausübungsgemeinschaften sei ihr zu Unrecht vorenthalten worden. Fachärzte für Radiologie und Nuklearmedizin seien auf derart verwandten Tätigkeitsfeldern tätig, dass es nicht gerechtfertigt sei, ihre Kooperation wie eine fachgebietsübergreifende Berufsausübungsgemeinschaft zu behandeln. Zudem sei der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28.8.2008 über die Grundlagen der Ermittlung der RLV von den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften nicht gedeckt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.7.2012). Es hat die Bedenken gegen die Ermittlung der RLV nicht geteilt und sich ua auf Rechtsprechung der SG'e Marburg und Mainz zur gleichen Problematik berufen.

4

Die Klägerin beanstandet mit ihrer Sprungrevision neben der Nichtgewährung des Zuschlags für Berufsausübungsgemeinschaften insbesondere die Verletzung der gesetzlichen Vorschriften, die die Rechtsgrundlage des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 und deren Korrektur im weiteren Verlauf des Jahres 2008 bilden. Die Klägerin rügt insoweit zunächst, dass der EBewA als Basis für die Ermittlung des Orientierungswertes von den Abrechnungswerten des Jahres 2007 und nicht von denen des Jahres 2008 - wie gesetzlich vorgeschrieben - ausgegangen sei. Unter Hinweis auf die vom BSG stets betonte strikte Gesetzesbindung des EBewA macht die Klägerin geltend, trotz der unübersehbaren Schwierigkeiten, die maßgeblichen Daten des Jahres 2008 zu erhalten, habe sich der EBewA nicht von der gesetzlichen Vorgabe der Orientierung an dem Jahr 2008 lösen dürfen. Fehlerhaft sei es weiterhin, dass der EBewA in Teil A Nr 3 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 zur Umsetzung der Erhöhungen der Leistungsmengen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) zum 1.1.2008 von einem generellen Anstieg der Leistungsmenge um 9,7 % ausgegangen sei. Ungeachtet der Berechtigung des EBewA zur Typisierung sei es nicht gerechtfertigt, die unterschiedlichen Auswirkungen von Erhöhungen der Leistungsmengen im EBM-Ä für die einzelnen Arztgruppen auf einen durchschnittlichen Leistungszuwachs zu nivellieren, der dann einheitlich der Berechnung des Orientierungswertes aller Arztgruppen zugrunde gelegt wird. Fehlerhaft sei auch die Ermittlung der sogenannten Honorarverteilungs-Quote in Teil B Nr 1.2 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 erfolgt. Mit dieser Quote habe der EBewA dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass nicht alle sachlich-rechnerisch richtiggestellten abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen im Aufsatzzeitraum tatsächlich honorarwirksam geworden seien. Sowohl die Ermittlung dieser sogenannten "HVV-Quote" wie die Differenzierung zwischen der höheren Quote in den neuen Bundesländern und den niedrigeren Quoten in den alten Bundesländern seien mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Unzureichend berechnet habe der EBewA weiterhin in Teil B Nr 4 der maßgeblichen Beschlüsse die Veränderungsrate der morbiditätsbedingten Leistungsmenge des Jahres 2009; die Festsetzung des Anstiegs von 2008 auf 2009 mit 5,1 % sei nicht nachvollziehbar. Zwar sei dem EBewA gemäß § 87c Abs 4 Satz 3 SGB V aF ausdrücklich eine Schätzung gestattet, doch habe sich der EBewA zumindest bemühen müssen, nachvollziehbare Grundlagen für diese Schätzung zu ermitteln. Das sei nicht geschehen. Explizit verweigert habe der EBewA die Umsetzung seiner Verpflichtung, Indikatoren zur Bewertung von regionalen Besonderheiten der Versorgungsstruktur zwischen den Bezirken der KÄV'en festzulegen, auf deren Grundlage die Gesamtvertragspartner eine regionale Anpassung der Orientierungswerte aufgrund von Unterschieden in der Versorgungsstruktur vereinbaren konnten. Die lapidaren Aussagen des EBewA in Teil C Nr 1 des Beschlusses vom 27./28.8.2008, dass unter der Prämisse einer arztgruppen- und planungsbereichsübergreifenden Wirksamkeit Indikatoren zu regionalen Besonderheiten nicht feststellbar seien, seien ersichtlich unvereinbar mit der Gesetzesbindung des EBewA. Der Gesetzgeber habe vorgegeben - was auch der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche -, dass es hinsichtlich der Wirtschaftskraft eklatante Unterschiede im Bundesgebiet gebe, und der EBewA dürfe nicht schlicht das Gegenteil feststellen. Ähnlich sei der EBewA in Teil F Nr 3.2.2 der Beschlüsse bei der Berücksichtigung der Morbidität auf der Grundlage des § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF verfahren. Der EBewA habe dort festgestellt, dass das Kriterium "Geschlecht" sich nicht zur Abbildung der Morbidität eigne, da das abgerechnete Volumen von vertragsärztlichen Leistungen durch dieses Kriterium nicht signifikant beeinflusst werde. Nach § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF habe der Gesetzgeber vorgegeben, dass auch das Geschlecht der Versicherten bei der Morbiditätsentwicklung zu berücksichtigen sei. Dem habe sich der EBewA nicht einfach entziehen dürfen.

5

Hinsichtlich der Regelung über den Zuschlag für Berufsausübungsgemeinschaften rügt die Klägerin, dass sie nur wegen der Mitgliedschaft eines Nuklearmediziners - neben acht Radiologen - als fachgebietsübergreifende Berufsausübungsgemeinschaft angesehen worden sei. Zwar habe der EBewA im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG Zuschläge für Berufsausübungsgemeinschaften insbesondere deshalb vorsehen dürfen, weil diese bestimmte Pauschalen nur einmal je Behandlungsfall berechnen könnten, auch wenn ein Patient von mehreren Ärzten der Kooperation behandelt worden sei. Dieser Gedanke treffe aber auch auf eine radiologische Gemeinschaftspraxis, in der lediglich durch einen Arzt auch nuklearmedizinische Leistungen erbracht werden, zu. Die Möglichkeit, in den rein nuklearmedizinischen Behandlungsfällen die entsprechende Pauschale für Nuklearmediziner abzurechnen, gleiche im Hinblick auf das Zahlenverhältnis von einem Nuklearmediziner gegenüber acht Radiologen den Verlust, der mit der vollständigen Nichtvergütung des Zuschlags für Berufsausübungsgemeinschaften in allen Behandlungsfällen der Praxis verbunden sei, nicht annähernd aus.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.7.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.3.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal I/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verweist zur Begründung darauf, dass sie an die Beschlüsse des EBewA vom 27./28.8 sowie 17.10. und 23.10.2008 gebunden sei und insoweit nicht näher Stellung nehmen wolle. Insoweit verweist sie auf die im Verfahren S 14 KA 137/09 (SG Düsseldorf) vorgelegten und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Stellungnahmen des GKV-Spitzenverbandes, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) und des Vorsitzenden des EBewA. Hinsichtlich der Behandlung der Klägerin als fachgebietsübergreifende Berufsausübungsgemeinschaft weist sie deren Vorwurf zurück, sie erst ab dem Quartal III/2009 als schwerpunktübergreifende Praxis bei der Honorarverteilung behandelt zu haben. Zum 1.7.2009 sei auf der Grundlage der Erfahrungen mit der Abrechnung aus den ersten beiden Quartalen des Jahres 2009 die Zuschlagsregelung für fach- und schwerpunktübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften geändert worden und die Klägerin deshalb in den Genuss höherer Leistungen gekommen. Daraus könne nicht abgeleitet werden, dass die Rechtslage zuvor mit höherrangigem Recht unvereinbar gewesen sei.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das SG hat im Ergebnis und in der Begründung zutreffend entschieden, dass die angefochtenen Bescheide über die Zuweisung des RLV für das Quartal I/2009 nicht zu beanstanden sind.

10

1. Die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen erfolgte ab dem 1.1.2009 im gesamten Bundesgebiet für die große Mehrzahl der Arztgruppen auf der Grundlage von RLV gemäß § 87b Abs 2 Satz 2 SGB V aF. Das RLV wird der einzelnen Praxis mit anfechtbarem Bescheid zugewiesen (BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 10). Die Anfechtungsberechtigung entfällt, wenn der Honorarbescheid für das betroffene Quartal, dessen wesentlicher Bestandteil das RLV ist, bestandskräftig ist. Das ist hier nach den Feststellungen des SG nicht der Fall.

11

2. Das SG hat offengelassen, ob die Klägerin berechtigt ist, die Vereinbarkeit der für die Bildung des RLV maßgeblichen Regelungen in den Beschlüssen des EBewA insbesondere vom 27./28.8.2008 mit deren gesetzlichen Ermächtigungsnormen zur gerichtlichen Nachprüfung zu stellen. Das SG hat insofern auf die Rechtsauffassung der Beklagten reagiert, die unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 31.8.2005 - B 6 KA 6/04 R - (BSGE 95, 86 = SozR 4-2500 § 85 Nr 21)in Frage gestellt hat, ob der einzelne Vertragsarzt die Grundlagen der Ermittlung der Gesamtvergütungen gerichtlich überprüfen lassen kann. Dieser Auffassung dürfte jedoch ein Missverständnis des erwähnten Senatsurteils vom 31.8.2005 zugrunde liegen. In diesem Urteil hat der Senat ausgeführt, der einzelne Vertragsarzt könne die Höhe der zwischen den Vertragspartnern auf Gesamtvertragsebene vereinbarten Gesamtvergütungen nicht gerichtlich überprüfen lassen, weil dem Abschluss der Verträge ein Verhandlungsprozess zwischen den Vertragspartnern zugrunde liege, der nicht rechtlich voll determiniert ist. Dieser Gedanke kann nicht - wie es möglicherweise der Beklagten vorschwebt - auf alle Regelungen übertragen werden, die für die Ermittlung des Honorars eines Vertragsarztes bzw einer Berufsausübungsgemeinschaft maßgeblich sind. Soweit etwa die Ermittlung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen oder des Orientierungswertes rechtlich determiniert und nicht Gegenstand von Verhandlungen der Partner der Gesamtverträge ist, kann der einzelne Vertragsarzt mit der Anfechtung des Honorarbescheides bzw des Bescheides über das ihm zugewiesene RLV gerichtlich klären lassen, ob die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften durch den EBewA und die maßgeblichen Vorgaben des EBewA durch die für die Vereinbarung des Honorarverteilungsvertrags (HVV) (nach den bis Ende 2012 geltenden gesetzlichen Vorschriften) zuständigen Gesamtvertragspartner richtig umgesetzt worden sind. Soweit die Festsetzung des RLV lediglich einen Normvollzug darstellt, stehen alle normativen Vorgaben zur gerichtlichen Überprüfung, jeweils darauf, ob der zuständige Normgeber die ihn verpflichtenden höherrangigen Normen beachtet hat. Jede andere Auffassung würde dazu führen, dass wesentliche Teile der für die Vergütung der Vertragsärzte maßgeblichen Vorschriften nicht auf ihre Wirksamkeit überprüft werden könnten. Der Senat hat den eigentlichen Aushandlungsprozess der Partner der Gesamtverträge hinsichtlich der Höhe der Gesamtvergütungen der gerichtlichen Kontrolle auf Klagen von Vertragsärzten wie auch von einzelnen Krankenkassen entzogen, nicht aber zugleich die für die Honorarverteilung und Honorierung maßgeblichen untergesetzlichen Vorschriften von einer gerichtlichen Überprüfung insgesamt freigestellt.

12

3. Der Klägerin ist in den angefochtenen Bescheiden zu Recht kein Zuschlag für Berufsausübungsgemeinschaften in Höhe von 10 % gewährt worden. In Teil F Nr 1.2.4 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 - insoweit in der Fassung des Korrekturbeschlusses vom 17.10.2008 - ist bestimmt, dass das RLV für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten derselben Arztgruppe bzw desselben Schwerpunktes unter Berücksichtigung eines Aufschlags von 10 % berechnet wird. Damit korrespondiert die Regelung des § 5 Abs 5 Satz 5 HVV. Danach wird in den Quartalen I und II/2009 das RLV für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften unter Berücksichtigung eines Aufschlags von 10 % berechnet.

13

Diese Regelungen knüpfen an die früheren Vorschriften im EBM-Ä zur Förderung von Berufsausübungsgemeinschaften (bzw den früheren Gemeinschaftspraxen) an, die der Senat in ständiger Rechtsprechung für gerechtfertigt gehalten hat (zuletzt Urteil vom 17.3.2010 - B 6 KA 41/08 R - BSGE 106, 49 = SozR 4-2500 § 87 Nr 21). Jenseits des von der Rechtsprechung gebilligten Förderzwecks hinsichtlich kooperativer Formen der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit spielt bei der Regelung zum 10 %-Aufschlag auf das RLV eine Rolle, dass bestimmte Ordinationskomplexe und Pauschalen in einer Berufsausübungsgemeinschaft nur einmal je Behandlungsfall der gesamten Praxis abgerechnet werden können. Soweit sowohl der Bewertungsausschuss (BewA) in seinem Beschluss vom 17.10.2008 als auch die Vertragspartner des HVV an die Identität der Arztgruppen bzw Schwerpunkte in einer Berufsausübungsgemeinschaft als tatbestandliche Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschlags anknüpfen, hält sich das im Rahmen der Gestaltungsfreiheit der Normgeber. Eine Berufsausübungsgemeinschaft zwischen Radiologen und Nuklearmedizinern ist in diesem Sinne nicht arztgruppengleich.

14

Soweit die Klägerin demgegenüber geltend macht, die Fachgebiete der Radiologie und Nuklearmedizin wiesen eine erhebliche Nähe auf, sodass die Behandlung einer Berufsausübungsgemeinschaft aus Radiologen und Nuklearmedizinern als arztgruppenübergreifende Berufsausübungsgemeinschaft nicht gerechtfertigt sei, kann dem nicht gefolgt werden. Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass der EBewA für die Differenzierung zwischen arztgruppenübergreifenden und arztgruppengleichen Berufsausübungsgemeinschaften strikt an die weiterbildungsrechtliche Abgrenzung der Arztgruppen angeknüpft hat. Auf diese Weise wird der KÄV eine klare Zuordnung jeder Berufsausübungsgemeinschaft ermöglicht; Erwägungen über die mögliche Nähe von Fachgebieten und Schwerpunkten - etwa bei Chirurgen und Orthopäden je nach Ausrichtung der chirurgischen Tätigkeit - wären geeignet, die Umsetzung der Zuschlagsregelung erheblich zu erschweren. Im Übrigen bestehen (auch) unter bedarfsplanungsrechtlichen Aspekten zwischen Radiologen und Nuklearmedizinern erhebliche Unterschiede. Das steht der Annahme entgegen, beide Fachgebiete bildeten eine Einheit in dem Sinne, dass in einer Praxis unter Versorgungsgesichtspunkten regelmäßig beide Fachgebiete vertreten sein müssten. Radiologen gehören nach § 13 Bedarfsplanungs-Richtlinien (BedarfsplRL) zum spezialisierten fachärztlichen Versorgungsbereich und unterliegen seit jeher der vertragsärztlichen Bedarfsplanung. Demgegenüber rechnen Nuklearmediziner nach § 14 BedarfsplRL zur "gesonderten fachärztlichen Versorgung"; hier ist die Relation so, dass auf 118 500 Versicherte ein Nuklearmediziner als bedarfsgerecht gilt, während die Zahl bei Radiologen mit 1 zu 50 000 veranschlagt wird. Auch nach § 41 BedarfsplRL gibt es keine Übereinstimmung der Fachgebiete zwischen Radiologie und Nuklearmedizin. Bis zum 31.12.2012 unterlagen Nuklearmediziner wegen der Nichterreichung der Grenzzahl von 1 000 auch nicht der Bedarfsplanung, vorbehaltlich der Übergangsregelung des § 48 Abs 2 BedarfsplRL. Schon daraus ergeben sich erhebliche Unterschiede zwischen beiden Arztgruppen.

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Soweit die Klägerin es für unangemessen hält, allein wegen der Zugehörigkeit eines Nuklearmediziners zu ihrer Berufsausübungsgemeinschaft diese insgesamt von dem Zuschlag auszunehmen, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Es liegt in der Gestaltungsfreiheit des Normgebers sowie der ihm zustehenden Berechtigung zur Typisierung, allein an eine Mehrzahl von in einer Berufsausübungsgemeinschaft vertretenen Fachgebieten anzuknüpfen. Jede Differenzierung, wie viele Arztgruppen vertreten sind, wie sich deren Anzahl zueinander verhält und welche Schwerpunkte im Einzelnen ausgeübt werden, würde zu erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten führen und neue Differenzierungsprobleme aufwerfen. Soweit die Klägerin einwendet, ab dem III. Quartal 2009 habe sie einen Zuschlag erhalten, beruht das - wie die Beklagte überzeugend dargelegt hat - auf Änderungen der normativen Grundlagen und nicht auf einem geläuterten Verständnis der Regelung in Teil F Nr 1.2.4 aus dem Beschluss des BewA vom 17.10.2008. Im Übrigen hat der EBewA selbst durch die neue Fassung seiner Beschlüsse zu den RLV zum 1.7.2009 deutlich gemacht, dass er sich der ihm als Normgeber obliegenden Beobachtungspflicht bewusst ist und entsprechend nachsteuert. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass die strikte Regelung für die ersten beiden Quartale des Jahres 2009 von ihm selbst nachträglich als unangemessen bewertet worden wäre.

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4. Schwerpunktmäßig wendet sich die Klägerin allerdings nicht gegen die Umsetzung des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 durch die Partner des HVV im Bezirk der Beklagten, sondern gegen den Inhalt dieses Beschlusses selbst. Sechs Regelungen in diesem Beschluss hält die Klägerin für gesetzeswidrig und leitet daraus ab, ihr RLV hätte höher als in den angefochtenen Bescheiden geschehen festgesetzt werden müssen, wenn der EBewA die gesetzlichen Vorgaben beachtet hätte. Die Klägerin macht zutreffend nicht unmittelbar ein RLV in einer bestimmten Höhe geltend, sondern begehrt die Verpflichtung der beklagten KÄV, nach einer gesetzeskonformen Beschlussfassung durch den EBewA das RLV neu festzusetzen. Diesem Begehren fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, auch wenn nicht feststeht, dass eine neue Beschlussfassung im EBewA notwendig zu einem höheren RLV führen würde. Die Klägerin hat Anspruch auf eine gesetzeskonforme Berechnung ihres RLV, und es liegt jedenfalls nicht auf der Hand, dass die Klägerin nicht davon profitieren könnte, wenn die Grundlagen für die RLV in zentralen Punkten neu justiert werden. Der Senat teilt die Bedenken der Klägerin jedoch nicht. Der EBewA hat bei dem Beschluss vom 27./28.8.2008 und den hier relevanten Änderungsbeschlüssen vom 17.10.2008 und 23.10.2008 die gesetzlichen Vorgaben beachtet oder jedenfalls im Ergebnis nicht rechtswidrig entschieden.

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a. Im Ausgangspunkt zutreffend rügt die Klägerin zunächst, dass sich der EBewA in seinem Beschluss vom 27./28.8.2008 dadurch in offenen Widerspruch zur gesetzlichen Regelung gesetzt hat, dass er in Teil A Nr 1.1 unter der Überschrift "Aufsatzzeitraum" bestimmt hat, der Zeitraum des I. bis IV. Quartals 2007 diene als Basis für die Ermittlung des Finanzvolumens im Rahmen der Berechnung des Orientierungswertes nach § 87c Abs 1 Satz 3 SGB V aF, während in dieser Vorschrift normiert ist, dass sich das Finanzvolumen aus der Summe der insgesamt für das Jahr 2008 nach § 85 Abs 1 SGB V aF zu entrichtenden Gesamtvergütungen in Euro ergibt.

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Es kann anhand der Materialien zum Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht mehr geklärt werden, ob im Gesetzgebungsverfahren übersehen worden ist, dass die Summe der im "Jahr 2008 nach § 85 Abs. 1 zu entrichtenden Gesamtvergütungen in Euro" zum 1.6.2008 noch nicht endgültig feststehen konnte. Denkbar ist auch, worauf die Wendung "zu entrichtenden" (statt: gezahlten) Gesamtvergütungen hindeutet, dass der Gesetzgeber davon ausging, zum 1.6.2008 seien die Vereinbarungen über die Gesamtvergütungen für 2008 abgeschlossen, sodass das Volumen der Zahlungen jedenfalls normativ bestimmbar sei. Diese Erwartungen konnten immer dann nicht erfüllt werden, wenn zum Ende Mai 2008 (§ 87c Abs 1 Satz 6 SGB V aF) die Verhandlungen noch nicht in allen KÄV-Bezirken abgeschlossen waren. Der Regelung des § 87c Abs 1 SGB V aF sind in den Sätzen 4 und 6 jeweils hinreichende Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der BewA grundsätzlich von den aktuellen Abrechnungsdaten aus mindestens vier zusammenhängenden Quartalen als Berechnungsbasis ausgehen sollte. Das ist zwar ausdrücklich nur für die Leistungsmenge und nicht für das Finanzvolumen angeordnet. Der EBewA musste jedoch auf den Umstand, dass er den Orientierungswert bis zum 31.8.2008 festlegen musste (§ 87c Abs 1 Satz 1 SGB V aF) und das Finanzvolumen iS des Satzes 3 tatsächlich nicht feststand, reagieren und durfte nicht einfach von einer Beschlussfassung absehen. Das Abstellen auf das Finanzvolumen des letzten vollständig abgerechneten Jahres - nämlich 2007 - und die Erhöhung dieses Volumens um die Steigerung der Grundlohnsumme von 2007 auf 2008 war jedenfalls nach der Systematik des § 87c Abs 1 SGB V aF die gesetzesnächste Lösung. Dass sich eine (mögliche) Differenz zwischen den 2008 tatsächlich zu entrichtenden Vergütungen und den für 2007 gezahlten und um die Steigerung der Grundlohnsumme erhöhten Vergütungen messbar auf die Höhe des Orientierungswertes für 2009 ausgewirkt hätte, liegt eher fern.

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b. Die Klägerin beanstandet bei der Ermittlung des Orientierungswertes weiterhin, dass der EBewA den Vorgaben des § 87c Abs 1 Satz 5 SGB V aF nicht angemessen entsprochen habe. Danach war die tatsächlich 2007 abgerechnete Leistungsmenge in Punkten anzupassen, um den Auswirkungen des zum 1.1.2008 in Kraft getretenen EBM-Ä auf die von den Ärzten abgerechnete Punktmenge Rechnung zu tragen. Diese Regelung sollte sicherstellen, dass die durch umfassende Bewertungsverbesserungen im EBM-Ä induzierte Steigerung der Leistungsmenge, die als honorarpolitisch gewollt angesehen wurde, im Orientierungswert ihren Niederschlag findet. Dass dieser Anstieg der Punktmenge im Frühsommer 2008 nicht exakt berechnet werden konnte, musste allen Beteiligten klar sein. Erst am 15.5.2008 wurden nach dem üblichen Verwaltungsablauf die ersten Honorarbescheide für das Quartal I/2008 erlassen, aus denen sich Hinweise auf die Auswirkungen der EBM-Reform gewinnen ließen. § 87c Abs 1 Satz 5 SGB V aF schreibt deshalb ausdrücklich nur "Simulationsberechnungen" vor(vgl BT-Drucks 16/4247 S 44 zu § 87c). Die tatsächlich dem EBewA zugängliche Datenmenge war dann möglicherweise noch kleiner als im Gesetzgebungsverfahren vermutet: Es lagen valide Daten nur aus zwei KÄV-Bezirken vor. Um überhaupt fristgerecht den im Interesse der Vertragsärzte besonders wichtigen, EBM-induzierten Anstieg der Punktmenge ab dem 1.1.2008 verlässlich schätzen zu können, hat der EBewA die Punktzahl je Fall im Quartal I/2007 mit derjenigen in I/2008 verglichen und daraus einen Anstieg um 9,7 % - gerechnet über alle Arztgruppen - abgeleitet. Spätere genauere Berechnungen haben nach Angaben der KÄBV ergeben, dass diese Schätzung den tatsächlichen Anstieg der Leistungsmenge so genau getroffen hat, dass kein Korrekturbedarf aufgetreten ist (vgl schon SG Marburg Urteil vom 6.10.2010 - S 11 KA 340/09 - Juris RdNr 95RdNr 95/96). Dass der EBM-induzierte Anstieg der Leistungsmenge sich auf die einzelnen Arztgruppen unterschiedlich ausgewirkt haben dürfte, ist bei der Umsetzung des § 87c Abs 1 SGB V aF ohne Bedeutung, weil innerhalb der einzelnen Schritte zur Ermittlung des Orientierungswertes nicht nach Arztgruppen differenziert wird.

20

c. Soweit die Klägerin die sog HVV-Quote in den Beschlüssen des EBewA beanstandet, ist zwischen den Regelungen in Teil A und Teil B des Beschlusses vom 27./28.8.2008 und den dazu ergangenen Korrekturbeschlüssen zu differenzieren. Der EBewA hat im Rahmen der Festlegung des Orientierungswertes auf der Grundlage des § 87 Abs 2e Satz 1 Nr 1 iVm § 87c Abs 1 SGB V aF eine bundeseinheitliche HVV-Quote mit zunächst 0,9059 ermittelt(Teil A Nr 2.2), die dann auf 0,9048 korrigiert worden ist (II Nr 1). Grundlage dafür sind die Regelungen in § 87c Abs 1 Sätze 4 und 6 SGB V aF, aus denen sich ergibt, dass die KÄV'en dem BewA die Leistungsmengen nach Berichtigung und Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen übermitteln müssen. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass in der Vergangenheit als Folge von mengenbegrenzenden Regelungen in den Verteilungsmaßstäben der KÄV'en nicht alle abgerechneten Punkte das Honorar der Vertragsärzte tatsächlich erhöht haben. Nach § 87c Abs 1 Satz 4 SGB V aF ist aus den vorliegenden Abrechnungsdaten die Leistungsmenge als Punktzahlvolumen hochzurechnen. Dabei soll, wie sich aus der Regelung zur Datenlieferung in Satz 6 ergibt, nicht mehr auf die insgesamt erbrachten Leistungen abgestellt werden, sondern auf die Leistungsmengen, die sich nach Anwendung von Mengenbegrenzungsmechanismen der HVV'e ergeben (BT-Drucks 16/4247 S 44 zu § 87c). Dass die Differenz zwischen abgerechneter und honorarwirksamer Leistungsmenge, die vom EBewA als "HVV-Quote" bezeichnet wird (vgl auch BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 39), im Rahmen der Festlegung des Orientierungswertes einheitlich für das Bundesgebiet berechnet werden musste, steht außer Frage. Anhaltspunkte dafür, dass der EBewA die Quote falsch berechnet hat, sieht der Senat nicht.

21

Auf einer anderen normativen Basis beruht die Quote in Teil B Nr 1.2 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 und 23.10.2008, die die Klägerin in Übereinstimmung mit der Beklagten für rechtswidrig hält. Rechtsgrundlage dieser HVV-Quote zur Errechnung des Behandlungsbedarfs war § 87c Abs 4 Satz 6 SGB V aF, wie der Senat schon in seinem Urteil vom 21.3.2012 (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 39) näher dargelegt hat. Zu dem "Verfahren" zur Berechnung des Behandlungsbedarfs durch die Partner der Gesamtverträge im Sinne dieser Vorschrift gehören auch Festlegungen dazu, wie sich im Bezirk der jeweiligen KÄV die Nettoleistungsmenge (nach Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen) zur Bruttoleistungsmenge verhalten hat. Ebenso wie bei der Ermittlung des Orientierungswertes nach § 87c Abs 1 SGB V aF musste der EBewA auch für die Ermittlung des Leistungsbedarfs nach Abs 4 dem Umstand Rechnung tragen, dass im Aufsatzzeitraum 2007 nicht alle abgerechneten Leistungen honorarwirksam geworden waren. Nachdem der EBewA die Quoten im ursprünglichen Beschluss vom 27./28.8.2008 noch einheitlich jeweils für die "alten" Bundesländer mit 0,9059 und für die "neuen" Bundesländer mit 0,9544 festgelegt hatte, hat der Ausschuss die Festlegungen am 23.10.2008 dahin korrigiert, dass in den alten Bundesländern je nach KÄV-Bezirk unterschiedliche Quoten festgesetzt wurden (vgl BSG, aaO, RdNr 38). Für die Beklagte betrug die Quote 0,9155. Damit hat der EBewA die Folgerung daraus gezogen, dass sich die honorarbegrenzenden Maßnahmen der einzelnen KÄV'en auf den Abstand zwischen Brutto- und Nettoleistungsmenge zumindest in den westlichen Bundesländern so unterschiedlich ausgewirkt haben, dass eine einheitliche Quote zu Verwerfungen hätte führen können (BSG, aaO, RdNr 40).

22

Der EBewA war entgegen der Auffassung der Klägerin berechtigt, die HVV-Quote als zentralen Bestandteil des Verfahrens zur Ermittlung des Behandlungsbedarfs iS des § 87c Abs 4 Satz 5 SGB V aF auf der Grundlage der ihm übermittelten Daten selbst festzusetzen. Insoweit unterscheiden sich die gesetzlichen Regelungen des § 87c Abs 4 SGB V aF deutlich von denjenigen in § 87b Abs 4 SGB V aF, zu denen der Senat in seinem Urteil vom 27.6.2012 (BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 30 ff) Stellung genommen hat. In § 87c Abs 4 Satz 5 SGB V aF ist dem BewA aufgegeben, ein "zwingend zu beachtendes Verfahren" zur Ermittlung des Behandlungsbedarfs zu beschließen, während er nach § 87b Abs 4 SGB V aF nur "Vorgaben" machen darf. Da die HVV-Quote für die Ermittlung des Behandlungsbedarfs erhebliche Bedeutung hat und auch unter verteilungspolitischen Aspekten streitanfällig sein kann, lag es nahe, dass der Gesetzgeber den BewA zu entsprechenden Festlegungen verpflichtet hat, auch um die HVV-Quote dem Streit der Partner der Gesamtverträge über die Höhe der Gesamtvergütung für 2009 zu entziehen. Die Vertragspartner wie das Schiedsamt waren an die vom EBewA festgesetzte Quote gebunden (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 38).

23

Nicht anders als im Fall der KÄV Hessen sieht der Senat auch bezogen auf die hier beklagte KÄV Nordrhein keinen Anlass für die Annahme, dass der EBewA bei der Festsetzung der Quote den ihm als Normsetzer zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte (vgl BSG, aaO, RdNr 40). Soweit beide Beteiligten geltend machen, der EBewA habe nicht berücksichtigt, dass die mengenbegrenzenden Individualbudgets, die die Beklagte bis Ende 2008 ihrer Honorarverteilung zugrunde gelegt hat, teilweise rechtswidrig waren (BSG vom 14.12.2011 - SozR 4-2500 § 85 Nr 68), stellt das die Verbindlichkeit der Festlegung der Quote durch den EBewA nicht in Frage. Der EBewA konnte seine Entscheidung nach § 87c Abs 4 SGB V aF nur auf der Basis der Daten treffen, die ihm die KÄV'en für das Jahr 2007 übermittelt hatten. Es ist schlechthin ausgeschlossen, alle Folgen anhängiger oder zu erwartender Streitverfahren über Einzelfragen der Honorarverteilung vorab zu berücksichtigen. Im Übrigen ist auch durch die Senatsurteile vom 14.12.2011 nicht abschließend geklärt worden, welche Honorarbegrenzungsinstrumente mit welchen Auswirkungen auf die HVV-Quote die Beklagte für das Jahr 2007 tatsächlich anwenden durfte; der Senat hat lediglich die Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung gebilligt.

24

d. Rechtliche Bedenken bestehen auch hinsichtlich der dritten maßgeblichen Quote gemäß Teil B Nr 4 der Beschlüsse des EBewA nicht. Danach ist zusätzlich zur EBM-Ä induzierten Anhebung der Leistungsmenge auch der Erhöhung der Morbidität von 2008 auf 2009 Rechnung zu tragen. Dazu war der EBewA nach § 87c Abs 4 Satz 3 SGB V aF verpflichtet, und es war ihm die Befugnis zu einer Schätzung wegen der noch nicht vorliegenden Daten zum Morbiditätsgeschehen zuerkannt. Dass er mit der Schätzung des Anstiegs der Leistungsmenge insgesamt um 5,1 % zu Lasten der Vertragsärzte fehlgegangen sein könnte, ist nicht erkennbar. Eine Verpflichtung, schon an dieser Stelle der Berechnung der Leistungsmenge nach Arztgruppen zu differenzieren, hat nicht bestanden.

25

e. Im Ausgangspunkt zutreffend macht die Klägerin geltend, dass der EBewA für das Jahr 2009 seiner Verpflichtung aus § 87c Abs 2 SGB V aF nicht in vollem Umfang nachgekommen ist, Vorgaben für die Ermittlung von Indikatoren iS des § 87 Abs 2f Satz 4 SGB V aF vorzugeben. Nach dieser Vorschrift hat der BewA jährlich Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Abs 2 SGB V aF festzustellen, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den Orientierungswerten nach § 87 Abs 2e Satz 1 SGB V aF abgewichen werden kann. Dazu hat der EBewA in Teil C seines Beschlusses vom 27./28.8.2008 lediglich festgestellt, dass er keine Indikatoren zu regionalen Besonderheiten in den Kosten- und Versorgungsstrukturen zwischen den Bezirken der KÄV'en definieren könne, die eine regionale Anpassung der Orientierungswerte aufgrund von Unterschieden in der Versorgungsstruktur rechtfertigen würden.

26

Die gesetzlichen Vorgaben für die Ermittlung derartiger Indikatoren sind allerdings nicht widerspruchsfrei, insbesondere deshalb, weil sie einerseits auf die Wirtschaftskraft der Bundesländer abstellen (§ 87c Abs 2 SGB V aF), andererseits den Vertragspartnern aber auch eine Richtschnur geben sollen, Zu- und Abschläge vom Orientierungswert zu vereinbaren, um "insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur" zu berücksichtigen (§ 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF). Hier kann die Wendung "regional" nur planungsbereichsbezogen gemeint sein, weil Gesamtverträge ohnehin nur - mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen - für ein Bundesland geschlossen werden. So fernliegend die Annahme des EBewA wäre, er könne keine Indikatoren für die Abweichung der Wirtschaftskraft eines Bundeslandes von der bundesdurchschnittlichen Wirtschaftskraft iS des § 87c Abs 2 SGB V aF finden(zutreffende Kritik des SG Marburg - S 11 KA 340/09 - RdNr 159), so wenig folgt aus diesem Befund für die hier allein relevanten regionalen Besonderheiten der Kosten- und Versorgungsstrukturen.

27

So klar es ist, dass hinsichtlich der Wirtschaftskraft zwischen Bayern, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern erhebliche Unterschiede bestehen, so schwierig ist es, diese Differenzen in Bezug auf die Kosten für die vertragsärztliche Tätigkeit entsprechend abzubilden. Das beruht vor allem darauf, dass innerhalb der einzelnen, oft recht großen KÄV-Bezirke möglicherweise die gesamte Spannbreite der Kostenstrukturunterschiede, die sich auch in der Bundesrepublik finden lassen, zu verzeichnen ist. Einem einheitlichen Indikator für Bayern - begründet mit der hohen Wirtschaftskraft dieses Bundeslandes - würde sofort mit guten Gründen entgegengehalten werden, dass die Region Oberpfalz nicht mit der Region München gleich behandelt werden kann, und entsprechendes gilt sicher auch für den Erzgebirgskreis in Sachsen und die Stadt Leipzig - die, was etwa Immobilienpreise angeht - zu den eher teuren Gebieten der Bundesrepublik zählt. Entscheidend ist aber, dass die Klägerin durch potenziell defizitäre Ermittlungen des EBewA nicht beschwert ist. Der Senat hat in seinem Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 33 ff) ausgeführt, dass die fehlende Vorgabe von Indikatoren durch den EBewA die Vertragspartner auf regionaler Ebene nicht gehindert hat, nach eigener Entscheidung Zuschläge oder Abschläge von den Orientierungswerten zu vereinbaren. Die Vertragspartner durften nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF solche Zuschläge nur nicht unter Verwendung von Kriterien vereinbaren, die denen widersprechen, die der BewA (unterstellt) festgelegt hat. Die Regelung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF ist nicht in der Weise gefasst, dass ohne Vorgabe der Indikatoren zu Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur durch den BewA jede Vereinbarung von Zuschlägen oder Abschlägen von den Orientierungswerten im Hinblick auf regionale Besonderheiten ausgeschlossen gewesen wäre. Insoweit wirkt sich die unterbliebene Umsetzung der Ermächtigung an den BewA zur Festsetzung "regionaler Indikatoren" nicht auf die Höhe des RLV der klägerischen Praxis im Quartal I/2009 aus. Auch nach dem Vorbringen der Beklagten, die insoweit grundsätzlich die Auffassung der Klägerin stützt, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Partner der Gesamtverträge in Nordrhein irgendeinen Anlass gesehen hätten, aus Gründen regionaler Besonderheiten innerhalb des KÄV-Bezirks für einzelne Städte oder Kreise Zuschläge zu den Orientierungswerten zu vereinbaren. Für die Stadt K., in der die Klägerin ihren Sitz hat, liegt diese Annahme besonders fern, weil nicht ansatzweise erkennbar ist, weshalb dort eine im Vergleich zu K., B.
oder D. signifikant abweichende - im Sinne von: höhere - Kostenstruktur hinsichtlich der für eine radiologische Praxis relevanten Faktoren gegeben sein könnte.

28

f. Nach § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF soll der BewA zur Ermittlung der morbiditätsorientierten Gesamtvergütungen auch das Kriterium "Geschlecht" berücksichtigen. Der EBewA hat dazu in seinem Beschluss vom 27./28.8.2008 in Teil F Nr 3.2.2 festgestellt, dass durch dieses Kriterium eine signifikante Beeinflussung des abgerechneten Leistungsvolumens - bezogen auf die Gesamtheit der vertragsärztlichen Leistungen - nicht aufgezeigt wird.

29

Soweit die Klägerin das mit dem Hinweis in Frage stellt, die private Krankenversicherung habe über Jahrzehnte hinweg ihre Beiträge der unterschiedlichen Morbidität von Frauen und Männern angepasst, und das könne der GKV nicht unmöglich sein, wird das der hier maßgeblichen Fragestellung nicht gerecht. Es geht in § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF nicht pauschal darum, ob die Krankenkassen insgesamt statistisch für eine weibliche Versicherte mehr Geld aufwenden als für einen männlichen, sondern darum, ob sich in der vertragsärztlichen Versorgung bezogen auf alle Arztgruppen und alle Altersstufen von Versicherten bei Frauen eine höhere Morbidität messen lässt als bei Männern. Das bedarf statistischer Ermittlungen, die weder durch Hinweise auf Banalitäten - sehr hoher Anteil weiblicher Versicherter bei Gynäkologen - noch durch Spekulationen - Frauen gehen häufiger zum Arzt als Männer - ersetzt werden können. Wenn die dem EBewA vorliegenden Abrechnungsdaten insoweit - über alle Arztgruppen gesehen - keine signifikanten Abweichungen ergeben, die auf eine geschlechtsspezifisch messbar abweichende Morbidität hindeuten, ist der EBewA seinem Auftrag nachgekommen. Der Gesetzgeber kann nicht vorgeben, dass die Realität anders ist, als sie sich tatsächlich darstellt. Er könnte allenfalls normativ bestimmen, dass die Morbidität weiblicher Versicherter um einen bestimmten Faktor höher zu gewichten ist als bei männlichen. Das ist in § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF indessen nicht geschehen.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Klägerin hat die Kosten des von ihr ohne Erfolg geführten Rechtsmittels zu tragen.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.

(1) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung; dabei sollen die von fachärztlich tätigen Ärzten erbrachten hausärztlichen Leistungen nicht den hausärztlichen Teil der Gesamtvergütungen und die von hausärztlich tätigen Ärzten erbrachten fachärztlichen Leistungen nicht den fachärztlichen Teil der Gesamtvergütungen mindern. Die Kassenärztliche Vereinigung wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Die Vergütung der Leistungen im Notfall und im Notdienst erfolgt aus einem vor der Trennung für die Versorgungsbereiche gebildeten eigenen Honorarvolumen mit der Maßgabe, dass für diese Leistungen im Verteilungsmaßstab keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars angewandt werden dürfen; Gleiches gilt unter Beachtung der nach § 87a Absatz 3b Satz 7 beschlossenen Vorgaben für die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen, gelten bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab vorläufig fort.

(2) Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Der Verteilungsmaßstab hat der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen angemessen Rechnung zu tragen. Für Praxisnetze, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen anerkannt sind, müssen gesonderte Vergütungsregelungen vorgesehen werden; für solche Praxisnetze können auch eigene Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen nach § 87a Absatz 3 gebildet werden. Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten. Im Verteilungsmaßstab dürfen keine Maßnahmen zur Begrenzung oder Minderung des Honorars für anästhesiologische Leistungen angewandt werden, die im Zusammenhang mit vertragszahnärztlichen Behandlungen von Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung oder schwerer Dyskinesie notwendig sind. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(2a) Mindert sich die Fallzahl in einem die Fortführung der Arztpraxis gefährdenden Umfang infolge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses, soll die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen im Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen zur Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Leistungserbringers vorsehen. Regelungen nach Satz 1 können auch bei einer Minderung von Fallzahlen von Leistungen vorgesehen werden, die nach § 87a Absatz 3 Satz 5 Nummer 1, 3, 4, 5 und 6 und Satz 6 vergütet werden. In der Vergangenheit gebildete und noch nicht aufgelöste Rückstellungen im Rahmen der Honorarverteilung sollen ebenfalls verwendet werden. Eine weitere Voraussetzung für die Zahlung von Kompensationszahlungen ist, dass der vertragsärztliche Leistungserbringer die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden einhält. Bei einer Unterschreitung der in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden können Kompensationszahlungen nur vorgenommen werden, wenn der vertragsärztliche Leistungserbringer durch eine Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder ein anderes Großschadensereignis verursachte rechtfertigende Gründe für die Unterschreitung nachweist.

(3) Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Beschluss nach § 100 Absatz 1 oder 3 getroffen, dürfen für Ärzte der betroffenen Arztgruppe im Verteilungsmaßstab Maßnahmen zur Fallzahlbegrenzung oder -minderung nicht bei der Behandlung von Patienten des betreffenden Planungsbereiches angewendet werden. Darüber hinausgehend hat der Verteilungsmaßstab geeignete Regelungen vorzusehen, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Einzelfall verpflichtet ist, zu prüfen, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme ausreichend ist, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Die Kassenärztliche Vereinigung veröffentlicht einmal jährlich in geeigneter Form Informationen über die Grundsätze und Versorgungsziele des Honorarverteilungsmaßstabs.

(4) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze nach Absatz 2 Satz 3 als Rahmenvorgabe für Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere zu Versorgungszielen, im Einvernehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu bestimmen. Darüber hinaus hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorgaben insbesondere zu den Regelungen des Absatzes 2 Satz 1 bis 4 und zur Durchführung geeigneter und neutraler Verfahren zur Honorarbereinigung zu bestimmen; dabei ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen herzustellen. Die Vorgaben nach den Sätzen 1 und 2 sind von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben bis spätestens zum 23. Oktober 2015 Richtlinien nach Satz 1 zu beschließen.

(5) Die Regelungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für vertragszahnärztliche Leistungen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. November 2016 (L 4 KA 44/14) insoweit aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 12. Februar 2014 (S 16 KA 1155/13) zurückgewiesen, als die Beklagte verpflichtet wird, über die Honorierung des Klägers im Quartal I/2010 unter Beachtung der Geltung des vorläufig zugewiesenen RLV in Höhe von 11 871,60 Euro bis einschließlich 4. Februar 2010 erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. November 2016 (L 4 KA 44/14) zurückgewiesen. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. November 2016 (L 4 KA 45/14) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger zu 7/8 und die Beklagte zu 1/8. Die Kosten der Verfahren S 16 KA 1155/13 und L 4 KA 44/14 trägt der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4, die Kosten der Verfahren S 16 KA 1156/13 und L 4 KA 45/14 trägt der Kläger.

Tatbestand

1

Streitig ist die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen des Klägers für die Quartale I/2010 und II/2010.

2

Der Kläger ist als Facharzt für Urologie zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten zugelassen. Mit Schreiben vom 11.12.2009 wies die Beklagte ihm für das Quartal I/2010 ein Regelleistungsvolumen (RLV) in Höhe von 11 871,60 Euro zu. Die Mitteilung müsse unter Vorbehalt gestellt werden, weil weder die Vereinbarung zur Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen im Jahr 2010 abgeschlossen sei, noch die Berechnungen des Fallwertes hätten abgeschlossen und überprüft werden können. Mit RLV-Mitteilung vom 1.2.2010 wurde dem Kläger dann für das Quartal I/2010 ein RLV in Höhe von 10 689,26 Euro zugewiesen. Für das Quartal II/2010 wurde dem Kläger mit Schreiben vom 8.3.2010 ein RLV in Höhe von 11 131,30 Euro zugewiesen.

3

Der Kläger stellte einen Härtefallantrag, machte Praxisbesonderheiten geltend und legte jeweils Widerspruch gegen die RLV-Zuweisungen für die Quartale I/2010 und II/2010 ein.

4

Für das Quartal I/2010 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers einschließlich eines Zusatzbudgets für radiologische Diagnostik vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages auf insgesamt 25 940,76 Euro fest. Der Kläger hatte RLV-relevante Leistungen in einem Umfang von insgesamt 16 078,19 Euro erbracht, die in Höhe von 11 276,29 Euro vergütet wurden. Zur Verlustbegrenzung auf 12 % wurde ein Konvergenzzuschlag von 1711,45 Euro gewährt.

5

Für das Quartal II/2010 setzte die Beklagte den Honoraranspruch des Klägers einschließlich eines Zusatzbudgets für radiologische Diagnostik vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages auf 26 316,06 Euro fest. Erbrachte RLV-relevante Leistungen in einem Umfang von insgesamt 16 545,30 Euro wurden in Höhe von 11 776,47 Euro vergütet. Zur Verlustbegrenzung auf 12 % wurde ein Konvergenzzuschlag von 3192,96 Euro gewährt.

6

Gegen die Honorarabrechnungen für die Quartale I/2010 und II/2010 legte der Kläger jeweils Widerspruch ein und beantragte die Anerkennung von Praxisbesonderheiten sowie einen Ausgleich für eingetretene Honorarverluste.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die RLV-Zuweisungen für die Quartale I/2010 und II/2010 und gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/2010 (sowie gegen RLV-Zuweisungen und Honorarabrechnungen für die Quartale I/2009 bis IV/2009, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern des Verfahrens zum Aktenzeichen B 6 KA 3/17 R sind; der Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/2010 ist Gegenstand eines unter dem Aktenzeichen S 16 KA 30/14 R beim SG Kiel anhängigen Verfahrens) zurück. Sie stellte die angewandte Honorarverteilungssystematik dar. Werde das RLV nach Ablauf der Vierwochenfrist gemäß § 87b Abs 5 Satz 1 SGB V aF, aber vor Beginn der Geltungszeiträume zugewiesen, führe dies nicht zu einer Fortgeltung des vorherigen RLV. Es handele sich nur um eine Ordnungsfrist. Die im Honorarverteilungsvertrag (HVV) enthaltene Regelung für Ärzte in der Wachstumsphase finde keine Anwendung, da der Kläger bereits mehr als fünf Jahre zugelassen sei. Durch die RLV werde ein Wachstum jeweils mit Wirkung für das entsprechende Quartal des Folgejahres zugelassen. Soweit auf Praxisbesonderheiten abgestellt werde, werde auf das Schreiben des HVM-Teams vom 16.9.2009 verwiesen. Fallwertzuschläge wegen Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe um 30 % seien nicht zu gewähren. Im Quartal I/2010 habe der Kläger den durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe um 2,36 % und im Quartal II/2010 um 0,82 % unterschritten.

8

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner Klage gewandt, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 16 KA 376/10 geführt wurde. Das SG Kiel hat die Verfahren quartalsweise getrennt.

9

Das SG Kiel hat den Klagen bezogen auf die hier allein streitgegenständlichen Quartale I/2010 und II/2010 mit zwei Urteilen vom 12.2.2014 (S 16 KA 1155/13 und S 16 KA 1156/13) stattgegeben und die Beklagte unter Änderung der RLV-Mitteilungen und der Honorarabrechnungen verpflichtet, die Honorierung des Klägers in den Quartalen I/2010 und II/2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Das BSG habe bisher offengelassen, wie der Fachgruppendurchschnitt bei unterdurchschnittlich abrechnenden Altpraxen erreicht werden könne, deren Patientenzahlen wie im Fall des Klägers nicht mehr unproblematisch steigerbar seien. Eine solche unterdurchschnittliche Praxis sei besonders schutzwürdig, sodass hier eine Steigerung des Fallwertes maximal zum Fachgruppendurchschnitt ermöglicht werden müsse. In diesem Sinne müsse die Honorierung in den streitigen Quartalen erneut beschieden werden. Darüber hinaus hätte die Beklagte bei der Honorierung des Klägers die besondere Situation der Praxis im Sinne eines Härtefalles individuell würdigen und dieses in den jeweiligen Honorarabrechnungen berücksichtigen müssen.

10

Das LSG hat die Urteile des SG Kiel vom 12.2.2014 betreffend die Honorierung in den Quartalen I/2010 und II/2010 auf die Berufungen der Beklagten aufgehoben und die Klagen jeweils abgewiesen (Verfahren zu den Aktenzeichen L 4 KA 44/14 und L 4 KA 45/14). Die Beklagte habe das RLV für die Quartale I/2010 und II/2010 sowie den Honoraranspruch des Klägers für das Quartal I/2010 rechtmäßig festgesetzt und einen höheren Honoraranspruch des Klägers zu Recht abgelehnt. Der gerichtlichen Prüfung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten im Verfahren gegen die RLV-Mitteilung und den Honorarbescheid stehe nicht entgegen, dass das HVM-Team der Beklagten nicht gesondert über die in den jeweiligen Widerspruchsverfahren vorgebrachten Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkte entschieden habe. Die Beklagte habe das Ergebnis ihrer Prüfung im Widerspruchsbescheid dargestellt. Wenn ein Vertragsarzt die Anerkennung von Praxisbesonderheiten nicht im Widerspruchsverfahren gegen die RLV-Mitteilung und die dort vorgenommene Berechnung, sondern in einem parallel geführten Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren geltend machen müsste, müsste er neben einer Klage gegen die RLV-Mitteilung eine Klage gegen die ablehnende Entscheidung über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten erheben. Damit müsste der Vertragsarzt für einen Lebenssachverhalt - Bestimmung seines RLV - zwei Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren führen, deren prozessuales Schicksal unterschiedlich verlaufen könnte. Die Anzahl der von einem Vertragsarzt für die Honorierung seiner in einem Quartal erbrachten Leistungen zu führenden Verfahren summiere sich auf vier, wenn er mit der Widerspruchsbegründung gegen die RLV-Mitteilung oder gegen den Honorarbescheid Härtefallgesichtspunkte geltend mache, deren Anerkennung die KÄV mit einem gesonderten Bescheid ablehne. Die Mehrzahl der Entscheidungen der KÄV führe für den Vertragsarzt zu einer erheblichen Erschwerung der Rechtsverfolgung.

11

Diese Bewertung stehe nicht im Widerspruch zur Entscheidung des BSG vom 15.8.2012 (B 6 KA 38/11 R). Dort habe das BSG klargestellt, dass für die gerichtliche Klärung von gesonderten Feststellungen (Bemessungsgrundlagen, Budgets, RLV), Teilelementen und Vorfragen der Bestimmung des Quartalshonorars nur dann und solange Raum sei, wie die jeweiligen Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig seien. Das gelte auch dann, wenn entsprechende Feststellungen durch gesonderten Verwaltungsakt erfolgt seien. Der Gesetzgeber habe in § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V vorgesehen, dass Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen seien, soweit dazu Veranlassung bestehe. Sie seien danach bereits bei der Zuweisung des RLV zu berücksichtigen. Das RLV lasse sich nicht aufteilen in die standardisierte Berechnung aus RLV-relevanter Fallzahl des Arztes, RLV-Fallwert der Arztgruppe und arztindividuellem Morbiditätsfaktor einerseits und einem ausschöpfbaren Mehrbetrag für anerkannte Praxisbesonderheiten andererseits. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten habe der Gesetzgeber in § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V antragsunabhängig formuliert. Auch das spreche gegen die Notwendigkeit von zwei gesonderten Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren für die Bestimmung aller Berechnungselemente des in die Honorarabrechnung einzustellenden RLV. Gleiches gelte für die Anerkennung von Härtefallgesichtspunkten. Das SGB V enthalte keine Regelungen für die Anerkennung von Härtefallgesichtspunkten im Rahmen der vertragsärztlichen Honorarabrechnung. Jedoch eröffne der Bewertungsausschuss den Partnern der Gesamtverträge in seinem Beschluss vom 22.9.2009 die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen befristete Ausgleichszahlungen für Honorarverluste vorzusehen und sich über das Verfahren zu einigen.

12

Der RLV-Mitteilungsbescheid vom 1.2.2010 sei rechtmäßig. Er sei zwar verspätet ergangen. Bei § 87b Abs 5 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V, wonach das RLV dem Vertragsarzt jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn seiner Geltungsdauer zugewiesen sein müsse, handele es sich jedoch um eine reine Ordnungsfrist, sodass die Fristversäumnis nicht zur Unwirksamkeit der Zuweisung führe. In der RLV-Mitteilung vom 1.2.2010 habe die Beklagte in zulässiger Weise von dem Vorbehalt in der Mitteilung vom 11.12.2009 Gebrauch gemacht und das RLV neu berechnet.

13

Zu Unrecht rüge der Kläger, dass die Berechnung ihres RLV nicht nachvollziehbar und die Bescheide daher zu unbestimmt seien. Aus den RLV-Mitteilungen sei die Höhe des RLV einschließlich des Zusatzbudgets für radiologische Diagnostik eindeutig hervorgegangen. Auch das Begründungserfordernis des § 35 Abs 1 SGB X sei nicht verletzt. Nach der Rechtsprechung des BSG dürften bei Honorarbescheiden die Anforderungen an die Darlegungen und Berechnungen nicht überspannt werden, da sie sich an einen sachkundigen Personenkreis richteten, der mit den Abrechnungsvoraussetzungen vertraut sei bzw zu dessen Pflichten es gehöre, über die Grundlagen der Abrechnungen der vertragsärztlichen Leistungen Bescheid zu wissen. An die RLV-Mitteilung seien keine höheren Anforderungen zu stellen. Unabhängig davon könne allein wegen einer fehlenden oder fehlerhaften Begründung einer Verwaltungsentscheidung gemäß § 42 Satz 1 SGB X nicht deren Aufhebung begehrt werden, wenn diese die Entscheidung erkennbar nicht beeinflusst haben könne.

14

Es sei nicht zu beanstanden, dass sich der Fallwert des Klägers an dem durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe der Urologen orientiere. Die RLV seien in § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V als arztgruppenspezifische Grenzwerte definiert, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten seien. Der Bezug zur Arztgruppe sei verbindlich.

15

Das BSG habe gebilligt, dass der EBewA in seinem Beschluss vom 22.9.2009 auf die Einbeziehung des Geschlechts als Differenzierungskriterium verzichtet habe, nachdem er keinen nachhaltigen Einfluss dieses Kriteriums auf die Höhe der Honorare habe feststellen können. Dass der Kläger bzw die Fachgruppe der Urologen im Fall der Ermittlung von geschlechtsspezifischen Gewichtungsfaktoren einen für sie im Vergleich zu anderen Fachgruppen günstigeren morbiditätsbedingten arztindividuellen Anpassungsfaktor zu erwarten hätten, sei nicht dargelegt und nicht erkennbar.

16

Zu Unrecht wende der Kläger sich dagegen, dass die Fallwerte nicht zumindest die Vergütung für die Ordinationsgebühr und die Sonografie abdecken würden. Diese Betrachtung übersehe, dass die Fallwerte Durchschnittswerte darstellten und zB eine Sonografie nicht in jedem Fall zwingend geboten sei. Ein Vertragsarzt habe keinen Anspruch darauf, dass sich die fachgebietsspezifischen wesentlichen Leistungen in der Höhe eines jeden einzelnen Behandlungsfalles und damit im RLV widerspiegele. Es sei auch nicht zu beanstanden und auf die regional unterschiedlichen Ausgestaltungen der RLV zurückzuführen, dass in anderen KV-Bezirken andere Fallwerte für die RLV zugrunde gelegt würden.

17

Praxisbesonderheiten seien nicht anzuerkennen. Nach dem Beschluss des EBewA vom 22.9.2009 ergäben sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe um mindestens 30 % vorliege. Nach der ab dem 1.1.2010 geltenden Honorarvereinbarung könnten sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn dadurch der durchschnittliche Gruppenfallwert um 30 % überschritten werde. Eine solche Fallwertüberschreitung liege bei dem Kläger in den streitbefangenen Quartalen nicht vor. Er habe den Gruppenfallwert vielmehr unterschritten.

18

Die von dem Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachten Besuchsleistungen bei Versicherten in Pflegeheimen und die Ziffer 32013 seien bei dem Kläger in den streitgegenständlichen Quartalen bereits nicht RLV-relevant gewesen und daher nicht budgetiert vergütet worden. Die Ziffern 01410, 02322 und 02323 EBM-Ä machten keinen sicherstellungsrelevanten Anteil am Leistungsgeschehen der Praxis des Klägers aus.

19

Soweit die Beklagte den Kläger im Rahmen des Honorarbescheides für das Quartal I/2010 einen Konvergenzzuschlag in Höhe von 1711,45 Euro gewährt habe, begrenze dies den Verlust des Klägers gegenüber den entsprechenden Quartalen des Jahres 2008 auf 12 %. Für das Begehren des Klägers, keinen Verlust gegenüber 2008 zu erleiden, gebe es keine entsprechende Regelung in den Vorgaben des EBewA für die Honorarverteilungssystematik ab 1.1.2010. Die geltend gemachte Existenzgefährdung sei nicht erkennbar und begründe auch keinen Ausgleichsanspruch aufgrund einer allgemeinen Härteklausel.

20

Der Kläger sei ferner nicht in dem Wachstum seiner Praxis unzulässig eingeschränkt. Dass bei der Honorarverteilung in der RLV-Systematik Fallzahlsteigerungen im Abrechnungsquartal dem Vertragsarzt erst im Folgejahresquartal für die Bestimmung des RLV zugutekommen, habe das BSG in mehreren Entscheidungen gebilligt. Seine wirtschaftlichen Einbußen führe der Kläger maßgeblich darauf zurück, dass es in K. eine Überversorgung mit Fachärzten für Urologie gebe. Dieser Umstand sei bei der Honorarverteilung nicht zu berücksichtigen. Das unternehmerische Risiko, im Vergleich zu seinen Kollegen derselben Fachgruppe einen geringeren Zulauf von Versicherten zu haben, habe die Honorarverteilungssystematik einem Vertragsarzt nicht abzunehmen.

21

Der Kläger macht mit seinen Revisionen geltend, die Vereinbarungen zur Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen seien aufgrund der fehlenden Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange unterdurchschnittlich abrechnender Altpraxen, die ihren Sitz in einem überversorgten zulassungsgesperrten Gebiet hätten, rechtswidrig. Die Vorgaben verstießen gegen das Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars sowie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und das Willkürverbot. Sie stünden weder mit dem von der Ermächtigungsgrundlage des § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V verfolgten Ziel der Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis noch mit sonstigen legitimen Zielen wie der Erhöhung der Kalkulationssicherheit und der Punktwertstabilität in Einklang. Er gehöre dem überwiegenden Teil von über 70 % unterdurchschnittlich abrechnender Urologen an, was durch die fortgesetzte Zulassung weiterer Urologen im gesperrten, drastisch überversorgten Planungsbereich der Stadt K. durch die Beklagte verursacht werde. Dies treffe kleine Praxen besonders hart, da die Betriebskosten im Verhältnis zu den Einnahmen überproportional stiegen. Systembedingt sei ihm weder eine Fallzahlsteigerung noch - aufgrund des fallzahlabhängigen Vergütungsmodells - eine Umsatzsteigerung möglich. Seine Fallzahlen hätten sich von 577 im Quartal I/2009 auf 537 im Quartal II/2010 kontinuierlich verringert. Im selben Verhältnis habe sich die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe von 923 im Quartal I/2009 auf 888,7 im Quartal II/2010 verringert.

22

Auch sei die Beklagte ihren Beobachtungs- und Reaktionspflichten beim Abschluss der Gesamtverträge nicht nachgekommen. § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V gestatte es den Vertragspartnern, einen Zuschlag auf den Orientierungspunktwert zu vereinbaren, um insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen und dabei der im Planungsbereich herrschenden Überversorgung Rechnung zu tragen.

23

Erforderlich sei eine Sonderregelung, die - vergleichbar der Regelungen für psychotherapeutische Praxen - ein Wachstum innerhalb von fünf Jahren nicht nur zum Durchschnittshonorar der Gruppe, sondern zum Durchschnittsüberschuss ermöglichen müsse. Die bundesgesetzlichen Vorgaben in § 87a Abs 2 Satz 2 und § 87 Abs 2 f SGB V schlössen dies nicht aus. In Planungsbereichen, in denen schon lange vor Einführung der RLV-Vergütungssystematik eine eklatante Überversorgung mit einem überwiegenden Anteil von unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen vorhanden gewesen sei, überschreite die unterschiedslose Anwendung des Regelungskonzeptes die Grenze der Rechtssetzungsbefugnis des Normgebers.

24

Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass er zur Vermeidung überproportionaler Verluste einen Konvergenzzuschlag erhalten habe und dass seine das RLV überschreitende Honorarforderung abgestaffelt vergütet worden sei. Es verblieben Honorarverluste. Zudem sei die Konvergenzregelung eine reine Übergangsregelung mit zeitlich beschränkter Dauer, die auf alle Praxen zur Anwendung gekommen sei und sich daher nicht eigne, die bei ihm bestehenden Besonderheiten zu kompensieren.

25

Die Beklagte habe seine mit der Widerspruchseinlegung gestellten Anträge auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten nur einmalig betreffend die Quartale I/2009 und II/2009 beschieden. Eine Einbeziehung nach § 86 SGG sei nicht zutreffend. Bezüglich der Quartale III/2009 bis II/2010 sei im laufenden Widerspruchsverfahren keine Entscheidung über die Anträge ergangen. Die Entscheidung sei vielmehr erst im Widerspruchsbescheid durch den funktional und sachlich unzuständigen Vorstand getroffen worden. Eine "erstinstanzliche" Behördenentscheidung über die Anträge des Klägers sei insoweit nicht getroffen worden. Dies stelle einen schweren Verfahrensfehler dar, da über den Antrag gesondert zu entscheiden gewesen sei.

26

Im HVV für das Jahr 2009 fehle es an einer Regelung zur Geltendmachung von Praxisbesonderheiten. Die Beklagte sei nicht befugt, an die Stelle einer fehlenden Regelung für 2009 den Grundsatzbeschluss des Vorstandes vom 4.3.2009 zu setzen. Die Regelungen seien im HVV selbst zu treffen. Für das Jahr 2009 sei somit auf die allgemeine Regelung durch den EBewA mit Beschluss vom 27.2.2009, Teil A Punkt 4, abzustellen. Danach habe eine Praxisbesonderheit im Einzelfall auch bei einer Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von unter 30 % festgestellt werden können; feste Grenzwerte seien nicht vorgegeben gewesen. Dem Kläger sei aus Sicherstellungsgründen ein Fallwertzuschlag aufgrund der höheren Anzahl von Leistungen im Bereich der Besuchs- und Visitentätigkeit bei Patienten zu Hause und in Pflegeheimen nach Ziffer 01410 EBM-Ä (Ansatzhäufigkeit 8,4 % Kläger, 3,8 % Erbringerpraxen der Fachgruppe), Ziffer 01413 EBM-Ä (8,3 % Kläger, 2,3 % Erbringerpraxen der Fachgruppe) und Ziffer 01415 EBM-Ä (2,0 % Kläger, 0,6 % Erbringerpraxen der Fachgruppe) zu gewähren. Er habe zudem einen überdurchschnittlichen Anteil der Versorgung von Patienten mit Kathetern nach Ziffer 02322 EBM-Ä (7,4 % Kläger, 5,9 % Erbringerpraxen der Fachgruppe), Ziffer 02323 EBM-Ä (16,7 % Kläger, 5,3 % Erbringerpraxen der Fachgruppe). Zudem bestehe ein Schwerpunkt bei der Abklärung von Fertilitätsstörungen nach Ziffer 32013 EBM-Ä (1,8 % Kläger, 0,8 % Erbringerpraxen der Fachgruppe). Richtigerweise könne es nur auf die Sicherstellung im Planungsbereich K. ankommen, sodass der Vergleich der Ansatzfrequenz noch deutlich höher zugunsten des Klägers ausfallen würde. Soweit das LSG ausführe, Besuchsleistungen seien nicht RLV-relevant, übersehe es, dass für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten nicht nur auf Leistungen aus dem budgetierten Bereich abzustellen sei.

27

Ferner sei ihm das RLV für das Quartal II/2009 verspätet zugewiesen worden. Daher stehe ihm ein höheres RLV zu, dass auf der Grundlage von Fallzahlen und Fallwerten aus vorangegangenen Quartalen zu berechnen sei.

28

Ferner halte er daran fest, dass die fehlende Umsetzung der Vorgaben in § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V, wonach "Alter" und "Geschlecht" gleichwertig als Morbiditätskriterien nebeneinander stünden, rechtswidrig sei.

29

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 8.11.2016 (L 4 KA 44/14 und L 4 KA 45/14) aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen die Urteile des SG Kiel vom 12.2.2014 (S 16 KA 1155/13 und S 16 KA 1156/13) zurückzuweisen.

30

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

31

Gesonderte Regelungen für das Wachstum unterdurchschnittlich abrechnender Altpraxen seien im Hinblick auf die Honorarverteilungssystematik entbehrlich, da jeder Arzt die Möglichkeit habe, durch Fallzahlerhöhungen innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren den Durchschnitt der Fachgruppe zu erreichen. Für das vom Kläger darüber hinausgehend geltend gemachte Wachstum zum Durchschnittsüberschuss gebe es keine Grundlage. Hieran ändere auch die Überversorgung im Planungsbereich K. nichts. Das BSG habe stets betont, dass dem Vertragsarzt im Hinblick auf Berufsfreiheit und Honorarverteilungsgerechtigkeit die Chance bleiben müsse, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder durch bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern. Das wirtschaftliche Risiko bleibe beim Vertragsarzt und es obliege auch nicht der KÄV, durch Honorarverteilungsregelungen regulierend in den Markt einzugreifen.

32

Hinsichtlich der Anerkennung von Praxisbesonderheiten sei in den HVV eine Regelung aufgenommen worden, die im Einklang mit dem insoweit maßgebenden Beschluss des EBewA vom 27.2.2009 stehe. Dass die Gesamtvertragspartner nicht von der dort eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, eine Regelung zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten bei einer Überschreitung des Fallwertes der Arztgruppe um weniger als 30 % zu treffen, sei nicht zu beanstanden.

33

Entgegen der Auffassung des LSG seien Praxisbesonderheiten nicht bereits bei der Zuweisung von RLV zu berücksichtigen. Die Gesamtvertragspartner hätten sich auf ein Antragsverfahren zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten in einem gesonderten Verwaltungsverfahren verständigt. Auch seien Zahlungsansprüche bei einer nachträglichen Erhöhung des RLV gemäß § 87b Abs 5 Satz 5 SGB V rückwirkend zu erfüllen. Wenn entsprechende Anträge nicht gestellt oder bestandskräftig abgelehnt worden seien, seien Praxisbesonderheiten oder Härtefallgesichtspunkte, für die ebenfalls ein Antragserfordernis bestehe, im Rahmen angefochtener Honorarabrechnungen folglich nicht zu prüfen. Es handele sich bei der isolierten Bescheidung von Anträgen auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten bzw Härtefällen um die isoliert anfechtbare Festlegung von Bemessungsgrundlagen, die bei der Ermittlung des Honoraranspruchs heranzuziehen seien.

34

Der Senat hat die Verfahren B 6 KA 7/17 R und B 6 KA 8/17 R mit Beschluss vom 3.7.2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen B 6 KA 7/17 R verbunden.

Entscheidungsgründe

35

Die Revision des Klägers hat insofern Erfolg, als die Beklagte verpflichtet wird, über das Honorar des Klägers im Quartal I/2010 unter Beachtung der Geltung des für das Quartal I/2010 vorläufig zugewiesenen Regelleistungsvolumens in Höhe von 11 871,60 Euro bis einschließlich 4.2.2010 erneut zu entscheiden. Im Übrigen bleibt die Revision erfolglos.

36

1. Rechtsgrundlage der hier maßgebenden Regelungen zur Vergütung von Vertragsärzten ist § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V in der vom 1.7.2008 bis 22.9.2011 geltenden und deshalb in den streitbefangenen Quartalen anzuwendenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378; im Folgenden: aF). Danach wurden die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1.1.2009 von den KÄVen auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 SGB V vergütet. Dieser Vergütung lag die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die jeweilige KÄV zu zahlende Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV (§ 87a Abs 3 Satz 1 SGB V) zugrunde. Nach § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V in der genannten Fassung waren zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen. Ein RLV in diesem Sinne war nach § 87b Abs 2 Satz 2 SGB V aF die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 SGB V aF enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten war. Abweichend von § 87b Abs 1 Satz 1 SGB V war die das RLV überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten(§ 87b Abs 2 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V aF). Nach § 87b Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V aF waren die Werte für die RLV nach § 87b Abs 2 SGB V aF morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Die Morbidität nach Satz 1 war gemäß § 87b Abs 2 Satz 6 SGB V aF mit Hilfe der Morbiditätskriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen. Die Aufgabe, bundeseinheitliche Vorgaben für die Honorarverteilung zu treffen, welche von den regionalen HVV-Partnern zu beachten waren, war dem BewA - zusätzlich zu seiner originären Kompetenz der Leistungsbewertung nach § 87 Abs 2 SGB V - übertragen worden(BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 6 KA 34/14 R - BSGE 119, 231 = SozR 4-2500 § 87b Nr 7 RdNr 25 mwN). Nach § 87b Abs 4 Satz 1 SGB V aF hatte der BewA erstmalig bis zum 31.8.2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V aF sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten zu bestimmen.

37

Seinem hierauf gründenden Regelungsauftrag ist der EBewA für den streitbefangenen Zeitraum durch den - in der Folge mehrfach geänderten - Beschluss nach § 87 Abs 4 SGB V in seiner 7. Sitzung am 27./28.8.2008 (DÄ 2008, A-1995) mit Wirkung vom 1.9.2008 nachgekommen. Nach Teil F Ziffer 1.2.1 des vorgenannten Beschlusses werden die RLV nach Maßgabe von Teil F Ziffern 2 und 3 für das jeweilige Abrechnungsquartal ermittelt. Den Rechenweg für die Bestimmung des arztindividuellen RLV hat der EBewA in der Anlage 2 zu Teil F Ziffer 1 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 wie folgt vorgegeben: Zunächst ist anhand der im Beschluss festgelegten Berechnungsformel und auf der Grundlage des (angepassten) Vergütungsvolumens 2007 das "vorläufige RLV-Vergütungsvolumen" - getrennt nach hausärztlichem und fachärztlichem Versorgungsbereich - zu ermitteln und sodann aus diesem unter Vornahme vorgegebener Abzüge (insbesondere für abgestaffelte Leistungen, erwartete Zahlungen für Neupraxen, für Ärzte und Einrichtungen, die kein RLV erhalten, sowie der Vergütungen des Jahres 2007 für bestimmte Leistungen, im hausärztlichen Bereich auch für zu erwartende Zahlungen für Qualitätszuschläge) das jeweilige "RLV-Vergütungsvolumen" eines Versorgungsbereichs zu bilden (Ziffer 2). Gemäß der unter Teil F Ziffer 3 vorgegebenen Formel ist anschließend der arztgruppenspezifische Anteil hieran zu berechnen, und gemäß Teil F Ziffer 4 der arztgruppenspezifische Fallwert. Die Multiplikation dieses Fallwertes mit der Fallzahl des Arztes (Ziffer 5) sowie eine morbiditätsbezogene Differenzierung nach Altersklassen gemäß der unter Ziffer 6 aufgeführten Formel ergibt dann unter Anwendung der konkreten (regionalen) Berechnungsformel das arztindividuelle RLV. Vereinfacht dargestellt ergibt sich die Höhe des arzt- und praxisbezogenen RLV damit aus der Multiplikation der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert. Ferner sollten die Partner der Gesamtverträge gemäß Teil F Ziffer 3.6 Regelungen für Praxisbesonderheiten und gemäß Teil F Ziffer 3.7 Regelungen als Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten schaffen.

38

Die für den Bezirk der beklagten KÄV geschlossene Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2010 nimmt in Teil D Ziffer 1.2 für die Berechnung der RLV Bezug auf die Vorgaben der Beschlüsse des EBewA Teil F nebst Anlagen 1 und 2, soweit nichts abweichendes bestimmt ist.

39

2. Die dargestellten gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte bei der Festsetzung der RLV des Klägers zutreffend umgesetzt und dieses RLV in nicht zu beanstandender Weise der Bemessung des Honorars zugrunde gelegt. Anhaltspunkte für Fehler bezogen auf die Berechnung des RLV oder die Honorarberechnung sind auch unter Berücksichtigung des umfangreichen Vorbringens des Klägers nicht ersichtlich.

40

a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist sein Honorar nicht deshalb fehlerhaft zu niedrig festgesetzt worden, weil die Vorgabe aus § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF nicht umgesetzt worden wäre. Wie oben dargelegt, war die bei der Festlegung der RLV zu berücksichtigende Morbidität gemäß § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF mit Hilfe der Morbiditätskriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen. In seinem Beschluss vom 27./28.8.2008 hat der EBewA dazu unter Teil F Nr 3.2.2 festgestellt, dass das abgerechnete Volumen durch das Kriterium "Geschlecht" nicht signifikant beeinflusst wird. Dementsprechend konnte der EBewA die gesetzlichen Vorgaben nur umsetzen, indem er dem Geschlecht keinen Faktor oder - gleichbedeutend - den Faktor 1,0 zuordnet. Eine Vorgabe dahin, dass der BewA fiktiv von anderen als den tatsächlich bestehenden Verhältnissen auszugehen hätte, kann § 87b Abs 2 Satz 6 SGB V aF nicht entnommen werden(vgl bereits BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 4/13 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 29).

41

b) Auch die Konvergenzregelungen, die mit der Neugestaltung des Vergütungssystems zum 1.1.2009 eingeführt worden sind, verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dabei kann offen bleiben, ob die vom BewA und von den Gesamtvertragspartnern getroffenen Regelungen zur Begrenzung überproportionaler Honorarverluste insgesamt rechtmäßig sind. Nach § 87b Abs 3 Satz 5 SGB V(idF des GKV-WSG) können Anteile der Gesamtvergütung für die Bildung von Rückstellungen zur Berücksichtigung einer Zunahme von an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, für Sicherstellungsaufgaben und zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten verwendet werden. Der EBewA hat in seiner 7. Sitzung am 27./28.8.2008 unter Teil F einen Beschluss zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V aF gefasst(DÄ 2008, A-1988). In Teil F Ziffer 3.7 ermächtigte er die Partner der Gesamtverträge zu Ausgleichszahlungen im Fall von Honorarverlusten um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal, die durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet waren, dass extrabudgetäre Leistungen nicht fortgeführt worden waren. Mit Beschlüssen vom 15.1.2009 (DÄ 2009, A-308) und vom 27.2.2009 (DÄ 2009, A-574) machte der EBewA weitere Vorgaben zum Ausgleich überproportionaler Honorarverluste und übertrug den Gesamtvertragspartnern die nähere Ausgestaltung. Für Schleswig-Holstein vereinbarten die Vertragspartner des HVV eine Begrenzung der Verluste und Gewinne, wobei der Kläger von der Verlustbegrenzung auf maximal 12 % in den Quartalen I/2010 und II/2010 profitierte. Allerdings ist der Honorarbescheid II/2010 nicht Gegenstand des vorliegenden, sondern eines unter dem Aktenzeichen S 16 KA 30/14 R beim SG Kiel anhängigen Verfahrens, sodass über die Rechtmäßigkeit der Konvergenzregelung bezogen auf das Quartal II/2010 hier nicht zu entscheiden ist. Ob die von den Gesamtvertragspartnern getroffene Regelung zur Begrenzung von Gewinnen mit höherrangigem Recht vereinbar ist (vgl zu dieser Problematik, allerdings bezogen auf eine abweichende Fallgestaltung: BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 47/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 3 RdNr 16 ff), kann hier dahingestellt bleiben, weil sie auf den Kläger wegen der in allen streitgegenständlichen Quartalen eingetretenen Honorarverluste keine Anwendung gefunden hat.

42

3. Der Umstand, dass der Kläger im Vergleich zu anderen im Bezirk der Beklagten niedergelassenen Urologen in erheblich unterdurchschnittlichem Umfang vertragsärztliche Leistungen abrechnet, begründet keinen Anspruch auf Erhöhung des RLV oder auf ein höheres Honorar. Der Vergütungsanspruch des Vertragsarztes ist grundsätzlich auf die angemessene und leistungsgerechte Teilhabe an der von den Krankenkassen an seine KÄV entrichteten MGV entsprechend Art und Umfang der von ihm erbrachten und abrechnungsfähigen Leistungen nach Maßgabe der geltenden Verteilungsregelungen begrenzt (vgl BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 6/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 63 RdNr 13, 25 mwN). Für eine Verpflichtung der Vertragspartner auf Bundesebene, die Kostenstrukturen kleinerer Praxen unabhängig von Fragen der Sicherstellung der Versorgung besonders zu berücksichtigen, gibt es keine Grundlage (zu Laborpraxen vgl BSG Urteil vom 11.10.2006 - B 6 KA 46/05 R - BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, RdNr 37). Auch soweit der Kläger im Berufungsverfahren einen Mindestfallwert begehrt hat, der zumindest die Ordinationsgebühr und die Leistung Sonografie abdecken müsse, besteht hierauf kein Anspruch. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 11.12.2013 (B 6 KA 6/13 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 29) entschieden hat, ist eine KÄV nicht verpflichtet, das RLV eines Vertragsarztes so zu bemessen, dass die wesentlichen Leistungen seines Fachgebiets rechnerisch in jedem Behandlungsfall mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden.

43

4. Der Kläger wird durch die im Bezirk der beklagten KÄV geltenden Regelungen auch nicht rechtswidrig in seinen Wachstumsmöglichkeiten eingeschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung müssen umsatzmäßig unterdurchschnittliche Praxen allerdings die Möglichkeit haben, durch Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (vgl zB BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 24 ff; BSG Urteil vom 21.10.1998 - B 6 KA 71/97 R - BSGE 83, 52, 59 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 208 f; BSG Urteil vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R- BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, RdNr 19 mwN). Der Vertragsarzt muss die Chance haben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (stRspr, vgl BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 32/12 R -; BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr 76, RdNr 49; BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 17; BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 24; BSG Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 14; BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 6 KA 4/15 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 34). Die Wachstumsmöglichkeiten dürfen sich nicht auf Praxen in der Aufbauphase beschränken, sondern sind auch auf bereits etablierte Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz zu beziehen (vgl BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 6 KA 4/15 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 34; BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 25 mwN). Während Praxen in der Aufbauphase ein sofortiges Wachstum auf den Fachgruppendurchschnitt möglich sein muss, ist es bezogen auf andere unterdurchschnittlich abrechnende Praxen ausreichend, wenn der Fachgruppendurchschnitt binnen fünf Jahren erreicht werden kann (BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 29 mwN).

44

Diesen Vorgaben werden die in Teil F des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 und im HVV der Beklagten getroffenen Regelungen zur Wachstumsmöglichkeit von Praxen gerecht:

45

a) Nach Teil F Ziffer 3.5 des og Beschlusses des EBewA beschließen die Partner der Gesamtverträge für Neuzulassungen von Vertragsärzten und die Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Gesamtvertragspartner. Die für den Bezirk der beklagten KÄV geschlossene Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2010 enthält unter Teil D Ziffer 2.1 eine entsprechende Sonderregelung für Praxen in der Wachstumsphase, die innerhalb des abzurechnenden Quartals weniger als fünf Jahre niedergelassen sind und deren RLV-relevante Fallzahl unterdurchschnittlich ist. Diesen Ärzten werden die Leistungen bis zu einer individuellen Obergrenze aus individueller Fallzahl bis maximal zur durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe und RLV-Fallwert der Arztgruppe nach der Euro-Gebührenordnung vergütet.

46

Auf den Kläger findet diese für Praxen in der Aufbauphase geschaffene Regelung keine Anwendung, da er seine vertragsärztliche Praxis in den streitgegenständlichen Quartalen bereits seit mehr als fünf Jahren geführt hatte. Die Praxis des Klägers ist somit keine Aufbaupraxis, sondern eine sonstige unterdurchschnittlich abrechnende Praxis. Sein Honorar lag in den hier maßgebenden Quartalen nur wenig über der Hälfte des Fachgruppendurchschnitts. So erzielte er im Quartal I/2010 ein Honorar in Höhe von 25 940 Euro, während der Fachgruppendurchschnitt bei 48 600,92 Euro lag.

47

Damit ist es grundsätzlich ausreichend, dass er die Möglichkeit hat, den Fachgruppendurchschnitt innerhalb von fünf Jahren zu erreichen. Diesen Anforderungen werden die hier maßgebenden Vorschriften zur Honorarverteilung gerecht, ohne dass es dazu einer Sonderregelung bedarf. Die og Anforderungen zu den Wachstumsmöglichkeiten kleiner Praxen gelten unabhängig von der Ausgestaltung der Honorarverteilung und der Art der Begrenzungsregelung (BSG Urteil vom 3.2.2010 - B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 50 RdNr 16)und damit auch für die Festlegung von RLV (BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 32/12 R = BSGE 113, 298 = SozR 4-2500 § 85 Nr 76, RdNr 50). Anders als etwa bei Individualbudgets, die an das Honorar einer Praxis in einem vorangegangenen Abrechnungsquartal anknüpfen, kann der Arzt sein Budget unter Geltung der RLV aber bereits durch eine Erhöhung seiner Fallzahl bis zum Durchschnitt der Fachgruppe und auch darüber hinaus steigern. Da das RLV des einzelnen Arztes nach Anlage 2 Nr 5 des Beschlusses vom 27/28.8.2008 im Grundsatz durch die Multiplikation des arztgruppenspezifischen Fallwertes mit der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal berechnet wird, führt eine Erhöhung der Fallzahl zu einer entsprechenden Erhöhung des RLV im entsprechenden Quartal des Folgejahres. Der Umstand, dass sich eine Erhöhung der Fallzahlen nicht im aktuellen Quartal, sondern jeweils erst im entsprechenden Quartal des Folgejahres in Form einer Erhöhung des RLV auswirkt, ist nicht zu beanstanden. Ausschlaggebend ist, dass der Fachgruppendurchschnitt auch unter Berücksichtigung eines solchen "Moratoriums" innerhalb von fünf Jahren realistisch und in effektiver Weise erreicht werden kann (BSG Urteil vom 28.1.2009 - B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 32 f; vgl BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 39, 41). Das ist hier der Fall. Der Kläger hat eine Erhöhung des RLV nur deshalb nicht erreicht, weil er seine Patientenzahlen - nach seinen Darlegungen aufgrund der Konkurrenzsituation (vgl dazu nachfolgend c), RdNr 51 ff) - tatsächlich nicht wesentlich steigern konnte.

48

b) Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 28.1.2009 (B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 27) erwogen hat, ob eine Steigerungsmöglichkeit auch in der Form gewährt werden kann oder muss, dass anstelle eines Fallzahlzuwachses (oder zumindest gleichberechtigt daneben) auch Fallwertsteigerungen zu berücksichtigen sind, hat er in einer Entscheidung vom 17.2.2016 (B 6 KA 4/15 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 85 RdNr 35; vgl auch BSG Beschluss vom 28.6.2017 - B 6 KA 89/16 B - RdNr 9; Clemens in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 3. Aufl 2013, Kap 13 RdNr 268; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 10/2016, K § 85 RdNr 256g) klargestellt, dass eine solche Verpflichtung nur in besonderen Fallkonstellationen in Betracht kommen kann, etwa im Zusammenhang mit einer Änderung der Praxisausrichtung. Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte. Neben der Fallzahl lag auch der Fallwert der klägerischen Praxis im hier maßgebenden Zeitraum unter dem Durchschnitt der Fachgruppe.

49

Der Kläger möchte eine Leistungsmengensteigerung und eine Steigerung seines individuellen Fallwertes belegen, indem er seinen arztindividuellen Fallwert, den er durch Division der eigenen Honorarforderung im RLV-Bereich durch die eigene RLV-relevante Fallzahl berechnet, mit dem arztgruppenspezifischen RLV-Fallwert seiner Arztgruppe vergleicht. Der arztgruppenspezifische Fallwert spiegelt aber nicht das tatsächliche Leistungsgeschehen in der Arztgruppe im Durchschnitt wider, sondern ist Ergebnis der vom EBewA in Anlage 2 Nr 4 zum Beschluss vom 27./28.8.2008 vorgegebenen Rechenoperation. Eine Fallwertüberschreitung im Verhältnis zum durchschnittlichen Gruppenfallwert lag beim Kläger nach den gemäß § 163 SGG für den Senat bindenden Feststellungen des LSG im Quartal I/2010 nicht vor. Gesichtspunkte, die Anlass geben könnten, an deren Richtigkeit zu zweifeln, kann der Senat auch dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Wie die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid nachvollziehbar dargelegt hat, hat der Kläger den Gruppenfallwert auch im Quartal II/2010 (geringfügig) unterschritten.

50

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass einer mit höheren Fallwerten verbundenen besonderen Praxisausrichtung nach dem Beschluss des BewA vom 27/28.8.2008 sowie dem für den Bezirk der Beklagten vereinbarten HVV, ua durch die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten Rechnung zu tragen war. Dass der Kläger von diesen Regelungen nicht profitiert, ist darauf zurückzuführen, dass keine im vorliegenden Zusammenhang maßgebenden Praxisbesonderheiten vorliegen (vgl dazu nachfolgend 5., RdNr 56).

51

c) Im Übrigen macht der Kläger nicht in erster Linie geltend, dass er an einem Wachstum gerade durch die Regelungen zur Honorarverteilung gehindert würde, sondern dass er den Umfang seiner Tätigkeit aufgrund einer zunehmenden Überversorgung mit Urologen in dem Planungsbereich, in dem er seinen Sitz hat, nicht wesentlich habe steigern können.

52

Zutreffend ist, dass der Kläger weder seine Fallzahlen noch seinen Fallwert nennenswert gesteigert hat. Soweit der Kläger dabei einen Zusammenhang mit - aus seiner Sicht ungerechtfertigten - Sonderbedarfszulassungen herstellt, ist schon nicht deutlich geworden, ob solche in den letzten Jahren in seinem Planungsbereich (Stadt K.) erteilt worden sind. Der Hinweis auf eine aktuelle Sonderbedarfszulassung eines Urologen in N. geht an der Sache vorbei. Wenn in dem Planungsbereich N. trotz genereller Überversorgung für die Stadt N. ein Versorgungsdefizit bestehen sollte, läge auf der Hand, dass eine Sonderbedarfszulassung dort nicht mit der Begründung abgelehnt werden kann, in der 35 km entfernten Stadt K. stünden mehrere unterdurchschnittlich ausgelastete urologische Praxen zur Verfügung, die Patienten aus N. übernehmen könnten.

53

Feststellungen zu der Frage, ob sich der Grad der Überversorgung in dem Planungsbereich tatsächlich in den letzten Jahren erhöht hat, hat das LSG nicht getroffen und auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen kann auch nicht beurteilt werden, ob etwaige Entscheidungen der Zulassungsgremien rechtmäßig sind. Darauf kommt es für die vorliegende Entscheidung indes nicht an. Selbst wenn dem Kläger durch die Zulassung weiterer Vertragsärzte wirtschaftliche Nachteile entstanden sein sollten, wäre die Beklagte nicht verpflichtet, dies durch Gewährung zusätzlichen Honorars auszugleichen. Es existieren weder gesetzliche noch verfassungsrechtliche Bestimmungen, die es gebieten würden, die fehlende Auslastung einer Praxis aufgrund geringer Patientenzahlen und daraus folgende geringe Honorarforderungen - losgelöst von Fragen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung oder von einzelfallbezogenen Härten - durch Ausgleichsregelungen bei der Honorarverteilung dauerhaft zu kompensieren. Ein subjektives Recht auf Ausgleich der durch die Konkurrenz bedingten Einkommenseinbußen gibt es nicht, und auch Grundrechte gewähren kein Recht auf Fernhaltung von Konkurrenz (BSG Urteil vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 23).

54

Wie das BSG bereits im Zusammenhang mit der Anfechtungsbefugnis bei Konkurrentenklagen entschieden hat, dienen die Vorschriften zur Bedarfsplanung nicht dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der bereits niedergelassenen Vertragsärzte, sondern der Sicherung der Leistungsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung als Gemeinwohlaufgabe (BSG Urteil vom 7.2.2007 - B 6 KA 8/06 R - BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 16, 21; vgl auch BVerfG Beschluss vom 27.4.2001 - 1 BvR 1282/99 - MedR 2001, 639 RdNr 9). Auch das GG garantiert umfassenden Rechtsschutz nur unter der Voraussetzung, dass die Verletzung einer Rechtsposition geltend gemacht wird, die die Rechtsordnung im Interesse des Einzelnen gewährt. Welche Rechte der Einzelne danach geltend machen kann, bestimmt sich - abgesehen von Grundrechten und sonstigen verfassungsmäßigen Rechten - nach den Regelungen des einfachen Rechts (BVerfG Beschluss vom 23.5.2006 - 1 BvR 2530/04 - BVerfGE 116, 1, 11; BVerfG Beschluss vom 9.1.1991 - 1 BvR 207/87 - BVerfGE 83, 182 f, jeweils mwN).

55

Wenn die wirtschaftlichen Interessen des Klägers dagegen nicht durch die Erteilung regulärer Zulassungen, sondern durch Sonderbedarfszulassungen oder Ermächtigungen wesentlich beeinträchtigt worden sein sollten, hätte er wegen des Vorrangs seiner Zulassung grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, mit Widerspruch und Klage gegen die Entscheidung der Zulassungsgremien vorzugehen, um rechtswidrige Entscheidungen zu verhindern (vgl BVerfG Beschluss vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4). Die zur Verwirklichung des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 GG erforderliche angemessene Verfahrensgestaltung ist damit gewährleistet. Soweit subjektive Rechte des Klägers durch Zulassungsentscheidungen nicht verletzt werden, er von der Möglichkeit, gegen rechtswidrige Zulassungsentscheidungen vorzugehen keinen Gebrauch macht oder sich die Entscheidung der Zulassungsgremien als rechtmäßig erweist, hat er keine rechtlichen Möglichkeiten, gegen die dadurch möglicherweise bedingten Einkommenseinbußen vorzugehen. Vielmehr muss er sich darum bemühen, die Auslastung seiner Praxis etwa durch ein besonders attraktives Angebot (bezogen auf Praxisausstattung, Praxisorganisation, Öffnungszeiten, ua) zu steigern und dadurch seine Position im Wettbewerb mit anderen zugelassenen Vertragsärzten zu verbessern. Zwar findet die Berufsausübung des Vertragsarztes in einem staatlich regulierten Markt statt (BVerfG Beschluss vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 24; BVerfG Urteil vom 20.3.2001 - 1 BvR 491/96 - BVerfGE 103, 172, 185 ff = SozR 3-5520 § 25 Nr 4) und das System der Bedarfsplanung bedingt - auch wenn darin nicht das primäre Ziel liegt - dass dieser nicht in gleichem Maße wie andere freiberuflich tätige Berufsgruppen der Konkurrenz ausgesetzt ist (vgl BVerfG Beschluss vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 - SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 21). Andererseits ist auch die Tätigkeit des Vertragsarztes durch ein erhebliches Maß an Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht geprägt. Dementsprechend bestimmt § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV, dass der Vertragsarzt seine Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben hat(vgl BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 38/15 R - BSGE = SozR 4-2500 § 75 Nr 18, RdNr 102). Kennzeichnend für die freiberufliche Tätigkeit des Vertragsarztes ist, dass er das wirtschaftliche Risiko der Praxis trägt (BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 37 f). Dies verkennt der Kläger, wenn er geltend macht, dass es ihm gerade wegen der unbefriedigenden Erlössituation nicht möglich sei, die Attraktivität seiner Praxis etwa durch weitere Investitionen in die Praxisausstattung zu steigern und dass die dadurch bedingten Einkommenseinbußen durch besondere Regelungen zum Honoraranspruch kleiner Praxen kompensiert werden müssten. Auch wenn es dem Kläger ohne eigenes Verschulden nicht gelingt, die Attraktivität seiner Praxis zu steigern und dadurch die Fallzahlen zu erhöhen, gibt es keine Verpflichtung der beklagten KÄV, dies durch eine entsprechende Ausgestaltung des Honorarsystems zu kompensieren. Der BewA sowie die Partner des HVV dürften nicht einmal berechtigt gewesen sein, Regelungen zu treffen, mit denen kleine Praxen mit niedrigen Patientenzahlen unabhängig von Sicherstellungserfordernissen dauerhaft gestützt werden, weil dies mit dem gesetzlich vorgegebenen System der RLV grundsätzlich nicht zu vereinbaren ist (für den hier maßgebenden Zeitraum der Jahre 2009 bis 2011 vgl BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 47/12 R - zu der für Abrechnungszeiträume bis zum 31.12.2008 maßgebenden Rechtslage vgl bereits BSG Urteil vom 18.8.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 38 ff; BSG Urteil vom 6.2.2013 - B 6 KA 13/12 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 73). Darauf kommt es hier indes nicht an; entscheidend ist, dass jedenfalls keine entsprechende Verpflichtung des Gesetzgebers oder der untergesetzlichen Normgeber bestand.

56

5. Der Kläger kann auch nicht aufgrund von Praxisbesonderheiten oder aufgrund einer Härteklausel ein höheres RLV bzw ein höheres Honorar beanspruchen. Der Senat ist zwar nicht an einer inhaltlichen Prüfung gehindert (a). Praxisbesonderheiten (b) oder ein Härtefall (c) liegen jedoch nicht vor.

57

a) Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage bezogen auf die geltend gemachten Praxisbesonderheiten und die Härtefallentscheidung nicht bereits deshalb als unzulässig abzuweisen ist, weil es an entsprechenden Verwaltungsentscheidungen fehlen würde. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid im Zusammenhang mit der Frage der Rechtmäßigkeit der RLV-Zuweisung und der Honorarhöhe auch zu der Frage Stellung genommen, ob Praxisbesonderheiten oder ein Härtefall vorliegen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Widerspruchsbescheid auch nicht mit der Begründung als teilweise fehlerhaft anzusehen, dass es insoweit an einem Ausgangsbescheid fehlen würde (zu einer solchen Konstellation vgl BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 2 U 15/10 R - SGb 2012, 178 RdNr 13; BSG Urteil vom 30.3.2004 - B 4 RA 48/01 R - Juris RdNr 14 f). Die Beklagte durfte die Frage, ob das RLV bzw das Honorar aufgrund von Praxisbesonderheiten oder eines Härtefalles zu erhöhen war, zum Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens machen, obwohl im Ausgangsbescheid zu dieser Frage nicht ausdrücklich Stellung genommen wird und obwohl gesonderte Entscheidungen dazu im laufenden Widerspruchsverfahren allein bezogen auf die (hier nicht streitgegenständlichen) Quartale I und II/2009 ergangen sind.

58

Dem steht nicht die Rechtsprechung des Senats entgegen, nach der die Zuweisung des RLV ebenso wie andere Bemessungsgrundlagen für die Honorarfestsetzung gesondert durch Bescheid festgestellt werden können (vgl BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 10 mwN). Aus dem Umstand, dass die Möglichkeit zur Klärung von Bemessungsgrundlagen in einem gesonderten Verwaltungsverfahren besteht, kann nicht geschlossen werden, dass die Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren in jedem Fall getrennt geführt werden müssten. Das gilt auch für die Entscheidung über das Vorliegen eines Härtefalles (aA Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 10/2016, § 85 RdNr 257j, § 87b RdNr 114). Zwar ist der Senat in einem Urteil vom 9.12.2004 (B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2 RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 8.2.2006 - B 6 KA 25/05 R - BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23 RdNr 39) davon ausgegangen, dass ein gesonderter Bescheid, der das Vorliegen eines Härtefalles zum Gegenstand hat, nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Verwaltungsverfahrens oder nach § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird, das die Rechtmäßigkeit eines Honorarbescheides zum Gegenstand hat. Die Besonderheit dieses Falles bestand jedoch darin, dass der Honorarverteilungsmaßstab eine Entscheidung über den Härtefall auf gesonderten Antrag vorsah und dass bei Vorliegen eines Härtefalles "Sonderzahlungen" geleistet wurden, über die nach dem dort maßgebenden HVM erst nach der Entscheidung über den Honoraranspruch entschieden werden konnte. Vorliegend hat die Beklagte dagegen nach Teil D Ziffer 4.4.1 der für den Bezirk der beklagten KÄV geschlossene Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2010 antragsunabhängig über das Vorliegen eines Härtefalles zu entscheiden. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten erfolgt nach Teil D Ziffer 4.4.2 der Vereinbarung zwar antragsabhängig. Ausschlaggebend ist indes, dass die Anerkennung eines Härtefalles - ebenso wie die Anerkennung von Praxisbesonderheiten - keinen Anspruch auf eine Sonderzahlung auslöst, sondern dass es sich dabei um einen von mehreren Faktoren handelt, die Bedeutung für die Höhe des RLV bzw des Honoraranspruchs haben. Da die Höhe des RLV bzw des Honoraranspruchs Gegenstand der Ausgangsbescheide ist, hat die Beklagte die Möglichkeit, auch die - hier vom Kläger bereits in der Widerspruchsbegründung ausdrücklich angesprochenen - Fragen zum Vorliegen von Praxisbesonderheiten und eines Härtefalles zum Gegenstand des Widerspruchsbescheides zu machen. Für eine solche Entscheidung ist nach der Verfassung der KÄV deren Vorstand zuständig.

59

b) Die Entscheidung der Beklagten, bei Festsetzung des RLV des Klägers keine Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen, ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

60

Nach § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V aF sind "Praxisbesonderheiten"(zum Begriff im Rahmen der Honorarverteilung vgl BSG Urteil vom 22.6.2005 - B 6 KA 80/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35) zu berücksichtigen, soweit Veranlassung dazu besteht. Das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V aF - und damit auch zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten nach Abs 3 Satz 3 - bestimmt nach § 87b Abs 4 Satz 1 SGB V aF erstmalig zum 31.8.2008 der Bewertungsausschuss. In Umsetzung dieser Vorgabe bestimmt Teil F Ziffer 3.6 Sätze 1 bis 3 des Beschlusses vom 27/28.8.2008, dass Praxisbesonderheiten zwischen den Partnern der Gesamtverträge geregelt werden. Praxisbesonderheiten ergeben sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliegt. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Nach Teil A Ziffer 4 des Beschlusses des EBewA aus seiner 10. Sitzung vom 27.2.2009 (DÄ 2009, A-574 f) können die Partner der Gesamtverträge aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung abweichend von diesem Grenzwert (Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe in Höhe von mindestens 30 %) im Einzelfall eine Praxisbesonderheit feststellen, obwohl die so vorgegebene Überschreitung nicht vorliegt.

61

Von der Möglichkeit zu einer solchen abweichenden Feststellung haben die Gesamtvertragspartner in Schleswig-Holstein keinen Gebrauch gemacht, sodass es bei der durch den BewA festgelegten Grenze der Überschreitung des Fallwertes der Arztgruppe um mindestens 30 % bleibt. Zur weiteren Umsetzung haben sie unter Teil D Ziffer 4.4.2 der für den Bezirk der beklagten KÄV geschlossene Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2010 vereinbart, dass der Arzt für Praxisbesonderheiten Zuschläge auf den durchschnittlichen Fallwert der Arztgruppe beantragen kann. Der Antrag soll die Leistungen unter Angabe der EBM-Ä-Ziffern benennen, in denen sich die Praxisbesonderheit ausdrückt. Praxisbesonderheiten können sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliegt.

62

Es bedarf hier keiner Auseinandersetzung mit der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, ob die Grenzziehung bei einer Überschreitung des Gruppenfallwertes um mindestens 30 % rechtmäßig ist. Der Anerkennung von Praxisbesonderheiten steht jedenfalls entgegen, dass der Fallwert des Klägers den Durchschnitt der Fachgruppe nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, in den hier maßgebenden Quartalen nicht überschreitet. Es liegt auf der Hand, dass eine Anhebung des RLV aufgrund von Praxisbesonderheiten jedenfalls ausgeschlossen ist, wenn der Arzt den durchschnittlichen Fallwert der Fachgruppe - wie hier - nicht überschreitet, sondern dahinter zurückbleibt.

63

c) Der Kläger kann schließlich auch nicht unter Härtegesichtspunkten ein höheres Honorar beanspruchen.

64

Nach Teil D Ziffer 4.4.1 der für den Bezirk der Beklagten geschlossenen Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2010 gilt eine Praxis insbesondere dann als Härtefall, wenn eine unangemessene Auswirkung der Abstaffelungsregelung bei Bildung der RLV je Arzt vorliegt, oder wenn das Gesamthonorar je Arzt mindestens 15 % gegenüber dem entsprechenden Quartal des Jahres 2008 gefallen ist und die Einbuße auf einer Inhomogenität gegenüber der RLV-Gruppenbildung beruht.

65

Eine Reduzierung des Gesamthonorars um mindestens 15 % ist bei dem Kläger bereits aufgrund der og Konvergenzregelungen nicht eingetreten, die die Verluste in den streitbefangenen Quartalen auf maximal 12 % begrenzen. Damit werden existenzbedrohende Honorarminderungen ausgeschlossen. Dass es erforderlich sein könnte, das RLV des Klägers aus Gründen der Sicherstellung zu erhöhen, steht ebenfalls nicht in Frage. Soweit der Kläger eine spezielle Ausrichtung seiner Praxis unter Hinweis auf erbrachte Allgemeine Laboruntersuchungen nach Ziffer 32013 EBM-Ä (Diagnostik und Therapie von Fertilitätsstörungen) geltend macht, steht einer Berücksichtigung nicht nur der geringe Anteil der Behandlungsfälle entgegen, in denen er diese Leistung abgerechnet hat, sondern auch der Umstand, dass diese nach Teil F Abschnitt I Ziffer 2.2 iVm Anlage 2 Nr 2 Buchst b zu Teil F des Beschlusses des BewA vom 22.9.2009 (DÄ 2009, A-2103) im hier maßgebenden Zeitraum nicht dem RLV unterlagen, sodass deren Erbringung von vornherein keine Erhöhung des RLV rechtfertigen kann. Weitere vom Kläger zur Begründung eines Härtefalles angeführte Leistungen betreffen arztgruppenübergreifende allgemeine Gebührenordnungspositionen. Der Kläger verweist indes selbst auf eine erhebliche Überversorgung mit Urologen im Planungsbereich seiner Niederlassung, und es gibt auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens keine Anhaltspunkte dafür, dass er Leistungen erbringen würde, die von anderen Vertragsärzten nicht in ausreichendem Umfang erbracht würden. Auch liegen keine konkreten Hinweise auf eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Praxis oder auf gravierende Verwerfungen der regionalen Versorgungsstruktur vor. Unter diesen Umständen liegt der nach ständiger Rechtsprechung (vgl BSG Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 28/14 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 84 RdNr 26 mwN; BSG Urteil vom 8.2.2012 - B 6 KA 14/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 69 RdNr 25; BSG Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 17/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 66 RdNr 29) als Voraussetzung für einen Härtefall zu fordernde unabweisbare Stützungsbedarf eindeutig nicht vor.

66

6. Der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger das RLV für die Quartale I und II/2010 nicht spätestens vier Wochen vor Beginn des Geltungszeitraums des RLV zugewiesen hat, hat nicht die Rechtswidrigkeit der Bescheide zur Folge und führt auch nicht nach § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF zur Fortgeltung des RLV aus dem Vorquartal(a). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Zuweisung für das Quartal I/2010 zunächst nur vorläufig und erst nach Quartalsbeginn mit Bescheid vom 1.2.2010 endgültig erfolgt ist (b). Teilweise rechtswidrig ist dagegen der Bescheid der Beklagten vom 1.2.2010, mit dem die Zuweisung von RLV für das Quartal I/2010 aus dem Bescheid vom 11.12.2009 nach Quartalsbeginn zu Ungunsten des Klägers geändert worden ist (c).

67

a) § 87b Abs 5 Satz 1 SGB V aF bestimmt, dass die KÄV dem Arzt das RLV spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV zuzuweisen hat. Diese Frist ist weder im Quartal I/2010 (Zuweisungsbescheid vom 11.12.2009) noch im Quartal II/2010 (Zuweisungsbescheid vom 8.3.2010) gewahrt. Wie der Senat bereits in einer Entscheidung vom 15.8.2012 (B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 18 ff, 26) im Einzelnen dargelegt hat, handelt es sich bei der genannten Vier-Wochen-Frist jedoch um eine bloße Ordnungsfrist. § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF regelt die Folgen einer nicht rechtzeitigen Zuweisung von RLV (in Gestalt einer vorläufigen Fortgeltung des RLV aus dem Vorquartal), ohne dabei an die Vier-Wochen-Frist des Satzes 1 anzuknüpfen. "Rechtzeitig" wird in § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF vielmehr mit "vor Beginn des Geltungszeitraums" gleichgesetzt. Da die RLV für die Quartale I und II/2010 hier jeweils vor Beginn des Geltungszeitraums zugewiesen wurden, ist die Zuweisung "rechtzeitig" im Sinne dieser Vorschrift erfolgt.

68

b) Dass das RLV für das Quartal I/2010 mit Bescheid vom 11.12.2009 nur vorläufig festgesetzt worden ist, hat auch nicht zur Folge, dass das RLV aus dem Vorquartal (IV/2009) nach § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF fortgelten würde. Auch eine vorläufige Festsetzung kann grundsätzlich "rechtzeitig" iS des § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF sein und damit die für den Fall der verspäteten Zuweisung vorgesehene vorläufige Fortgeltung des RLV aus dem Vorquartal ausschließen. Im Hinblick auf die mit der Einführung von RLV verbundene Zielsetzung, die Vergütung für den einzelnen Arzt kalkulierbar zu machen (vgl BT-Drucks 16/3100 S 123 zu § 85b Abs 1 und S 126 zu § 85b Abs 4 des Gesetzentwurfs; zur angestrebten Kalkulationssicherheit vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 45/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 4 RdNr 26 mwN), kann einer nur vorläufigen Festsetzung des RLV diese Wirkung allerdings nicht generell zukommen. Anderenfalls würde die in § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF getroffene Regelung, nach der das bisherige RLV im Falle einer nicht rechtzeitigen Festsetzung weitergilt, weitgehend leerlaufen. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Weitergeltung des RLV aus dem Vorquartal bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die KÄV in der Lage ist, ein RLV endgültig zuzuweisen, zu erheblichen Verwerfungen führen kann. Das gilt besonders, wenn das RLV über einen längeren Zeitraum nicht verbindlich festgelegt werden kann, weil die erforderlichen Berechnungsgrundlagen noch nicht feststehen, etwa weil sich das Zustandekommen von Vereinbarungen zur Gesamtvergütung oder zur Honorarverteilung verzögert. Zudem kann aufgrund der bekannten Rahmenbedingungen und der üblichen jahreszeitlichen Schwankungen bereits feststehen, dass das RLV im Folgequartal deutlich niedriger festzusetzen sein wird als im Vorquartal. Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass auch eine nur vorläufige Festsetzung des RLV die Fortgeltung des RLV aus dem Vorquartal nach § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF jedenfalls in solchen Fällen ausschließt, in denen die KÄV an der rechtzeitigen endgültigen Festsetzung gehindert ist, weil die erforderlichen Bemessungsgrundlagen nicht bis zum Beginn des Bemessungszeitraums feststehen. Diese Voraussetzung war hier erfüllt; die zur Festlegung des RLV erforderlichen Vereinbarungen mit den Verbänden der Krankenkassen sind erst nach Beginn des Quartals I/2010 zustande gekommen.

69

c) Teilweise rechtswidrig ist jedoch der das RLV im Quartal I/2010 betreffende Bescheid vom 1.2.2010, mit dem die Beklagte die vorläufige Festsetzung des RLV aus dem Bescheid vom 11.12.2009 nach Beginn des Quartals rückwirkend zu Ungunsten des Klägers geändert hat. Die Beklagte durfte das RLV nur für die Zeit nach Zugang des Bescheides vom 1.2.2010, nicht jedoch rückwirkend herabsetzen.

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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BSG haben Honorarbescheide grundsätzlich vorläufigen Charakter und können auch noch nachträglich korrigiert werden (sog nachgehende Berichtigung, vgl BSG Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 12; BSG Urteil vom 12.12.2001 - B 6 KA 3/01 R - BSGE 89, 90, 94 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 7; BSG Urteil vom 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R - BSGE 89, 62, 66 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 345). Die Vorschrift des § 45 SGB X findet auf die Rücknahme von Honorarbescheiden keine unmittelbare Anwendung, weil mit den Regelungen zur Honorarberichtigung(in der Vergangenheit § 45 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä aF bzw § 34 Abs 4 Satz 1 und 2 EKV-Ä; im hier maßgebenden Zeitraum des Jahres 2010 § 106a Abs 1 und 2 SGB V idF des GKV-WSG) abweichende Regelungen iS des § 37 Satz 1 SGB I bestehen(BSGE aaO). Ob die Vorschriften über die Honorarberichtigung (heute § 106d Abs 1 und 2 SGB V) unmittelbar und umfassend auch für die Korrektur von RLV-Zuweisungsbescheiden gelten, kann der Senat offenlassen. Jedenfalls gibt es zwei Konstellationen, in denen für die Korrektur der RLV-Zuweisung keine anderen Maßstäbe gelten können, nämlich zunächst dann, wenn sich fehlerhafte Abrechnungen des Arztes in der Vergangenheit auf die Höhe des RLV für das laufende Quartal ausgewirkt haben, und weiterhin, wenn bei Bekanntgabe des RLV die erforderlichen Berechnungsgrundlagen für eine "richtige" Zuweisung (noch) nicht vorliegen, sodass ohne die Möglichkeit der Berichtigung mit erheblichen Verwerfungen zu rechnen wäre (vgl oben b).

71

Ebenso wie bei der Änderung von Honorarbescheiden ist die Änderung der RLV-Zuweisung allerdings an besondere Voraussetzungen gebunden, wenn die erforderlichen Grundlagen bei Erlass des Bescheides noch nicht vollständig vorliegen und die KÄV deshalb weiß, dass der Bescheid nach Vorlage der Daten zu überprüfen ist. Da ihr die daraus folgende Ungewissheit bekannt ist, ist sie dazu verpflichtet, trotzdem ergehende Bescheide mit einem Hinweis auf die Vorläufigkeit der Festsetzung zu versehen (zu Honorarberichtigungen vgl BSG Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 20; BSG Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE 114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr 11, RdNr 27). Dafür genügt nicht, dass nachträgliche Berichtigungen zB in Form sachlicher und rechnerischer Richtigstellungen oder aufgrund rückwirkender Änderungen in der Honorarverteilung vorbehalten seien. Vielmehr ist zu fordern, dass die KÄV dem Arzt deutlich macht, aus welchen Gründen sie das Honorar nur vorläufig zuweisen kann, etwa weil substanzielle Grundlagen für die Verteilung der Vergütung an die Vertragsärzte fehlen (vgl BSG Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 20; BSG Urteil vom 28.8.2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE 114, 170 = SozR 4-2500 § 106a Nr 11, RdNr 27). Auf die Änderung einer RLV-Zuweisung zu Ungunsten des Arztes ist diese zur Honorarberichtigung ergangene Rechtsprechung im Grundsatz zu übertragen.

72

Unter Zugrundelegung der danach geltenden Maßstäbe lagen die Voraussetzungen einer Änderung der RLV-Zuweisung zu Ungunsten des Arztes hier vor. Mit Bescheid vom 11.12.2009 hat die Beklagte dem Kläger das RLV in Höhe von 11 871,60 Euro ausdrücklich unter Hinweis auf die Vorläufigkeit zugewiesen und in der Begründung des Bescheides erläutert, dass eine endgültige Zuweisung noch nicht möglich sei, ua weil Vereinbarungen mit den Krankenkassenverbänden noch nicht zustande gekommen seien. Angesichts der nur vorläufigen Festsetzung aus dem Bescheid vom 11.12.2009 und den dem Bescheid beigegebenen Hinweisen wird schutzwürdiges Vertrauen des Klägers durch die Absenkung des RLV für das Quartal I/2010 auf 10 689 Euro nicht verletzt, soweit sich diese Absenkung auf die Zukunft bezieht.

73

bb) Der Bescheid vom 1.2.2010 ist jedoch rechtswidrig, soweit eine Herabsetzung des RLV mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt wird. Dass das RLV in der vorliegenden Fallgestaltung nur mit Wirkung für die Zukunft reduziert werden kann, folgt aus dem Regelungsgedanken des § 87b Abs 5 Satz 4 und 5 SGB V aF: Für den Fall der nicht rechtzeitigen Zuweisung des RLV gilt danach das RLV des Vorquartals fort. Damit soll eine "kontinuierliche Geltung des Mengensteuerungsinstruments" gewährleistet werden (vgl BT-Drucks 16/3100 S 126 zu § 85b Abs 6 des Entwurfs eines GKV-WSG). Allein für den Fall der späteren Zuweisung eines höheren RLV wird bestimmt, dass die daraus folgenden Zahlungsansprüche rückwirkend zu erfüllen sind. Die rückwirkende Zuweisung eines niedrigeren RLV ist danach ersichtlich nicht vorgesehen. Mit dem darin zum Ausdruck kommenden Grundsatz der zukunftsbezogenen RLV-Festsetzung wäre es nicht zu vereinbaren, das vorläufig (niedriger als im Vorquartal) festgesetzte RLV nach Beginn des Geltungszeitraums noch einmal rückwirkend zu reduzieren.

74

Danach hat der Kläger bis einschließlich zum Tag der Zustellung des Bescheides vom 1.2.2010 Anspruch auf ein Honorar unter Zugrundelegung des vorläufig festgesetzten RLV in Höhe von 11 871,60 Euro. Weil das Datum der tatsächlichen Zustellung des Bescheides vom 1.2.2010 nicht bekannt ist, ist gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X von einer Bekanntgabe am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post und damit hier dem 4.2.2010 auszugehen. Die Absenkung des RLV auf 10 689 Euro wirkt also ab dem 5.2.2010. Ebenso wie im Falle der vorläufigen Fortgeltung eines höheren RLV aus dem Vorquartal (vgl dazu BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 24) ist das Quartals-RLV auf dieser Grundlage pro rata temporis zu ermitteln.

75

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des unter dem Aktenzeichen L 4 KA 44/14 geführten Berufungsverfahrens und des vorangegangenen Klageverfahrens zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 zu tragen, da sie jeweils teilweise unterlegen sind (§ 154 Abs 1, § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO). Bezogen auf das Quartal II/2010, das Gegenstand der beim Schleswig-Holsteinischen LSG unter den Az L 4 KA 45/14 geführten Berufungsverfahren und des vorangegangenen Klageverfahrens war, bleibt es bei der Kostentragung durch den Kläger; die dagegen eingelegte Revision war ohne Erfolg, sodass ihm die Kosten zur Last fallen (§ 154 Abs 2 VwGO). Für das Revisionsverfahren hat der Senat das teilweise Obsiegen des Klägers zu 1/4 in einer von zwei Revisionen nach § 155 VwGO mit insgesamt 1/8 bewertet.

(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen, im ärztlichen Bereich einschließlich der Sachkosten. In den Bundesmantelverträgen sind auch die Regelungen, die zur Organisation der vertragsärztlichen Versorgung notwendig sind, insbesondere Vordrucke und Nachweise, zu vereinbaren. Bei der Gestaltung der Arzneiverordnungsblätter ist § 73 Abs. 5 zu beachten. Die Arzneiverordnungsblätter sind so zu gestalten, daß bis zu drei Verordnungen je Verordnungsblatt möglich sind. Dabei ist für jede Verordnung ein Feld für die Auftragung des Kennzeichens nach § 300 Abs. 1 Nr. 1 sowie ein weiteres Feld vorzusehen, in dem der Arzt seine Entscheidung nach § 73 Abs. 5 durch Ankreuzen kenntlich machen kann. Die für eine Verordnung nach § 37 Absatz 8 zu verwendenden Vordrucke und Nachweise sind so zu gestalten, dass sie von den übrigen Verordnungen nach § 37 zu unterscheiden sind. Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen prüfen, inwieweit bislang papiergebundene Verfahren zur Organisation der vertragsärztlichen Versorgung durch elektronische Kommunikationsverfahren ersetzt werden können. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regeln in dem Bundesmantelvertrag für Zahnärzte bis zum 31. Dezember 2019 das Nähere zu einem elektronischen Beantragungs- und Genehmigungsverfahren für bewilligungspflichtige zahnärztliche Leistungen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer durch Regelungen im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte dazu verpflichten, die für die Beantragung von bewilligungspflichtigen Leistungen notwendigen Angaben an die jeweilige Kassenzahnärztliche Vereinigung und an die jeweilige Krankenkasse im Wege elektronischer Datenübertragung zu übermitteln. Zur Durchführung der elektronischen Antrags- und Genehmigungsverfahren sind die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer befugt, die hierfür erforderlichen versichertenbezogene Angaben an die jeweilige Kassenzahnärztliche Vereinigung und an die jeweilige Krankenkasse zu übermitteln. Die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung ist befugt, die für die Durchführung der elektronischen Antrags- und Genehmigungsverfahren erforderlichen versicherungsbezogenen übermittelten Angaben zu verarbeiten. Für die Übermittlung digitaler Vordrucke und Nachweise sind die Dienste der Telematikinfrastruktur zu nutzen, sobald diese zur Verfügung stehen. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ist mit Wirkung zum 1. Januar 2021 vorzusehen, dass Leistungen nach § 346 Absatz 1 Satz 1 und 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der Verarbeitung medizinischer Daten in der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen vorzusehen, dass Leistungen nach § 346 Absatz 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der erstmaligen Befüllung der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ist vorzusehen, dass Leistungen im aktuellen Behandlungskontext zur Aktualisierung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 sowie Leistungen zur Aktualisierung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 und 7 zusätzlich vergütet werden.

(1a) In dem Bundesmantelvertrag haben die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen festzulegen, dass die Kosten für Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit die gewählte Versorgung der Regelversorgung nach § 56 Abs. 2 entspricht, gegenüber den Versicherten nach Absatz 2 abzurechnen sind. Darüber hinaus sind im Bundesmantelvertrag folgende Regelungen zu treffen: Der Vertragszahnarzt hat vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien Heil- und Kostenplan zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet. Im Heil- und Kostenplan sind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zu machen. Der Heil- und Kostenplan ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen. Die Krankenkasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen. Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 oder 2 entsprechend dem im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Befund. Nach Abschluss der Behandlung rechnet der Vertragszahnarzt die von der Krankenkasse bewilligten Festzuschüsse mit Ausnahme der Fälle des § 55 Abs. 5 mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab. Der Vertragszahnarzt hat bei Rechnungslegung eine Durchschrift der Rechnung des gewerblichen oder des praxiseigenen Labors über zahntechnische Leistungen und die Erklärung nach Anhang XIII Abschnitt 1 der Verordnung (EU) 2017/745 in der jeweils geltenden Fassung beizufügen. Der Bundesmantelvertrag regelt auch das Nähere zur Ausgestaltung des Heil- und Kostenplans, insbesondere muss aus dem Heil- und Kostenplan erkennbar sein, ob die zahntechnischen Leistungen von Zahnärzten erbracht werden oder nicht.

(1b) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren im Bundesmantelvertrag erstmals bis spätestens zum 30. Juni 2016 die Voraussetzungen für eine besonders qualifizierte und koordinierte palliativ-medizinische Versorgung. Im Bundesmantelvertrag sind insbesondere zu vereinbaren:

1.
Inhalte und Ziele der qualifizierten und koordinierten palliativ-medizinischen Versorgung und deren Abgrenzung zu anderen Leistungen,
2.
Anforderungen an die Qualifikation der ärztlichen Leistungserbringer,
3.
Anforderungen an die Koordination und interprofessionelle Strukturierung der Versorgungsabläufe sowie die aktive Kooperation mit den weiteren an der Palliativversorgung beteiligten Leistungserbringern, Einrichtungen und betreuenden Angehörigen,
4.
Maßnahmen zur Sicherung der Versorgungsqualität.
Der Bundesärztekammer und der Bundespsychotherapeutenkammer sowie den in § 92 Absatz 7b genannten Organisationen ist vor Abschluss der Vereinbarung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Auf der Grundlage der Vereinbarung hat der Bewertungsausschuss den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen nach Absatz 2 Satz 2 zu überprüfen und innerhalb von sechs Monaten nach dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt anzupassen. Der Bewertungsausschuss hat dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre beginnend zum 31. Dezember 2023 über die Entwicklung der abgerechneten palliativ-medizinischen Leistungen auch in Kombination mit anderen vertragsärztlichen Leistungen, über die Zahl und Qualifikation der ärztlichen Leistungserbringer, über die Versorgungsqualität sowie über die Auswirkungen auf die Verordnung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung zu berichten. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Nähere zum Inhalt des Berichts und zu den dafür erforderlichen Auswertungen bestimmen.

(1c) Die Krankenkassen können in den in § 275 Absatz 1, 2 und 3 geregelten Fällen insbesondere

1.
bei kieferorthopädischen Maßnahmen,
2.
bei der Behandlung von Parodontopathien,
3.
bei der Versorgung von Zahnersatz und Zahnkronen, einschließlich der Prüfung der Gewährleistung nach § 136a Absatz 4 Satz 3,
4.
für implantologische Maßnahmen bei Ausnahmeindikationen gemäß § 28 Absatz 2 Satz 9
abweichend von § 275 Absatz 1, 2 und 3 statt einer gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes eine gutachterliche Stellungnahme im Wege des nach Satz 2 im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehene Gutachterverfahrens einholen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren im Bundesmantelvertrag das Nähere zu einem Gutachterverfahren für Zahnärzte insbesondere zur Bestellung der Gutachter, zur Einleitung des Gutachterverfahrens und zur Begutachtung sowie die Maßnahmen und Behandlungen die Gegenstand des Gutachtenverfahrens sein können. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie für ihren regionalen Zuständigkeitsbereich die Partner der Gesamtverträge können vereinbaren, dass die Krankenkassen einheitlich für die im Bundesmantelvertrag näher bestimmten Maßnahmen und Behandlungen ausschließlich das nach Satz 2 vorgesehene Gutachterverfahren anwenden oder ausschließlich die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst vornehmen lassen. Der behandelnde Vertragszahnarzt ist verpflichtet, dem von der Krankenkasse benannten vertragszahnärztlichen Gutachter die für die gutachterliche Stellungnahme erforderlichen Daten zu übermitteln. Der vertragszahnärztliche Gutachter darf die vom Vertragszahnarzt übermittelten Daten nur zur Erstellung der in Satz 1 genannten gutachterlichen Stellungnahme verarbeiten. Im Übrigen gelten § 275 Absatz 5, § 276 Absatz 1, 2 Satz 2 und Absatz 3 und § 277 Absatz 1 Satz 1 bis 3 für das im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehene Gutachterwesen entsprechend.

(2) Der einheitliche Bewertungsmaßstab bestimmt den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander; soweit möglich, sind die Leistungen mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes zu versehen; dies gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen. Die Bewertungsmaßstäbe sind in bestimmten Zeitabständen auch daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung entsprechen, wobei in die Überprüfung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen auch die Regelung nach § 33 Absatz 9 erstmalig bis spätestens zum 31. Oktober 2012 einzubeziehen ist; bei der Bewertung der Leistungen ist insbesondere der Aspekt der wirtschaftlichen Nutzung der bei der Erbringung von Leistungen eingesetzten medizinisch-technischen Geräte zu berücksichtigen. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen sind die Bewertung der Leistungen nach Satz 1 und die Überprüfung der wirtschaftlichen Aspekte nach Satz 2, insbesondere bei medizinisch-technischen Geräten, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der betroffenen Arztgruppen auf in bestimmten Zeitabständen zu aktualisierender betriebswirtschaftlicher Basis durchzuführen. Grundlage der Aktualisierung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen bilden grundsätzlich die vom Statistischen Bundesamt nach dem Gesetz über die Kostenstrukturstatistik bei Arzt- und Zahnarztpraxen sowie bei Praxen von psychologischen Psychotherapeuten erhobenen Daten der Kostenstruktur; ergänzend können sachgerechte Stichproben bei vertragsärztlichen Leistungserbringern verwendet werden. Der Bewertungsausschuss hat die nächste Überprüfung gemäß Satz 3 und die anschließende Aktualisierung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen spätestens bis zum 29. Februar 2020 mit der Maßgabe durchzuführen, insbesondere die Angemessenheit der Bewertung von Leistungen zu aktualisieren, die einen hohen technischen Leistungsanteil aufweisen. Hierzu legt der Bewertungsausschuss dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens bis zum 31. August 2019 ein Konzept vor, wie er die verschiedenen Leistungsbereiche im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen einschließlich der Sachkosten anpassen wird. Dabei soll die Bewertung der Leistungen mit einem hohen technischen Leistungsanteil, die in einem bestimmten Zeitraum erbracht werden, insgesamt so festgelegt werden, dass die Punkte, die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für diese Leistungen vergeben werden, ab einem bestimmten Schwellenwert mit zunehmender Menge sinken. Die Bewertung der Sachkosten kann abweichend von Satz 1 in Eurobeträgen bestimmt werden.

(2a) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen sind entsprechend der in § 73 Abs. 1 festgelegten Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in Leistungen der hausärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern mit der Maßgabe, dass unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistungen Leistungen der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Leistungen der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten abgerechnet werden dürfen; die Leistungen der fachärztlichen Versorgung sind in der Weise zu gliedern, dass den einzelnen Facharztgruppen die von ihnen ausschließlich abrechenbaren Leistungen zugeordnet werden. Bei der Bestimmung der Arztgruppen nach Satz 1 ist der Versorgungsauftrag der jeweiligen Arztgruppe im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugrunde zu legen. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen hat eine Regelung zu enthalten, nach der ärztliche Leistungen zur Diagnostik und ambulanten Eradikationstherapie einschließlich elektronischer Dokumentation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) vergütet werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit quartalsbezogen über Auswertungsergebnisse der Regelung nach Satz 3. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Nähere zum Inhalt des Berichts nach Satz 4 sowie zur Auswertung der anonymisierten Dokumentationen zum Zwecke der Versorgungsforschung und zur Förderung der Qualität bestimmen; es kann auch den Bewertungsausschuss mit der Vorlage des Berichts beauftragen. Im Übrigen gilt die Veröffentlichungspflicht gemäß § 135b Absatz 1 Satz 2. Bei der Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 prüfen der Bewertungsausschuss nach Absatz 3 und der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a jeweils, in welchem Umfang ambulante telemedizinische Leistungen erbracht werden können; auf dieser Grundlage beschließen der Bewertungsausschuss nach Absatz 3 und der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a jeweils, inwieweit der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen anzupassen ist. In die Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 ist auch einzubeziehen, in welchem Umfang die Durchführung von insbesondere telemedizinischen Fallbesprechungen im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen zum Kinder- und Jugendschutz nach § 73c angemessen vergütet werden kann; auf dieser Grundlage ist eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen zu beschließen. In die Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 ist auch einzubeziehen, in welchem Umfang delegationsfähige Leistungen durch Personen nach § 28 Absatz 1 Satz 2 qualifiziert erbracht und angemessen vergütet werden können; auf dieser Grundlage ist eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Versorgungsstrukturen bis zum 23. Januar 2016 zu beschließen. Nach Inkrafttreten der Bestimmungen nach § 27b Absatz 2 Satz 2 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen durch den Bewertungsausschuss gemäß Absatz 5a eine Regelung zu treffen, nach der Leistungen und Kosten im Rahmen der Einholung der Zweitmeinungen nach § 27b abgerechnet werden können. Sofern drei Monate nach Inkrafttreten der Bestimmungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 27b Absatz 2 keine Regelung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen getroffen wurde, können Versicherte die Leistungen nach § 27b bei den dafür berechtigten Leistungserbringern im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 in Anspruch nehmen. Die Kosten sind von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 endet, sobald die Regelung nach Satz 9 in Kraft getreten ist. Mit Wirkung zum 30. September 2020 ist durch den Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen zu regeln, dass Konsilien in einem weiten Umfang in der vertragsärztlichen und in der sektorenübergreifenden Versorgung als telemedizinische Leistung abgerechnet werden können, wenn bei ihnen sichere elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden. Die Regelungen erfolgen auf der Grundlage der Vereinbarung nach § 367 Absatz 1. Der Bewertungsausschuss nach Absatz 3 und der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a legen dem Bundesministerium für Gesundheit im Abstand von zwei Jahren, erstmals zum 31. Oktober 2022, einen gemeinsamen Bericht über den Stand der Beratungen und Beschlussfassungen nach Satz 7 sowie zur Erbringung von ambulanten telemedizinischen Leistungen und zu der Teilnahme der Leistungserbringer an der Erbringung von Leistungen im Rahmen der Videosprechstunde vor. Das Bundesministerium für Gesundheit leitet den Bericht an den Deutschen Bundestag weiter. In dem Beschluss nach Satz 7 sind durch den Bewertungsausschuss Regelungen im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen zu treffen, nach denen telemedizinische Leistungen, insbesondere Videosprechstunden, in einem weiten Umfang ermöglicht werden. Die im Hinblick auf Videosprechstunden bisher enthaltene Vorgabe von Krankheitsbildern im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen entfällt. Bei den Regelungen nach Satz 18 sind die Besonderheiten in der Versorgung von Pflegebedürftigen durch Zuschläge und die Besonderheiten in der psychotherapeutischen Versorgung einschließlich der Versorgung mit gruppentherapeutischen Leistungen und Leistungen der psychotherapeutischen Akutbehandlung zu berücksichtigen. Die Regelungen nach Satz 18 erfolgen auf der Grundlage der Vereinbarung nach § 365 Absatz 1 Satz 1. Bis zum 30. Juni 2016 ist mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 eine Regelung zu treffen, nach der ärztliche Leistungen nach § 31a vergütet werden. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen hat eine Regelung über die Vergütung von ärztlichen Leistungen zur Erstellung und Aktualisierung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 und 7 zu enthalten; die Vergütung für die Erstellung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 ist in dem Zeitraum vom 20. Oktober 2020 bis zum 20. Oktober 2021 auf das Zweifache der sich nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab ergebenden Vergütung zu erhöhen; die Vergütungsregelung für die Erstellung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 ist bis zum 1. Januar 2024 zu vereinbaren. Der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a beschließt im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen die nach dem Schweregrad zu differenzierenden Regelungen für die Versorgung im Notfall und im Notdienst sowie bis zum 31. März 2022 Regelungen für die Versorgung im Notdienst mit telemedizinischen Leistungen. Zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Regelungen hat der Bewertungsausschuss nach Absatz 5a die Entwicklung der Leistungen zu evaluieren und hierüber dem Bundesministerium für Gesundheit zu berichten; Absatz 3a gilt entsprechend. Der Bewertungsausschuss überprüft, in welchem Umfang Diagnostika zur schnellen und zur qualitätsgesicherten Antibiotikatherapie eingesetzt werden können, und beschließt auf dieser Grundlage erstmals bis spätestens zum 1. Dezember 2017 entsprechende Anpassungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 6b vom Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a anzupassen. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist mit Wirkung zum 1. Januar 2021 vorzusehen, dass Leistungen nach § 346 Absatz 1 Satz 1 und 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der Verarbeitung medizinischer Daten in der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen vorzusehen, dass ärztliche Leistungen nach § 346 Absatz 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der erstmaligen Befüllung der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Der Bewertungsausschuss hat im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen die Leistungen, die durch Videosprechstunde erbracht werden, auf 30 Prozent der jeweiligen Leistungen im Quartal des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers zu begrenzen. Zudem hat der Bewertungsausschuss im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen die Anzahl der Behandlungsfälle im Quartal, in denen ausschließlich Leistungen im Rahmen einer Videosprechstunde erbracht werden, auf 30 Prozent aller Behandlungsfälle des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers zu begrenzen. Von der Begrenzung auf 30 Prozent nach den Sätzen 30 und 31 kann der Bewertungsausschuss in besonderen Ausnahmesituationen, wie etwa nach Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, für einen befristeten Zeitraum abweichen. Der Bewertungsausschuss legt bis zum 30. September 2021 fest, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang unter Berücksichtigung der Sätze 30 und 31 die psychotherapeutische Akutbehandlung im Rahmen der Videosprechstunde erbracht werden kann.

(2b) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen der hausärztlichen Versorgung sollen als Versichertenpauschalen abgebildet werden; für Leistungen, die besonders gefördert werden sollen oder nach Absatz 2a Satz 7 und 8 telemedizinisch oder im Wege der Delegation erbracht werden können, sind Einzelleistungen oder Leistungskomplexe vorzusehen. Mit den Pauschalen nach Satz 1 sollen die gesamten im Abrechnungszeitraum regelmäßig oder sehr selten und zugleich mit geringem Aufwand im Rahmen der hausärztlichen Versorgung eines Versicherten erbrachten Leistungen einschließlich der anfallenden Betreuungs-, Koordinations- und Dokumentationsleistungen vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 sind in den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen folgende Zuschläge auf die jeweilige Versichertenpauschale aufzunehmen:

1.
ein Zuschlag in Höhe von bis zu 200 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für Behandlungen im Akutfall nach § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 4, wenn die Behandlung spätestens am Folgetag der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle beginnt,
2.
ein Zuschlag in Höhe von 100 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am vierten Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt,
3.
ein Zuschlag in Höhe von 80 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 14. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt,
4.
ein Zuschlag in Höhe von 40 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 35. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt, sowie
5.
ein Zuschlag in Höhe von mindestens 15 Euro für die erfolgreiche Vermittlung eines Behandlungstermins nach § 73 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2.
Zudem können Qualitätszuschläge vorgesehen werden, mit denen die in besonderen Behandlungsfällen erforderliche Qualität vergütet wird. Der Bewertungsausschuss beschließt spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit Wirkung zum 1. März 2022 eine Anpassung der im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen der hausärztlichen Versorgung zur Vergütung der regelmäßigen zeitgebundenen ärztlichen Beratung nach § 2 Absatz 1a des Transplantationsgesetzes in der ab dem 1. März 2022 geltenden Fassung über die Organ- und Gewebespende sowie über die Möglichkeit, eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende im Register nach § 2a des Transplantationsgesetzes in der ab dem 1. März 2022 geltenden Fassung abgeben, ändern und widerrufen zu können. Der Vergütungsanspruch besteht je Patient alle zwei Jahre.

(2c) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen der fachärztlichen Versorgung sollen arztgruppenspezifisch und unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen als Grund- und Zusatzpauschalen abgebildet werden; Einzelleistungen sollen vorgesehen werden, soweit dies medizinisch oder auf Grund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung, einschließlich der Möglichkeit telemedizinischer Erbringung gemäß Absatz 2a Satz 7 oder der Erbringung im Wege der Delegation nach Absatz 2a Satz 8, erforderlich ist. Mit den Grundpauschalen nach Satz 1 sollen die regelmäßig oder sehr selten und zugleich mit geringem Aufwand von der Arztgruppe in jedem Behandlungsfall erbrachten Leistungen vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 sind in den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen folgende Zuschläge auf die jeweilige Grundpauschale aufzunehmen:

1.
ein Zuschlag in Höhe von bis zu 200 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für Behandlungen im Akutfall nach § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 4, wenn die Behandlung spätestens am Folgetag der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle beginnt,
2.
ein Zuschlag in Höhe von 100 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am vierten Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt,
3.
ein Zuschlag in Höhe von 80 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 14. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt, sowie
4.
ein Zuschlag in Höhe von 40 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 35. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt.
Die in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Zuschläge gelten bei der Behandlung aufgrund einer erfolgten Vermittlung nach § 73 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Mit den Zusatzpauschalen nach Satz 1 wird der besondere Leistungsaufwand vergütet, der sich aus den Leistungs-, Struktur- und Qualitätsmerkmalen des Leistungserbringers und, soweit dazu Veranlassung besteht, in bestimmten Behandlungsfällen ergibt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann die Behandlung von Versichertengruppen, die mit einem erheblichen therapeutischen Leistungsaufwand und überproportionalen Kosten verbunden ist, mit arztgruppenspezifischen diagnosebezogenen Fallpauschalen vergütet werden. Für die Versorgung im Rahmen von kooperativen Versorgungsformen sind spezifische Fallpauschalen festzulegen, die dem fallbezogenen Zusammenwirken von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen in diesen Versorgungsformen Rechnung tragen. Die Bewertungen für psychotherapeutische Leistungen haben eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten. Bis zum 29. Februar 2020 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ein Zuschlag in Höhe von 15 Prozent auf diejenigen psychotherapeutischen Leistungen vorzusehen, die im Rahmen des ersten Therapieblocks einer neuen Kurzzeittherapie erbracht werden. Der Zuschlag ist auf die ersten zehn Stunden dieser Leistungen zu begrenzen und für Psychotherapeuten vorzusehen, die für die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden für gesetzlich Versicherte tatsächlich zur Verfügung stehen.

(2d) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen sind Regelungen einschließlich Prüfkriterien vorzusehen, die sicherstellen, dass der Leistungsinhalt der in den Absätzen 2a bis 2c genannten Leistungen und Pauschalen jeweils vollständig erbracht wird, die jeweiligen notwendigen Qualitätsstandards eingehalten, die abgerechneten Leistungen auf den medizinisch notwendigen Umfang begrenzt sowie bei Abrechnung der Fallpauschalen nach Absatz 2c die Mindestanforderungen zu der institutionellen Ausgestaltung der Kooperation der beteiligten Ärzte eingehalten werden; dazu kann die Abrechenbarkeit der Leistungen an die Einhaltung der vom Gemeinsamen Bundesausschuss und in den Bundesmantelverträgen beschlossenen Qualifikations- und Qualitätssicherungsanforderungen sowie an die Einhaltung der gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zu erbringenden Dokumentationsverpflichtungen geknüpft werden. Zudem können Regelungen vorgesehen werden, die darauf abzielen, dass die Abrechnung der Versichertenpauschalen nach Absatz 2b Satz 1 sowie der Grundpauschalen nach Absatz 2c Satz 1 für einen Versicherten nur durch einen Arzt im Abrechnungszeitraum erfolgt, oder es können Regelungen zur Kürzung der Pauschalen für den Fall eines Arztwechsels des Versicherten innerhalb des Abrechnungszeitraums vorgesehen werden.

(2e) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist jährlich bis zum 31. August ein bundeseinheitlicher Punktwert als Orientierungswert in Euro zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen festzulegen.

(2f) (weggefallen)

(2g) Bei der Anpassung des Orientierungswertes nach Absatz 2e sind insbesondere

1.
die Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten, soweit diese nicht bereits durch die Weiterentwicklung der Bewertungsrelationen nach Absatz 2 Satz 2 erfasst worden sind,
2.
Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven, soweit diese nicht bereits durch die Weiterentwicklung der Bewertungsrelationen nach Absatz 2 Satz 2 erfasst worden sind, sowie
3.
die allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen, soweit diese nicht durch eine Abstaffelungsregelung nach Absatz 2 Satz 3 berücksichtigt worden ist,
4.
(weggefallen)
zu berücksichtigen.

(2h) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen können zu Leistungskomplexen zusammengefasst werden. Die Leistungen sind entsprechend einer ursachengerechten, zahnsubstanzschonenden und präventionsorientierten Versorgung insbesondere nach dem Kriterium der erforderlichen Arbeitszeit gleichgewichtig in und zwischen den Leistungsbereichen für Zahnerhaltung, Prävention, Zahnersatz und Kieferorthopädie zu bewerten. Bei der Festlegung der Bewertungsrelationen ist wissenschaftlicher Sachverstand einzubeziehen.

(2i) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ist eine zusätzliche Leistung vorzusehen für das erforderliche Aufsuchen von Versicherten, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind, in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind und die die Zahnarztpraxis aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder Einschränkung nicht oder nur mit hohem Aufwand aufsuchen können. § 71 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(2j) Für Leistungen, die im Rahmen eines Vertrages nach § 119b Absatz 1 erbracht werden, ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen eine zusätzliche, in der Bewertung über Absatz 2i Satz 1 hinausgehende Leistung vorzusehen. Voraussetzung für die Abrechnung dieser zusätzlichen Leistung ist die Einhaltung der in der Vereinbarung nach § 119b Absatz 2 festgelegten Anforderungen. Die Leistung nach Absatz 2i Satz 1 ist in diesen Fällen nicht berechnungsfähig. § 71 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(2k) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen sind Videosprechstundenleistungen vorzusehen für die Untersuchung und Behandlung von den in Absatz 2i genannten Versicherten und von Versicherten, an denen zahnärztliche Leistungen im Rahmen eines Vertrages nach § 119b Absatz 1 erbracht werden. Die Videosprechstundenleistungen nach Satz 1 können auch Fallkonferenzen mit dem Pflegepersonal zum Gegenstand haben. § 71 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Die Anpassung erfolgt auf Grundlage der Vereinbarung nach § 366 Absatz 1 Satz 1.

(2l) Mit Wirkung zum 30. September 2020 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen zu regeln, dass Konsilien in einem weiten Umfang in der vertragszahnärztlichen und in der sektorenübergreifenden Versorgung als telemedizinische Leistungen abgerechnet werden können, wenn bei ihnen sichere elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden. Die Regelungen erfolgen auf der Grundlage der Vereinbarung nach § 367 Absatz 1. Der Bewertungsausschuss legt dem Bundesministerium für Gesundheit im Abstand von zwei Jahren jeweils einen Bericht über die als telemedizinische Leistungen abrechenbaren Konsilien vor.

(2m) Der Bewertungsausschuss hat den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen einschließlich der Sachkosten daraufhin zu überprüfen, wie der Aufwand, der den verantwortlichen Gesundheitseinrichtungen im Sinne von § 2 Nummer 5 Buchstabe b und d des Implantateregistergesetzes in der vertragsärztlichen Versorgung auf Grund ihrer Verpflichtungen nach den §§ 16, 17 Absatz 1 sowie den §§ 18, 20, 24, 25 und 33 Absatz 1 Nummer 1 des Implantateregistergesetzes entsteht, angemessen abgebildet werden kann. Auf der Grundlage des Ergebnisses der Prüfung hat der Bewertungsausschuss eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen bis zum 30. September 2020 mit Wirkung zum 1. Januar 2021 zu beschließen.

(3) Der Bewertungsausschuß besteht aus drei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestellten Vertretern sowie drei vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestellten Vertreter. Den Vorsitz führt abwechselnd ein Vertreter der Ärzte und ein Vertreter der Krankenkassen. Die Beratungen des Bewertungsausschusses einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften sind vertraulich. Die Vertraulichkeit gilt auch für die zur Vorbereitung und Durchführung der Beratungen im Bewertungsausschuss dienenden Unterlagen der Trägerorganisationen und des Instituts des Bewertungsausschusses.

(3a) Der Bewertungsausschuss analysiert die Auswirkungen seiner Beschlüsse insbesondere auf die Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen, auf die vertragsärztlichen Honorare sowie auf die Ausgaben der Krankenkassen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Nähere zum Inhalt der Analysen bestimmen. Absatz 6 gilt entsprechend.

(3b) Der Bewertungsausschuss wird bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben von einem Institut unterstützt, das gemäß der vom Bewertungsausschuss nach Absatz 3e zu vereinbarenden Geschäftsordnung die Beschlüsse nach den §§ 87, 87a und 116b Absatz 6 sowie die Analysen nach Absatz 3a vorbereitet. Träger des Instituts sind die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Erfüllt das Institut seine Aufgaben nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den geltenden Vorgaben oder wird es aufgelöst, kann das Bundesministerium für Gesundheit eine oder mehrere der in Satz 2 genannten Organisationen oder einen Dritten mit den Aufgaben nach Satz 1 beauftragen. Absatz 6 gilt entsprechend.

(3c) Die Finanzierung des Instituts oder des beauftragten Dritten nach Absatz 3b erfolgt durch die Erhebung eines Zuschlags auf jeden ambulant-kurativen Behandlungsfall in der vertragsärztlichen Versorgung. Der Zuschlag ist von den Krankenkassen außerhalb der Gesamtvergütung nach § 85 oder der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung nach § 87a zu finanzieren. Das Nähere bestimmt der Bewertungsausschuss in seinem Beschluss nach Absatz 3e Satz 1 Nr. 3.

(3d) Über die Ausstattung des Instituts nach Absatz 3b mit den für die Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Sach- und Personalmittel und über die Nutzung der Daten gemäß Absatz 3f durch das Institut entscheidet der Bewertungsausschuss. Die innere Organisation des Instituts ist jeweils so zu gestalten, dass sie den besonderen Anforderungen des Datenschutzes nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung gerecht wird. Absatz 6 gilt entsprechend. Über die Ausstattung des beauftragten Dritten nach Absatz 3b Satz 3 mit den für die Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Sach- und Personalmitteln sowie über die Nutzung der Daten gemäß Absatz 3f entscheidet das Bundesministerium für Gesundheit.

(3e) Der Bewertungsausschuss beschließt

1.
bis spätestens zum 31. August 2017 eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere die Antragsberechtigten, methodische Anforderungen und Fristen in Bezug auf die Vorbereitung und Durchführung der Beratungen sowie die Beschlussfassung über die Aufnahme in den einheitlichen Bewertungsmaßstab insbesondere solcher neuer Laborleistungen und neuer humangenetischer Leistungen regelt, bei denen es sich jeweils nicht um eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach § 135 Absatz 1 Satz 1 handelt,
2.
eine Geschäftsordnung, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Bewertungsausschusses und des Instituts gemäß Absatz 3b trifft, insbesondere zur Geschäftsführung und zur Art und Weise der Vorbereitung der in Absatz 3b Satz 1 genannten Beschlüsse, Analysen und Berichte, sowie
3.
eine Finanzierungsregelung, in der er Näheres zur Erhebung des Zuschlags nach Absatz 3c bestimmt.
Die Verfahrensordnung, die Geschäftsordnung und die Finanzierungsregelung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung sind im Internet zu veröffentlichen. Der Bewertungsausschuss ist verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den einheitlichen Bewertungsmaßstab in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die nach § 135 Absatz 1 Satz 1 zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf. Eine Auskunft können pharmazeutische Unternehmer, Hersteller von Medizinprodukten, Hersteller von Diagnostikleistungen und deren jeweilige Verbände, einschlägige Berufsverbände, medizinische Fachgesellschaften und die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f verlangen. Das Nähere regeln der Bewertungsausschuss und der Gemeinsame Bundesausschuss im gegenseitigen Einvernehmen in ihrer jeweiligen Verfahrensordnung.

(3f) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen erfassen jeweils nach Maßgabe der vom Bewertungsausschuss zu bestimmenden inhaltlichen und verfahrensmäßigen Vorgaben die für die Aufgaben des Bewertungsausschusses nach diesem Gesetz erforderlichen Daten, einschließlich der Daten nach § 73b Absatz 7 Satz 5 und § 140a Absatz 6, arzt- und versichertenbezogen in einheitlicher pseudonymisierter Form. Die Daten nach Satz 1 werden jeweils unentgeltlich von den Kassenärztlichen Vereinigungen an die Kassenärztliche Bundesvereinigung und von den Krankenkassen an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen übermittelt, die diese Daten jeweils zusammenführen und sie unentgeltlich dem Institut oder dem beauftragten Dritten gemäß Absatz 3b übermitteln. Soweit erforderlich hat der Bewertungsausschuss darüber hinaus Erhebungen und Auswertungen nicht personenbezogener Daten durchzuführen oder in Auftrag zu geben oder Sachverständigengutachten einzuholen. Für die Verarbeitung der Daten nach den Sätzen 2 und 3 kann der Bewertungsausschuss eine Datenstelle errichten oder eine externe Datenstelle beauftragen; für die Finanzierung der Datenstelle gelten die Absätze 3c und 3e entsprechend. Das Verfahren der Pseudonymisierung nach Satz 1 ist vom Bewertungsausschuss im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu bestimmen.

(3g) Die Regelungen der Absätze 3a bis 3f gelten nicht für den für zahnärztliche Leistungen zuständigen Bewertungsausschuss.

(4) Kommt im Bewertungsausschuß durch übereinstimmenden Beschluß aller Mitglieder eine Vereinbarung ganz oder teilweise nicht zustande, wird der Bewertungsausschuß auf Verlangen von mindestens zwei Mitgliedern um einen unparteiischen Vorsitzenden und zwei weitere unparteiische Mitglieder erweitert. Für die Benennung des unparteiischen Vorsitzenden gilt § 89 Absatz 6 entsprechend. Von den weiteren unparteiischen Mitgliedern wird ein Mitglied von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie ein Mitglied vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannt.

(5) Der erweiterte Bewertungsausschuß setzt mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Vereinbarung fest. Die Festsetzung hat die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung im Sinne des § 82 Abs. 1. Zur Vorbereitung von Maßnahmen nach Satz 1 für den Bereich der ärztlichen Leistungen hat das Institut oder der beauftragte Dritte nach Absatz 3b dem zuständigen erweiterten Bewertungsausschuss unmittelbar und unverzüglich nach dessen Weisungen zuzuarbeiten. Absatz 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend; auch für die Unterlagen der unparteiischen Mitglieder gilt Vertraulichkeit.

(5a) Bei Beschlüssen zur Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes zur Vergütung der Leistungen der spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116b ist der Bewertungsausschuss für ärztliche Leistungen nach Absatz 3 um drei Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft zu ergänzen. Kommt durch übereinstimmenden Beschluss aller Mitglieder eine Vereinbarung des ergänzten Bewertungsausschusses nach Satz 1 ganz oder teilweise nicht zustande, wird der ergänzte Bewertungsausschuss auf Verlangen von mindestens zwei Mitgliedern um einen unparteiischen Vorsitzenden und ein weiteres unparteiisches Mitglied erweitert. Die Benennung der beiden unparteiischen Mitglieder durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft soll bis spätestens zum 30. Juni 2019 erfolgen; § 89a Absatz 6 gilt entsprechend. Im ergänzten erweiterten Bewertungsausschuss sind nur jeweils zwei Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie die beiden unparteiischen Mitglieder stimmberechtigt. Der ergänzte erweiterte Bewertungsausschuss setzt den Beschluss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner stimmberechtigten Mitglieder innerhalb von drei Monaten fest. Wird eine Mehrheit von zwei Dritteln nicht erreicht, setzen die beiden unparteiischen Mitglieder den Beschluss fest. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(5b) Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 in Verbindung mit § 135 Absatz 1 anzupassen. Satz 1 gilt entsprechend für weitere Richtlinienbeschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses, die eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen erforderlich machen. In diesem Zusammenhang notwendige Vereinbarungen nach § 135 Absatz 2 sind zeitgleich zu treffen. Für Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses, die vor dem 23. Juli 2015 in Kraft getreten sind, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Frist nach Satz 1 mit dem 23. Juli 2015 beginnt. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist zeitgleich mit dem Beschluss nach § 35a Absatz 3 Satz 1 anzupassen, sofern die Fachinformation des Arzneimittels zu seiner Anwendung eine zwingend erforderliche Leistung vorsieht, die eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen erforderlich macht. Das Nähere zu ihrer Zusammenarbeit regeln der Bewertungsausschuss und der Gemeinsame Bundesausschuss im gegenseitigen Einvernehmen in ihrer jeweiligen Verfahrensordnung. Für Beschlüsse nach § 35a Absatz 3 Satz 1, die vor dem 13. Mai 2017 getroffen worden sind, gilt Satz 5 entsprechend mit der Maßgabe, dass der Bewertungsausschuss spätestens bis 13. November 2017 den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen anzupassen hat.

(5c) Sind digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e Absatz 3 dauerhaft in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e aufgenommen worden, so sind entweder der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen oder der einheitliche Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen innerhalb von drei Monaten nach der Aufnahme anzupassen, soweit ärztliche Leistungen für die Versorgung mit der jeweiligen digitalen Gesundheitsanwendung erforderlich sind. Sind digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e Absatz 4 vorläufig in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e aufgenommen worden, so vereinbaren die Partner der Bundesmantelverträge innerhalb von drei Monaten nach der vorläufigen Aufnahme eine Vergütung für ärztliche Leistungen, die während der Erprobungszeit nach Festlegung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 139e Absatz 4 Satz 3 zur Versorgung mit und zur Erprobung der digitalen Gesundheitsanwendung erforderlich sind; die Vereinbarung berücksichtigt die Nachweispflichten für positive Versorgungseffekte, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 139e Absatz 4 Satz 3 festgelegt worden sind. Solange keine Entscheidung über eine Anpassung nach Satz 1 getroffen ist, hat der Leistungserbringer Anspruch auf die nach Satz 2 vereinbarte Vergütung. Soweit und solange keine Vereinbarung nach Satz 2 getroffen ist oder sofern eine Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e ohne Erprobung erfolgt und keine Entscheidung über eine Anpassung nach Satz 1 getroffen ist, können Versicherte die ärztlichen Leistungen, die für die Versorgung mit oder zur Erprobung der digitalen Gesundheitsanwendung erforderlich sind, im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 bei Leistungserbringern in Anspruch nehmen; Absatz 2a Satz 12 gilt entsprechend. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 endet, sobald eine Entscheidung über die Anpassung nach Satz 1 getroffen ist.

(6) Das Bundesministerium für Gesundheit kann an den Sitzungen der Bewertungsausschüsse, des Instituts oder des beauftragten Dritten nach Absatz 3b sowie der von diesen jeweils gebildeten Unterausschüssen und Arbeitsgruppen teilnehmen; ihm sind die Beschlüsse der Bewertungsausschüsse zusammen mit den den Beschlüssen zugrunde liegenden Beratungsunterlagen und den für die Beschlüsse jeweils entscheidungserheblichen Gründen vorzulegen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann die Beschlüsse innerhalb von zwei Monaten beanstanden; es kann im Rahmen der Prüfung eines Beschlusses vom Bewertungsausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen dazu anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist unterbrochen. Die Nichtbeanstandung eines Beschlusses kann vom Bundesministerium für Gesundheit mit Auflagen verbunden werden; das Bundesministerium für Gesundheit kann zur Erfüllung einer Auflage eine angemessene Frist setzen. Kommen Beschlüsse der Bewertungsausschüsse ganz oder teilweise nicht oder nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist zustande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Vereinbarungen festsetzen; es kann dazu Datenerhebungen in Auftrag geben oder Sachverständigengutachten einholen. Zur Vorbereitung von Maßnahmen nach Satz 4 für den Bereich der ärztlichen Leistungen hat das Institut oder der beauftragte Dritte oder die vom Bundesministerium für Gesundheit beauftragte Organisation gemäß Absatz 3b dem Bundesministerium für Gesundheit unmittelbar und unverzüglich nach dessen Weisungen zuzuarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit kann zur Vorbereitung von Maßnahmen nach Satz 4 bereits vor Fristablauf das Institut nach Satz 5 beauftragen, Datenerhebungen in Auftrag geben oder Sachverständigengutachten einholen, sofern die Bewertungsausschüsse die Beratungen sowie die Beschlussfassungen nicht oder nicht in einem angemessenen Umfang vorbereiten oder durchführen. Die mit den Maßnahmen nach Satz 4 verbundenen Kosten sind von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung jeweils zur Hälfte zu tragen; das Nähere bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit. Abweichend von Satz 4 kann das Bundesministerium für Gesundheit für den Fall, dass Beschlüsse der Bewertungsausschüsse nicht oder teilweise nicht oder nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist zustande kommen, den erweiterten Bewertungsausschuss nach Absatz 4 mit Wirkung für die Vertragspartner anrufen. Der erweiterte Bewertungsausschuss setzt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist die Vereinbarung fest; Satz 1 bis 7 gilt entsprechend. Die Beschlüsse und die entscheidungserheblichen Gründe sind im Deutschen Ärzteblatt oder im Internet bekannt zu machen; falls die Bekanntmachung im Internet erfolgt, muss im Deutschen Ärzteblatt ein Hinweis auf die Fundstelle veröffentlicht werden.

(7) Klagen gegen Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach Absatz 6 haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) bis (9) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.