Bundessozialgericht Beschluss, 14. Feb. 2018 - B 14 AS 426/16 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:140218BB14AS42616B0
bei uns veröffentlicht am14.02.2018

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Oktober 2016 - L 15 AS 203/16 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 25.10.2016 - L 15 AS 203/16 - hat das LSG nach mündlicher Verhandlung durch den Berichterstatter und zwei ehrenamtliche Richter die Berufung des Klägers gegen einen Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen, durch den seine Klage wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum von Mai 2015 bis Juni 2016 abgewiesen worden war. Die Übertragung auf den Berichterstatter erfolgte durch Beschluss der Berufsrichter vom 24.10.2016, der dem Kläger am 18.11.2016 und dem beklagten Jobcenter am 21.11.2016 zugestellt worden ist.

2

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger einen Verfahrensfehler geltend und rügt die Besetzung des Gerichts; die Übertragung auf den Berichterstatter sei erst mit Zustellung an die Verfahrensbeteiligten und damit nach der mündlichen Verhandlung wirksam geworden.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

4

Das Urteil des LSG vom 25.10.2016 beruht auf einem von dem Kläger hinreichend bezeichneten (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) verletzt, weil der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden hat, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

5

Gesetzlicher Richter für die Entscheidung von Verfahren vor dem LSG ist grundsätzlich ein Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGG). Hiervon macht zwar ua § 153 Abs 5 SGG(eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444) eine Ausnahme. Danach kann das LSG die Berufung in den Fällen einer Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) durch Beschluss der berufsrichterlichen Mitglieder des Senats dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Das erfordert jedoch einen schriftlich abzufassenden und der Geschäftsstelle zu übergebenden Beschluss (§ 153 Abs 1 iVm § 142 Abs 1 und § 134 SGG), der der Zustellung an die Beteiligten (§ 153 Abs 1 iVm § 142 Abs 1 und § 133 Satz 2 SGG) bedarf (BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 344/09 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 8 RdNr 7; BSG vom 24.10.2013 - B 13 R 240/12 B - juris RdNr 9). Daran fehlt es hier zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, weil der am Vortag getroffene Übertragungsbeschluss den Beteiligten erst am 18. bzw 21.11.2016 zugestellt worden und ihm daher besetzungsrelevante Wirkung für das Urteil vom 25.10.2016 noch nicht zugekommen ist.

6

Der Verfahrensmangel ist auch nicht durch rügelose Einlassung (§ 202 SGG iVm § 295 ZPO) geheilt; dies gilt bereits deswegen, weil die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts zu den nicht verzichtbaren Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Verfahrens (§ 295 Abs 2 ZPO) gehört (BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 344/09 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 8 RdNr 8). Zum anderen ist die Vorschrift des § 295 ZPO auf den Anwaltsprozess zugeschnitten und daher bei - wie hier - nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten allenfalls nach Belehrung durch den Vorsitzenden anwendbar(BSG vom 12.4.2000 - B 9 SB 2/99 R - juris RdNr 21).

7

Berufen zur Entscheidung über die Berufung des Klägers am 25.10.2016 war danach das LSG noch in voller Senatsbesetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern sowie zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGG). Das berührt das von Verfassungs wegen nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter in seiner einfachrechtlichen Ausprägung (stRspr; vgl nur BSG vom 8.11.2007 - B 9/9a SB 3/06 R - BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 14 mwN). Aufgrund dessen ist das angefochtene Urteil gemäß § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

8

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 295 Verfahrensrügen


(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verha

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(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 142


(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 33


(1) Jeder Senat wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig. § 12 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 5 gilt entsprechend. (2) In Senaten, die in Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsve

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 133


Bei Urteilen, die nicht auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch Zustellung ersetzt. Dies gilt für die Verkündung von Beschlüssen entsprechend.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 134


(1) Das Urteil ist vom Vorsitzenden zu unterschreiben. (2) Das Urteil soll vor Ablauf eines Monats, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt werden. Im Falle des § 170a verlängert sich die Frist u

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Tatbestand 1 Umstritten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) beim Kläger, die die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) ablehnte. Das angerufene Sozialgericht (S

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Jeder Senat wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig. § 12 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 5 gilt entsprechend.

(2) In Senaten, die in Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2) entscheiden, wirken die für Angelegenheiten der Sozialversicherung berufenen ehrenamtlichen Richter mit.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

(1) Das Urteil ist vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(2) Das Urteil soll vor Ablauf eines Monats, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt werden. Im Falle des § 170a verlängert sich die Frist um die zur Anhörung der ehrenamtlichen Richter benötigte Zeit.

(3) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Verkündung oder Zustellung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

Bei Urteilen, die nicht auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch Zustellung ersetzt. Dies gilt für die Verkündung von Beschlüssen entsprechend.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) beim Kläger, die die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) ablehnte. Das angerufene Sozialgericht (SG) wies die Klage ab (Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2009). Das Landessozialgericht (LSG) hat in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 30. September 2009). Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters, weil das LSG nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei.

Entscheidungsgründe

2

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des Sächsischen LSG vom 30. September 2009 ist aufzuheben und die Sache an das LSG gemäß § 160a Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuverweisen, weil das Urteil auf einem Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG beruht.

3

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ua begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil das angefochtene Urteil des LSG unter Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ) ergangen ist.

4

Gesetzlicher Richter für die Entscheidung von Verfahren vor dem LSG ist ein Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Satz 1 SGG). In dieser Besetzung hat das LSG vorliegend nicht über die Berufung des Klägers entschieden, weil der Senat des LSG in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern die Berufung des Klägers nach mündlicher Verhandlung zurückgewiesen hat.

5

Die vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmen von der in § 33 Satz 1 SGG vorgeschriebenen Besetzung sind nicht erfüllt. Eine ggf zu erörternde Befugnis des Vorsitzenden oder an dessen Stelle des Berichterstatters zu einer Entscheidung nach § 155 Abs 3, 4 SGG scheitert schon daran, dass das notwendige Einverständnis der Beteiligten hierfür fehlt.

6

Soweit § 153 Abs 5 SGG die Möglichkeit vorsieht, dass der Senat des LSG in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen kann, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet, sind diese Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt. Es mangelt insbesondere an einem Beschluss des Senats, durch den die Berufung dem Berichterstatter zusammen mit zwei ehrenamtlichen Richtern zur Entscheidung übertragen wird.

7

Das LSG hat in seinem Urteil vom 30. September 2009 auf keinen derartigen Beschluss Bezug genommen. Der vorliegenden Akte des LSG ist ein derartiger Beschluss nicht zu entnehmen. Ein solcher Beschluss müsste jedoch Gegenstand der Akte sein, weil er nach § 153 Abs 1, § 142 Abs 1, § 134 SGG zu unterschreiben, damit schriftlich abgefasst werden muss sowie an die Geschäftsstelle zu übergeben ist. Zudem müsste der Beschluss den Beteiligten bekannt sein, weil Beschlüsse, die nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, ihnen zuzustellen sind (§ 153 Abs 1, § 133 SGG). Der Kläger hat jedoch mitgeteilt, dass ihm ein derartiger Beschluss nicht bekannt ist, und in der Akte des LSG sind auch keine Zustellnachweise zu finden.

8

Dieser Verfahrensmangel ist nicht dadurch geheilt, dass der Entscheidung des LSG eine mündliche Verhandlung vorausgegangen ist, in der der Kläger anwaltlich vertreten war und die Besetzung des LSG erkennen konnte. Zwar gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Rüge von Verfahrensmängeln der Berufungsinstanz im Revisionsverfahren und die Heilung von Verfahrensmängel (§§ 556, 295 ZPO) nach § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend(BSG SozR 1500 § 160a Nr 61 mwN). Eine Heilung ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung ein Beteiligter nicht wirksam verzichten kann (§ 295 Abs 2 ZPO). Zu diesen Vorschriften gehören die von Amts wegen zu beachtenden Grundlagen des Prozessrechts, wie die Prozessvoraussetzungen und die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts aufgrund des Verfassungsgebots des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG (vgl nur Greger in Zöller, ZPO, § 295 RdNr 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, § 295 RdNr 16, 25, 29; jeweils mwN). Gegen die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts wurde vorliegend verstoßen.

9

Der Senat hat von der durch § 160a Abs 5 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, weil ein nicht heilbarer Verfahrensmangel vorliegt.

10

Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 27. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Im Streit steht der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.5.2005. Der im April 2005 bei der Beklagten gestellte Antrag des im Jahre 1951 geborenen Klägers blieb erfolglos (Bescheid vom 19.10.2005; Widerspruchsbescheid vom 10.10.2006). Das SG Hamburg hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28.7.2010 abgewiesen. Das LSG hat diese Entscheidung bestätigt und die Berufung auf die mündliche Verhandlung vom 27.3.2012 durch die Richterin am LSG M. (M.) und zwei ehrenamtliche Richter zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert sei (§ 43 SGB VI), und auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG).

2

Im Berufungsverfahren ist der nicht anwaltlich vertretene Kläger von der seinerzeit noch zuständigen Berichterstatterin gebeten worden mitzuteilen, ob er mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin gemäß § 155 Abs 3 iVm Abs 4 SGG als Einzelrichterin einverstanden sei(Verfügung vom 22.9.2010). Mit Schreiben vom 21.10.2010 hat sich der Kläger damit nicht einverstanden erklärt, dass eine Einzelrichterin das Verfahren entscheidet, sondern um eine Entscheidung durch drei Richter ("ohne Vorsitzender F.") gebeten. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 27.5.2011 wurde die Richterin am LSG M. unter Übertragung der Aufgaben nach §§ 104, 106 bis 108 und 120 SGG aufgrund einer senatsinternen geänderten Geschäftsverteilung zur Berichterstatterin für dieses Verfahren bestellt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 14.12.2011 ist der nicht vertretene Kläger vom Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme am 27.3.2012 vor der Berichterstatterin mit den ehrenamtlichen Richtern informiert worden. Nach Vernehmung des gerichtlichen Sachverständigen über den Gesundheitszustand des Klägers in der öffentlichen Sitzung des LSG Hamburg vom 27.3.2012 hat die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern in Anwesenheit des Klägers die Berufung zurückgewiesen.

3

Mit der hiergegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verfahrensmängel. In seiner Beschwerdebegründung vom 17.5.2013 macht er eine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 155 Abs 3 und 4 SGG geltend, weil die Berichterstatterin des Berufungsgerichts entschieden habe, obwohl die Voraussetzungen hierfür offensichtlich nicht vorgelegen hätten. Er beruft sich auf Rechtsprechung des BSG (ua BSG SozR 4-1500 § 155 Nr 1).

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

5

Der Kläger hat den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) formgerecht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) gerügt.

6

Der Verfahrensmangel liegt auch vor. Das LSG hat mit der Entscheidung über die Berufung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.3.2012 den Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 S 2 GG) verletzt, weil die Berichterstatterin den Berufungsrechtsstreit zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden hat, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

7

Bei Urteilen mit und ohne mündliche Verhandlung entscheidet über das Rechtsmittel der Berufung grundsätzlich der mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern sowie zwei ehrenamtlichen Richtern besetzte Senat (§ 33 S 1 SGG). Nur unter den vom Gesetz bestimmten Voraussetzungen (§§ 153 Abs 5, 155 Abs 3 und Abs 4 SGG)darf in anderer als dieser Besetzung entschieden werden. Die Frage, ob das LSG in voller Senatsbesetzung oder in einer gesetzlich vorgesehenen anderen Besetzung entscheidet, berührt das von Verfassung wegen nach Art 101 Abs 1 S 2 GG gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter in seiner einfachrechtlichen Ausprägung (vgl BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 14 mwN).

8

Nach § 153 Abs 5 SGG kann der Senat in den Fällen des § 105 Abs 2 S 1 SGG (wenn das SG - wie hier - durch Gerichtsbescheid entschieden hat) durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

9

Hier mangelt es bereits an einem Beschluss des Senats, durch den die Berufung der Berichterstatterin zusammen mit zwei ehrenamtlichen Richtern zur Entscheidung übertragen worden ist. Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil auf keinen solchen Beschluss Bezug genommen. Der LSG-Akte kann auch nicht entnommen werden, dass ein solcher Beschluss ergangen ist, der aber Gegenstand der Akte sein müsste, weil er schriftlich abzufassen und der Geschäftsstelle zu übergeben ist (§§ 153 Abs 1, 142 Abs 1, 134 SGG). Der Beschluss hätte den Beteiligten auch zugestellt werden müssen (§§ 153 Abs 1, 133 SGG). In der LSG-Akte findet sich aber weder ein Zustellungsnachweis noch ein Anhaltspunkt dafür, dass eine Zustellung erfolgt wäre (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 8).

10

Der Verfahrensmangel ist auch nicht durch rügelose Einlassung (§ 202 SGG iVm § 295 ZPO) geheilt; dies gilt bereits deswegen, weil die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts zu den nicht verzichtbaren Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Verfahrens (§ 295 Abs 2 ZPO) gehört (BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 8 RdNr 8). Zum anderen ist die Vorschrift des § 295 ZPO auf den Anwaltsprozess zugeschnitten und daher bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten allenfalls nach Belehrung durch den Vorsitzenden anwendbar(BSG vom 12.4.2000 - B 9 SB 2/99 R - Juris RdNr 21).

11

Daher durfte der Senat nur in der nach § 33 S 1 SGG vorgeschriebenen Senatsbesetzung über die Berufung des Klägers entscheiden. Das Urteil des LSG verletzt nicht nur die genannten Vorschriften des SGG, sondern auch das grundrechtsgleiche Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter iS von Art 101 Abs 1 S 2 GG (vgl BSG SozR 4-1500 § 155 Nr 1 mwN).

12

Da das Recht auf den gesetzlichen Richter zu den Grundlagen des Prozessrechts gehört, bei deren Verletzung gesetzlich vermutet wird (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO), dass die ergangene Entscheidung auf der Verletzung von Verfahrensrechten beruht (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 218/12 B - Juris RdNr 11), war die Entscheidung nach § 160a Abs 5 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

13

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.

(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.

Tatbestand

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Umstritten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) beim Kläger, die die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) ablehnte. Das angerufene Sozialgericht (SG) wies die Klage ab (Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2009). Das Landessozialgericht (LSG) hat in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 30. September 2009). Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters, weil das LSG nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei.

Entscheidungsgründe

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Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des Sächsischen LSG vom 30. September 2009 ist aufzuheben und die Sache an das LSG gemäß § 160a Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuverweisen, weil das Urteil auf einem Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG beruht.

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Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ua begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil das angefochtene Urteil des LSG unter Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ) ergangen ist.

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Gesetzlicher Richter für die Entscheidung von Verfahren vor dem LSG ist ein Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Satz 1 SGG). In dieser Besetzung hat das LSG vorliegend nicht über die Berufung des Klägers entschieden, weil der Senat des LSG in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern die Berufung des Klägers nach mündlicher Verhandlung zurückgewiesen hat.

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Die vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmen von der in § 33 Satz 1 SGG vorgeschriebenen Besetzung sind nicht erfüllt. Eine ggf zu erörternde Befugnis des Vorsitzenden oder an dessen Stelle des Berichterstatters zu einer Entscheidung nach § 155 Abs 3, 4 SGG scheitert schon daran, dass das notwendige Einverständnis der Beteiligten hierfür fehlt.

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Soweit § 153 Abs 5 SGG die Möglichkeit vorsieht, dass der Senat des LSG in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen kann, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet, sind diese Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt. Es mangelt insbesondere an einem Beschluss des Senats, durch den die Berufung dem Berichterstatter zusammen mit zwei ehrenamtlichen Richtern zur Entscheidung übertragen wird.

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Das LSG hat in seinem Urteil vom 30. September 2009 auf keinen derartigen Beschluss Bezug genommen. Der vorliegenden Akte des LSG ist ein derartiger Beschluss nicht zu entnehmen. Ein solcher Beschluss müsste jedoch Gegenstand der Akte sein, weil er nach § 153 Abs 1, § 142 Abs 1, § 134 SGG zu unterschreiben, damit schriftlich abgefasst werden muss sowie an die Geschäftsstelle zu übergeben ist. Zudem müsste der Beschluss den Beteiligten bekannt sein, weil Beschlüsse, die nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, ihnen zuzustellen sind (§ 153 Abs 1, § 133 SGG). Der Kläger hat jedoch mitgeteilt, dass ihm ein derartiger Beschluss nicht bekannt ist, und in der Akte des LSG sind auch keine Zustellnachweise zu finden.

8

Dieser Verfahrensmangel ist nicht dadurch geheilt, dass der Entscheidung des LSG eine mündliche Verhandlung vorausgegangen ist, in der der Kläger anwaltlich vertreten war und die Besetzung des LSG erkennen konnte. Zwar gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Rüge von Verfahrensmängeln der Berufungsinstanz im Revisionsverfahren und die Heilung von Verfahrensmängel (§§ 556, 295 ZPO) nach § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend(BSG SozR 1500 § 160a Nr 61 mwN). Eine Heilung ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung ein Beteiligter nicht wirksam verzichten kann (§ 295 Abs 2 ZPO). Zu diesen Vorschriften gehören die von Amts wegen zu beachtenden Grundlagen des Prozessrechts, wie die Prozessvoraussetzungen und die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts aufgrund des Verfassungsgebots des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG (vgl nur Greger in Zöller, ZPO, § 295 RdNr 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, § 295 RdNr 16, 25, 29; jeweils mwN). Gegen die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts wurde vorliegend verstoßen.

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Der Senat hat von der durch § 160a Abs 5 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, weil ein nicht heilbarer Verfahrensmangel vorliegt.

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Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.

(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.

(1) Jeder Senat wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig. § 12 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 5 gilt entsprechend.

(2) In Senaten, die in Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2) entscheiden, wirken die für Angelegenheiten der Sozialversicherung berufenen ehrenamtlichen Richter mit.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.