Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende.

2

Der 1950 geborene, auf der Insel F. lebende, seit dem 1.1.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beziehende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die nach einer Vereinbarung der getrennt lebenden, die elterliche Sorge gemeinsam ausübenden Eltern bis zum Beginn der Schulzeit zu 60 % von der Mutter in B. und zu 40 % vom Kläger an dessen Wohnort betreut werden sollte. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Im hier zuletzt noch streitbefangenen Zeitraum von Mai bis Oktober 2008 hielt sich die Tochter vom 2.5.2008 bis 17.5.2008, vom 13.7.2008 bis 31.8.2008 und vom 17.10.2008 bis 31.10.2008 (insgesamt 81 Tage, rund 44 % des streitbefangenen Bewilligungszeitraums von 184 Tagen) beim Kläger auf.

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 812 Euro bzw 816 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 347 Euro vom 1.5. bis zum 30.6.2008 bzw von 351 Euro vom 1.7. bis 31.10.2008 sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 465 Euro), jedoch ohne anteiligen Mehrbedarf für Alleinerziehende und ohne anteiliges Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 18.4.2008, zuletzt ersetzt durch Bescheid vom 6.8.2008; Widerspruchsbescheid vom 3.9.2008).

4

Das Sozialgericht (SG) hat die von Kläger und Tochter zunächst als Untätigkeitsklage erhobene und im Weiteren als Anfechtungs- und Leistungsklage fortgeführte Klage mit dem Ziel der Gewährung von 40 % des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 SGB II sowie von anteiligem Sozialgeld für die Tochter in Höhe von monatlich 84,40 Euro jeweils rückwirkend ab dem 1.1.2005 abgewiesen (Urteil vom 15.9.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil geändert und den Beklagten verurteilt, der Tochter für die Dauer des Aufenthalts beim Kläger Sozialgeld in Höhe von täglich 6,93 Euro für die Zeit bis zum 30.6.2008 und in Höhe von 7,03 Euro für die Zeit bis zum 31.10.2008 zu zahlen; im Übrigen hinsichtlich der Gewährung von 40 % des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung hat es bezogen auf den Mehrbedarf ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Das könne nur angenommen werden, wenn der andere Elternteil bei monatlicher Betrachtung die Betreuung mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle. Eine solche paritätische Aufteilung lasse sich hier nicht feststellen, und zwar auch nicht im Hinblick auf die Übernahme der Ferienbetreuung, da sie lediglich eine punktuelle Entlastung der erwerbstätigen Kindesmutter bewirkt habe.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 21 Abs 3 SGB II. Ihm stehe der Mehrbedarf wegen Alleinerziehung für jeden Tag zu, an dem er seine Tochter allein betreut habe. Damit seien die höheren Kosten auszugleichen, die typischerweise bei der alleinigen Pflege und Erziehung eines Kindes entstünden. Die hiervon abweichende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei mit Sinn und Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren. Zudem werde der andere Elternteil an Tagen, an denen sich das Kind nicht bei ihm aufhalte, gerade vollständig entlastet. Nicht nachvollziehbar sei auch die wochenweise Betrachtungsweise.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Lübeck vom 15. September 2011 zu ändern und den Beklagten unter Änderung seines Bescheids vom 6. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2008 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 2. bis zum 17. Mai 2008, vom 13. Juli bis zum 31. August 2008 sowie vom 17. bis zum 31. Oktober 2008 unter Berücksichtigung des Alleinerziehendenmehrbedarfs höhere Leistungen nach dem SGB II zu zahlen.

7

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
 die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Zutreffend hat das LSG entschieden, dass dem Kläger im streitbefangenen Zeitraum ein Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II (auch) unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht zusteht.

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers neben den angefochtenen Entscheidungen nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.2008, als sie der Beklagte mit dem letzten den ursprünglichen Ausgangsbescheid vom 18.4.2008 ersetzenden Bescheid vom 6.8.2008 sowie des Widerspruchsbescheids vom 3.9.2008 verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - BSGE 116, 254 = SozR 4-4200 § 7 Nr 38; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen) und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff) und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden.

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2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Insbesondere ist die vor dem SG zunächst erhobene Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) wirksam in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) geändert worden (§ 99 Abs 1 und 2 SGG) und als solche zulässig. Ebenso lag der Wert des Beschwerdegegenstands bei Einlegung der Berufung ausgehend von den dabei angekündigten Anträgen oberhalb der Grenze von 750 Euro (40 % des Mehrbedarfs für Alleinerziehende sowie 40 % des Anspruchs auf Sozialgeld für Januar 2005 bis Oktober 2008) und war die Berufung deshalb statthaft, ohne dass es insoweit auf die Zulässigkeit der Anträge ankam (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG).

11

3. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass dem Kläger im streitigen Zeitraum auch unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) kein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zusteht.

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Nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte der Kläger zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 Satz 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist dabei zutreffend ein Betrag in Höhe von 347 Euro bzw von 351 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende war jedoch nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger seine Tochter über die gesamte Dauer des hier streitbefangenen Bewilligungsabschnitts (dazu unter d) weder überwiegend allein noch mit einem etwa hälftigen Anteil im Sinne des so genannten Wechselmodells im familienrechtlichen Sinne (dazu unter b) betreut hat.

13

a) Anspruch auf Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 1 Alt 1 SGB II besteht in Höhe von 36 % der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung ua für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben. Eine in diesem Sinne "alleinige Sorge für deren Pflege und Erziehung" liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich ausschließlich dann vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist danach, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt (vgl BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 19; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - juris RdNr 15; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 12). Bezug genommen ist damit auf die besondere Bedarfssituation Alleinerziehender, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis - in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten Hilfebedürftigen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist(BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15).

14

b) Abweichend hiervon kann ein - dann hälftiger - Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach der Rechtsprechung des BSG ausnahmsweise ebenfalls anzuerkennen sein, wenn sich getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 12). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Das BSG hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt(BSG ebenda).

15

Damit ist für das Grundsicherungsrecht der familienrechtlichen Wertung Rechnung getragen, wonach insbesondere beim Anspruch auf den Barunterhalt ausnahmsweise dann nicht zwischen einem (überwiegend) betreuenden und einem (überwiegend) auf die Ausübung des Umgangsrechts beschränkten Elternteil zu unterscheiden ist, wenn ein Kind in etwa gleichlangen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (so genanntes Wechselmodell, hierauf verweisend BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 14; vgl dazu nur Bundesgerichtshof Urteil vom 21.12.2005 - XII ZR 126/03 - NJW 2006, 2258 RdNr 9; BGH Urteil vom 28.2.2007 - XII ZR 161/04 - NJW 2007, 1882, 1883, RdNr 16 f; zuletzt etwa BGH Beschluss vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331, 333 RdNr 20 ff; Kinderrechtskommission des Deutschen Familiengerichtstags e.V., Das Wechselmodell im deutschen Familienrecht, FamRZ 2014, 1157; Harich, jurisPR-SozR 20/2015 Anm 2).

16

c) Für eine anteilige Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung auch bei anderen, von einer in etwa hälftigen Aufteilung der Pflege- und Erziehungsanteile abweichenden Gestaltungen, wie von der Revision geltend gemacht, ist dagegen kein Raum. Das hat bereits der 4. Senat des BSG entschieden und eingehend begründet (BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 13 ff); dem schließt sich der erkennende Senat an. Die Rechtsprechung zum hälftigen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung ist lediglich solchen Konstellationen geschuldet, bei denen sich - ähnlich der Sachlage insbesondere beim Barunterhalt (vgl zuletzt etwa BGH Beschluss vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331, 333 RdNr 20 ff) - bei einer annähernd gleichen Verteilung der Pflege- und Erziehungsverantwortung zwischen den Elternteilen nicht feststellen lässt, wer iS von § 21 Abs 3 Halbsatz 1 SGB II "allein" die Sorge für Pflege und Erziehung trägt, und somit eine Zuordnung des Mehrbedarfs ausschließlich zu einem Elternteil nicht gerechtfertigt erschiene. Bei allen anderen Gestaltungen gebietet dagegen schon der Wortlaut, wie im Familienrecht typisierend nur einen Elternteil als "allein" erziehend anzusehen, nämlich denjenigen, bei dem die Hauptverantwortung für die Betreuung des oder der minderjährigen Kinder liegt (und der dabei keine rechtlich wesentliche Entlastung durch andere im Haushalt lebende Personen erfährt ).

17

d) Das schließt es ebenfalls aus, den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung - wie der Kläger möglicherweise meinen könnte - in Anlehnung an das ansonsten für die Leistungsbemessung im SGB II maßgebende Monatsprinzip (vgl dazu nur BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 23/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 27 mwN sowie BSG Urteil vom 28.10.2014 - B 14 AS 36/13 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 7, auch vorgesehen für BSGE, RdNr 25; jeweils mwN) ausgerichtet an der Dauer des tatsächlichen Aufenthalts des Kindes bei einem der Elternteile monatsweise zu bestimmen. Mit dem Merkmal der alleinigen Sorge ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") ist die Anerkennung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht an einen besonderen zeitlichen Umfang der Kinderbetreuung geknüpft, sondern daran ausgerichtet, ob die Verantwortung für die dem Kindeswohl gerecht werdende Versorgung allein bei einer Person liegt. Dem entsprechend hat das BSG bereits entschieden, dass der Besuch eines Kindergartens oder anderer Betreuungseinrichtungen der Annahme einer Alleinerziehung nicht entgegensteht (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - juris RdNr 17). Ebenso hat es betont, dass Entlastungen durch Dritte den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nur entfallen lassen, wenn sie regelmäßig und kontinuierlich erfolgen (ebenda), und dass dem die Hauptverantwortung für Pflege und Erziehung tragenden Elternteil auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche Aufgaben, Belastungen und Kosten verbleiben, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 15).

18

Demgemäß kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher Betreuungsphasen nach der Rechtsprechung von BSG und BGH zwar eine wesentliche Indizwirkung für das Vorliegen eines Wechselmodells im dargelegten Sinne zu (BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 14; zum Familienrecht vgl nur BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - NJW 2014, 1958, 1961 RdNr 30 mwN). Bedeutung hat das aber nur für die dahinter liegende Frage, ob die Eltern die Kindessorge dem Schwerpunkt nach einem Elternteil zugeordnet oder etwa hälftig unter sich aufgeteilt haben. Ungeachtet der monatsweisen Bemessung des Alg II-Anspruchs (vgl nur BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 23/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 27 mwN) entzieht sich das einer monatsweisen Betrachtung. Schon familienrechtlich bedarf die Verteilung der Erziehungsverantwortung klarer, regelmäßig auf längere Zeiträume angelegter Absprachen und Zuordnungen. Nur daran und nicht an die von möglicherweise zufälligen Schwankungen abhängige Verteilung der tatsächlichen Aufenthaltszeiten knüpft die Mehrbedarfsregelung des § 21 Abs 3 SGB II mit der Wertung an, dass die hauptsächlich für die Pflege und Erziehung zuständigen Elternteile typischerweise einem besonderen Aufwand ausgesetzt sind, der aus dem Regelbedarf allein nicht zu decken und deshalb durch den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung auszugleichen ist(vgl dazu zuletzt BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 16).

19

e) Dass hieran gemessen die Sorge für die gemeinsame Tochter derart hälftig zwischen dem Kläger und der Kindsmutter aufgeteilt gewesen wäre, dass nicht zu bestimmen sein könnte, welcher von beiden Elternteilen iS von § 21 Abs 3 Halbsatz 1 SGB II die "alleinige" Sorge getragen hat, kann nicht festgestellt werden. Dass die Kindsmutter und er ausdrücklich ein Wechselmodell im Sinne der Rechtsprechung des BGH vereinbart hätten, macht der Kläger selbst nicht geltend. Nach der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellung des LSG war zwischen den Elternteilen vielmehr eine Aufteilung der Aufenthaltszeiten im Verhältnis von 60 % zu 40 % vereinbart. Davon weicht die Wahrnehmung des Umgangsrechts auch im hier streitbefangenen Bewilligungsabschnitt mit einem Aufenthaltsanteil der Tochter beim Kläger von rund 44 % bereits zahlenmäßig nicht in einer Weise ab, dass diese Absprache als überholt anzusehen wäre(vgl zur vergleichbaren Quote von 43 % BGH Beschluss vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331, 333 RdNr 24 f). Zudem hat dazu als Sonderfaktor ein sechswöchiger Aufenthalt offenkundig während der Sommerferien beigetragen, der keinen Rückschluss darauf zulässt, dass die Kindsmutter entgegen der mit dem Kläger getroffenen Absprache die Rolle als Hauptverantwortliche für die Pflege und Erziehung der Tochter verloren haben könnte.

20

f) Unter dieser Voraussetzung ist es ohne Bedeutung, ob die Betreuung seiner Tochter während der vom LSG festgestellten Aufenthaltszeiten bei dem Kläger allein ihm oblag oder ob er dabei zusätzlich Unterstützung von der Kindsmutter erfahren hat. Anderes ist auch den Ausführungen der Grundsicherungssenate zur Bedeutung der Betreuungszeit für den Tatbestand von § 21 Abs 3 Halbsatz 1 SGB II nicht zu entnehmen. Soweit danach darauf abgestellt wird, ob der hilfebedürftige Elternteil entweder "während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil oder Partner in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen oder ob eine derartige Entlastung innerhalb des Zeitraums, den das Kind sich bei dem anderen Elternteil aufhält, eintritt" (vgl BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 19; ähnlich BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - juris RdNr 14 sowie BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 12), so kommt dem keine konstituierende Wirkung für das Merkmal der Alleinerziehung zu. Andernfalls hätte der 4. Senat des BSG nicht jüngst ausgesprochen, dass die anteilige Zuerkennung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nicht in Betracht kommt, wenn sich die Eltern die Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes nicht in etwa hälftig teilen (BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20). Vielmehr betrifft der Umstand einer etwaigen Entlastung durch den anderen Elternteil während der Betreuungszeit ausschließlich die Frage, ob einem wegen seiner überwiegenden Erziehungs- und Pflegeverantwortung grundsätzlich als alleinerziehend anzusehenden Elternteil deshalb kein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung zusteht, weil deren Folgen durch die Unterstützung Dritter wesentlich gemildert sind (vgl etwa BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - juris RdNr 18). Hierauf kommt es hier indessen nicht an, nachdem der Kläger wie dargelegt im streitbefangenen Zeitraum nicht über einen längeren Zeitraum hinweg mit einem mindestens hälftigen Betreuungsanteil an der Versorgung seiner Tochter beteiligt war.

21

g) Zuletzt ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).

22

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X I I Z B 5 9 9 / 1 3 Verkündet am: in der Familiensache 5. November 2014 Küpferle Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 1603 A

Bundessozialgericht Urteil, 28. Okt. 2014 - B 14 AS 36/13 R

bei uns veröffentlicht am 28.10.2014

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. April 2013 geändert und der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 19. Juni 2012 in der Fassung der Änderungs

Bundessozialgericht Urteil, 06. Aug. 2014 - B 4 AS 55/13 R

bei uns veröffentlicht am 06.08.2014

Tenor Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2013 werden zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 04. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R

bei uns veröffentlicht am 04.06.2014

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 09. Apr. 2014 - B 14 AS 23/13 R

bei uns veröffentlicht am 09.04.2014

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 14. Feb. 2013 - B 14 AS 48/12 R

bei uns veröffentlicht am 14.02.2013

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg

Bundessozialgericht Urteil, 23. Aug. 2012 - B 4 AS 167/11 R

bei uns veröffentlicht am 23.08.2012

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 18. Feb. 2010 - B 4 AS 29/09 R

bei uns veröffentlicht am 18.02.2010

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 12. Nov. 2015 - B 14 AS 23/14 R.

Sozialgericht Halle Urteil, 19. Dez. 2017 - S 5 AS 2197/16

bei uns veröffentlicht am 19.12.2017

Tenor Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 19. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2016 verurteilt, der Klägerin im Zeitraum vom ... weitere Leistungen in Höhe von 14,54 EUR zu gewähren. Der Beklagte

Referenzen

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2013.

2

Die miteinander verheirateten Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 2003 erworbenen Grundstücks mit selbst bewohntem Wohnhaus von 85 m² Wohnfläche, für dessen Erwerb sie der 1946 geborenen vormaligen Eigentümerin (im Folgenden: Voreigentümerin) und deren 1939 geborenem Ehemann eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von monatlich 440 Euro zu entrichten haben. Bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsraten ist die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, ohne dass ein Ausgleich für die bis dahin empfangenen Zahlungen zu leisten wäre (Ziffern III. 1. und 2. des notariellen Übergabevertrages vom 16.6.2003 mit Nachtrag vom 20.2.2004).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2013 Arbeitslosengeld II (Alg II) zunächst in Höhe der Regelbedarfe sowie eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Bescheid vom 16.1.2013). Auf den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen an die Voreigentümerin setzte der Beklagte das Alg II wie zuvor in Höhe der Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs fest und anerkannte als Bedarfe für Unterkunft und Heizung je Kläger 107,46 Euro für die Zeit vom 1.2. bis 28.2.2013 und 58,51 Euro bzw 58,50 Euro für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.2013 für Betriebskosten (Änderungsbescheide vom 30.1.2013). Den Widerspruch im Übrigen wies er zurück, da die Rente der Tilgung für ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims gleich stehe und daher nicht nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigungsfähig sei(Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).

4

Auf Klage - beschränkt auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung - hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16.1.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013 zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich je 220 Euro für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 verurteilt (Urteil vom 10.5.2013): Aufwendung für Unterkunft sei jede Zahlungsverpflichtung, die eine Wohnraumüberlassung zum Gegenstand habe und deren Nichterfüllung einen Räumungsanspruch des Gläubigers begründen könne. In diesem Sinne sei die monatliche Zahlungspflicht hier ein Leibrentenversprechen, das ähnlich einer Mietzahlung oder eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Gegenleistung für die Überlassung von Wohnraum sei und bei dem im Falle des Zahlungsverzugs mit mehr als drei Monatsraten ein Rücktrittsrecht und Rückübereignungsanspruch zugunsten der Übergeberin bestehe. Diese Zahlungen seien nicht mit Tilgungsraten zu vergleichen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilieneigentum zu entrichten seien; sie sicherten allein den bereits erlangten Vermögensvorteil und dienten nicht unmittelbar der Vermögensmehrung.

5

Mit der mit Zustimmung der Kläger eingelegten und vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Leibrentenzahlungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Tilgungsleistungen keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen iS dieser Vorschrift, denn sie seien Gegenleistung für die Eigentumsübertragung am Hausgrundstück und damit als Ratenzahlungen eines seiner Höhe nach unbestimmten, weil bis zum Tod der Berechtigten zu zahlenden Kaufpreises zu verstehen. Bei vollständiger Erfüllung werde Lastenfreiheit des Grundstücks erreicht. Damit führe die Zahlung zu einer Vermögensbildung.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG entschieden, dass die von den Klägern zu zahlende Rente von 440 Euro monatlich als weiterer Unterkunftsbedarf anzuerkennen ist. Die Rente steht der Tilgung einer ratenweisen Kaufpreisschuld für das Hausgrundstück gleich und ist - da die Tilgung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Voreigentümerin noch nicht bereits weitgehend abgeschlossen war - auch nicht ausnahmsweise als Bedarf für Unterkunft anzuerkennen.

9

1. Gegenstand des Verfahrens sind die den Zeitraum von Februar bis Juli 2013 betreffenden Alg II-Bewilligungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013, wogegen sich die Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 Sozialgerichtsgesetz) wenden. Nicht (mehr) Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ausgangsbescheid vom 16.1.2013, nachdem er durch die im laufenden Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 30.1.2013 vollständig ersetzt worden ist (§ 86 SGG) und sich mangels weitergehender rechtlicher Wirkungen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -).

10

2. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klagantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des SG mit der Sprungrevision angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der ihnen vom SG insoweit zugesprochenen 220 Euro je Kläger - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1.1.2011, im Folgenden: § 19 Abs 1 SGB II nF) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1.1.2011 nichts geändert (zu Verfahren über zuvor abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

11

a) Der Rechtslage bis zum 31.12.2010 haben die Grundsicherungssenate des BSG in ständiger Rechtsprechung entnommen, dass die Gewährung höherer oder überhaupt von Leistungen für Unterkunft und Heizung einen abtrennbaren prozessualen Anspruch bildet, soweit sie - wie vorliegend auch - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X) des betreffenden Bescheids sind. Zwar sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (stRspr; vgl nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54Nr 21, RdNr 32). Hiervon hat das BSG indes eine Ausnahme für Unterkunft und Heizung gemacht, weil die Zuständigkeiten für die Regelleistung (heute: Regelbedarf) einerseits und für die Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm § 19 S 2 bzw 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit 1.8.2006: § 19 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 , BGBl I 1706; im Folgenden § 19 S 2 bzw 3 SGB II aF)unterschiedlich und die Leistungen inhaltlich voneinander abgrenzbar waren, es sich rechtlich also um zwei eigenständige Leistungen und Verfügungen handelte (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff).

12

b) Eigenständige Leistungen in diesem Sinne bilden die Leistungen für den Regelbedarf einerseits und für Unterkunft und Heizung andererseits auch unter Geltung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Unverändert sind danach die Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern ungeachtet des im Hinblick auf die Weiterentwicklung von § 19 SGB II (dazu unten c) geringfügig unterschiedlichen Wortlauts von § 6 Abs 1 S 1 SGB II alter und neuer Fassung weiter vom Prinzip geteilter Trägerschaft geprägt, wie es seit Einführung des SGB II gilt(vgl BT-Drucks 15/2816, S 10): Sofern nicht eine einheitliche Zuständigkeit eines kommunalen Trägers nach §§ 6a f SGB II besteht, sind für Unterkunft und Heizung ausschließlich zuständig die kommunalen Träger und für das Alg II sowie das Sozialgeld mit Ausnahme der Kosten von Unterkunft und Heizung die Bundesagentur für Arbeit; daran hat sich im Gefolge des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nichts geändert (ebenso Rixen/Weißenberg in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6 RdNr 3; Luik, ebenda § 22 RdNr 31). Eher ist die Trennung der Zuständigkeiten nochmals verdeutlicht durch die Neufassung des § 44b Abs 3 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 mWv 1.1.2011 , BGBl I 1112), wonach die Verantwortung für die recht- und zweckmäßige Erbringung jeweils "ihrer Leistungen" in der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II(idF des GSiOrgWG) ausdrücklich jedem Träger gesondert obliegt (zum Zweck dieser Verantwortlichkeitszuweisung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 zu § 44 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vgl BR-Drucks 226/10 S 37 sowie Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 44b RdNr 26 ff, Stand 10/2013).

13

c) Nichts anderes folgt aus der partiellen Neufassung von § 19 und § 22 Abs 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Leistungsrechtlich waren die Kosten für Unterkunft und Heizung schon bis zu dessen Inkrafttreten als Teil des Anspruchs auf Alg II gefasst (vgl § 19 S 1 SGB II idF des GSiFoG: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Sachlich bedeutet es deshalb keinen Unterschied, wenn nunmehr die Leistungen, also Alg II und Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung "umfassen" (§ 19 Abs 1 S 3 SGB II nF) und nach Maßgabe von § 22 SGB II bei Unterkunft und Heizung "Bedarfe" in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen "anerkannt" werden(§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), während zuvor "Leistungen" zu erbringen waren (§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II in der insoweit bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Das verdeutlicht zwar weiter, dass die Leistungsbereiche in dem Sinne aufeinander bezogen sind, als jeweils nach denselben Maßstäben umfassend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, insbesondere die der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, vorliegen(so bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso BT-Drucks 17/3404 S 97 zu § 19). Jedoch trägt dies nicht die Einschätzung, dass hiermit Änderungen substantieller Art verbunden wären (so aber BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22: Leistungen für Unterkunft und Heizung sind nunmehr integraler Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, das den Bedarf für Unterkunft und Heizung als nicht mehr abtrennbaren Teil enthält). Das wäre angesichts der fortbestehenden organisationsrechtlichen Aufspaltung der Verantwortlichkeiten auch schwerlich möglich: Solange die Trägerschaft für die Kosten von Unterkunft und Heizung einerseits und den Regelbedarf andererseits getrennt ist, können Alg II und Sozialgeld keine einheitliche "Gesamtleistung" bilden (so schon BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31).

14

d) Ein prozessuales Verbot der abgetrennten Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung oder den Regelbedarf begründen die Änderungen in § 19 und § 22 Abs 1 SGB II ebenfalls nicht. Zwar stehen dem Gesetzgeber partielle Begrenzungen der grundsätzlich umfassend gewährleisteten Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) zu. Dass dies hier geschehen wäre, ist aber nicht hinreichend deutlich. Einerseits ist das in den Materialien zwar angedeutet (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22). Andererseits findet eine solche Begrenzung schon im Gesetzestext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag, nachdem - wie dargelegt - die Neufassung von § 19 Abs 1 SGB II nF erhebliche Unterschiede zur vorherigen Rechtslage nicht erkennen lässt. Zudem kommt in den Materialien gegenläufig ebenso das Bestreben zum Ausdruck, in Verfahren nach dem SGB II auch künftig Teilelemente abschichten zu können, auch wenn der dazu in Betracht gezogene Ansatz im geltenden Prozessrecht kaum Grundlagen findet (vgl BT-Drucks 17/3404, S 97 zu § 19: "dass … einzelne, dem angefochtenen Leistungsanspruch zugrunde liegende Tatsachen unstreitig gestellt werden"; vgl aus der stRspr hierzu nur BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 14; vgl ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 19 RdNr 82, Stand 1/2012, und Straßfeld, SGb 2011, 436, 442); auch das spricht dagegen, § 19 Abs 1 SGB II als Sperre der isolierten Geltendmachung der Bedarfe von Unterkunft und Heizung zu verstehen(so im Ergebnis auch: Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, Stand 6/2013, § 19 RdNr 30; Lauterbach in Gagel, Online-Ausgabe Stand 2014, § 22 SGB II RdNr 8; Nolte, NZS 2013, 10, 12 ff; Straßfeld, SGb 2011, 436, 442; aA : Berlit in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 9; S. Knickrehm in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 1; offen gelassen Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, K § 19 RdNr 81).

15

3. Anspruch auf weitere jeweils 220 Euro monatlich als Leistung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II nF haben die Kläger ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit im Übrigen nicht.

16

a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Weiteren sind gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II nF Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

17

b) Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, von der abzurücken kein Anlass besteht, Tilgungsraten grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 35; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 169 ff, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 61). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; ebenso 4. Senat, BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Entscheidungen des erkennenden Senats, BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

18

c) Nicht ohne Bedeutung ist hiernach entgegen der Auffassung des SG die "vertragliche Ausgestaltung" der im Streit stehenden Aufwendungen. Maßgebend ist vielmehr, ob die von den Klägern entrichteten Zahlungen an die Voreigentümerin wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Das beurteilt sich nach der Rechtsprechung allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet sein können (vgl BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 21). Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung ist bei Grundstückskäufen auf Leibrentenbasis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wie eng das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Rentenzahlung und Grundstücksgeschäft beschaffen ist. Als Leibrente im eigentlichen Sinne des § 759 BGB erachtet der BGH ein "einheitlich nutzbares Recht …, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus wiederkehrenden, gleichmäßigen und in gleichen Zeitabständen zu gewährenden Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen"(BGH Urteil vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 - BB 1966, 305 - juris RdNr 22). Der Leibrente zugeordnet wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag deshalb nur, wenn die Gegenleistung für dessen Überlassung mit der Einräumung des Stammrechts, aus dem die Einzelansprüche erwachsen, formal bereits als vollständig erbracht anzusehen ist und die Rentenzahlungen deshalb im strengen Sinne nicht Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung sind, sondern Erfüllung des bereits vorher gewährten Rentenstammrechts. Steht dagegen nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung - und hat sich der Überlasser deshalb den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten für den Fall, dass der Übernehmer mit Zahlungen in Rückstand gerät - dann bilden die "Rentenzahlungen in ihrer Gesamtheit den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks" (BGH Beschluss vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 - WM 1991, 1644, juris RdNr 2 ff, RdNr 5).

19

d) Hiernach könnten Leibrenten der Miete allenfalls gleich zu stellen sein, wenn es sich um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB handelt. Muss dagegen eine "Leibrentenzahlung" bei vorbehaltenem Rücktritt - wie hier vertraglich ausbedungen - als Kaufpreisteil gesehen werden, so ist nicht anzunehmen, dass die Zahlungen nicht der Finanzierung des Grunderwerbs dienen. Maßgeblich ist dann nach der Rechtsprechung des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist" (vgl erkennender Senat: BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; 4. Senat: BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden, nachdem die 2005 - dem Jahr des erstmaligen Bezugs von SGB II-Leistungen der Kläger - 59 Jahre alte Voreigentümerin statistisch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren hatte (Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2008/2010, S 342).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2013 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind die Gewährung von Leistungen für den Regelbedarf im Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2011 an die Klägerin zu 2, trotz des zeitgleichen Bezugs von Teilhabeleistungen nach §§ 97 ff SGB III, und höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin zu 1.

2

Der im streitigen Zeitraum 19- bzw 20-jährigen Klägerin zu 2 ist ein GdB von 100 wegen einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit zuerkannt worden. Sie erhielt in dem hier streitigen Bewilligungsabschnitt Teilhabeleistungen nach §§ 97 ff SGB III iVm §§ 33 ff und §§ 44 ff SGB IX durch die BA in Gestalt einer Ausbildung zur Buchbinderin - Buchfertigung (Serie) im Berufsbildungswerk M und wohnte im dortigen Internat mit Vollverpflegung. Während der Ferien und jedes zweite Wochenende (Heimfahrtwochenende) war das Internat geschlossen. Das Ausbildungsgeld betrug 104 Euro monatlich. Zudem erhielt sie Fahrtkosten in Höhe von 236 Euro monatlich und einmalig für die An- und Abreise 118 Euro. Der Ausbildungsvertrag vom 28.6.2010 war ins Ausbildungsverzeichnis der IHK eingetragen.

3

Die erwerbsfähige Klägerin zu 1 ist die Mutter der Klägerin zu 2. Sie lebte mit einer weiteren, 1993 geborenen Tochter (im Weiteren S) im streitigen Zeitraum in einer gemeinsamen Wohnung in H Dorthin kehrte die Klägerin zu 2 auch während der Schließungszeiten des Internats zurück. Die Klägerin zu 1 und S erhielten bereits vor dem streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Beklagten. S erzielte 140 Euro aus einer Praktikumstätigkeit. Die Klägerin zu 1 erhielt für beide Kinder Kindergeld in Höhe von 368 Euro insgesamt (2 x 184 Euro).

4

Durch Bescheid vom 29.11.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1 - einschließlich einer Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehung - und S Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, jedoch ohne Unterkunftsleistungen, die der kommunale Träger gewährte. Diesen Bescheid änderte er durch Bescheid vom 26.3.2011 wegen der gesetzlichen Erhöhung der Leistungen für den Regelbedarf, durch Bescheid vom 30.3.2011 wegen einer fiktiven Einkommensberücksichtigung der S, durch Bescheid vom 25.5.2011 wegen des Zuflusses von Einkommen der S unter Aufhebung der vorhergehenden Bewilligung und Geltendmachung einer Erstattungsforderung und wiederholte dies durch Bescheid vom 27.7.2011. Die Widersprüche der Klägerinnen und S gegen den ersten Bewilligungsbescheid wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 4.8.2011 zurück. Zur Begründung führte er ua aus, die Klägerin zu 2 habe aufgrund ihres Ausschlusses als Auszubildende keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und bilde keine zumindest temporäre Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1 und S. Die Ausnahmeregelung des § 7 Abs 6 SGB II greife hier nicht. Das der Klägerin zu 1 für die Klägerin zu 2 gezahlte Kindergeld sei als Einkommen der Kindergeldberechtigten bei der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen, denn die Klägerin zu 2 sei volljährig und das Kindergeld werde nicht nachweislich an sie weitergeleitet.

5

Das SG hat die Klagen der Klägerinnen zu 1 und 2 sowie von S - Letztere ist durch Berufungsrücknahme im zweitinstanzlichen Verfahren als Verfahrensbeteiligte ausgeschieden - abgewiesen (Urteil vom 28.3.2012). Zuvor hatte sich der Beklagte bereit erklärt, über einen Anspruch der Klägerin zu 2 (im Urteil des SG als Klägerin zu 3 bezeichnet) auf Darlehensleistungen nach § 7 Abs 5 S 2 SGB II bzw § 27 Abs 4 SGB II zu entscheiden, den er später anerkannt hat, soweit von einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II auszugehen sei. Das SG hat die Bescheide des Beklagten für rechtmäßig befunden und einen Leistungsausschluss der Klägerin zu 2 bejaht. Die von der Klägerin zu 2 absolvierte Ausbildung sei dem Grunde nach förderfähig nach dem SGB III. Hieraus folge, dass auch die Klägerin zu 1 keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe. Ebenso wenig sei ein Anspruch der Klägerin zu 2 auf Mehrbedarfsleistungen nach dem SGB II gegeben, insbesondere nicht nach § 21 Abs 4 und § 27 Abs 2 SGB II. Das LSG hat die Berufung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des SG und einen Verweis auf zahlreiche Entscheidungen anderer Landessozialgerichte zurückgewiesen (Urteil vom 15.5.2013). Leistungen für Unterkunft und Heizung hat es als nicht streitgegenständlich bewertet, denn der Beklagte habe hierüber im streitigen Zeitraum nicht zu entscheiden gehabt. Von einer Beiladung des Jobcenters M habe abgesehen werden können, denn die Klägerin zu 2 habe ihren Lebensmittelpunkt in H bei ihrer Mutter aufrecht erhalten.

6

Mit ihrer - durch Beschluss des erkennenden Senats vom 1.11.2013 zugelassenen - Revision haben die Klägerinnen ua eine Verletzung von § 7 Abs 5 S 1 SGB II geltend gemacht. Die Klägerin zu 2 sei nicht von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Bereits der Wortlaut des § 7 Abs 5 SGB II zeige, dass die beim Berufsbildungswerk M erbrachte Teilhabeleistung keine dem Grunde nach förderfähige Ausbildung sei. Ausgangspunkt der Bewertung insoweit sei das konkrete Ausbildungsverhältnis. Es mangele hier an dem nach § 57 SGB III erforderlichen Ausbildungsvertrag und die Klägerin zu 2 habe auch keine Vergütung erhalten. Zudem sei die Berufsausbildungsbeihilfe monetär deutlich höher als das hier erbrachte Ausbildungsgeld. Das Ausbildungsgeld selbst und die ihr gewährten Leistungen für Fahrtkosten seien nicht als Einkommen bei der Berechnung der der Klägerin zu 2 zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen. Es handele sich insoweit um zweckgebundene Einnahmen. Die Klägerin zu 2 habe als nach dem SGB II Leistungsberechtigte auch Anspruch auf die Mehrbedarfsleistung des § 21 Abs 4 SGB II.

7

Die Klägerinnen beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2013 und des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. März 2012 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 29. November 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. März 2011, 30. März 2011 und 25. Mai 2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2011 zu ändern, und den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2011 der Klägerin zu 2 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich einer Mehrbedarfsleistung nach § 21 Abs 4 SGB II sowie der Klägerin zu 1 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, dass die Klägerin zu 2 eine Ausbildung entsprechend der Buchbinder-Ausbildungsverordnung absolviert habe. Ihr seien zudem neben dem Ausbildungsgeld weitere Leistungen in Gestalt der Unterbringung im Internat, Verpflegung und Reisekosten gewährt worden.

Entscheidungsgründe

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Die Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet.

11

Die Klägerin zu 2 hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie ist von diesen nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II idF des Gesetzes vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) bzw § 7 Abs 5 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453, mWv 1.4.2011) ausgeschlossen, da sie mit der Ausbildung zur Buchbinderin eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung nach dem SGB III absolviert (2.). Eine Rückausnahme nach § 7 Abs 6 SGB II ist hier nicht gegeben (3.) Sie hat auch keinen Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen nach § 21 Abs 4 SGB II. Anhaltspunkte für einen anderen Mehrbedarf iS des § 21 SGB II oder § 27 Abs 2 SGB II idF der Neubekanntgabe vom 13.5.2011 (BGBl I 850, mWv 1.4.2011) sind ebenfalls nicht gegeben (4.). Die Klägerin zu 1 hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das ihr als Kindergeldberechtigter gezahlte Kindergeld für die Klägerin zu 2 ist im Rahmen der Berechnung der Leistungen der Klägerin zu 1 als deren Einkommen zu berücksichtigen (5.).

12

1. Streitgegenstände des Revisionsverfahrens sind die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Mehrbedarfsleistungen an die Klägerin zu 2 sowie höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin zu 1 im Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2011 als von dem Beklagten im Bewilligungsbescheid vom 29.11.2010 idF der Änderungsbescheide vom 26.3.2011, 30.3.2011 und 25.5.2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.8.2011, verfügt. Die Verfügung des Beklagten im Bescheid vom 30.3.2011 ist zwar, soweit sie die Leistungen der S betrifft, nicht mehr Gegenstand des Verfahrens vor dem Revisionsgericht. S hat die Berufung vor dem LSG zurückgenommen und ist keine Revisionsklägerin. Sollte jedoch das Kindergeld für die Klägerin zu 2 nicht als Einkommen bei der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen sein, würde sich das Verhältnis des eigenen Bedarfs der Klägerin zu 1 zum Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft auch unter Berücksichtigung des Einkommens von S ändern, sodass die Bemessung der Leistung für die Klägerin zu 1 in diesem Bescheid insoweit streitgegenständlich bleibt. Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist hingegen der Bescheid des Beklagten vom 27.7.2011, denn er wiederholt nur die Verfügung vom 25.5.2011. Ebenfalls nicht Streitgegenstand sind Leistungen für Unterkunft und Heizung. Abgesehen davon, dass der Beklagte insoweit keine Verfügungen in den angefochtenen Bescheiden getroffen hat, weil er den kommunalen Träger hierfür in der Pflicht sah, haben die Klägerinnen auch keine Klage wegen der Unterkunfts- und Heizkosten erhoben. Die Trennung der Streitgegenstände Regelbedarf sowie Bedarf für Unterkunft und Heizung ist auch zulässig. Insoweit schließt sich der erkennende Senat dem 14. Senat des BSG an, der mit Urteil vom 4.6.2014 in einem zu dem vorliegenden umgekehrten Fall befunden hat, die Beschränkung der Klage auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung sei zulässig, auch wenn sie - wie hier - einen Zeitraum nach dem Inkrafttreten des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG (BGBl I 453, mWv 1.1.2011 bzw 1.4.2011) betreffe (B 14 AS 42/13 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die darlehensweise Leistungsgewährung aufgrund eines Härtefalls nach § 7 Abs 5 S 2 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) bzw § 27 Abs 4 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453, mWv 1.4.2011) war im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen, da der Beklagte insoweit ein von den Klägerinnen angenommenes Anerkenntnis für den Fall des Leistungsausschlusses der Klägerin zu 2 abgegeben hat.

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2. Unabhängig von den fehlenden Feststellungen des LSG zur Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 2 iS des § 7 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 SGB II war sie im streitigen Zeitraum bereits wegen des Absolvierens einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gemäß § 7 Abs 5 S 1 bzw dem wortgleichen § 7 Abs 5 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453, mWv 1.4.2011) ausgeschlossen. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung …. nach den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die von der Klägerin zu 2 absolvierte Ausbildung zur Buchbinderin führt zu einem derartigen Leistungsausschluss. Es handelt sich bei dieser um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung iS des § 7 Abs 5 SGB II. Hieran ändert es nichts, dass deren Förderung durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen erfolgt ist (Ausschluss auch bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Sächsisches LSG vom 9.9.2013 - L 7 AS 1237/13 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen 22.1.2014 - L 13 AS 140/11, beim BSG anhängig unter dem Aktenzeichen B 14 AS 16/14 R; kein Ausschluss: s LSG Berlin-Brandenburg vom 11.2.2008 - L 5 B 10/08 AS ER; kein Ausschluss bei einer berufsvorbereitenden Maßnahme als Teilhabeleistung: LSG Berlin-Brandenburg vom 10.3.2009 - L 20 AS 47/09 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.11.2011 - L 20 AS 1663/10; LSG Berlin-Brandenburg vom 16.1.2011 - L 26 AS 2360/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 26.6.2013 - L 34 AS 2690/12; LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.3.2014 - L 9 AS 310/13, anhängig beim BSG unter dem Aktenzeichen B 14 AS 25/14 R). Dies lässt sich bereits aus dem Wortlaut iVm der bisherigen Auslegung des § 7 Abs 5 SGB II in der Rechtsprechung des BSG erschließen (a) und wird gestützt durch die Betrachtung der gesetzlichen Entwicklung des Leistungsauschlusses für Auszubildende im Sozialhilfe- und Grundsicherungsrecht (b), des systematischen Zusammenhangs, in dem § 7 Abs 5 SGB II steht (c), sowie von Sinn und Zweck des Ausschlusses von Auszubildenden im Hinblick auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (d).

14

a) Der Wortlaut des § 7 Abs 5 SGB II umfasst auch besondere Leistungen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben in Gestalt einer Ausbildung. Zwar weisen die Klägerinnen zutreffend darauf hin, dass die in § 7 Abs 5 SGB II aufgeführte Normenkette des SGB III die von der Klägerin zu 2 bezogenen Förderleistungen nicht ausdrücklich benennt. Der Klägerin zu 2 sind nach den Feststellungen des LSG keine Leistungen für eine berufliche Ausbildung nach §§ 59 ff SGB III von der BA gewährt worden, sondern besondere Leistungen nach §§ 102 ff SGB III in den zu Beginn der Ausbildung im August 2010 jeweils geltenden Fassungen(§ 422 SGB III), also Leistungen im Rahmen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (§§ 97 ff SGB III). Die BA hat dabei die Teilnahmekosten für die Maßnahme der Ausbildung zur Buchbinderin im Berufsbildungswerk M nach § 103 S 1 Nr 3 SGB III iVm § 109 SGB III übernommen, die Klägerin zu 2 in einem Internat mit Vollverpflegung untergebracht(§ 106 Abs 3 SGB III) sowie Ausbildungsgeld nach § 104 Abs 1 Nr 1 SGB III iVm § 105 Abs 1 Nr 2 SGB III gezahlt und die Fahrtkosten für die Heimfahrten übernommen. Die Klägerin hat damit - unabhängig von der nicht ausdrücklichen Erwähnung dieser Vorschriften im § 7 Abs 5 SGB II - eine nach dem Wortlaut des Ausschlusstatbestandes dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung iS der §§ 60 bis 62 SGB III absolviert. Wie beide für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden haben, kommt es für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II allein auf die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung an(BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 15 mwN; BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 9 juris RdNr 17; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 20 juris RdNr 15; BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 145/10 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 26 RdNr 14; zuletzt BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R, SozR 4-3200 § 7 Nr 27 RdNr 13). Diese ist bei der von der Klägerin zu 2 absolvierten Ausbildung zur Buchbinderin gegeben.

15

Nach § 60 Abs 1 SGB III ist eine berufliche Ausbildung förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Bei der von der Klägerin zu 2 absolvierten Ausbildung zur Buchbinderin handelt es sich nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)um eine in diesem Sinne förderungsfähige. Auch die Klägerinnen bestreiten weder, dass es sich bei der Ausbildung zur Buchbinderin um eine solche in einem anerkannten Ausbildungsberuf handelt, noch dass sie in das Ausbildungsverzeichnis der IHK eingetragen worden ist. Sie vertreten jedoch die Auffassung, dass der Ausbildungsvertrag nicht den Anforderungen des § 60 Abs 1 SGB III genüge, da für die Klägerin zu 2 keine angemessene Ausbildungsvergütung vereinbart, diese im Gegenteil ausgeschlossen worden sei. Mit diesem Vortrag können sie jedoch aus zweierlei Gründen nicht durchdringen.

16

Zum einen ist nach der Rechtsprechung des für die Arbeitsförderung zuständig gewesenen 7a-Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, die Eintragung bzw die Nichteintragung des Berufsausbildungsverhältnisses in das Berufsausbildungsverzeichnis für Gerichte, andere Behörden und Dritte insoweit bindend, als damit ua im Hinblick auf das Vorliegen eines Ausbildungsverhältnisses Tatbestandswirkung eintritt (BSG vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 100/04 R, juris RdNr 16). Mit der Aufnahme von Berufsausbildungsverhältnissen in das nach dem BBiG einzurichtende und zu führende Verzeichnis durch die hierfür zuständige Stelle erfolgt zugleich eine Entscheidung darüber, ob eine Ausbildung der durch das BBiG vorgeschriebenen Form entspricht (BSG vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 100/04 R, juris RdNr 16; s auch BSG vom 21.6.1994 - 11 RAr 81/93, SozR 3-4100 § 40 Nr 8 S 36 juris RdNr 19). Eine Überprüfung der inhaltlichen Übereinstimmung der Ausbildung mit den Vorschriften des BBiG und der jeweiligen Ausbildungsordnung steht den Gerichten im Rahmen der Überprüfung der Entscheidung der BA über die Berufsausbildungsbeihilfe dann folglich nicht mehr zu.

17

Ist die iS des § 7 Abs 5 SGB II erforderliche abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung gegeben, so kommt es - wie ebenfalls beide für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits entschieden haben - auf die individuelle Förderungsfähigkeit, die im Verhältnis zum Träger der Ausbildungsförderleistung eingetreten ist, nicht mehr an(BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 15 mwN; BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 9 juris RdNr 17; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 20 juris RdNr 15; BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 145/10 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 26 RdNr 14; zuletzt BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R, SozR 4-3200 § 7 Nr 27 RdNr 13). Dies betrifft sowohl Gründe, die zum Versagen von Förderleistungen führen (vgl hierzu die zitierte Rspr) als auch den individuell bedingten Umfang der Förderung und die Förderleistungen im Einzelnen. Soweit die Klägerin zu 2 mithin ihre Ausbildung nicht in einem Betrieb, sondern in einem Berufsbildungswerk absolviert und deswegen keine Ausbildungsvergütung, sondern die oben beschriebenen Leistungen von der BA als Teilhabeleistungen erhalten hat, ist dies den individuellen, in der Person der Klägerin zu 2 liegenden Umständen geschuldet und keine Frage der abstrakten Förderungsfähigkeit der Ausbildung. Als ein solcher individueller Grund machte die Behinderung der Klägerin zu 2 die Erbringung der Ausbildungsförderung als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich (§ 97 Abs 1 SGB III iVm §§ 33 ff, 44 ff SGB IX).

18

Solche Leistungen können nach § 98 SGB III als allgemeine oder besondere erbracht werden. Die Klägerin hat hier die bereits erwähnten besonderen Leistungen nach § 102 ff SGB III erhalten. Grundsätzlich gilt jedoch gemäß § 99 SGB III, dass die allgemeinen und besonderen Leistungen sich nach den Vorschriften des ersten und vierten bis sechsten Abschnitts(Fünfter Abschnitt des SGB III = §§ 60 bis 62 SGB III)richten, soweit in den nachfolgenden Normen nichts Abweichendes bestimmt ist. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung (s auch Großmann in Hauck/Noftz, SGB III K § 114 RdNr 2, Stand 05/2014; Lauterbach in Gagel, SGB II/III, § 99 SGB III RdNr 1, Stand 04/201; s auch Luik, in Eicher/Schlegel, SGB III, § 114 RdNr 2 und 15, Stand 04/2013). Dies bedeutet, dass die Voraussetzungen etwa der §§ 59 ff SGB III im Hinblick auf die Förderungsfähigkeit gegeben sein müssen, soweit nicht ab § 100 ff SGB III Besonderheiten normiert sind, die der spezifischen - hier - Ausbildungssituation behinderter Menschen Rechnung tragen(s Luik, in Eicher/Schlegel, SGB III, § 114 RdNr 2 und 15, Stand 04/2013). Damit wird berücksichtigt, dass zwar das Vorliegen einer Behinderung Voraussetzung für die Leistungserbringung nach §§ 97 ff SGB III ist, das Eingliederungsziel jedoch - soweit nichts Abweichendes bestimmt ist - mit den Instrumentarien der allgemeinen aktiven Arbeitsförderung erreicht werden soll(vgl Großmann in Hauck/Noftz, SGB III, K § 114 RdNr 9, Stand 05/2014; Lauterbach in Gagel, SGB II/III, § 99 SGB III RdNr 1, Stand 04/2001). Letztlich soll damit eine Gleichbehandlung behinderter erwerbsfähiger und nichtbehinderter erwerbsfähiger Auszubildender durch einen wegen der Behinderung erforderlichen Ausgleich bewirkt werden (vgl Treichel, NZS 2013, 805, 809). Aufgrund dieses systematischen Zusammenhangs bedurfte es im Hinblick auf den Grundgedanken, dass für den Leistungsausschluss die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach erforderlich ist und die individuelle Situation insoweit keine Rolle spielt, keiner ausdrücklichen Erwähnung der Vorschriften über das Ausbildungsgeld nach §§ 103 Nr 2 iVm 104, 105 SGB III im Wortlaut der Regelung des § 7 Abs 5 Abs 1 SGB II. Die abstrakte Förderungsfähigkeit auch einer Teilhabeleistung in Gestalt der Ausbildung bestimmt sich nach den Regeln der §§ 60 ff SGB III unter Berücksichtigung der Besonderheiten der §§ 97 ff SGB III.

19

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist dem Urteil des erkennenden Senats vom 22.3.2012 (B 4 AS 102/11 R, SozR 4200 § 7 Nr 27 RdNr 17)zum "Urlaubssemester" nichts Anderes zu entnehmen. Voraussetzung für die Beurteilung des Leistungsausschlusses der dortigen Klägerin war die abstrakte Förderungsfähigkeit des von ihr absolvierten Studiums. Der erkennende Senat hat insoweit darauf hingewiesen, dass auch der Leistungsanspruch während eines Urlaubssemesters sich nach der abstrakten Förderungsfähigkeit des Studiums bemessen müsse. Daher könne ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II während eines Urlaubssemesters nur dann gegeben sein, wenn der Studierende während dessen entweder aus organisationsrechtlichen Gründen der Hochschule nicht mehr angehört oder die organisationsrechtliche Zugehörigkeit zwar weiterhin vorliegt, er sein Studium jedoch tatsächlich nicht betreibt. Es mangelt dann bereits an der zum Leistungsausschluss iS des § 7 Abs 5 SGB II führenden "Ausbildung".

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b) Dieses Ergebnis nach der Wortlautbetrachtung in Kombination mit ersten systematischen Überlegungen wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialien zum SGB II und einen Blick auf die Entwicklung der vergleichbaren Ausschlussregelung des § 26 BSHG, nunmehr § 22 SGB XII.

21

Zwar finden sich in den Gesetzentwürfen zur Einführung des SGB II keine ausdrücklichen Hinweise darauf, dass ein Leistungsausschluss auch der Bezieher von Teilhabeleistungen zur Ausbildung nach dem SGB III mitbedacht worden ist. Erstmals in der Begründung zu § 22 Abs 7 SGB II, der durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vom 20.7.2006 (BGBl I 1706 mWv 1.1.2007) ergänzende Unterkunftsleistungen für von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossene Auszubildende geschaffen hat, wird jedoch deutlich, dass die zuvor dargelegte Wortlautauslegung auch durch den Gesetzgeber intendiert war. § 22 Abs 7 S 1 SGB II in der Ausgangsfassung lautet: Abweichend von § 7 Abs 5 erhalten Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem SGB III … erhalten und deren Bedarf sich nach § 65 Abs 1, § 66 Abs 3, § 101 Abs 3, § 105 Abs 1 Nr 1, 4, § 106 Abs 1 Nr 2 SGB III... bemisst, einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II). Bereits im Wortlaut kommt hier zum Ausdruck, dass auch Bezieher von Ausbildungsgeld von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sein können und nicht nur solche Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe aufgrund der §§ 59 ff SGB III erhalten. In der Entwurfsbegründung wird auch erstmals ausdrücklich hierauf hingewiesen (BT-Drucks 16/1410, S 24). Während die Rückausnahme zum Leistungsausschluss durch § 7 Abs 6 SGB II zunächst nicht parallel zu § 22 Abs 7 SGB II geändert wurde, ist mit dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen vom 20.12.2011 (BGBl I 2854) mWv zum 1.4.2012 auch dort eine Bezugnahme auf die Regelungen zum Ausbildungsgeld nach dem SGB III erfolgt. In der Entwurfsbegründung hierzu heißt es, dass die Neufassung des § 7 Abs 6 Nr 2 SGB II mit den Worten: "… deren Bedarf sich nach § 62 Abs 1 oder § 124 Abs 1 Nr 1 SGB III bemisst …", iS der gängigen Praxis klarstelle, dass auch behinderte Menschen, die mit Anspruch auf Ausbildungsgeld eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme besuchten(Parallelität zu § 61 SGB III für nichtbehinderte erwerbsfähige Leistungsberechtigte)und im Haushalt der Eltern untergebracht seien - als Rückausnahme zu deren Ausschluss - einen Anspruch auf Alg II oder Sozialgeld (unter Anrechnung des Ausbildungsgeldes) hätten (BT-Drucks 17/3404, S 93). Die mit dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführte Regelung des § 27 SGB II, die alle Leistungen an ausgeschlossene Auszubildende zusammenfasst, hat die Verweisungstechnik auf die Vorschriften zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB III für "behinderte Auszubildende" in § 27 Abs 3 SGB II(Ersatz für § 22 Abs 7 SGB II) fortgeführt. Dort ist sodann auf die Vorschriften der §§ 105 Abs 1 Nr 1(Bedarf eines Ausbildungsgeldbeziehers während der Berufsausbildung bei Unterbringung im Elternhaus) und 4 (dessen anderweitige Unterbringung) sowie § 106 Abs 1 Nr 2 SGB III(Bedarf eines Ausbildungsgeldbeziehers ua während einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme) Bezug genommen worden, mit dem Hinweis, dass die Vorschrift im Wesentlichen § 22 Abs 7 SGB II entspreche(BT-Drucks 17/3404, S 103). Soweit also in den Entwurfsbegründungen im Wesentlichen ohne nähere Erläuterung auch Bezieher von Ausbildungsgeld im Rahmen von Teilhabeleistungen nach dem SGB III als vom Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II umfasst angesehen wurden, ist der Blick - im Sinne der gängigen Praxis - dem Sozialhilferecht zuzuwenden.

22

Die Einfügung des Leistungsausschlusses für Auszubildende in das SGB II aufgrund des Vorschlags des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit ist mit der Angleichung der Regelungen von SGB II und SGB XII begründet worden, um mit dem neuen Sozialhilferecht ein Referenzsystem steuerfinanzierter Fürsorgeleistungen einschließlich des Alg II zu schaffen (Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 16.10.2003, BT-Drucks 15/1749, S 31). Der Leistungsausschluss von Auszubildenden war bereits im BSHG (§ 31 Abs 4 BSHG) durch das 1. Haushaltsstrukturgesetz 1975 (BGBl I 3091) eingeführt worden (ersetzt 1982 durch § 26 BSHG, 2. Haushaltsstrukturgesetz von 1981, BGBl I 1523), verbunden mit der Streichung der "Ausbildungshilfe" als originäre Leistung der Sozialhilfe. Hierbei ist es in der Folgezeit trotz intensiver sozialpolitischer Diskussionen auch geblieben (vgl hierzu Birk ua in LPK - BSHG, 3. Aufl 1990, § 26 RdNr 3, 4; s auch Brühl in LPK - BSHG, 6. Aufl 2003, § 26 RdNr 2; Schellhorn, BSHG, 15. Aufl 1997, § 26 RdNr 2 ff). Die Regelung des § 26 BSHG wurde damit zum Vorbild für den heutigen Leistungsausschluss für Auszubildende nach § 22 SGB XII(vgl Voelzke in juris-PK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 22 RdNr 5; so auch BT-Drucks 15/1514 S 57) und § 7 Abs 5 SGB II. Die Ausschlussvorschrift des BSHG enthielt jedoch auch nur einen Verweis auf die Förderfähigkeit durch Berufsausbildungsbeihilfe (§ 40 AFG) und nicht auf berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation (§ 58 AFG - vergleichbar den heutigen Teilhabeleistungen des SGB III). Aus der Anwendungspraxis des § 26 BSHG kann jedoch geschlossen werden, dass die mangelnde Erwähnung des zuletzt benannten Personenkreises in den ersten Entwurfsbegründungen zum SGB II darauf zurückzuführen ist, dass deren Ausschluss - wie im BSHG - als umfasst angesehen worden war. Denn nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung waren auch ohne Bezugnahme auf die Vorschriften zur Rehabilitation im AFG behinderte Auszubildende von der Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen (vgl nur VGH Baden-Württemberg vom 5.1.1996 - 6 S 2979/95; VG Meiningen vom 5.2.2004 - 8 E 31/04.Me).

23

c) Auch die systematische Betrachtung des Normgefüges im SGB II bestätigt das nach der Wortlautauslegung und dem geschichtlichen Hintergrund des Leistungsausschlusses für durch Teilhabeleistungen zur Arbeit geförderte Auszubildende gefundene Ergebnis. Bei der Betrachtung der Gesetzesmaterialien ist bereits deutlich geworden, dass § 7 Abs 5 S 1 SGB II im Zusammenhang mit dem System der Rückausnahme vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 6 SGB II und Leistungsgewährung trotz Leistungsausschlusses nach § 22 Abs 7 SGB II sowie später § 27 SGB II steht. Sowohl § 7 Abs 6 SGB II als auch § 22 Abs 7 SGB II und § 27 SGB II setzen voraus, dass der nach diesen Vorschriften Leistungsberechtigte von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Wenn aber sowohl die Rückausnahme als auch die Gleichwohlleistungsgewährung im Normtext ausdrücklich auch Bezieher von besonderen Leistungen zur Teilhabe nach §§ 102 ff SGB III berücksichtigen, ist es systematisch stimmig, dass sie bereits vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II umfasst waren.

24

d) Der Ausschluss der SGB II - Leistungen auch für Auszubildende, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von der BA erbracht werden, entspricht auch dem Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 5 SGB II. Bereits vom BVerwG war erkannt worden, dass das Sozialhilferecht grundsätzlich nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Denn die Leistungsansprüche zur Ausbildungsförderung seien - so die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung - außerhalb des BSHG sondergesetzlich abschließend geregelt (BVerwG vom 12.2.1981 - 5 C 51/80, BVerwGE 61, 352, 356; BVerwG vom 14.10.1993 - 5 C 16/91, BVerwGE 94, 224, 226 f). Die Ausschlussregelung für Auszubildende sollte die Sozialhilfe mithin davon befreien, eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen, insbesondere für die Auszubildenden, die aus individuellen Gründen keine anderen Ausbildungsförderleistungen erhielten (BVerwG vom 12.2.1981 - 5 C 51/80 - BVerwGE 61, 352, 358 f; BVerwG vom 17.1.1985 - 5 C 29/84 - BVerwGE 71, 12, 15 ff; BVerwG vom 7.6.1989 - 5 C 3/86 - BVerwGE 82, 125, 129; BVerwG vom 14.10.1993 - 5 C 16/91 - BVerwGE 94, 224, 226). Aus dem Zusammenspiel von Leistungsausschluss und auch bereits im BSHG normierter Härteregelung (§ 26 Abs 1 S 2 BSHG) hat das BVerwG gefolgert, dass "Hilfebedürftige", die eine abstrakt förderfähige Ausbildung betrieben und nach den dafür vorgesehenen Leistungsgesetzen nicht (mehr) gefördert würden, in der Regel gehalten seien, von der Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen, um für die Dauer der Hilfebedürftigkeit den Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzuwenden. Den so vom BVerwG umschriebenen Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses von Auszubildenden haben die beiden für die Grundsicherungsangelegenheiten zuständigen Senate des BSG auch als für die Leistungen nach dem SGB II maßgeblich angesehen (s nur BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 17 ff; BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 67/08 R - juris RdNr 17). Insoweit gilt für die Förderung zumindest einer Ausbildung im Rahmen der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nichts anderes (Jenak in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 122 SGB III, RdNr 41).

25

Auch bei behinderten Menschen erfolgt die Förderung der Ausbildung - in einem anderen System als dem SGB II - durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit einer - auch der Klägerin zu 2 - gewährten Übernahme der Maßnahmekosten. Die Sicherung des Lebensunterhalts darüber hinaus wird nach § 45 SGB IX iVm § 104 Abs 1 Nr 1 iVm § 105 Abs 1 Nr 2 SGB III durch das Ausbildungsgeld bewirkt(vgl Reyels in jurisPK-SGB IX, § 45 RdNr 21, Stand 04/2014). Der behinderte Mensch wird insoweit dem nichtbehinderten Menschen, der eine nach dem SGB III dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung betreibt, gleichgestellt. Er erhält Ausbildungsgeld an Stelle der Berufsausbildungsbeihilfe (vgl BSG vom 8.6.1989 - 7 RAr 122/88, SozR 4100 § 59 Nr 8 juris RdNr 28). Das Ausbildungsgeld wiederum ist der Höhe nach davon abhängig, wo und in welcher Form die Ausbildung erfolgt. Vorliegend hat die BA der Klägerin zu 2 Internatsunterbringung und Verpflegung nach den hier noch anzuwendenden §§ 102 ff SGB III als Leistungen neben dem Ausbildungsgeld erbracht. Das Ausbildungsgeld war entsprechend niedriger als bei der anderweitigen Unterbringung oder im Elternhaus. Damit war der Lebensunterhalt der Klägerin zu 2 während der Ausbildung jedoch sichergestellt und eine darüber hinausgehende Gewährung von Leistungen für den Regelbedarf nach dem SGB II würde auf die Schaffung des soeben als Zweck des Leistungsausschlusses benannten zweiten Standbeines für die Ausbildungsförderung hinauslaufen.

26

Den Einwand der Klägerinnen, das Ausbildungsgeld sei lediglich eine Art Motivationsunterstützung, damit die Ausbildung tatsächlich betrieben werde und daher kein Standbein einer Ausbildungsförderung, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Zum einen hat der 8. Senat des BSG bereits ausführlich dargelegt, dass es sich beim Ausbildungsgeld nicht um eine Leistung handelt, deren Zweck über die Unterhaltssicherung hinausgeht; der erkennende Senat schließt sich dem an (BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R, BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6, juris RdNr 24, 26). Auch handelt es sich insoweit nicht um eine "Mehraufwandsentschädigung", denn - hierauf weist der 8. Senat ebenfalls zutreffend hin - ausbildungsbedingte Mehraufwendungen sind nach Maßgabe der §§ 109 f SGB III von der BA zu übernehmen(BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R, BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6, juris RdNr 25). Im Übrigen erfolgt im vorliegenden Fall die Unterhaltssicherung nicht ausschließlich über das Ausbildungsgeld, sondern auch durch die für die Klägerin zu 2 kostenfreie Unterbringung in einem Internat sowie die Verpflegung dort. Auch die Reisekosten werden ihr von der BA ersetzt.

27

3. Die Voraussetzungen für eine Rückausnahme nach § 7 Abs 6 SGB II sind hier nicht gegeben. Danach galt bis 31.3.2012, dass vom Leistungsausschluss ausgenommen waren: Auszubildende, 1. die aufgrund von § 2 Abs 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 64 Abs 1 SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hatten oder 2. deren Bedarf sich nach § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG oder nach § 66 Abs 1 S 1 oder § 106 Abs 1 Nr 1 SGB III bemaß. Die Rückausnahme der Nr 1 betraf also Auszubildende, die im Elternhaus wohnten und deshalb keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hatten. Von der Rückausnahme der Nr 2 sollten diejenigen profitieren, die eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme durchliefen und ebenfalls im Elternhaus wohnten. Beide Voraussetzungen sind in der Person der Klägerin zu 2 im hier streitigen Zeitraum nicht gegeben.

28

4. Die Klägerin zu 2 vermag auch nicht mit ihrem Begehren nach einer Mehrbedarfsleistung nach § 21 Abs 4 SGB II(idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453 mWv 1.1.2011) durchzudringen. Danach wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Zwar werden der Klägerin zu 2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS des § 33 SGB IX erbracht. Da sie jedoch von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen ist, soweit es sich um ausbildungsbedingten Bedarf und ausbildungsgeprägten Mehrbedarf handelt, hat sie auch keinen Anspruch auf die an die Teilhabeleistung anknüpfende Leistung nach § 21 Abs 4 SGB II(vgl Lang/Knickrehm in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 40, unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu § 23 Abs 3 BSHG, OVG Lüneburg vom 22.3.2006 - 4 LB 153/04 - juris RdNr 26; so auch für das SGB II bereits angedeutet BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 19; anders bei nichtausbildungsbezogenen Mehrbedarfen, s BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 23; BSG vom 30.8.2010 - B 4 AS 97/09 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 19 juris RdNr 10; nunmehr § 27 Abs 2 SGB II). Für die Zeit ab dem 1.4.2011 hat der Gesetzgeber dies auch klar zum Ausdruck gebracht, indem er in § 27 Abs 2 SGB II für den Personenkreis der nach § 7 Abs 5 SGB II ausgeschlossenen Auszubildenden lediglich einen Anspruch auf Leistungen für Mehrbedarf nach § 21 Abs 2, 3, 5 und 6 und in Höhe der Leistungen nach § 24 Abs 3 Nr 2 SGB II anerkannt hat.

29

Den bindenden - weil nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen - Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)lassen sich keine Anhaltspunkte für einen anderen Mehrbedarf iS des § 21 SGB II oder § 27 Abs 2 SGB II idF der Neubekanntgabe vom 13.5.2011 (BGBl I 850, mWv 1.4.2011) entnehmen.

30

5. Die Klägerin zu 1 hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das ihr als Kindergeldberechtigter gezahlte Kindergeld für die Klägerin zu 2 hat der Beklagte zutreffend bei ihr im Rahmen der Leistungsberechnung als Einkommen berücksichtigt. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)hat die Klägerin zu 1 das Kindergeld nicht nachweislich an die Klägerin zu 2 weitergeleitet. Damit könnte nur dann das Kindergeld der Klägerin zu 2 und nicht der Klägerin zu 1 als Einkommen nach § 11 Abs 1 S 4 SGB II zugerechnet werden, wenn sie Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 wäre. Die Klägerin zu 2 ist jedoch kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1.

31

Insoweit ist es zwar entgegen der Auffassung des Beklagten unerheblich, dass sie - wie zuvor dargelegt - von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen war. Grundsätzlich kann ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter auch mit einem von diesen Leistungen Ausgeschlossenen eine Bedarfsgemeinschaft bilden (für den Fall der Ehe zwischen einem Altersrentner und einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach dem SGB II s nur BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 juris RdNr 31; s auch BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, juris RdNr 12 ff). Ein volljähriges unverheiratetes Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres bildet nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II jedoch nur dann eine Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern oder einem Elternteil, wenn es dem Haushalt eines Elternteils angehört und seine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken kann. Die Klägerin zu 2 hat nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)im streitigen Zeitraum dem Haushalt der Klägerin zu 1 nicht dauerhaft angehört. Sie war nur temporär während der Schließungszeiten des Internats dem Haushalt der Mutter zugehörig. Für eine Ausweitung des von der Rechtsprechung entwickelten Instituts der "temporären" Bedarfsgemeinschaft (vgl BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 35 zur temporären Bedarfsgemeinschaft und BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, juris RdNr 27)auch auf Fallkonstellationen, in denen das volljährige Kind (unter 25 Jahren) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist, besteht jedoch nach Auffassung des Senates keine Veranlassung.

32

Bisher ist von der Rechtsprechung eine "temporäre" Bedarfsgemeinschaft nur zwischen einem leistungsberechtigten Elternteil und den minderjährigen Kindern in der Situation der zeitweisen Wahrnehmung des Umgangsrechts angenommen worden. Erst als Mitglied der "temporären" Bedarfsgemeinschaft erhalten diese Kinder - abgeleitet vom erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - für jeden Tag des Aufenthalts (mit mehr als zwölf Stunden) in der Bedarfsgemeinschaft mit dem Umgangsberechtigten Anspruch auf (zumindest) Regelleistungen nach dem SGB II (vgl BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13). Damit wird die wechselnde Aufnahme von minderjährigen Kindern in den jeweiligen Haushalt ihrer getrennt lebenden Eltern leistungsrechtlich - soweit erforderlich - ausgeglichen. Die Annahme einer "temporären" Bedarfsgemeinschaft trägt zudem der besonderen Förderungspflicht des Staates nach Art 6 Abs 1 GG Rechnung (BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 35 RdNr 18). Die hier vorliegende Bedarfslage der Klägerin zu 2 unterscheidet sich jedoch deutlich von der eines minderjährigen Kindes im Rahmen der zeitweisen Aufnahme in den Haushalt des umgangsberechtigten Elternteils. Bei einem volljährigen Kind, das einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II unterfällt, scheidet bereits wegen des Leistungsausschlusses eine Bedarfsdeckung durch Grundsicherungsleistungen während des temporären Aufenthalts im Haushalt des Elternteils aus. Die temporäre Bedarfsgemeinschaft selbst verschafft hier keinen eigenen Leistungsanspruch. Allein der Umstand, dass der Mutter über die Annahme einer "temporären" Bedarfsgemeinschaft ein höherer Bedarf aufgrund der Verschiebung der Einkommenszurechnung des Kindergeldes verschafft werden kann, stellt keinen Gesichtspunkt dar, der den Erwägungen des BSG zur Begründung der temporären Bedarfsgemeinschaft als gleichrangig zu erachten ist.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2013 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Landessozialgerichts wird klarstellend wie folgt gefasst: Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Januar 2012 sowie der Bescheid des Beklagten vom 10. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2011 werden geändert und der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger unter Änderung des Bescheides vom 31. Mai 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Januar 2011 für den Zeitraum vom 4. Juni bis 8. Oktober 2010 340 Euro als Mehrbedarfsleistung für Fahrtkosten zu gewähren.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung - im Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs durch Fahrtkosten, die im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts mit seiner 1999 geborenen Tochter entstanden sind.

2

Der Beklagte bewilligte dem alleinstehenden in D. wohnenden Kläger auf dessen Fortzahlungsantrag für den zuvor benannten Zeitraum eine Regelleistung in Höhe von monatlich 359 Euro (Bescheid vom 31.5.2010, geändert durch Bescheid vom 25.1.2011 wegen der Bewilligung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehung ab dem 15.10.2010). Über berücksichtigungsfähiges Einkommen verfügte er nicht. Er bewohnte ein in seinem Miteigentum stehendes Zweifamilienhaus und erhielt als Unterkunftsleistungen einen Betrag von 341,78 Euro monatlich. Die Tochter des Klägers lebte zunächst in K. bei ihrer Mutter. Die Eltern hatten ein gemeinsames Sorgerecht. Alle 14 Tage von Freitag bis Sonntag übte der Kläger sein Umgangsrecht aus. In den Sommerferien verbrachte die Tochter drei Wochen bei ihm. Er holte das zehn- bzw elfjährige Kind an den Besuchswochenenden und zu Ferienbeginn mit dem eigenen Pkw in K. ab und brachte sie sonntags bzw am Ferienende wieder dorthin zurück. Die Mutter lehnte es ab, dass die Tochter die Bahnfahrt von K. nach D. und zurück allein unternehme. Am 9.11.2010 teilte der Kläger dem Beklagten ua mit, an welchen Tagen sich die Tochter seit dem 1.6.2010 bei ihm aufgehalten hatte und dass sie seit dem 8.10.2010 bei ihm lebe. Ferner machte er die Erstattung der ihm durch die Fahrten zur Ausübung des Umgangsrechts entstandenen Aufwendungen geltend. Durch Bescheid vom 10.3.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Fahrtkostenerstattung in Höhe von 135,60 Euro. Dabei ging er von insgesamt zurückgelegten 3151 km aus, dividierte diese Summe durch zwei und multiplizierte sie mit 0,20. Von dem sich hieraus ergebenden Betrag von 315,20 Euro brachte er 10 % von der Regelleistung, die er dem Kläger für fünf Monate (Juni bis Oktober 2010) gewährt hatte (5 x 359 = 1795 Euro - hiervon 10 % = 179,50 Euro), in Abzug. Insoweit bestünden Einsparmöglichkeiten durch Umschichtung innerhalb der Regelleistung. Den Widerspruch wies er - nach Erhebung einer Untätigkeitsklage durch den Kläger beim SG Augsburg - mit derselben Begründung zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.8.2011).

3

Der Kläger hat nunmehr einen Anfechtungs- und Leistungsantrag gestellt und eine Fahrtkostenerstattung in Höhe von 0,30 Euro für insgesamt zurückgelegte 3151 km begehrt. Das SG hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger weitere 179,50 Euro mit der Begründung zugesprochen, dass die von dem Beklagten in dieser Höhe vorgenommene Berücksichtigung einer Einsparung rechtswidrig sei (Gesamtleistung: 179,50 Euro + 135,60 Euro = 315,10 Euro). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.1.2012).

4

Im Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht, 17 mal eine Wegstrecke von 272 km zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit dem Pkw zwischen D. und K. zurückgelegt zu haben. Eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei ihm nicht zumutbar gewesen, denn die Gesamtfahrtzeit betrage dann 5 Stunden, während er mit dem Pkw lediglich drei Stunden benötigt habe. Das LSG hat der Berufung insoweit stattgegeben, als es dem Kläger Leistungen von 80 Euro für den Monat Juni 2010, 100 Euro für den Monat Juli 2010, 40 Euro für den Monat August 2010 sowie jeweils 60 Euro für die Monate September 2010 und Oktober 2010 (insgesamt 340 Euro) abzüglich bereits erbrachter und vom SG ausgeurteilter Leistungen zugesprochen hat. Im Übrigen hat es die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Kläger zwar einen Anspruch auf Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II habe. Insoweit sei jedoch nur der unabweisbare Bedarf zu decken und seien Einsparmöglichkeiten zu nutzen. Unabweisbar sei der Bedarf lediglich in Höhe der Aufwendungen für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dem günstigsten Preis, hier mit dem "Bayern-Ticket" 2. Klasse zu einem Preis pro Fahrkarte von 20 Euro. Das LSG hat festgestellt, dass im streitigen Zeitraum die Fahrt zwischen D. und K. mit öffentlichen Verkehrsmitteln 2 bis 2 1/2 Stunden gedauert habe, mit einem Zwischenaufenthalt in U. von 45 bis zu 60 Minuten. Für die sonntägliche Fahrt von D. nach K. hätten zwei Anschlüsse (Abfahrt 13:25 Uhr bzw 17:25 Uhr) mit kurzem Zwischenaufenthalt und jeweils einer Gesamtfahrdauer von 1 Stunde und 47 Minuten bestanden. Die Mutter habe 17 "Fahrtage" zwischen dem 4.6. und dem 8.10.2010 bestätigt. Die Nutzung der Bahn sei dem Kläger auch trotz der im Vergleich längeren Fahrtzeit als mit einem Pkw zumutbar. Eine Einschränkung des Umgangsrechts folge hieraus nicht, denn bei den gemeinsamen Fahrten mit der Tochter habe er dieses bereits ausüben können. Weitere Einsparmöglichkeiten seien nicht ersichtlich, insbesondere keine solchen aus dem in der Regelleistung vorgesehenen Ansatz für Mobilitätsbedarf.

5

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 21 Abs 6 SGB II sowie eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn er auf öffentliche Verkehrsmittel verwiesen werde. Die Entscheidung des LSG stelle zugleich eine Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung dar. Er begehrt einen Betrag von 1072,10 Euro, der sich aus 0,30 Euro x 4624 gefahrenen Kilometern errechnet (1387,20 Euro), abzüglich der bereits vom Beklagten erbrachten 315,10 Euro.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen LSG vom 10.7.2013 und des SG Augsburg vom 17.1.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Änderung des Bescheides vom 31.5.2010 in der Fassung des Bescheides vom 25.1.2011 für den Zeitraum vom 4.6. bis 8.10.2010 weitere 1072,10 Euro zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend. Ergänzend führt er aus, dass keine unbeschränkte Sozialisierung der Scheidungsfolgekosten durch Leistungen der Grundsicherung zu erfolgen brauche. Es sei dem Kläger zuzumuten, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen, auch wenn diese länger dauerten als solche mit einem Pkw. Es gehe insoweit nicht um zeitsparendes und möglichst komfortables Reisen. Eine Einschränkung des Umgangsrechts sei damit nicht verbunden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat die Entscheidungen von SG und Beklagtem insoweit zutreffend geändert, als es die Höhe des Mehrbedarfs des Klägers, der ihm durch die Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter zwischen dem 4.6. und dem 8.10.2010 entstanden ist, mit 340 Euro beziffert hat. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die von ihm begehrten, über den zugesprochenen Betrag von 340 Euro hinausgehenden Leistungen (weitere 1047,20 Euro).

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs des Klägers wegen der Ausübung des Umgangsrechts mit der Tochter im Zeitraum vom 4.6. bis 8.10.2010. Der Beklagte hatte ihm eine Regelleistung und ab Mitte Oktober 2010 einen Mehrbedarf für Alleinerziehung durch bestandskräftigen Bescheid vom 31.5.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.1.2011 für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 bewilligt und den die Regelleistung erhöhenden Härtemehrbedarf durch den hier streitbefangenen Bescheid vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011 mit 135,60 Euro beziffert. Der erkennende Senat folgt dem LSG insoweit, als nach der ausdrücklichen Erklärung des Klägers Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht im Streit stehen (zur Eigenständig- und Abtrennbarkeit der Kosten der Unterkunft als Streitgegenstand vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; s auch Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - RdNr 12, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die weiteren Regelungen in diesen Bescheiden betreffend die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können jedoch nicht rechtlich zulässig in unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11). Dies gilt auch für eine Leistung für Mehrbedarf, die nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist (vgl nur BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff; s auch Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 12). Daher stellt der Anspruch auf eine Leistung nach § 21 Abs 6 SGB II keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand dar(BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 12).

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2. Zutreffende Klageart ist hier die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage. Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Teilaufhebung des die Fahrtkosten bewilligenden Bescheides vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011. Die Verpflichtungsklage ist auf die Änderung des im Zeitpunkt der Mitteilung des Klägers vom 9.10.2010 bereits bestandskräftigen Ausgangsbescheides vom 31.5.2010 in der Fassung des Bescheides vom 25.1.2011 gerichtet. Diese Bescheide sind auf der Grundlage des § 44 SGB X zu überprüfen(vgl dazu BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 10; s auch Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - juris RdNr 13). Der die laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligende Bescheid vom 31.5.2010 ist nach dem klägerischen Begehren insoweit rechtswidrig iS des § 44 SGB X, als die Leistung von Beginn des Bewilligungsabschnitts an um den Härtemehrbedarf für Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts hätte höher sein müssen. Mit der Leistungsklage beantragt der Kläger die Erbringung einer Leistung für höheren Regelbedarf über den von dem Beklagten bewilligten Betrag hinaus.

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3. Vorliegend sind durch den Bescheid vom 31.5.2010 iS von § 44 Abs 1 SGB X Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. So liegt der Fall hier.

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Der Kläger erfüllte nach den Feststellungen des LSG in dem streitigen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II. Er hatte wegen seiner Hilfebedürftigkeit im Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 Anspruch auf eine Regelleistung in Höhe von damals 359 Euro gemäß § 20 Abs 2 S 1 SGB II(idF des Gesetzes über die Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) sowie ab dem 15.10.2010 auf Leistungen für einen Mehrbedarf durch Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954), wie durch Änderungsbescheid vom 25.1.2011 bewilligt. Daneben stand ihm - ohne dass es eines gesonderten Antrags insoweit bedurft hätte (vgl nur BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN) -ein Anspruch auf Leistungen für Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter nach § 21 Abs 6 SGB II zu.

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Die Voraussetzungen des § 21 Abs 6 SGB II liegen hier dem Grunde nach vor. Zum Zeitpunkt des ersten geltend gemachten Bedarfs für eine Fahrt am 4.6.2010 kann der Kläger sein Begehren bereits auf diese Vorschrift stützen. Sie ist mit dem Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.5.2010 durch dessen Art 3a Nr 2 Buchst b mit Wirkung vom 3.6.2010 in § 21 SGB II eingefügt worden(BGBl I 671). Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (Satz 1). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2).

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a) Bei den Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts handelt es sich um einen besonderen Bedarf. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 4.6.2014 (B 14 AS 30/13 R - RdNr 20 - zur Veröffentlichung vorgesehen) in Fortführung der Ausgangsentscheidung des 7b. Senats vom 7.11.2006 (B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22)an.

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Ein besonderer Bedarf im Einzelfall ist dann gegeben, wenn die Bedarfslage eine andere ist, als die, die bei typischen Empfängern von Grundsicherungsleistungen vorliegt. Es muss daher ein Mehrbedarf im Verhältnis zum "normalen" Regelbedarf gegeben sein (vgl auch Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 78; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 75, Stand V/2011). Dies ist bei den Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts ungeachtet der Tatsache, dass im Regelbedarf ein Anteil für Fahrtkosten enthalten ist, der Fall. Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber nach der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12)und bei der Einfügung des § 21 Abs 6 SGB II im Mai 2010 ua speziell die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern als Anwendungsfall der Härtefallklausel im Blick hatte(BT-Drucks 17/1465, S 9), betrifft der Bedarf hier nicht nur die üblichen Fahrten im Alltag, sondern eine spezielle Situation bei der Aufrechterhaltung des Umgangs mit einem Kind. Diese Situation ist mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden, wenn die Wohnorte aufgrund der Trennung der Eltern weiter entfernt voneinander liegen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22; Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 97, 102; s auch Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 83, Stand V/2011). So liegt der Fall auch hier, denn der Kläger hatte seinen Wohnort rund 140 km entfernt von dem der Mutter, bei der das Kind lebte.

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b) Der Bedarf war im vorliegenden Bewilligungsabschnitt auch ein laufender, nicht nur einmaliger. Dabei kann offen bleiben, ob ein Bedarf iS des § 21 Abs 6 SGB II nur dann ein laufender ist, wenn er prognostisch dauerhaft, regelmäßig und längerfristig entstehen wird(zu diesen Anforderungen s BSG im Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl hierzu kritisch Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 80; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 74, Stand V/2011; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 67 f). Der Senat neigt dazu, die Reduzierung des Begriffs "laufender Bedarf" auf diesen Inhalt als nicht durch den Wortlaut des § 21 Abs 6 S 1 SGB II geboten zu bewerten. Es ist vielmehr im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal des laufenden Bedarfs in Abgrenzung zum einmaligen Bedarf eine Entscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu treffen. Dabei können Umschreibungen wie dauerhaft, regelmäßig oder längerfristig sowie eine prognostische Betrachtung nur Anhaltspunkte dafür sein, ob es sich um einen "laufenden Bedarf" handelt. Im vorliegenden Fall war jedoch nur über Leistungen bis zum Zuzug des Kindes zum Kläger zu befinden, sodass ungeprüft bleiben konnte, ob der Bedarf auch in Zukunft entstehen oder ggf entfallen wird, etwa weil im Hinblick auf das Alter und den Entwicklungsstand des Kindes es nicht mehr erforderlich sein wird, das Kind abzuholen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 73). Im streitigen Bewilligungsabschnitt ist der besondere Bedarf durch die regelmäßige Ausübung des Umgangsrechts - hier alle zwei Wochen an einem Wochenende von Freitag bis Sonntag im Zeitraum von Juni bis Oktober - laufend entstanden. Die Mutter des Kindes hatte in dieser Zeit ihre Zustimmung dazu verweigert, das zehn- bzw elfjährige Kind die Zugfahrt alleine unternehmen zu lassen (vgl zur Maßgeblichkeit von Entscheidungen der Familiengerichte bzw von Vereinbarungen zum Umfang des Umgangsrechts Behrend, jM 2014, 22, 27 f).

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c) Ebenso ist der Bedarf unabweisbar. Nach § 21 Abs 6 S 2 SGB II ist der Mehrbedarf unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Wenn der Kläger das verfassungsrechtlich geschützte Umgangsrecht mit seinem Kind ausüben möchte, ist das Entstehen des Bedarfs durch Fahrtkosten dem Grunde nach unabweisbar. Der Bedarf ist auch erheblich (aa) und kann nicht durch Zuwendungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Klägers gedeckt werden (bb). Allerdings ist der anzuerkennende Bedarf der Höhe nach niedriger als vom Kläger geltend gemacht. Insoweit sind Einsparmöglichkeiten zu berücksichtigen (cc).

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aa) Die Erheblichkeit des hier geltend gemachten Bedarfs steht außer Zweifel. Der erkennende Senat folgt dem 14. Senat des BSG, wenn er als erheblich einen atypischen Bedarf erkennt, der von einem durchschnittlichen Bedarf in nicht nur unbedeutendem wirtschaftlichen Umfang abweicht (vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 28 - zur Veröffentlichung vorgesehen, unter Verweis auf BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 28). Zutreffend weist er darauf hin, dass Anknüpfungspunkt insoweit letztlich die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) und damit die Frage ist, ob das menschenwürdige Existenzminimum trotz Mehraufwendungen noch gewährleistet werden kann oder über die Regelleistung hinausgehende Leistungen dazu erforderlich sind (vgl BT-Drucks 17/1465, S 8). Im vorliegenden Fall ist eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf sowohl im Hinblick auf die Regelleistung von damals 359 Euro insgesamt, aber auch den in der damaligen Regelleistung enthaltenen Betrag für Fahrtkosten von rund 20 Euro zu bejahen.

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bb) Eine Bedarfsdeckung durch Zuwendungen Dritter ist nach den bindenden Feststellungen des LSG nicht erfolgt. Auch sind nach dessen Feststellungen keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Realisierung unterhaltsrechtlicher Ansprüche gegen die Mutter des Kindes vorhanden (vgl zur "ersten objektiv rechtlich möglichen Umsetzung einer Änderung": BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 7/10 R - BSGE 107, 97 = SozR 4-4200 § 11 Nr 34, RdNr 29 ff; vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, juris RdNr 23; Behrend jM 2014, 22, 27 f). Der Senat folgt auch insoweit dem 14. Senat, wenn dieser darauf verweist, dass die im Grundsatz gegebene Einsparmöglichkeit durch "Umschichtung", also einer Präferenzentscheidung dahingehend, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen (BT-Drucks 17/1465, S 6 und 8), bei Bedarfen durch Fahrtkosten für die Ausübung des Umgangsrechts ausscheidet. Dieser Gedanke kommt nur bei Bedarfen, die dem Grunde nach vom Regelbedarf umfasst sind, zum Tragen. Dies ist aber gerade hinsichtlich des hier im Streit stehenden Mehrbedarfs nicht der Fall (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - juris RdNr 25 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ebenso wenig ist der Kläger auf den Ansparbetrag für notwendige Anschaffungen (§ 12 Abs 2 Nr 4 SGB II) als Einsparmöglichkeit zu verweisen. Dieser dient nur dazu, einmalige Bedarfe abzufangen. Müsste dieser Ansparbetrag für laufende Aufwendungen abgezweigt werden, stünde er gerade als Ansparbetrag für notwendige Anschaffungen nicht mehr zur Verfügung. Auch das Bestreiten des Bedarfs durch ein Darlehen (§ 24 Abs 1 SGB II) ist ausgeschlossen, denn insofern ist aufgrund der Entscheidung des BVerfG (Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 - BVerfGE 125, 175, 255 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 208; s auch BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - RdNr 121) davon auszugehen, dass nur einmalig auftretende "Bedarfsspitzen" über die Darlehensregelung erfasst werden können, sodass dies kein denkbarer Weg ist, um die laufend auftretenden Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts abzufangen.

21

cc) Allerdings versteht der erkennende Senat das Merkmal der "Einsparmöglichkeit" des § 21 Abs 6 SGB II so, dass auch bei einem dem Grunde nach unabweisbaren Bedarf die Höhe der hierfür gewährten Leistungen unter Berücksichtigung realistischer Einsparmöglichkeiten zu bemessen ist. Bei der Bestimmung der grundsicherungsrechtlich gebotenen Einsparmöglichkeit hinsichtlich der Aufwendungen für die Ausübung des Umgangsrechts ist Ausgangspunkt die verfassungsrechtliche Absicherung dieses Rechts durch Art 6 Abs 2 GG. Eine Einschränkung der Kosten des Umgangsrechts allein aus fiskalischen Gründen scheidet daher aus. Erforderlich ist vielmehr eine Betrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 86, Stand V/2011). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist - auch sozialhilferechtlich - eine Leistung für die Wahrnehmung des Umgangsrechts geboten, die dem Elternrecht beider Elternteile Rechnung trägt und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles dem Wohl des Kindes entspricht (BVerfG Beschluss vom 25.10.1994 - 1 BvR 1197/93 - juris RdNr 25). Mit dem BVerwG ist daher eine individualisierende Betrachtung, die alle das Eltern-Kind-Verhältnis bestimmenden Umstände würdigt, verfassungsrechtlich geboten. Es sind demnach das Alter, die Entwicklung und die Zahl der Kinder, die Intensität ihrer Bindung zum Umgangsberechtigten, die Einstellung des anderen Elternteils zum Umgangsrecht, insbesondere das Vorliegen und der Inhalt einverständlicher Regelungen, die Entfernung der jeweiligen Wohnorte beider Elternteile und die Art der Verkehrsverbindungen in den Blick zu nehmen (BVerwG Urteil vom 22.8.1995 - 5 C 15/94 - juris RdNr 12; vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 86, Stand V/2011).

22

Daneben ist zu berücksichtigen, dass Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung tragen, wonach die menschenwürdige Existenz gefährdet ist, wenn in bestimmten Situationen der Leistungsberechtigte allein auf die Regelleistung verwiesen wird und damit nicht in der Lage sein könnte, einen weiteren anerkannten, zwingenden Bedarf zu decken(vgl auch BT-Drucks 17/1465, S 8; BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 207 f).

23

Im Rahmen dieser Vorgaben sind andererseits bei der Beurteilung der "Einsparmöglichkeiten" sowohl die dem System des SGB II immanente Subsidiarität der Leistungserbringung nach § 5 Abs 1 S 1 SGB II(BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 21),als auch die aus § 3 Abs 3 1. Halbs SGB II folgende Beschränkung auf eine Leistungserbringung nur für den Fall, dass die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann, zu berücksichtigen. So hat der erkennende Senat bereits befunden, dass die getätigten Ausgaben iS eines durch Grundsicherungsleistungen zu deckenden Bedarfs aus Sicht eines verständigen Leistungsberechtigten nicht offenkundig außer Verhältnis zu dem stehen dürfen, was einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 79/12 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 5, RdNr 22). Der darüber hinausgehende Bedarf ist nicht mehr der Höhe nach unabweisbar. Hieraus folgt: Die Aufwendungen für die Kosten des Umgangsrechts müssen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen im Sinne des Grundsicherungsrechts sein; der Leistungsberechtigte muss also die kostengünstigste und gleichwohl im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Umgangsrechts verhältnismäßige sowie zumutbare Variante zur Bedarfsdeckung wählen bzw hat nur Anspruch auf Leistungen in deren Höhe. Unter Berücksichtigung dessen hat der Kläger hier keinen grundsicherungsrechtlich zu deckenden Bedarf, der über einen solchen hinaus geht, der durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstehen würde und den das LSG zutreffend nur insoweit als unabweisbar zugrunde gelegt hat.

24

Der Kläger macht einen Bedarf geltend, der bedingt durch die Nutzung eines Pkw - folgt man seinen Berechnungen - über 1000 Euro höher ist, als der, der durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstanden wäre. Folgt man den Ausführungen des 14. Senats des BSG in seiner aktuellen Entscheidung zum Bedarf für die Ausübung des Umgangsrecht (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 28 - zur Veröffentlichung vorgesehen) und legt der Berechnung eine Kilometerpauschale von 0,20 Euro iS von § 5 Abs 1 BRKG zugrunde, so wäre der Bedarf des Klägers durch die Fahrt mit dem Pkw immer noch 584,80 Euro höher als der aufgrund der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel(4624 km x 0,20 = 924,80 - 340 = 584,80 Euro). Zwar weist der 14. Senat insoweit darauf hin, dass es sich nicht um hypothetische Einsparungsmöglichkeiten handeln dürfe (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 24 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Jedoch hat das LSG nach eingehenden Ermittlungen festgestellt, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, unter Nutzung des Bayern-Tickets die Fahrtkosten pro Abholfahrt auf 20 Euro zu senken. Für den gesamten hier streitigen Zeitraum ergäbe sich dann ein Gesamtbedarf von 340 Euro.

25

Der Verweis auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist hier auch weder unverhältnismäßig, noch wird der Kläger dadurch unzumutbar in seinem verfassungsrechtlich abgesicherten Umgangsrecht beeinträchtigt. Der Kläger hatte alle 14 Tage ein Umgangsrecht mit seiner im hier streitigen Zeitraum zehn bzw elf Jahre alten Tochter, das sich über 2 1/2 Tage erstreckte. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)betrug die maximale Fahrtzeit für eine Fahrtstrecke mit der Bahn jeweils rund 2 bis 2 1/2 Stunden, während mit dem Pkw ca 1 1/2 Stunden von Nöten waren.

26

Der Kläger gelangt mit der Bahn ebenso wie mit dem Auto an sein Ziel. Beide Reisemöglichkeiten sind daher grundsätzlich "gleich gut" im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet, das Umgangsrecht auszuüben. Die Aufwendungen für die Bahnfahrt sind jedoch um den 2,8-fachen oder, legt man das BRKG zugrunde, um den 1,5-fachen monatlichen Regelbedarf niedriger als die für die Fahrt mit dem Pkw. Im Hinblick auf die Orientierung der Leistungshöhe an der Deckung nur einfacher und grundlegender Bedürfnisse kann daher eine Kostensenkung bei gleichen Ausgangsbedingungen vom Leistungsberechtigten gefordert werden. Die mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verbundene Verlängerung der Fahrtzeit um eine Stunde pro Fahrtstrecke ist im Hinblick auf die Preisdifferenz zwischen den vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Nutzung des Pkw und dem Preis für ein Bahnticket nicht unangemessen.

27

Anders als in dem vom 14. Senat zu entscheidenden Fall wäre das Umgangsrecht des Klägers auch nicht unzumutbar durch die Verlängerung der Fahrtzeit beeinträchtigt worden. Im Fall des 14. Senats wäre durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zwar auch eine zusätzliche Fahrtzeit entstanden. Die Verlängerung der Fahrtzeit hätte jedoch das ohnehin nur fünf Stunden dauernde Umgangsrecht des dortigen Klägers mit dem damals vierjährigen Kind um eine weitere Stunde verkürzt (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 24 - zur Veröffentlichung vorgesehen) und damit in nicht hinzunehmendem Maße beschränkt. Vorliegend wäre das mindestens 48 Stunden dauernde Umgangsrecht durch die Fahrtzeitverlängerung nur unerheblich eingeschränkt worden. Soweit es die Fahrtzeiten mit der Tochter des Klägers betrifft, konnte während der Bahnfahrt, anders als je nach den Umständen des Falles bei einem vierjährigen Kind, das Umgangsrecht durch Unterhaltung und Beschäftigung mit dem Kind bereits ausgeübt werden. Soweit es die Fahrten betrifft, die der Kläger auf dem Hin- und Rückweg jeweils alleine zurückgelegt hat, ist die Verlängerung der Fahrtzeit um je eine Stunde ebenfalls nicht unzumutbar. Es sind nach den Feststellungen des LSG keine Gründe ersichtlich, die für den Kläger eine zwingende Verkürzung erforderlich gemacht hätten, etwa, weil er aufgrund einer Erwerbstätigkeit erst zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte starten oder früher wieder zurück sein müssen.

28

4. Durch die Beschränkung der Mehrbedarfsleistung in dem zuvor dargelegten Umfang wird der Kläger auch nicht in seinem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf Gleichbehandlung oder in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Im Hinblick auf die klägerische Rüge der Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG ist bereits nicht erkennbar, gegenüber welcher Gruppe von Normadressaten er durch die Bewilligung von Leistungen zur Wahrnehmung des Umgangsrechts in Höhe der Kosten für ein Bahnticket ungleich behandelt werden könnte. Hierdurch wird auch weder das Persönlichkeitsrecht des Klägers, noch dessen Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG beeinträchtigt. Die Bewilligung staatlicher Leistungen tangiert nicht dessen abwehrrechtliche Dimension (BVerfG Beschluss vom 29.5.2013 - 1 BvR 1083/09 - RdNr 10). Maßstab ist hier vielmehr das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, für dessen Ausgestaltung aus grundrechtlicher Sicht allein Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG maßgeblich ist (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12). Die Leistung nach § 21 Abs 6 SGB II ist jedoch gerade Ausfluss dessen auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 207).

29

5. Der Tenor war klarstellend neu zu fassen, da das LSG den Verpflichtungsantrag des Klägers nicht tenoriert hat, obwohl es ebenfalls davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem Bescheid vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011 um einen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 31.5.2010 ändernden Bescheid handelt.

30

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006.

2

Die 1967 geborene Klägerin bezog zunächst Arbeitslosengeld (bis 25.7.2004), anschließend Krankengeld (bis 20.8.2004) und bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Bei ihr ist ein GdB von 60 anerkannt. Darüber hinaus ist sie erheblich gehbehindert (Merkzeichen "G"). Seit dem 1.7.2007 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Bund.

3

Die Beklagte bewilligte ihr auf Antrag Leistungen nach dem SGB II und zwar für den Zeitraum vom 1.1. bis 1.6.2005 in Höhe von 819,53 Euro (Regelleistung: 345 Euro, Leistungen für Unterkunft und Heizung: 314,53 Euro sowie befristeter Zuschlag: 160 Euro). Für den Monat Juli 2005 reduzierte die Beklagte den befristeten Zuschlag auf 146,66 Euro und danach bis zum 30.11.2005 auf 80 Euro (Bescheide vom 23.11.2004 und 19.4.2005). Für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 gewährte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts alsdann ohne befristeten Zuschlag (Bescheid vom 18.11.2005). In ihren Widersprüchen gegen diese Bescheide machte die Klägerin ua geltend, dass ihr wegen der Schwerbehinderung in Verbindung mit der erheblichen Gehbehinderung höhere Leistungen zustünden. Die Beklagte wies die Widersprüche mit der Begründung zurück, für das Begehren der Klägerin fehle es an einer Anspruchsgrundlage (Widerspruchsbescheid vom 15.12.2005).

4

Im Klageverfahren ist die Klägerin im Wesentlichen erfolglos geblieben (Urteil des SG Düsseldorf vom 4.9.2008). Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG lediglich verpflichtet, der Klägerin unter Beachtung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II für den gesamten streitigen Zeitraum weitere Leistungen in Höhe von 7,52 Euro zu erbringen. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 12.3.2009). Es hat zur Begründung ausgeführt, für das nur noch streitige Begehren der Klägerin auf höhere Leistungen wegen eines Mehrbedarfs auf Grund der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Die Klägerin erfülle weder die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 4 SGB II, noch des Abs 5 dieser Vorschrift. Auch § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II scheide als Anspruchsgrundlage aus. Soweit wegen der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung ein unabweisbarer Bedarf iS des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II gegeben sei, handele es sich um einen regelmäßigen Bedarf, der nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht durch ein Darlehen gedeckt werden könne. Die Klägerin könne sich ebenso wenig auf § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II berufen. Sie erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift nicht, denn sie sei im streitigen Zeitraum nicht erwerbsunfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II gewesen. Eine analoge Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II komme nicht in Betracht. Eine planwidrige Lücke sei nicht zu erkennen. Die Leistung für Mehrbedarf sei nach der gesetzgeberischen Intention erwerbsunfähigen Leistungsempfängern unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit Leistungsempfängern nach dem SGB XII vorbehalten. Eine unmittelbare Anwendung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII scheide bereits deswegen aus, weil erwerbsfähige Hilfebedürftige keine Leistungen nach § 30 SGB XII beziehen könnten, denn § 5 Abs 2 SGB II schließe das Nebeneinander von Leistungen aus beiden Systemen für den Fall aus, dass Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII im Streit stünden. § 73 SGB XII könne auch nicht zur Anwendung kommen. Der hier geltend gemacht Bedarf entspringe keiner atypischen Bedarfslage, die einer der in den Kapiteln 5 bis 9 des SGB XII benannten entspreche. Der Ausschluss von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen von diesen Mehrbedarfsleistungen im Gegensatz zu Erwerbsunfähigen verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz des Art 3 Abs 1 GG. Eine Ungleichbehandlung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gegenüber den erwerbsunfähigen Leistungsbeziehern mit Anspruch auf Leistungen nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige sei auf Grund seiner Möglichkeit des Hinzuverdienstes zum einen in der Lage seinen erhöhten Bedarf selbst zu decken, zum anderen aber auch, soziale Kontakte von sich aus aufrecht zu erhalten. Da es zudem Ziel des SGB II sei, die dortigen Leistungsbezieher in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sei eine vorübergehende Differenzierung zusätzlich zu rechtfertigen.

5

Mit ihrer Revision gegen dieses Urteil macht die Klägerin geltend, dass in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden eine Differenzierung zwischen Erwerbsunfähigen und Erwerbsfähigen nicht gerechtfertigt sei, da sie als schwer- und erheblich gehbehinderte Leistungsbezieherin ebenso wie ein SGB XII-Leistungsberechtigter auf absehbare Zeit nicht in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie habe daher keine Möglichkeiten der Kompensation des Mehrbedarfs durch Erzielung von Erwerbseinkommen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 12.3.2009 und des SG Düsseldorf vom 4.9.2008 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 23.11.2004, 19.4.2005 und 18.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Leistungen für Mehrbedarf in Höhe von 59 Euro monatlich zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des LSG.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.

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Auf Grund der Feststellungen des LSG vermochte der Senat nicht abschließend zu entscheiden, ob die Klägerin im streitigen Zeitraum Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung hat. Zwar hat das LSG zutreffend auf einfachgesetzlicher Grundlage entschieden, dass der Klägerin im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006 kein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zusteht. Für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mangelt es im SGB II an einer Anspruchsgrundlage für eine derartige Leistung wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung. Eine analoge Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw für den Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII auf den Kreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen scheidet wegen des Fehlens einer planwidrigen Lücke insoweit ebenfalls aus. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind gleichfalls von Leistungen für einen Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung nach den Vorschriften des SGB XII ausgeschlossen; insoweit können sie sich weder direkt auf § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII noch auf § 73 SGB XII berufen. Der Senat konnte auf Grund der Feststellungen des LSG jedoch nicht entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG hat.

11

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide vom 23.11.2004, 19.4.2005 und 18.11.2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2005, mit denen die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006 bewilligt hat. Der erkennende Senat folgt dem LSG insoweit, als dieses durch seine Eingrenzung des Streitgegenstandes auf Leistungen für Mehrbedarf zum Ausdruck bringt, dass zumindest Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht im Streit stehen (zur Eigenständig- und Abtrennbarkeit der Kosten der Unterkunft als Streitgegenstand vgl BSG 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Die weiteren Regelungen der Beklagten in diesen Bescheiden betreffend die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können nicht rechtlich zulässig in unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl zum befristeten Zuschlag BSG vom 31.10.2007 - B 14 AS 30/07 R, SozR 4-4200 § 24 Nr 2; kein Bestandteil der Regelleistung hingegen Anspruch auf Erstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II: BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R , BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2 und 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R SozR 4-4200 § 23 Nr 4) . Dieses gilt auch für eine Leistung für Mehrbedarf, die nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist (vgl BSG 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R, SozR 4-1500 § 71 Nr 2; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 19 RdNr 9) . Der Streit um einen Anspruch auf eine Leistung nach § 21 SGB II stellt keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand dar(BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R , BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5) . Die Höhe der weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist somit unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen (vgl zum Mehrbedarf wegen Alleinerziehung: BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R , aaO) .

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2. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist die Beklagte weiterhin beteiligtenfähig nach § 70 Nr 2 SGG(vgl hierzu BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1) . Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwar § 44b SGB II als mit Art 28 und Art 83 GG unvereinbar erklärt (Urteil vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 = BVerfGE 119, 331 ). Die gemäß § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften können jedoch für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2010 (BVerfG, aaO) auf der bisherigen Rechtsgrundlage tätig werden (vgl zuletzt BSG 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R, SozR 4-4200 § 21 Nr 4).

13

3. Die Klägerin erfüllt im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl I 2014). Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. Lebensjahr noch nicht, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG erwerbsfähig und hilfebedürftig. Ferner hat sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

14

4. Die Klägerin hat auf einfachgesetzlicher Grundlage keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen eines Mehrbedarfs auf Grund der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung im streitigen Zeitraum. Für einen derartigen Anspruch mangelt es an einer Anspruchsgrundlage im SGB II. Ebenso scheidet eine analoge Anwendung von § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII aus.

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Dem Anspruch auf Leistungen wegen Mehrbedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II steht zwar nicht grundsätzlich entgegen, dass die Vorschrift im streitigen Zeitraum noch nicht in Kraft getreten war. Sie hat erst auf Grund des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) zum 1.8.2006 Wirkung entfaltet. Der Senat schließt sich jedoch der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG an, der von der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Ergänzung des § 28 SGB II für die Zeit vor der Neuregelung durch analoge Anwendung der sozialhilferechtlichen Parallelregelung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ausgeht(s BSG vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen unter Hinweis auf SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 43).

16

Allerdings scheitert eine Durchsetzung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs unter Rückgriff auf eine entsprechende Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII gegen den SGB II-Träger im streitigen Zeitraum bereits daran, dass sie nach den Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum erwerbsfähig war.

17

Der Wortlaut des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII beschränkt den Kreis der Leistungsberechtigen insoweit eindeutig. Nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II erhalten nur nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs 5 des SGB IX mit dem Merkzeichen "G" sind. Die parallele Regelung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII gilt unter Beachtung von § 21 SGB XII ebenfalls nur für erwerbsunfähige Hilfebedürftige(s zum leistungsberechtigten Personenkreis für Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII: BSG vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R, SozR 4-3500 § 18 Nr 1 ). Dass eine Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf erwerbsfähige Hilfebedürftige auch nicht auf dem Wege eines Analogieschlusses in Betracht kommt, hat der 14. Senat bereits am 21.12.2009 (B 14 AS 42/08 R, vgl Terminbericht vom 22.12.2009 - Nr 72/09) entschieden. Der erkennende Senat schließt sich dem an.

18

Insoweit mangelt es bereits an einer planwidrigen Lücke. Es entsprach von vornherein dem gesetzgeberischen Anliegen, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einen Mehrbedarf allein wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht zugänglich zu machen.

19

Dies folgt bereits aus der Rechtsentwicklung der Vorgängervorschrift des § 23 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die angesichts der Entstehungsgeschichte des § 30 Abs 1 SGB XII für dessen Auslegung und für die Erforschung der Absichten des historischen Gesetzgebers bezüglich der Mehrbedarfe im SGB II wesentliche Bedeutung hat. Entstehungsgeschichtlicher Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Gewährung des Mehrbedarfs war nicht die Schwerbehinderung und der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G", sondern gerade die Erwerbsunfähigkeit des Hilfebedürftigen (vgl die insoweit ausführlichen Darlegungen in BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R, SozR 4-3500 § 30 Nr 1) . Die Schwerbehinderung und die Zuerkennung des Merkzeichens "G" wurde erst durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1088) als eine zusätzliche Voraussetzung für die Gewährung der Mehrbedarfsleistung nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG eingefügt(s BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R, aaO). Die gesetzgeberische Motivation lag wohl darin, den leistungsberechtigten Personenkreis unter gesundheitlichen Aspekten näher einzugrenzen (s BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R, aaO; vgl auch BT-Drucks 13/2440). Deutlich wird zumindest, dass es dem Gesetzgeber nicht darum gegangen ist, die Zielrichtung des Mehrbedarfs insgesamt im Hinblick auf einen Schwerbehindertenmehrbedarf zu verändern, sondern den Empfängerkreis lediglich auf diejenigen Erwerbsunfähigen zu beschränken, die auch schwerbehindert und insbesondere gehbehindert sind. Die Erwerbsunfähigkeit sollte wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Anerkennung des Mehrbedarfs bleiben. Diese Bestimmungen des § 23 Abs 1 BSHG sind im Wesentlichen inhaltsgleich in das SGB XII übernommen worden, wobei ua mit der Absenkung der Prozentsätze der Neukonzeption der Regelsätze Rechnung getragen werden sollte(BT-Drucks 15/1514 S 60 zu § 31). Diese Gesichtspunkte belegen die Planmäßigkeit des Fehlens entsprechender Mehrbedarfsregelungen in § 21 SGB II. Gegen die Planwidrigkeit der Regelungslücke spricht schließlich auch, dass der Gesetzgeber die Änderungen durch das Fortentwicklungsgesetz auf § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II beschränkt hat, also den Kreis der Erwerbsunfähigen, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits Kritik am Fehlen einer entsprechenden Mehrbedarfsregelung in § 21 SGB II aufgekommen waren(vgl nur Hofmann in Münder, LPK-SGB II, 1. Aufl 2005, § 21 RdNr 3).

20

5. Zutreffend ist das LSG ferner davon ausgegangen, dass auch weder § 21 Abs 4 oder 5 SGB II, noch § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin in Betracht kommen.

21

Nach § 21 Abs 4 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des LSG bezog sie im streitigen Zeitraum keine Eingliederungsleistungen. Leistungen für Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II können jedoch nur dann beansprucht werden, wenn tatsächlich Eingliederungsleistungen in dem dort benannten Sinne erbracht werden(vgl BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 19/07 R, BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1 RdNr 22) . Einen medizinisch begründeten Bedarf an kostenaufwändiger Ernährung, der nach § 21 Abs 5 SGB II zu einer Leistung für Mehraufwand führen könnte, hat das LSG ebenfalls - von der Klägerin nicht angegriffen - ausgeschlossen.

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§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB II scheidet als Anspruchsgrundlage bereits deswegen aus, weil nach dieser Vorschrift keine dauerhaften, monatlich wiederkehrenden pauschalen Bedarfe gedeckt werden können(vgl bereits BSG vom 7.11.2006 BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; s nun auch BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck, S 73) . Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Nach den Feststellungen des LSG und dem eigenen Vortrag der Klägerin begehrt sie keine Leistungen zur Deckung der Aufwendungen eines im Einzelnen unabweisbaren Bedarfs im Sinne des Gesetzes. Das Begehren der Klägerin ist nach der Fassung ihres Antrags, in Übereinstimmung mit ihrem Vortrag sowie den Feststellungen des LSG vielmehr auf einen nicht konkret benannten Ausgleich für die Schwer- und erhebliche Gehbehinderung gerichtet. Sie macht damit eine monatliche Erhöhung der Regelleistung durch einen pauschalen Satz, also eine monatlich wiederkehrende Leistung geltend. Ein derartiger Anspruch kann jedoch nicht auf § 23 SGB II gestützt werden.

23

Grundsätzlich hat der Hilfebedürftige seinen Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Regelleistungspauschale des § 20 SGB II zu decken. Kann ein notwendiger Bedarf durch die Regelleistung tatsächlich nicht gedeckt werden, soll der Hilfebedürftige zunächst den "Ansparbetrag" einsetzen. Dieses folgt aus dem Hinweis auf § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II. Er soll also vorrangig versuchen, aus Mitteln der Regelleistung eine Bedarfsdeckung zu erreichen. Nur wenn ihm dieses nicht gelingt, kann § 23 Abs 1 SGB II im Einzelfall eingreifen(vgl hierzu Gesetzentwurf zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch, BR-Drucks 559/03, S 196; s auch Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Aufl, § 23 RdNr 20) . Dass keine Dauerbedarfe durch die Leistung nach § 23 Abs 1 SGB II gedeckt werden sollen, folgt insoweit unmittelbar aus dem Wortlaut. Aber auch der Hinweis auf den Ansparbetrag und die Art der Leistungsgewährung durch Darlehen, das zudem nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB II zwingend zu tilgen ist, belegen die Beschränkung auf einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf. Eine monatliche Darlehensgewährung (s zur Verteilung der Zuzahlung zu Leistungen der GKV bis zur Belastungsgrenze nach § 62 SGB V über ein Jahr BSG vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R, BSGE 100, 221 = SozR 4-2500 § 62 Nr 6) würde die Tilgungssumme bei monatlicher Darlehensgewährung Monat für Monat erhöhen und bei längerem Leistungsbezug eine kaum überschaubare Dimension annehmen. Zur Deckung eines dauerhaften besonderen Bedarfs ist die Gewährung eines Darlehens ungeeignet (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09).

24

Eine andere Anspruchsgrundlage auf einfachgesetzlicher Ebene des SGB II findet sich nicht. Das Leistungssystem des SGB II ist ein in sich abgeschlossenes, das über die nach diesem Gesetz vorgesehenen Leistungen hinaus keine weiteren auf Grundlage des SGB II vorsieht. Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber durch die Einfügung des Satzes 4 in § 23 Abs 1 SGB II sowie Ergänzung des Satzes 1 und Anfügung eines Satzes 2 in § 3 Abs 3 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) nochmals ausdrücklich unterstrichen. Danach sind weitere Leistungen - über die Darlehensleistung hinaus - bzw eine abweichende Festlegung der Bedarfe ausgeschlossen.

25

6. Eine Ausnahme hiervon kann sich zwar aus § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II iVm Vorschriften des SGB XII ergeben (zum Umgangsrecht BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; zu Pflegeleistungen BSG vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R, SozR 4-3500 § 18 Nr 1; s auch Knickrehm NZS 2007, 128 ). Voraussetzung insoweit ist jedoch nach § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II, dass es sich bei der begehrten Leistung nicht um eine solche nach dem 3. Kapitel des SGB XII, also keine Leistung aus dem Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt handelt. Soweit die Klägerin mithin ihren Anspruch aus § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ableitet, ist ihr auch dieser Weg verschlossen, denn ebenso wie im SGB II (s oben unter 1.) sind auch im SGB XII die Mehrbedarfsleistungen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (3. Kapitel des SGB XII) .

26

Ebenso scheidet der trotz § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II zwar grundsätzlich mögliche Rückgriff auf § 73 SGB XII als Anspruchsgrundlage aus. Zwar kann, wenn eine atypische Bedarfslage gegeben ist, Hilfe in dieser besonderen Lebenslage nach § 73 SGB XII neben der Regelleistung des § 20 SGB II auch erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gewährt werden(so bereits BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; vgl auch Knickrehm, Sozialrecht aktuell 2006, 159, 162; aA Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/Asylbewerberleistungsgesetz, § 73 SGB XII RdNr 11, Stand Februar 2006; vgl auch O'Sullivan, SGb 2005, 369, 371 f). Allerdings darf die Norm nicht zur allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB II mutieren. Erforderlich ist daher nicht nur das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist(vgl hierzu BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 19/07 R, BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1 RdNr 22) und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt . Eine derartige Bedarfslage darf ferner nach dem Regelkonzept von SGB II und SGB XII nicht ausschließlich durch eine Erhöhung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII oder eine ausdrücklich im 3. Kapitel des SGB XII vorgesehene Hilfe zu decken sein. Anderenfalls würde § 73 SGB XII nicht nur zur Auffangregelung werden, sondern auch zur Umgehung sowohl des § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II, als auch der Regelungen des SGB XII eingesetzt werden können. So liegt der Fall hier.

27

7. Der Senat konnte jedoch nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Klägerin im streitigen Zeitraum ggf ein Anspruch aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG iS der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) zusteht. Es mangelt an hinreichenden Tatsachenfeststellungen des LSG, um das Vorliegen der Voraussetzungen eines derartigen Leistungsanspruchs beurteilen zu können.

28

Das BVerfG hat entschieden, dass ua § 20 Abs 2 1. Halbsatz und Abs 3 Satz 1 SGB II iVm § 20 Abs 1 SGB II in den unterschiedlichen Fassungen seit dem Inkrafttreten des SGB II am 1.1.2005 mit Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG unvereinbar sind. Bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis spätestens zum 31.12.2010 zu treffen hat, sind diese Vorschriften jedoch weiter anwendbar. Die dem Gesetzgeber aufgegebene Neuregelung muss darüber hinaus einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorsehen, der bisher nicht von den Leistungen nach §§ 20 ff SGB II erfasst wird, jedoch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken ist. Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber hat das BVerfG im Tenor der Entscheidung ausdrücklich angeordnet, dass dieser Anspruch nach Maßgabe seiner Urteilsgründe unmittelbar aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann.

29

In den Urteilsgründen hat das BVerfG ausgeführt, eine Leistung, die geeignet sei, einen unabweisbaren, laufenden und nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, sei deswegen zwingend in das SGB II aufzunehmen und bis zur Neuregelung direkt aus der Verfassung abzuleiten, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruhe, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegele, nicht aber einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen ( BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck S 71 ). Grundsätzlich sei die Gewährung der Regelleistung als feste Pauschale iS einer typisierenden Regelung auch im Bereich der Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zulässig. Es sei dem Hilfebedürftigen zuzumuten, über die Verwendung des Festbetrags im Einzelnen selbst zu bestimmen und dabei sein individuelles Verbrauchsverhalten so zu gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskomme. Vor allem habe er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotential zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten sei. Die pauschalierte Regelleistung, festgelegt nach dem Statistikmodell, decke jedoch bereits von ihrer Konzeption her nur durchschnittliche Bedarfe ab. Ein in Sonderfällen auftretender Bedarf nicht erfasster Art oder atypischen Umfangs werde von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, S 72).

30

Allerdings verlange Art 1 Abs 1 GG, der die Menschenwürde jedes einzelnen Individuums ohne Ausnahme schütze, dass das Existenzminimum in jedem Einzelfall sichergestellt werde. Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG gebiete, auch einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, wenn dies im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich sei, was das bisherige Regelungskonzept des SGB II nicht gewährleiste. Deshalb bedürfe es neben den in §§ 20 ff SGB II vorgegebenen Leistungen noch eines zusätzlichen Anspruchs auf Leistungen bei unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf, der zwingend zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlich sei(BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck S 71).

31

Ob ein derartiger Bedarf im konkreten Fall vorliegt, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu ermitteln haben. Eine Ermittlungspflicht dieser Art besteht grundsätzlich nur unter zwei Bedingungen. Zum Einen müssen in dem betreffenden Verfahren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer atypischen Bedarfslage gegeben sein. Das folgt bereits daraus, dass das BVerfG den "Härtefall" sehr stark begrenzt hat. Es weist darauf hin, dass angesichts der Beschränkung des Anspruchs auf Fälle, in denen das Existenzminimum gefährdet sei, der zusätzliche Anspruch angesichts seiner engen und strikten Voraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen dürfte. Vor diesem Hintergrund muss aber die Bedarfslage klar hervortreten und sind Ermittlungen ins Blaue hinein nicht erforderlich. Zum zweiten muss es sich um ein laufendes, noch nicht abgeschlossenes Verfahren handeln.

32

Im vorliegenden Fall sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass eine atypische Bedarfslage vorliegen könnte. Die Klägerin hat hier einen besonderen Bedarf behauptet, ihn allerdings aus Rechtsgründen nicht konkretisiert. Das musste sie bisher auch nicht, denn außer über die beiden hier aus anderen Gründen nicht in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II und § 73 SGB XII ist der Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung nach dem Konzept des SGB II durch eine Pauschale abzugelten. Insoweit bedarf es auch im Falle des erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen keines Nachweises eines konkreten Bedarfs, sondern nur des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II. Andererseits ist in der Situation der Klägerin nicht auszuschließen, dass wegen der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung ein besonderer Bedarf gegeben ist - dieser ist gleichsam als Minus in dem auf die Gewährung der Pauschale gerichteten Begehren der Klägerin enthalten - der hier aus einfachgesetzlichen Gründen nicht durch die Pauschale gedeckt werden kann, sodass es sich nicht um Ermittlungen "ins Blaue" hinein handelt.

33

Das LSG wird, wenn es seine Feststellungen zum Vorliegen eines konkreten Bedarfs wegen der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung abgeschlossen hat, diesen ggf nach Maßgabe der Entscheidung des BVerfG daraufhin zu bewerten haben, ob es sich um einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf handelt, dessen Deckung zur Sicherung des Existenzminimums zwingend erforderlich ist. Es wird dabei zu beachten haben, dass nach der Entscheidung des BVerfG ein solcher Bedarf nur dann vorliegt, wenn er so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen - einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ( BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck S 73).

34

Der Prüfung des aus dem Verfassungsrecht herzuleitenden Anspruchs steht nicht entgegen, dass die Beteiligten über Leistungen für den Zeitraum 1.1.2005 bis 31.5.2006 streiten. Das BVerfG hat zur Anwendung des Anspruchs im Tenor der Entscheidung angeordnet, "dass dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann". In den Gründen hat das BVerfG hierzu ausgeführt, dass Leistungsberechtigte, bei denen ein besonderer Bedarf vorliege, auch vor der Neuregelung die erforderliche Sach- und Geldleistung erhalten müssten. Ansonsten läge eine Verletzung von Art 1 Abs 1 GG vor, die auch nicht vorübergehend hingenommen werden könne. Vor diesem Hintergrund versteht der Senat die weiteren Ausführungen, wonach die verfassungswidrige Lücke für die Zeit ab Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung des BVerfG zu schließen sei, dahin, dass in laufenden und noch nicht abgeschlossenen Verfahren - wie vorliegend - eine "Härteleistung" auf Grund von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG zu gewähren sein kann. Hierfür spricht zudem, dass das BVerfG im Übrigen eine "rückwirkende Neufestsetzung" von Leistungen ausschließen wollte. Wäre der verfassungsrechtliche Anspruch hingegen erst für Leistungszeiträume ab dem 9.2.2010 zu berücksichtigen, stellte sich die Frage nach einer verfassungskonformen Auslegung des § 23 SGB II und des § 73 SGB XII.

35

8. Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, die Klägerin habe keinen Anspruch aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG, wird es ferner zu beachten haben, dass die Ungleichbehandlung von erwerbsfähigen und erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen, die dazu führt, dass - wie oben dargelegt - die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine pauschalierte Leistung für Mehrbedarf hat, nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt.

36

Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es, verschiedene Gruppen von Normadressaten ungleich zu behandeln, wenn zwischen ihnen nicht Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG vom 7.10.1980 - 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72, 88; BVerfG vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2300/98, 1 BvR 2144/00, BVerfGE 112, 368, 401; BVerfG vom 11.7.2006 - 1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, 238). Soweit die Gewährung von Sozialleistungen bedürftigkeitsabhängig ist, hat der Gesetzgeber dabei grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfG vom 2.2.1999 - 1 BvL 8/97, BVerfGE 100, 195, 205; BSG vom 3.12.2002 - B 2 U 12/02 R, BSGE 90, 172, 178 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4). Der Gestaltungsspielraum wird jedoch um so enger, je mehr sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfG vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92, BVerfGE 88, 87, 96) oder je mehr es sich um ein personenbezogenes Merkmal handelt, an dem die Differenzierung ansetzt. Insoweit kommt es auf die Verhältnismäßigkeit zwischen Ungleichbehandlung und rechtfertigendem Grund an (BVerfG vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160, 171), wobei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, durch ihr eigenes Verhalten die Verwirklichung des Merkmals zu beeinflussen, nach dem unterschieden wird (vgl auch Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 39 RdNr 135). Ob die zur Prüfung gestellte Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, hängt dann davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestanden, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen konnten (BVerfG vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160).

37

Gemessen an diesem Maßstab hat der Gesetzgeber hier seine Gestaltungsgrenze nicht überschritten. Zwar kann das Differenzierungsmerkmal der "Erwerbsunfähigkeit" bzw "Erwerbsfähigkeit" kaum durch die betroffene Person selbst beeinflusst werden. Die getroffene Differenzierung zwischen den maßgeblichen Vergleichsgruppen der erwerbsfähigen Arbeitslosengeld II-Berechtigten und den nicht erwerbsfähigen Sozialgeldberechtigten/Leistungsempfängern nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII im Hinblick auf die Gewährung des Mehrbedarfs wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung wird jedoch durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.

38

Zutreffend hat das LSG darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber einen Lebenssachverhalt, der zu einer unterschiedlichen Behandlung von erwerbsfähigen und erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen führen kann, soweit es die Gewährung einer Leistung für Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung betrifft, bereits selbst beseitigt hat. Behinderte Sozialgeldempfänger/SGB XII-Leistungsempfänger nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII (erwerbsunfähige Hilfebedürftige) und erwerbsfähige Hilfsbedürftige erhalten beide, sofern sie Leistungen zur Eingliederung nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XII beziehen, eine Mehrbedarfsleistung in Höhe von 35 % der für sie maßgeblichen Regelleistung(§ 21 Abs 3 SGB II bzw § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2/§ 30 Abs 4 SGB XII) . In diesem Fall ist die Gewährung einer zusätzlichen Leistung für Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung, auf die der erwerbsfähige Hilfebedürftige ohnehin keinen Anspruch hat, auch für erwerbsunfähige Leistungsbezieher ausgeschlossen (§ 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 Satz 2 SGB II und § 30 Abs 4 Satz 3 SGB XII). Diese zuvor beschriebene Angleichungsregelung macht deutlich, dass die für erwerbsfähige Hilfebedürftige gegebene Möglichkeit der Integration in den Arbeitsmarkt, also die Chance auf eine Erwerbstätigkeit und damit die Beseitigung der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen, ein tragender Grund für die Differenzierung ist. Wenn erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen über Eingliederungsleistungen (§ 54 SGB XII) die Möglichkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eröffnet werden kann, so sind auch sie von der Leistung für Mehrbedarf bei Schwer- und erheblicher Gehbehinderung ausgeschlossen.

39

Die Anknüpfung der Differenzierung an die Möglichkeit der Arbeitsmarktintegration ist auch folgerichtig - soweit es das System des SGB II betrifft. Das SGB II ist von seiner Grundkonzeption her ein erwerbszentriertes Grundsicherungssystems. Es ist darauf ausgerichtet, den erwerbsfähigen (iS des § 8 SGB II) Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt einzugliedern, ihn von den Leistungen des SGB II unabhängig zu machen oder zumindest den Leistungsanteil an seiner Lebensunterhaltssicherung zu verringern (§ 1 Abs 1 SGB II). Um dieses Ziel zu erreichen, werden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen jedoch im Rahmen des Grundsatzes des Forderns gegenüber erwerbsunfähigen Personen auch größere Selbsthilfeverpflichtungen auferlegt, weil sie noch in der Lage sind, ihre Arbeitskraft zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen (vgl § 2 Abs 1, Abs 2 Satz 2 SGB II). Andererseits erfahren sie Förderung mit Zielrichtung auf ihre Eingliederung in Arbeit (§ 14 Abs 1 Satz 1 SGB II). Sie können anders als erwerbsunfähige Sozialgeldempfänger Eingliederungsleistungen nach §§ 16 ff SGB II erhalten, die zu eben dieser Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit beitragen sollen(§ 3 Abs 1 Satz 1 SGB II). Soweit die Schwer- und/oder Gehbehinderung sie mithin in ihrer beruflichen Integrationschance beeinträchtigt, besteht ein Ausgleichsanspruch hierfür durch Eingliederungsleistungen (zB Leistungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben gemäß § 16 Abs 1 SGB II iVm §§ 97 ff SGB III). Erwerbsunfähige Hilfebedürftige erhalten hingegen nur unter den engen Bedingungen des § 7 Abs 2 Satz 2 SGB II Eingliederungsleistungen nach dem SGB II(vgl Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/ Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 7 RdNr 13, § 16 RdNr 3; die Gewährung von Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II an Sozialgeldempfänger offen lassend, BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 19/07 R, BSGE 101, 79, 81 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1) und nur dann, wenn die Leistungen auf die Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft oder die Beseitigung oder Verminderung der Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ausgerichtet sind. Zwar können erwerbsunfähige und gehbehinderte Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft unter Umständen Eingliederungsleistungen nach § 54 ff SGB XII erhalten. Zumindest soweit ihr Bedarf wegen der Schwer- und Gehbehinderung bereits durch die Leistung für Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II gedeckt ist, kommen daneben Eingliederungsleistungen jedoch nicht mehr in Betracht(vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R SozR 4-3500 § 30 Nr 1). Fahrtkosten als Hauptkostenfaktor eines erheblich gehbehinderten Hilfebedürftigen fallen für beide Personengruppen nicht an, jedenfalls soweit sie durch die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs entstehen. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX sieht eine Befreiung von der Beteiligung an den Kosten einer Wertmarke für Leistungsempfänger nach dem SGB II und dem 3. sowie 4. Kapitel des SGB XII vor, wenn sie anerkannt erheblich gehbehindert sind (vgl hierzu ausführlich BSG vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R, SozR 4-3250 § 145 Nr 1 ). Somit verbleibt allenfalls ein "schmaler Grat" eines Leistungsausschlusses für erwerbsfähige Hilfebedürftige gegenüber erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen, der sich auf einen nicht näher definierbaren "privaten Bereich" bezieht. Diese Differenzierung ist jedoch durch die oben benannte "Erwerbszentriertheit" und den Grundsatz des Forderns des SGB II zu rechtfertigen.

40

Soweit die Klägerin geltend macht, sie als schwer- und erheblich gehbehinderte Hilfebedürftige habe wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen keine Chance auf einen Hinzuverdienst gehabt, so vermag sie damit die obige Argumentation nicht zu entkräften. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der erwerbsfähige Hilfebedürftige durch einen "Hinzuverdienst" in die Lage versetzt werden kann, die behinderungsbedingte Einschränkung auszugleichen, sondern darauf, dass es nach dem Grundkonzept des SGB II Aufgabe des Trägers ist, für eine Integration des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu sorgen und ggf bestehende Hindernisse auszugleichen.

41

9. Andere Gründe, die zu einer Erhöhung der Regelleistung um den von der Klägerin geforderten Betrag führen könnten, sind nicht ersichtlich.

42

Soweit die Klägerin eine geschlechtsspezifisch höhere Leistung begehrt, schließt sich der erkennende Senat der Rechtsauffassung des 14. Senats in der Entscheidung vom 27.2.2008 (B 14/7b AS 32/06 R, BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6) an. Dort hat der 14. Senat ausgeführt, dass nicht zu erkennen sei, dass die für Frauen und Männer in gleicher Höhe festgesetzte Regelleistung von 345 Euro eine mittelbare Diskriminierung von Frauen beinhalte.

43

Der Senat hat im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BSG auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und deren Ersetzung durch Leistungen nach dem SGB II (vgl nur BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr 3).

44

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen einer Laktoseintoleranz.

2

Bei der 1998 geborenen Klägerin, die mit ihrer 1970 geborenen Mutter in einer Wohnung lebt und wie diese Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht, besteht eine Laktoseintoleranz. Am 27.12.2010 beantragte sie unter Vorlage eines ärztlichen Attests beim beklagten Jobcenter die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Sie dürfe wegen der Laktoseintoleranz Milch und Milchprodukte nicht bzw nur in sehr kleinen Mengen zu sich nehmen und sei auf laktosefreie Diätnahrung angewiesen, die teurer sei als normale Milchprodukte. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die angegebene Krankheit keinen nach § 21 Abs 5 SGB II unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts darstelle und nicht im Katalog der Mehrbedarfe für eine kostenaufwändige Ernährung enthalten sei. Bei einer Laktoseintoleranz seien laktosehaltige Nahrungsmittel zu meiden oder zu reduzieren, wodurch keine gravierend höheren Kosten entstünden (Bescheid vom 7.1.2011; Widerspruchsbescheid vom 2.3.2011).

3

Hiergegen haben die Klägerin und ihre Mutter Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und geltend gemacht, die Laktoseintoleranz führe zu höheren Kosten für Ernährung und damit zu einem Anspruch auf die Gewährung ernährungsbedingten Mehrbedarfs; das SG Bremen beziffere diesen Bedarf auf 53 Euro. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.1.2012). Die Klage der Mutter sei unzulässig, weil diese durch die Ablehnung nicht beschwert sei. Die Klage der Klägerin sei unbegründet. Sie leide zwar nachgewiesenermaßen an einer Laktoseintoleranz, diese Krankheit bringe jedoch keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung mit sich. Der Milchzuckerunverträglichkeit könne durch die Vermeidung von laktosehaltiger Kost begegnet werden. Alle anderen Grundnahrungsmittel könnten konsumiert werden. Als Orientierungshilfe für einen etwaigen Mehrbedarf seien die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 heranzuziehen. Dort werde ein Mehrbedarf für Erkrankungen, die keiner spezifischen Diät, sondern sogenannter Vollkost bedürften, verneint. Etwas anderes gelte nur für die aufgeführten verzehrenden Erkrankungen. Damit sei die Laktoseunverträglichkeit nicht vergleichbar, es handele sich um eine weit verbreitete Lebensmittelunverträglichkeit, bei der lediglich auf ausreichende Zufuhr von Kalzium durch andere Lebensmittel geachtet werden müsse. Im Übrigen böten wegen der weiten Verbreitung der Erkrankung auch viele Discounter zu günstigen Preisen laktosefreie Milchprodukte an. Die Klägerin habe keine Besonderheiten, insbesondere auch keine von den Empfehlungen abweichende Bedarfe substanziiert geltend gemacht, weshalb von weiteren Ermittlungen vorliegend abgesehen werden könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin minderjährig sei, denn die Regelsätze für Kinder und Jugendliche seien bei der Neuberechnung der Regelsätze auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 neu ermittelt und kinderspezifische Bedarfe berücksichtigt worden. Damit sei für den vorliegend einschlägigen Zeitraum auch für Kinder und Jugendliche eine verlässliche Bezugsgröße vorhanden.

4

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision macht nur noch die Klägerin eine Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II geltend. Das SG habe die Klage aufgrund unzutreffender tatsächlicher Annahmen abgewiesen. Es handele sich hier ausnahmsweise um Tatsachen, die der Beurteilung des Revisionsgerichts unterlägen. Die unzutreffenden tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts hinsichtlich der Frage, ob die Ernährung mit laktosefreier Kost kostenaufwändiger sei als laktosehaltige Nahrung, beruhe zwar auf verfahrensfehlerhafter Ermittlung, die vorliegend nicht gerügt werden könne. Allerdings seien die Mehrkosten am Nahrungsmittelmarkt keine individuelle Tatsache, sondern eine Rechtstatsache, die für die Auslegung, dh die Bestimmung des Inhalts des § 21 Abs 5 SGB II benötigt werde, weshalb die unzutreffenden Feststellungen des SG in Bezug auf die Kosten laktosefreier Ernährung der revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht entzogen seien.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen medizinisch erforderlicher kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des SG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz > ) begründet. Soweit die Klägerin die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 geltend macht, kann auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht abschließend entschieden werden, ob ihr ein weitergehender Anspruch zusteht.

9

1. Streitgegenstand im Revisionsverfahren ist noch das Begehren der Klägerin, für die Zeit vom 1.10.2010 bis zum 31.3.2011 höheres Sozialgeld zu erhalten. Ihre Mutter hat die von ihr ursprünglich eingelegte Revision zurückgenommen. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung, auf den sie ihr Begehren in der Sache stützt, kann entgegen der Auffassung des SG nicht in zulässiger Weise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden. Zudem kann eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte entfalten(vgl nur BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 14 f mwN). Dem hat die Klägerin Rechnung getragen und im Revisionsverfahren höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen besonders kostenaufwändiger Ernährung allein noch für den Zeitraum vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 beantragt. Offen bleiben kann, ob auch unter Neufassung der §§ 19 bis 22 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zum 1.1.2011 die Höhe von Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung weiterhin in prozessual zulässiger Weise getrennt von der Höhe der Leistungen für Regelbedarfe und Mehrbedarfe geltend gemacht werden kann; für eine solche Einschränkung gibt der Vortrag der Klägerin keinen Anhalt.

10

Gegenstand des Verfahrens sind neben dem Bescheid vom 7.1.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.3.2011 auch die Bewilligungsbescheide, die für die Klägerin die Höhe des Sozialgelds im streitigen Bewilligungszeitraum regeln. Neben dem Bescheid, der zum 1.10.2010 ergangen ist, ist auch ein ggf mit Inkrafttreten des RBEG zum 1.1.2011 ergangener Änderungsbescheid für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.3.2011 Gegenstand des Verfahrens geworden. Das SG wird diese Bescheide, die bislang nicht aktenkundig sind, in seine Prüfung einzubeziehen haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin den Mehrbedarf zwar erst am 27.12.2010 beim Beklagten geltend gemacht hat, sich aus ihrem weitergehenden Vortrag aber ergibt, dass dieser aus ihrer Sicht seit Oktober 2010 bestanden hat. Da ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nicht nur auf gesonderten Antrag hin gewährt wird (vgl nur Urteil des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN),ist vom SG zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Geltendmachung des Bedarfs bereits bestandskräftig gewordene Bescheide unter dem Blickwinkel der §§ 44, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch zu ändern sind.

11

2. Die Revision ist auch im Übrigen zulässig. Mit ihrer Rüge, das SG sei fehlerhaft zu dem Schluss gekommen, bei einer Laktoseintoleranz handele es sich nicht um eine Erkrankung, die einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung auslösen könne, macht die Klägerin nicht nur einen Verfahrensmangel geltend. Sie behauptet damit zwar auch, das SG habe den Sachverhalt im Einzelfall, nämlich bezogen auf die Auswirkungen der Erkrankung bei ihr, nicht zutreffend ermittelt (§ 103 SGG; zur Verpflichtung zur Amtsermittlung im Hinblick auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II vgl BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 17). Mit einer solchen Rüge ist sie im Fall der Sprungrevision ausgeschlossen (vgl § 161 Abs 4 SGG). Sie hat aber ausreichend iS des § 164 Abs 2 SGG dargelegt, dass sich die Feststellungen des SG zu den ernährungsbedingten Einschränkungen wegen einer Laktoseintoleranz nicht auf den Einzelfall beschränkten, sondern vom Gericht (unzutreffend) als generelle Tatsachen (Rechtstatsachen) aufgrund des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes bei der Anwendung von § 21 Abs 5 SGB II unterstellt worden seien. Verstöße gegen das Prozessrecht (hier die unzureichende Aufklärung des Sachverhalts nach § 103 SGG), die sich nur als prozessuale Konsequenz aus der fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts ergeben, bleiben auch mit der Sprungrevision rügbar(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 10b; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 344). Ob die dabei von der Klägerin aufgeworfenen Fragen zum ernährungsbedingten Mehrbedarf wegen Laktoseintoleranz angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu anderen Erkrankungen (dazu sogleich) noch grundsätzliche Bedeutung haben, kann dahin stehen, denn der Senat ist an die Zulassung der Sprungrevision durch das SG gebunden.

12

3. Nach § 21 Abs 5 SGB II erhalten Leistungsberechtigte, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10 RdNr 21; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 16; BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 15, jeweils mwN). Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder einer drohenden Erkrankung oder Behinderung und der Notwendigkeit einer besonderen Ernährung vorliegen und diese besondere "Krankenkost" muss gegenüber der in der Bevölkerung üblichen, im Regelbedarf zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger sein.

13

a) Die bei der Klägerin festgestellte Laktoseintoleranz (vgl ICD-10-GM E73) stellt eine gesundheitliche Beeinträchtigung iS des § 21 Abs 5 SGB II, nämlich eine Krankheit im Sinne eines regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustands dar. Unerheblich für den Begriff der gesundheitlichen Störung ist die Frage, wie verbreitet dieser krankhafte Zustand in der Bevölkerung ist, solange es sich um einen für sich genommen regelwidrigen Zustand handelt. Die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angesprochene weite Verbreitung der Laktoseintoleranz (insbesondere in asiatischen Ländern) kann allenfalls Anlass für die Prüfung geben, ob und in welchen Fällen durch die gesundheitliche Beeinträchtigung und das damit medizinisch begründete besondere Ernährungsbedürfnis auch höhere Kosten anfallen.

14

b) Ob die bei der Klägerin bestehende Laktoseintoleranz ein besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis mit sich bringt, lässt sich auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht beurteilen. Die Annahme des SG, eine Laktoseintoleranz begründe von vornherein keinen Mehrbedarf, weil lediglich bestimmte Nahrungsmittel vermieden und durch andere, vom Regelbedarf abgedeckte Grundnahrungsmittel ersetzt werden müssten, vermengt die bereits dargestellten Prüfungsschritte in unzutreffender Weise mit einander; insoweit hat das SG die Maßstäbe des § 21 Abs 5 SGB II verkannt.

15

Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate bereits entschieden haben, haben die Gerichte einen streitig gebliebenen krankheitsbedingten Mehrbedarf im Einzelfall aufzuklären (so bereits BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R; vgl zur Laktoseintoleranz auch BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R - Juris RdNr 24). Dazu ist zunächst zu überprüfen, welches besondere Ernährungsbedürfnis medizinisch, dh durch die Erkrankung, begründet ist. Insbesondere wenn ein besonderes Ernährungsbedürfnis abhängig von der Schwere der Erkrankung ausgelöst wird, sind die Erfordernisse an die besondere Ernährung im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen. Erst wenn feststeht, welches medizinisch begründete Ernährungsbedürfnis im Einzelfall besteht, kommt es darauf an, ob hierdurch auch höhere Kosten entstehen (dazu unter c). Die erforderlichen Prüfungsschritte wird das SG nach Zurückverweisung ausgehend von dem vorgelegten Attest nachzuholen haben.

16

Bei der Prüfung eines besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnisses lässt nicht schon die fehlende Auflistung der entsprechenden Erkrankung in den Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 ( Mehrbedarfsempfehlungen 2008) den Schluss zu, dass es sich nicht um eine Erkrankung handelt, die einen Mehrbedarf auslösen kann. Der Senat schließt sich der Auffassung des 4. Senats an, wonach die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 weder nach ihrer Konzeption noch nach ihrer Entstehungsgeschichte die Anforderungen an antizipierte Sachverständigengutachten erfüllen, die von den Gerichten in normähnlicher Weise angewandt werden könnten (vgl BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14). Wenn weit verbreitete Erkrankungen wie die Laktoseintoleranz in den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 nicht genannt sind, kann dieser Umstand damit nur eine Orientierungshilfe sein, die den Umfang der Ermittlungen im Einzelfall steuert.

17

c) Auch wegen der Kosten, die aus einem besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnis entstehen, stellt § 21 Abs 5 SGB II erkennbar auf die Umstände des Einzelfalles ab. Dies lässt sich schon daraus ersehen, dass - abweichend von den in § 21 Abs 1 bis 4 SGB II genannten Fallgruppen eines Mehrbedarfs - keine Pauschalen für die entstehenden Bedarfe normiert sind. Im Anwendungsbereich des § 21 Abs 5 SGB II sind deshalb Fälle kaum denkbar, in denen sich für eine bestimmte Erkrankung, die - wie die Laktoseintoleranz - Einfluss auf die Ernährung haben, ein besonderer Kostenaufwand abschließend als generelle Tatsache (Rechtstatsache) mit Gültigkeit für jeden Einzelfall verneinen lässt(vgl bereits BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10). Ohnehin lassen die Ausführungen des SG, eine Laktoseintoleranz sei in allen denkbaren Fällen ohne höheren Kostenaufwand zu kompensieren, in keiner Weise erkennen, worauf es diese Schlussfolgerung stützt. Für das von ihm genannte Gutachten eines "Prof. Dr. H." lässt sich eine Quelle nicht finden; auch im Übrigen lassen sich die von dem SG getroffenen Schlüsse nicht auf allgemeinkundige Tatsachen zurückführen. Zwar ist denkbar, dass mit zunehmendem Alter eines Kindes sich Nahrungsmittel, die Milchzucker enthalten, besser vermeiden lassen. Je weiter außerdem eine Erkrankung, die eine besondere Ernährung erfordert, verbreitet ist, umso mehr wird dies das Ernährungsverhalten der gesamten Bevölkerung beeinflussen. Dies mag zu günstigeren Preisen für Ersatz- oder Ergänzungsnahrungsmittel (wie etwa die vom SG genannten laktosefreien Milchprodukte) führen und - sofern ein bestimmtes Ernährungsverhalten allgemein üblich wird - ggf auch die Höhe des Regelbedarfs mitbestimmen. Ob der Klägerin im Einzelfall nicht gleichwohl ein Mehrbedarf zusteht, lässt sich aber allein mit solchen Annahmen nicht ausschließen.

18

Das SG wird außerdem über die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu entscheiden haben.

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Mai 2007 bis März 2008.

2

Die 1971 geborene Klägerin ist erwerbsfähig, ledig und hat zwei Kinder. An der Pflege und Erziehung der 1991 geborenen Tochter J und des 2003 geborenen Sohnes F sind deren Väter nicht in nennenswertem Umfang beteiligt. Die Klägerin wohnte im streitigen Zeitraum mit ihrer Mutter (geb 1947), ihrem Vater (geb 1943), ihrer Schwester (geb 1969) und den beiden Kindern in einem in ihrem Eigentum stehenden Einfamilienhaus. Im Erdgeschoss finden sich drei - im streitigen Zeitraum von den Eltern genutzte - Räume (Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer) sowie eine von allen Bewohnern genutzte Küche. Die Klägerin, ihre beiden Kinder und die Schwester bewohnten im Obergeschoss jeweils einen Wohnraum. Außerdem gab es dort ein gemeinschaftlich genutztes weiteres Bad.

3

Die Klägerin, ihre Kinder sowie die Eltern und die Schwester bezogen ab Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte nahm weder eine Bedarfs- noch eine Haushaltsgemeinschaft an und berücksichtigte bei der Klägerin einen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Für den streitigen Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.3.2008 bewilligte er SGB II-Leistungen in Höhe von monatlich 353,61 Euro (Regelleistung in Höhe von 318,23 Euro; Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 35,38 Euro) ohne Mehrbedarf für Alleinerziehende (Bescheid vom 20.4.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25.9.2007 sowie des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007).

4

Nach Anhörung der Klägerin sowie ihrer Eltern zum Umfang der Pflege und Erziehung der Kinder hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 20.4.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.5.2008 den Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von monatlich 124,20 Euro für die Monate Mai und Juni 2007 sowie in Höhe von monatlich 124,92 Euro für die Monate Juli 2007 bis März 2008, insgesamt 1372,68 Euro, zu gewähren (Urteil vom 17.6.2010).

5

Das LSG hat die Berufung des Beklagten nach erneuter Vernehmung der Eltern der Klägerin sowie ihrer Schwester als Zeugen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des SG-Urteils dahin geändert wird, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 dem Grunde nach verurteilt wird, der Klägerin für die Zeit vom 1.5.2007 bis zum 31.3.2008 höhere, in die Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit fallende Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II zu gewähren(Urteil vom 11.8.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin habe im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für die Bewilligung von SGB II-Leistungen nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II erfüllt. Sie sei erwerbsfähig und hilfebedürftig; über anderweitiges anrechenbares Einkommen oder zu berücksichtigende Vermögenswerte verfüge die Klägerin nicht. Sie habe mit ihren Eltern und ihrer Schwester nicht in einer Haushaltsgemeinschaft iS von § 9 Abs 5 SGB II gelebt. Ein "Wirtschaften aus einem Topf" habe nicht stattgefunden. Neben dem Regelleistungsbedarf sei ein Mehrbedarf für Alleinerziehende zu berücksichtigen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum zumindest mit einem Kind unter sieben Jahren zusammengelebt und allein für dessen Pflege und Erziehung gesorgt habe. Sie habe ihren Sohn (wie im Übrigen auch J) ohne wesentliche, dem typischen Pflege- und Erziehungsbeitrag ihrer Väter entsprechende Beteiligung Dritter versorgt und erzogen. Der Auffassung des Beklagten, dass (bereits) bei einem Ausgleich von Erschwernissen durch Dritte, die Alleinerziehende träfen, die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs nicht erfüllt seien, könne nicht gefolgt werden. Orientiere man sich allein an dem Zweck der Mehrbedarfsregelung (weniger Zeit zum preisbewussten Einkauf, höhere Aufwendungen für Kontaktpflege zur Unterrichtung in Erziehungsfragen) wäre der Bedarf im konkreten Fall zwar nicht zu erhöhen, weil es eine gelegentliche, zeitlich begrenzte Fürsorge für die Kinder durch die Großeltern und die Tante gegeben habe und allein durch deren Anwesenheit Freiräume eröffnet gewesen seien, die es der Klägerin erlaubt hätten, den beschriebenen Bedarfslagen ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand gerecht zu werden. Jedoch sei eine allein auf Sinn und Zweck des Mehrbedarfs gestützte Auslegung nicht tragfähig, weil die zum Vierten BSHG-Änderungsgesetz dargelegten, vom BSG aufgegriffenen Bedarfslagen regelhaft nicht bestünden. Es ließen sich aber nur in geringem Umfang Fallgruppen bezeichnen, in denen die vom historischen Gesetzgeber genannten Bedarfslagen aufträten; in der überwiegenden Zahl der Fälle bzw den von § 21 Abs 3 SGB II erfassten Familien- und Alterskonstellationen sei dies nicht bzw nicht mehr der Fall. Preisvergleiche seien im Computerzeitalter sekundenschnell per Mausklick möglich, Lebensmitteldiscounter heutzutage von fast jedem Haushalt gut erreichbar und auch die "Befriedigung von Informations- und Kontaktbedürfnissen" bei der inzwischen nahezu flächendeckenden Verbreitung von Flatrates für Telefon und Internetzugang regelmäßig nicht mehr mit Mehrkosten verbunden. Aus Kostengesichtspunkten mache die Zuerkennung eines allgemeinen Mehrbedarfs für Alleinerziehende unter Berücksichtigung gegenwärtiger Lebensverhältnisse nur insofern Sinn, als der alleinerziehende Elternteil eines Kleinkindes oder mehrerer Kleinkinder gelegentlich auf Babysitterdienste angewiesen sei.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II aF. Die vom LSG bei der Auslegung des § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II zugrunde gelegte Annahme einer wesentlichen Mitwirkung bzw Unterstützung in erheblichem Umfang bei der Erziehung bis hin zum gleichwertigen Erziehungsanteil anderer Personen könnten unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm nicht gefordert werden. Nur wenn die Familie derart zerrüttet sei, dass eine Inanspruchnahme der jeweils anderen Familienmitglieder schon aus psychischen und emotionalen Gründen ausscheide, sei die Bedarfssituation anders zu beurteilen. Entgegen der Wertung der Zeugenaussagen durch das SG und das LSG stehe nicht fest, dass die Großeltern der Klägerin und deren Schwester nicht an der Erziehung der Kinder in dem hier fraglichen Zeitraum mitgewirkt hätten. Die Bekundungen der Klägerin und ihrer Mutter seien nicht glaubhaft und wirkten verfahrensangepasst. Für ein enges Zusammenleben der Klägerin mit ihren Eltern und der Schwester sprächen bereits die Wohnverhältnisse. Es müsse im Ergebnis und unter Würdigung der Zeugenaussagen und der Wohn- und Lebensverhältnisse der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie sowohl von ihren Eltern als auch von ihrer Schwester bei der Pflege und Erziehung der Kinder mindestens in dem Umfang unterstützt werde, wie eine tagsüber anwesende und die Hauptlast bei der Pflege und Erziehung tragende Mutter durch den etwa aus Gründen der Berufstätigkeit tagsüber oder sogar wochenweise abwesenden (Ehe)Partner. Es liege eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG vor, weil eine Ungleichbehandlung zwischen Alleinstehenden mit Kindern einerseits und (verheirateten) Partnern mit Kindern andererseits bestehe.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beklagte kommentiere das Urteil ohne Beweisangebote dafür, dass ihre Aussagen und die ihrer Eltern nicht den Tatsachen entsprächen. Der Anspruch auf Mehrbedarf sei nachgewiesen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 rechtswidrig ist, weil die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende hat.

11

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur (noch) der den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 20.4.2007 in vollem Umfang ersetzende Bescheid vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 hinsichtlich der hier allein streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diese können - insbesondere hinsichtlich des Mehrbedarfs - nicht in weitere unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 14; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 10).

12

2. Gegen die bezeichneten Bescheide wendet sich die Klägerin zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 iVm Abs 4, § 56 SGG). Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass ein Grundurteil zulässig ist. Mit ihrem Antrag im Berufungsverfahren hat die Klägerin keinen konkreten Leistungsantrag (mehr) gestellt, sondern nur dem Grunde nach höhere Leistungen beantragt (§ 130 SGG). Dass sie sich hierfür allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende bezieht, beinhaltet keinen konkret bezifferten Leistungsanspruch, sondern enthält nur ein Begründungselement für das Begehren auf höhere Leistungen. Gegenstand des Verfahrens ist daher, ob in dem hier streitigen Zeitraum insgesamt ein Anspruch auf höhere Leistungen bestand, wobei die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ist (BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11). Die weiteren Voraussetzungen für ein Grundurteil in einem Höhenstreit liegen vor, wenn eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs zugrunde liegt, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, weil die Beschränkung der Prüfung auf eine Rechtsfrage oder einzelne Rechtsfragen ansonsten einer unzulässigen Elementenfeststellung gleichkäme (BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1, RdNr 12; BSG SozR 4-4300 § 132 Nr 3 RdNr 17). Dies ist hier der Fall. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II (Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) in dem streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt und - neben dem Kindergeld - weiteres Einkommen und Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, sodass die Anerkennung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit höheren Leistungen verbunden ist.

13

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende hatte. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist gemäß § 21 Abs 3 SGB II ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter sechzehn Jahren zusammenleben(Nr 1), oder in Höhe von 12 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Vomhundertsatz als nach der Nr 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung(Nr 2). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein zusätzlich zur Regelleistung zu gewährender Bestandteil des Alg II.

14

Die Anspruchsvoraussetzung der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt. Dabei ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen (BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 19; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - RdNr 15). Der Senat hat bei dieser Auslegung des Begriffs der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" und die insofern zu stellenden Anforderungen auf die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehenden Bezug genommen, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis - in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten Hilfebedürftigen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist(BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15). Solche besonderen Lebensumstände hat der Senat ausgehend von den Gesetzesmaterialien zur Einführung und zum Zweck der entsprechenden Regelung im BSHG (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 "vor allem") exemplarisch darin gesehen, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen sowie zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten. Auch der Zweck des in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Mehrbedarfs liege darin, den höheren Aufwand von Alleinerziehenden für die Versorgung und Pflege bzw Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen(BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 1; Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 23.2.2011 - L 11 AS 40/09 - juris RdNr 26; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 13.5.2008 - L 9 AS 119/08 ER - juris RdNr 17; Lang/ Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 26; kritisch Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 11/2010, § 21 RdNr 19 und Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21 RdNr 31 ff, Stand Mai 2011).

15

4. Soweit der Beklagte mit seiner Revision diese am Wortlaut, aber auch der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung des Merkmals der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" rügt, sieht der Senat keine Veranlassung zur Korrektur seiner Rechtsprechung. Entgegen der Ansicht des LSG sind die vom BSG formulierten Anforderungen an eine alleinige Sorge für Pflege und Erziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II auch nicht unter teleologischen Gesichtspunkten grundsätzlich in Frage zu stellen.

16

Die Beantwortung der komplexen Fragestellung, ob wegen eines Wandels der tatsächlichen Lebensumstände die vom Gesetzgeber bei Einfügung der Regelung in das BSHG typisierend und beispielhaft angenommenen Bedarfslagen bei Alleinerziehenden tatsächlich nicht (mehr) bzw nicht mehr in der pauschalierend angenommenen Höhe existieren, obliegt dem Gesetzgeber. Wollte dieser den Mehrbedarf für Alleinerziehende anders fassen, ist zu beachten, dass sich Pauschalen, die an die Stelle eines ganz oder teilweise zu berücksichtigenden konkreten Aufwandes treten, nicht an einem hier vorliegenden atypischen Fall orientieren dürfen und "realitätsgerecht" so bemessen sein müssen, dass die typisierenden Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (BVerfGE 112, 268, 281 zur Abzugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten alleinstehender Erwerbstätiger; BVerfGE 120, 125 ff, 166). Eine hohe "Treffergenauigkeit" ist gefordert, wenn es - wie hier - um pauschalierte Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht. Diese Leistungen müssen auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen (zB auch durch Einholung des Rats von Experten - BVerfGE 113, 167 ff, 241) und vertretbaren Einschätzungen beruhen. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind verfassungsrechtlich anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167 ff, 215). Dass sich der Gesetzgeber - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II aF erfassten Bedarfslagen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - für eine pauschale Leistungserbringung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende in einer gesetzlich festgelegten Höhe entschieden hat, ist eine solche gesetzgeberische Entscheidung. Soweit der Beklagte eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG wegen Ungleichbehandlung von Alleinstehenden mit Kindern einerseits und (verheirateten) Partnern mit Kindern andererseits rügt, hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit dem Merkmal der bzw des Alleinerziehenden einen Sachgrund für die Leistungsdifferenzierung angeführt hat.

17

5. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann der Anspruch der Klägerin auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, diese hätte wegen der Wohnverhältnisse im Bedarfsfall auf die Unterstützung ihrer Eltern oder ihrer Schwester zugreifen können. Nach seinem Sinn und Zweck geht § 21 Abs 3 SGB II typisierend von einem regelmäßigen Mehrbedarf bei Alleinerziehenden aus, weshalb - nach den tatsächlichen Verhältnissen - nur eine regelmäßige und erhebliche Unterstützung bei der Pflege und Erziehung der Kinder durch weitere Personen einem Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende entgegenstehen kann(so auch Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 29). Allein die (potentielle) Möglichkeit des Rückgriffs auf andere Personen oder Einrichtungen führt nicht zum Anspruchsausschluss. Auch insofern liegt eine von SGB II-Trägern und der Rechtsprechung zugrunde zu legende gesetzgeberische Wertung vor, die Verneinung des Anspruchs auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende allein von der tatsächlichen und ergänzend kontinuierlichen Erziehung und Pflege durch weitere Personen abhängig zu machen. Diese Auslegung findet ihre Rechtfertigung in der Bedeutung der persönlichen Sorge der Eltern und deren Kompetenz zur Auswahl von Betreuungsalternativen für das Kindeswohl.

18

Soweit der Beklagte vorträgt, bezüglich des zeitlichen Umfangs dürften keine zu hohen Anforderungen an die Betreuungsleistungen aufgestellt werden, weil ansonsten auch der Besuch eines Kindergartens bzw anderer Betreuungseinrichtungen zur Verneinung eines Mehrbedarfs bzw die berufliche Abwesenheit eines vorhandenen Partners zu dessen Bejahung führe, ist der rechtliche Maßstab für die Annahme eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 3 SGB II betroffen. Dieser bestimmt sich danach, ob nach den tatsächlichen Umständen eine wesentliche Mitwirkung des anderen Elternteils, eines Partners oder einer anderen, regelmäßig im gleichen Haushalt lebenden Person in der verbleibenden Betreuungszeit vorliegt. Insofern geht das SGB II davon aus, dass mit der Betreuung eines über drei Jahre alten Kindes in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege die Ausübung einer Arbeit oder berufliche (Re-)Integrationsmaßnahmen zumutbar sind (§ 10 Abs 1 Nr 3 SGB II), sodass "zeitliche Freiräume" der oder des erziehenden SGB II-Leistungsempfängers nicht unterstellt werden können.

19

6. Ausgehend von den demnach hier anzuwendenden Grundsätzen der bisherigen BSG-Rechtsprechung liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), hier vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Eltern der Klägerin hätten im Wesentlichen übereinstimmend bekundet, dass diese seinerzeit nahezu allein insbesondere für die Ernährung, die Bekleidung, die Erziehung und das seelische Wohl ihrer Kinder zuständig gewesen und dabei von ihren Eltern oder ihrer Schwester nicht in erheblichem Maße unterstützt worden sei. Die Klägerin sei frühmorgens aufgestanden, um F für den Kindergarten fertig zu machen, sie habe die Mahlzeiten für F und J vorbereitet, F mittags vom Kindergarten abgeholt, sich ausschließlich um ihn gekümmert und ihn ggf zum Einkaufen sowie bei Arzt- und Behördengängen mitgenommen. Übereinstimmend sei weiter bekundet worden, dass weder die Großeltern noch die Schwester maßgeblich an der Erziehung der Kinder beteiligt gewesen seien und die Klägerin von ihnen auch keine diesbezüglichen Ratschläge eingeholt habe. Die Verhältnisse seien stimmig und anschaulich beschrieben worden.

20

Der Beklagte ist dieser Beweiswürdigung des LSG nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen entgegengetreten (§ 164 SGG). Eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) ist nicht formgerecht gerügt, wenn die Revision lediglich ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; BSG SozR 3-2500 § 109 Nr 9 S 61). Soweit es der Beklagte für "nicht glaubhaft" hält, dass keine Mitwirkung der Großeltern bei Krankheit bestehe, nur sehr wenig über alltägliche Dinge gesprochen werde und der Vater der Klägerin sich auf handwerkliche Mithilfe beschränke, stellt er seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG und führt Umstände an, die selbst bei ihrem Vorliegen nicht automatisch zu einer Verneinung des Anspruchs auf Mehrbedarf führen würden. Dies gilt auch für die Heranziehung der Wohnverhältnisse der Klägerin. Das Zusammenleben mit weiteren Personen in einer Haushaltsgemeinschaft hat der Gesetzgeber des SGB II gerade nicht ausreichen lassen, um typisierend von dem Wegfall der besonderen Lebensumstände von Alleinerziehenden auszugehen. Tatsachen, die einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze begründen könnten (vgl hierzu zB BSG Urteil vom 15.5.1985 - 7 RAr 40/84 - RdNr 18), sind nicht vorgetragen.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der auf der Insel F. lebende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die im streitigen Zeitraum überwiegend bei ihrer Mutter in B. lebte. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Von November 2005 bis April 2006 wurde die Tochter in der Zeit vom 18.12.2005 bis 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis 22.4.2006 (insgesamt 56 Tage, rund 31 % des Leistungszeitraums von 181 Tagen) von dem Kläger an seinem Wohnort betreut.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 790 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 445 Euro), zunächst ohne anteiliges Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006). Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 5 Euro monatlich für die Kosten der Warmwasserzubereitung anerkannt. Auf die Klagen von Vater (Kläger zu 1) und Tochter hat das SG den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2006 verurteilt, an den Kläger zu 1) für den Zeitraum 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich weitere 70,68 Euro (12 Tage a 5,89 Euro) zu zahlen" und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 4.2.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger seien zusätzliche Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in analoger Anwendung von § 21 SGB II zu zahlen. Die Höhe des Anspruchs hat das SG unter Berücksichtigung des Sozialgeldes für die Tochter nach teilweisem Abzug von Aufwendungen bei den Bedarfen der Bekleidung, der Gesundheitspflege sowie anderer Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung stehe dem Kläger nicht zu, weil ein solcher Ausgleich nur gerechtfertigt sei, wenn die zeitliche, materielle und ideelle Belastung des Erziehenden deutlich über diejenige hinausgehe, die auch bei zusammenlebenden Elternteilen anzutreffen sei. Ein solches Maß sei hier nicht erreicht.

4

Auf die Berufungen des Klägers, seiner Tochter sowie des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil abgeändert und den Tenor neu gefasst. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 verurteilt, der Tochter des Klägers für die Zeiten vom 18.12.2005 bis zum 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis zum 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis zum 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis zum 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis zum 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis zum 22.4.2006 Sozialgeld in Höhe von 6,90 Euro pro Tag zu zahlen. "Im Übrigen" hat es die Klage ebenso wie die "weitergehenden Berufungen der Kläger sowie des Beklagten" zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes oder der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bei der Berechnung des Sozialgeldes der Tochter für die Dauer ihrer zeitweisen Aufenthalte bei dem Kläger scheide aus. Derartige Abschläge widersprächen dem Gedanken der Pauschalierung des Regelbedarfs. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Vor dem Hintergrund des Monatsprinzips könne eine nachhaltige Entlastung des betreuenden Elternteils nur angenommen und eine Teilung dieses Mehrbedarfs erfolgen, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG liege die Anspruchsvoraussetzung einer "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II vor, wenn es an einer nachhaltigen Entlastung des hilfebedürftigen Elternteils während der Betreuungszeit fehle. Allerdings habe das BSG auch betont, dass die Wertung des Familienrechts, die gemeinsame elterliche Sorge zu fördern, zu berücksichtigen sei. Eine Aufteilung des Mehrbedarfs nach Betreuungsanteilen müsse daher auch möglich sein, wenn keine hälftige Aufteilung der elterlichen Pflege und Erziehung gegeben sei. Der Schutz des Art 6 GG für die Beziehung des Elternteils zum Kind in häuslicher Gemeinschaft gelte auch bei einem kürzeren Zusammenleben. Er sei zT "alleinerziehend in einem zeitlichen Umfang, der wöchentliche Phasen überschreite".

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 4. Februar 2009 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, an ihn für den Leistungszeitraum von November 2005 bis April 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in Höhe der Hälfte von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 62,10 Euro, hilfsweise in Höhe von 40 vH des Anteils von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 49,68 Euro, monatlich zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er bezieht sich auf die Entscheidung des LSG.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung liegen nicht vor.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG - nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als sie der Beklagte mit seinem Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4.2.2009 verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen)und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff)und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden. Zwar hat sich der Kläger für die von ihm beanspruchten höheren Leistungen allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehung bezogen; dies beinhaltet aber nur ein Begründungselement für sein Begehren auf höhere Leistungen, das er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 54 Abs 4 SGG).

11

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte er zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 S 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist zutreffend ein Betrag in Höhe von 345 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende iS des § 21 Abs 3 SGB II ist jedoch nicht zu berücksichtigen. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben(§ 21 Abs 3 Nr 1 Variante 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein über die Regelleistung hinausgehender Bestandteil des Alg II, der unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt wird, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insofern von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14). Diese sind hier jedoch nicht gegeben.

12

Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ist für die Frage, ob eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II vorliegt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Alleinerziehung im gesetzlichen Sinne ist nicht erst zu bejahen, wenn eine Person das Kind nach den tatsächlichen Gegebenheiten ausschließlich erzieht und pflegt. Vielmehr ist der Mehrbedarf bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 15). Darüber hinaus hat das BSG bereits entschieden, dass eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II ebenfalls vorliegen kann, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 ff = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der erkennende Senat hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war bereits in zeitlicher Hinsicht eine Konstellation der hälftigen Pflege und Erziehung im streitigen Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 nicht gegeben. Die Tochter des Klägers hat sich an 56 Tagen des Bewilligungszeitraums bei ihm aufgehalten. Sie wurde somit nicht - wie von der Revision vorgebracht - zu 40 % des Leistungszeitraumes, sondern zu rund 30 % des Leistungszeitraums vom Kläger betreut. Dabei betrug die längste zusammenhängende Betreuungszeit im Leistungszeitraum einmalig 21 Tage (im Zusammenhang mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel) und ging im Übrigen über 14 Tage (29.1. bis 11.2. und 9.4. bis 22.4.2006) nicht hinaus.

13

Entgegen der Ansicht der Revision können die vom Senat entwickelten Grundsätze zur hälftigen Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Pflege- und Erziehungsaufgaben praktiziert wird, übertragen werden. Übernimmt ein Elternteil in geringerem als annähernd hälftigem zeitlichen Umfang diese Betreuung des gemeinsamen Kindes, so steht die Mehrbedarfsleistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16, 22; vgl auch BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass zumindest ein anteiliger Mehrbedarf auch dann zu erbringen ist, wenn die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den umgangsberechtigten Leistungsempfänger - wie in dem hier streitigen Bewilligungszeitraum - weniger als hälftig, aber in längeren zeitlichen Abschnitten wahrgenommen wird. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 21 Abs 3 SGB II, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehende.

14

Mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende sollen - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II erfassten Bedarfslagen (bei werdenden Müttern, erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten) - typisierend besondere Bedarfe für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Dabei verknüpft der Gesetzgeber den Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen Familienkonstellation ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") und verbindet damit zugleich regelhaft die Annahme, dass das Schwergewicht der Betreuung und Erziehung nur bei einem Elternteil liegt. Bereits hieraus folgt, dass diese Mehrbedarfsleistung nicht zwischen einem "Hauptverantwortlichen" für die Pflege und Erziehung und dem anderen Elternteil mit einem geringeren Anteil an Pflege- und Erziehungsleistungen aufzuteilen ist. Eine gleichgewichtige Verteilung der Pflege und Erziehung, die ggf eine Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs rechtfertigen kann, ist nur bei einem sogenannten "Wechselmodell" anzunehmen. Ein solches liegt vor, wenn die Hauptverantwortung und das deutliche Schwergewicht der Betreuungsleistung nicht mehr bei einem Elternteil liegt, sondern die Eltern sich in der Betreuung des Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgabe wahrnimmt (BGH Urteil vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331 ff, 333 zur Betreuungs- und Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell). Dabei kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher Betreuungsphasen eine wesentliche Indizwirkung zu (so zum Familienrecht auch BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 ff).

15

Auch die Erbringung der Mehrbedarfsleistung in Form einer Pauschale spricht gegen die Aufteilung nach Betreuungsanteilen. Es ist wesentliches Merkmal des Mehrbedarfs für Alleinerziehende, dass der Gesetzgeber - pauschalierend für die "typische Situation" von Alleinerziehenden - besondere, die Sicherung des Existenzminimums betreffende Bedarfe in einer bestimmten Höhe bei diesen Haushalten annimmt. Insofern wird bei dieser Pauschalierung der Sache nach auch einbezogen, dass besondere Bedarfe von in Familienhaushalten lebenden Erwachsenen durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bemessung der Regelleistungen zugrunde liegt, bisher nicht erhoben werden konnten (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - NJW 2014, 3425 ff, 3430 zur künftig erforderlichen Prüfung des Gesetzgebers, ob der Gesamtbedarf in Familienhaushalten auch tatsächlich gedeckt ist; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 4 RBEG RdNr 3; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 26 ff). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungshöhe durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) Haushalte von Alleinerziehenden bei der Ermittlung der Regelbedarfe von Kindern ausgeklammert, weil diese Haushalte "im Vergleich zu Paaren ein vergleichsweise niedriges Einkommens- und Konsumniveau" hätten (BT-Drucks 17/3404 S 65; vgl auch Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik - Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 26.6.2013 - BT-Drucks 17/14282 S 32). Vor dem Hintergrund dieser auch wirtschaftlich begründeten pauschalierten Leistungsgewährung kommt - anders als bei den konkret ermittelten Regelbedarfen für Kinder - eine "Aufsplittung" des Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit des Kindes in dem Haushalt des jeweiligen Elternteils nicht in Betracht. Hiermit wäre ferner zugleich eine nur anteilige Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei dem die Hauptverantwortung für das Kind tragenden Elternteil verbunden. Diesem Elternteil verbleiben jedoch auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche Aufgaben, Belastungen und Kosten, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (vgl zum Gesichtspunkt der Kostentragung bei der Gestaltung einer hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung bereits Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 RdNr 16).

16

Dieses Ergebnis wird durch die Betrachtung der Gesetzesentwicklung bestätigt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Alleinerziehenden hat der Gesetzgeber die Regelung zum Mehrbedarf für Alleinerziehende inhaltlich unverändert vom BSHG in das SGB II übernommen und hierbei auf die bisherigen Regelungen im BSHG Bezug genommen (BT-Drucks 15/1514 S 60; BT-Drucks 15/1516 S 57). Die besonderen Lebensumstände sind schon unter Geltung des BSHG, wenn auch nur exemplarisch ("vor allem") darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege sowie zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 ). Auch im SGB II soll der besondere Aufwand von Alleinerziehenden für die Pflege und Erziehung der Kinder, etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, durch den Mehrbedarf ausgeglichen werden (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 8). Darüber hinaus war beabsichtigt, ebenfalls die Situation des Kindes in der besonderen Konstellation der Alleinerziehung zu verbessern. Denn dessen Lebensbedingungen werden entscheidend durch die finanzielle Situation des Elternteils, bei dem es hauptsächlich lebt, geprägt (vgl zur Aufteilung des Kindergeldes auf den barunterhaltspflichtigen und den betreuenden Elternteil sowie zur wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender auch BVerfG vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 ff, 80). Dies berücksichtigend ist die Leistungshöhe des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) im Zusammenhang mit den Neuregelungen zum Schutz des vorgeburtlichen Lebens deutlich erhöht worden, um zu gewährleisten, dass "sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höheres Haushaltseinkommen erhalten, das sie für die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder verwenden können" (BT-Drucks 12/2605, S 21).

17

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auch sozialpolitisch motivierte Zuordnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende an den oder die für die Pflege und Erziehung Hauptverantwortlichen bestehen nicht (vgl zu den Grenzen sozialpolitischer Gestaltungsfreiheit BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 16).

18

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der auf der Insel F. lebende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die im streitigen Zeitraum überwiegend bei ihrer Mutter in B. lebte. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Von November 2005 bis April 2006 wurde die Tochter in der Zeit vom 18.12.2005 bis 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis 22.4.2006 (insgesamt 56 Tage, rund 31 % des Leistungszeitraums von 181 Tagen) von dem Kläger an seinem Wohnort betreut.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 790 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 445 Euro), zunächst ohne anteiliges Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006). Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 5 Euro monatlich für die Kosten der Warmwasserzubereitung anerkannt. Auf die Klagen von Vater (Kläger zu 1) und Tochter hat das SG den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2006 verurteilt, an den Kläger zu 1) für den Zeitraum 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich weitere 70,68 Euro (12 Tage a 5,89 Euro) zu zahlen" und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 4.2.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger seien zusätzliche Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in analoger Anwendung von § 21 SGB II zu zahlen. Die Höhe des Anspruchs hat das SG unter Berücksichtigung des Sozialgeldes für die Tochter nach teilweisem Abzug von Aufwendungen bei den Bedarfen der Bekleidung, der Gesundheitspflege sowie anderer Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung stehe dem Kläger nicht zu, weil ein solcher Ausgleich nur gerechtfertigt sei, wenn die zeitliche, materielle und ideelle Belastung des Erziehenden deutlich über diejenige hinausgehe, die auch bei zusammenlebenden Elternteilen anzutreffen sei. Ein solches Maß sei hier nicht erreicht.

4

Auf die Berufungen des Klägers, seiner Tochter sowie des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil abgeändert und den Tenor neu gefasst. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 verurteilt, der Tochter des Klägers für die Zeiten vom 18.12.2005 bis zum 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis zum 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis zum 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis zum 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis zum 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis zum 22.4.2006 Sozialgeld in Höhe von 6,90 Euro pro Tag zu zahlen. "Im Übrigen" hat es die Klage ebenso wie die "weitergehenden Berufungen der Kläger sowie des Beklagten" zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes oder der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bei der Berechnung des Sozialgeldes der Tochter für die Dauer ihrer zeitweisen Aufenthalte bei dem Kläger scheide aus. Derartige Abschläge widersprächen dem Gedanken der Pauschalierung des Regelbedarfs. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Vor dem Hintergrund des Monatsprinzips könne eine nachhaltige Entlastung des betreuenden Elternteils nur angenommen und eine Teilung dieses Mehrbedarfs erfolgen, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG liege die Anspruchsvoraussetzung einer "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II vor, wenn es an einer nachhaltigen Entlastung des hilfebedürftigen Elternteils während der Betreuungszeit fehle. Allerdings habe das BSG auch betont, dass die Wertung des Familienrechts, die gemeinsame elterliche Sorge zu fördern, zu berücksichtigen sei. Eine Aufteilung des Mehrbedarfs nach Betreuungsanteilen müsse daher auch möglich sein, wenn keine hälftige Aufteilung der elterlichen Pflege und Erziehung gegeben sei. Der Schutz des Art 6 GG für die Beziehung des Elternteils zum Kind in häuslicher Gemeinschaft gelte auch bei einem kürzeren Zusammenleben. Er sei zT "alleinerziehend in einem zeitlichen Umfang, der wöchentliche Phasen überschreite".

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 4. Februar 2009 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, an ihn für den Leistungszeitraum von November 2005 bis April 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in Höhe der Hälfte von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 62,10 Euro, hilfsweise in Höhe von 40 vH des Anteils von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 49,68 Euro, monatlich zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er bezieht sich auf die Entscheidung des LSG.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung liegen nicht vor.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG - nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als sie der Beklagte mit seinem Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4.2.2009 verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen)und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff)und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden. Zwar hat sich der Kläger für die von ihm beanspruchten höheren Leistungen allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehung bezogen; dies beinhaltet aber nur ein Begründungselement für sein Begehren auf höhere Leistungen, das er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 54 Abs 4 SGG).

11

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte er zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 S 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist zutreffend ein Betrag in Höhe von 345 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende iS des § 21 Abs 3 SGB II ist jedoch nicht zu berücksichtigen. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben(§ 21 Abs 3 Nr 1 Variante 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein über die Regelleistung hinausgehender Bestandteil des Alg II, der unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt wird, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insofern von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14). Diese sind hier jedoch nicht gegeben.

12

Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ist für die Frage, ob eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II vorliegt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Alleinerziehung im gesetzlichen Sinne ist nicht erst zu bejahen, wenn eine Person das Kind nach den tatsächlichen Gegebenheiten ausschließlich erzieht und pflegt. Vielmehr ist der Mehrbedarf bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 15). Darüber hinaus hat das BSG bereits entschieden, dass eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II ebenfalls vorliegen kann, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 ff = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der erkennende Senat hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war bereits in zeitlicher Hinsicht eine Konstellation der hälftigen Pflege und Erziehung im streitigen Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 nicht gegeben. Die Tochter des Klägers hat sich an 56 Tagen des Bewilligungszeitraums bei ihm aufgehalten. Sie wurde somit nicht - wie von der Revision vorgebracht - zu 40 % des Leistungszeitraumes, sondern zu rund 30 % des Leistungszeitraums vom Kläger betreut. Dabei betrug die längste zusammenhängende Betreuungszeit im Leistungszeitraum einmalig 21 Tage (im Zusammenhang mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel) und ging im Übrigen über 14 Tage (29.1. bis 11.2. und 9.4. bis 22.4.2006) nicht hinaus.

13

Entgegen der Ansicht der Revision können die vom Senat entwickelten Grundsätze zur hälftigen Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Pflege- und Erziehungsaufgaben praktiziert wird, übertragen werden. Übernimmt ein Elternteil in geringerem als annähernd hälftigem zeitlichen Umfang diese Betreuung des gemeinsamen Kindes, so steht die Mehrbedarfsleistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16, 22; vgl auch BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass zumindest ein anteiliger Mehrbedarf auch dann zu erbringen ist, wenn die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den umgangsberechtigten Leistungsempfänger - wie in dem hier streitigen Bewilligungszeitraum - weniger als hälftig, aber in längeren zeitlichen Abschnitten wahrgenommen wird. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 21 Abs 3 SGB II, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehende.

14

Mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende sollen - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II erfassten Bedarfslagen (bei werdenden Müttern, erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten) - typisierend besondere Bedarfe für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Dabei verknüpft der Gesetzgeber den Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen Familienkonstellation ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") und verbindet damit zugleich regelhaft die Annahme, dass das Schwergewicht der Betreuung und Erziehung nur bei einem Elternteil liegt. Bereits hieraus folgt, dass diese Mehrbedarfsleistung nicht zwischen einem "Hauptverantwortlichen" für die Pflege und Erziehung und dem anderen Elternteil mit einem geringeren Anteil an Pflege- und Erziehungsleistungen aufzuteilen ist. Eine gleichgewichtige Verteilung der Pflege und Erziehung, die ggf eine Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs rechtfertigen kann, ist nur bei einem sogenannten "Wechselmodell" anzunehmen. Ein solches liegt vor, wenn die Hauptverantwortung und das deutliche Schwergewicht der Betreuungsleistung nicht mehr bei einem Elternteil liegt, sondern die Eltern sich in der Betreuung des Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgabe wahrnimmt (BGH Urteil vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331 ff, 333 zur Betreuungs- und Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell). Dabei kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher Betreuungsphasen eine wesentliche Indizwirkung zu (so zum Familienrecht auch BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 ff).

15

Auch die Erbringung der Mehrbedarfsleistung in Form einer Pauschale spricht gegen die Aufteilung nach Betreuungsanteilen. Es ist wesentliches Merkmal des Mehrbedarfs für Alleinerziehende, dass der Gesetzgeber - pauschalierend für die "typische Situation" von Alleinerziehenden - besondere, die Sicherung des Existenzminimums betreffende Bedarfe in einer bestimmten Höhe bei diesen Haushalten annimmt. Insofern wird bei dieser Pauschalierung der Sache nach auch einbezogen, dass besondere Bedarfe von in Familienhaushalten lebenden Erwachsenen durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bemessung der Regelleistungen zugrunde liegt, bisher nicht erhoben werden konnten (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - NJW 2014, 3425 ff, 3430 zur künftig erforderlichen Prüfung des Gesetzgebers, ob der Gesamtbedarf in Familienhaushalten auch tatsächlich gedeckt ist; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 4 RBEG RdNr 3; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 26 ff). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungshöhe durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) Haushalte von Alleinerziehenden bei der Ermittlung der Regelbedarfe von Kindern ausgeklammert, weil diese Haushalte "im Vergleich zu Paaren ein vergleichsweise niedriges Einkommens- und Konsumniveau" hätten (BT-Drucks 17/3404 S 65; vgl auch Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik - Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 26.6.2013 - BT-Drucks 17/14282 S 32). Vor dem Hintergrund dieser auch wirtschaftlich begründeten pauschalierten Leistungsgewährung kommt - anders als bei den konkret ermittelten Regelbedarfen für Kinder - eine "Aufsplittung" des Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit des Kindes in dem Haushalt des jeweiligen Elternteils nicht in Betracht. Hiermit wäre ferner zugleich eine nur anteilige Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei dem die Hauptverantwortung für das Kind tragenden Elternteil verbunden. Diesem Elternteil verbleiben jedoch auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche Aufgaben, Belastungen und Kosten, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (vgl zum Gesichtspunkt der Kostentragung bei der Gestaltung einer hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung bereits Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 RdNr 16).

16

Dieses Ergebnis wird durch die Betrachtung der Gesetzesentwicklung bestätigt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Alleinerziehenden hat der Gesetzgeber die Regelung zum Mehrbedarf für Alleinerziehende inhaltlich unverändert vom BSHG in das SGB II übernommen und hierbei auf die bisherigen Regelungen im BSHG Bezug genommen (BT-Drucks 15/1514 S 60; BT-Drucks 15/1516 S 57). Die besonderen Lebensumstände sind schon unter Geltung des BSHG, wenn auch nur exemplarisch ("vor allem") darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege sowie zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 ). Auch im SGB II soll der besondere Aufwand von Alleinerziehenden für die Pflege und Erziehung der Kinder, etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, durch den Mehrbedarf ausgeglichen werden (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 8). Darüber hinaus war beabsichtigt, ebenfalls die Situation des Kindes in der besonderen Konstellation der Alleinerziehung zu verbessern. Denn dessen Lebensbedingungen werden entscheidend durch die finanzielle Situation des Elternteils, bei dem es hauptsächlich lebt, geprägt (vgl zur Aufteilung des Kindergeldes auf den barunterhaltspflichtigen und den betreuenden Elternteil sowie zur wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender auch BVerfG vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 ff, 80). Dies berücksichtigend ist die Leistungshöhe des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) im Zusammenhang mit den Neuregelungen zum Schutz des vorgeburtlichen Lebens deutlich erhöht worden, um zu gewährleisten, dass "sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höheres Haushaltseinkommen erhalten, das sie für die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder verwenden können" (BT-Drucks 12/2605, S 21).

17

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auch sozialpolitisch motivierte Zuordnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende an den oder die für die Pflege und Erziehung Hauptverantwortlichen bestehen nicht (vgl zu den Grenzen sozialpolitischer Gestaltungsfreiheit BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 16).

18

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der auf der Insel F. lebende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die im streitigen Zeitraum überwiegend bei ihrer Mutter in B. lebte. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Von November 2005 bis April 2006 wurde die Tochter in der Zeit vom 18.12.2005 bis 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis 22.4.2006 (insgesamt 56 Tage, rund 31 % des Leistungszeitraums von 181 Tagen) von dem Kläger an seinem Wohnort betreut.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 790 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 445 Euro), zunächst ohne anteiliges Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006). Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 5 Euro monatlich für die Kosten der Warmwasserzubereitung anerkannt. Auf die Klagen von Vater (Kläger zu 1) und Tochter hat das SG den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2006 verurteilt, an den Kläger zu 1) für den Zeitraum 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich weitere 70,68 Euro (12 Tage a 5,89 Euro) zu zahlen" und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 4.2.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger seien zusätzliche Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in analoger Anwendung von § 21 SGB II zu zahlen. Die Höhe des Anspruchs hat das SG unter Berücksichtigung des Sozialgeldes für die Tochter nach teilweisem Abzug von Aufwendungen bei den Bedarfen der Bekleidung, der Gesundheitspflege sowie anderer Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung stehe dem Kläger nicht zu, weil ein solcher Ausgleich nur gerechtfertigt sei, wenn die zeitliche, materielle und ideelle Belastung des Erziehenden deutlich über diejenige hinausgehe, die auch bei zusammenlebenden Elternteilen anzutreffen sei. Ein solches Maß sei hier nicht erreicht.

4

Auf die Berufungen des Klägers, seiner Tochter sowie des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil abgeändert und den Tenor neu gefasst. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 verurteilt, der Tochter des Klägers für die Zeiten vom 18.12.2005 bis zum 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis zum 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis zum 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis zum 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis zum 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis zum 22.4.2006 Sozialgeld in Höhe von 6,90 Euro pro Tag zu zahlen. "Im Übrigen" hat es die Klage ebenso wie die "weitergehenden Berufungen der Kläger sowie des Beklagten" zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes oder der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bei der Berechnung des Sozialgeldes der Tochter für die Dauer ihrer zeitweisen Aufenthalte bei dem Kläger scheide aus. Derartige Abschläge widersprächen dem Gedanken der Pauschalierung des Regelbedarfs. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Vor dem Hintergrund des Monatsprinzips könne eine nachhaltige Entlastung des betreuenden Elternteils nur angenommen und eine Teilung dieses Mehrbedarfs erfolgen, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG liege die Anspruchsvoraussetzung einer "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II vor, wenn es an einer nachhaltigen Entlastung des hilfebedürftigen Elternteils während der Betreuungszeit fehle. Allerdings habe das BSG auch betont, dass die Wertung des Familienrechts, die gemeinsame elterliche Sorge zu fördern, zu berücksichtigen sei. Eine Aufteilung des Mehrbedarfs nach Betreuungsanteilen müsse daher auch möglich sein, wenn keine hälftige Aufteilung der elterlichen Pflege und Erziehung gegeben sei. Der Schutz des Art 6 GG für die Beziehung des Elternteils zum Kind in häuslicher Gemeinschaft gelte auch bei einem kürzeren Zusammenleben. Er sei zT "alleinerziehend in einem zeitlichen Umfang, der wöchentliche Phasen überschreite".

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 4. Februar 2009 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, an ihn für den Leistungszeitraum von November 2005 bis April 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in Höhe der Hälfte von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 62,10 Euro, hilfsweise in Höhe von 40 vH des Anteils von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 49,68 Euro, monatlich zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er bezieht sich auf die Entscheidung des LSG.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung liegen nicht vor.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG - nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als sie der Beklagte mit seinem Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4.2.2009 verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen)und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff)und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden. Zwar hat sich der Kläger für die von ihm beanspruchten höheren Leistungen allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehung bezogen; dies beinhaltet aber nur ein Begründungselement für sein Begehren auf höhere Leistungen, das er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 54 Abs 4 SGG).

11

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte er zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 S 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist zutreffend ein Betrag in Höhe von 345 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende iS des § 21 Abs 3 SGB II ist jedoch nicht zu berücksichtigen. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben(§ 21 Abs 3 Nr 1 Variante 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein über die Regelleistung hinausgehender Bestandteil des Alg II, der unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt wird, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insofern von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14). Diese sind hier jedoch nicht gegeben.

12

Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ist für die Frage, ob eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II vorliegt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Alleinerziehung im gesetzlichen Sinne ist nicht erst zu bejahen, wenn eine Person das Kind nach den tatsächlichen Gegebenheiten ausschließlich erzieht und pflegt. Vielmehr ist der Mehrbedarf bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 15). Darüber hinaus hat das BSG bereits entschieden, dass eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II ebenfalls vorliegen kann, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 ff = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der erkennende Senat hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war bereits in zeitlicher Hinsicht eine Konstellation der hälftigen Pflege und Erziehung im streitigen Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 nicht gegeben. Die Tochter des Klägers hat sich an 56 Tagen des Bewilligungszeitraums bei ihm aufgehalten. Sie wurde somit nicht - wie von der Revision vorgebracht - zu 40 % des Leistungszeitraumes, sondern zu rund 30 % des Leistungszeitraums vom Kläger betreut. Dabei betrug die längste zusammenhängende Betreuungszeit im Leistungszeitraum einmalig 21 Tage (im Zusammenhang mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel) und ging im Übrigen über 14 Tage (29.1. bis 11.2. und 9.4. bis 22.4.2006) nicht hinaus.

13

Entgegen der Ansicht der Revision können die vom Senat entwickelten Grundsätze zur hälftigen Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Pflege- und Erziehungsaufgaben praktiziert wird, übertragen werden. Übernimmt ein Elternteil in geringerem als annähernd hälftigem zeitlichen Umfang diese Betreuung des gemeinsamen Kindes, so steht die Mehrbedarfsleistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16, 22; vgl auch BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass zumindest ein anteiliger Mehrbedarf auch dann zu erbringen ist, wenn die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den umgangsberechtigten Leistungsempfänger - wie in dem hier streitigen Bewilligungszeitraum - weniger als hälftig, aber in längeren zeitlichen Abschnitten wahrgenommen wird. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 21 Abs 3 SGB II, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehende.

14

Mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende sollen - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II erfassten Bedarfslagen (bei werdenden Müttern, erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten) - typisierend besondere Bedarfe für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Dabei verknüpft der Gesetzgeber den Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen Familienkonstellation ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") und verbindet damit zugleich regelhaft die Annahme, dass das Schwergewicht der Betreuung und Erziehung nur bei einem Elternteil liegt. Bereits hieraus folgt, dass diese Mehrbedarfsleistung nicht zwischen einem "Hauptverantwortlichen" für die Pflege und Erziehung und dem anderen Elternteil mit einem geringeren Anteil an Pflege- und Erziehungsleistungen aufzuteilen ist. Eine gleichgewichtige Verteilung der Pflege und Erziehung, die ggf eine Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs rechtfertigen kann, ist nur bei einem sogenannten "Wechselmodell" anzunehmen. Ein solches liegt vor, wenn die Hauptverantwortung und das deutliche Schwergewicht der Betreuungsleistung nicht mehr bei einem Elternteil liegt, sondern die Eltern sich in der Betreuung des Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgabe wahrnimmt (BGH Urteil vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331 ff, 333 zur Betreuungs- und Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell). Dabei kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher Betreuungsphasen eine wesentliche Indizwirkung zu (so zum Familienrecht auch BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 ff).

15

Auch die Erbringung der Mehrbedarfsleistung in Form einer Pauschale spricht gegen die Aufteilung nach Betreuungsanteilen. Es ist wesentliches Merkmal des Mehrbedarfs für Alleinerziehende, dass der Gesetzgeber - pauschalierend für die "typische Situation" von Alleinerziehenden - besondere, die Sicherung des Existenzminimums betreffende Bedarfe in einer bestimmten Höhe bei diesen Haushalten annimmt. Insofern wird bei dieser Pauschalierung der Sache nach auch einbezogen, dass besondere Bedarfe von in Familienhaushalten lebenden Erwachsenen durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bemessung der Regelleistungen zugrunde liegt, bisher nicht erhoben werden konnten (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - NJW 2014, 3425 ff, 3430 zur künftig erforderlichen Prüfung des Gesetzgebers, ob der Gesamtbedarf in Familienhaushalten auch tatsächlich gedeckt ist; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 4 RBEG RdNr 3; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 26 ff). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungshöhe durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) Haushalte von Alleinerziehenden bei der Ermittlung der Regelbedarfe von Kindern ausgeklammert, weil diese Haushalte "im Vergleich zu Paaren ein vergleichsweise niedriges Einkommens- und Konsumniveau" hätten (BT-Drucks 17/3404 S 65; vgl auch Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik - Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 26.6.2013 - BT-Drucks 17/14282 S 32). Vor dem Hintergrund dieser auch wirtschaftlich begründeten pauschalierten Leistungsgewährung kommt - anders als bei den konkret ermittelten Regelbedarfen für Kinder - eine "Aufsplittung" des Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit des Kindes in dem Haushalt des jeweiligen Elternteils nicht in Betracht. Hiermit wäre ferner zugleich eine nur anteilige Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei dem die Hauptverantwortung für das Kind tragenden Elternteil verbunden. Diesem Elternteil verbleiben jedoch auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche Aufgaben, Belastungen und Kosten, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (vgl zum Gesichtspunkt der Kostentragung bei der Gestaltung einer hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung bereits Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 RdNr 16).

16

Dieses Ergebnis wird durch die Betrachtung der Gesetzesentwicklung bestätigt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Alleinerziehenden hat der Gesetzgeber die Regelung zum Mehrbedarf für Alleinerziehende inhaltlich unverändert vom BSHG in das SGB II übernommen und hierbei auf die bisherigen Regelungen im BSHG Bezug genommen (BT-Drucks 15/1514 S 60; BT-Drucks 15/1516 S 57). Die besonderen Lebensumstände sind schon unter Geltung des BSHG, wenn auch nur exemplarisch ("vor allem") darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege sowie zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 ). Auch im SGB II soll der besondere Aufwand von Alleinerziehenden für die Pflege und Erziehung der Kinder, etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, durch den Mehrbedarf ausgeglichen werden (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 8). Darüber hinaus war beabsichtigt, ebenfalls die Situation des Kindes in der besonderen Konstellation der Alleinerziehung zu verbessern. Denn dessen Lebensbedingungen werden entscheidend durch die finanzielle Situation des Elternteils, bei dem es hauptsächlich lebt, geprägt (vgl zur Aufteilung des Kindergeldes auf den barunterhaltspflichtigen und den betreuenden Elternteil sowie zur wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender auch BVerfG vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 ff, 80). Dies berücksichtigend ist die Leistungshöhe des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) im Zusammenhang mit den Neuregelungen zum Schutz des vorgeburtlichen Lebens deutlich erhöht worden, um zu gewährleisten, dass "sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höheres Haushaltseinkommen erhalten, das sie für die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder verwenden können" (BT-Drucks 12/2605, S 21).

17

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auch sozialpolitisch motivierte Zuordnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende an den oder die für die Pflege und Erziehung Hauptverantwortlichen bestehen nicht (vgl zu den Grenzen sozialpolitischer Gestaltungsfreiheit BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 16).

18

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 126/03 Verkündet am:
21. Dezember 2005
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 1601 ff., 1606 Abs. 3 Satz 2, 1629 Abs. 2 Satz 2

a) Ein Kind lebt im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Obhut desjenigen
Elternteils, bei dem das Schwergewicht der tatsächlichen Betreuung
liegt.

b) Zur anteiligen Barunterhaltspflicht von Eltern, die sich in der Betreuung eines
Kindes abwechseln.
BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - OLG Stuttgart
AG Schwäbisch-Gmünd
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Dezember 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter
Sprick, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Fuchs und die Richterin
Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Mai 2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um Kindesunterhalt.
2
Der am 24. Mai 1991 geborene Kläger ist der Sohn des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Die elterliche Sorge steht den Eltern, die beide berufstätig sind, gemeinsam zu. Der Kläger lebt überwiegend bei seiner Mutter.
3
Mit der vorliegenden Klage hat er beantragt, den Beklagten zur Zahlung eines Unterhaltsrückstands für die Zeit von Januar bis August 2002 von 1.080,40 € sowie laufenden Unterhalts ab September 2002 in Höhe von monatlich 314 € zu verurteilen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat zum einen geltend gemacht, sein Einkommen sei niedriger anzusetzen als es der Unterhaltsberechnung durch den Kläger zugrunde gelegt worden sei. Zum anderen hat er die Auffassung vertreten, bei der Bemessung des Barunterhalts sei zu berücksichtigen, dass der Kläger sich im Durchschnitt an 13 Tagen im Monat bei ihm aufhalte.
4
Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, ab März 2003 monatlichen Unterhalt von 165 € zu zahlen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Beklagte aufgrund seiner Mitbetreuung des Klägers, der sich an neun bis elf Tagen im Monat bei ihm aufhalte, nur 2/3 des (aus Gruppe 7 der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des hälftigen Kindergeldes) ermittelten Zahlbetrages schulde. Im Hinblick auf die für die Vergangenheit geleisteten Zahlungen ergebe sich deshalb kein Unterhaltsrückstand.
5
Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, mit der sie jeweils ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt haben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und diesen auf die Berufung des Klägers - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - verurteilt, für die Zeit von Januar 2002 bis April 2003 (unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen) insgesamt 888,57 € sowie ab Mai 2003 monatlich 287 € an Unterhalt zu zahlen. Dagegen richtet sich die - zugelassene - Revision des Beklagten, mit der er Klageabweisung erstrebt, soweit er zu Unterhaltszahlungen für die Zeit von Januar 2002 bis April 2003 sowie zu höherem Unterhalt als monatlich 191,33 € für die Zeit ab Mai 2003 verurteilt worden ist.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision ist nicht begründet.
7
1. Das Oberlandesgericht hat die Zulässigkeit der von dem Kläger, gesetzlich vertreten durch seine Mutter, erhobenen Klage ohne nähere Ausführungen bejaht. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
8
Nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge der geschiedene Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Der Begriff der Obhut stellt auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse ab. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der sich also vorrangig um die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes kümmert (MünchKomm /Huber 4. Aufl. § 1629 Rdn. 87; Johannsen/Henrich/Jaeger Eherecht 4. Aufl. § 1629 Rdn. 6; Staudinger/Peschel-Gutzeit BGB [2002] § 1629 Rdn. 335; Palandt/Diederichsen BGB 65. Aufl. § 1629 Rdn. 31; Erman/Michalski BGB 11. Aufl. § 1629 Rdn. 20; Weinreich/Ziegler Familienrecht 3. Aufl. § 1629 Rdn. 17; Büttner FamRZ 1998, 585, 593; Roth JZ 2002, 651, 655; OLG Frankfurt FamRZ 1992, 575 f.; OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 67). Leben die Eltern in verschiedenen Wohnungen und regeln sie den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in der Weise, dass es vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils - unterbrochen durch regelmäßige Besuche in der Wohnung des anderen Elternteils - lebt, so ist die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB deshalb dem erstgenannten Elternteil zuzuordnen.
9
An einer solchen eindeutigen Zuordnungsmöglichkeit fehlt es nicht bereits dann, wenn die Eltern die Betreuung eines Kindes dergestalt aufteilen, dass es sich zu 2/3 der Zeit bei einem Elternteil und zu 1/3 der Zeit bei dem anderen Elternteil aufhält. Denn auch in einem derartigen Fall liegt der Schwerpunkt der tatsächlichen Betreuung regelmäßig bei dem Elternteil, der sich überwiegend um die Versorgung und die sonstigen Belange des Kindes kümmert (a.A. Kammergericht FamRZ 2003, 53). Betreuen die Eltern ihr Kind dagegen in der Weise, dass es in etwa gleichlangen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (sog. Wechselmodell), so lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehat. Dann muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (MünchKomm/Huber aaO § 1629 Rdn. 88; Johannsen/Henrich/Jaeger aaO § 1629 Rdn. 6; Weinreich /Ziegler aaO § 1629 Rdn. 17; vgl. auch Staudinger/Peschel-Gutzeit aaO § 1629 Rdn. 336).
10
Im vorliegenden Fall ist nach der Auffassung der Revision davon auszugehen , dass der Kläger zu 1/3 durch den Beklagten mitbetreut wird. Liegt die Betreuung demzufolge aber zu 2/3 bei der Mutter, so befindet sich der Kläger in ihrer Obhut, weil das Schwergewicht der tatsächlichen Betreuung bei ihr liegt. Daher ist sie auch berechtigt, den Kläger im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits gesetzlich zu vertreten.
11
2. a) Die sich aus den §§ 1601 ff. BGB ergebende Unterhaltspflicht des Beklagten für den Kläger steht zwischen den Parteien dem Grunde nach nicht im Streit. Das gilt gleichermaßen für das der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legende Einkommen des Beklagten, das das Berufungsgericht mit ca. 1.870 € für die Jahre 2002 und 2003 ermittelt hat. Dagegen haben weder die Revision noch die Revisionserwiderung Einwendungen erhoben. Unterschiedlich beurteilt wird von den Parteien allein die Frage, ob sich die Barunterhaltspflicht des Beklagten mit Rücksicht darauf reduziert, dass der Kläger dem Beklagtenvortrag zufolge zu 1/3 von diesem mitbetreut wird.
12
b) Das Berufungsgericht hat eine solche quotenmäßige Kürzung des geschuldeten Barunterhalts abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Dem Streit darüber, an wie vielen Tagen der Beklagte das Kind mitbetreue, sei nicht im Einzelnen nachzugehen. Zwar gehe der Umgang des Vaters mit seinem Sohn weit über das übliche Maß hinaus und entlaste die Mutter teilweise von der Betreuung, insbesondere während ihrer beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester. Es sei allerdings zum einen zu berücksichtigen, dass der große Teil der Festkosten für den Unterhalt des Klägers (Kleidung, Wohnung) gleichwohl von der Mutter zu tragen sei. Der üblicherweise stattfindende Wochenend- und Ferienumgang habe zum anderen bereits in den Tabellen Beachtung gefunden. Beiden Umständen werde am Besten dadurch Rechnung getragen, dass bei der Eingruppierung des Beklagten in die Düsseldorfer Tabelle ein Abschlag von mindestens einer Einkommensgruppe vorgenommen werde. Der Beklagte sei nach seinem Einkommen an sich in Gruppe 4 der Düsseldorfer Tabelle einzustufen. Da er nur einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig sei, mithin eine unterdurchschnittliche Unterhaltsbelastung bestehe, sei nach Anmerkung 1 der Düsseldorfer Tabelle eine Höherstufung um zwei Einkommensgruppen vorzunehmen. Sodann sei ein Abschlag um mindestens eine Einkommensgruppe wegen der Mitbetreuung des Klägers durch den Beklagten vorzunehmen. Dies führe höchstens zu der Einkommensgruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle. Danach habe der Kläger in der zweiten Altersstufe einen Barunterhaltsbedarf von 292 €, auf den das Kindergeld gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB in Höhe von 61 € anzurechnen sei, so dass ein Zahlbetrag von 231 € verbleibe. Ab Mai 2003 sei der Unterhalt der dritten Altersstufe zu entnehmen. Der Zahlbetrag belaufe sich von da an auf (345 € abzüglich anteiliges Kindergeld von 58 €) 287 €. Dieselben Beträge seien aber auch dann zu entrichten, wenn der Beklagte nur in die Einkommensgruppe 2 (4 + 2 - 4) der Düsseldorfer Tabelle einzustufen wäre.
13
Das hält der rechtlichen Nachprüfung zwar nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis stand.
14
3. Mehrere gleichnahe Verwandte haften nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Unterhalt eines Berechtigten anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Nach Satz 2 der Bestimmung erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung. Der andere, nicht betreuende Elternteil hat den Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren (§ 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die gesetzliche Regelung geht mithin davon aus, dass ein Elternteil das Kind betreut und versorgt und der andere Elternteil die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen hat. Dabei bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 Abs. 1 BGB). Soweit dieser allerdings noch keine eigenständige Lebensstellung erlangt hat, wie dies bei unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kindern der Fall ist, leitet sich seine Lebensstellung von derjenigen der unterhaltspflichtigen Eltern ab. Wird das Kind von einem Elternteil versorgt und betreut und leistet der andere Teil Barunterhalt, so bestimmt sich die Lebensstellung des Kindes grundsätzlich nach den Einkommens - und Vermögensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils (Senatsurteil vom 6. Februar 2002 - XII ZR 20/00 - FamRZ 2002, 536, 537).
15
Das ist - in Fällen der vorliegenden Art - so lange nicht in Frage zu stellen , wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. So lange ist es gerechtfertigt, davon auszugehen, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil zum Barunterhalt - auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse - verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, sei es im Rahmen eines Aufenthalts des Kindes bei ihm entsprechend einem nach den weitgehend üblichen Maßstäben gestalteten Umgangsrecht (z.B. bei einem oder zwei Wochenendbesuchen im Monat), sei es aber auch im Rahmen eines Aufenthalts entsprechend einem großzügiger gehandhabten Umgangsrecht, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert. Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, wofür der zeitlichen Komponente der Betreuung indizielle Bedeutung zukommen wird, ohne dass die Beurteilung sich allein hierauf zu beschränken braucht, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht i.S. des § 1603 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt (ebenso Wendl/Scholz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 2 Rdn. 316 b).
16
Anders wird es allerdings zu beurteilen sein, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt. In solchen Fällen wird eine anteilige Barunterhaltspflicht der Eltern in Betracht kommen, weil sie auch für den Betreuungsunterhalt nur anteilig aufkommen (OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 74, 75 und NJW 2001, 3344, 3345; Wendl/Scholz aaO § 2 Rdn. 226 und 316 b; MünchKomm/Luthin aaO § 1606 Rdn. 34; Büttner NJW 1999, 2315, 2322 f.; Luthin/Schumacher Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 3174; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 148; Scholz/Stein/Erdrich Familienrecht Teil I Rdn. 155; Eschenbruch/Wohlgemuth Der Unterhaltsprozess 3. Aufl. Rdn. 3135; Gerhardt in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 5. Aufl. 6. Kap. Rdn. 154; Weinreich /Klein aaO § 1606 Rdn. 42; Hoppenz/Hülsmann Familiensachen 8. Aufl. § 1606 Rdn. 15; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Kap. V Rdn. 58; Erman/Hammermann aaO § 1606 Rdn. 11).
17
Ein solcherart von den Eltern praktiziertes Wechselmodell bleibt allerdings auch auf die Bedarfsbemessung nicht ohne Einfluss. Wenn beide Elternteile über Einkommen verfügen, ist der Unterhaltsbedarf des Kindes an den beiderseitigen - zusammengerechneten - Einkünften auszurichten. Hinzuzurechnen sind die Mehrkosten (z.B. Wohn- und Fahrtkosten), die dadurch entstehen , dass das Kind nicht nur in einer Wohnung, sondern in getrennten Haushalten versorgt wird. Für den so ermittelten Bedarf haben die Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und unter Berücksichtigung der erbrachten Naturalunterhaltsleistungen aufzukommen (vgl. zur Berechnung etwa OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 74 ff. und NJW 2001, 3344 ff.; Eschenbruch /Wohlgemuth aaO Rdn. 3135).
18
4. Im vorliegenden Fall übernimmt der Beklagte nach seinem für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Vorbringen ein Drittel der für den Kläger anfallenden Betreuung. Ob damit - über den zeitlichen Einsatz hinaus - bei ihm auch ein Drittel der insgesamt anfallenden Betreuungsleistungen liegt, wird daraus indessen nicht ersichtlich. Aber selbst wenn letzteres der Fall sein sollte, würde das nicht ausreichen, um von einer in etwa hälftigen Aufteilung der Versorgungs - und Erziehungsaufgaben auszugehen. Vielmehr läge auch dann das Schwergewicht der Betreuung eindeutig bei der Mutter. Damit praktizieren die Parteien aber keine Betreuung in einem Wechselmodell mit im Wesentlichen gleichen Anteilen. Mit Rücksicht darauf kommt die Mutter ihrer Unterhaltspflicht gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Betreuung des Kindes nach. Eine anteilige Barunterhaltspflicht ergibt sich für sie - entgegen der Auffassung der Revision - nicht.
19
5. Demgemäß hat das Berufungsgericht den Bedarf des Klägers zu Recht allein auf der Grundlage des Einkommens des Beklagten anhand der Düsseldorfer Tabelle ermittelt. Allerdings kann auch der auf diesem Weg bestimmte Bedarf eines unterhaltsberechtigten Kindes gemindert sein, wenn er zu einem Teil anderweitig gedeckt wird. Dies führt im Grundsatz zu einer entsprechenden Verringerung seines Unterhaltsanspruchs (§ 1602 Abs. 1 BGB). Wird mithin das Unterhaltsbedürfnis des Kindes, etwa durch Gewährung von Bekleidung und Verpflegung, unentgeltlich erfüllt, so kann das die Höhe des Barunterhaltsanspruchs verringern. Diese Folge kann auch dann eintreten, wenn es der barunterhaltspflichtige Elternteil selbst ist, der den Unterhalt des minderjährigen Kindes zu einem Teil in anderer Weise als durch die Zahlung einer Geldrente nach § 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB befriedigt (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Februar 1984 - IVb ZB 49/83 - FamRZ 1984, 470, 472).
20
Von einer teilweisen Bedarfsdeckung kann im vorliegenden Fall indessen ebenfalls nicht ausgegangen werden. Dass der Beklagte seinerseits den Wohnbedarf des Kindes in der Zeit, in der es sich bei ihm aufhält, bestreitet, mindert dessen - ohne Berücksichtigung dieser Mehrkosten ermittelten - Bedarf nicht. Denn in den Tabellensätzen sind nur die bei einem Elternteil anfallenden Wohnkosten enthalten. Von einer - unterhaltsrechtlich erheblichen - teilweisen Bedarfsdeckung durch die Verpflegung des Klägers seitens des Beklagten kann ebenso wenig ausgegangen werden. Da die im Rahmen üblicher Umgangskontakte von etwa fünf bis sechs Tagen monatlich gewährte Verpflegung nicht zu Erstattungsansprüchen des besuchten Elternteils führt, sondern dieser die üblichen Kosten, die ihm bei der Ausübung des Umgangsrechts entstehen, grundsätzlich selbst zu tragen hat (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2005 - XII ZR 56/02 - FamRZ 2005, 706, 707 f. m.w.N.), führt die Verpflegung während weiterer vier bis fünf Tage nicht zu nennenswerten Ersparnissen des anderen Elternteils (vgl. Wendl/Scholz aaO § 2 Rdn. 316 b ). Sonstige den Bedarf des Klägers teilweise deckenden konkreten Aufwendungen des Beklagten hat dieser nicht vorgetragen.
21
6. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass das Unterhaltsrecht dem Unterhaltspflichtigen nicht die Möglichkeit nehmen darf, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung auszuüben, und deshalb die damit verbundenen Kosten unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sind, wenn und soweit sie nicht anderweitig, insbesondere nicht aus dem anteiligen Kindergeld, bestritten werden können (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2005 aaO S. 708), ergibt sich im vorliegenden Fall keine Reduzierung des dem Kläger geschuldeten Unterhalts. Denn der Beklagte ist wirtschaftlich so gestellt, dass er aus dem ihm unter Berücksichtigung seines Selbstbehalts verbleibenden Einkommen neben dem Kindesunterhalt auch die durch den zeitweiligen Aufenthalt des Klägers bei ihm anfallenden Kosten bestreiten kann.
22
7. Die Unterhaltsberechnung des Berufungsgerichts ist nach alledem nicht zum Nachteil des Beklagten zu beanstanden, ohne dass es darauf ankommt , ob er in Gruppe 5 oder nur in Gruppe 2 der Düsseldorfer Tabelle einzustufen ist.
Hahne Sprick Weber-Monecke Fuchs Vézina

Vorinstanzen:
AG Schwäbisch Gmünd, Entscheidung vom 05.12.2002 - 7 F 600/02 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 15.05.2003 - 11 UF 292/02 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X I I Z B 5 9 9 / 1 3
Verkündet am:
in der Familiensache 5. November 2014
Küpferle
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die im Rahmen eines Wechselmodells von einem Elternteil geleistete Kinderbetreuung
kann nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht führen.

b) Im Fall des Wechselmodells haben beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen.
Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen
der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells
entstehenden Mehrkosten (vor allem Wohn- und Fahrtkosten).

c) Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine
Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung
und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei
kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung
zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein
hierauf zu beschränken braucht (im Anschluss an Senatsbeschluss vom
12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917).
BGH, Beschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 599/13 - OLG Bremen
AG Bremen-Blumenthal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling

für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 17. Mai 2013 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Die Antragstellerin macht als Trägerin der Unterhaltsvorschusskasse Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht gegen den Antragsgegner geltend.
2
Der Antragsgegner ist der Vater der minderjährigen Kinder F. (geb. im November 2004) und J. (geb. im November 2006). Seine Ehe mit der Mutter ist inzwischen geschieden. Die Antragstellerin erbringt für die Kinder seit Januar 2011 Unterhaltsvorschussleistungen.
3
Der 1968 geborene Antragsgegner ist Diplom-Ökonom und war in der Vergangenheit mit verschiedenen Unternehmen, unter anderem als Wirtschaftsberater und Versicherungsmakler, selbständig. Über das Vermögen mehrerer Unternehmen wurden von 2009 bis 2011 wie auch anschließend über das Privatvermögen des Antragsgegners Insolvenzverfahren eröffnet. Der Antragsgegner übte zuletzt eine Erwerbstätigkeit in einem Call-Center im Umfang von 30 Wochenstunden und mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.150 € aus. Zur Zeit ist er arbeitslos. Nach einer von den Eltern getroffenen Vereinbarung betreut der Antragsgegner die Kinder an sechs von 14 Tagen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen eines Wechselmodells erfüllt sind.
4
Die Antragstellerin hat für die Kinder beginnend ab Juli 2011 den Mindestunterhalt geltend gemacht, jeweils abzüglich des vollen Kindergelds, das die Mutter bezieht. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zum Unterhalt verpflichtet. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den monatlichen Unterhalt für die Zeit von Juli 2011 bis Oktober 2012 auf 97 € für F. und 72 € für J. festgesetzt, für November und Dezember 2012 auf je 85 € und für die Zeit ab Januar 2013 auf je 60 €.
5
Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner - zugelasse-nen - Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Abweisung der Unterhaltsanträge erstrebt.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
7
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Antragsgegner allerdings für den Mindestunterhalt der Kinder nicht hinreichend leistungsfähig. Die vom Antragsgegner erhobenen Einwände, er sei wegen des nach seinem Vortrag praktizierten Wechselmodells überhaupt nicht barunterhaltspflichtig und im Übrigen jedenfalls vollständig leistungsunfähig, seien aber nicht begründet.
8
Ein Wechselmodell liege nur bei einer (fast) hälftigen Teilung der Kindesbetreuung vor, während der zeitlichen Komponente nur indizielle Bedeutung dafür zukomme, ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trage. Für die restriktive Annahme eines Wechselmodells sprächen auch verfahrensökonomische Erwägungen. Die Annahme eines Wechselmodells habe nämlich zur Folge, dass kein Elternteil das Kind mehr im Sinn von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in Obhut habe und zur Geltendmachung des Kindesunterhalts ein Pfleger bestellt werden müsste. Auch der Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen sei dann nicht möglich, außerdem seien Schwierigkeiten bei der Bezugsberechtigung für das Kindergeld zu erwarten. Hinzu kämen Ungewissheiten und Unklarheiten bei der Berechnung des Kindesunterhalts, weil nun beide Eltern barunterhaltspflichtig seien, ein Mehrbedarf wegen des mit dem Wechselmodell verbundenen erhöhten Aufwands hinzugerechnet werden müsse und der Barunterhalt sich wegen der als Naturalleistung erbrachten Betreuung mindere. Die großzügige Annahme eines Wechselmodells könne zu einem Rückgang der Bereitschaft zur Einräumung weitreichender Umgangskontakte führen. Dagegen könne ein Mehraufwand, der dem Kindesvater aufgrund des erhöhten Betreuungsaufwands anfalle, auch bei enger Auslegung des Wechselmodellbegriffs berücksichtigt werden. Das ermögliche eine großzügigere unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Mehrkosten, welche allerdings konkret geltend zu machen seien.
9
Im vorliegenden Fall sei ein Wechselmodell nicht gegeben. Dabei sei nicht auf die vom Antragsgegner aufgestellte stunden- bzw. minutengenaue Berechnung der Betreuungsanteile abzustellen. Dadurch werde eine Exaktheit suggeriert, die mit der Lebenswirklichkeit wenig zu tun haben dürfte. Es sei auch nicht zu berücksichtigen, ob die Betreuung an Werktagen oder Feiertagen erfolge, weil anderenfalls eine Unterhaltsberechnung für die Zukunft nicht möglich sei. Die seit der Trennung praktizierte Kinderbetreuung an sechs von 14 Tagen bedeute einen Betreuungsanteil des Antragsgegners von 43%. Da somit der Anteil der Mutter 57% betrage, liege der Schwerpunkt der Betreuung weiterhin bei dieser.
10
Dem Antragsgegner sei ein fiktives Einkommen zuzurechnen, weil er seine erhöhte Erwerbsobliegenheit nicht erfüllt habe. Allerdings sei er auch aufgrund dessen nur zur Zahlung eines Teils des Mindestunterhalts in der Lage. In Anbetracht der zu berücksichtigenden Betreuungszeiten sei dem Antragsgegner neben der Tätigkeit im Umfang von 30 Wochenstunden entsprechend seiner früheren Tätigkeit im Call-Center eine zusätzliche Tätigkeit an Montag- und Dienstagvormittagen zumutbar, aus der er weitere 295 € und insgesamt mithin ein monatliches Nettoeinkommen von 1.173 € erzielen könne. Abzüglich der Kosten einer Monatskarte für öffentliche Verkehrsmittel belaufe sich das erzielbare bereinigte Einkommen auf 1.119 €. Mehrkosten des Antragsgegners wegen der von ihm übernommenen Kindesbetreuung seien davon nicht abzuziehen. Denn der Antragsgegner habe zu solchen Kosten trotz mehrerer Hinweise nichts vorgetragen und damit auch eine großzügige Schätzung eventueller Mehrkosten nicht ermöglicht.
11
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
12
Der Antragsgegner ist seinen Kindern zumindest im zugesprochenen Umfang nach § 1601 BGB zum Barunterhalt verpflichtet. Die Ansprüche der Kinder sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG kraft Gesetzes auf die Antragstellerin übergegangen.
13
a) Die Antragstellerin verfolgt lediglich den Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB, so dass der Unterhaltsbedarf der Kinder nach § 1610 BGB keine besondere Darlegung erfordert (vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 224). Die Unterhaltsbedürftigkeit der Kinder nach § 1602 BGB steht außer Streit.
14
Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts ist der Antragsgegner im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB unter Wahrung des hierfür von der Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte ausgewiesenen notwendigen Selbstbehalts (bis Dezember 2012: 950 €, ab Januar 2013: 1.000 €) im Umfang der zugesprochenen Beträge leistungsfähig. Dass das Oberlandesgericht trotz gesteigerter Unterhaltspflicht keine zusätzliche, über den Umfang einer vollschichtigen Tätigkeit hinausgehende Nebentätigkeit des Antragsgegners für erforderlich gehalten hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Januar 2014 - XII ZB 185/12 - FamRZ 2014, 637 Rn. 18 und vom 24. September 2014 - XII ZB 111/13 - juris Rn. 19, 23), nimmt auf die vom Antragsgegner geleistete Kinderbetreuung Rücksicht und ist - abgesehen davon, dass dies für den Antragsgegner günstig ist - aus Rechtsgründen daher nicht zu beanstanden.
15
b) Der Antragsgegner wird nach § 1606 Abs. 3 BGB jedenfalls von einem Unterhalt in der zugesprochenen Höhe nicht befreit.
16
aa) Eine Befreiung vom Barunterhalt nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ist nicht eingetreten. Das gilt unabhängig davon, ob die Eltern ein Wechselmodell praktizieren. Denn bei einem Wechselmodell wird kein Elternteil vom Barunterhalt für das Kind befreit.
17
Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes. Die gesetzliche Regelung betrifft den Fall des sogenannten Residenzmodells und der damit verbundenen herkömmlichen Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung. Sie stellt den kinderbetreuenden Elternteil in diesem Fall vom Barunterhalt frei. Entgegen der vom Antragsgegner in den Vorinstanzen vertretenen Auffassung kann hingegen die im Rahmen eines Wechselmodells geleistete Kinderbetreuung nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht führen. Dies muss schon deshalb gelten, weil anderenfalls beide Elternteile vom Barunterhalt befreit wären, obwohl nur der Betreuungsbedarf des Kindes gedeckt wäre. Demgegenüber bliebe der in § 1612 a Abs. 1 BGB und den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesene sächliche (Regel-)Bedarf offen.
18
Das Oberlandesgericht hat daher zu Recht hervorgehoben, dass im Fall des Wechselmodells beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen haben. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergeben-den - erhöhten - Bedarf insbesondere die Mehrkosten des Wechselmodells (vor allem Wohn- und Fahrtkosten), so dass der von den Eltern zu tragende Bedarf regelmäßig deutlich höher liegt als beim herkömmlichen Residenzmodell.
19
bb) Das Oberlandesgericht hat ein Wechselmodell zu Recht verneint und demzufolge auch eine Reduzierung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners wegen anteiliger Haftung der Mutter nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB abgelehnt.
20
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die auf dem Residenzmodell beruhende und § 1606 Abs. 3 BGB tragende gesetzliche Beurteilung solange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil - auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse - zum Barunterhalt verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert. Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 28; Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1017 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707 Rn. 16; aA Schürmann FamRZ 2014, 921; Sünderhauf NZFam 2014, 585).
21
Anders ist es nur zu beurteilen, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs - und Erziehungsaufgaben wahrnimmt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 29). Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken braucht (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 30 mwN).
22
Ergibt sich hingegen auch bei annähernd hälftiger Mitbetreuung ein deutliches Schwergewicht der Betreuungsverantwortung bei einem Elternteil, so ist von der regelmäßigen gesetzlichen Verteilung der Unterhaltsanteile nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB auszugehen. Der den anderen Elternteil infolge des erweiterten Umgangsrechts treffenden finanziellen Mehrbelastung kann dadurch Rechnung getragen werden, dass im Hinblick auf die von ihm getätigten Aufwendungen eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle erfolgt. Der Unterhalt kann zudem weitergehend gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 37 f.).
23
(2) Dass das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall ein Wechselmodell verneint hat, steht mit den aufgeführten Grundsätzen im Einklang.
24
Aufgrund der Betreuung der unterhaltsberechtigten Kinder durch den Antragsgegner an sechs von 14 Tagen hat das Oberlandesgericht übereinstimmend mit dem Amtsgericht den Schwerpunkt noch auf Seiten der Mutter gese- hen. Es hat dabei maßgeblich auf die entsprechende Vereinbarung der Eltern abgestellt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
25
Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, der Antragsgegner habe durch detaillierte Berechnung dargelegt, dass sein Betreuungsanteil nicht bei 43%, sondern bei 46,67% liege, vermag einen Verfahrensfehler nicht aufzuzeigen. Denn das Oberlandesgericht ist insoweit übereinstimmend mit dem Amtsgericht davon ausgegangen, dass die vom Antragsgegner vorgetragenen Zeiten auf vorübergehenden Abweichungen beruhten, die sich etwa aus beruflich stärkerer Belastung eines Elternteils ergaben, und eine Orientierung an der von den Eltern getroffenen Vereinbarung, die bewusst nicht auf genau hälftige Anteile ausgerichtet gewesen sei, nicht in Frage stellen. Das hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
26
(3) Im Übrigen dürfte auch ein unterstelltes Wechselmodell den Antragsgegner nicht weiter entlasten, als ihm infolge der Unterhaltskürzung wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit bereits zugutegekommen ist. Zwar hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Mutter getroffen. Es ist aber davon ausgegangen, dass auf Seiten des Antragsgegners die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB eingreift, was wiederum voraussetzt, dass die Mutter kein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BGB ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12 - FamRZ 2013, 1558 Rn. 26 mwN). Da der Antragsgegner aufgrund der angefochtenen Entscheidung für die Zeit bis Dezember 2012 nur rund ein Drittel und für die Folgezeit sogar unter einem Viertel des gesetzlichen Mindestunterhalts zu tragen hat, dürfte sich demnach aus einem - unterstellten - Wechselmodell kein geringerer Unterhaltsanteil des Antragsgegners ergeben.
27
c) Eine teilweise Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs hat das Oberlandesgericht zu Recht mangels konkreten Vorbringens des Antragsgegners verneint.
28
Durch die von ihm übernommene Kinderbetreuung konnte eine Teilerfüllung abweichend von der vom Oberlandesgericht insoweit zum Wechselmodell angestellten Überlegung von vornherein nicht eintreten, weil mit dem Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB lediglich der sächliche Bedarf geltend gemacht wird, der vom Betreuungsbedarf zu unterscheiden ist (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG sowie Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 19).
29
d) Das Oberlandesgericht ist schließlich zutreffend von einem gesetzlichen Übergang des Anspruchs auf die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 UVG ausgegangen. Dass der Unterhaltsanspruch wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit aufgrund fiktiven Einkommens bemessen worden ist, hindert den Anspruchsübergang nach der Rechtsprechung des Senats nicht (Senatsurteile vom 27. September 2000 - XII ZR 174/98 - FamRZ 2001, 619 und vom 14. März 2001 - XII ZR 57/99 - JAmt 2001, 241).
Dose Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Bremen-Blumenthal, Entscheidung vom 28.11.2012 - 76 F 343/12 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 17.05.2013 - 4 UF 9/13 -

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der auf der Insel F. lebende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die im streitigen Zeitraum überwiegend bei ihrer Mutter in B. lebte. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Von November 2005 bis April 2006 wurde die Tochter in der Zeit vom 18.12.2005 bis 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis 22.4.2006 (insgesamt 56 Tage, rund 31 % des Leistungszeitraums von 181 Tagen) von dem Kläger an seinem Wohnort betreut.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 790 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 445 Euro), zunächst ohne anteiliges Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006). Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 5 Euro monatlich für die Kosten der Warmwasserzubereitung anerkannt. Auf die Klagen von Vater (Kläger zu 1) und Tochter hat das SG den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2006 verurteilt, an den Kläger zu 1) für den Zeitraum 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich weitere 70,68 Euro (12 Tage a 5,89 Euro) zu zahlen" und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 4.2.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger seien zusätzliche Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in analoger Anwendung von § 21 SGB II zu zahlen. Die Höhe des Anspruchs hat das SG unter Berücksichtigung des Sozialgeldes für die Tochter nach teilweisem Abzug von Aufwendungen bei den Bedarfen der Bekleidung, der Gesundheitspflege sowie anderer Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung stehe dem Kläger nicht zu, weil ein solcher Ausgleich nur gerechtfertigt sei, wenn die zeitliche, materielle und ideelle Belastung des Erziehenden deutlich über diejenige hinausgehe, die auch bei zusammenlebenden Elternteilen anzutreffen sei. Ein solches Maß sei hier nicht erreicht.

4

Auf die Berufungen des Klägers, seiner Tochter sowie des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil abgeändert und den Tenor neu gefasst. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 verurteilt, der Tochter des Klägers für die Zeiten vom 18.12.2005 bis zum 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis zum 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis zum 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis zum 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis zum 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis zum 22.4.2006 Sozialgeld in Höhe von 6,90 Euro pro Tag zu zahlen. "Im Übrigen" hat es die Klage ebenso wie die "weitergehenden Berufungen der Kläger sowie des Beklagten" zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes oder der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bei der Berechnung des Sozialgeldes der Tochter für die Dauer ihrer zeitweisen Aufenthalte bei dem Kläger scheide aus. Derartige Abschläge widersprächen dem Gedanken der Pauschalierung des Regelbedarfs. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Vor dem Hintergrund des Monatsprinzips könne eine nachhaltige Entlastung des betreuenden Elternteils nur angenommen und eine Teilung dieses Mehrbedarfs erfolgen, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG liege die Anspruchsvoraussetzung einer "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II vor, wenn es an einer nachhaltigen Entlastung des hilfebedürftigen Elternteils während der Betreuungszeit fehle. Allerdings habe das BSG auch betont, dass die Wertung des Familienrechts, die gemeinsame elterliche Sorge zu fördern, zu berücksichtigen sei. Eine Aufteilung des Mehrbedarfs nach Betreuungsanteilen müsse daher auch möglich sein, wenn keine hälftige Aufteilung der elterlichen Pflege und Erziehung gegeben sei. Der Schutz des Art 6 GG für die Beziehung des Elternteils zum Kind in häuslicher Gemeinschaft gelte auch bei einem kürzeren Zusammenleben. Er sei zT "alleinerziehend in einem zeitlichen Umfang, der wöchentliche Phasen überschreite".

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 4. Februar 2009 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, an ihn für den Leistungszeitraum von November 2005 bis April 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in Höhe der Hälfte von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 62,10 Euro, hilfsweise in Höhe von 40 vH des Anteils von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 49,68 Euro, monatlich zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er bezieht sich auf die Entscheidung des LSG.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung liegen nicht vor.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG - nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als sie der Beklagte mit seinem Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4.2.2009 verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen)und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff)und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden. Zwar hat sich der Kläger für die von ihm beanspruchten höheren Leistungen allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehung bezogen; dies beinhaltet aber nur ein Begründungselement für sein Begehren auf höhere Leistungen, das er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 54 Abs 4 SGG).

11

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte er zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 S 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist zutreffend ein Betrag in Höhe von 345 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende iS des § 21 Abs 3 SGB II ist jedoch nicht zu berücksichtigen. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben(§ 21 Abs 3 Nr 1 Variante 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein über die Regelleistung hinausgehender Bestandteil des Alg II, der unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt wird, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insofern von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14). Diese sind hier jedoch nicht gegeben.

12

Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ist für die Frage, ob eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II vorliegt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Alleinerziehung im gesetzlichen Sinne ist nicht erst zu bejahen, wenn eine Person das Kind nach den tatsächlichen Gegebenheiten ausschließlich erzieht und pflegt. Vielmehr ist der Mehrbedarf bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 15). Darüber hinaus hat das BSG bereits entschieden, dass eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II ebenfalls vorliegen kann, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 ff = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der erkennende Senat hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war bereits in zeitlicher Hinsicht eine Konstellation der hälftigen Pflege und Erziehung im streitigen Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 nicht gegeben. Die Tochter des Klägers hat sich an 56 Tagen des Bewilligungszeitraums bei ihm aufgehalten. Sie wurde somit nicht - wie von der Revision vorgebracht - zu 40 % des Leistungszeitraumes, sondern zu rund 30 % des Leistungszeitraums vom Kläger betreut. Dabei betrug die längste zusammenhängende Betreuungszeit im Leistungszeitraum einmalig 21 Tage (im Zusammenhang mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel) und ging im Übrigen über 14 Tage (29.1. bis 11.2. und 9.4. bis 22.4.2006) nicht hinaus.

13

Entgegen der Ansicht der Revision können die vom Senat entwickelten Grundsätze zur hälftigen Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Pflege- und Erziehungsaufgaben praktiziert wird, übertragen werden. Übernimmt ein Elternteil in geringerem als annähernd hälftigem zeitlichen Umfang diese Betreuung des gemeinsamen Kindes, so steht die Mehrbedarfsleistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16, 22; vgl auch BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass zumindest ein anteiliger Mehrbedarf auch dann zu erbringen ist, wenn die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den umgangsberechtigten Leistungsempfänger - wie in dem hier streitigen Bewilligungszeitraum - weniger als hälftig, aber in längeren zeitlichen Abschnitten wahrgenommen wird. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 21 Abs 3 SGB II, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehende.

14

Mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende sollen - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II erfassten Bedarfslagen (bei werdenden Müttern, erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten) - typisierend besondere Bedarfe für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Dabei verknüpft der Gesetzgeber den Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen Familienkonstellation ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") und verbindet damit zugleich regelhaft die Annahme, dass das Schwergewicht der Betreuung und Erziehung nur bei einem Elternteil liegt. Bereits hieraus folgt, dass diese Mehrbedarfsleistung nicht zwischen einem "Hauptverantwortlichen" für die Pflege und Erziehung und dem anderen Elternteil mit einem geringeren Anteil an Pflege- und Erziehungsleistungen aufzuteilen ist. Eine gleichgewichtige Verteilung der Pflege und Erziehung, die ggf eine Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs rechtfertigen kann, ist nur bei einem sogenannten "Wechselmodell" anzunehmen. Ein solches liegt vor, wenn die Hauptverantwortung und das deutliche Schwergewicht der Betreuungsleistung nicht mehr bei einem Elternteil liegt, sondern die Eltern sich in der Betreuung des Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgabe wahrnimmt (BGH Urteil vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331 ff, 333 zur Betreuungs- und Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell). Dabei kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher Betreuungsphasen eine wesentliche Indizwirkung zu (so zum Familienrecht auch BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 ff).

15

Auch die Erbringung der Mehrbedarfsleistung in Form einer Pauschale spricht gegen die Aufteilung nach Betreuungsanteilen. Es ist wesentliches Merkmal des Mehrbedarfs für Alleinerziehende, dass der Gesetzgeber - pauschalierend für die "typische Situation" von Alleinerziehenden - besondere, die Sicherung des Existenzminimums betreffende Bedarfe in einer bestimmten Höhe bei diesen Haushalten annimmt. Insofern wird bei dieser Pauschalierung der Sache nach auch einbezogen, dass besondere Bedarfe von in Familienhaushalten lebenden Erwachsenen durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bemessung der Regelleistungen zugrunde liegt, bisher nicht erhoben werden konnten (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - NJW 2014, 3425 ff, 3430 zur künftig erforderlichen Prüfung des Gesetzgebers, ob der Gesamtbedarf in Familienhaushalten auch tatsächlich gedeckt ist; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 4 RBEG RdNr 3; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 26 ff). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungshöhe durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) Haushalte von Alleinerziehenden bei der Ermittlung der Regelbedarfe von Kindern ausgeklammert, weil diese Haushalte "im Vergleich zu Paaren ein vergleichsweise niedriges Einkommens- und Konsumniveau" hätten (BT-Drucks 17/3404 S 65; vgl auch Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik - Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 26.6.2013 - BT-Drucks 17/14282 S 32). Vor dem Hintergrund dieser auch wirtschaftlich begründeten pauschalierten Leistungsgewährung kommt - anders als bei den konkret ermittelten Regelbedarfen für Kinder - eine "Aufsplittung" des Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit des Kindes in dem Haushalt des jeweiligen Elternteils nicht in Betracht. Hiermit wäre ferner zugleich eine nur anteilige Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei dem die Hauptverantwortung für das Kind tragenden Elternteil verbunden. Diesem Elternteil verbleiben jedoch auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche Aufgaben, Belastungen und Kosten, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (vgl zum Gesichtspunkt der Kostentragung bei der Gestaltung einer hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung bereits Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 RdNr 16).

16

Dieses Ergebnis wird durch die Betrachtung der Gesetzesentwicklung bestätigt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Alleinerziehenden hat der Gesetzgeber die Regelung zum Mehrbedarf für Alleinerziehende inhaltlich unverändert vom BSHG in das SGB II übernommen und hierbei auf die bisherigen Regelungen im BSHG Bezug genommen (BT-Drucks 15/1514 S 60; BT-Drucks 15/1516 S 57). Die besonderen Lebensumstände sind schon unter Geltung des BSHG, wenn auch nur exemplarisch ("vor allem") darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege sowie zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 ). Auch im SGB II soll der besondere Aufwand von Alleinerziehenden für die Pflege und Erziehung der Kinder, etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, durch den Mehrbedarf ausgeglichen werden (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 8). Darüber hinaus war beabsichtigt, ebenfalls die Situation des Kindes in der besonderen Konstellation der Alleinerziehung zu verbessern. Denn dessen Lebensbedingungen werden entscheidend durch die finanzielle Situation des Elternteils, bei dem es hauptsächlich lebt, geprägt (vgl zur Aufteilung des Kindergeldes auf den barunterhaltspflichtigen und den betreuenden Elternteil sowie zur wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender auch BVerfG vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 ff, 80). Dies berücksichtigend ist die Leistungshöhe des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) im Zusammenhang mit den Neuregelungen zum Schutz des vorgeburtlichen Lebens deutlich erhöht worden, um zu gewährleisten, dass "sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höheres Haushaltseinkommen erhalten, das sie für die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder verwenden können" (BT-Drucks 12/2605, S 21).

17

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auch sozialpolitisch motivierte Zuordnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende an den oder die für die Pflege und Erziehung Hauptverantwortlichen bestehen nicht (vgl zu den Grenzen sozialpolitischer Gestaltungsfreiheit BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 16).

18

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X I I Z B 5 9 9 / 1 3
Verkündet am:
in der Familiensache 5. November 2014
Küpferle
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die im Rahmen eines Wechselmodells von einem Elternteil geleistete Kinderbetreuung
kann nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht führen.

b) Im Fall des Wechselmodells haben beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen.
Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen
der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells
entstehenden Mehrkosten (vor allem Wohn- und Fahrtkosten).

c) Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine
Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung
und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei
kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung
zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein
hierauf zu beschränken braucht (im Anschluss an Senatsbeschluss vom
12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917).
BGH, Beschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 599/13 - OLG Bremen
AG Bremen-Blumenthal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling

für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 17. Mai 2013 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Die Antragstellerin macht als Trägerin der Unterhaltsvorschusskasse Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht gegen den Antragsgegner geltend.
2
Der Antragsgegner ist der Vater der minderjährigen Kinder F. (geb. im November 2004) und J. (geb. im November 2006). Seine Ehe mit der Mutter ist inzwischen geschieden. Die Antragstellerin erbringt für die Kinder seit Januar 2011 Unterhaltsvorschussleistungen.
3
Der 1968 geborene Antragsgegner ist Diplom-Ökonom und war in der Vergangenheit mit verschiedenen Unternehmen, unter anderem als Wirtschaftsberater und Versicherungsmakler, selbständig. Über das Vermögen mehrerer Unternehmen wurden von 2009 bis 2011 wie auch anschließend über das Privatvermögen des Antragsgegners Insolvenzverfahren eröffnet. Der Antragsgegner übte zuletzt eine Erwerbstätigkeit in einem Call-Center im Umfang von 30 Wochenstunden und mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.150 € aus. Zur Zeit ist er arbeitslos. Nach einer von den Eltern getroffenen Vereinbarung betreut der Antragsgegner die Kinder an sechs von 14 Tagen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen eines Wechselmodells erfüllt sind.
4
Die Antragstellerin hat für die Kinder beginnend ab Juli 2011 den Mindestunterhalt geltend gemacht, jeweils abzüglich des vollen Kindergelds, das die Mutter bezieht. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zum Unterhalt verpflichtet. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den monatlichen Unterhalt für die Zeit von Juli 2011 bis Oktober 2012 auf 97 € für F. und 72 € für J. festgesetzt, für November und Dezember 2012 auf je 85 € und für die Zeit ab Januar 2013 auf je 60 €.
5
Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner - zugelasse-nen - Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Abweisung der Unterhaltsanträge erstrebt.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
7
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Antragsgegner allerdings für den Mindestunterhalt der Kinder nicht hinreichend leistungsfähig. Die vom Antragsgegner erhobenen Einwände, er sei wegen des nach seinem Vortrag praktizierten Wechselmodells überhaupt nicht barunterhaltspflichtig und im Übrigen jedenfalls vollständig leistungsunfähig, seien aber nicht begründet.
8
Ein Wechselmodell liege nur bei einer (fast) hälftigen Teilung der Kindesbetreuung vor, während der zeitlichen Komponente nur indizielle Bedeutung dafür zukomme, ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trage. Für die restriktive Annahme eines Wechselmodells sprächen auch verfahrensökonomische Erwägungen. Die Annahme eines Wechselmodells habe nämlich zur Folge, dass kein Elternteil das Kind mehr im Sinn von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in Obhut habe und zur Geltendmachung des Kindesunterhalts ein Pfleger bestellt werden müsste. Auch der Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen sei dann nicht möglich, außerdem seien Schwierigkeiten bei der Bezugsberechtigung für das Kindergeld zu erwarten. Hinzu kämen Ungewissheiten und Unklarheiten bei der Berechnung des Kindesunterhalts, weil nun beide Eltern barunterhaltspflichtig seien, ein Mehrbedarf wegen des mit dem Wechselmodell verbundenen erhöhten Aufwands hinzugerechnet werden müsse und der Barunterhalt sich wegen der als Naturalleistung erbrachten Betreuung mindere. Die großzügige Annahme eines Wechselmodells könne zu einem Rückgang der Bereitschaft zur Einräumung weitreichender Umgangskontakte führen. Dagegen könne ein Mehraufwand, der dem Kindesvater aufgrund des erhöhten Betreuungsaufwands anfalle, auch bei enger Auslegung des Wechselmodellbegriffs berücksichtigt werden. Das ermögliche eine großzügigere unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Mehrkosten, welche allerdings konkret geltend zu machen seien.
9
Im vorliegenden Fall sei ein Wechselmodell nicht gegeben. Dabei sei nicht auf die vom Antragsgegner aufgestellte stunden- bzw. minutengenaue Berechnung der Betreuungsanteile abzustellen. Dadurch werde eine Exaktheit suggeriert, die mit der Lebenswirklichkeit wenig zu tun haben dürfte. Es sei auch nicht zu berücksichtigen, ob die Betreuung an Werktagen oder Feiertagen erfolge, weil anderenfalls eine Unterhaltsberechnung für die Zukunft nicht möglich sei. Die seit der Trennung praktizierte Kinderbetreuung an sechs von 14 Tagen bedeute einen Betreuungsanteil des Antragsgegners von 43%. Da somit der Anteil der Mutter 57% betrage, liege der Schwerpunkt der Betreuung weiterhin bei dieser.
10
Dem Antragsgegner sei ein fiktives Einkommen zuzurechnen, weil er seine erhöhte Erwerbsobliegenheit nicht erfüllt habe. Allerdings sei er auch aufgrund dessen nur zur Zahlung eines Teils des Mindestunterhalts in der Lage. In Anbetracht der zu berücksichtigenden Betreuungszeiten sei dem Antragsgegner neben der Tätigkeit im Umfang von 30 Wochenstunden entsprechend seiner früheren Tätigkeit im Call-Center eine zusätzliche Tätigkeit an Montag- und Dienstagvormittagen zumutbar, aus der er weitere 295 € und insgesamt mithin ein monatliches Nettoeinkommen von 1.173 € erzielen könne. Abzüglich der Kosten einer Monatskarte für öffentliche Verkehrsmittel belaufe sich das erzielbare bereinigte Einkommen auf 1.119 €. Mehrkosten des Antragsgegners wegen der von ihm übernommenen Kindesbetreuung seien davon nicht abzuziehen. Denn der Antragsgegner habe zu solchen Kosten trotz mehrerer Hinweise nichts vorgetragen und damit auch eine großzügige Schätzung eventueller Mehrkosten nicht ermöglicht.
11
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
12
Der Antragsgegner ist seinen Kindern zumindest im zugesprochenen Umfang nach § 1601 BGB zum Barunterhalt verpflichtet. Die Ansprüche der Kinder sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG kraft Gesetzes auf die Antragstellerin übergegangen.
13
a) Die Antragstellerin verfolgt lediglich den Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB, so dass der Unterhaltsbedarf der Kinder nach § 1610 BGB keine besondere Darlegung erfordert (vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 224). Die Unterhaltsbedürftigkeit der Kinder nach § 1602 BGB steht außer Streit.
14
Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts ist der Antragsgegner im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB unter Wahrung des hierfür von der Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte ausgewiesenen notwendigen Selbstbehalts (bis Dezember 2012: 950 €, ab Januar 2013: 1.000 €) im Umfang der zugesprochenen Beträge leistungsfähig. Dass das Oberlandesgericht trotz gesteigerter Unterhaltspflicht keine zusätzliche, über den Umfang einer vollschichtigen Tätigkeit hinausgehende Nebentätigkeit des Antragsgegners für erforderlich gehalten hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Januar 2014 - XII ZB 185/12 - FamRZ 2014, 637 Rn. 18 und vom 24. September 2014 - XII ZB 111/13 - juris Rn. 19, 23), nimmt auf die vom Antragsgegner geleistete Kinderbetreuung Rücksicht und ist - abgesehen davon, dass dies für den Antragsgegner günstig ist - aus Rechtsgründen daher nicht zu beanstanden.
15
b) Der Antragsgegner wird nach § 1606 Abs. 3 BGB jedenfalls von einem Unterhalt in der zugesprochenen Höhe nicht befreit.
16
aa) Eine Befreiung vom Barunterhalt nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ist nicht eingetreten. Das gilt unabhängig davon, ob die Eltern ein Wechselmodell praktizieren. Denn bei einem Wechselmodell wird kein Elternteil vom Barunterhalt für das Kind befreit.
17
Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes. Die gesetzliche Regelung betrifft den Fall des sogenannten Residenzmodells und der damit verbundenen herkömmlichen Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung. Sie stellt den kinderbetreuenden Elternteil in diesem Fall vom Barunterhalt frei. Entgegen der vom Antragsgegner in den Vorinstanzen vertretenen Auffassung kann hingegen die im Rahmen eines Wechselmodells geleistete Kinderbetreuung nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht führen. Dies muss schon deshalb gelten, weil anderenfalls beide Elternteile vom Barunterhalt befreit wären, obwohl nur der Betreuungsbedarf des Kindes gedeckt wäre. Demgegenüber bliebe der in § 1612 a Abs. 1 BGB und den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesene sächliche (Regel-)Bedarf offen.
18
Das Oberlandesgericht hat daher zu Recht hervorgehoben, dass im Fall des Wechselmodells beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen haben. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergeben-den - erhöhten - Bedarf insbesondere die Mehrkosten des Wechselmodells (vor allem Wohn- und Fahrtkosten), so dass der von den Eltern zu tragende Bedarf regelmäßig deutlich höher liegt als beim herkömmlichen Residenzmodell.
19
bb) Das Oberlandesgericht hat ein Wechselmodell zu Recht verneint und demzufolge auch eine Reduzierung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners wegen anteiliger Haftung der Mutter nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB abgelehnt.
20
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die auf dem Residenzmodell beruhende und § 1606 Abs. 3 BGB tragende gesetzliche Beurteilung solange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil - auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse - zum Barunterhalt verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert. Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 28; Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1017 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707 Rn. 16; aA Schürmann FamRZ 2014, 921; Sünderhauf NZFam 2014, 585).
21
Anders ist es nur zu beurteilen, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs - und Erziehungsaufgaben wahrnimmt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 29). Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken braucht (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 30 mwN).
22
Ergibt sich hingegen auch bei annähernd hälftiger Mitbetreuung ein deutliches Schwergewicht der Betreuungsverantwortung bei einem Elternteil, so ist von der regelmäßigen gesetzlichen Verteilung der Unterhaltsanteile nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB auszugehen. Der den anderen Elternteil infolge des erweiterten Umgangsrechts treffenden finanziellen Mehrbelastung kann dadurch Rechnung getragen werden, dass im Hinblick auf die von ihm getätigten Aufwendungen eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle erfolgt. Der Unterhalt kann zudem weitergehend gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 37 f.).
23
(2) Dass das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall ein Wechselmodell verneint hat, steht mit den aufgeführten Grundsätzen im Einklang.
24
Aufgrund der Betreuung der unterhaltsberechtigten Kinder durch den Antragsgegner an sechs von 14 Tagen hat das Oberlandesgericht übereinstimmend mit dem Amtsgericht den Schwerpunkt noch auf Seiten der Mutter gese- hen. Es hat dabei maßgeblich auf die entsprechende Vereinbarung der Eltern abgestellt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
25
Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, der Antragsgegner habe durch detaillierte Berechnung dargelegt, dass sein Betreuungsanteil nicht bei 43%, sondern bei 46,67% liege, vermag einen Verfahrensfehler nicht aufzuzeigen. Denn das Oberlandesgericht ist insoweit übereinstimmend mit dem Amtsgericht davon ausgegangen, dass die vom Antragsgegner vorgetragenen Zeiten auf vorübergehenden Abweichungen beruhten, die sich etwa aus beruflich stärkerer Belastung eines Elternteils ergaben, und eine Orientierung an der von den Eltern getroffenen Vereinbarung, die bewusst nicht auf genau hälftige Anteile ausgerichtet gewesen sei, nicht in Frage stellen. Das hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
26
(3) Im Übrigen dürfte auch ein unterstelltes Wechselmodell den Antragsgegner nicht weiter entlasten, als ihm infolge der Unterhaltskürzung wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit bereits zugutegekommen ist. Zwar hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Mutter getroffen. Es ist aber davon ausgegangen, dass auf Seiten des Antragsgegners die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB eingreift, was wiederum voraussetzt, dass die Mutter kein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BGB ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12 - FamRZ 2013, 1558 Rn. 26 mwN). Da der Antragsgegner aufgrund der angefochtenen Entscheidung für die Zeit bis Dezember 2012 nur rund ein Drittel und für die Folgezeit sogar unter einem Viertel des gesetzlichen Mindestunterhalts zu tragen hat, dürfte sich demnach aus einem - unterstellten - Wechselmodell kein geringerer Unterhaltsanteil des Antragsgegners ergeben.
27
c) Eine teilweise Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs hat das Oberlandesgericht zu Recht mangels konkreten Vorbringens des Antragsgegners verneint.
28
Durch die von ihm übernommene Kinderbetreuung konnte eine Teilerfüllung abweichend von der vom Oberlandesgericht insoweit zum Wechselmodell angestellten Überlegung von vornherein nicht eintreten, weil mit dem Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB lediglich der sächliche Bedarf geltend gemacht wird, der vom Betreuungsbedarf zu unterscheiden ist (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG sowie Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 19).
29
d) Das Oberlandesgericht ist schließlich zutreffend von einem gesetzlichen Übergang des Anspruchs auf die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 UVG ausgegangen. Dass der Unterhaltsanspruch wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit aufgrund fiktiven Einkommens bemessen worden ist, hindert den Anspruchsübergang nach der Rechtsprechung des Senats nicht (Senatsurteile vom 27. September 2000 - XII ZR 174/98 - FamRZ 2001, 619 und vom 14. März 2001 - XII ZR 57/99 - JAmt 2001, 241).
Dose Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Bremen-Blumenthal, Entscheidung vom 28.11.2012 - 76 F 343/12 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 17.05.2013 - 4 UF 9/13 -

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe der für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 vom Beklagten zu leistenden Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

2

Der 1971 geborene, alleinstehende Kläger bezieht vom Beklagten seit 1.1.2005 mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld II (Alg II). Vom 1.8.2005 bis zu seinem Umzug am 15.1.2007 bewohnte er in K. eine 32,35 m² große Wohnung, für die er eine monatliche Bruttokaltmiete von 190 Euro (Nettokaltmiete 149 Euro und kalte Betriebskosten 41 Euro) und ab Oktober 2006 eine monatliche Heizkostenvorauszahlung von 17 Euro zahlte. Der Beklagte bewilligte dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 203,94 Euro für Dezember 2006 und in Höhe von 209,11 Euro inklusive einer Nebenkostennachforderung in Höhe von 5,17 Euro für Januar 2007.

3

Einen vom Kläger am 11.9.2006 gestellten Antrag auf Zusicherung künftiger Unterkunftsaufwendungen vor einem Umzug innerhalb von K. in eine teurere Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 49 m² lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 25.9.2006, Widerspruchsbescheid vom 24.11.2006). Die hiergegen vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhobene Klage (S 7 AS 61/07) blieb ohne Erfolg, da der Umzug in eine größere Wohnung nicht erforderlich gewesen sei (Urteil vom 8.9.2009).

4

Am 2.1.2007 hatte der Kläger den Mietvertrag über die größere Wohnung in K. geschlossen, für die er ab Einzug am 15.1.2007 die geschuldete monatliche Bruttowarmmiete von 342,55 Euro zahlte. Für den Zeitraum vom 1.2.2007 bis 31.7.2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung nur in Höhe der vorherigen Unterkunftsaufwendungen von monatlich 209,11 Euro (bestandskräftiger Bescheid vom 18.1.2007). Diese Bewilligung hob er für die Zeit vom 1.6.2007 bis 31.7.2007 wegen der Erzielung von Erwerbseinkommen ganz auf und forderte vom Kläger die Erstattung der Leistungen (bestandskräftiger Bescheid vom 21.11.2007). Der Kläger hatte am 11.4.2007 mit der N einen Arbeitsvertrag für Saisonarbeit in Dänemark geschlossen, befristet bis 31.12.2007. Er übte die Beschäftigung vom 11.4.2007 bis 14.10.2007 aus, weil das Beschäftigungsverhältnis vorzeitig beendet wurde.

5

Auf den am 11.10.2007 gestellten neuen Alg II-Antrag des Klägers, der weiterhin in der von ihm zuletzt angemieteten Wohnung in K. wohnte, bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 Alg II in Höhe von monatlich 556,11 Euro, bestehend aus der Regelleistung in Höhe von 347 Euro und Kosten für Unterkunft und Heizung erneut nur in Höhe von 209,11 Euro (Bescheid vom 13.11.2007). Der hiergegen mit dem Begehren auf Zahlung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008).

6

Das SG hat den Beklagten im anschließenden Klageverfahren verurteilt, dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 336,29 Euro zu gewähren (Urteil vom 8.9.2009). Der Kläger habe einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen und angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung von 342,55 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale von 6,26 Euro. Die Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II finde entgegen der Auffassung des Beklagten keine Anwendung, da sie nur bei Umzügen während eines ununterbrochenen Leistungsbezuges gelte, nicht aber nach zeitweiliger Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des Leistungsbezugs. Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) ist erfolglos geblieben (Urteil vom 28.2.2013). Die zu übernehmenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung seien im streitigen Bewilligungsabschnitt trotz Eingreifens der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II im früheren Bewilligungsabschnitt nicht der Höhe nach begrenzt, da die Vorschrift nicht nach unterbrochenem Leistungsbezug fortwirkend anwendbar sei. Wer nicht oder nicht mehr im Leistungsbezug stehe, sei auch nicht den Regelungen des SGB II unterworfen. Allerdings sei nicht jede Unterbrechung des Leistungsbezugs ausreichend, sondern die Überwindung der Hilfebedürftigkeit aus eigener Kraft, dh durch eigenes Einkommen und nicht durch Rückgriff auf Schonvermögen oder nicht nachhaltige Zuwendungen Dritter, für mindestens einen Monat erforderlich. Da der Kläger fünf Monate wegen eigenen Einkommens und fehlender Hilfebedürftigkeit nicht im Leistungsbezug gestanden habe, sei § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nach seinem neuen Alg II-Antrag nicht mehr anzuwenden.

7

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II geltend. Die Voraussetzungen der Norm seien erfüllt, da der Kläger zur Zeit des Mietvertragsabschlusses und Umzugs im Leistungsbezug gestanden habe und der Umzug nicht erforderlich gewesen sei. Die vorübergehende Unterbrechung des Leistungsbezugs infolge der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit stehe der Anwendbarkeit der Norm nicht entgegen, jedenfalls dann nicht, wenn die Unterbrechung nicht mindestens sechs Monate gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2013 und das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. September 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

10

Er nimmt auf die Entscheidungen des SG und des LSG Bezug.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, denn der Kläger hat Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die im streitigen Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 bewohnte Wohnung in Höhe von monatlich 342,55 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale von 6,26 Euro.

12

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die vom Beklagten begehrte Aufhebung der Urteile des LSG und des SG, mithin seine Verpflichtung, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 13.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 127,18 Euro zu zahlen. Der Betrag ergibt sich aus der Differenz der vom Kläger tatsächlich aufgewendeten Kosten für Unterkunft und Heizung für die von ihm im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung abzüglich der Warmwasserpauschale in Höhe von 336,29 Euro und der vom Beklagten bewilligten 209,11 Euro. Die Beschränkung des Streitgegenstandes allein auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung war nach der alten, bis 31.12.2010 geltenden und hier anzuwendenden Rechtslage zulässig (vgl nur Bundessozialgericht vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18). Offen bleiben kann, ob auch unter der Neufassung (nF) der §§ 19 bis 22 SGB II zum 1.1.2011 durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) eine entsprechende Beschränkung des Streitgegenstandes weiterhin prozessual zulässig ist.

13

Der Zeitraum ab Antragstellung des Klägers am 11.10.2007 bis 31.10.2007 ist nicht Streitgegenstand, da hierüber vom Beklagten mit bestandskräftigem Versagungsbescheid vom 12.11.2007 entschieden worden ist.

14

2. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung sind § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II in der für die streitige Zeit geltenden Fassung, denn in Rechtsstreitigkeiten über in der Vergangenheit liegende Zeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

15

Der Kläger stellte am 11.10.2007 den erforderlichen Antrag auf Alg II, welches die Kosten für Unterkunft und Heizung umfasst (§ 37, § 19 SGB II). Zudem erfüllte er im streitigen Zeitraum nach den von den Beteiligten nicht gerügten und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz) die Voraussetzungen hinsichtlich des Lebensalters, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II. Er war auch hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II. Anhaltspunkte für das Eingreifen eines Ausschlusstatbestands (§ 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 und 5 SGB II) sind nicht ersichtlich.

16

Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II hat der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe seiner tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Eine Begrenzung der vom Beklagten zu zahlenden Kosten für Unterkunft und Heizung auf die geringeren bewilligten Kosten der zuvor vom Kläger bewohnten Wohnung folgt vorliegend nicht aus § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II(dazu unter 3.). Auch eine Kostensenkung nach § 22 Abs 1 Satz 1 iVm § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II kommt hier nicht in Betracht(dazu unter 4.).

17

3. § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2010 geltenden Fassung (aF), eingeführt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706), lautete: "Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht."

18

Auf diese Vorschrift kann sich der Beklagte vorliegend nicht stützen, weil sie bei Eintritt eines neuen Leistungsfalls keine fortwirkende Anwendung findet (vgl auch Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 78; Pletscher in Adolph/Linhart, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 22 SGB II RdNr 79, 84. EL Stand 11/2013; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 243, Stand 10/2012). Eine neuer Leistungsfall liegt hier vor, weil der Kläger zu Beginn des streitigen Bewilligungsabschnitts seine frühere Hilfebedürftigkeit durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens für mindestens einen Kalendermonat überwunden hatte und aus dem Leistungsbezug ausgeschieden war. Bei dem mit Eintritt seiner erneuten Hilfebedürftigkeit vorliegenden neuen Leistungsfall ist für die zu übernehmenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung allein § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zugrunde zu legen. Die Voraussetzungen für die fortgesetzte Begrenzung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II liegen im streitigen Zeitraum trotz Eingreifens der Regelung im früheren Bewilligungsabschnitt(zu deren Voraussetzungen vgl BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52; Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35) nicht vor.

19

a) Die Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II wird durch eine mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs von mindestens einem Kalendermonat verbundene Überwindung der Hilfebedürftigkeit jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens begrenzt. Bei Eintritt eines neuen Leistungsfalles findet die Vorschrift keine Anwendung. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II, seinem Sinn und Zweck, einer vergleichenden Betrachtung mit § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II und unter Berücksichtigung von Wertungsgesichtspunkten sowie des Grundsatzes der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns.

20

Bereits dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "weiterhin" ist es immanent, dass unmittelbar vor Eingreifen der Norm ein ununterbrochener Leistungsbezug bestanden haben muss. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber dieses Tatbestandsmerkmal nicht in den seit 1.1.2011 geltenden § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nF übernommen hat, folgt keine andere Auslegung der hier anzuwendenden alten Fassung. Denn zum einen können hieraus keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (so bereits zur fehlenden Regelung des Verteilzeitraums vor dem 1.4.2011: BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 62 RdNr 23; BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Zum anderen ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass trotz der Wortlautänderung § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nF dem bisherigen Recht entspricht(BT-Drucks 17/3404, S 98).

21

Auch aus dem Sinn und Zweck des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II ergibt sich, dass diese Vorschrift nach einer mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs verbundenen Überwindung der Hilfebedürftigkeit bei Eintritt eines neuen Leistungsfalles nicht fortwirkt. Mit der nur nach erforderlichen Umzügen vorgesehenen Übernahme höherer, noch abstrakt angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung soll eine missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme durch Ausschöpfung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen verhindert und den Kommunen im Hinblick auf die Kostensteigerungen bei Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II eine Steuerungsfunktion belassen werden(BT-Drucks 16/1410 S 23, zur ratio legis vgl auch ausführlich BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35, RdNr 21). Beide Ziele sind aber nur während des Leistungsbezugs und gerade nicht mehr ab dem mit der Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat verbundenen Ende des Leistungsbezugs zu erreichen, da ab diesem Zeitpunkt die Vorschriften des SGB II für die nicht mehr hilfebedürftige Person nicht mehr gelten und die Leistungsträger keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr haben.

22

Erst durch einen neuen Alg II-Antrag begibt sich die betroffene Person neu - wie die erstmalig hilfebedürftige Person - in das System des SGB II und auch nur bei Hilfebedürftigkeit und Leistungsbezug unterliegt sie erneut dessen Regeln (vgl BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 19). Dem Umstand, dass ein Mietvertrag über eine teurere angemessene Wohnung noch während des früheren Leistungsbezugs und damit zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden war, als die hilfebedürftige Person nicht in der Lage war, die höheren Mietzahlungen für die neue Wohnung selbst zu leisten, wird durch die bis zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des früheren Leistungsbezugs eingreifende Kostenbegrenzung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II hinreichend Rechnung getragen.

23

Dieses Ergebnis wird auch durch eine vergleichende Betrachtung mit § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II aF bzw § 22 Abs 4 Satz 1 SGB II nF und den sich daraus ergebenden Wertungsgesichtspunkten bestätigt. Wie der 4. Senat des BSG bereits in früheren Entscheidungen betont hat, knüpft die Obliegenheit zur Einholung einer Zusicherung vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft nach § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II aF bzw § 22 Abs 4 Satz 1 SGB II nF und die damit verbundene Möglichkeit einer Kostenbegrenzung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II an den Status als erwerbsfähige hilfebedürftige/leistungsberechtigte Person an(vgl BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 19). Die Vorschriften gelten auch bei Vorliegen eines früheren Leistungsbezugs nicht über dessen Beendigung hinaus, wenn die hilfebedürftige Person nach Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des Leistungsbezugs, aber vor dem Eintritt neuer Hilfebedürftigkeit eine neue Wohnung angemietet hat und in diese eingezogen ist, selbst wenn die neue Hilfebedürftigkeit zur Zeit des Vertragsabschlusses bereits absehbar war (BSG aaO). Die vorliegende Fallkonstellation rechtfertigt keine andere Behandlung einer ebenfalls erneut hilfebedürftig gewordenen Person.

24

Auch der dem gesamten Leistungssystem des SGB II immanente, in § 1 Abs 1 Satz 1 SGB II aF bzw § 1 Abs 2 Satz 1 SGB II nF sowie in § 2 SGB II normierte Grundsatz der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns spricht für die hier vorgenommene Auslegung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II. Die Eigenverantwortung leistungsberechtigter Personen soll insbesondere dadurch gestärkt werden, dass sie dazu beitragen, ihren Lebensunterhalt durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft und damit unabhängig von der Grundsicherung zu bestreiten (vgl Kador in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 2 RdNr 5; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 1 RdNr 27, Stand 2/2012). Hierdurch soll wiederum dem nur temporären Charakter der Leistungsgewährung nach dem SGB II Rechnung getragen werden, mit der Folge, dass die Verantwortung des Jobcenters - und damit auch seine Berechtigung zur Kostenbegrenzung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II - endet, sobald der Leistungsberechtigte aus dem Leistungssystem ausscheidet, selbst dann, wenn das Ende des Leistungsbezugs nur vorübergehend ist und damit letztlich "nur" zu einer Unterbrechung führt. Durch den bei einem neuen Leistungsfall mit einer erneuten Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II verbundenen nochmaligen "Vorwurf", eine teurere Wohnung angemietet zu haben, würden der Grundsatz der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns sowie die vom Gesetzgeber als unterstützenswert erachteten Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit(§ 1 Abs 2 Nr 2 SGB II aF/§ 1 Abs 3 Nr 2 SGB II nF, §§ 15 ff SGB II) konterkariert.

25

Wie auch der Senat bereits in einer früheren Entscheidung ausgeführt hat, gilt die Kostenbegrenzung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nur, solange nicht Veränderungen in den persönlichen Umständen der betroffenen Person eintreten, die eine Neubestimmung der für sie angemessenen Wohnkosten innerhalb der allgemeinen Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gerechtfertigt erscheinen lassen(Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52 RdNr 13). Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns ist die Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens eine solche Veränderung in den persönlichen Umständen (vgl auch zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit im Zusammenhang mit der Bemessung des sog Verteilzeitraums bei einmaligen Einnahmen: BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 62 RdNr 64; Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 31).

26

b) In zeitlicher Hinsicht ist als Zäsur für die Begrenzung einer fortgesetzten Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II die vorherige Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Unterbrechung des Leistungsbezugs für mindestens einen Kalendermonat erforderlich, aber auch ausreichend(so bereits BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40, RdNr 22; vgl im Übrigen auch Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 78; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 243, Stand 10/2012). Nach Ablauf eines Kalendermonats liegt bei erneuter Hilfebedürftigkeit ein neuer Leistungsfall vor. Die bloße Abmeldung aus dem Leistungsbezug trotz tatsächlich fortbestehender Hilfebedürftigkeit genügt dagegen nicht, um eine Zäsur mit Blick auf die fortgesetzte Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II zu erreichen.

27

Diese Anknüpfung an mindestens einen Kalendermonat für das Vorliegen eines neuen Leistungsfalls folgt aus dem im SGB II geltenden und in der Rechtsprechung des BSG bereits mehrfach betonten Monatsprinzip (vgl BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 53/12 R -, RdNr 26; BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 21 mwN; BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 28; BSG Beschluss vom 23.11.2006 - B 11b AS 17/06 B - SozR 4-4225 § 2 Nr 1 RdNr 14 f; zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen im Zusammenhang mit der Festlegung des sog Verteilzeitraums bei Zufluss einmaliger Einnahmen vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 31). Der Alg II-Anspruch ist auf eine kalendermonatsweise Betrachtung angelegt, wie bereits die in § 41 Abs 1 SGB II normierte Festlegung der Berechnungs- und Leistungsabschnitte auf einen Kalendermonat zeigt. Zudem wird der Regelbedarf (zuvor: Regelleistung) nach § 20 SGB II als Leistung je Kalendermonat ausgewiesen und die Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung iS von § 22 SGB II hat monatsweise zu erfolgen. Die Alg II-Verordnung aF (§ 2) bzw § 11 Abs 2 und 3 SGB II nF stellen hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen auf den Zufluss von Einnahmen innerhalb eines Kalendermonats ab und § 30 SGB II aF bzw § 11b Abs 3 SGB II sehen einen vom monatlichen Erwerbseinkommen abzusetzenden Freibetrag vor. Auch § 23 Abs 4 SGB II aF bzw § 24 Abs 4 SGB II nF, wonach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen, knüpfen an eine kalendermonatsweise Betrachtungsweise an. Nicht zuletzt kommt in § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II nF, wonach der Alg II-Antrag auf den Ersten des Monats zurückwirkt, zum Ausdruck, dass das Gesetz für den Alg II-Anspruch an den Kalendermonat anknüpft.

28

An dieses Monatsprinzip des SGB II ist in zeitlicher Hinsicht auch für die Zäsur bei der Begrenzung der Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II anzuknüpfen. Hierdurch wird insbesondere dem Grundsatz des Forderns und Förderns Rechnung getragen, indem für die betroffenen Personen Anreize geschaffen werden, ihre Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Einkommen zu überwinden, um bei deren tatsächlicher Realisierung, sei es auch nur für einen Kalendermonat, von dem Vorteil der Beendigung der Wirkungsdauer des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II profitieren zu können.

29

Dieser Rückgriff auf das Monatsprinzip steht überdies mit der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG im Einklang, wonach bei zu erbringenden Monatsleistungen wie nach dem SGB II, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz das Entfallen der Hilfebedürftigkeit für einen Monat genügt, um eine Zäsur für nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch nachträglich nicht zu erbringende Leistungen zu bewirken(vgl Urteil vom 26.6.2013 - B 7 AY 3/12 R - juris RdNr 13; Urteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R - SozR 4-3520 § 3 Nr 3 RdNr 14).

30

Für die vom Beklagten unter Bezugnahme auf einen Beschluss des LSG Sachsen (20.10.2008 - L 3 B 530/08 AS-ER) geforderte Unterbrechung des Leistungsbezugs von "wesentlich mehr als sechs Monaten" und auch für das Erfordernis eines zeitlichen Moments von sechs Monaten fehlt es dagegen an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Zwar sieht § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II als Regelbewilligungszeitraum sechs Monate vor. Dennoch liegt § 41 Abs 1 SGB II - wie gezeigt - insgesamt eine kalendermonatsweise Betrachtung der Berechnung und Erbringung der Leistungen nach dem SGB II zugrunde. Der sechsmonatige Bewilligungszeitraum folgt dagegen aus Gründen der Verwaltungsökonomie, weil eine monatsweise Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen und Bescheidung nicht mit vertretbarem Aufwand zu realisieren wäre (vgl BT-Drucks 15/1516, S 63).

31

c) Anhaltspunkte dafür, dass § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II hier aus anderen Gründen fortwirken könnte, bietet der vorliegende Fall nicht, in dem der Kläger seine Hilfebedürftigkeit durch Erzielung bedarfsdeckenden Erwerbseinkommens für mehr als einen Kalendermonat überwunden hatte und für fünf Monate aus dem Leistungsbezug ausgeschieden war, bevor er erneut hilfebedürftig wurde. Seinem erneuten Leistungsantrag liegt ein neuer Leistungsfall zugrunde.

32

4. Da § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II im hier streitigen Zeitraum nicht anwendbar ist, sind nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind.

33

Eine hier allein noch denkbare Absenkung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II scheidet aus, da es bereits an einer hierfür erforderlichen Kostensenkungsaufforderung des Beklagten fehlt. Die vom Kläger beantragte Zusicherung war allein aufgrund der fehlenden Erforderlichkeit des Umzugs aus der zuvor bewohnten in die neue Wohnung abgelehnt worden.

34

Von der festgestellten Bruttowarmmiete von monatlich 342,55 Euro war - wie vom SG im Ergebnis vorgenommen - lediglich ein Betrag in Höhe von monatlich 6,26 Euro als Warmwasserpauschale abzuziehen, da eine entsprechende Berücksichtigung bereits durch die Regelleistung in Höhe von 347 Euro erfolgte (vgl hierzu BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 28 bis 30; Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331, 335). Auf die für den streitigen Zeitraum fehlenden hinreichenden Feststellungen des LSG zu den nach Bruttokaltmiete und Heizkosten aufgeschlüsselten tatsächlichen Aufwendungen des Klägers (zur getrennten Angemessenheitsprüfung von Unterkunfts- und Heizkosten vgl zuletzt BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21)und zur Angemessenheit der Unterkunftskosten kommt es nicht an.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. April 2013 geändert und der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 19. Juni 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30. Juli 2012 und 14. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2012 verurteilt, dem Kläger für Juli 2012 weitere 67,87 Euro und für August bis November 2012 monatlich jeweils weitere 192,54 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes II (Alg II) für den Zeitraum vom 13.6.2012 bis 30.11.2012 unter Berücksichtigung von Überbrückungsgeld nach dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG).

2

Der 1962 geborene, alleinstehende Kläger wurde am 12.6.2012 aus der Strafhaft entlassen. Am Entlassungstag erhielt er ein Überbrückungsgeld in Höhe von 1335,22 Euro in bar ausgezahlt. Am 14.6.2012 beantragte der Kläger beim beklagten Jobcenter die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Hierauf bewilligte ihm der Beklagte durch (vorläufigen) Bescheid vom 19.6.2012 Alg II (nur Regelbedarfe) für den Zeitraum vom 12. bis 30.6.2012 in Höhe von 33,33 Euro und für den Zeitraum vom 1.7.2012 bis 30.11.2012 in Höhe von monatlich 181,46 Euro. Dabei berücksichtigte er das Überbrückungsgeld in voller Höhe als einmalige Einnahme, verteilte diese auf einen Zeitraum von sechs Monaten in Höhe von 222,54 Euro monatlich und setzte hiervon im Juni 2012 eine anteilige Versicherungspauschale in Höhe von 19 Euro und in den Monaten Juli bis November 2012 in Höhe von jeweils 30 Euro ab.

3

Der Kläger legte Widerspruch ein und teilte mit, dass er Ende Juli 2012 eine Wohnung beziehe, für die ab 1.8.2012 Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 180 Euro monatlich entstünden. Hierauf bewilligte ihm der Beklagte durch Änderungsbescheid vom 30.7.2012 für den Zeitraum vom 1.8.2012 bis 30.11.2012 Alg II in Höhe von monatlich 361,46 Euro (181,46 Euro Regelbedarf und 180 Euro Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Durch einen weiteren Änderungsbescheid vom 14.8.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 12. bis 30.6.2012 Alg II in Höhe von 44,33 Euro (Erhöhung des Regelbedarfs um 11 Euro aufgrund der nunmehr vollen Absetzung der Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro im Juni 2012) und wies durch Widerspruchsbescheid vom 22.8.2012 den Widerspruch als unbegründet zurück.

4

Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobene Klage auf höheres Alg II abgewiesen. Der Alg II-Antrag des Klägers vom 14.6.2012 wirke auf den 1.6.2012 zurück, was sich aus § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II ergebe. Da der Kläger sich bis zum 12.6.2012 in Haft befunden habe, habe er nach § 7 Abs 4 SGB II ab dem 12.6.2012 einen Leistungsanspruch. Deshalb sei das ihm an diesem Tag ausgezahlte Überbrückungsgeld Einkommen und als einmalige Einnahme für die Zeit vom 12.6.2012 bis 30.11.2012 leistungsmindernd zu berücksichtigen.

5

Der Kläger hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt und rügt die Verletzung von § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II. Rückwirkung auf den Monatsersten entfalte der Alg II-Antrag nur, wenn zu diesem Zeitpunkt alle Leistungsvoraussetzungen vorlägen, was bei einem Ausschlusstatbestand wie nach § 7 Abs 4 SGB II nicht gegeben sei. Das Überbrückungsgeld sei deshalb (geschütztes) Vermögen und nicht zu berücksichtigendes Einkommen.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. April 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 19. Juni 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30. Juli 2012 und 14. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2012 zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 13. Juni 2012 bis 30. November 2012 ohne Anrechnung der ihm am 12. Juni 2012 ausgezahlten 1335,22 Euro zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist teilweise begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Zwar ist das ihm im Juni 2012 vor Antragstellung ausgezahlte Überbrückungsgeld als Einkommen zu berücksichtigen (dazu unter 3.), jedoch nur für die Zeit vom 13.6.2012 bis zum 10.7.2012 (dazu unter 4.). Aus dieser eingeschränkten Berücksichtigung ergeben sich die tenorierten Nachzahlungen (dazu unter 5.). Die weitergehende Revision des Klägers ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

9

1. Streitgegenstand sind das Urteil des SG vom 16.4.2013 und der Bescheid des Beklagten vom 19.6.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.7.2012 und 14.8.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.8.2012, durch die der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf höheres Alg II im streitbefangenen Zeitraum vom 13.6.2012 bis 30.11.2012 abgelehnt worden ist. Die jeweils höchsten Leistungen regelte für Juni 2012 der Änderungsbescheid vom 14.8.2012, für Juli 2012 der Bescheid vom 19.6.2012 und für die Monate August bis November 2012 der Änderungsbescheid vom 30.7.2012, weshalb alle drei Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheides Streitgegenstand sind.

10

2. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres Alg II sind §§ 19 ff iVm § 7 SGB II in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung seit dem 1.4.2011 (Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.5.2011, BGBl I 850, die den zuletzt durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453, am 1.4.2011 erreichten Stand berücksichtigt). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

11

Die Grundvoraussetzungen, um Alg II zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II) - bestimmtes Alter, Erwerbsfähigkeit und ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland -, erfüllte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum; ebenso wenig lag ein Ausschlusstatbestand vor (vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 und 5 SGB II), wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG ergibt.

12

Den Lebensunterhaltsbedarf des Klägers nach dem SGB II (Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 374 Euro monatlich und Bedarfe für Unterkunft und Heizung ab 1.8.2012 in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 180 Euro monatlich) haben der Beklagte und das SG zutreffend festgestellt.

13

3. Diesem Bedarf ist das dem Kläger am 12.6.2012 ausgezahlte Überbrückungsgeld als zu berücksichtigendes Einkommen gegenüberzustellen.

14

Seine Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II) bestimmt sich danach, ob oder inwieweit er seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhielt (§§ 9, 11 bis 11b und 12 SGB II). Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG erhielt der Kläger im streitbefangenen Zeitraum keine zu berücksichtigenden Hilfen anderer. Als zu berücksichtigendes Einkommen stand ihm nur das Überbrückungsgeld zur Verfügung. Andere Einnahmen erzielte und über anderes Vermögen verfügte der Kläger nach den bindenden Feststellungen des SG im streitbefangenen Zeitraum nicht.

15

a) Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Nach § 12 Abs 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.

16

Maßgebliches Differenzierungskriterium für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist grundsätzlich der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses bereiter Mittel: Danach ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II das, was jemand vor Antragstellung bereits hatte(modifizierte Zuflusstheorie: vgl nur BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 27 mwN). An der Maßgeblichkeit dieses Differenzierungskriteriums zwischen Einkommen und Vermögen ist auch für das Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG festzuhalten. Denn vor der Haftentlassung und Auszahlung durch die Justizverwaltung kann der Gefangene über das Geld nicht frei verfügen; das Überbrückungsgeld-Konto ist nicht einem Sparbuch vergleichbar, auf dem mit bereits erlangten Einkünften von dem Gefangenen ein gezielter "Vermögensaufbau" betrieben wurde (vgl dazu bereits BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 28 bis 30 mwN).

17

b) Das dem Kläger am 12.6.2012 und damit vor Antragstellung am 14.6.2012 und auch vor dem beantragten Leistungsbeginn am 13.6.2012 ausgezahlte Überbrückungsgeld war zu diesem Auszahlungszeitpunkt zu berücksichtigendes Einkommen und kein (geschütztes) Vermögen. Denn entgegen der Ansicht des Klägers bewirkt § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, dass ein Alg II-Antrag grundsätzlich auf den Ersten des Monats der Antragstellung zurückwirkt und die in diesem Monat anfallenden Einnahmen auch vor Antragstellung nicht als Vermögen, sondern als Einkommen anzusehen sind.

18

Nach § 37 SGB II werden SGB II-Leistungen auf Antrag erbracht(Abs 1 Satz 1). Sie werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (Abs 2 Satz 1). Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück (Abs 2 Satz 2).

19

aa) Zwar konnte der Kläger die leistungsrechtliche Wirkung seines Antrags auf Alg II vom 14.6.2012 auf die Zeit ab 13.6.2012 beschränken. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob seine Rechtsauffassung zutrifft, dass er am 12.6.2012, dem Haftentlassungstag, noch nach § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II von Alg II-Leistungen ausgeschlossen war und erst ab 13.6.2012 die Leistungsvoraussetzungen erfüllte. Denn der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II kann im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit (ne ultra petita) durch seinen Antrag bestimmen, ab welchem Zeitpunkt er einen Leistungsanspruch geltend macht (vgl zur den Verfahrensgegenstand begrenzenden Funktion des Antrags Burkiczak in BeckOK SGB II, § 37 RdNr 4, 4a, Stand 1.9.2014; vgl zur Rücknahme eines Antrags Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 20).

20

Die Zulässigkeit einer Bestimmung, ab welchem Zeitpunkt ein Leistungsanspruch geltend gemacht wird, folgt aus dem gesetzlichen Antragsgrundsatz und -erfordernis selbst. Leistungen werden nicht ohne Rücksicht auf ein konkretes Leistungsbegehren erbracht. Mit der Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind zudem nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten für den Leistungsempfänger verbunden. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Leistungen und den damit verbundenen Eintritt in den Pflichtenkreis des SGB II bleibt dem Antragsteller vorbehalten, der grundsätzlich auch über den Beginn der Leistungsinanspruchnahme bestimmen kann.

21

Es ist eine im Einzelfall zu entscheidende Frage, ob diese Bestimmung rechtlich beachtlich ist. Jedenfalls die zeitliche Beschränkung eines Leistungsantrags - wie hier auf den Tag nach Haftentlassung - auf einen Leistungsbeginn im Antragsmonat zwischen dem Ersten dieses Monats und dem Tag der Antragstellung und nach Wegfall eines Leistungsausschlusstatbestandes ist nach § 37 SGB II rechtlich beachtlich. Dass der frühestmögliche Leistungsbeginn nach Wegfall eines Leistungsausschlusstatbestandes beantragt wird, ist nicht erforderlich.

22

bb) Durch diese zulässige leistungsrechtliche Beschränkung seines Antrags auf die Zeit ab 13.6.2012 konnte der Kläger indes nicht die hiervon zu unterscheidende weitere Wirkung seines Antrags, dass für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen der Erste des Monats der Antragstellung maßgeblich ist, ausschließen.

23

Die Maßgeblichkeit des Monatsersten ergibt sich aus dem Wortlaut des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift und deren Sinn und Zweck. Der Wortlaut, nach dem der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurückwirkt, ist knapp und bedingungslos formuliert. Er bietet keinen Anknüpfungspunkt dafür, dass dem Antrag diese Rückwirkung nur unter bestimmten Voraussetzungen zukommt. Insbesondere lässt sich dem Wortlaut des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II nicht entnehmen, dass die Rückwirkung auf den Monatsersten das Bestehen eines Leistungsanspruchs oder auch nur das Fehlen von Leistungsausschlusstatbeständen am Monatsersten voraussetzt.

24

Nichts anderes folgt aus einer Betrachtung der Gesetzessystematik. Zwar bestimmt § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II, dass Leistungen nach dem SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden. Eben hierzu enthält indes der speziellere § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, der von den Leistungen nach dem SGB II nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts betrifft, eine Ausnahme. Dass § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II eine gegenüber der allgemeinen Regelung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II speziellere Regelung ist, erhellt auch aus § 37 Abs 2 Satz 3 SGB II, der durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 7.5.2013 (BGBl I 1167) mit Wirkung vom 1.8.2013 nach dem hier streitbefangenen Zeitraum Eingang in das SGB II gefunden hat. Denn danach wirkt der Antrag auf Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Abs 7 SGB II, soweit daneben andere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht werden, auf den Beginn des aktuellen Bewilligungszeitraums nach § 41 Abs 1 Satz 4 bzw 5 SGB II zurück. Damit ist dem alle Leistungen nach dem SGB II erfassenden § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II eine weitere Regelung hinzugefügt, die nur eine bestimmte Leistung nach dem SGB II betrifft. Im Anwendungsbereich der Spezialregelung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II geht dieser der allgemeinen Regelung nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II vor. Für die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kommt es statt auf den Tag der Antragstellung auf den Ersten des Monats der Antragstellung an.

25

Dies stimmt systematisch zusammen mit dem im SGB II geltenden und in der Rechtsprechung des BSG bereits mehrfach betonten Monatsprinzip (vgl zum Monatsprinzip des SGB II BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 23/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 27 mwN): Der in einem Monat gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück (§ 37 Abs 2 Satz 2 SGB II). Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB II). Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt (§ 20 Abs 1 Satz 3 SGB II). Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB II). Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen (§ 11 Abs 3 Satz 1 SGB II). Es sind nach dieser Systematik die Bedarfe eines Monats den Bedarfsdeckungsmöglichkeiten dieses Monats gegenüberzustellen. Eine Unterdeckung begründet den Leistungsanspruch für diesen Monat.

26

Diese monatsweise Betrachtung dient, wie auch ein Blick auf die Entstehungsgeschichte bestätigt, nicht nur der Verwaltungsvereinfachung. Denn sie soll verhindern, dass durch die zeitliche Verschiebung des Antrags in einem Monat in diesem Monat zur Verfügung stehende Bedarfsdeckungsmöglichkeiten unberücksichtigt bleiben. Anders als die grundsätzlich zulässige leistungsrechtliche Verschiebung der Antragswirkung durch den Antragsteller auf einen bestimmten Leistungsbeginn soll der für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen maßgebliche Zeitpunkt der Antragstellung auf den Ersten des Monats der Antragstellung fixiert sein. Zur Nachrangsicherung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II soll durch § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II die Abgrenzungswirkung der Antragstellung mit Blick auf Einkommen und Vermögen der Disposition des Antragstellers im Antragsmonat entzogen sein. Entsprechend ist in der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt, dass mit § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II dem geltenden Nachranggrundsatz stärker als bislang Rechnung getragen wird: "Einnahmen, die vor Antragstellung im Antragsmonat zufließen, sind als Einkommen bei der Feststellung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigen"(BT-Drucks 17/3404 S 114 zu § 37; ebenso S 94 zu § 11).

27

Dieser Sinn und Zweck des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, der auch in der Begründung des Gesetzentwurfs seinen Ausdruck gefunden hat, spricht dafür, die Vorschrift beim Wort zu nehmen: Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Monatsersten zurück, ohne dass diese Rückwirkung zur Voraussetzung hat, dass am Monatsersten ein Leistungsanspruch besteht oder auch nur ein Leistungsausschlusstatbestand nicht eingreift.

28

Die für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen maßgebliche Rückwirkung des Antrags auf den Ersten des Monats der Antragstellung gilt auch dann, wenn am Monatsersten noch ein Leistungsausschlusstatbestand - wie vorliegend die Strafhaft des Klägers aufgrund von § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II - eingreift. Dass Leistungen erst bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen und Nichtvorliegen von Leistungsausschlussgründen gewährt und damit ggf erst ab einem späteren Zeitpunkt als dem Monatsersten der Antragstellung beansprucht werden können, hindert nicht die Anknüpfung an den Ersten des Monats der Antragstellung für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen. Hierfür kommt es allein auf das tatsächliche Ereignis der Antragstellung in diesem Monat an (vgl zur Antragsrückwirkung und deren Folgen für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen Aubel in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 37 RdNr 11, 30, 30.1, 46, 46.1, Stand: 29.8.2014; Bittner in Estelmann, SGB II, § 37 RdNr 59, Stand Dezember 2013; Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 40; Schoch in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 37 RdNr 20; Spellbrink/G. Becker in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 36-45 SGB II RdNr 2 bis 3; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 37 RdNr 8, 38, Stand IV/2014).

29

4. Das Überbrückungsgeld ist nur für die Zeit vom 13.6.2012 bis zum 10.7.2012 als Einkommen leistungsmindernd zu berücksichtigen, weil das Überbrückungsgeld nach § 51 Abs 1 StVollzG der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung unterliegt, dass es den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll.

30

a) Das dem Kläger am Haftentlassungstag ausgezahlte Überbrückungsgeld ist eine einmalige Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II. Bei diesen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung, anders als bei laufenden Einnahmen, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden (vgl zum Begriff der einmaligen Einnahme BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R - Juris RdNr 14; vgl zum Überbrückungsgeld als einmaliger Einnahme BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 35 ff).

31

Für die Berücksichtigung einmaliger Einnahmen schreibt § 11 Abs 3 SGB II einen besonderen Anrechnungsmodus vor. Danach sind sie in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen (Satz 1). Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt (Satz 2). Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (Satz 3).

32

b) Von diesem gesetzlich normierten Anrechnungsmodus nach § 11 Abs 3 SGB II für einmalige Einnahmen ist jedoch für das Überbrückungsgeld nach § 51 Abs 1 StVollzG abzuweichen. Dies folgt seit der Neufassung der §§ 11 ff SGB II mit Wirkung vom 1.4.2011 aus § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II, wonach Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen sind, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen.

33

Diese gegenüber der allgemeinen Regelung in § 11 SGB II speziellere Bestimmung über die einnahmeartenspezifische Abgrenzung von zu berücksichtigendem und nicht zu berücksichtigendem Einkommen gilt auch für einmalige Einnahmen(vgl zur Abweichung vom Anrechnungsmodus für einmalige Einnahmen auf der Grundlage des vor der Neufassung geltenden Rechts BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 35 bis 37). §§ 11a und 11b SGB II insgesamt enthalten Regelungen, die sowohl für laufende als auch für einmalige Einnahmen relevant sein können; Regelungen insbesondere für einmalige Einnahmen sind zB § 11a Abs 2, § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II. Im Rahmen dieser Systematik erfasst auch § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II, der weder ausdrücklich noch der Sache nach nur auf eine der beiden Einnahmeformen angewendet werden kann, laufende ebenso wie einmalige Einnahmen. Die durch § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II bewirkte einnahmeartenspezifische Ausgrenzung von Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, vom zu berücksichtigenden Einkommen gilt, soweit sie greift, neben den allgemeinen Berücksichtigungsregeln sowohl für laufende Einnahmen nach § 11 Abs 2 SGB II als auch für einmalige Einnahmen nach § 11 Abs 3 SGB II.

34

Das Überbrückungsgeld ist aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 51 StVollzG eine Leistung, die iS des § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht wird. Denn das Überbrückungsgeld soll nach § 51 Abs 1 StVollzG "den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern". Damit dient es demselben Zweck wie das Alg II als eine der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (vgl dazu BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 34 mwN).

35

Indes dient das Überbrückungsgeld demselben Zweck wie das Alg II nur für die ersten vier Wochen nach Haftentlassung. Es ist deshalb nur "so weit" iS des § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen, soweit auch in zeitlicher Hinsicht die Zweckidentität von Überbrückungsgeld und Alg II reicht. Hieraus ergibt sich vorliegend eine Anrechnungszeit für die ersten vier Wochen der begehrten Alg II-Leistungen nach Haftentlassung am 12.6.2012, dh für die 28 Tage vom 13.6.2012 bis zum 10.7.2012.

36

5. Aus der Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes als einmalige Einnahme nur für die Zeit vom 13.6.2012 bis zum 10.7.2012 ergeben sich die tenorierten Nachzahlungen von 67,87 Euro für Juli 2012 und jeweils 192,54 Euro für August bis November 2012. Diese errechnen sich im Einzelnen wie folgt:

37

Im Juni 2012 betrug der rechnerische Bedarf des Klägers 224,40 Euro (monatlicher Regelbedarf 374 Euro für die 18 Tage vom 13. bis 30.6.2012). Aufgrund des für die Zeit vom 13. bis 30.6.2012 zu berücksichtigenden Überbrückungsgeldes (18/28 von 1335,22 Euro = 858,36 Euro, abzüglich der hier allein abzusetzenden Versicherungspauschale von 30 Euro insgesamt 828,36 Euro) ergibt sich in diesem Monat kein Leistungsanspruch. Dass dem Kläger für Juni 2012 vom Beklagten 44,33 Euro bewilligt und gezahlt worden sind, ist für die hier vorzunehmende Berechnung der jeweils monatlichen Höhe des Leistungsanspruchs im streitbefangenen Zeitraum ohne Belang.

38

Im Juli 2012 betrug der rechnerische Bedarf des Klägers 374 Euro (Regelbedarf; keine Bedarfe für Unterkunft und Heizung), hiervon für die 10 Tage vom 1. bis 10.7.2012 anteilig 124,67 Euro. Aufgrund des nur für die Zeit vom 1. bis 10.7.2012 zu berücksichtigenden Überbrückungsgeldes (10/28 von 1335,22 Euro = 476,86 Euro, abzüglich der hier allein abzusetzenden Versicherungspauschale von 30 Euro insgesamt 446,86 Euro) ergibt sich in diesem Monat kein Leistungsanspruch vom 1. bis 10.7.2012 und für die 20 Tage vom 11. bis 31.7.2012 (vgl § 41 Abs 1 Satz 2 SGB II) ein Leistungsanspruch in Höhe von 249,33 Euro (374 Euro - 124,67 Euro). Da dem Kläger für Juli 2012 vom Beklagten nur 181,46 Euro bewilligt und gezahlt worden sind, sind aufgrund des Monatsprinzips weitere 67,87 Euro zu zahlen.

39

Für August bis November 2012 betrug der monatliche Bedarf des Klägers 554 Euro (374 Euro Regelbedarf, 180 Euro Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Überbrückungsgeld ist in diesen Monaten nicht zu berücksichtigen. Da dem Kläger für diese Monate vom Beklagten jeweils nur 361,46 Euro bewilligt und gezahlt worden sind, sind jeweils weitere 192,54 Euro zu zahlen.

40

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Mai 2007 bis März 2008.

2

Die 1971 geborene Klägerin ist erwerbsfähig, ledig und hat zwei Kinder. An der Pflege und Erziehung der 1991 geborenen Tochter J und des 2003 geborenen Sohnes F sind deren Väter nicht in nennenswertem Umfang beteiligt. Die Klägerin wohnte im streitigen Zeitraum mit ihrer Mutter (geb 1947), ihrem Vater (geb 1943), ihrer Schwester (geb 1969) und den beiden Kindern in einem in ihrem Eigentum stehenden Einfamilienhaus. Im Erdgeschoss finden sich drei - im streitigen Zeitraum von den Eltern genutzte - Räume (Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer) sowie eine von allen Bewohnern genutzte Küche. Die Klägerin, ihre beiden Kinder und die Schwester bewohnten im Obergeschoss jeweils einen Wohnraum. Außerdem gab es dort ein gemeinschaftlich genutztes weiteres Bad.

3

Die Klägerin, ihre Kinder sowie die Eltern und die Schwester bezogen ab Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte nahm weder eine Bedarfs- noch eine Haushaltsgemeinschaft an und berücksichtigte bei der Klägerin einen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Für den streitigen Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.3.2008 bewilligte er SGB II-Leistungen in Höhe von monatlich 353,61 Euro (Regelleistung in Höhe von 318,23 Euro; Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 35,38 Euro) ohne Mehrbedarf für Alleinerziehende (Bescheid vom 20.4.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25.9.2007 sowie des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007).

4

Nach Anhörung der Klägerin sowie ihrer Eltern zum Umfang der Pflege und Erziehung der Kinder hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 20.4.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.5.2008 den Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von monatlich 124,20 Euro für die Monate Mai und Juni 2007 sowie in Höhe von monatlich 124,92 Euro für die Monate Juli 2007 bis März 2008, insgesamt 1372,68 Euro, zu gewähren (Urteil vom 17.6.2010).

5

Das LSG hat die Berufung des Beklagten nach erneuter Vernehmung der Eltern der Klägerin sowie ihrer Schwester als Zeugen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des SG-Urteils dahin geändert wird, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 dem Grunde nach verurteilt wird, der Klägerin für die Zeit vom 1.5.2007 bis zum 31.3.2008 höhere, in die Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit fallende Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II zu gewähren(Urteil vom 11.8.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin habe im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für die Bewilligung von SGB II-Leistungen nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II erfüllt. Sie sei erwerbsfähig und hilfebedürftig; über anderweitiges anrechenbares Einkommen oder zu berücksichtigende Vermögenswerte verfüge die Klägerin nicht. Sie habe mit ihren Eltern und ihrer Schwester nicht in einer Haushaltsgemeinschaft iS von § 9 Abs 5 SGB II gelebt. Ein "Wirtschaften aus einem Topf" habe nicht stattgefunden. Neben dem Regelleistungsbedarf sei ein Mehrbedarf für Alleinerziehende zu berücksichtigen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum zumindest mit einem Kind unter sieben Jahren zusammengelebt und allein für dessen Pflege und Erziehung gesorgt habe. Sie habe ihren Sohn (wie im Übrigen auch J) ohne wesentliche, dem typischen Pflege- und Erziehungsbeitrag ihrer Väter entsprechende Beteiligung Dritter versorgt und erzogen. Der Auffassung des Beklagten, dass (bereits) bei einem Ausgleich von Erschwernissen durch Dritte, die Alleinerziehende träfen, die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs nicht erfüllt seien, könne nicht gefolgt werden. Orientiere man sich allein an dem Zweck der Mehrbedarfsregelung (weniger Zeit zum preisbewussten Einkauf, höhere Aufwendungen für Kontaktpflege zur Unterrichtung in Erziehungsfragen) wäre der Bedarf im konkreten Fall zwar nicht zu erhöhen, weil es eine gelegentliche, zeitlich begrenzte Fürsorge für die Kinder durch die Großeltern und die Tante gegeben habe und allein durch deren Anwesenheit Freiräume eröffnet gewesen seien, die es der Klägerin erlaubt hätten, den beschriebenen Bedarfslagen ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand gerecht zu werden. Jedoch sei eine allein auf Sinn und Zweck des Mehrbedarfs gestützte Auslegung nicht tragfähig, weil die zum Vierten BSHG-Änderungsgesetz dargelegten, vom BSG aufgegriffenen Bedarfslagen regelhaft nicht bestünden. Es ließen sich aber nur in geringem Umfang Fallgruppen bezeichnen, in denen die vom historischen Gesetzgeber genannten Bedarfslagen aufträten; in der überwiegenden Zahl der Fälle bzw den von § 21 Abs 3 SGB II erfassten Familien- und Alterskonstellationen sei dies nicht bzw nicht mehr der Fall. Preisvergleiche seien im Computerzeitalter sekundenschnell per Mausklick möglich, Lebensmitteldiscounter heutzutage von fast jedem Haushalt gut erreichbar und auch die "Befriedigung von Informations- und Kontaktbedürfnissen" bei der inzwischen nahezu flächendeckenden Verbreitung von Flatrates für Telefon und Internetzugang regelmäßig nicht mehr mit Mehrkosten verbunden. Aus Kostengesichtspunkten mache die Zuerkennung eines allgemeinen Mehrbedarfs für Alleinerziehende unter Berücksichtigung gegenwärtiger Lebensverhältnisse nur insofern Sinn, als der alleinerziehende Elternteil eines Kleinkindes oder mehrerer Kleinkinder gelegentlich auf Babysitterdienste angewiesen sei.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II aF. Die vom LSG bei der Auslegung des § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II zugrunde gelegte Annahme einer wesentlichen Mitwirkung bzw Unterstützung in erheblichem Umfang bei der Erziehung bis hin zum gleichwertigen Erziehungsanteil anderer Personen könnten unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm nicht gefordert werden. Nur wenn die Familie derart zerrüttet sei, dass eine Inanspruchnahme der jeweils anderen Familienmitglieder schon aus psychischen und emotionalen Gründen ausscheide, sei die Bedarfssituation anders zu beurteilen. Entgegen der Wertung der Zeugenaussagen durch das SG und das LSG stehe nicht fest, dass die Großeltern der Klägerin und deren Schwester nicht an der Erziehung der Kinder in dem hier fraglichen Zeitraum mitgewirkt hätten. Die Bekundungen der Klägerin und ihrer Mutter seien nicht glaubhaft und wirkten verfahrensangepasst. Für ein enges Zusammenleben der Klägerin mit ihren Eltern und der Schwester sprächen bereits die Wohnverhältnisse. Es müsse im Ergebnis und unter Würdigung der Zeugenaussagen und der Wohn- und Lebensverhältnisse der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie sowohl von ihren Eltern als auch von ihrer Schwester bei der Pflege und Erziehung der Kinder mindestens in dem Umfang unterstützt werde, wie eine tagsüber anwesende und die Hauptlast bei der Pflege und Erziehung tragende Mutter durch den etwa aus Gründen der Berufstätigkeit tagsüber oder sogar wochenweise abwesenden (Ehe)Partner. Es liege eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG vor, weil eine Ungleichbehandlung zwischen Alleinstehenden mit Kindern einerseits und (verheirateten) Partnern mit Kindern andererseits bestehe.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beklagte kommentiere das Urteil ohne Beweisangebote dafür, dass ihre Aussagen und die ihrer Eltern nicht den Tatsachen entsprächen. Der Anspruch auf Mehrbedarf sei nachgewiesen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 rechtswidrig ist, weil die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende hat.

11

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur (noch) der den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 20.4.2007 in vollem Umfang ersetzende Bescheid vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 hinsichtlich der hier allein streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diese können - insbesondere hinsichtlich des Mehrbedarfs - nicht in weitere unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 14; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 10).

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2. Gegen die bezeichneten Bescheide wendet sich die Klägerin zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 iVm Abs 4, § 56 SGG). Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass ein Grundurteil zulässig ist. Mit ihrem Antrag im Berufungsverfahren hat die Klägerin keinen konkreten Leistungsantrag (mehr) gestellt, sondern nur dem Grunde nach höhere Leistungen beantragt (§ 130 SGG). Dass sie sich hierfür allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende bezieht, beinhaltet keinen konkret bezifferten Leistungsanspruch, sondern enthält nur ein Begründungselement für das Begehren auf höhere Leistungen. Gegenstand des Verfahrens ist daher, ob in dem hier streitigen Zeitraum insgesamt ein Anspruch auf höhere Leistungen bestand, wobei die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ist (BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11). Die weiteren Voraussetzungen für ein Grundurteil in einem Höhenstreit liegen vor, wenn eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs zugrunde liegt, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, weil die Beschränkung der Prüfung auf eine Rechtsfrage oder einzelne Rechtsfragen ansonsten einer unzulässigen Elementenfeststellung gleichkäme (BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1, RdNr 12; BSG SozR 4-4300 § 132 Nr 3 RdNr 17). Dies ist hier der Fall. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II (Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) in dem streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt und - neben dem Kindergeld - weiteres Einkommen und Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, sodass die Anerkennung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit höheren Leistungen verbunden ist.

13

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende hatte. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist gemäß § 21 Abs 3 SGB II ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter sechzehn Jahren zusammenleben(Nr 1), oder in Höhe von 12 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Vomhundertsatz als nach der Nr 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung(Nr 2). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein zusätzlich zur Regelleistung zu gewährender Bestandteil des Alg II.

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Die Anspruchsvoraussetzung der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt. Dabei ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen (BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 19; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - RdNr 15). Der Senat hat bei dieser Auslegung des Begriffs der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" und die insofern zu stellenden Anforderungen auf die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehenden Bezug genommen, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis - in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten Hilfebedürftigen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist(BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15). Solche besonderen Lebensumstände hat der Senat ausgehend von den Gesetzesmaterialien zur Einführung und zum Zweck der entsprechenden Regelung im BSHG (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 "vor allem") exemplarisch darin gesehen, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen sowie zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten. Auch der Zweck des in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Mehrbedarfs liege darin, den höheren Aufwand von Alleinerziehenden für die Versorgung und Pflege bzw Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen(BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 1; Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 23.2.2011 - L 11 AS 40/09 - juris RdNr 26; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 13.5.2008 - L 9 AS 119/08 ER - juris RdNr 17; Lang/ Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 26; kritisch Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 11/2010, § 21 RdNr 19 und Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21 RdNr 31 ff, Stand Mai 2011).

15

4. Soweit der Beklagte mit seiner Revision diese am Wortlaut, aber auch der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung des Merkmals der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" rügt, sieht der Senat keine Veranlassung zur Korrektur seiner Rechtsprechung. Entgegen der Ansicht des LSG sind die vom BSG formulierten Anforderungen an eine alleinige Sorge für Pflege und Erziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II auch nicht unter teleologischen Gesichtspunkten grundsätzlich in Frage zu stellen.

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Die Beantwortung der komplexen Fragestellung, ob wegen eines Wandels der tatsächlichen Lebensumstände die vom Gesetzgeber bei Einfügung der Regelung in das BSHG typisierend und beispielhaft angenommenen Bedarfslagen bei Alleinerziehenden tatsächlich nicht (mehr) bzw nicht mehr in der pauschalierend angenommenen Höhe existieren, obliegt dem Gesetzgeber. Wollte dieser den Mehrbedarf für Alleinerziehende anders fassen, ist zu beachten, dass sich Pauschalen, die an die Stelle eines ganz oder teilweise zu berücksichtigenden konkreten Aufwandes treten, nicht an einem hier vorliegenden atypischen Fall orientieren dürfen und "realitätsgerecht" so bemessen sein müssen, dass die typisierenden Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (BVerfGE 112, 268, 281 zur Abzugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten alleinstehender Erwerbstätiger; BVerfGE 120, 125 ff, 166). Eine hohe "Treffergenauigkeit" ist gefordert, wenn es - wie hier - um pauschalierte Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht. Diese Leistungen müssen auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen (zB auch durch Einholung des Rats von Experten - BVerfGE 113, 167 ff, 241) und vertretbaren Einschätzungen beruhen. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind verfassungsrechtlich anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167 ff, 215). Dass sich der Gesetzgeber - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II aF erfassten Bedarfslagen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - für eine pauschale Leistungserbringung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende in einer gesetzlich festgelegten Höhe entschieden hat, ist eine solche gesetzgeberische Entscheidung. Soweit der Beklagte eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG wegen Ungleichbehandlung von Alleinstehenden mit Kindern einerseits und (verheirateten) Partnern mit Kindern andererseits rügt, hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit dem Merkmal der bzw des Alleinerziehenden einen Sachgrund für die Leistungsdifferenzierung angeführt hat.

17

5. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann der Anspruch der Klägerin auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, diese hätte wegen der Wohnverhältnisse im Bedarfsfall auf die Unterstützung ihrer Eltern oder ihrer Schwester zugreifen können. Nach seinem Sinn und Zweck geht § 21 Abs 3 SGB II typisierend von einem regelmäßigen Mehrbedarf bei Alleinerziehenden aus, weshalb - nach den tatsächlichen Verhältnissen - nur eine regelmäßige und erhebliche Unterstützung bei der Pflege und Erziehung der Kinder durch weitere Personen einem Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende entgegenstehen kann(so auch Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 29). Allein die (potentielle) Möglichkeit des Rückgriffs auf andere Personen oder Einrichtungen führt nicht zum Anspruchsausschluss. Auch insofern liegt eine von SGB II-Trägern und der Rechtsprechung zugrunde zu legende gesetzgeberische Wertung vor, die Verneinung des Anspruchs auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende allein von der tatsächlichen und ergänzend kontinuierlichen Erziehung und Pflege durch weitere Personen abhängig zu machen. Diese Auslegung findet ihre Rechtfertigung in der Bedeutung der persönlichen Sorge der Eltern und deren Kompetenz zur Auswahl von Betreuungsalternativen für das Kindeswohl.

18

Soweit der Beklagte vorträgt, bezüglich des zeitlichen Umfangs dürften keine zu hohen Anforderungen an die Betreuungsleistungen aufgestellt werden, weil ansonsten auch der Besuch eines Kindergartens bzw anderer Betreuungseinrichtungen zur Verneinung eines Mehrbedarfs bzw die berufliche Abwesenheit eines vorhandenen Partners zu dessen Bejahung führe, ist der rechtliche Maßstab für die Annahme eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 3 SGB II betroffen. Dieser bestimmt sich danach, ob nach den tatsächlichen Umständen eine wesentliche Mitwirkung des anderen Elternteils, eines Partners oder einer anderen, regelmäßig im gleichen Haushalt lebenden Person in der verbleibenden Betreuungszeit vorliegt. Insofern geht das SGB II davon aus, dass mit der Betreuung eines über drei Jahre alten Kindes in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege die Ausübung einer Arbeit oder berufliche (Re-)Integrationsmaßnahmen zumutbar sind (§ 10 Abs 1 Nr 3 SGB II), sodass "zeitliche Freiräume" der oder des erziehenden SGB II-Leistungsempfängers nicht unterstellt werden können.

19

6. Ausgehend von den demnach hier anzuwendenden Grundsätzen der bisherigen BSG-Rechtsprechung liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), hier vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Eltern der Klägerin hätten im Wesentlichen übereinstimmend bekundet, dass diese seinerzeit nahezu allein insbesondere für die Ernährung, die Bekleidung, die Erziehung und das seelische Wohl ihrer Kinder zuständig gewesen und dabei von ihren Eltern oder ihrer Schwester nicht in erheblichem Maße unterstützt worden sei. Die Klägerin sei frühmorgens aufgestanden, um F für den Kindergarten fertig zu machen, sie habe die Mahlzeiten für F und J vorbereitet, F mittags vom Kindergarten abgeholt, sich ausschließlich um ihn gekümmert und ihn ggf zum Einkaufen sowie bei Arzt- und Behördengängen mitgenommen. Übereinstimmend sei weiter bekundet worden, dass weder die Großeltern noch die Schwester maßgeblich an der Erziehung der Kinder beteiligt gewesen seien und die Klägerin von ihnen auch keine diesbezüglichen Ratschläge eingeholt habe. Die Verhältnisse seien stimmig und anschaulich beschrieben worden.

20

Der Beklagte ist dieser Beweiswürdigung des LSG nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen entgegengetreten (§ 164 SGG). Eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) ist nicht formgerecht gerügt, wenn die Revision lediglich ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; BSG SozR 3-2500 § 109 Nr 9 S 61). Soweit es der Beklagte für "nicht glaubhaft" hält, dass keine Mitwirkung der Großeltern bei Krankheit bestehe, nur sehr wenig über alltägliche Dinge gesprochen werde und der Vater der Klägerin sich auf handwerkliche Mithilfe beschränke, stellt er seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG und führt Umstände an, die selbst bei ihrem Vorliegen nicht automatisch zu einer Verneinung des Anspruchs auf Mehrbedarf führen würden. Dies gilt auch für die Heranziehung der Wohnverhältnisse der Klägerin. Das Zusammenleben mit weiteren Personen in einer Haushaltsgemeinschaft hat der Gesetzgeber des SGB II gerade nicht ausreichen lassen, um typisierend von dem Wegfall der besonderen Lebensumstände von Alleinerziehenden auszugehen. Tatsachen, die einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze begründen könnten (vgl hierzu zB BSG Urteil vom 15.5.1985 - 7 RAr 40/84 - RdNr 18), sind nicht vorgetragen.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der auf der Insel F. lebende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die im streitigen Zeitraum überwiegend bei ihrer Mutter in B. lebte. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Von November 2005 bis April 2006 wurde die Tochter in der Zeit vom 18.12.2005 bis 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis 22.4.2006 (insgesamt 56 Tage, rund 31 % des Leistungszeitraums von 181 Tagen) von dem Kläger an seinem Wohnort betreut.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 790 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 445 Euro), zunächst ohne anteiliges Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006). Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 5 Euro monatlich für die Kosten der Warmwasserzubereitung anerkannt. Auf die Klagen von Vater (Kläger zu 1) und Tochter hat das SG den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2006 verurteilt, an den Kläger zu 1) für den Zeitraum 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich weitere 70,68 Euro (12 Tage a 5,89 Euro) zu zahlen" und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 4.2.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger seien zusätzliche Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in analoger Anwendung von § 21 SGB II zu zahlen. Die Höhe des Anspruchs hat das SG unter Berücksichtigung des Sozialgeldes für die Tochter nach teilweisem Abzug von Aufwendungen bei den Bedarfen der Bekleidung, der Gesundheitspflege sowie anderer Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung stehe dem Kläger nicht zu, weil ein solcher Ausgleich nur gerechtfertigt sei, wenn die zeitliche, materielle und ideelle Belastung des Erziehenden deutlich über diejenige hinausgehe, die auch bei zusammenlebenden Elternteilen anzutreffen sei. Ein solches Maß sei hier nicht erreicht.

4

Auf die Berufungen des Klägers, seiner Tochter sowie des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil abgeändert und den Tenor neu gefasst. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 verurteilt, der Tochter des Klägers für die Zeiten vom 18.12.2005 bis zum 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis zum 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis zum 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis zum 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis zum 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis zum 22.4.2006 Sozialgeld in Höhe von 6,90 Euro pro Tag zu zahlen. "Im Übrigen" hat es die Klage ebenso wie die "weitergehenden Berufungen der Kläger sowie des Beklagten" zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes oder der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bei der Berechnung des Sozialgeldes der Tochter für die Dauer ihrer zeitweisen Aufenthalte bei dem Kläger scheide aus. Derartige Abschläge widersprächen dem Gedanken der Pauschalierung des Regelbedarfs. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Vor dem Hintergrund des Monatsprinzips könne eine nachhaltige Entlastung des betreuenden Elternteils nur angenommen und eine Teilung dieses Mehrbedarfs erfolgen, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG liege die Anspruchsvoraussetzung einer "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II vor, wenn es an einer nachhaltigen Entlastung des hilfebedürftigen Elternteils während der Betreuungszeit fehle. Allerdings habe das BSG auch betont, dass die Wertung des Familienrechts, die gemeinsame elterliche Sorge zu fördern, zu berücksichtigen sei. Eine Aufteilung des Mehrbedarfs nach Betreuungsanteilen müsse daher auch möglich sein, wenn keine hälftige Aufteilung der elterlichen Pflege und Erziehung gegeben sei. Der Schutz des Art 6 GG für die Beziehung des Elternteils zum Kind in häuslicher Gemeinschaft gelte auch bei einem kürzeren Zusammenleben. Er sei zT "alleinerziehend in einem zeitlichen Umfang, der wöchentliche Phasen überschreite".

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 4. Februar 2009 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, an ihn für den Leistungszeitraum von November 2005 bis April 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in Höhe der Hälfte von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 62,10 Euro, hilfsweise in Höhe von 40 vH des Anteils von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 49,68 Euro, monatlich zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er bezieht sich auf die Entscheidung des LSG.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung liegen nicht vor.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG - nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als sie der Beklagte mit seinem Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4.2.2009 verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen)und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff)und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden. Zwar hat sich der Kläger für die von ihm beanspruchten höheren Leistungen allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehung bezogen; dies beinhaltet aber nur ein Begründungselement für sein Begehren auf höhere Leistungen, das er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 54 Abs 4 SGG).

11

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte er zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 S 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist zutreffend ein Betrag in Höhe von 345 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende iS des § 21 Abs 3 SGB II ist jedoch nicht zu berücksichtigen. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben(§ 21 Abs 3 Nr 1 Variante 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein über die Regelleistung hinausgehender Bestandteil des Alg II, der unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt wird, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insofern von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14). Diese sind hier jedoch nicht gegeben.

12

Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ist für die Frage, ob eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II vorliegt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Alleinerziehung im gesetzlichen Sinne ist nicht erst zu bejahen, wenn eine Person das Kind nach den tatsächlichen Gegebenheiten ausschließlich erzieht und pflegt. Vielmehr ist der Mehrbedarf bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 15). Darüber hinaus hat das BSG bereits entschieden, dass eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II ebenfalls vorliegen kann, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 ff = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der erkennende Senat hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war bereits in zeitlicher Hinsicht eine Konstellation der hälftigen Pflege und Erziehung im streitigen Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 nicht gegeben. Die Tochter des Klägers hat sich an 56 Tagen des Bewilligungszeitraums bei ihm aufgehalten. Sie wurde somit nicht - wie von der Revision vorgebracht - zu 40 % des Leistungszeitraumes, sondern zu rund 30 % des Leistungszeitraums vom Kläger betreut. Dabei betrug die längste zusammenhängende Betreuungszeit im Leistungszeitraum einmalig 21 Tage (im Zusammenhang mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel) und ging im Übrigen über 14 Tage (29.1. bis 11.2. und 9.4. bis 22.4.2006) nicht hinaus.

13

Entgegen der Ansicht der Revision können die vom Senat entwickelten Grundsätze zur hälftigen Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Pflege- und Erziehungsaufgaben praktiziert wird, übertragen werden. Übernimmt ein Elternteil in geringerem als annähernd hälftigem zeitlichen Umfang diese Betreuung des gemeinsamen Kindes, so steht die Mehrbedarfsleistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16, 22; vgl auch BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass zumindest ein anteiliger Mehrbedarf auch dann zu erbringen ist, wenn die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den umgangsberechtigten Leistungsempfänger - wie in dem hier streitigen Bewilligungszeitraum - weniger als hälftig, aber in längeren zeitlichen Abschnitten wahrgenommen wird. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 21 Abs 3 SGB II, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehende.

14

Mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende sollen - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II erfassten Bedarfslagen (bei werdenden Müttern, erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten) - typisierend besondere Bedarfe für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Dabei verknüpft der Gesetzgeber den Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen Familienkonstellation ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") und verbindet damit zugleich regelhaft die Annahme, dass das Schwergewicht der Betreuung und Erziehung nur bei einem Elternteil liegt. Bereits hieraus folgt, dass diese Mehrbedarfsleistung nicht zwischen einem "Hauptverantwortlichen" für die Pflege und Erziehung und dem anderen Elternteil mit einem geringeren Anteil an Pflege- und Erziehungsleistungen aufzuteilen ist. Eine gleichgewichtige Verteilung der Pflege und Erziehung, die ggf eine Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs rechtfertigen kann, ist nur bei einem sogenannten "Wechselmodell" anzunehmen. Ein solches liegt vor, wenn die Hauptverantwortung und das deutliche Schwergewicht der Betreuungsleistung nicht mehr bei einem Elternteil liegt, sondern die Eltern sich in der Betreuung des Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgabe wahrnimmt (BGH Urteil vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331 ff, 333 zur Betreuungs- und Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell). Dabei kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher Betreuungsphasen eine wesentliche Indizwirkung zu (so zum Familienrecht auch BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 ff).

15

Auch die Erbringung der Mehrbedarfsleistung in Form einer Pauschale spricht gegen die Aufteilung nach Betreuungsanteilen. Es ist wesentliches Merkmal des Mehrbedarfs für Alleinerziehende, dass der Gesetzgeber - pauschalierend für die "typische Situation" von Alleinerziehenden - besondere, die Sicherung des Existenzminimums betreffende Bedarfe in einer bestimmten Höhe bei diesen Haushalten annimmt. Insofern wird bei dieser Pauschalierung der Sache nach auch einbezogen, dass besondere Bedarfe von in Familienhaushalten lebenden Erwachsenen durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bemessung der Regelleistungen zugrunde liegt, bisher nicht erhoben werden konnten (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - NJW 2014, 3425 ff, 3430 zur künftig erforderlichen Prüfung des Gesetzgebers, ob der Gesamtbedarf in Familienhaushalten auch tatsächlich gedeckt ist; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 4 RBEG RdNr 3; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 26 ff). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungshöhe durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) Haushalte von Alleinerziehenden bei der Ermittlung der Regelbedarfe von Kindern ausgeklammert, weil diese Haushalte "im Vergleich zu Paaren ein vergleichsweise niedriges Einkommens- und Konsumniveau" hätten (BT-Drucks 17/3404 S 65; vgl auch Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik - Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 26.6.2013 - BT-Drucks 17/14282 S 32). Vor dem Hintergrund dieser auch wirtschaftlich begründeten pauschalierten Leistungsgewährung kommt - anders als bei den konkret ermittelten Regelbedarfen für Kinder - eine "Aufsplittung" des Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit des Kindes in dem Haushalt des jeweiligen Elternteils nicht in Betracht. Hiermit wäre ferner zugleich eine nur anteilige Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei dem die Hauptverantwortung für das Kind tragenden Elternteil verbunden. Diesem Elternteil verbleiben jedoch auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche Aufgaben, Belastungen und Kosten, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (vgl zum Gesichtspunkt der Kostentragung bei der Gestaltung einer hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung bereits Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 RdNr 16).

16

Dieses Ergebnis wird durch die Betrachtung der Gesetzesentwicklung bestätigt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Alleinerziehenden hat der Gesetzgeber die Regelung zum Mehrbedarf für Alleinerziehende inhaltlich unverändert vom BSHG in das SGB II übernommen und hierbei auf die bisherigen Regelungen im BSHG Bezug genommen (BT-Drucks 15/1514 S 60; BT-Drucks 15/1516 S 57). Die besonderen Lebensumstände sind schon unter Geltung des BSHG, wenn auch nur exemplarisch ("vor allem") darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege sowie zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 ). Auch im SGB II soll der besondere Aufwand von Alleinerziehenden für die Pflege und Erziehung der Kinder, etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, durch den Mehrbedarf ausgeglichen werden (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 8). Darüber hinaus war beabsichtigt, ebenfalls die Situation des Kindes in der besonderen Konstellation der Alleinerziehung zu verbessern. Denn dessen Lebensbedingungen werden entscheidend durch die finanzielle Situation des Elternteils, bei dem es hauptsächlich lebt, geprägt (vgl zur Aufteilung des Kindergeldes auf den barunterhaltspflichtigen und den betreuenden Elternteil sowie zur wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender auch BVerfG vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 ff, 80). Dies berücksichtigend ist die Leistungshöhe des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) im Zusammenhang mit den Neuregelungen zum Schutz des vorgeburtlichen Lebens deutlich erhöht worden, um zu gewährleisten, dass "sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höheres Haushaltseinkommen erhalten, das sie für die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder verwenden können" (BT-Drucks 12/2605, S 21).

17

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auch sozialpolitisch motivierte Zuordnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende an den oder die für die Pflege und Erziehung Hauptverantwortlichen bestehen nicht (vgl zu den Grenzen sozialpolitischer Gestaltungsfreiheit BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 16).

18

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
XII ZB234/13 Verkündet am:
12. März 2014
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinaus gehendes
Umgangsrecht wahr, kann der Tatrichter die in diesem Zusammenhang getätigten außergewöhnlich
hohen Aufwendungen, die als reiner Mehraufwand für die Ausübung des erweiterten
Umgangsrechts dem Anspruch des Kindes auf Zahlung von Unterhalt nicht als bedarfsdeckend
entgegengehalten werden können (vor allem Fahrt- und Unterbringungskosten
), zum Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf des Kindes unter Herabstufung
um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen.

b) Der auf diesem Weg nach den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelte Unterhaltsbedarf
kann (weitergehend) gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil
dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er
den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise
deckt (im Anschluss an Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 -
FamRZ 2006, 1015 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707).
BGH, Beschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - OLG Frankfurt am Main
AG Marburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin WeberMonecke
und die Richter Dr. Günter, Dr. Botur und Guhling

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. April 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Antragsgegner unter Zurückweisung seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Marburg vom 23. Oktober 2012 für die Zeit von Januar 2011 bis Juli 2012 zur Zahlung rückständigen Kindesunterhalts nebst Zinsen an die Antragstellerin verpflichtet worden ist. Im Übrigen (Zahlung des laufenden Kindesunterhalts seit August 2012) wird die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass das hälftige gesetzliche Kindergeld für ein erstes Kind anzurechnen ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

A.

1
Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt für die Zeit ab Januar 2011.
2
Der Antragsgegner ist der Vater der am 11. November 2001 geborenen Antragstellerin. Er ist Polizeibeamter und bezieht ein um Versicherungsbeiträge und Werbungskosten bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von monatlich 2.375 €. Die Mutter der Antragstellerin ist Lehrerin. Im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung ihrer Ehe schlossen die Eltern der Antragstellerin im März 2010 eine notarielle Vereinbarung, wonach die Betreuung der Antragstellerin "nach dem sogenannten Wechselmodell ausgeübt werden" solle. Im Januar 2011 vereinbarten die Kindesmutter und der Antragsgegner, dass sich die Antragstellerin konkret in einem zweiwöchentlichen Rhythmus von Freitag bis Sonntag und darüber hinaus wöchentlich an zwei weiteren Tagen bei dem Antragsgegner aufhalten solle.
3
In dem vorliegenden, im März 2011 eingeleiteten Verfahren hat zunächst die Kindesmutter den Antragsgegner im Wege des Stufenantrages auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen. In einem parallel geführten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat die Kindesmutter im Mai 2011 bei dem Amtsgericht eine einstweilige Anordnung gegen den Antragsgegner auf Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts in Höhe von 272 € seit März 2011 erwirkt. Nachdem die Ehe der Eltern der Antragstellerin im Juli 2011 rechtskräftig geschieden worden ist, hat die Antragstellerin - vertreten durch die Kindesmutter - den Eintritt in dieses Verfahren erklärt. Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darum, ob die von den Eltern praktizierte Betreuung der mittlerweile 12-jährigen Antragstellerin einem Wechselmodell mit etwa gleichen Betreuungsanteilen entspricht.
4
Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts seit August 2012 sowie zur Zahlung eines Unterhaltsrückstands für den Zeitraum von Januar 2011 bis Juli 2012 in Höhe von 2.747 € nebst Zinsen verpflichtet. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den seit August 2012 zu zahlenden Unterhalt auf 115 % des Mindestunterhalts herabgesetzt und den Antragsgegner für den Zeitraum von Januar 2011 bis Juli 2012 zur Zahlung eines Unterhaltsrückstands in Höhe von 5.886 € nebst Zinsen verpflichtet.
5
Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er sein Ziel der vollständigen Abweisung des Unterhaltsantrages weiterverfolgt.

B.

6
Die Rechtsbeschwerde hat nur teilweise, nämlich wegen der Unterhaltsrückstände und der Zinsen, Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

I.

7
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner in FamRZ 2014, 46 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
8
Die von ihrer Mutter gesetzlich vertretene Antragstellerin könne ihre Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner geltend machen, nachdem die Beteiligten einvernehmlich eine subjektive Klageänderung vorgenommen hätten. Die Vertretungsregelung des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB finde zugunsten der Mutter Anwendung, weil sich der Antragsgegner nicht in gleicher Weise wie die Mutter in die Betreuung des Kindes einbringe und der Schwerpunkt des Aufenthalts des Kindes daher bei der Mutter liege.
9
Auf die notarielle Vereinbarung vom März 2010 könne sich der Antragsgegner nicht berufen, weil sie ausschließlich sorge- und umgangsrechtlichen Inhalt habe und solche Vereinbarungen ohne Mitwirkung eines Familiengerichts nicht wirksam werden könnten. Es komme vielmehr auf die tatsächliche Ausgestaltung der Betreuung an, die nicht gleichgewichtig sei. Der von dem Antragsgegner vorgetragene Rhythmus zeige zwar, dass sich die Antragstellerin an sieben von vierzehn Tagen bei ihm aufhalte. Dies blende aber aus, dass sich das Kind in den Nächten vor und nach diesen Tagen und teilweise auch während der Schulzeiten nicht bei ihm aufhalte. Vielmehr verbringe die Antragstellerin nur vier von vierzehn Nächten im Haushalt des Antragsgegners. Zudem müsse das Kind im Krankheitsfall wegen der Schichtdienste des Antragsgegners von der Kindesmutter betreut werden. Der Antragsgegner sei zwar im Vergleich zu anderen umgangsberechtigten Vätern überproportional dazu bereit, die Antragstellerin zu sich zu nehmen und zu versorgen. Allerdings bringe es sein Beruf mit sich, dass er keine festen Zeiten zusagen könne, an denen die Antragstellerin bei ihm sein kann. Seine Dienstpläne stelle er der Kindesmutter nicht zur Verfügung. Zudem führe sein Dienstherr Korrekturen und Erweiterungen der Dienstpläne durch, so dass die Aufenthaltszeiten des Kindes nur verhältnismäßig kurzfristig abgesprochen oder vereinbarte Aufenthaltszeiten auch kurzfristig abgesagt werden könnten. Die Kindesmutter müsse sich daher jederzeit für die Kindesbetreuung zur Verfügung halten und könne sich nicht darauf einrichten, zu bestimmten Zeiten nicht in die Kindesbetreuung eingebunden zu werden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Kindesmutter die Kleidung für die Antragstellerin einkaufe, sie mit den notwendigen Schulutensilien versorge , Sport- und Musikunterricht regele und finanziere sowie die Kosten für Klassenfahrten übernehme.
10
Hinzu komme, dass die Vereinbarung eines Wechselmodells auch eine Einigung der Eltern über die finanziellen Bedürfnisse des Kindes und die finanziellen Folgen des Wechselmodells voraussetze. Die Frage, wie die finanzielle Ausstattung des Kindes mit Taschengeld, Kleidung, den für die Schule notwendigen Sachmitteln, notwendigen Auslagen für Geschenke bei Kindergeburtstagen usw. gestaltet werden solle, müsse bei einer in paritätischer Verantwortung ausgeübten Betreuung des Kindes geregelt sein. An einer solchen Absprache fehle es hier.
11
Der Unterhalt sei nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragsgegners zu bemessen. Dieser verfüge unstreitig über bereinigte Einkünfte von monatlich 2.375 €, womit er - weil nur eine einzige Unterhaltspflicht bestehe - nach Höherstufung von der vierten in die fünfte Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle einzuordnen sei. Allerdings müsse der deutlich erweiterte Umgang auch in die Unterhaltsfrage einbezogen werden, was dann geboten sei, wenn sich das Kind mehr als zehn Tage beim Umgangsberechtigten aufhalte. Den Kosten des erweiterten Umgangs sei unterhaltsrechtlich nicht durch eine nach § 287 ZPO zu schätzende Kostenersparnis für den Haushalt des betreuenden Elternteils, sondern sachgerecht durch eine veränderte Eingruppierung in die Düsseldorfer Tabelle Rechnung zu tragen. Dies habe den Vorteil, dass einerseits der Aufwand für den erweiterten Umgang immer zu einer finanziellen Entlastung des Umgangsberechtigten beitrage und er andererseits keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursache, weil er sich Absetzungen beim Kindesunterhalt erhoffe.
12
Die von dem Antragsgegner vorgetragenen Zusatzkosten für den erweiterten Umgang - Vorhalten eines Kinderzimmers, zusätzliche Fahrtkosten, Verköstigung des Kindes - überstiegen jedenfalls 400 € nicht. Damit sei eine Herabstufung um eine Einkommensgruppe ausreichend, was hier im Ergebnis dazu führe, dass keine Höherstufung vorzunehmen sei. Der Antragsgegner habe daher seit Januar 2011 Unterhalt nach der vierten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen. Er habe zwar während des gesamten Zeitraumes Unterhaltszahlungen erbracht. Da er aber noch im Beschwerdeverfahren verdeutlicht habe, nach seiner Auffassung nicht zu Unterhaltszahlungen verpflichtet zu sein, seien diese Zahlungen einzig in Erfüllung der einstweiligen Anordnung oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geflossen. Die Antragstellerin könne diese Zahlungen zwar nicht noch einmal fordern. Da sie der Antragsgegner nicht mit dem Ziel der Erfüllung geleistet habe, könnten sie bei der Titulierung aber nicht in Abzug gebracht werden.

II.

13
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung zwar überwiegend, aber nicht in allen Punkten stand.
14
1. Das Beschwerdegericht ist zu Recht von der Zulässigkeit des Unterhaltsantrages ausgegangen.
15
a) Die Zulässigkeit des Antrages scheitert entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht daran, dass die Antragstellerin von der Kindesmutter nicht ordnungsgemäß habe vertreten werden können. Soweit das Beschwerdegericht im Hinblick auf § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB von einem Alleinvertretungs- recht der Kindesmutter ausgegangen ist, begegnet dies keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
16
aa) Nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge derjenige Elternteil, in dessen "Obhut" sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Der dem Jugendhilferecht entlehnte (vgl. auch § 42 SGB VIII) Begriff der Obhut knüpft an die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse an. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der mithin die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes nach Pflege, Verköstigung, Kleidung, ordnender Gestaltung des Tagesablaufs und ständig abrufbereiter emotionaler Zuwendung vorrangig befriedigt oder sicherstellt. Leben die Eltern in verschiedenen Wohnungen und regeln sie den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes dergestalt, dass es vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils lebt und dies durch regelmäßige Besuche in der Wohnung des anderen Elternteils unterbrochen wird (Eingliederungs- oder Residenzmodell ), so ist die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem erstgenannten Elternteil zuzuordnen (Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1016 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707 Rn. 8). Nur wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehat. Dann muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltend- machung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1016).
17
bb) Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kind räumlich getrennt lebender Eltern im Residenzmodell oder im Wechselmodell betreut wird, kommt im Rahmen des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem zeitlichen Einsatz der Eltern bei der Betreuung des Kindes eine besondere Bedeutung zu. Anknüpfend an den Normzweck der Vorschrift, die Einleitung von Sorgerechtsverfahren nur mit dem Ziel einer späteren Austragung von Unterhaltskonflikten möglichst zu vermeiden, wird ein Elternteil bereits dann als Träger der Obhut im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB angesehen werden können, wenn bei diesem Elternteil ein eindeutig feststellbares, aber nicht notwendigerweise großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind vorliegt (vgl. MünchKommBGB/Huber 6. Aufl. § 1629 Rn. 77; Johannsen/Henrich/Jaeger Familienrecht 5. Aufl. § 1629 BGB Rn. 6).
18
(1) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts haben die Eltern im Januar 2011 einen konkreten Betreuungsrhythmus dahingehend vereinbart, dass sich die Antragstellerin an jedem zweiten Wochenende von Freitag bis Sonntag und darüber hinaus an zwei Tagen in der Woche bei dem Antragsgegner aufhalten soll. Bezogen auf einen Zeitraum von vierzehn Tagen wird die Antragstellerin danach an sieben vollen Tagen allein von der Kindesmutter betreut werden. An den anderen sieben Tagen soll zwar Kontakt zum Antragsgegner stattfinden; nach dem vereinbarten Umgangsschema ist allerdings nur am Samstag des Besuchswochenendes eine ganztägige Betreuung durch den Antragsgegner gewährleistet. Im Übrigen würde sich die Antragstellerin entweder morgens oder abends noch im Haushalt der Kindesmutter aufhalten.
19
Damit stehen auch die weitergehenden Ausführungen des Beschwerdegerichts zu den tatsächlichen Betreuungszeiten in Einklang. Das Beschwerde- gericht hat angenommen, dass die Antragstellerin - nach dem bestrittenen Vortrag des Antragsgegners - in den Monaten März bis Juni 2012 für jeweils sieben Tage vollständig und darüber hinaus zwischen sieben und neun Tagen "hälftig", "etwa hälftig" oder "stundenweise" von dem Antragsgegner betreut worden sei. Nur während der Schulferien im Juli 2012 habe sich die Antragstellerin - bedingt durch den Ferienumgang - vierzehn volle und zwei halbe Tage bei dem Antragsgegner und damit etwa hälftig bei beiden Elternteilen aufgehalten. Ein Wechselmodell mit etwa gleich langen zeitlichen Betreuungsphasen ist damit schon nach dem eigenen Vorbringen des Antragsgegners in der Gesamtschau nicht gegeben; sein durchschnittlicher zeitlicher Betreuungsanteil dürfte sich vielmehr - was die Rechtsbeschwerde an sich nicht in Zweifel zieht - noch in dem Bereich bewegen, in dem der Senat bislang die Zuordnung des Schwergewichts der tatsächlichen Betreuung an den anderen Elternteil nicht in Frage gestellt hat (vgl. dazu Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1016 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707 Rn. 10).
20
(2) Soweit die Rechtsbeschwerde gleichwohl meint, im vorliegenden Fall müsse von einem - die Obhut nur eines Elternteils ausschließenden - Wechselmodell ausgegangen werden, weil der zeitliche Betreuungsvorsprung der Kindesmutter im Wesentlichen auf der Mehrzahl der in ihrem Haushalt stattfindenden Übernachtungen der Antragstellerin beruhe, verhilft ihr dieser Einwand nicht zum Erfolg. Auch die Strukturierung des kindlichen Tagesablaufs in den Morgen- und Abendstunden stellt eine gewichtige Betreuungsaufgabe dar, die von dem Elternteil wahrgenommen werden muss, in dessen Haushalt das Kind übernachtet. Dazu kommt, dass der Antragsgegner nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts wegen der Eigenarten seines Schichtdienstes langfristig keine verlässlichen Betreuungszeiten zusagen kann und sich die Kindesmutter deshalb insbesondere auf die Betreuung des Kindes im Krankheitsfall und auf die kurzfristige Absage von Besuchszeiten einrichten muss. Wenn das Beschwerdegericht unter diesen Umständen den Schwerpunkt der tatsächlichen Betreuung der Kindesmutter zuordnet und nicht von einem Wechselmodell, sondern von einem Residenz- bzw. Eingliederungsmodell mit einem erweiterten Umgang des Antragsgegners ausgegangen ist, lassen sich dagegen jedenfalls keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken erheben.
21
(3) Es bedarf unter diesen Umständen keiner näheren Erörterung der Frage, ob - wie das Beschwerdegericht im Anschluss an eine Stellungnahme der Ständigen Fachkonferenz 3 des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF) vom 26. November 2012 (FamRZ 2013, 346, 347) meint - bei einer fehlenden Einigung der Eltern über die wirtschaftlichen Folgen des Wechselmodells unabhängig von den konkreten Betreuungszeiten von vornherein nur von einem erweiterten Umgang ausgegangen werden könnte. Dies erscheint allerdings zweifelhaft (kritisch auch Simon jurisPR-FamFR 12/2013 Anm. 2). Jedenfalls dann, wenn die Eltern unmittelbar nach ihrer räumlichen Trennung ein faktisches Wechselmodell mit etwa gleich langen Betreuungszeiten praktizieren, dürfte sich dieser Ansatz schon deshalb als nicht tragfähig erweisen, weil nicht bestimmt werden könnte, welcher Elternteil der Träger der Obhut und welcher Elternteil der Umgangsberechtigte sein soll.
22
b) Das Beschwerdegericht ist ebenfalls mit Recht davon ausgegangen, dass das von der Mutter vertretene Kind in wirksamer Weise anstelle der Kindesmutter auf Antragstellerseite in das Verfahren eingetreten ist.
23
aa) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet, kann ein Elternteil gemäß § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB Ansprüche auf Kindesunterhalt gegen den anderen Elternteil nur in eigenem Namen geltend machen, solange die Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist. Diese Vorschrift will zum einen in der Ehesache und im Verfahren auf Kindesunterhalt Beteiligtenidentität bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung gewährleisten und zum anderen Konfliktsituationen für das Kind während der Trennungszeit und während des Scheidungsverfahrens verhindern (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2005 - XII ZB 242/03 - FamRZ 2005, 1164, 1166 und vom 19. Juni 2013 - XII ZB 39/11 - FamRZ 2013, 1378 Rn. 9). Dem ist im vorliegenden Fall dadurch Rechnung getragen worden, dass das Verfahren im März 2011 durch die Kindesmutter als Verfahrensstandschafterin eingeleitet worden ist.
24
bb) Die während des erstinstanzlichen Verfahrens eingetretene Rechtskraft der Scheidung der Eltern hat an der Verfahrensführungsbefugnis der Kindesmutter allerdings noch nichts geändert. Der Senat hat bereits entschieden, dass es einerseits dem Rechtsgedanken des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO und andererseits unabweisbaren praktischen Bedürfnissen entspricht, dass ein Unterhaltsverfahren , welches berechtigterweise in Verfahrensstandschaft eingeleitet wurde, in dieser Form - auch durch die Rechtsmittelinstanzen hindurch - bis zum Abschluss gebracht werden kann, wenn die elterliche Sorge für das minderjährige Kind bis dahin keinem anderen übertragen worden ist (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1989 - IVb ZR 3/89 - FamRZ 1990, 283, 284 und Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 39/11 - FamRZ 2013, 1378 Rn. 6).
25
Unbeschadet dessen steht dem Eintritt des minderjährigen Kindes in das von seinem gesetzlichen Vertreter als Verfahrensstandschafter eingeleitete Kindesunterhaltsverfahren nach Rechtskraft der Scheidung seiner Eltern der Schutzzweck des § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht mehr entgegen. Das Kind kann daher grundsätzlich im Wege des gewillkürten Beteiligtenwechsels in das Unterhaltsverfahren eintreten. Dieser Eintritt setzt nach den allgemeinen Regeln (vgl. Senatsurteil vom 29. August 2012 - XII ZR 154/09 - FamRZ 2012, 1793 Rn. 15) neben der Zustimmung des ausscheidenden Verfahrensstandschafters grundsätzlich auch die Zustimmung des Antragsgegners voraus, wenn - wie hier - mit dem Verfahrensstandschafter auf Antragstellerseite bereits mündlich verhandelt worden ist. Die Zustimmung des Antragsgegners ist im vorliegenden Fall jedenfalls nach § 267 ZPO unwiderlegbar zu vermuten, weil sich der Antragsgegner im weiteren Verfahrensverlauf in die folgenden mündlichen Verhandlungen eingelassen hat, ohne der in dem Antragstellerwechsel liegenden Antragsänderung zu widersprechen. Es bedarf deshalb keiner Erörterung der Frage, ob die Zustimmung des Antragsgegners zum Beteiligtenwechsel auch in den Fällen durch Sachdienlichkeit ersetzt werden kann, in denen das Unterhaltsverfahren auf Antragstellerseite durch den bisherigen Verfahrensstandschafter ohne weiteres im eigenen Namen fortgesetzt werden könnte (vgl. zum gewillkürten Beteiligtenwechsel bei der Beendigung der Verfahrensstandschaft mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 39/11 - FamRZ 2013, 1378 Rn. 11).
26
2. Das Beschwerdegericht hat den dem Grunde nach gemäß §§ 1601 ff. BGB unterhaltspflichtigen Antragsgegner für verpflichtet gehalten, nach seinen eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen allein für den Barunterhalt der Antragstellerin aufzukommen, weil die Kindesmutter ihre Unterhaltspflicht durch Betreuung der Antragstellerin erfülle. Auch dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
27
a) Mehrere gleich nahe Verwandte haften nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Unterhalt eines Berechtigten anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung. Der andere, nicht betreuende Elternteil hat den Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren (§ 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die gesetzliche Regelung geht mithin davon aus, dass ein Elternteil das Kind betreut und ver- sorgt und der andere Elternteil die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen hat. Dabei bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 Abs. 1 BGB). Soweit dieser allerdings noch keine eigenständige Lebensstellung erlangt hat, wie dies bei unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kindern der Fall ist, leitet sich seine Lebensstellung von derjenigen der unterhaltspflichtigen Eltern ab. Wird das Kind von einem Elternteil versorgt und betreut, während der andere Teil Barunterhalt leistet , so ist die Lebensstellung des Kindes grundsätzlich auf die Einkommensund Vermögensverhältnisse des barunterhaltspflichtigen Elternteils begrenzt.
28
Diese Beurteilung ist solange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil - auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse - zum Barunterhalt verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert. Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt (Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1017 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707 Rn. 16).
29
Anders wird es allerdings zu beurteilen sein, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt. In solchen Fällen wird eine anteilige Barunterhaltspflicht der Eltern in Betracht kommen, weil sie auch für den Betreuungsunterhalt nur anteilig aufkommen. Verfügen beide Elternteile über Einkünfte, ist der Elementarbedarf des Kindes an den beiderseitigen - zusammengerechneten - Einkünften auszurichten. Hinzuzurechnen sind Mehrkosten , die durch die Aufteilung der Betreuung entstehen und deren Ansatz und Erstattung unter den jeweiligen Umständen angemessen ist (vgl. Wohlgemuth FPR 2013, 157, 158). Für den so ermittelten Bedarf haben die Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und unter Berücksichtigung der erbrachten Naturalunterhaltsleistungen aufzukommen (Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1017; zu den verschiedenen Berechnungsmodellen vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 450; Bausch/Gutdeutsch/Seiler FamRZ 2012, 258, 260; Wohlgemuth FPR 2013, 157, 158 f.).
30
b) Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung (vgl. auch BFH DStRE 2013, 1171 Rn. 21 ff. zu § 64 Abs. 2 EStG). Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken braucht (Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1017 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707 Rn. 16).
31
Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts erledigt die Kindesmutter - über ihren zeitlich größeren Einsatz bei der Betreuung des Kindes im eigenen Haushalt hinaus - bedeutsame organisatorische Aufgaben der Kindesbetreuung weitgehend allein, namentlich die Beschaffung von Kleidung und Schulutensilien sowie die Regelung der Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten wie Sport- oder Musikunterricht. Wenn das Beschwerdegericht unter diesen Umständen in tatrichterlicher Verantwortung zu der Schlussfolgerung gelangt ist, dass die Kindesmutter ihre Unterhaltspflicht gegenüber der Antragstellerin durch ihre Betreuungsleistungen erfüllt, lässt sich hiergegen aus Rechtsgründen nichts erinnern. Demgemäß hat das Beschwerdegericht den Unterhaltsbedarf der Antragstellerin zu Recht allein auf der Grundlage des Einkommens des Antragsgegners anhand der Düsseldorfer Tabelle ermittelt.
32
3. Auch die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung der von dem Antragsgegner aufgebrachten Kosten des (erweiterten) Umgangs durch das Beschwerdegericht lässt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Antragsgegners erkennen.
33
Dabei ist im Ausgangspunkt zu unterscheiden zwischen Kosten, die zu einer teilweisen Bedarfsdeckung führen, und solchen Kosten, die reinen Mehraufwand für die Ausübung des Umgangsrechts darstellen und den anderen Elternteil nicht entlasten.
34
a) Von einer teilweisen Bedarfsdeckung kann mit Blick auf die von dem Antragsgegner konkret geltend gemachten Aufwendungen für das Vorhalten eines Kinderzimmers in seiner Wohnung und für die zusätzlichen Fahrtkosten nicht ausgegangen werden. Dass der Antragsgegner insbesondere den Wohnbedarf der Antragstellerin in der Zeit, in der sie sich bei ihm aufhält, bestreitet, mindert den - ohne Berücksichtigung dieser Mehrkosten ermittelten - Unterhaltsbedarf des Kindes nicht, denn in den Tabellensätzen sind nur die bei einem Elternteil anfallenden Wohnkosten enthalten (Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1017).
35
aa) Insbesondere die Kosten für das Bereithalten von Wohnraum zur Übernachtung von Kindern bleiben bei einem im üblichen Rahmen ausgeübten Umgangsrecht unterhaltsrechtlich in der Regel schon deshalb unbeachtlich , weil es typischerweise angemessen und ausreichend ist, die Kinder in den Räumlichkeiten mit unterzubringen, die dem individuellen Wohnraumbedarf des Unterhaltspflichtigen entsprechen (Senatsurteil vom 23. Februar 2005 - XII ZR 56/02 - FamRZ 2005, 706, 708; OLG Schleswig Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 15 WF 414/13 - juris Rn. 16; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 272; Botur in Büte/ Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1603 BGB Rn. 59; zu umgangsbedingt erhöhten Wohnkosten aus grundsicherungsrechtlicher Sicht vgl. Behrend jM 2014, 22, 28 f.). Auch die mit der Ausübung des Umgangsrechts verbundenen Fahrtkosten hat - von Ausnahmefällen abgesehen - im Rahmen eines üblichen Umgangs grundsätzlich der nicht betreuende Elternteil zu tragen.
36
Die Erweiterung des Umgangsrechts über das übliche Maß hinaus führt jedenfalls bei nicht beengten wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen noch zu keiner grundlegend anderen Beurteilung. Denn die im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht entstehenden Unterbringungs- und Fahrtkosten können grundsätzlich nicht vom anrechenbaren Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils abgezogen werden, wenn ihm - wie hier - auch nach dem Abzug dieser Kosten noch ein ausreichendes Einkommen verbleibt (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1018; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 273).
37
bb) Diese Grundsätze schließen es aber nicht aus, dass derTatrichter den im Rahmen eines deutlich erweiterten Umgangsrechts getätigten Aufwendungen , die dem Anspruch des Kindes auf Zahlung von Unterhalt in Form einer Geldrente nicht als (teilweise) Erfüllung entgegengehalten werden können, bei der Ermittlung des Kindesunterhalts nach Tabellenwerten durch eine Umgruppierung innerhalb der Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle Rechnung trägt. Die Unterhaltsbedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle sind nur Hilfsmittel für die Unterhaltsbemessung. Das mit ihrer Hilfe gewonnene Ergebnis ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls durch den Tatrichter stets auf seine Angemessenheit und Ausgewogenheit hin zu überprüfen (vgl. Senatsurteile vom 19. Juli 2000 - XII ZR 161/98 - FamRZ 2000, 1492, 1493 und vom 6. Februar 2002 - XII ZR 20/00 - FamRZ 2002, 536, 540). Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinaus gehendes Umgangsrecht wahr, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert, kann der Tatrichter bei der Ausübung seines Ermessens im Rahmen der Angemessenheitskontrolle die wirtschaftliche Belastung des Unterhaltspflichtigen insbesondere mit zusätzlichen Fahrtkosten und den Kosten für das Vorhalten von Wohnraum in rechtsbeschwerderechtlich unbedenklicher Weise zum Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf unter Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen oder - wie hier - auf eine nach den maßgebenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien ansonsten gebotene Hochstufung in eine höhere Einkommensgruppe zu verzichten.
38
b) Der auf diesem Weg nach den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelte Unterhaltsbedarf kann (weitergehend) gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt (vgl. § 1612 Abs. 2 BGB).
39
Dies ist aber nicht schon deshalb der Fall, weil durch die Abwesenheit des Kindes während der Ausübung des Umgangsrechts im Haushalt des be- treuenden Elternteils Aufwendungen für die Verpflegung des Kindes und gegebenenfalls Energie- und Wasserkosten erspart werden, die ansonsten aus dem Kindesunterhalt hätten bestritten werden müssen. Soweit das Umgangsrecht in einem üblichen Rahmen ausgeübt wird, folgt dies schon daraus, dass die pauschalierten Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle die Ausübung eines üblichen Umgangsrechts bereits berücksichtigen, so dass dessen Kosten entschädigungslos von dem besuchten Elternteil zu tragen sind. In Bezug auf die Ausübung eines deutlich erweiterten Umgangsrechts hat der Senat bislang die Ansicht vertreten, dass auch die Verpflegung des Kindes während einiger weiterer Tage im Haushalt des umgangsberechtigten Elternteils nicht zu nennenswerten Ersparnissen auf Seiten des betreuenden Elternteils führe (vgl. Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1017 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707 Rn. 25). Dies ist nicht ohne Kritik geblieben (Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 449 mit Fn. 293; Luthin FamRZ 2007, 710; Wellenhofer JuS 2007, 873, 874), was im vorliegenden Fall aber keiner näheren Erörterung bedarf, weil der Antragsgegner weder die im Zuge des erweiterten Umgangsrechts durch ihn getragenen (Mehr-)Aufwendungen für die Verköstigung der Antragstellerin noch etwaige Ersparnisse dargelegt hat, die dadurch im Haushalt der Kindesmutter entstanden sein könnten. Auch sonstige bedarfsdeckende Aufwendungen hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt.
40
4. Von Rechts- und Verfahrensfehlern beeinflusst ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts jedoch im Hinblick auf die der Antragstellerin zuerkannten Unterhaltsrückstände und Zinsen.
41
a) Das Amtsgericht hat der Antragstellerin für die Monate Januar 2011 bis Juli 2012 ihrem Antrag gemäß einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 2.747 € zuerkannt. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsgegner Be- schwerde eingelegt, während die Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz (lediglich ) auf Zurückweisung der Beschwerde angetragen hat. Das Beschwerdegericht hat den zu zahlenden Unterhaltsrückstand für die Monate Januar 2011 bis Juli 2012 auf 5.886 € (rechnerisch richtig: 6.213 €) erhöht. Damit hat das Beschwerdegericht sowohl gegen § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 308 Abs. 1 ZPO als auch gegen das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers im Beschwerdeverfahren (§ 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG iVm § 528 ZPO) verstoßen, was der Senat von Amts wegen auch ohne entsprechende Verfahrensrüge beachten muss (Senatsurteil vom 7. Mai 1991 - XII ZR 69/90 - FamRZ 1991, 1414; BGHZ 36, 316, 319). Diese Verfahrensfehler können in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr geheilt werden (Senatsurteil vom 7. Mai 1991 - XII ZR 69/90 - FamRZ 1991, 1414).
42
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass der Antragsgegner "durchgehend" Unterhaltszahlungen geleistet habe. Es kann dahinstehen, ob der Antragsgegner - wie das Beschwerdegericht meint - diese Zahlungen lediglich auf die einstweilige Anordnung bzw. zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem für sofort wirksam erklärten erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts geleistet hat. Es braucht in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht geklärt zu werden, ob eine einstweilige Anordnung einen abschließenden Rechtsgrund im Sinne von § 812 BGB für das Behaltendürfen der darauf empfangenen Leistungen bildet (vgl. OLG Bamberg FamRZ 2006, 965). Denn die Antragstellerin hat in erster Instanz den rückständigen Unterhalt nach Abzug der von ihr empfangenen Unterhaltsbeträge berechnet und den Zahlungen des Antragsgegners damit selbst Erfüllungswirkung beigemessen; dem ist das Amtsgericht in seinen Entscheidungsgründen gefolgt. In dieser Situation konnte das von dem Antragsgegner angerufene Beschwerdegericht der Antragstellerin ohne Verstoß gegen §§ 308, 528 ZPO in der zweiten Instanz keine höheren Unterhaltsrückstände mit der Begründung zusprechen, dass die von ihr empfangenen Leis- tungen bei rechtlich zutreffender Würdigung des Sachverhalts tatsächlich keine Erfüllungswirkung gehabt hätten (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 10. Dezember 2013 - 2 UF 216/12 - juris Rn. 88); hierzu hätte es vielmehr einer antragserweiternden Anschlussbeschwerde bedurft (vgl. auch OLG Frankfurt Beschluss vom 12. Juli 2013 - 4 UF 265/12 - juris Rn. 118).
43
b) Auch die Entscheidung zu den Zinsen hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Unabhängig davon, dass in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch insoweit ein Verstoß gegen §§ 308, 528 ZPO vorliegen dürfte, begegnet die Entscheidung des Beschwerdegerichts auch materiell-rechtlichen Bedenken.
44
Wenn der Antragsgegner seine laufenden Unterhaltszahlungen lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung bzw. aus dem nicht rechtskräftigen, aber vorläufig vollstreckbaren Beschluss erster Instanz geleistet haben sollte, folgt hieraus zwar, dass die Unterhaltsforderung nicht im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Es entspricht indessen der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass eine freiwillige Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel in Höhe der erbrachten Leistung den Verzug mit der Geldschuld beendet und insoweit die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugs- oder Prozesszinsen (§§ 288, 291 BGB) entfallen lässt (grundlegend BGH Urteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 104/80 - NJW 1981, 2244 f.; BGH Urteile vom 7. Oktober 1982 - VII ZR 163/81 - WM 1983, 21, 22 und vom 15. März 2012 - IX ZR 35/11 - NJW 2012, 1717 Rn. 11 mwN; vgl. auch BAG NZA 2008, 757 Rn. 16). Nichts anderes kann für Leistungen gelten, die ein Unterhaltsschuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einer einstweiligen Anordnung erbringt.
45
5. Da das Beschwerdegericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine konkreten Feststellungen zur Höhe und zum Zeitpunkt der von dem Antragsgegner geleisteten Zahlungen getroffen hat, ist die Sache im Hinblick auf die Unterhaltsrückstände für die Monate Januar 2011 bis Juli 2012 nicht zur Endentscheidung reif; das Verfahren ist insoweit an das Beschwerdegericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). Wegen des für den Zeitraum ab August 2012 zuerkannten Unterhalts hat die Beschwerdeentscheidung hingegen mit einer klarstellenden Maßgabe zur Kindergeldanrechnung - hier insbesondere mit Blick auf § 1612 b Abs. 2 BGB - Bestand.
Dose Weber-Monecke Günter Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Marburg, Entscheidung vom 23.10.2012 - 74 F 211/11 UK -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 03.04.2013 - 2 UF 394/12 -

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe der für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 vom Beklagten zu leistenden Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

2

Der 1971 geborene, alleinstehende Kläger bezieht vom Beklagten seit 1.1.2005 mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld II (Alg II). Vom 1.8.2005 bis zu seinem Umzug am 15.1.2007 bewohnte er in K. eine 32,35 m² große Wohnung, für die er eine monatliche Bruttokaltmiete von 190 Euro (Nettokaltmiete 149 Euro und kalte Betriebskosten 41 Euro) und ab Oktober 2006 eine monatliche Heizkostenvorauszahlung von 17 Euro zahlte. Der Beklagte bewilligte dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 203,94 Euro für Dezember 2006 und in Höhe von 209,11 Euro inklusive einer Nebenkostennachforderung in Höhe von 5,17 Euro für Januar 2007.

3

Einen vom Kläger am 11.9.2006 gestellten Antrag auf Zusicherung künftiger Unterkunftsaufwendungen vor einem Umzug innerhalb von K. in eine teurere Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 49 m² lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 25.9.2006, Widerspruchsbescheid vom 24.11.2006). Die hiergegen vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhobene Klage (S 7 AS 61/07) blieb ohne Erfolg, da der Umzug in eine größere Wohnung nicht erforderlich gewesen sei (Urteil vom 8.9.2009).

4

Am 2.1.2007 hatte der Kläger den Mietvertrag über die größere Wohnung in K. geschlossen, für die er ab Einzug am 15.1.2007 die geschuldete monatliche Bruttowarmmiete von 342,55 Euro zahlte. Für den Zeitraum vom 1.2.2007 bis 31.7.2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung nur in Höhe der vorherigen Unterkunftsaufwendungen von monatlich 209,11 Euro (bestandskräftiger Bescheid vom 18.1.2007). Diese Bewilligung hob er für die Zeit vom 1.6.2007 bis 31.7.2007 wegen der Erzielung von Erwerbseinkommen ganz auf und forderte vom Kläger die Erstattung der Leistungen (bestandskräftiger Bescheid vom 21.11.2007). Der Kläger hatte am 11.4.2007 mit der N einen Arbeitsvertrag für Saisonarbeit in Dänemark geschlossen, befristet bis 31.12.2007. Er übte die Beschäftigung vom 11.4.2007 bis 14.10.2007 aus, weil das Beschäftigungsverhältnis vorzeitig beendet wurde.

5

Auf den am 11.10.2007 gestellten neuen Alg II-Antrag des Klägers, der weiterhin in der von ihm zuletzt angemieteten Wohnung in K. wohnte, bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 Alg II in Höhe von monatlich 556,11 Euro, bestehend aus der Regelleistung in Höhe von 347 Euro und Kosten für Unterkunft und Heizung erneut nur in Höhe von 209,11 Euro (Bescheid vom 13.11.2007). Der hiergegen mit dem Begehren auf Zahlung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008).

6

Das SG hat den Beklagten im anschließenden Klageverfahren verurteilt, dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 336,29 Euro zu gewähren (Urteil vom 8.9.2009). Der Kläger habe einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen und angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung von 342,55 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale von 6,26 Euro. Die Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II finde entgegen der Auffassung des Beklagten keine Anwendung, da sie nur bei Umzügen während eines ununterbrochenen Leistungsbezuges gelte, nicht aber nach zeitweiliger Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des Leistungsbezugs. Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) ist erfolglos geblieben (Urteil vom 28.2.2013). Die zu übernehmenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung seien im streitigen Bewilligungsabschnitt trotz Eingreifens der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II im früheren Bewilligungsabschnitt nicht der Höhe nach begrenzt, da die Vorschrift nicht nach unterbrochenem Leistungsbezug fortwirkend anwendbar sei. Wer nicht oder nicht mehr im Leistungsbezug stehe, sei auch nicht den Regelungen des SGB II unterworfen. Allerdings sei nicht jede Unterbrechung des Leistungsbezugs ausreichend, sondern die Überwindung der Hilfebedürftigkeit aus eigener Kraft, dh durch eigenes Einkommen und nicht durch Rückgriff auf Schonvermögen oder nicht nachhaltige Zuwendungen Dritter, für mindestens einen Monat erforderlich. Da der Kläger fünf Monate wegen eigenen Einkommens und fehlender Hilfebedürftigkeit nicht im Leistungsbezug gestanden habe, sei § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nach seinem neuen Alg II-Antrag nicht mehr anzuwenden.

7

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II geltend. Die Voraussetzungen der Norm seien erfüllt, da der Kläger zur Zeit des Mietvertragsabschlusses und Umzugs im Leistungsbezug gestanden habe und der Umzug nicht erforderlich gewesen sei. Die vorübergehende Unterbrechung des Leistungsbezugs infolge der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit stehe der Anwendbarkeit der Norm nicht entgegen, jedenfalls dann nicht, wenn die Unterbrechung nicht mindestens sechs Monate gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2013 und das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. September 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

10

Er nimmt auf die Entscheidungen des SG und des LSG Bezug.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, denn der Kläger hat Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die im streitigen Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 bewohnte Wohnung in Höhe von monatlich 342,55 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale von 6,26 Euro.

12

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die vom Beklagten begehrte Aufhebung der Urteile des LSG und des SG, mithin seine Verpflichtung, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 13.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 127,18 Euro zu zahlen. Der Betrag ergibt sich aus der Differenz der vom Kläger tatsächlich aufgewendeten Kosten für Unterkunft und Heizung für die von ihm im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung abzüglich der Warmwasserpauschale in Höhe von 336,29 Euro und der vom Beklagten bewilligten 209,11 Euro. Die Beschränkung des Streitgegenstandes allein auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung war nach der alten, bis 31.12.2010 geltenden und hier anzuwendenden Rechtslage zulässig (vgl nur Bundessozialgericht vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18). Offen bleiben kann, ob auch unter der Neufassung (nF) der §§ 19 bis 22 SGB II zum 1.1.2011 durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) eine entsprechende Beschränkung des Streitgegenstandes weiterhin prozessual zulässig ist.

13

Der Zeitraum ab Antragstellung des Klägers am 11.10.2007 bis 31.10.2007 ist nicht Streitgegenstand, da hierüber vom Beklagten mit bestandskräftigem Versagungsbescheid vom 12.11.2007 entschieden worden ist.

14

2. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung sind § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II in der für die streitige Zeit geltenden Fassung, denn in Rechtsstreitigkeiten über in der Vergangenheit liegende Zeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

15

Der Kläger stellte am 11.10.2007 den erforderlichen Antrag auf Alg II, welches die Kosten für Unterkunft und Heizung umfasst (§ 37, § 19 SGB II). Zudem erfüllte er im streitigen Zeitraum nach den von den Beteiligten nicht gerügten und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz) die Voraussetzungen hinsichtlich des Lebensalters, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II. Er war auch hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II. Anhaltspunkte für das Eingreifen eines Ausschlusstatbestands (§ 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 und 5 SGB II) sind nicht ersichtlich.

16

Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II hat der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe seiner tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Eine Begrenzung der vom Beklagten zu zahlenden Kosten für Unterkunft und Heizung auf die geringeren bewilligten Kosten der zuvor vom Kläger bewohnten Wohnung folgt vorliegend nicht aus § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II(dazu unter 3.). Auch eine Kostensenkung nach § 22 Abs 1 Satz 1 iVm § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II kommt hier nicht in Betracht(dazu unter 4.).

17

3. § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2010 geltenden Fassung (aF), eingeführt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706), lautete: "Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht."

18

Auf diese Vorschrift kann sich der Beklagte vorliegend nicht stützen, weil sie bei Eintritt eines neuen Leistungsfalls keine fortwirkende Anwendung findet (vgl auch Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 78; Pletscher in Adolph/Linhart, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 22 SGB II RdNr 79, 84. EL Stand 11/2013; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 243, Stand 10/2012). Eine neuer Leistungsfall liegt hier vor, weil der Kläger zu Beginn des streitigen Bewilligungsabschnitts seine frühere Hilfebedürftigkeit durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens für mindestens einen Kalendermonat überwunden hatte und aus dem Leistungsbezug ausgeschieden war. Bei dem mit Eintritt seiner erneuten Hilfebedürftigkeit vorliegenden neuen Leistungsfall ist für die zu übernehmenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung allein § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zugrunde zu legen. Die Voraussetzungen für die fortgesetzte Begrenzung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II liegen im streitigen Zeitraum trotz Eingreifens der Regelung im früheren Bewilligungsabschnitt(zu deren Voraussetzungen vgl BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52; Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35) nicht vor.

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a) Die Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II wird durch eine mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs von mindestens einem Kalendermonat verbundene Überwindung der Hilfebedürftigkeit jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens begrenzt. Bei Eintritt eines neuen Leistungsfalles findet die Vorschrift keine Anwendung. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II, seinem Sinn und Zweck, einer vergleichenden Betrachtung mit § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II und unter Berücksichtigung von Wertungsgesichtspunkten sowie des Grundsatzes der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns.

20

Bereits dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "weiterhin" ist es immanent, dass unmittelbar vor Eingreifen der Norm ein ununterbrochener Leistungsbezug bestanden haben muss. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber dieses Tatbestandsmerkmal nicht in den seit 1.1.2011 geltenden § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nF übernommen hat, folgt keine andere Auslegung der hier anzuwendenden alten Fassung. Denn zum einen können hieraus keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (so bereits zur fehlenden Regelung des Verteilzeitraums vor dem 1.4.2011: BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 62 RdNr 23; BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Zum anderen ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass trotz der Wortlautänderung § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nF dem bisherigen Recht entspricht(BT-Drucks 17/3404, S 98).

21

Auch aus dem Sinn und Zweck des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II ergibt sich, dass diese Vorschrift nach einer mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs verbundenen Überwindung der Hilfebedürftigkeit bei Eintritt eines neuen Leistungsfalles nicht fortwirkt. Mit der nur nach erforderlichen Umzügen vorgesehenen Übernahme höherer, noch abstrakt angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung soll eine missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme durch Ausschöpfung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen verhindert und den Kommunen im Hinblick auf die Kostensteigerungen bei Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II eine Steuerungsfunktion belassen werden(BT-Drucks 16/1410 S 23, zur ratio legis vgl auch ausführlich BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35, RdNr 21). Beide Ziele sind aber nur während des Leistungsbezugs und gerade nicht mehr ab dem mit der Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat verbundenen Ende des Leistungsbezugs zu erreichen, da ab diesem Zeitpunkt die Vorschriften des SGB II für die nicht mehr hilfebedürftige Person nicht mehr gelten und die Leistungsträger keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr haben.

22

Erst durch einen neuen Alg II-Antrag begibt sich die betroffene Person neu - wie die erstmalig hilfebedürftige Person - in das System des SGB II und auch nur bei Hilfebedürftigkeit und Leistungsbezug unterliegt sie erneut dessen Regeln (vgl BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 19). Dem Umstand, dass ein Mietvertrag über eine teurere angemessene Wohnung noch während des früheren Leistungsbezugs und damit zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden war, als die hilfebedürftige Person nicht in der Lage war, die höheren Mietzahlungen für die neue Wohnung selbst zu leisten, wird durch die bis zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des früheren Leistungsbezugs eingreifende Kostenbegrenzung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II hinreichend Rechnung getragen.

23

Dieses Ergebnis wird auch durch eine vergleichende Betrachtung mit § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II aF bzw § 22 Abs 4 Satz 1 SGB II nF und den sich daraus ergebenden Wertungsgesichtspunkten bestätigt. Wie der 4. Senat des BSG bereits in früheren Entscheidungen betont hat, knüpft die Obliegenheit zur Einholung einer Zusicherung vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft nach § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II aF bzw § 22 Abs 4 Satz 1 SGB II nF und die damit verbundene Möglichkeit einer Kostenbegrenzung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II an den Status als erwerbsfähige hilfebedürftige/leistungsberechtigte Person an(vgl BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 19). Die Vorschriften gelten auch bei Vorliegen eines früheren Leistungsbezugs nicht über dessen Beendigung hinaus, wenn die hilfebedürftige Person nach Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des Leistungsbezugs, aber vor dem Eintritt neuer Hilfebedürftigkeit eine neue Wohnung angemietet hat und in diese eingezogen ist, selbst wenn die neue Hilfebedürftigkeit zur Zeit des Vertragsabschlusses bereits absehbar war (BSG aaO). Die vorliegende Fallkonstellation rechtfertigt keine andere Behandlung einer ebenfalls erneut hilfebedürftig gewordenen Person.

24

Auch der dem gesamten Leistungssystem des SGB II immanente, in § 1 Abs 1 Satz 1 SGB II aF bzw § 1 Abs 2 Satz 1 SGB II nF sowie in § 2 SGB II normierte Grundsatz der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns spricht für die hier vorgenommene Auslegung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II. Die Eigenverantwortung leistungsberechtigter Personen soll insbesondere dadurch gestärkt werden, dass sie dazu beitragen, ihren Lebensunterhalt durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft und damit unabhängig von der Grundsicherung zu bestreiten (vgl Kador in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 2 RdNr 5; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 1 RdNr 27, Stand 2/2012). Hierdurch soll wiederum dem nur temporären Charakter der Leistungsgewährung nach dem SGB II Rechnung getragen werden, mit der Folge, dass die Verantwortung des Jobcenters - und damit auch seine Berechtigung zur Kostenbegrenzung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II - endet, sobald der Leistungsberechtigte aus dem Leistungssystem ausscheidet, selbst dann, wenn das Ende des Leistungsbezugs nur vorübergehend ist und damit letztlich "nur" zu einer Unterbrechung führt. Durch den bei einem neuen Leistungsfall mit einer erneuten Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II verbundenen nochmaligen "Vorwurf", eine teurere Wohnung angemietet zu haben, würden der Grundsatz der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns sowie die vom Gesetzgeber als unterstützenswert erachteten Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit(§ 1 Abs 2 Nr 2 SGB II aF/§ 1 Abs 3 Nr 2 SGB II nF, §§ 15 ff SGB II) konterkariert.

25

Wie auch der Senat bereits in einer früheren Entscheidung ausgeführt hat, gilt die Kostenbegrenzung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nur, solange nicht Veränderungen in den persönlichen Umständen der betroffenen Person eintreten, die eine Neubestimmung der für sie angemessenen Wohnkosten innerhalb der allgemeinen Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gerechtfertigt erscheinen lassen(Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52 RdNr 13). Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns ist die Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens eine solche Veränderung in den persönlichen Umständen (vgl auch zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit im Zusammenhang mit der Bemessung des sog Verteilzeitraums bei einmaligen Einnahmen: BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 62 RdNr 64; Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 31).

26

b) In zeitlicher Hinsicht ist als Zäsur für die Begrenzung einer fortgesetzten Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II die vorherige Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Unterbrechung des Leistungsbezugs für mindestens einen Kalendermonat erforderlich, aber auch ausreichend(so bereits BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40, RdNr 22; vgl im Übrigen auch Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 78; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 243, Stand 10/2012). Nach Ablauf eines Kalendermonats liegt bei erneuter Hilfebedürftigkeit ein neuer Leistungsfall vor. Die bloße Abmeldung aus dem Leistungsbezug trotz tatsächlich fortbestehender Hilfebedürftigkeit genügt dagegen nicht, um eine Zäsur mit Blick auf die fortgesetzte Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II zu erreichen.

27

Diese Anknüpfung an mindestens einen Kalendermonat für das Vorliegen eines neuen Leistungsfalls folgt aus dem im SGB II geltenden und in der Rechtsprechung des BSG bereits mehrfach betonten Monatsprinzip (vgl BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 53/12 R -, RdNr 26; BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 21 mwN; BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 28; BSG Beschluss vom 23.11.2006 - B 11b AS 17/06 B - SozR 4-4225 § 2 Nr 1 RdNr 14 f; zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen im Zusammenhang mit der Festlegung des sog Verteilzeitraums bei Zufluss einmaliger Einnahmen vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 31). Der Alg II-Anspruch ist auf eine kalendermonatsweise Betrachtung angelegt, wie bereits die in § 41 Abs 1 SGB II normierte Festlegung der Berechnungs- und Leistungsabschnitte auf einen Kalendermonat zeigt. Zudem wird der Regelbedarf (zuvor: Regelleistung) nach § 20 SGB II als Leistung je Kalendermonat ausgewiesen und die Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung iS von § 22 SGB II hat monatsweise zu erfolgen. Die Alg II-Verordnung aF (§ 2) bzw § 11 Abs 2 und 3 SGB II nF stellen hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen auf den Zufluss von Einnahmen innerhalb eines Kalendermonats ab und § 30 SGB II aF bzw § 11b Abs 3 SGB II sehen einen vom monatlichen Erwerbseinkommen abzusetzenden Freibetrag vor. Auch § 23 Abs 4 SGB II aF bzw § 24 Abs 4 SGB II nF, wonach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen, knüpfen an eine kalendermonatsweise Betrachtungsweise an. Nicht zuletzt kommt in § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II nF, wonach der Alg II-Antrag auf den Ersten des Monats zurückwirkt, zum Ausdruck, dass das Gesetz für den Alg II-Anspruch an den Kalendermonat anknüpft.

28

An dieses Monatsprinzip des SGB II ist in zeitlicher Hinsicht auch für die Zäsur bei der Begrenzung der Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II anzuknüpfen. Hierdurch wird insbesondere dem Grundsatz des Forderns und Förderns Rechnung getragen, indem für die betroffenen Personen Anreize geschaffen werden, ihre Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Einkommen zu überwinden, um bei deren tatsächlicher Realisierung, sei es auch nur für einen Kalendermonat, von dem Vorteil der Beendigung der Wirkungsdauer des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II profitieren zu können.

29

Dieser Rückgriff auf das Monatsprinzip steht überdies mit der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG im Einklang, wonach bei zu erbringenden Monatsleistungen wie nach dem SGB II, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz das Entfallen der Hilfebedürftigkeit für einen Monat genügt, um eine Zäsur für nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch nachträglich nicht zu erbringende Leistungen zu bewirken(vgl Urteil vom 26.6.2013 - B 7 AY 3/12 R - juris RdNr 13; Urteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R - SozR 4-3520 § 3 Nr 3 RdNr 14).

30

Für die vom Beklagten unter Bezugnahme auf einen Beschluss des LSG Sachsen (20.10.2008 - L 3 B 530/08 AS-ER) geforderte Unterbrechung des Leistungsbezugs von "wesentlich mehr als sechs Monaten" und auch für das Erfordernis eines zeitlichen Moments von sechs Monaten fehlt es dagegen an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Zwar sieht § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II als Regelbewilligungszeitraum sechs Monate vor. Dennoch liegt § 41 Abs 1 SGB II - wie gezeigt - insgesamt eine kalendermonatsweise Betrachtung der Berechnung und Erbringung der Leistungen nach dem SGB II zugrunde. Der sechsmonatige Bewilligungszeitraum folgt dagegen aus Gründen der Verwaltungsökonomie, weil eine monatsweise Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen und Bescheidung nicht mit vertretbarem Aufwand zu realisieren wäre (vgl BT-Drucks 15/1516, S 63).

31

c) Anhaltspunkte dafür, dass § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II hier aus anderen Gründen fortwirken könnte, bietet der vorliegende Fall nicht, in dem der Kläger seine Hilfebedürftigkeit durch Erzielung bedarfsdeckenden Erwerbseinkommens für mehr als einen Kalendermonat überwunden hatte und für fünf Monate aus dem Leistungsbezug ausgeschieden war, bevor er erneut hilfebedürftig wurde. Seinem erneuten Leistungsantrag liegt ein neuer Leistungsfall zugrunde.

32

4. Da § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II im hier streitigen Zeitraum nicht anwendbar ist, sind nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind.

33

Eine hier allein noch denkbare Absenkung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II scheidet aus, da es bereits an einer hierfür erforderlichen Kostensenkungsaufforderung des Beklagten fehlt. Die vom Kläger beantragte Zusicherung war allein aufgrund der fehlenden Erforderlichkeit des Umzugs aus der zuvor bewohnten in die neue Wohnung abgelehnt worden.

34

Von der festgestellten Bruttowarmmiete von monatlich 342,55 Euro war - wie vom SG im Ergebnis vorgenommen - lediglich ein Betrag in Höhe von monatlich 6,26 Euro als Warmwasserpauschale abzuziehen, da eine entsprechende Berücksichtigung bereits durch die Regelleistung in Höhe von 347 Euro erfolgte (vgl hierzu BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 28 bis 30; Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331, 335). Auf die für den streitigen Zeitraum fehlenden hinreichenden Feststellungen des LSG zu den nach Bruttokaltmiete und Heizkosten aufgeschlüsselten tatsächlichen Aufwendungen des Klägers (zur getrennten Angemessenheitsprüfung von Unterkunfts- und Heizkosten vgl zuletzt BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21)und zur Angemessenheit der Unterkunftskosten kommt es nicht an.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der auf der Insel F. lebende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die im streitigen Zeitraum überwiegend bei ihrer Mutter in B. lebte. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Von November 2005 bis April 2006 wurde die Tochter in der Zeit vom 18.12.2005 bis 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis 22.4.2006 (insgesamt 56 Tage, rund 31 % des Leistungszeitraums von 181 Tagen) von dem Kläger an seinem Wohnort betreut.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 790 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 445 Euro), zunächst ohne anteiliges Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006). Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 5 Euro monatlich für die Kosten der Warmwasserzubereitung anerkannt. Auf die Klagen von Vater (Kläger zu 1) und Tochter hat das SG den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2006 verurteilt, an den Kläger zu 1) für den Zeitraum 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich weitere 70,68 Euro (12 Tage a 5,89 Euro) zu zahlen" und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 4.2.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger seien zusätzliche Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in analoger Anwendung von § 21 SGB II zu zahlen. Die Höhe des Anspruchs hat das SG unter Berücksichtigung des Sozialgeldes für die Tochter nach teilweisem Abzug von Aufwendungen bei den Bedarfen der Bekleidung, der Gesundheitspflege sowie anderer Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung stehe dem Kläger nicht zu, weil ein solcher Ausgleich nur gerechtfertigt sei, wenn die zeitliche, materielle und ideelle Belastung des Erziehenden deutlich über diejenige hinausgehe, die auch bei zusammenlebenden Elternteilen anzutreffen sei. Ein solches Maß sei hier nicht erreicht.

4

Auf die Berufungen des Klägers, seiner Tochter sowie des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil abgeändert und den Tenor neu gefasst. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 verurteilt, der Tochter des Klägers für die Zeiten vom 18.12.2005 bis zum 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis zum 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis zum 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis zum 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis zum 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis zum 22.4.2006 Sozialgeld in Höhe von 6,90 Euro pro Tag zu zahlen. "Im Übrigen" hat es die Klage ebenso wie die "weitergehenden Berufungen der Kläger sowie des Beklagten" zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes oder der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bei der Berechnung des Sozialgeldes der Tochter für die Dauer ihrer zeitweisen Aufenthalte bei dem Kläger scheide aus. Derartige Abschläge widersprächen dem Gedanken der Pauschalierung des Regelbedarfs. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Vor dem Hintergrund des Monatsprinzips könne eine nachhaltige Entlastung des betreuenden Elternteils nur angenommen und eine Teilung dieses Mehrbedarfs erfolgen, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG liege die Anspruchsvoraussetzung einer "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II vor, wenn es an einer nachhaltigen Entlastung des hilfebedürftigen Elternteils während der Betreuungszeit fehle. Allerdings habe das BSG auch betont, dass die Wertung des Familienrechts, die gemeinsame elterliche Sorge zu fördern, zu berücksichtigen sei. Eine Aufteilung des Mehrbedarfs nach Betreuungsanteilen müsse daher auch möglich sein, wenn keine hälftige Aufteilung der elterlichen Pflege und Erziehung gegeben sei. Der Schutz des Art 6 GG für die Beziehung des Elternteils zum Kind in häuslicher Gemeinschaft gelte auch bei einem kürzeren Zusammenleben. Er sei zT "alleinerziehend in einem zeitlichen Umfang, der wöchentliche Phasen überschreite".

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 4. Februar 2009 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, an ihn für den Leistungszeitraum von November 2005 bis April 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in Höhe der Hälfte von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 62,10 Euro, hilfsweise in Höhe von 40 vH des Anteils von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 49,68 Euro, monatlich zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er bezieht sich auf die Entscheidung des LSG.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung liegen nicht vor.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG - nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als sie der Beklagte mit seinem Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4.2.2009 verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen)und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff)und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden. Zwar hat sich der Kläger für die von ihm beanspruchten höheren Leistungen allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehung bezogen; dies beinhaltet aber nur ein Begründungselement für sein Begehren auf höhere Leistungen, das er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 54 Abs 4 SGG).

11

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte er zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 S 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist zutreffend ein Betrag in Höhe von 345 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende iS des § 21 Abs 3 SGB II ist jedoch nicht zu berücksichtigen. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben(§ 21 Abs 3 Nr 1 Variante 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein über die Regelleistung hinausgehender Bestandteil des Alg II, der unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt wird, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insofern von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14). Diese sind hier jedoch nicht gegeben.

12

Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ist für die Frage, ob eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II vorliegt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Alleinerziehung im gesetzlichen Sinne ist nicht erst zu bejahen, wenn eine Person das Kind nach den tatsächlichen Gegebenheiten ausschließlich erzieht und pflegt. Vielmehr ist der Mehrbedarf bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 15). Darüber hinaus hat das BSG bereits entschieden, dass eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II ebenfalls vorliegen kann, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 ff = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der erkennende Senat hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war bereits in zeitlicher Hinsicht eine Konstellation der hälftigen Pflege und Erziehung im streitigen Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 nicht gegeben. Die Tochter des Klägers hat sich an 56 Tagen des Bewilligungszeitraums bei ihm aufgehalten. Sie wurde somit nicht - wie von der Revision vorgebracht - zu 40 % des Leistungszeitraumes, sondern zu rund 30 % des Leistungszeitraums vom Kläger betreut. Dabei betrug die längste zusammenhängende Betreuungszeit im Leistungszeitraum einmalig 21 Tage (im Zusammenhang mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel) und ging im Übrigen über 14 Tage (29.1. bis 11.2. und 9.4. bis 22.4.2006) nicht hinaus.

13

Entgegen der Ansicht der Revision können die vom Senat entwickelten Grundsätze zur hälftigen Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Pflege- und Erziehungsaufgaben praktiziert wird, übertragen werden. Übernimmt ein Elternteil in geringerem als annähernd hälftigem zeitlichen Umfang diese Betreuung des gemeinsamen Kindes, so steht die Mehrbedarfsleistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16, 22; vgl auch BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass zumindest ein anteiliger Mehrbedarf auch dann zu erbringen ist, wenn die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den umgangsberechtigten Leistungsempfänger - wie in dem hier streitigen Bewilligungszeitraum - weniger als hälftig, aber in längeren zeitlichen Abschnitten wahrgenommen wird. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 21 Abs 3 SGB II, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehende.

14

Mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende sollen - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II erfassten Bedarfslagen (bei werdenden Müttern, erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten) - typisierend besondere Bedarfe für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Dabei verknüpft der Gesetzgeber den Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen Familienkonstellation ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") und verbindet damit zugleich regelhaft die Annahme, dass das Schwergewicht der Betreuung und Erziehung nur bei einem Elternteil liegt. Bereits hieraus folgt, dass diese Mehrbedarfsleistung nicht zwischen einem "Hauptverantwortlichen" für die Pflege und Erziehung und dem anderen Elternteil mit einem geringeren Anteil an Pflege- und Erziehungsleistungen aufzuteilen ist. Eine gleichgewichtige Verteilung der Pflege und Erziehung, die ggf eine Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs rechtfertigen kann, ist nur bei einem sogenannten "Wechselmodell" anzunehmen. Ein solches liegt vor, wenn die Hauptverantwortung und das deutliche Schwergewicht der Betreuungsleistung nicht mehr bei einem Elternteil liegt, sondern die Eltern sich in der Betreuung des Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgabe wahrnimmt (BGH Urteil vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331 ff, 333 zur Betreuungs- und Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell). Dabei kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher Betreuungsphasen eine wesentliche Indizwirkung zu (so zum Familienrecht auch BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 ff).

15

Auch die Erbringung der Mehrbedarfsleistung in Form einer Pauschale spricht gegen die Aufteilung nach Betreuungsanteilen. Es ist wesentliches Merkmal des Mehrbedarfs für Alleinerziehende, dass der Gesetzgeber - pauschalierend für die "typische Situation" von Alleinerziehenden - besondere, die Sicherung des Existenzminimums betreffende Bedarfe in einer bestimmten Höhe bei diesen Haushalten annimmt. Insofern wird bei dieser Pauschalierung der Sache nach auch einbezogen, dass besondere Bedarfe von in Familienhaushalten lebenden Erwachsenen durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bemessung der Regelleistungen zugrunde liegt, bisher nicht erhoben werden konnten (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - NJW 2014, 3425 ff, 3430 zur künftig erforderlichen Prüfung des Gesetzgebers, ob der Gesamtbedarf in Familienhaushalten auch tatsächlich gedeckt ist; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 4 RBEG RdNr 3; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 26 ff). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungshöhe durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) Haushalte von Alleinerziehenden bei der Ermittlung der Regelbedarfe von Kindern ausgeklammert, weil diese Haushalte "im Vergleich zu Paaren ein vergleichsweise niedriges Einkommens- und Konsumniveau" hätten (BT-Drucks 17/3404 S 65; vgl auch Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik - Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 26.6.2013 - BT-Drucks 17/14282 S 32). Vor dem Hintergrund dieser auch wirtschaftlich begründeten pauschalierten Leistungsgewährung kommt - anders als bei den konkret ermittelten Regelbedarfen für Kinder - eine "Aufsplittung" des Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit des Kindes in dem Haushalt des jeweiligen Elternteils nicht in Betracht. Hiermit wäre ferner zugleich eine nur anteilige Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei dem die Hauptverantwortung für das Kind tragenden Elternteil verbunden. Diesem Elternteil verbleiben jedoch auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche Aufgaben, Belastungen und Kosten, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (vgl zum Gesichtspunkt der Kostentragung bei der Gestaltung einer hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung bereits Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 RdNr 16).

16

Dieses Ergebnis wird durch die Betrachtung der Gesetzesentwicklung bestätigt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Alleinerziehenden hat der Gesetzgeber die Regelung zum Mehrbedarf für Alleinerziehende inhaltlich unverändert vom BSHG in das SGB II übernommen und hierbei auf die bisherigen Regelungen im BSHG Bezug genommen (BT-Drucks 15/1514 S 60; BT-Drucks 15/1516 S 57). Die besonderen Lebensumstände sind schon unter Geltung des BSHG, wenn auch nur exemplarisch ("vor allem") darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege sowie zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 ). Auch im SGB II soll der besondere Aufwand von Alleinerziehenden für die Pflege und Erziehung der Kinder, etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, durch den Mehrbedarf ausgeglichen werden (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 8). Darüber hinaus war beabsichtigt, ebenfalls die Situation des Kindes in der besonderen Konstellation der Alleinerziehung zu verbessern. Denn dessen Lebensbedingungen werden entscheidend durch die finanzielle Situation des Elternteils, bei dem es hauptsächlich lebt, geprägt (vgl zur Aufteilung des Kindergeldes auf den barunterhaltspflichtigen und den betreuenden Elternteil sowie zur wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender auch BVerfG vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 ff, 80). Dies berücksichtigend ist die Leistungshöhe des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) im Zusammenhang mit den Neuregelungen zum Schutz des vorgeburtlichen Lebens deutlich erhöht worden, um zu gewährleisten, dass "sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höheres Haushaltseinkommen erhalten, das sie für die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder verwenden können" (BT-Drucks 12/2605, S 21).

17

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auch sozialpolitisch motivierte Zuordnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende an den oder die für die Pflege und Erziehung Hauptverantwortlichen bestehen nicht (vgl zu den Grenzen sozialpolitischer Gestaltungsfreiheit BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 16).

18

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X I I Z B 5 9 9 / 1 3
Verkündet am:
in der Familiensache 5. November 2014
Küpferle
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die im Rahmen eines Wechselmodells von einem Elternteil geleistete Kinderbetreuung
kann nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht führen.

b) Im Fall des Wechselmodells haben beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen.
Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen
der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells
entstehenden Mehrkosten (vor allem Wohn- und Fahrtkosten).

c) Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine
Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung
und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei
kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung
zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein
hierauf zu beschränken braucht (im Anschluss an Senatsbeschluss vom
12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917).
BGH, Beschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 599/13 - OLG Bremen
AG Bremen-Blumenthal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling

für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 17. Mai 2013 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Die Antragstellerin macht als Trägerin der Unterhaltsvorschusskasse Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht gegen den Antragsgegner geltend.
2
Der Antragsgegner ist der Vater der minderjährigen Kinder F. (geb. im November 2004) und J. (geb. im November 2006). Seine Ehe mit der Mutter ist inzwischen geschieden. Die Antragstellerin erbringt für die Kinder seit Januar 2011 Unterhaltsvorschussleistungen.
3
Der 1968 geborene Antragsgegner ist Diplom-Ökonom und war in der Vergangenheit mit verschiedenen Unternehmen, unter anderem als Wirtschaftsberater und Versicherungsmakler, selbständig. Über das Vermögen mehrerer Unternehmen wurden von 2009 bis 2011 wie auch anschließend über das Privatvermögen des Antragsgegners Insolvenzverfahren eröffnet. Der Antragsgegner übte zuletzt eine Erwerbstätigkeit in einem Call-Center im Umfang von 30 Wochenstunden und mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.150 € aus. Zur Zeit ist er arbeitslos. Nach einer von den Eltern getroffenen Vereinbarung betreut der Antragsgegner die Kinder an sechs von 14 Tagen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen eines Wechselmodells erfüllt sind.
4
Die Antragstellerin hat für die Kinder beginnend ab Juli 2011 den Mindestunterhalt geltend gemacht, jeweils abzüglich des vollen Kindergelds, das die Mutter bezieht. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zum Unterhalt verpflichtet. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den monatlichen Unterhalt für die Zeit von Juli 2011 bis Oktober 2012 auf 97 € für F. und 72 € für J. festgesetzt, für November und Dezember 2012 auf je 85 € und für die Zeit ab Januar 2013 auf je 60 €.
5
Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner - zugelasse-nen - Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Abweisung der Unterhaltsanträge erstrebt.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
7
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Antragsgegner allerdings für den Mindestunterhalt der Kinder nicht hinreichend leistungsfähig. Die vom Antragsgegner erhobenen Einwände, er sei wegen des nach seinem Vortrag praktizierten Wechselmodells überhaupt nicht barunterhaltspflichtig und im Übrigen jedenfalls vollständig leistungsunfähig, seien aber nicht begründet.
8
Ein Wechselmodell liege nur bei einer (fast) hälftigen Teilung der Kindesbetreuung vor, während der zeitlichen Komponente nur indizielle Bedeutung dafür zukomme, ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trage. Für die restriktive Annahme eines Wechselmodells sprächen auch verfahrensökonomische Erwägungen. Die Annahme eines Wechselmodells habe nämlich zur Folge, dass kein Elternteil das Kind mehr im Sinn von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in Obhut habe und zur Geltendmachung des Kindesunterhalts ein Pfleger bestellt werden müsste. Auch der Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen sei dann nicht möglich, außerdem seien Schwierigkeiten bei der Bezugsberechtigung für das Kindergeld zu erwarten. Hinzu kämen Ungewissheiten und Unklarheiten bei der Berechnung des Kindesunterhalts, weil nun beide Eltern barunterhaltspflichtig seien, ein Mehrbedarf wegen des mit dem Wechselmodell verbundenen erhöhten Aufwands hinzugerechnet werden müsse und der Barunterhalt sich wegen der als Naturalleistung erbrachten Betreuung mindere. Die großzügige Annahme eines Wechselmodells könne zu einem Rückgang der Bereitschaft zur Einräumung weitreichender Umgangskontakte führen. Dagegen könne ein Mehraufwand, der dem Kindesvater aufgrund des erhöhten Betreuungsaufwands anfalle, auch bei enger Auslegung des Wechselmodellbegriffs berücksichtigt werden. Das ermögliche eine großzügigere unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Mehrkosten, welche allerdings konkret geltend zu machen seien.
9
Im vorliegenden Fall sei ein Wechselmodell nicht gegeben. Dabei sei nicht auf die vom Antragsgegner aufgestellte stunden- bzw. minutengenaue Berechnung der Betreuungsanteile abzustellen. Dadurch werde eine Exaktheit suggeriert, die mit der Lebenswirklichkeit wenig zu tun haben dürfte. Es sei auch nicht zu berücksichtigen, ob die Betreuung an Werktagen oder Feiertagen erfolge, weil anderenfalls eine Unterhaltsberechnung für die Zukunft nicht möglich sei. Die seit der Trennung praktizierte Kinderbetreuung an sechs von 14 Tagen bedeute einen Betreuungsanteil des Antragsgegners von 43%. Da somit der Anteil der Mutter 57% betrage, liege der Schwerpunkt der Betreuung weiterhin bei dieser.
10
Dem Antragsgegner sei ein fiktives Einkommen zuzurechnen, weil er seine erhöhte Erwerbsobliegenheit nicht erfüllt habe. Allerdings sei er auch aufgrund dessen nur zur Zahlung eines Teils des Mindestunterhalts in der Lage. In Anbetracht der zu berücksichtigenden Betreuungszeiten sei dem Antragsgegner neben der Tätigkeit im Umfang von 30 Wochenstunden entsprechend seiner früheren Tätigkeit im Call-Center eine zusätzliche Tätigkeit an Montag- und Dienstagvormittagen zumutbar, aus der er weitere 295 € und insgesamt mithin ein monatliches Nettoeinkommen von 1.173 € erzielen könne. Abzüglich der Kosten einer Monatskarte für öffentliche Verkehrsmittel belaufe sich das erzielbare bereinigte Einkommen auf 1.119 €. Mehrkosten des Antragsgegners wegen der von ihm übernommenen Kindesbetreuung seien davon nicht abzuziehen. Denn der Antragsgegner habe zu solchen Kosten trotz mehrerer Hinweise nichts vorgetragen und damit auch eine großzügige Schätzung eventueller Mehrkosten nicht ermöglicht.
11
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
12
Der Antragsgegner ist seinen Kindern zumindest im zugesprochenen Umfang nach § 1601 BGB zum Barunterhalt verpflichtet. Die Ansprüche der Kinder sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG kraft Gesetzes auf die Antragstellerin übergegangen.
13
a) Die Antragstellerin verfolgt lediglich den Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB, so dass der Unterhaltsbedarf der Kinder nach § 1610 BGB keine besondere Darlegung erfordert (vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 224). Die Unterhaltsbedürftigkeit der Kinder nach § 1602 BGB steht außer Streit.
14
Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts ist der Antragsgegner im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB unter Wahrung des hierfür von der Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte ausgewiesenen notwendigen Selbstbehalts (bis Dezember 2012: 950 €, ab Januar 2013: 1.000 €) im Umfang der zugesprochenen Beträge leistungsfähig. Dass das Oberlandesgericht trotz gesteigerter Unterhaltspflicht keine zusätzliche, über den Umfang einer vollschichtigen Tätigkeit hinausgehende Nebentätigkeit des Antragsgegners für erforderlich gehalten hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Januar 2014 - XII ZB 185/12 - FamRZ 2014, 637 Rn. 18 und vom 24. September 2014 - XII ZB 111/13 - juris Rn. 19, 23), nimmt auf die vom Antragsgegner geleistete Kinderbetreuung Rücksicht und ist - abgesehen davon, dass dies für den Antragsgegner günstig ist - aus Rechtsgründen daher nicht zu beanstanden.
15
b) Der Antragsgegner wird nach § 1606 Abs. 3 BGB jedenfalls von einem Unterhalt in der zugesprochenen Höhe nicht befreit.
16
aa) Eine Befreiung vom Barunterhalt nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ist nicht eingetreten. Das gilt unabhängig davon, ob die Eltern ein Wechselmodell praktizieren. Denn bei einem Wechselmodell wird kein Elternteil vom Barunterhalt für das Kind befreit.
17
Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes. Die gesetzliche Regelung betrifft den Fall des sogenannten Residenzmodells und der damit verbundenen herkömmlichen Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung. Sie stellt den kinderbetreuenden Elternteil in diesem Fall vom Barunterhalt frei. Entgegen der vom Antragsgegner in den Vorinstanzen vertretenen Auffassung kann hingegen die im Rahmen eines Wechselmodells geleistete Kinderbetreuung nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht führen. Dies muss schon deshalb gelten, weil anderenfalls beide Elternteile vom Barunterhalt befreit wären, obwohl nur der Betreuungsbedarf des Kindes gedeckt wäre. Demgegenüber bliebe der in § 1612 a Abs. 1 BGB und den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesene sächliche (Regel-)Bedarf offen.
18
Das Oberlandesgericht hat daher zu Recht hervorgehoben, dass im Fall des Wechselmodells beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen haben. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergeben-den - erhöhten - Bedarf insbesondere die Mehrkosten des Wechselmodells (vor allem Wohn- und Fahrtkosten), so dass der von den Eltern zu tragende Bedarf regelmäßig deutlich höher liegt als beim herkömmlichen Residenzmodell.
19
bb) Das Oberlandesgericht hat ein Wechselmodell zu Recht verneint und demzufolge auch eine Reduzierung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners wegen anteiliger Haftung der Mutter nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB abgelehnt.
20
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die auf dem Residenzmodell beruhende und § 1606 Abs. 3 BGB tragende gesetzliche Beurteilung solange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil - auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse - zum Barunterhalt verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert. Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 28; Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1017 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707 Rn. 16; aA Schürmann FamRZ 2014, 921; Sünderhauf NZFam 2014, 585).
21
Anders ist es nur zu beurteilen, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs - und Erziehungsaufgaben wahrnimmt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 29). Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken braucht (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 30 mwN).
22
Ergibt sich hingegen auch bei annähernd hälftiger Mitbetreuung ein deutliches Schwergewicht der Betreuungsverantwortung bei einem Elternteil, so ist von der regelmäßigen gesetzlichen Verteilung der Unterhaltsanteile nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB auszugehen. Der den anderen Elternteil infolge des erweiterten Umgangsrechts treffenden finanziellen Mehrbelastung kann dadurch Rechnung getragen werden, dass im Hinblick auf die von ihm getätigten Aufwendungen eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle erfolgt. Der Unterhalt kann zudem weitergehend gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 37 f.).
23
(2) Dass das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall ein Wechselmodell verneint hat, steht mit den aufgeführten Grundsätzen im Einklang.
24
Aufgrund der Betreuung der unterhaltsberechtigten Kinder durch den Antragsgegner an sechs von 14 Tagen hat das Oberlandesgericht übereinstimmend mit dem Amtsgericht den Schwerpunkt noch auf Seiten der Mutter gese- hen. Es hat dabei maßgeblich auf die entsprechende Vereinbarung der Eltern abgestellt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
25
Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, der Antragsgegner habe durch detaillierte Berechnung dargelegt, dass sein Betreuungsanteil nicht bei 43%, sondern bei 46,67% liege, vermag einen Verfahrensfehler nicht aufzuzeigen. Denn das Oberlandesgericht ist insoweit übereinstimmend mit dem Amtsgericht davon ausgegangen, dass die vom Antragsgegner vorgetragenen Zeiten auf vorübergehenden Abweichungen beruhten, die sich etwa aus beruflich stärkerer Belastung eines Elternteils ergaben, und eine Orientierung an der von den Eltern getroffenen Vereinbarung, die bewusst nicht auf genau hälftige Anteile ausgerichtet gewesen sei, nicht in Frage stellen. Das hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
26
(3) Im Übrigen dürfte auch ein unterstelltes Wechselmodell den Antragsgegner nicht weiter entlasten, als ihm infolge der Unterhaltskürzung wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit bereits zugutegekommen ist. Zwar hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Mutter getroffen. Es ist aber davon ausgegangen, dass auf Seiten des Antragsgegners die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB eingreift, was wiederum voraussetzt, dass die Mutter kein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BGB ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12 - FamRZ 2013, 1558 Rn. 26 mwN). Da der Antragsgegner aufgrund der angefochtenen Entscheidung für die Zeit bis Dezember 2012 nur rund ein Drittel und für die Folgezeit sogar unter einem Viertel des gesetzlichen Mindestunterhalts zu tragen hat, dürfte sich demnach aus einem - unterstellten - Wechselmodell kein geringerer Unterhaltsanteil des Antragsgegners ergeben.
27
c) Eine teilweise Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs hat das Oberlandesgericht zu Recht mangels konkreten Vorbringens des Antragsgegners verneint.
28
Durch die von ihm übernommene Kinderbetreuung konnte eine Teilerfüllung abweichend von der vom Oberlandesgericht insoweit zum Wechselmodell angestellten Überlegung von vornherein nicht eintreten, weil mit dem Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB lediglich der sächliche Bedarf geltend gemacht wird, der vom Betreuungsbedarf zu unterscheiden ist (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG sowie Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 19).
29
d) Das Oberlandesgericht ist schließlich zutreffend von einem gesetzlichen Übergang des Anspruchs auf die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 UVG ausgegangen. Dass der Unterhaltsanspruch wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit aufgrund fiktiven Einkommens bemessen worden ist, hindert den Anspruchsübergang nach der Rechtsprechung des Senats nicht (Senatsurteile vom 27. September 2000 - XII ZR 174/98 - FamRZ 2001, 619 und vom 14. März 2001 - XII ZR 57/99 - JAmt 2001, 241).
Dose Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Bremen-Blumenthal, Entscheidung vom 28.11.2012 - 76 F 343/12 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 17.05.2013 - 4 UF 9/13 -

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Mai 2007 bis März 2008.

2

Die 1971 geborene Klägerin ist erwerbsfähig, ledig und hat zwei Kinder. An der Pflege und Erziehung der 1991 geborenen Tochter J und des 2003 geborenen Sohnes F sind deren Väter nicht in nennenswertem Umfang beteiligt. Die Klägerin wohnte im streitigen Zeitraum mit ihrer Mutter (geb 1947), ihrem Vater (geb 1943), ihrer Schwester (geb 1969) und den beiden Kindern in einem in ihrem Eigentum stehenden Einfamilienhaus. Im Erdgeschoss finden sich drei - im streitigen Zeitraum von den Eltern genutzte - Räume (Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer) sowie eine von allen Bewohnern genutzte Küche. Die Klägerin, ihre beiden Kinder und die Schwester bewohnten im Obergeschoss jeweils einen Wohnraum. Außerdem gab es dort ein gemeinschaftlich genutztes weiteres Bad.

3

Die Klägerin, ihre Kinder sowie die Eltern und die Schwester bezogen ab Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte nahm weder eine Bedarfs- noch eine Haushaltsgemeinschaft an und berücksichtigte bei der Klägerin einen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Für den streitigen Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.3.2008 bewilligte er SGB II-Leistungen in Höhe von monatlich 353,61 Euro (Regelleistung in Höhe von 318,23 Euro; Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 35,38 Euro) ohne Mehrbedarf für Alleinerziehende (Bescheid vom 20.4.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25.9.2007 sowie des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007).

4

Nach Anhörung der Klägerin sowie ihrer Eltern zum Umfang der Pflege und Erziehung der Kinder hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 20.4.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.5.2008 den Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von monatlich 124,20 Euro für die Monate Mai und Juni 2007 sowie in Höhe von monatlich 124,92 Euro für die Monate Juli 2007 bis März 2008, insgesamt 1372,68 Euro, zu gewähren (Urteil vom 17.6.2010).

5

Das LSG hat die Berufung des Beklagten nach erneuter Vernehmung der Eltern der Klägerin sowie ihrer Schwester als Zeugen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des SG-Urteils dahin geändert wird, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 dem Grunde nach verurteilt wird, der Klägerin für die Zeit vom 1.5.2007 bis zum 31.3.2008 höhere, in die Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit fallende Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II zu gewähren(Urteil vom 11.8.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin habe im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für die Bewilligung von SGB II-Leistungen nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II erfüllt. Sie sei erwerbsfähig und hilfebedürftig; über anderweitiges anrechenbares Einkommen oder zu berücksichtigende Vermögenswerte verfüge die Klägerin nicht. Sie habe mit ihren Eltern und ihrer Schwester nicht in einer Haushaltsgemeinschaft iS von § 9 Abs 5 SGB II gelebt. Ein "Wirtschaften aus einem Topf" habe nicht stattgefunden. Neben dem Regelleistungsbedarf sei ein Mehrbedarf für Alleinerziehende zu berücksichtigen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum zumindest mit einem Kind unter sieben Jahren zusammengelebt und allein für dessen Pflege und Erziehung gesorgt habe. Sie habe ihren Sohn (wie im Übrigen auch J) ohne wesentliche, dem typischen Pflege- und Erziehungsbeitrag ihrer Väter entsprechende Beteiligung Dritter versorgt und erzogen. Der Auffassung des Beklagten, dass (bereits) bei einem Ausgleich von Erschwernissen durch Dritte, die Alleinerziehende träfen, die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs nicht erfüllt seien, könne nicht gefolgt werden. Orientiere man sich allein an dem Zweck der Mehrbedarfsregelung (weniger Zeit zum preisbewussten Einkauf, höhere Aufwendungen für Kontaktpflege zur Unterrichtung in Erziehungsfragen) wäre der Bedarf im konkreten Fall zwar nicht zu erhöhen, weil es eine gelegentliche, zeitlich begrenzte Fürsorge für die Kinder durch die Großeltern und die Tante gegeben habe und allein durch deren Anwesenheit Freiräume eröffnet gewesen seien, die es der Klägerin erlaubt hätten, den beschriebenen Bedarfslagen ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand gerecht zu werden. Jedoch sei eine allein auf Sinn und Zweck des Mehrbedarfs gestützte Auslegung nicht tragfähig, weil die zum Vierten BSHG-Änderungsgesetz dargelegten, vom BSG aufgegriffenen Bedarfslagen regelhaft nicht bestünden. Es ließen sich aber nur in geringem Umfang Fallgruppen bezeichnen, in denen die vom historischen Gesetzgeber genannten Bedarfslagen aufträten; in der überwiegenden Zahl der Fälle bzw den von § 21 Abs 3 SGB II erfassten Familien- und Alterskonstellationen sei dies nicht bzw nicht mehr der Fall. Preisvergleiche seien im Computerzeitalter sekundenschnell per Mausklick möglich, Lebensmitteldiscounter heutzutage von fast jedem Haushalt gut erreichbar und auch die "Befriedigung von Informations- und Kontaktbedürfnissen" bei der inzwischen nahezu flächendeckenden Verbreitung von Flatrates für Telefon und Internetzugang regelmäßig nicht mehr mit Mehrkosten verbunden. Aus Kostengesichtspunkten mache die Zuerkennung eines allgemeinen Mehrbedarfs für Alleinerziehende unter Berücksichtigung gegenwärtiger Lebensverhältnisse nur insofern Sinn, als der alleinerziehende Elternteil eines Kleinkindes oder mehrerer Kleinkinder gelegentlich auf Babysitterdienste angewiesen sei.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II aF. Die vom LSG bei der Auslegung des § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II zugrunde gelegte Annahme einer wesentlichen Mitwirkung bzw Unterstützung in erheblichem Umfang bei der Erziehung bis hin zum gleichwertigen Erziehungsanteil anderer Personen könnten unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm nicht gefordert werden. Nur wenn die Familie derart zerrüttet sei, dass eine Inanspruchnahme der jeweils anderen Familienmitglieder schon aus psychischen und emotionalen Gründen ausscheide, sei die Bedarfssituation anders zu beurteilen. Entgegen der Wertung der Zeugenaussagen durch das SG und das LSG stehe nicht fest, dass die Großeltern der Klägerin und deren Schwester nicht an der Erziehung der Kinder in dem hier fraglichen Zeitraum mitgewirkt hätten. Die Bekundungen der Klägerin und ihrer Mutter seien nicht glaubhaft und wirkten verfahrensangepasst. Für ein enges Zusammenleben der Klägerin mit ihren Eltern und der Schwester sprächen bereits die Wohnverhältnisse. Es müsse im Ergebnis und unter Würdigung der Zeugenaussagen und der Wohn- und Lebensverhältnisse der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie sowohl von ihren Eltern als auch von ihrer Schwester bei der Pflege und Erziehung der Kinder mindestens in dem Umfang unterstützt werde, wie eine tagsüber anwesende und die Hauptlast bei der Pflege und Erziehung tragende Mutter durch den etwa aus Gründen der Berufstätigkeit tagsüber oder sogar wochenweise abwesenden (Ehe)Partner. Es liege eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG vor, weil eine Ungleichbehandlung zwischen Alleinstehenden mit Kindern einerseits und (verheirateten) Partnern mit Kindern andererseits bestehe.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beklagte kommentiere das Urteil ohne Beweisangebote dafür, dass ihre Aussagen und die ihrer Eltern nicht den Tatsachen entsprächen. Der Anspruch auf Mehrbedarf sei nachgewiesen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 rechtswidrig ist, weil die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende hat.

11

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur (noch) der den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 20.4.2007 in vollem Umfang ersetzende Bescheid vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 hinsichtlich der hier allein streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diese können - insbesondere hinsichtlich des Mehrbedarfs - nicht in weitere unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 14; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 10).

12

2. Gegen die bezeichneten Bescheide wendet sich die Klägerin zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 iVm Abs 4, § 56 SGG). Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass ein Grundurteil zulässig ist. Mit ihrem Antrag im Berufungsverfahren hat die Klägerin keinen konkreten Leistungsantrag (mehr) gestellt, sondern nur dem Grunde nach höhere Leistungen beantragt (§ 130 SGG). Dass sie sich hierfür allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende bezieht, beinhaltet keinen konkret bezifferten Leistungsanspruch, sondern enthält nur ein Begründungselement für das Begehren auf höhere Leistungen. Gegenstand des Verfahrens ist daher, ob in dem hier streitigen Zeitraum insgesamt ein Anspruch auf höhere Leistungen bestand, wobei die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ist (BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11). Die weiteren Voraussetzungen für ein Grundurteil in einem Höhenstreit liegen vor, wenn eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs zugrunde liegt, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, weil die Beschränkung der Prüfung auf eine Rechtsfrage oder einzelne Rechtsfragen ansonsten einer unzulässigen Elementenfeststellung gleichkäme (BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1, RdNr 12; BSG SozR 4-4300 § 132 Nr 3 RdNr 17). Dies ist hier der Fall. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II (Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) in dem streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt und - neben dem Kindergeld - weiteres Einkommen und Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, sodass die Anerkennung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit höheren Leistungen verbunden ist.

13

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende hatte. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist gemäß § 21 Abs 3 SGB II ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter sechzehn Jahren zusammenleben(Nr 1), oder in Höhe von 12 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Vomhundertsatz als nach der Nr 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung(Nr 2). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein zusätzlich zur Regelleistung zu gewährender Bestandteil des Alg II.

14

Die Anspruchsvoraussetzung der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt. Dabei ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen (BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 19; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - RdNr 15). Der Senat hat bei dieser Auslegung des Begriffs der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" und die insofern zu stellenden Anforderungen auf die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehenden Bezug genommen, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis - in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten Hilfebedürftigen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist(BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15). Solche besonderen Lebensumstände hat der Senat ausgehend von den Gesetzesmaterialien zur Einführung und zum Zweck der entsprechenden Regelung im BSHG (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 "vor allem") exemplarisch darin gesehen, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen sowie zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten. Auch der Zweck des in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Mehrbedarfs liege darin, den höheren Aufwand von Alleinerziehenden für die Versorgung und Pflege bzw Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen(BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 1; Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 23.2.2011 - L 11 AS 40/09 - juris RdNr 26; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 13.5.2008 - L 9 AS 119/08 ER - juris RdNr 17; Lang/ Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 26; kritisch Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 11/2010, § 21 RdNr 19 und Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21 RdNr 31 ff, Stand Mai 2011).

15

4. Soweit der Beklagte mit seiner Revision diese am Wortlaut, aber auch der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung des Merkmals der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" rügt, sieht der Senat keine Veranlassung zur Korrektur seiner Rechtsprechung. Entgegen der Ansicht des LSG sind die vom BSG formulierten Anforderungen an eine alleinige Sorge für Pflege und Erziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II auch nicht unter teleologischen Gesichtspunkten grundsätzlich in Frage zu stellen.

16

Die Beantwortung der komplexen Fragestellung, ob wegen eines Wandels der tatsächlichen Lebensumstände die vom Gesetzgeber bei Einfügung der Regelung in das BSHG typisierend und beispielhaft angenommenen Bedarfslagen bei Alleinerziehenden tatsächlich nicht (mehr) bzw nicht mehr in der pauschalierend angenommenen Höhe existieren, obliegt dem Gesetzgeber. Wollte dieser den Mehrbedarf für Alleinerziehende anders fassen, ist zu beachten, dass sich Pauschalen, die an die Stelle eines ganz oder teilweise zu berücksichtigenden konkreten Aufwandes treten, nicht an einem hier vorliegenden atypischen Fall orientieren dürfen und "realitätsgerecht" so bemessen sein müssen, dass die typisierenden Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (BVerfGE 112, 268, 281 zur Abzugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten alleinstehender Erwerbstätiger; BVerfGE 120, 125 ff, 166). Eine hohe "Treffergenauigkeit" ist gefordert, wenn es - wie hier - um pauschalierte Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht. Diese Leistungen müssen auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen (zB auch durch Einholung des Rats von Experten - BVerfGE 113, 167 ff, 241) und vertretbaren Einschätzungen beruhen. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind verfassungsrechtlich anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167 ff, 215). Dass sich der Gesetzgeber - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II aF erfassten Bedarfslagen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - für eine pauschale Leistungserbringung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende in einer gesetzlich festgelegten Höhe entschieden hat, ist eine solche gesetzgeberische Entscheidung. Soweit der Beklagte eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG wegen Ungleichbehandlung von Alleinstehenden mit Kindern einerseits und (verheirateten) Partnern mit Kindern andererseits rügt, hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit dem Merkmal der bzw des Alleinerziehenden einen Sachgrund für die Leistungsdifferenzierung angeführt hat.

17

5. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann der Anspruch der Klägerin auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, diese hätte wegen der Wohnverhältnisse im Bedarfsfall auf die Unterstützung ihrer Eltern oder ihrer Schwester zugreifen können. Nach seinem Sinn und Zweck geht § 21 Abs 3 SGB II typisierend von einem regelmäßigen Mehrbedarf bei Alleinerziehenden aus, weshalb - nach den tatsächlichen Verhältnissen - nur eine regelmäßige und erhebliche Unterstützung bei der Pflege und Erziehung der Kinder durch weitere Personen einem Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende entgegenstehen kann(so auch Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 29). Allein die (potentielle) Möglichkeit des Rückgriffs auf andere Personen oder Einrichtungen führt nicht zum Anspruchsausschluss. Auch insofern liegt eine von SGB II-Trägern und der Rechtsprechung zugrunde zu legende gesetzgeberische Wertung vor, die Verneinung des Anspruchs auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende allein von der tatsächlichen und ergänzend kontinuierlichen Erziehung und Pflege durch weitere Personen abhängig zu machen. Diese Auslegung findet ihre Rechtfertigung in der Bedeutung der persönlichen Sorge der Eltern und deren Kompetenz zur Auswahl von Betreuungsalternativen für das Kindeswohl.

18

Soweit der Beklagte vorträgt, bezüglich des zeitlichen Umfangs dürften keine zu hohen Anforderungen an die Betreuungsleistungen aufgestellt werden, weil ansonsten auch der Besuch eines Kindergartens bzw anderer Betreuungseinrichtungen zur Verneinung eines Mehrbedarfs bzw die berufliche Abwesenheit eines vorhandenen Partners zu dessen Bejahung führe, ist der rechtliche Maßstab für die Annahme eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 3 SGB II betroffen. Dieser bestimmt sich danach, ob nach den tatsächlichen Umständen eine wesentliche Mitwirkung des anderen Elternteils, eines Partners oder einer anderen, regelmäßig im gleichen Haushalt lebenden Person in der verbleibenden Betreuungszeit vorliegt. Insofern geht das SGB II davon aus, dass mit der Betreuung eines über drei Jahre alten Kindes in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege die Ausübung einer Arbeit oder berufliche (Re-)Integrationsmaßnahmen zumutbar sind (§ 10 Abs 1 Nr 3 SGB II), sodass "zeitliche Freiräume" der oder des erziehenden SGB II-Leistungsempfängers nicht unterstellt werden können.

19

6. Ausgehend von den demnach hier anzuwendenden Grundsätzen der bisherigen BSG-Rechtsprechung liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), hier vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Eltern der Klägerin hätten im Wesentlichen übereinstimmend bekundet, dass diese seinerzeit nahezu allein insbesondere für die Ernährung, die Bekleidung, die Erziehung und das seelische Wohl ihrer Kinder zuständig gewesen und dabei von ihren Eltern oder ihrer Schwester nicht in erheblichem Maße unterstützt worden sei. Die Klägerin sei frühmorgens aufgestanden, um F für den Kindergarten fertig zu machen, sie habe die Mahlzeiten für F und J vorbereitet, F mittags vom Kindergarten abgeholt, sich ausschließlich um ihn gekümmert und ihn ggf zum Einkaufen sowie bei Arzt- und Behördengängen mitgenommen. Übereinstimmend sei weiter bekundet worden, dass weder die Großeltern noch die Schwester maßgeblich an der Erziehung der Kinder beteiligt gewesen seien und die Klägerin von ihnen auch keine diesbezüglichen Ratschläge eingeholt habe. Die Verhältnisse seien stimmig und anschaulich beschrieben worden.

20

Der Beklagte ist dieser Beweiswürdigung des LSG nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen entgegengetreten (§ 164 SGG). Eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) ist nicht formgerecht gerügt, wenn die Revision lediglich ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; BSG SozR 3-2500 § 109 Nr 9 S 61). Soweit es der Beklagte für "nicht glaubhaft" hält, dass keine Mitwirkung der Großeltern bei Krankheit bestehe, nur sehr wenig über alltägliche Dinge gesprochen werde und der Vater der Klägerin sich auf handwerkliche Mithilfe beschränke, stellt er seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG und führt Umstände an, die selbst bei ihrem Vorliegen nicht automatisch zu einer Verneinung des Anspruchs auf Mehrbedarf führen würden. Dies gilt auch für die Heranziehung der Wohnverhältnisse der Klägerin. Das Zusammenleben mit weiteren Personen in einer Haushaltsgemeinschaft hat der Gesetzgeber des SGB II gerade nicht ausreichen lassen, um typisierend von dem Wegfall der besonderen Lebensumstände von Alleinerziehenden auszugehen. Tatsachen, die einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze begründen könnten (vgl hierzu zB BSG Urteil vom 15.5.1985 - 7 RAr 40/84 - RdNr 18), sind nicht vorgetragen.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der auf der Insel F. lebende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die im streitigen Zeitraum überwiegend bei ihrer Mutter in B. lebte. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Von November 2005 bis April 2006 wurde die Tochter in der Zeit vom 18.12.2005 bis 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis 22.4.2006 (insgesamt 56 Tage, rund 31 % des Leistungszeitraums von 181 Tagen) von dem Kläger an seinem Wohnort betreut.

3

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 790 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 445 Euro), zunächst ohne anteiliges Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006). Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 5 Euro monatlich für die Kosten der Warmwasserzubereitung anerkannt. Auf die Klagen von Vater (Kläger zu 1) und Tochter hat das SG den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2006 verurteilt, an den Kläger zu 1) für den Zeitraum 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich weitere 70,68 Euro (12 Tage a 5,89 Euro) zu zahlen" und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 4.2.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger seien zusätzliche Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in analoger Anwendung von § 21 SGB II zu zahlen. Die Höhe des Anspruchs hat das SG unter Berücksichtigung des Sozialgeldes für die Tochter nach teilweisem Abzug von Aufwendungen bei den Bedarfen der Bekleidung, der Gesundheitspflege sowie anderer Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung stehe dem Kläger nicht zu, weil ein solcher Ausgleich nur gerechtfertigt sei, wenn die zeitliche, materielle und ideelle Belastung des Erziehenden deutlich über diejenige hinausgehe, die auch bei zusammenlebenden Elternteilen anzutreffen sei. Ein solches Maß sei hier nicht erreicht.

4

Auf die Berufungen des Klägers, seiner Tochter sowie des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil abgeändert und den Tenor neu gefasst. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 verurteilt, der Tochter des Klägers für die Zeiten vom 18.12.2005 bis zum 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis zum 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis zum 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis zum 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis zum 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis zum 22.4.2006 Sozialgeld in Höhe von 6,90 Euro pro Tag zu zahlen. "Im Übrigen" hat es die Klage ebenso wie die "weitergehenden Berufungen der Kläger sowie des Beklagten" zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes oder der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bei der Berechnung des Sozialgeldes der Tochter für die Dauer ihrer zeitweisen Aufenthalte bei dem Kläger scheide aus. Derartige Abschläge widersprächen dem Gedanken der Pauschalierung des Regelbedarfs. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Vor dem Hintergrund des Monatsprinzips könne eine nachhaltige Entlastung des betreuenden Elternteils nur angenommen und eine Teilung dieses Mehrbedarfs erfolgen, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG liege die Anspruchsvoraussetzung einer "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II vor, wenn es an einer nachhaltigen Entlastung des hilfebedürftigen Elternteils während der Betreuungszeit fehle. Allerdings habe das BSG auch betont, dass die Wertung des Familienrechts, die gemeinsame elterliche Sorge zu fördern, zu berücksichtigen sei. Eine Aufteilung des Mehrbedarfs nach Betreuungsanteilen müsse daher auch möglich sein, wenn keine hälftige Aufteilung der elterlichen Pflege und Erziehung gegeben sei. Der Schutz des Art 6 GG für die Beziehung des Elternteils zum Kind in häuslicher Gemeinschaft gelte auch bei einem kürzeren Zusammenleben. Er sei zT "alleinerziehend in einem zeitlichen Umfang, der wöchentliche Phasen überschreite".

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 4. Februar 2009 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, an ihn für den Leistungszeitraum von November 2005 bis April 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in Höhe der Hälfte von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 62,10 Euro, hilfsweise in Höhe von 40 vH des Anteils von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere 49,68 Euro, monatlich zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er bezieht sich auf die Entscheidung des LSG.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung liegen nicht vor.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG - nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als sie der Beklagte mit seinem Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4.2.2009 verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen)und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff)und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden. Zwar hat sich der Kläger für die von ihm beanspruchten höheren Leistungen allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehung bezogen; dies beinhaltet aber nur ein Begründungselement für sein Begehren auf höhere Leistungen, das er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 54 Abs 4 SGG).

11

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte er zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 S 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist zutreffend ein Betrag in Höhe von 345 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende iS des § 21 Abs 3 SGB II ist jedoch nicht zu berücksichtigen. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben(§ 21 Abs 3 Nr 1 Variante 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein über die Regelleistung hinausgehender Bestandteil des Alg II, der unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt wird, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insofern von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14). Diese sind hier jedoch nicht gegeben.

12

Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ist für die Frage, ob eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II vorliegt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Alleinerziehung im gesetzlichen Sinne ist nicht erst zu bejahen, wenn eine Person das Kind nach den tatsächlichen Gegebenheiten ausschließlich erzieht und pflegt. Vielmehr ist der Mehrbedarf bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 15). Darüber hinaus hat das BSG bereits entschieden, dass eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II ebenfalls vorliegen kann, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 ff = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der erkennende Senat hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt(Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war bereits in zeitlicher Hinsicht eine Konstellation der hälftigen Pflege und Erziehung im streitigen Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 nicht gegeben. Die Tochter des Klägers hat sich an 56 Tagen des Bewilligungszeitraums bei ihm aufgehalten. Sie wurde somit nicht - wie von der Revision vorgebracht - zu 40 % des Leistungszeitraumes, sondern zu rund 30 % des Leistungszeitraums vom Kläger betreut. Dabei betrug die längste zusammenhängende Betreuungszeit im Leistungszeitraum einmalig 21 Tage (im Zusammenhang mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel) und ging im Übrigen über 14 Tage (29.1. bis 11.2. und 9.4. bis 22.4.2006) nicht hinaus.

13

Entgegen der Ansicht der Revision können die vom Senat entwickelten Grundsätze zur hälftigen Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Pflege- und Erziehungsaufgaben praktiziert wird, übertragen werden. Übernimmt ein Elternteil in geringerem als annähernd hälftigem zeitlichen Umfang diese Betreuung des gemeinsamen Kindes, so steht die Mehrbedarfsleistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16, 22; vgl auch BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass zumindest ein anteiliger Mehrbedarf auch dann zu erbringen ist, wenn die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den umgangsberechtigten Leistungsempfänger - wie in dem hier streitigen Bewilligungszeitraum - weniger als hälftig, aber in längeren zeitlichen Abschnitten wahrgenommen wird. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 21 Abs 3 SGB II, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehende.

14

Mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende sollen - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II erfassten Bedarfslagen (bei werdenden Müttern, erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten) - typisierend besondere Bedarfe für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Dabei verknüpft der Gesetzgeber den Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen Familienkonstellation ("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") und verbindet damit zugleich regelhaft die Annahme, dass das Schwergewicht der Betreuung und Erziehung nur bei einem Elternteil liegt. Bereits hieraus folgt, dass diese Mehrbedarfsleistung nicht zwischen einem "Hauptverantwortlichen" für die Pflege und Erziehung und dem anderen Elternteil mit einem geringeren Anteil an Pflege- und Erziehungsleistungen aufzuteilen ist. Eine gleichgewichtige Verteilung der Pflege und Erziehung, die ggf eine Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs rechtfertigen kann, ist nur bei einem sogenannten "Wechselmodell" anzunehmen. Ein solches liegt vor, wenn die Hauptverantwortung und das deutliche Schwergewicht der Betreuungsleistung nicht mehr bei einem Elternteil liegt, sondern die Eltern sich in der Betreuung des Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgabe wahrnimmt (BGH Urteil vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331 ff, 333 zur Betreuungs- und Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell). Dabei kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher Betreuungsphasen eine wesentliche Indizwirkung zu (so zum Familienrecht auch BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 ff).

15

Auch die Erbringung der Mehrbedarfsleistung in Form einer Pauschale spricht gegen die Aufteilung nach Betreuungsanteilen. Es ist wesentliches Merkmal des Mehrbedarfs für Alleinerziehende, dass der Gesetzgeber - pauschalierend für die "typische Situation" von Alleinerziehenden - besondere, die Sicherung des Existenzminimums betreffende Bedarfe in einer bestimmten Höhe bei diesen Haushalten annimmt. Insofern wird bei dieser Pauschalierung der Sache nach auch einbezogen, dass besondere Bedarfe von in Familienhaushalten lebenden Erwachsenen durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bemessung der Regelleistungen zugrunde liegt, bisher nicht erhoben werden konnten (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - NJW 2014, 3425 ff, 3430 zur künftig erforderlichen Prüfung des Gesetzgebers, ob der Gesamtbedarf in Familienhaushalten auch tatsächlich gedeckt ist; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 4 RBEG RdNr 3; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 26 ff). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungshöhe durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) Haushalte von Alleinerziehenden bei der Ermittlung der Regelbedarfe von Kindern ausgeklammert, weil diese Haushalte "im Vergleich zu Paaren ein vergleichsweise niedriges Einkommens- und Konsumniveau" hätten (BT-Drucks 17/3404 S 65; vgl auch Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik - Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 26.6.2013 - BT-Drucks 17/14282 S 32). Vor dem Hintergrund dieser auch wirtschaftlich begründeten pauschalierten Leistungsgewährung kommt - anders als bei den konkret ermittelten Regelbedarfen für Kinder - eine "Aufsplittung" des Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit des Kindes in dem Haushalt des jeweiligen Elternteils nicht in Betracht. Hiermit wäre ferner zugleich eine nur anteilige Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei dem die Hauptverantwortung für das Kind tragenden Elternteil verbunden. Diesem Elternteil verbleiben jedoch auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche Aufgaben, Belastungen und Kosten, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (vgl zum Gesichtspunkt der Kostentragung bei der Gestaltung einer hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung bereits Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 RdNr 16).

16

Dieses Ergebnis wird durch die Betrachtung der Gesetzesentwicklung bestätigt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Alleinerziehenden hat der Gesetzgeber die Regelung zum Mehrbedarf für Alleinerziehende inhaltlich unverändert vom BSHG in das SGB II übernommen und hierbei auf die bisherigen Regelungen im BSHG Bezug genommen (BT-Drucks 15/1514 S 60; BT-Drucks 15/1516 S 57). Die besonderen Lebensumstände sind schon unter Geltung des BSHG, wenn auch nur exemplarisch ("vor allem") darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege sowie zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 ). Auch im SGB II soll der besondere Aufwand von Alleinerziehenden für die Pflege und Erziehung der Kinder, etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, durch den Mehrbedarf ausgeglichen werden (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 8). Darüber hinaus war beabsichtigt, ebenfalls die Situation des Kindes in der besonderen Konstellation der Alleinerziehung zu verbessern. Denn dessen Lebensbedingungen werden entscheidend durch die finanzielle Situation des Elternteils, bei dem es hauptsächlich lebt, geprägt (vgl zur Aufteilung des Kindergeldes auf den barunterhaltspflichtigen und den betreuenden Elternteil sowie zur wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender auch BVerfG vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 ff, 80). Dies berücksichtigend ist die Leistungshöhe des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) im Zusammenhang mit den Neuregelungen zum Schutz des vorgeburtlichen Lebens deutlich erhöht worden, um zu gewährleisten, dass "sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höheres Haushaltseinkommen erhalten, das sie für die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder verwenden können" (BT-Drucks 12/2605, S 21).

17

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auch sozialpolitisch motivierte Zuordnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende an den oder die für die Pflege und Erziehung Hauptverantwortlichen bestehen nicht (vgl zu den Grenzen sozialpolitischer Gestaltungsfreiheit BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 16).

18

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Mai 2007 bis März 2008.

2

Die 1971 geborene Klägerin ist erwerbsfähig, ledig und hat zwei Kinder. An der Pflege und Erziehung der 1991 geborenen Tochter J und des 2003 geborenen Sohnes F sind deren Väter nicht in nennenswertem Umfang beteiligt. Die Klägerin wohnte im streitigen Zeitraum mit ihrer Mutter (geb 1947), ihrem Vater (geb 1943), ihrer Schwester (geb 1969) und den beiden Kindern in einem in ihrem Eigentum stehenden Einfamilienhaus. Im Erdgeschoss finden sich drei - im streitigen Zeitraum von den Eltern genutzte - Räume (Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer) sowie eine von allen Bewohnern genutzte Küche. Die Klägerin, ihre beiden Kinder und die Schwester bewohnten im Obergeschoss jeweils einen Wohnraum. Außerdem gab es dort ein gemeinschaftlich genutztes weiteres Bad.

3

Die Klägerin, ihre Kinder sowie die Eltern und die Schwester bezogen ab Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte nahm weder eine Bedarfs- noch eine Haushaltsgemeinschaft an und berücksichtigte bei der Klägerin einen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Für den streitigen Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.3.2008 bewilligte er SGB II-Leistungen in Höhe von monatlich 353,61 Euro (Regelleistung in Höhe von 318,23 Euro; Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 35,38 Euro) ohne Mehrbedarf für Alleinerziehende (Bescheid vom 20.4.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25.9.2007 sowie des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007).

4

Nach Anhörung der Klägerin sowie ihrer Eltern zum Umfang der Pflege und Erziehung der Kinder hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 20.4.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1.5.2007 bis 31.5.2008 den Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von monatlich 124,20 Euro für die Monate Mai und Juni 2007 sowie in Höhe von monatlich 124,92 Euro für die Monate Juli 2007 bis März 2008, insgesamt 1372,68 Euro, zu gewähren (Urteil vom 17.6.2010).

5

Das LSG hat die Berufung des Beklagten nach erneuter Vernehmung der Eltern der Klägerin sowie ihrer Schwester als Zeugen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des SG-Urteils dahin geändert wird, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 dem Grunde nach verurteilt wird, der Klägerin für die Zeit vom 1.5.2007 bis zum 31.3.2008 höhere, in die Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit fallende Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II zu gewähren(Urteil vom 11.8.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin habe im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für die Bewilligung von SGB II-Leistungen nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II erfüllt. Sie sei erwerbsfähig und hilfebedürftig; über anderweitiges anrechenbares Einkommen oder zu berücksichtigende Vermögenswerte verfüge die Klägerin nicht. Sie habe mit ihren Eltern und ihrer Schwester nicht in einer Haushaltsgemeinschaft iS von § 9 Abs 5 SGB II gelebt. Ein "Wirtschaften aus einem Topf" habe nicht stattgefunden. Neben dem Regelleistungsbedarf sei ein Mehrbedarf für Alleinerziehende zu berücksichtigen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum zumindest mit einem Kind unter sieben Jahren zusammengelebt und allein für dessen Pflege und Erziehung gesorgt habe. Sie habe ihren Sohn (wie im Übrigen auch J) ohne wesentliche, dem typischen Pflege- und Erziehungsbeitrag ihrer Väter entsprechende Beteiligung Dritter versorgt und erzogen. Der Auffassung des Beklagten, dass (bereits) bei einem Ausgleich von Erschwernissen durch Dritte, die Alleinerziehende träfen, die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs nicht erfüllt seien, könne nicht gefolgt werden. Orientiere man sich allein an dem Zweck der Mehrbedarfsregelung (weniger Zeit zum preisbewussten Einkauf, höhere Aufwendungen für Kontaktpflege zur Unterrichtung in Erziehungsfragen) wäre der Bedarf im konkreten Fall zwar nicht zu erhöhen, weil es eine gelegentliche, zeitlich begrenzte Fürsorge für die Kinder durch die Großeltern und die Tante gegeben habe und allein durch deren Anwesenheit Freiräume eröffnet gewesen seien, die es der Klägerin erlaubt hätten, den beschriebenen Bedarfslagen ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand gerecht zu werden. Jedoch sei eine allein auf Sinn und Zweck des Mehrbedarfs gestützte Auslegung nicht tragfähig, weil die zum Vierten BSHG-Änderungsgesetz dargelegten, vom BSG aufgegriffenen Bedarfslagen regelhaft nicht bestünden. Es ließen sich aber nur in geringem Umfang Fallgruppen bezeichnen, in denen die vom historischen Gesetzgeber genannten Bedarfslagen aufträten; in der überwiegenden Zahl der Fälle bzw den von § 21 Abs 3 SGB II erfassten Familien- und Alterskonstellationen sei dies nicht bzw nicht mehr der Fall. Preisvergleiche seien im Computerzeitalter sekundenschnell per Mausklick möglich, Lebensmitteldiscounter heutzutage von fast jedem Haushalt gut erreichbar und auch die "Befriedigung von Informations- und Kontaktbedürfnissen" bei der inzwischen nahezu flächendeckenden Verbreitung von Flatrates für Telefon und Internetzugang regelmäßig nicht mehr mit Mehrkosten verbunden. Aus Kostengesichtspunkten mache die Zuerkennung eines allgemeinen Mehrbedarfs für Alleinerziehende unter Berücksichtigung gegenwärtiger Lebensverhältnisse nur insofern Sinn, als der alleinerziehende Elternteil eines Kleinkindes oder mehrerer Kleinkinder gelegentlich auf Babysitterdienste angewiesen sei.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II aF. Die vom LSG bei der Auslegung des § 21 Abs 3 Nr 1 SGB II zugrunde gelegte Annahme einer wesentlichen Mitwirkung bzw Unterstützung in erheblichem Umfang bei der Erziehung bis hin zum gleichwertigen Erziehungsanteil anderer Personen könnten unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm nicht gefordert werden. Nur wenn die Familie derart zerrüttet sei, dass eine Inanspruchnahme der jeweils anderen Familienmitglieder schon aus psychischen und emotionalen Gründen ausscheide, sei die Bedarfssituation anders zu beurteilen. Entgegen der Wertung der Zeugenaussagen durch das SG und das LSG stehe nicht fest, dass die Großeltern der Klägerin und deren Schwester nicht an der Erziehung der Kinder in dem hier fraglichen Zeitraum mitgewirkt hätten. Die Bekundungen der Klägerin und ihrer Mutter seien nicht glaubhaft und wirkten verfahrensangepasst. Für ein enges Zusammenleben der Klägerin mit ihren Eltern und der Schwester sprächen bereits die Wohnverhältnisse. Es müsse im Ergebnis und unter Würdigung der Zeugenaussagen und der Wohn- und Lebensverhältnisse der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie sowohl von ihren Eltern als auch von ihrer Schwester bei der Pflege und Erziehung der Kinder mindestens in dem Umfang unterstützt werde, wie eine tagsüber anwesende und die Hauptlast bei der Pflege und Erziehung tragende Mutter durch den etwa aus Gründen der Berufstätigkeit tagsüber oder sogar wochenweise abwesenden (Ehe)Partner. Es liege eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG vor, weil eine Ungleichbehandlung zwischen Alleinstehenden mit Kindern einerseits und (verheirateten) Partnern mit Kindern andererseits bestehe.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. August 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beklagte kommentiere das Urteil ohne Beweisangebote dafür, dass ihre Aussagen und die ihrer Eltern nicht den Tatsachen entsprächen. Der Anspruch auf Mehrbedarf sei nachgewiesen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 rechtswidrig ist, weil die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende hat.

11

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur (noch) der den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 20.4.2007 in vollem Umfang ersetzende Bescheid vom 25.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2007 hinsichtlich der hier allein streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diese können - insbesondere hinsichtlich des Mehrbedarfs - nicht in weitere unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 14; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 10).

12

2. Gegen die bezeichneten Bescheide wendet sich die Klägerin zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 iVm Abs 4, § 56 SGG). Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass ein Grundurteil zulässig ist. Mit ihrem Antrag im Berufungsverfahren hat die Klägerin keinen konkreten Leistungsantrag (mehr) gestellt, sondern nur dem Grunde nach höhere Leistungen beantragt (§ 130 SGG). Dass sie sich hierfür allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende bezieht, beinhaltet keinen konkret bezifferten Leistungsanspruch, sondern enthält nur ein Begründungselement für das Begehren auf höhere Leistungen. Gegenstand des Verfahrens ist daher, ob in dem hier streitigen Zeitraum insgesamt ein Anspruch auf höhere Leistungen bestand, wobei die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ist (BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11). Die weiteren Voraussetzungen für ein Grundurteil in einem Höhenstreit liegen vor, wenn eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs zugrunde liegt, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, weil die Beschränkung der Prüfung auf eine Rechtsfrage oder einzelne Rechtsfragen ansonsten einer unzulässigen Elementenfeststellung gleichkäme (BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1, RdNr 12; BSG SozR 4-4300 § 132 Nr 3 RdNr 17). Dies ist hier der Fall. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II (Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) in dem streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt und - neben dem Kindergeld - weiteres Einkommen und Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, sodass die Anerkennung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit höheren Leistungen verbunden ist.

13

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende hatte. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist gemäß § 21 Abs 3 SGB II ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter sechzehn Jahren zusammenleben(Nr 1), oder in Höhe von 12 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Vomhundertsatz als nach der Nr 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung(Nr 2). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein zusätzlich zur Regelleistung zu gewährender Bestandteil des Alg II.

14

Die Anspruchsvoraussetzung der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt. Dabei ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen (BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 19; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - RdNr 15). Der Senat hat bei dieser Auslegung des Begriffs der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" und die insofern zu stellenden Anforderungen auf die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehenden Bezug genommen, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis - in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten Hilfebedürftigen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist(BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15). Solche besonderen Lebensumstände hat der Senat ausgehend von den Gesetzesmaterialien zur Einführung und zum Zweck der entsprechenden Regelung im BSHG (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 "vor allem") exemplarisch darin gesehen, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen sowie zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten. Auch der Zweck des in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Mehrbedarfs liege darin, den höheren Aufwand von Alleinerziehenden für die Versorgung und Pflege bzw Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen(BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 1; Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 23.2.2011 - L 11 AS 40/09 - juris RdNr 26; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 13.5.2008 - L 9 AS 119/08 ER - juris RdNr 17; Lang/ Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 26; kritisch Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 11/2010, § 21 RdNr 19 und Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21 RdNr 31 ff, Stand Mai 2011).

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4. Soweit der Beklagte mit seiner Revision diese am Wortlaut, aber auch der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung des Merkmals der "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" rügt, sieht der Senat keine Veranlassung zur Korrektur seiner Rechtsprechung. Entgegen der Ansicht des LSG sind die vom BSG formulierten Anforderungen an eine alleinige Sorge für Pflege und Erziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II auch nicht unter teleologischen Gesichtspunkten grundsätzlich in Frage zu stellen.

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Die Beantwortung der komplexen Fragestellung, ob wegen eines Wandels der tatsächlichen Lebensumstände die vom Gesetzgeber bei Einfügung der Regelung in das BSHG typisierend und beispielhaft angenommenen Bedarfslagen bei Alleinerziehenden tatsächlich nicht (mehr) bzw nicht mehr in der pauschalierend angenommenen Höhe existieren, obliegt dem Gesetzgeber. Wollte dieser den Mehrbedarf für Alleinerziehende anders fassen, ist zu beachten, dass sich Pauschalen, die an die Stelle eines ganz oder teilweise zu berücksichtigenden konkreten Aufwandes treten, nicht an einem hier vorliegenden atypischen Fall orientieren dürfen und "realitätsgerecht" so bemessen sein müssen, dass die typisierenden Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (BVerfGE 112, 268, 281 zur Abzugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten alleinstehender Erwerbstätiger; BVerfGE 120, 125 ff, 166). Eine hohe "Treffergenauigkeit" ist gefordert, wenn es - wie hier - um pauschalierte Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht. Diese Leistungen müssen auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen (zB auch durch Einholung des Rats von Experten - BVerfGE 113, 167 ff, 241) und vertretbaren Einschätzungen beruhen. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind verfassungsrechtlich anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167 ff, 215). Dass sich der Gesetzgeber - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II aF erfassten Bedarfslagen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - für eine pauschale Leistungserbringung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende in einer gesetzlich festgelegten Höhe entschieden hat, ist eine solche gesetzgeberische Entscheidung. Soweit der Beklagte eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG wegen Ungleichbehandlung von Alleinstehenden mit Kindern einerseits und (verheirateten) Partnern mit Kindern andererseits rügt, hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit dem Merkmal der bzw des Alleinerziehenden einen Sachgrund für die Leistungsdifferenzierung angeführt hat.

17

5. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann der Anspruch der Klägerin auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, diese hätte wegen der Wohnverhältnisse im Bedarfsfall auf die Unterstützung ihrer Eltern oder ihrer Schwester zugreifen können. Nach seinem Sinn und Zweck geht § 21 Abs 3 SGB II typisierend von einem regelmäßigen Mehrbedarf bei Alleinerziehenden aus, weshalb - nach den tatsächlichen Verhältnissen - nur eine regelmäßige und erhebliche Unterstützung bei der Pflege und Erziehung der Kinder durch weitere Personen einem Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende entgegenstehen kann(so auch Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 29). Allein die (potentielle) Möglichkeit des Rückgriffs auf andere Personen oder Einrichtungen führt nicht zum Anspruchsausschluss. Auch insofern liegt eine von SGB II-Trägern und der Rechtsprechung zugrunde zu legende gesetzgeberische Wertung vor, die Verneinung des Anspruchs auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende allein von der tatsächlichen und ergänzend kontinuierlichen Erziehung und Pflege durch weitere Personen abhängig zu machen. Diese Auslegung findet ihre Rechtfertigung in der Bedeutung der persönlichen Sorge der Eltern und deren Kompetenz zur Auswahl von Betreuungsalternativen für das Kindeswohl.

18

Soweit der Beklagte vorträgt, bezüglich des zeitlichen Umfangs dürften keine zu hohen Anforderungen an die Betreuungsleistungen aufgestellt werden, weil ansonsten auch der Besuch eines Kindergartens bzw anderer Betreuungseinrichtungen zur Verneinung eines Mehrbedarfs bzw die berufliche Abwesenheit eines vorhandenen Partners zu dessen Bejahung führe, ist der rechtliche Maßstab für die Annahme eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 3 SGB II betroffen. Dieser bestimmt sich danach, ob nach den tatsächlichen Umständen eine wesentliche Mitwirkung des anderen Elternteils, eines Partners oder einer anderen, regelmäßig im gleichen Haushalt lebenden Person in der verbleibenden Betreuungszeit vorliegt. Insofern geht das SGB II davon aus, dass mit der Betreuung eines über drei Jahre alten Kindes in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege die Ausübung einer Arbeit oder berufliche (Re-)Integrationsmaßnahmen zumutbar sind (§ 10 Abs 1 Nr 3 SGB II), sodass "zeitliche Freiräume" der oder des erziehenden SGB II-Leistungsempfängers nicht unterstellt werden können.

19

6. Ausgehend von den demnach hier anzuwendenden Grundsätzen der bisherigen BSG-Rechtsprechung liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), hier vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Eltern der Klägerin hätten im Wesentlichen übereinstimmend bekundet, dass diese seinerzeit nahezu allein insbesondere für die Ernährung, die Bekleidung, die Erziehung und das seelische Wohl ihrer Kinder zuständig gewesen und dabei von ihren Eltern oder ihrer Schwester nicht in erheblichem Maße unterstützt worden sei. Die Klägerin sei frühmorgens aufgestanden, um F für den Kindergarten fertig zu machen, sie habe die Mahlzeiten für F und J vorbereitet, F mittags vom Kindergarten abgeholt, sich ausschließlich um ihn gekümmert und ihn ggf zum Einkaufen sowie bei Arzt- und Behördengängen mitgenommen. Übereinstimmend sei weiter bekundet worden, dass weder die Großeltern noch die Schwester maßgeblich an der Erziehung der Kinder beteiligt gewesen seien und die Klägerin von ihnen auch keine diesbezüglichen Ratschläge eingeholt habe. Die Verhältnisse seien stimmig und anschaulich beschrieben worden.

20

Der Beklagte ist dieser Beweiswürdigung des LSG nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen entgegengetreten (§ 164 SGG). Eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) ist nicht formgerecht gerügt, wenn die Revision lediglich ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; BSG SozR 3-2500 § 109 Nr 9 S 61). Soweit es der Beklagte für "nicht glaubhaft" hält, dass keine Mitwirkung der Großeltern bei Krankheit bestehe, nur sehr wenig über alltägliche Dinge gesprochen werde und der Vater der Klägerin sich auf handwerkliche Mithilfe beschränke, stellt er seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG und führt Umstände an, die selbst bei ihrem Vorliegen nicht automatisch zu einer Verneinung des Anspruchs auf Mehrbedarf führen würden. Dies gilt auch für die Heranziehung der Wohnverhältnisse der Klägerin. Das Zusammenleben mit weiteren Personen in einer Haushaltsgemeinschaft hat der Gesetzgeber des SGB II gerade nicht ausreichen lassen, um typisierend von dem Wegfall der besonderen Lebensumstände von Alleinerziehenden auszugehen. Tatsachen, die einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze begründen könnten (vgl hierzu zB BSG Urteil vom 15.5.1985 - 7 RAr 40/84 - RdNr 18), sind nicht vorgetragen.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006.

2

Die 1967 geborene Klägerin bezog zunächst Arbeitslosengeld (bis 25.7.2004), anschließend Krankengeld (bis 20.8.2004) und bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Bei ihr ist ein GdB von 60 anerkannt. Darüber hinaus ist sie erheblich gehbehindert (Merkzeichen "G"). Seit dem 1.7.2007 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Bund.

3

Die Beklagte bewilligte ihr auf Antrag Leistungen nach dem SGB II und zwar für den Zeitraum vom 1.1. bis 1.6.2005 in Höhe von 819,53 Euro (Regelleistung: 345 Euro, Leistungen für Unterkunft und Heizung: 314,53 Euro sowie befristeter Zuschlag: 160 Euro). Für den Monat Juli 2005 reduzierte die Beklagte den befristeten Zuschlag auf 146,66 Euro und danach bis zum 30.11.2005 auf 80 Euro (Bescheide vom 23.11.2004 und 19.4.2005). Für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 gewährte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts alsdann ohne befristeten Zuschlag (Bescheid vom 18.11.2005). In ihren Widersprüchen gegen diese Bescheide machte die Klägerin ua geltend, dass ihr wegen der Schwerbehinderung in Verbindung mit der erheblichen Gehbehinderung höhere Leistungen zustünden. Die Beklagte wies die Widersprüche mit der Begründung zurück, für das Begehren der Klägerin fehle es an einer Anspruchsgrundlage (Widerspruchsbescheid vom 15.12.2005).

4

Im Klageverfahren ist die Klägerin im Wesentlichen erfolglos geblieben (Urteil des SG Düsseldorf vom 4.9.2008). Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG lediglich verpflichtet, der Klägerin unter Beachtung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II für den gesamten streitigen Zeitraum weitere Leistungen in Höhe von 7,52 Euro zu erbringen. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 12.3.2009). Es hat zur Begründung ausgeführt, für das nur noch streitige Begehren der Klägerin auf höhere Leistungen wegen eines Mehrbedarfs auf Grund der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Die Klägerin erfülle weder die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 4 SGB II, noch des Abs 5 dieser Vorschrift. Auch § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II scheide als Anspruchsgrundlage aus. Soweit wegen der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung ein unabweisbarer Bedarf iS des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II gegeben sei, handele es sich um einen regelmäßigen Bedarf, der nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht durch ein Darlehen gedeckt werden könne. Die Klägerin könne sich ebenso wenig auf § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II berufen. Sie erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift nicht, denn sie sei im streitigen Zeitraum nicht erwerbsunfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II gewesen. Eine analoge Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II komme nicht in Betracht. Eine planwidrige Lücke sei nicht zu erkennen. Die Leistung für Mehrbedarf sei nach der gesetzgeberischen Intention erwerbsunfähigen Leistungsempfängern unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit Leistungsempfängern nach dem SGB XII vorbehalten. Eine unmittelbare Anwendung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII scheide bereits deswegen aus, weil erwerbsfähige Hilfebedürftige keine Leistungen nach § 30 SGB XII beziehen könnten, denn § 5 Abs 2 SGB II schließe das Nebeneinander von Leistungen aus beiden Systemen für den Fall aus, dass Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII im Streit stünden. § 73 SGB XII könne auch nicht zur Anwendung kommen. Der hier geltend gemacht Bedarf entspringe keiner atypischen Bedarfslage, die einer der in den Kapiteln 5 bis 9 des SGB XII benannten entspreche. Der Ausschluss von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen von diesen Mehrbedarfsleistungen im Gegensatz zu Erwerbsunfähigen verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz des Art 3 Abs 1 GG. Eine Ungleichbehandlung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gegenüber den erwerbsunfähigen Leistungsbeziehern mit Anspruch auf Leistungen nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige sei auf Grund seiner Möglichkeit des Hinzuverdienstes zum einen in der Lage seinen erhöhten Bedarf selbst zu decken, zum anderen aber auch, soziale Kontakte von sich aus aufrecht zu erhalten. Da es zudem Ziel des SGB II sei, die dortigen Leistungsbezieher in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sei eine vorübergehende Differenzierung zusätzlich zu rechtfertigen.

5

Mit ihrer Revision gegen dieses Urteil macht die Klägerin geltend, dass in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden eine Differenzierung zwischen Erwerbsunfähigen und Erwerbsfähigen nicht gerechtfertigt sei, da sie als schwer- und erheblich gehbehinderte Leistungsbezieherin ebenso wie ein SGB XII-Leistungsberechtigter auf absehbare Zeit nicht in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie habe daher keine Möglichkeiten der Kompensation des Mehrbedarfs durch Erzielung von Erwerbseinkommen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 12.3.2009 und des SG Düsseldorf vom 4.9.2008 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 23.11.2004, 19.4.2005 und 18.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Leistungen für Mehrbedarf in Höhe von 59 Euro monatlich zu gewähren.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des LSG.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.

10

Auf Grund der Feststellungen des LSG vermochte der Senat nicht abschließend zu entscheiden, ob die Klägerin im streitigen Zeitraum Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung hat. Zwar hat das LSG zutreffend auf einfachgesetzlicher Grundlage entschieden, dass der Klägerin im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006 kein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zusteht. Für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mangelt es im SGB II an einer Anspruchsgrundlage für eine derartige Leistung wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung. Eine analoge Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw für den Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII auf den Kreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen scheidet wegen des Fehlens einer planwidrigen Lücke insoweit ebenfalls aus. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind gleichfalls von Leistungen für einen Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung nach den Vorschriften des SGB XII ausgeschlossen; insoweit können sie sich weder direkt auf § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII noch auf § 73 SGB XII berufen. Der Senat konnte auf Grund der Feststellungen des LSG jedoch nicht entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG hat.

11

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide vom 23.11.2004, 19.4.2005 und 18.11.2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2005, mit denen die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006 bewilligt hat. Der erkennende Senat folgt dem LSG insoweit, als dieses durch seine Eingrenzung des Streitgegenstandes auf Leistungen für Mehrbedarf zum Ausdruck bringt, dass zumindest Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht im Streit stehen (zur Eigenständig- und Abtrennbarkeit der Kosten der Unterkunft als Streitgegenstand vgl BSG 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Die weiteren Regelungen der Beklagten in diesen Bescheiden betreffend die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können nicht rechtlich zulässig in unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl zum befristeten Zuschlag BSG vom 31.10.2007 - B 14 AS 30/07 R, SozR 4-4200 § 24 Nr 2; kein Bestandteil der Regelleistung hingegen Anspruch auf Erstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II: BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R , BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2 und 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R SozR 4-4200 § 23 Nr 4) . Dieses gilt auch für eine Leistung für Mehrbedarf, die nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist (vgl BSG 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R, SozR 4-1500 § 71 Nr 2; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 19 RdNr 9) . Der Streit um einen Anspruch auf eine Leistung nach § 21 SGB II stellt keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand dar(BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R , BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5) . Die Höhe der weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist somit unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen (vgl zum Mehrbedarf wegen Alleinerziehung: BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R , aaO) .

12

2. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist die Beklagte weiterhin beteiligtenfähig nach § 70 Nr 2 SGG(vgl hierzu BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1) . Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwar § 44b SGB II als mit Art 28 und Art 83 GG unvereinbar erklärt (Urteil vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 = BVerfGE 119, 331 ). Die gemäß § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften können jedoch für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2010 (BVerfG, aaO) auf der bisherigen Rechtsgrundlage tätig werden (vgl zuletzt BSG 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R, SozR 4-4200 § 21 Nr 4).

13

3. Die Klägerin erfüllt im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl I 2014). Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. Lebensjahr noch nicht, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG erwerbsfähig und hilfebedürftig. Ferner hat sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

14

4. Die Klägerin hat auf einfachgesetzlicher Grundlage keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen eines Mehrbedarfs auf Grund der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung im streitigen Zeitraum. Für einen derartigen Anspruch mangelt es an einer Anspruchsgrundlage im SGB II. Ebenso scheidet eine analoge Anwendung von § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII aus.

15

Dem Anspruch auf Leistungen wegen Mehrbedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II steht zwar nicht grundsätzlich entgegen, dass die Vorschrift im streitigen Zeitraum noch nicht in Kraft getreten war. Sie hat erst auf Grund des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) zum 1.8.2006 Wirkung entfaltet. Der Senat schließt sich jedoch der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG an, der von der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Ergänzung des § 28 SGB II für die Zeit vor der Neuregelung durch analoge Anwendung der sozialhilferechtlichen Parallelregelung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ausgeht(s BSG vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen unter Hinweis auf SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 43).

16

Allerdings scheitert eine Durchsetzung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs unter Rückgriff auf eine entsprechende Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII gegen den SGB II-Träger im streitigen Zeitraum bereits daran, dass sie nach den Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum erwerbsfähig war.

17

Der Wortlaut des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII beschränkt den Kreis der Leistungsberechtigen insoweit eindeutig. Nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II erhalten nur nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs 5 des SGB IX mit dem Merkzeichen "G" sind. Die parallele Regelung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII gilt unter Beachtung von § 21 SGB XII ebenfalls nur für erwerbsunfähige Hilfebedürftige(s zum leistungsberechtigten Personenkreis für Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII: BSG vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R, SozR 4-3500 § 18 Nr 1 ). Dass eine Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf erwerbsfähige Hilfebedürftige auch nicht auf dem Wege eines Analogieschlusses in Betracht kommt, hat der 14. Senat bereits am 21.12.2009 (B 14 AS 42/08 R, vgl Terminbericht vom 22.12.2009 - Nr 72/09) entschieden. Der erkennende Senat schließt sich dem an.

18

Insoweit mangelt es bereits an einer planwidrigen Lücke. Es entsprach von vornherein dem gesetzgeberischen Anliegen, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einen Mehrbedarf allein wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht zugänglich zu machen.

19

Dies folgt bereits aus der Rechtsentwicklung der Vorgängervorschrift des § 23 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die angesichts der Entstehungsgeschichte des § 30 Abs 1 SGB XII für dessen Auslegung und für die Erforschung der Absichten des historischen Gesetzgebers bezüglich der Mehrbedarfe im SGB II wesentliche Bedeutung hat. Entstehungsgeschichtlicher Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Gewährung des Mehrbedarfs war nicht die Schwerbehinderung und der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G", sondern gerade die Erwerbsunfähigkeit des Hilfebedürftigen (vgl die insoweit ausführlichen Darlegungen in BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R, SozR 4-3500 § 30 Nr 1) . Die Schwerbehinderung und die Zuerkennung des Merkzeichens "G" wurde erst durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1088) als eine zusätzliche Voraussetzung für die Gewährung der Mehrbedarfsleistung nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG eingefügt(s BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R, aaO). Die gesetzgeberische Motivation lag wohl darin, den leistungsberechtigten Personenkreis unter gesundheitlichen Aspekten näher einzugrenzen (s BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R, aaO; vgl auch BT-Drucks 13/2440). Deutlich wird zumindest, dass es dem Gesetzgeber nicht darum gegangen ist, die Zielrichtung des Mehrbedarfs insgesamt im Hinblick auf einen Schwerbehindertenmehrbedarf zu verändern, sondern den Empfängerkreis lediglich auf diejenigen Erwerbsunfähigen zu beschränken, die auch schwerbehindert und insbesondere gehbehindert sind. Die Erwerbsunfähigkeit sollte wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Anerkennung des Mehrbedarfs bleiben. Diese Bestimmungen des § 23 Abs 1 BSHG sind im Wesentlichen inhaltsgleich in das SGB XII übernommen worden, wobei ua mit der Absenkung der Prozentsätze der Neukonzeption der Regelsätze Rechnung getragen werden sollte(BT-Drucks 15/1514 S 60 zu § 31). Diese Gesichtspunkte belegen die Planmäßigkeit des Fehlens entsprechender Mehrbedarfsregelungen in § 21 SGB II. Gegen die Planwidrigkeit der Regelungslücke spricht schließlich auch, dass der Gesetzgeber die Änderungen durch das Fortentwicklungsgesetz auf § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II beschränkt hat, also den Kreis der Erwerbsunfähigen, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits Kritik am Fehlen einer entsprechenden Mehrbedarfsregelung in § 21 SGB II aufgekommen waren(vgl nur Hofmann in Münder, LPK-SGB II, 1. Aufl 2005, § 21 RdNr 3).

20

5. Zutreffend ist das LSG ferner davon ausgegangen, dass auch weder § 21 Abs 4 oder 5 SGB II, noch § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin in Betracht kommen.

21

Nach § 21 Abs 4 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des LSG bezog sie im streitigen Zeitraum keine Eingliederungsleistungen. Leistungen für Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II können jedoch nur dann beansprucht werden, wenn tatsächlich Eingliederungsleistungen in dem dort benannten Sinne erbracht werden(vgl BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 19/07 R, BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1 RdNr 22) . Einen medizinisch begründeten Bedarf an kostenaufwändiger Ernährung, der nach § 21 Abs 5 SGB II zu einer Leistung für Mehraufwand führen könnte, hat das LSG ebenfalls - von der Klägerin nicht angegriffen - ausgeschlossen.

22

§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB II scheidet als Anspruchsgrundlage bereits deswegen aus, weil nach dieser Vorschrift keine dauerhaften, monatlich wiederkehrenden pauschalen Bedarfe gedeckt werden können(vgl bereits BSG vom 7.11.2006 BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; s nun auch BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck, S 73) . Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Nach den Feststellungen des LSG und dem eigenen Vortrag der Klägerin begehrt sie keine Leistungen zur Deckung der Aufwendungen eines im Einzelnen unabweisbaren Bedarfs im Sinne des Gesetzes. Das Begehren der Klägerin ist nach der Fassung ihres Antrags, in Übereinstimmung mit ihrem Vortrag sowie den Feststellungen des LSG vielmehr auf einen nicht konkret benannten Ausgleich für die Schwer- und erhebliche Gehbehinderung gerichtet. Sie macht damit eine monatliche Erhöhung der Regelleistung durch einen pauschalen Satz, also eine monatlich wiederkehrende Leistung geltend. Ein derartiger Anspruch kann jedoch nicht auf § 23 SGB II gestützt werden.

23

Grundsätzlich hat der Hilfebedürftige seinen Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Regelleistungspauschale des § 20 SGB II zu decken. Kann ein notwendiger Bedarf durch die Regelleistung tatsächlich nicht gedeckt werden, soll der Hilfebedürftige zunächst den "Ansparbetrag" einsetzen. Dieses folgt aus dem Hinweis auf § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II. Er soll also vorrangig versuchen, aus Mitteln der Regelleistung eine Bedarfsdeckung zu erreichen. Nur wenn ihm dieses nicht gelingt, kann § 23 Abs 1 SGB II im Einzelfall eingreifen(vgl hierzu Gesetzentwurf zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch, BR-Drucks 559/03, S 196; s auch Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Aufl, § 23 RdNr 20) . Dass keine Dauerbedarfe durch die Leistung nach § 23 Abs 1 SGB II gedeckt werden sollen, folgt insoweit unmittelbar aus dem Wortlaut. Aber auch der Hinweis auf den Ansparbetrag und die Art der Leistungsgewährung durch Darlehen, das zudem nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB II zwingend zu tilgen ist, belegen die Beschränkung auf einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf. Eine monatliche Darlehensgewährung (s zur Verteilung der Zuzahlung zu Leistungen der GKV bis zur Belastungsgrenze nach § 62 SGB V über ein Jahr BSG vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R, BSGE 100, 221 = SozR 4-2500 § 62 Nr 6) würde die Tilgungssumme bei monatlicher Darlehensgewährung Monat für Monat erhöhen und bei längerem Leistungsbezug eine kaum überschaubare Dimension annehmen. Zur Deckung eines dauerhaften besonderen Bedarfs ist die Gewährung eines Darlehens ungeeignet (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09).

24

Eine andere Anspruchsgrundlage auf einfachgesetzlicher Ebene des SGB II findet sich nicht. Das Leistungssystem des SGB II ist ein in sich abgeschlossenes, das über die nach diesem Gesetz vorgesehenen Leistungen hinaus keine weiteren auf Grundlage des SGB II vorsieht. Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber durch die Einfügung des Satzes 4 in § 23 Abs 1 SGB II sowie Ergänzung des Satzes 1 und Anfügung eines Satzes 2 in § 3 Abs 3 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) nochmals ausdrücklich unterstrichen. Danach sind weitere Leistungen - über die Darlehensleistung hinaus - bzw eine abweichende Festlegung der Bedarfe ausgeschlossen.

25

6. Eine Ausnahme hiervon kann sich zwar aus § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II iVm Vorschriften des SGB XII ergeben (zum Umgangsrecht BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; zu Pflegeleistungen BSG vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R, SozR 4-3500 § 18 Nr 1; s auch Knickrehm NZS 2007, 128 ). Voraussetzung insoweit ist jedoch nach § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II, dass es sich bei der begehrten Leistung nicht um eine solche nach dem 3. Kapitel des SGB XII, also keine Leistung aus dem Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt handelt. Soweit die Klägerin mithin ihren Anspruch aus § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ableitet, ist ihr auch dieser Weg verschlossen, denn ebenso wie im SGB II (s oben unter 1.) sind auch im SGB XII die Mehrbedarfsleistungen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (3. Kapitel des SGB XII) .

26

Ebenso scheidet der trotz § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II zwar grundsätzlich mögliche Rückgriff auf § 73 SGB XII als Anspruchsgrundlage aus. Zwar kann, wenn eine atypische Bedarfslage gegeben ist, Hilfe in dieser besonderen Lebenslage nach § 73 SGB XII neben der Regelleistung des § 20 SGB II auch erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gewährt werden(so bereits BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; vgl auch Knickrehm, Sozialrecht aktuell 2006, 159, 162; aA Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/Asylbewerberleistungsgesetz, § 73 SGB XII RdNr 11, Stand Februar 2006; vgl auch O'Sullivan, SGb 2005, 369, 371 f). Allerdings darf die Norm nicht zur allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB II mutieren. Erforderlich ist daher nicht nur das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist(vgl hierzu BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 19/07 R, BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1 RdNr 22) und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt . Eine derartige Bedarfslage darf ferner nach dem Regelkonzept von SGB II und SGB XII nicht ausschließlich durch eine Erhöhung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII oder eine ausdrücklich im 3. Kapitel des SGB XII vorgesehene Hilfe zu decken sein. Anderenfalls würde § 73 SGB XII nicht nur zur Auffangregelung werden, sondern auch zur Umgehung sowohl des § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II, als auch der Regelungen des SGB XII eingesetzt werden können. So liegt der Fall hier.

27

7. Der Senat konnte jedoch nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Klägerin im streitigen Zeitraum ggf ein Anspruch aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG iS der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) zusteht. Es mangelt an hinreichenden Tatsachenfeststellungen des LSG, um das Vorliegen der Voraussetzungen eines derartigen Leistungsanspruchs beurteilen zu können.

28

Das BVerfG hat entschieden, dass ua § 20 Abs 2 1. Halbsatz und Abs 3 Satz 1 SGB II iVm § 20 Abs 1 SGB II in den unterschiedlichen Fassungen seit dem Inkrafttreten des SGB II am 1.1.2005 mit Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG unvereinbar sind. Bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis spätestens zum 31.12.2010 zu treffen hat, sind diese Vorschriften jedoch weiter anwendbar. Die dem Gesetzgeber aufgegebene Neuregelung muss darüber hinaus einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorsehen, der bisher nicht von den Leistungen nach §§ 20 ff SGB II erfasst wird, jedoch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken ist. Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber hat das BVerfG im Tenor der Entscheidung ausdrücklich angeordnet, dass dieser Anspruch nach Maßgabe seiner Urteilsgründe unmittelbar aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann.

29

In den Urteilsgründen hat das BVerfG ausgeführt, eine Leistung, die geeignet sei, einen unabweisbaren, laufenden und nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, sei deswegen zwingend in das SGB II aufzunehmen und bis zur Neuregelung direkt aus der Verfassung abzuleiten, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruhe, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegele, nicht aber einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen ( BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck S 71 ). Grundsätzlich sei die Gewährung der Regelleistung als feste Pauschale iS einer typisierenden Regelung auch im Bereich der Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zulässig. Es sei dem Hilfebedürftigen zuzumuten, über die Verwendung des Festbetrags im Einzelnen selbst zu bestimmen und dabei sein individuelles Verbrauchsverhalten so zu gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskomme. Vor allem habe er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotential zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten sei. Die pauschalierte Regelleistung, festgelegt nach dem Statistikmodell, decke jedoch bereits von ihrer Konzeption her nur durchschnittliche Bedarfe ab. Ein in Sonderfällen auftretender Bedarf nicht erfasster Art oder atypischen Umfangs werde von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, S 72).

30

Allerdings verlange Art 1 Abs 1 GG, der die Menschenwürde jedes einzelnen Individuums ohne Ausnahme schütze, dass das Existenzminimum in jedem Einzelfall sichergestellt werde. Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG gebiete, auch einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, wenn dies im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich sei, was das bisherige Regelungskonzept des SGB II nicht gewährleiste. Deshalb bedürfe es neben den in §§ 20 ff SGB II vorgegebenen Leistungen noch eines zusätzlichen Anspruchs auf Leistungen bei unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf, der zwingend zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlich sei(BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck S 71).

31

Ob ein derartiger Bedarf im konkreten Fall vorliegt, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu ermitteln haben. Eine Ermittlungspflicht dieser Art besteht grundsätzlich nur unter zwei Bedingungen. Zum Einen müssen in dem betreffenden Verfahren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer atypischen Bedarfslage gegeben sein. Das folgt bereits daraus, dass das BVerfG den "Härtefall" sehr stark begrenzt hat. Es weist darauf hin, dass angesichts der Beschränkung des Anspruchs auf Fälle, in denen das Existenzminimum gefährdet sei, der zusätzliche Anspruch angesichts seiner engen und strikten Voraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen dürfte. Vor diesem Hintergrund muss aber die Bedarfslage klar hervortreten und sind Ermittlungen ins Blaue hinein nicht erforderlich. Zum zweiten muss es sich um ein laufendes, noch nicht abgeschlossenes Verfahren handeln.

32

Im vorliegenden Fall sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass eine atypische Bedarfslage vorliegen könnte. Die Klägerin hat hier einen besonderen Bedarf behauptet, ihn allerdings aus Rechtsgründen nicht konkretisiert. Das musste sie bisher auch nicht, denn außer über die beiden hier aus anderen Gründen nicht in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II und § 73 SGB XII ist der Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung nach dem Konzept des SGB II durch eine Pauschale abzugelten. Insoweit bedarf es auch im Falle des erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen keines Nachweises eines konkreten Bedarfs, sondern nur des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II. Andererseits ist in der Situation der Klägerin nicht auszuschließen, dass wegen der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung ein besonderer Bedarf gegeben ist - dieser ist gleichsam als Minus in dem auf die Gewährung der Pauschale gerichteten Begehren der Klägerin enthalten - der hier aus einfachgesetzlichen Gründen nicht durch die Pauschale gedeckt werden kann, sodass es sich nicht um Ermittlungen "ins Blaue" hinein handelt.

33

Das LSG wird, wenn es seine Feststellungen zum Vorliegen eines konkreten Bedarfs wegen der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung abgeschlossen hat, diesen ggf nach Maßgabe der Entscheidung des BVerfG daraufhin zu bewerten haben, ob es sich um einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf handelt, dessen Deckung zur Sicherung des Existenzminimums zwingend erforderlich ist. Es wird dabei zu beachten haben, dass nach der Entscheidung des BVerfG ein solcher Bedarf nur dann vorliegt, wenn er so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen - einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ( BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck S 73).

34

Der Prüfung des aus dem Verfassungsrecht herzuleitenden Anspruchs steht nicht entgegen, dass die Beteiligten über Leistungen für den Zeitraum 1.1.2005 bis 31.5.2006 streiten. Das BVerfG hat zur Anwendung des Anspruchs im Tenor der Entscheidung angeordnet, "dass dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann". In den Gründen hat das BVerfG hierzu ausgeführt, dass Leistungsberechtigte, bei denen ein besonderer Bedarf vorliege, auch vor der Neuregelung die erforderliche Sach- und Geldleistung erhalten müssten. Ansonsten läge eine Verletzung von Art 1 Abs 1 GG vor, die auch nicht vorübergehend hingenommen werden könne. Vor diesem Hintergrund versteht der Senat die weiteren Ausführungen, wonach die verfassungswidrige Lücke für die Zeit ab Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung des BVerfG zu schließen sei, dahin, dass in laufenden und noch nicht abgeschlossenen Verfahren - wie vorliegend - eine "Härteleistung" auf Grund von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG zu gewähren sein kann. Hierfür spricht zudem, dass das BVerfG im Übrigen eine "rückwirkende Neufestsetzung" von Leistungen ausschließen wollte. Wäre der verfassungsrechtliche Anspruch hingegen erst für Leistungszeiträume ab dem 9.2.2010 zu berücksichtigen, stellte sich die Frage nach einer verfassungskonformen Auslegung des § 23 SGB II und des § 73 SGB XII.

35

8. Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, die Klägerin habe keinen Anspruch aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG, wird es ferner zu beachten haben, dass die Ungleichbehandlung von erwerbsfähigen und erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen, die dazu führt, dass - wie oben dargelegt - die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine pauschalierte Leistung für Mehrbedarf hat, nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt.

36

Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es, verschiedene Gruppen von Normadressaten ungleich zu behandeln, wenn zwischen ihnen nicht Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG vom 7.10.1980 - 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72, 88; BVerfG vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2300/98, 1 BvR 2144/00, BVerfGE 112, 368, 401; BVerfG vom 11.7.2006 - 1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, 238). Soweit die Gewährung von Sozialleistungen bedürftigkeitsabhängig ist, hat der Gesetzgeber dabei grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfG vom 2.2.1999 - 1 BvL 8/97, BVerfGE 100, 195, 205; BSG vom 3.12.2002 - B 2 U 12/02 R, BSGE 90, 172, 178 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4). Der Gestaltungsspielraum wird jedoch um so enger, je mehr sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfG vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92, BVerfGE 88, 87, 96) oder je mehr es sich um ein personenbezogenes Merkmal handelt, an dem die Differenzierung ansetzt. Insoweit kommt es auf die Verhältnismäßigkeit zwischen Ungleichbehandlung und rechtfertigendem Grund an (BVerfG vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160, 171), wobei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, durch ihr eigenes Verhalten die Verwirklichung des Merkmals zu beeinflussen, nach dem unterschieden wird (vgl auch Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 39 RdNr 135). Ob die zur Prüfung gestellte Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, hängt dann davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestanden, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen konnten (BVerfG vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160).

37

Gemessen an diesem Maßstab hat der Gesetzgeber hier seine Gestaltungsgrenze nicht überschritten. Zwar kann das Differenzierungsmerkmal der "Erwerbsunfähigkeit" bzw "Erwerbsfähigkeit" kaum durch die betroffene Person selbst beeinflusst werden. Die getroffene Differenzierung zwischen den maßgeblichen Vergleichsgruppen der erwerbsfähigen Arbeitslosengeld II-Berechtigten und den nicht erwerbsfähigen Sozialgeldberechtigten/Leistungsempfängern nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII im Hinblick auf die Gewährung des Mehrbedarfs wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung wird jedoch durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.

38

Zutreffend hat das LSG darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber einen Lebenssachverhalt, der zu einer unterschiedlichen Behandlung von erwerbsfähigen und erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen führen kann, soweit es die Gewährung einer Leistung für Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung betrifft, bereits selbst beseitigt hat. Behinderte Sozialgeldempfänger/SGB XII-Leistungsempfänger nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII (erwerbsunfähige Hilfebedürftige) und erwerbsfähige Hilfsbedürftige erhalten beide, sofern sie Leistungen zur Eingliederung nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XII beziehen, eine Mehrbedarfsleistung in Höhe von 35 % der für sie maßgeblichen Regelleistung(§ 21 Abs 3 SGB II bzw § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2/§ 30 Abs 4 SGB XII) . In diesem Fall ist die Gewährung einer zusätzlichen Leistung für Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung, auf die der erwerbsfähige Hilfebedürftige ohnehin keinen Anspruch hat, auch für erwerbsunfähige Leistungsbezieher ausgeschlossen (§ 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 Satz 2 SGB II und § 30 Abs 4 Satz 3 SGB XII). Diese zuvor beschriebene Angleichungsregelung macht deutlich, dass die für erwerbsfähige Hilfebedürftige gegebene Möglichkeit der Integration in den Arbeitsmarkt, also die Chance auf eine Erwerbstätigkeit und damit die Beseitigung der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen, ein tragender Grund für die Differenzierung ist. Wenn erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen über Eingliederungsleistungen (§ 54 SGB XII) die Möglichkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eröffnet werden kann, so sind auch sie von der Leistung für Mehrbedarf bei Schwer- und erheblicher Gehbehinderung ausgeschlossen.

39

Die Anknüpfung der Differenzierung an die Möglichkeit der Arbeitsmarktintegration ist auch folgerichtig - soweit es das System des SGB II betrifft. Das SGB II ist von seiner Grundkonzeption her ein erwerbszentriertes Grundsicherungssystems. Es ist darauf ausgerichtet, den erwerbsfähigen (iS des § 8 SGB II) Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt einzugliedern, ihn von den Leistungen des SGB II unabhängig zu machen oder zumindest den Leistungsanteil an seiner Lebensunterhaltssicherung zu verringern (§ 1 Abs 1 SGB II). Um dieses Ziel zu erreichen, werden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen jedoch im Rahmen des Grundsatzes des Forderns gegenüber erwerbsunfähigen Personen auch größere Selbsthilfeverpflichtungen auferlegt, weil sie noch in der Lage sind, ihre Arbeitskraft zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen (vgl § 2 Abs 1, Abs 2 Satz 2 SGB II). Andererseits erfahren sie Förderung mit Zielrichtung auf ihre Eingliederung in Arbeit (§ 14 Abs 1 Satz 1 SGB II). Sie können anders als erwerbsunfähige Sozialgeldempfänger Eingliederungsleistungen nach §§ 16 ff SGB II erhalten, die zu eben dieser Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit beitragen sollen(§ 3 Abs 1 Satz 1 SGB II). Soweit die Schwer- und/oder Gehbehinderung sie mithin in ihrer beruflichen Integrationschance beeinträchtigt, besteht ein Ausgleichsanspruch hierfür durch Eingliederungsleistungen (zB Leistungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben gemäß § 16 Abs 1 SGB II iVm §§ 97 ff SGB III). Erwerbsunfähige Hilfebedürftige erhalten hingegen nur unter den engen Bedingungen des § 7 Abs 2 Satz 2 SGB II Eingliederungsleistungen nach dem SGB II(vgl Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/ Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 7 RdNr 13, § 16 RdNr 3; die Gewährung von Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II an Sozialgeldempfänger offen lassend, BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 19/07 R, BSGE 101, 79, 81 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1) und nur dann, wenn die Leistungen auf die Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft oder die Beseitigung oder Verminderung der Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ausgerichtet sind. Zwar können erwerbsunfähige und gehbehinderte Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft unter Umständen Eingliederungsleistungen nach § 54 ff SGB XII erhalten. Zumindest soweit ihr Bedarf wegen der Schwer- und Gehbehinderung bereits durch die Leistung für Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II gedeckt ist, kommen daneben Eingliederungsleistungen jedoch nicht mehr in Betracht(vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R SozR 4-3500 § 30 Nr 1). Fahrtkosten als Hauptkostenfaktor eines erheblich gehbehinderten Hilfebedürftigen fallen für beide Personengruppen nicht an, jedenfalls soweit sie durch die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs entstehen. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX sieht eine Befreiung von der Beteiligung an den Kosten einer Wertmarke für Leistungsempfänger nach dem SGB II und dem 3. sowie 4. Kapitel des SGB XII vor, wenn sie anerkannt erheblich gehbehindert sind (vgl hierzu ausführlich BSG vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R, SozR 4-3250 § 145 Nr 1 ). Somit verbleibt allenfalls ein "schmaler Grat" eines Leistungsausschlusses für erwerbsfähige Hilfebedürftige gegenüber erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen, der sich auf einen nicht näher definierbaren "privaten Bereich" bezieht. Diese Differenzierung ist jedoch durch die oben benannte "Erwerbszentriertheit" und den Grundsatz des Forderns des SGB II zu rechtfertigen.

40

Soweit die Klägerin geltend macht, sie als schwer- und erheblich gehbehinderte Hilfebedürftige habe wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen keine Chance auf einen Hinzuverdienst gehabt, so vermag sie damit die obige Argumentation nicht zu entkräften. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der erwerbsfähige Hilfebedürftige durch einen "Hinzuverdienst" in die Lage versetzt werden kann, die behinderungsbedingte Einschränkung auszugleichen, sondern darauf, dass es nach dem Grundkonzept des SGB II Aufgabe des Trägers ist, für eine Integration des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu sorgen und ggf bestehende Hindernisse auszugleichen.

41

9. Andere Gründe, die zu einer Erhöhung der Regelleistung um den von der Klägerin geforderten Betrag führen könnten, sind nicht ersichtlich.

42

Soweit die Klägerin eine geschlechtsspezifisch höhere Leistung begehrt, schließt sich der erkennende Senat der Rechtsauffassung des 14. Senats in der Entscheidung vom 27.2.2008 (B 14/7b AS 32/06 R, BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6) an. Dort hat der 14. Senat ausgeführt, dass nicht zu erkennen sei, dass die für Frauen und Männer in gleicher Höhe festgesetzte Regelleistung von 345 Euro eine mittelbare Diskriminierung von Frauen beinhalte.

43

Der Senat hat im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BSG auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und deren Ersetzung durch Leistungen nach dem SGB II (vgl nur BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr 3).

44

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.