Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. August 2013 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

2

Die 1967 geborene Klägerin war nach ihrem Zuzug aus Serbien ab Januar 1993 zunächst in der Großküche eines Krankenhauses in Vollzeit als Küchenhilfe beschäftigt. Im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation erhielt sie im Dezember 2008 die Empfehlung zu einer innerbetrieblichen Umsetzung, da sie aufgrund orthopädischer und psychischer Leiden die bisher ausgeübte Tätigkeit allenfalls noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten könne; auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe jedoch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten. Daraufhin erfolgte eine stufenweise Wiedereingliederung sowie (nur teilweise erfolgreiche) Belastungserprobung und schließlich ab März 2010 die Umsetzung auf eine Teilzeitstelle (vier Stunden täglich) als Servicekraft am Buffet, die sie bis heute ausübt. Seit August 2009 ist die Klägerin aufgrund der Auswirkungen einer seelischen und psychovegetativen Störung und funktioneller Organbeschwerden sowie wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Wirbelsäulenverformung, Kopfschmerzsyndrom und chronischer Bronchitis als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 50 anerkannt.

3

Ihren Antrag vom Februar 2010 auf Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte insbesondere auf der Grundlage des von ihr in Auftrag gegebenen neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. M. vom 30.7.2010 sowie des Reha-Entlassungsberichts der Orthopäden Dr. J, und Dr. L. vom 11.12.2008 ab (Bescheid vom 1.9.2010, Widerspruchsbescheid vom 2.11.2010), weil aufgrund der vor allem relevanten Erkrankungen (Somatisierungsstörung, Angst- und depressive Störung) noch ein zeitliches Leistungsvermögen von täglich mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe.

4

Im Klageverfahren hat das SG zunächst einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. Ka. vom 28.2.2011 eingeholt. Dieser teilte mit, dass die für die Leistungsfähigkeit der Klägerin maßgeblichen Leiden auf orthopädischem Fachgebiet lägen und er anlässlich zahlreicher Behandlungskontakte ua eine zervikale und thorakolumbale Skoliose, eine Osteochondrose, Rundrücken, Beckentiefstand links sowie rezidivierende Blockaden diagnostiziert habe; die Klägerin sei noch in der Lage, vier Stunden täglich zu arbeiten. Daraufhin hat das SG den Neurologen und Psychiater Dr. H. mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens beauftragt. Dieser erhob einen internistischen, neurologischen und psychischen Befund und kam zu dem Ergebnis, dass internistisch und neurologisch keine Auffälligkeiten bestünden und sich im Grunde auch kein psychopathologischer Befund von Krankheitswert feststellen lasse. Der Reha-Entlassungsbericht von Dezember 2008 beschreibe allerdings degenerative Veränderungen der Wirbelsäule sowie einen Bandscheibenvorfall HW 5/6 links, doch finde sich heute funktionell überhaupt keine schwerwiegende Einschränkung - weder hinsichtlich der Beweglichkeit der LWS und HWS noch in Bezug auf eine radikuläre Symptomatik. Als festgestellte Gesundheitsstörungen benannte er (1) eine undifferenzierte Somatisierungsstörung (F 45.1), (2) Angst und depressive Störung, gemischt (F 41.2) sowie (3) eine "Neigung zu Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen ohne schwerwiegende Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik (M 47.9)". Abgesehen von gewissen qualitativen Einschränkungen (körperliche Schwerarbeiten, ständiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ständige Über-Kopf-Arbeiten, Tätigkeiten überwiegend im Freien unter Einwirkung von Kälte, Zugluft und Nässe und "letztlich wohl auch Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die psychische Belastbarkeit") sei auf dieser Grundlage eine zeitliche Leistungsminderung nicht begründbar; als Buffethilfe sei der Klägerin durchaus auch eine Tätigkeit von sechs Stunden und mehr zumutbar.

5

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.7.2012 abgewiesen und sich dabei auf das Gutachten des Dr. H. gestützt, welches die zT abweichenden Angaben der behandelnden Ärzte widerlegt habe. Ein orthopädisches Gutachten sei nicht erforderlich gewesen, da Dr. H. die Beschwerden der Wirbelsäule berücksichtigt habe und auch keine Verschlimmerung ersichtlich sei.

6

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin über ihren (neuen) Prozessbevollmächtigten beanstandet, die Begutachtung bei Dr. H. habe nur ca 20 Minuten bis maximal eine halbe Stunde gedauert und sei in großer Eile durchgeführt worden. Zudem sei trotz des Schwerpunkts der Leiden auch im orthopädischen Bereich bislang kein orthopädisches Gutachten eingeholt worden. Ein solches sei auch deshalb erforderlich, weil sich ihr Gesundheitszustand sowohl in neurologischer als auch in orthopädischer Hinsicht seit der letzten Begutachtung am 10.5.2011 mittlerweile nicht unerheblich verschlechtert habe: sie leide nunmehr unter Wirbelsäulenbeschwerden mit erheblichen Funktionseinschränkungen insbesondere beim Bücken sowie Schmerzen, die eine gesteigerte Schmerzmedikation erforderten; zudem bestünden mittlerweile auch noch Funktionseinschränkungen im linken Kniegelenk aufgrund einer Arthrose.

7

Das LSG hat demgegenüber keinen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen und die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG angehört. Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, dass sie ihre Beweisanträge in der Berufungsschrift aufrechterhalte, hat das LSG die ergänzende Stellungnahme von Dr. H. vom 13.5.2013 zur Dauer seiner Untersuchung eingeholt. Auch danach hat die Klägerin ihre Beweisanträge bekräftigt und erneut auf ihren nicht unerheblich verschlechterten Gesundheitszustand in orthopädischer und neurologischer Hinsicht hingewiesen; zum Beweis dafür hat sie sich auf das sachverständige Zeugnis ihres behandelnden Orthopäden Dr. K. berufen (Schriftsatz vom 31.5.2013).

8

Das LSG hat daraufhin die Klägerin informiert, dass es auch nach Kenntnisnahme ihres Vorbringens aus den bereits mitgeteilten Gründen bei der beabsichtigten Verfahrensweise nach § 153 Abs 4 SGG verbleibe(Telefax vom 7.6.2013); mit Beschluss vom 12.8.2013 hat es die Berufung zurückgewiesen. Es hat sich dabei maßgeblich auf das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. H. gestützt. Ein orthopädisches Gutachten sei nicht erforderlich gewesen, weil bereits Dr. H."auch auf funktionelle Einschränkungen in Gefolge der aus orthopädischer Sicht beschriebenen Gesundheitsstörungen geachtet" und keine wesentlichen Einschränkungen seitens des Halte- und Bewegungsapparats gefunden habe. Ob dessen Untersuchung nur 20 Minuten gedauert habe, könne dahingestellt bleiben, denn entscheidend sei nur, dass der Sachverständige die für sein Fachgebiet relevanten Befunde erhebe. Dies sei angesichts der im Gutachten des Dr. H. dargestellten umfangreichen Befunde internistischer, neurologischer und psychischer Art zweifellos der Fall. Soweit die Klägerin vorgetragen habe, ihre Beschwerden hätten sich in orthopädischer und neurologischer Hinsicht verschlechtert, habe sich der Senat angesichts der bereits im Befundbericht des Dr. K. (28.2.2011) und im Gutachten des Dr. H. (10.5.2011) enthaltenen Ausführungen von einer wesentlichen Verschlechterung nicht überzeugen können. Zudem könne den vorgetragenen zusätzlichen Beschwerden durch die vom Sachverständigen bereits benannten qualitativen Einschränkungen sowie - hinsichtlich des Bückens - durch Vermeidung von Tätigkeiten mit häufigem Bücken ausreichend begegnet werden.

9

Die Klägerin rügt mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensmangel ausschließlich einen Verstoß des LSG gegen die Sachaufklärungspflicht gemäß § 103 SGG. Das Berufungsgericht sei den von ihr bis zuletzt bekräftigten Beweisanträgen (auf Zeugenvernehmung der benannten Begleitpersonen zur Dauer der Untersuchung bei Dr. H., Zeugenvernehmung des Küchenmeisters zum Umfang der Arbeitszeit als Buffetkraft, Befragung des behandelnden Orthopäden Dr. K. als sachverständigen Zeugen zur Verschlechterung des Gesundheitszustands, Einholung eines orthopädischen und eines weiteren neurologisch-psychiatrischen Gutachtens) ohne objektiv ausreichenden Grund nicht gefolgt. Anderenfalls wäre es möglicherweise zu dem Ergebnis gelangt, dass bei ihr teilweise Erwerbsminderung vorliege.

10

II. Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung auch begründet.

11

Der von der Klägerin formgerecht (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG) gerügte Verfahrensmangel einer unzureichenden Sachaufklärung liegt vor. Das LSG ist jedenfalls dem von ihr im Berufungsverfahren gestellten und bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag auf weitere Sachaufklärung hinsichtlich der Auswirkungen der geltend gemachten Verschlimmerung ihrer Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet durch Befragung ihres behandelnden Orthopäden als sachverständigen Zeugen und/oder Einholung eines orthopädischen Gutachtens ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt.

12

a) Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung vom 8.4.2013 erneut die Durchführung einer Begutachtung zu ihrem Gesundheitszustand und Leistungsvermögen auch auf orthopädischem Fachgebiet beantragt, da ihre Beschwerden nicht nur auf neurologisch-psychiatrischem, sondern insbesondere auch auf orthopädischem Fachgebiet lägen; die "Kurzbegutachtung" durch den Neurologen und Psychiater Dr. H. sei insoweit nicht ausreichend. Dabei hat sie auf eine nicht unerhebliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustands in orthopädischer Hinsicht seit dessen Begutachtung im Mai 2011 hingewiesen und als zusätzlich aufgetretene Beschwerden die Funktionseinschränkungen im linken Kniegelenk benannt, was ebenfalls eine orthopädische Begutachtung erforderlich mache. Diesen Beweisantrag hat sie nach Anhörung zu einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG in Schreiben vom 24.4.2013 und vom 31.5.2013 ausdrücklich wiederholt und sich ergänzend zum Beweis der stattgefundenen Verschlimmerung in orthopädischer Hinsicht auf das sachverständige Zeugnis ihres behandelnden Orthopäden Dr. K. berufen. Unschädlich ist, dass sie den Beweisantrag nach der weiteren, nicht näher begründeten, sondern nur auf die früheren Anhörungen Bezug nehmenden Mitteilung des LSG vom 7.6.2013 nicht nochmals bekräftigt hat (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 11 RdNr 7 f; Nr 12 RdNr 7 mwN).

13

b) Das LSG hätte sich gedrängt sehen müssen, dem Beweisantrag zumindest hinsichtlich der behaupteten Verschlimmerung der orthopädischen Leiden sowie der hieraus sich möglicherweise ergebenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin durch Befragung des behandelnden Orthopäden als sachverständigen Zeugen (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 414 ZPO)nachzugehen. Nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts kommt es für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs 1 SGB VI)entscheidend darauf an, wie das Leistungsvermögen der Klägerin insbesondere in zeitlicher Hinsicht auf Grundlage ihrer Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem und auch auf orthopädischem Fachgebiet zu bewerten ist. Zur Beantwortung dieser Frage muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen (stRspr, vgl zB BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 48/08 B - Juris RdNr 8). Von einer Beweisaufnahme darf es deshalb nur dann absehen bzw einen Beweisantrag nur dann ablehnen, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn sie also als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache bzw ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 406/06 B - Juris RdNr 8; Senatsbeschluss vom 20.10.2010 - B 13 R 511/09 B - Juris RdNr 14 mwN).

14

Keiner der genannten Ausnahmefälle liegt hier vor. Insbesondere die Frage, ob seit der Begutachtung durch den Neurologen und Psychiater Dr. H. im Mai 2011 eine Verschlimmerung der bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen mit negativen Auswirkungen auf ihre berufliche Leistungsfähigkeit eingetreten ist, ist entgegen der Ansicht des LSG noch nicht ausreichend geklärt. Dieses führt aus, es habe sich "nicht davon überzeugen" können, dass eine wesentliche Verschlechterung vorliege, und beruft sich dabei auf die Angaben im Befundbericht des Dr. K. vom 28.2.2011 sowie im Gutachten des Dr. H. vom 10.5.2011. Die genannten, zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG bereits 2 ¼ Jahre alten Äußerungen sind jedoch von vornherein nicht geeignet, das Fehlen einer von der Klägerin in der nachfolgenden Zeit behaupteten Verschlimmerung zu belegen.

15

Weiterhin stützt sich das Berufungsgericht darauf, dass sich aus den eigenen Angaben der Klägerin ergebe, dass seit Frühjahr 2011 eine wesentliche Änderung der Medikation nicht erfolgt sei; deshalb könne "davon ausgegangen" werden, dass keine wesentliche Verschlechterung eingetreten sei. Auch diese Argumentation vermag nicht aufzuzeigen, dass einer der Ausnahmefälle, in denen ein Beweisantrag auf Zeugenvernehmung abgelehnt werden darf - wenn nämlich aufgrund der Fülle und Güte bereits erhobener Beweise entscheidungserhebliche Tatsachen bereits mit einer solchen Gewissheit feststehen, dass die Überzeugung des Gerichts durch die beantragte weitere Beweiserhebung nicht mehr erschüttert werden kann (vgl Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 134/08 R - Juris RdNr 23 mwN) - hier vorliegt. Denn die Klägerin hatte im Frühjahr 2011 angegeben, zweimal täglich Ibuprofen 600 mg "und bei Bedarf ab und zu Lorazepam 1,0 mg" einzunehmen, während sie nunmehr vorträgt, zwei- bis dreimal täglich Ibuprofen 600 mg und zusätzlich einmal täglich Tetrazepam (in nicht näher genannter Dosierung) zu benötigen. Das LSG benennt jedoch nicht, auf der Grundlage welcher eigenen medizinischen Fachkunde (vgl BSG Beschluss vom 31.7.2013 - B 5 R 53/13 B - Juris RdNr 15) es zu der Bewertung in der Lage war, dass hierin keine wesentliche Änderung der Medikation liege und deshalb auch keine wesentliche Verschlechterung der Leistungsfähigkeit der Klägerin auch in zeitlicher Hinsicht eingetreten sei. Insofern kommt seine Beurteilung unter den gegebenen Umständen einer (unzulässigen) vorweggenommenen Beweiswürdigung gleich (vgl BSG Beschluss vom 25.10.2012 - B 9 SB 14/12 B - Juris RdNr 11).

16

Schließlich ist aufgrund der vorliegenden medizinischen Befunde nicht ersichtlich, inwiefern die von der Klägerin im Schriftsatz vom 8.4.2013 erstmals vorgetragenen Schmerzen und Funktionseinschränkungen im linken Kniegelenk möglicherweise für die Beurteilung ihrer verbliebenen beruflichen Leistungsfähigkeit von Bedeutung sind. Auch das LSG hat sich mit diesem Aspekt nicht auseinandergesetzt.

17

Unter diesen Umständen kann sich der Senat dem Ergebnis des LSG nicht anschließen, dass auf Grundlage der bisher durchgeführten sozialmedizinischen Ermittlungen seit der Gutachtenerstattung durch Dr. H. im Mai 2011 bis zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung im August 2013 bei der Klägerin keine für die Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit wesentliche gesundheitliche Verschlechterung feststellbar sei. Das LSG hätte sich vielmehr gedrängt fühlen müssen, die (nicht unsubstantiierte) Behauptung der Klägerin, ihre Wirbelsäulenbeschwerden und die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen hätten sich verschlimmert, durch weitere Ermittlungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen (s BSG SozR 1500 § 103 Nr 27 S 22). Das LSG hätte daher zunächst den ausdrücklich als sachverständigen Zeugen benannten behandelnden Orthopäden Dr. K. zu dessen aktuellen Feststellungen über die Entwicklung des Gesundheitszustands der Klägerin (insbesondere seit dem letzten Befundbericht vom 28.2.2011) befragen müssen, wenn es nicht sogleich ein orthopädisches Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand und Leistungsvermögen einholen wollte (s hierzu auch Udsching in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap III RdNr 52).

18

Auf der somit vorliegenden Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht kann der angefochtene Beschluss des LSG iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG auch beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht nach Ermittlungen, ob eine Verschlimmerung vorliegt, zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis hinsichtlich ihrer in zeitlicher Hinsicht verbliebenen Leistungsfähigkeit gelangt wäre. Einer Erörterung der weiteren Sachaufklärungsrügen bedarf es somit nicht mehr.

19

Gemäß § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - wie hier - vorliegen. Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen macht der Senat von dieser Möglichkeit Gebrauch.

20

Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

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(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprech

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

Insoweit zum Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, sachkundige Personen zu vernehmen sind, kommen die Vorschriften über den Zeugenbeweis zur Anwendung.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Oktober 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten im Wege eines Überprüfungsverfahrens.

2

Der im Jahre 1936 geborene Kläger ist der leibliche Vater von 12 Kindern. Sechs der im Zeitraum von 1965 bis 1980 geborenen Kinder stammen aus erster Ehe mit der Ehefrau B. R Aus der zweiten Ehe mit K. R. gingen im Zeitraum von 1982 bis 1993 sechs weitere Kinder hervor. Die Ehen wurden im Jahre 1980 und 1997 geschieden. Nur für drei der in zweiter Ehe geborenen Kinder wurde die elterliche Sorge auf den Kläger übertragen.

3

Seit 1.4.2002 bezieht der Kläger Altersrente (anfänglicher monatlicher Zahlbetrag 40,56 Euro). Auf seinen Überprüfungsantrag von Juni 2008 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Rentenbescheids vom 25.4.2002 ab, weil Kindererziehungs- bzw Berücksichtigungszeiten für alle 12 Kinder bei den geschiedenen Ehefrauen des Klägers berücksichtigt worden waren (Bescheid vom 18.9.2008). Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4.12.2008, Gerichtsbescheid des SG Stuttgart vom 29.4.2009).

4

Das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers am 22.10.2009 ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten könnten dem Kläger nicht zugeordnet werden, weil er seine Kinder weder allein noch überwiegend erzogen habe. Dies ergebe sich aus seinem Vorbringen und aus den urkundlichen Feststellungen im ersten Scheidungsverfahren. Lasse sich der überwiegende Erziehungsanteil eines Elternteils nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad feststellen (non liquet) oder würden - wie hier - in etwa gleichwertige Erziehungsbeiträge behauptet, werde die Kindererziehungszeit gemäß § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI der Mutter zugeordnet. Diese Gesetzeslage sei auch verfassungskonform.

5

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde (Begründung vom 26.5.2010) rügt der Kläger Verfahrensfehler und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

6

Das LSG habe gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) verstoßen, weil es den Beweisantrag, die geschiedenen Ehefrauen als Zeugen über den Anteil des Klägers an der Kindererziehung zu vernehmen, übergangen habe. Das LSG habe ferner über die Berufung nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen. Zu diesem Zeitpunkt habe kein wirksames Einverständnis des Klägers (§ 124 Abs 2 SGG) mehr vorgelegen. Dadurch sei sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden (Art 103 Abs 1 GG, § 128 Abs 2, § 124 Abs 1 und 2, § 62 SGG).

7

           

Im Übrigen hält der Kläger folgende Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG:

"Verstoßen die Bestimmungen der §§ 56 Abs. 2, 57, 249 Abs. 1, 300 SGB VI in ihrer derzeitigen Fassung und Auslegung durch die Fachgerichtsbarkeit gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und 4, Art. 14 Abs. 1 GG und sind deshalb unwirksam, weil die darin geregelte rentenrechtliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes Eltern von Kindern bei ihrer Altersversorgung im Vergleich zu Kinderlosen benachteiligt?"

8

II. Auf die Beschwerde des Klägers war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

9

1. Der Kläger hat formgerecht (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) und auch im Ergebnis zutreffend die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) gerügt (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

10

Der Verfahrensmangel liegt vor.

11

Der Kläger rügt zu Recht, dass das LSG seinem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Das LSG durfte über die Berufung des Klägers nicht entscheiden, ohne den Beweisantrag des Klägers im Berufungsschriftsatz vom 20.5.2009: "Der Kläger beantragt mündlich zu verhandeln und die geschiedenen Ehefrauen B. und K. R. zu laden oder sie ersatzweise schriftlich zu der bestrittenen Erziehungszeit zu befragen" (Bl 6 letzter Abs LSG-Akte) zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich um einen formgerechten Beweisantrag, der den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl § 118 Abs 1 SGG iVm §§ 373 ff ZPO). Der ausdrücklichen Benennung eines Beweisthemas (von "Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll") bedurfte es nicht, hatte doch der Kläger die entsprechenden Tatsachenbehauptungen im genannten Schriftsatz hinreichend verdeutlicht (Versorgung von Haushalt und der ersten drei Kinder in der Ehe mit B. R., überwiegende Versorgung der ersten drei Kinder in der Ehe mit K. R.). Aus dem weiteren Gang des Verfahrens ergibt sich nicht, dass der Kläger an diesem schriftsätzlich gestellten Antrag nicht mehr festhalten wollte. Im Gegenteil, mit Schriftsatz vom 30.6.2009 hat er auf die Schwierigkeit hingewiesen, als nicht anwaltlich vertretener Kläger ordnungsgemäße Anträge zu formulieren (Bl 26 LSG-Akte). Die späteren Schriftsätze, mit denen der Kläger jeweils seine "Texte Absichten und Anträge noch einmal neu oder besser, ergänzend formuliert" hat (vom 30.6.2009 und vom 23.7.2009), halten jeweils am materiellen Begehren fest und folgerichtig damit auch an der beantragten Beweiserhebung.

12

Dem steht nicht die Rechtsprechung des BSG entgegen, wonach ein Beweisantrag bis zuletzt aufrechterhalten sein muss, sei es, dass der Antrag in der mündlichen Verhandlung gestellt bzw in Bezug genommen worden ist, das Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit einem entsprechenden Vorbehalt versehen wurde oder das LSG den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergegeben hat. Diese Rechtsprechung geht von einem rechtskundig bzw anwaltlich vertretenen Beteiligten aus (stRspr - vgl BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4 f; SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11).

13

Das LSG hätte sich - ausgehend von seiner Rechtsansicht - gedrängt sehen müssen, dem Beweisantrag des Klägers aus dem Berufungsschriftsatz vom 20.5.2009 nachzugehen.

14

Einer der Ausnahmefälle, der es erlaubt hätte, auf die Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen zu verzichten, ist nicht gegeben. Solche Ausnahmefälle sind dann anzunehmen, wenn es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommt, diese bereits erwiesen sind oder das Beweismittel ungeeignet oder unerreichbar ist (vgl Senatsurteil vom 23.8.2001 - B 13 RJ 59/00 R - SozR 3-2200 § 1248 Nr 17 S 72 f; BSG vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 B - Juris RdNr 10; BSG vom 28.5.2008 - B 12 KR 2/07 B - Juris RdNr 11). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

15

Auf die vom Kläger beantragte Zeugenvernehmung zum Umfang bzw zur Höhe seines tatsächlichen Anteils an der Kindererziehung kommt es schon deshalb entscheidungserheblich an, weil demjenigen die Kindererziehungszeiten zuzuordnen sind, der das Kind überwiegend erzogen hat, wenn mehrere Elternteile das Kind erzogen haben und eine anderslautende Erklärung der Eltern nicht vorliegt (§ 56 Abs 2 Satz 9 und Satz 3 SGB VI).

16

Entgegen der Auffassung des LSG war eine Beweisaufnahme nicht deshalb entbehrlich, weil "Aus dem gesamten Vorbringen des Klägers folgt, dass er selbst nur von einem hälftigen Erziehungsanteil ausgeht; dies findet seine Bestätigung in seinem Begehren, nur die hälftige Erziehungszeit angerechnet haben zu wollen". Nach Ansicht des LSG sei dann die Erziehungszeit der Mutter nach der Auffangregel von § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI zuzuordnen(S 14 Entscheidungsgründe LSG). Dieser Vortrag lässt sich allerdings nicht dem Schriftsatz des Klägers vom 30.6.2009 entnehmen, weil er dort gerade den Beweisantrag, "die Zuordnung der streitbaren Erziehungszeit zu den Müttern … zu prüfen", wiederholt (Bl 33, letzter Abs LSG-Akte) und ausdrücklich vorgetragen hat, in beiden Ehen jeweils die ersten drei Kinder allein oder überwiegend versorgt zu haben.

17

Wenn die bei der Erziehung zusammenwirkenden Eltern eine Erklärung über die Zuordnung der Kindererziehungszeit - wie hier - gemäß § 56 Abs 2 Satz 3 SGB VI nicht abgegeben haben, bleibt es bei dem Grundsatz des § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI, wonach die Kindererziehungszeit demjenigen zuzuordnen ist, der das Kind - nach objektiven Gesichtspunkten betrachtet - überwiegend erzogen hat. Das Maß der jeweiligen Zuwendung der Elternteile zu ihrem Kind ist vom Versicherungsträger bzw vom Gericht zu ermitteln. Nur dann, wenn sich dabei überwiegende Erziehungsanteile eines Elternteils nicht im erforderlichen Beweisgrad feststellen lassen (non liquet), sondern die Erziehungsbeiträge nach objektiven Maßstäben in etwa gleichgewichtig sind, wird die Kindererziehungszeit nach der Auffangregel des § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI der Mutter zugeordnet(BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 10 S 47; BSGE 68, 171, 176 ff = SozR 3-2200 § 1227a Nr 7 S 17; vgl auch Senatsurteil vom 17.4.2008 - SozR 4-2600 § 56 Nr 5 RdNr 11). Die Grundregel des § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI gilt nach § 300 Abs 1 SGB VI auch für Sachverhalte und Ansprüche, die - wie hier - bereits vor dem Inkrafttreten der Norm (1.1.1992) vorlagen. Sie wurde durch die Übergangsvorschrift des § 249 SGB VI ergänzt (vgl Senatsurteil vom 17.4.2008 - SozR 4-2600 § 56 Nr 5 RdNr 12 mwN).

18

Soweit das LSG anstelle dessen davon ausgeht, dass der Kläger - entgegen seiner Behauptung - die in den Jahren 1965, 1966 und 1969 geborenen Kinder in den ersten Lebensjahren weder überwiegend noch allein erzogen habe, weil der Betreuungsanteil des Vaters in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes im Vergleich zur Mutter gewöhnlich niedriger sei und der Kläger aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit schon nicht in der Lage gewesen sein dürfte, Kinder dieser Altersstufe zu versorgen (S 6 Entscheidungsgründe LSG), handelt es sich um eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.

19

Das LSG wird daher die beantragte Zeugenvernehmung nachholen müssen. Die angefochtene Entscheidung kann auch auf diesem Verfahrensmangel beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass das LSG nach Vernehmung der geschiedenen Ehefrauen zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

20

Gemäß § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Zur Vermeidung von weiteren Verfahrensverzögerungen macht der Senat von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch.

21

2. Der Senat kann daher offenlassen, ob der formgerecht (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG)gerügte Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 128 Abs 2, § 124 Abs 1 und 2, § 62 SGG) vorliegt. Es könnte zweifelhaft sein, ob im Entscheidungszeitpunkt ein wirksames Einverständnis gemäß § 124 Abs 2 SGG noch vorlag, oder ob sich in diesem Zeitpunkt die Prozesslage wesentlich geändert hatte, mit der Folge, dass dem Verzicht auf mündliche Verhandlung die Grundlage entzogen worden war(vgl BSG SozR 4-1500 § 124 Nr 1 RdNr 7; SozR 3-1500 § 124 Nr 4 S 8 mwN). Hierfür könnte sprechen, dass sich der Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung des LSG offensichtlich in einem Irrtum befand, als er nach Eingang der vom LSG eingeholten Probeberechnung der Beklagten (in Form eines "Rentenbescheids" vom 14.7.2009, der ua eine laufende Altersrente von monatlich 247,88 Euro auswies) schriftsätzlich ein "Anerkenntnisurteil" beantragt hat, weil er die Probeberechnung - objektiv unzutreffend - für ein Teilanerkenntnis der Beklagten hielt. Das LSG hat jedenfalls dieses Missverständnis bei dem nicht anwaltlich vertretenen Kläger vor Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung nicht ausgeräumt. Es hat sogar noch beim Kläger angefragt, ob er nunmehr beantrage, die Beklagte zur Zahlung einer monatlichen Altersrente (in Höhe von 1800 Euro) zu verurteilen und ab wann die Altersrente beansprucht werde (Bl 65 RS LSG-Akte).

22

3. Da die Beschwerde bereits aus den dargelegten Gründen erfolgreich ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Rechtssache auch - wie zusätzlich geltend gemacht - grundsätzliche Bedeutung hat; denn selbst bei Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung und Zulassung der Revision wäre voraussichtlich mit einer Zurückverweisung zu rechnen (vgl BSG vom 30.4.2003 - B 11 AL 203/02 B - Juris RdNr 10 mwN).

23

4. Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente.

2

Die 1950 geborene Klägerin lebte seit 1978 mit dem 1946 geborenen und am 27.7.2004 verstorbenen Versicherten in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Sie heirateten am 2.7.2004. Aus der ersten Ehe der Klägerin waren ein Sohn und eine Tochter hervorgegangen, aus der ersten Ehe des Versicherten eine Tochter. Die Klägerin hatte in den Jahren 2003 und 2004 ein monatliches Bruttoeinkommen von ca 2.400 Euro aus ihrer Beschäftigung als Apothekenhelferin.

3

Im Oktober 2002 erkrankte der Versicherte an einem Blasenkarzinom, das operativ entfernt wurde. Im Februar 2004 wurde eine fortschreitende Metastasierung diagnostiziert. Die ab 1.6.2004 durchgeführte Chemotherapie diente lediglich palliativen Zwecken. Der Versicherte wurde in den Zeiträumen vom 24.5. bis 3.6.2004 und vom 8.6. bis 10.6.2004 stationär behandelt, danach aufgrund einer deutlichen Verschlechterung erneut vom 14.6. bis 10.7.2004, wobei die Chemotherapie abgebrochen und die Behandlung mit Morphin fortgesetzt wurde. Unter dieser Medikation war der Versicherte mit Hilfe eines Stützrollators zeitweise gehfähig. Die Eheschließung erfolgte am 2.7.2004 auf der Krankenstation. Zur Entlassung des Versicherten wurde eine sog Homecare-Betreuung eingerichtet. Am 27.7.2004 wurde der Versicherte notfallmäßig erneut stationär aufgenommen; er verstarb noch am selben Tag.

4

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente lehnte die Beklagte ab, da sie von einer sog Versorgungsehe gemäß § 46 Abs 2a SGB VI ausging(Bescheid vom 13.6.2005, Widerspruchsbescheid vom 28.10.2005).

5

Das SG Berlin hat - nach Vernehmung der Schwester, des Sohnes und der Tochter der Klägerin sowie nach deren persönlicher Anhörung - die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids verurteilt, der Klägerin ab 27.7.2004 Witwenrente aus der Versicherung des Verstorbenen zu gewähren. Dem Anspruch stehe der Ausschlussgrund gemäß § 46 Abs 2a SGB VI nicht entgegen.

6

Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 31.1.2007 die Berufung der Beklagten nach persönlicher Anhörung der Klägerin zurückgewiesen unter Neufassung des Tenors, dass der Klägerin ab 27.7.2004 große Witwenrente zu gewähren sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs 2a SGB VI sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens widerlegt, weil zur Überzeugung des Senats trotz der sehr kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass die Versorgung der Klägerin der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen sei. Hierbei stütze sich der Senat auf die glaubhaften Einlassungen der Klägerin in ihren vorbereitenden Schriftsätzen, im Termin zur mündlichen Verhandlung und auf die Aussagen ihrer vom SG als Zeugen vernommenen Kinder. Danach stehe fest, dass - neben Versorgungserwägungen - zumindest gleichgewichtiger Zweck der Eheschließung gewesen sei, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem Zusammenleben durch den Akt der Eheschließung den - nach Wortwahl der Klägerin - "offiziellen Segen" zu geben und so eine Rechtsposition zu erlangen. Die Klägerin habe überzeugend ausgeführt, dass der Heiratswunsch schon viele Jahre vor der Krebserkrankung bestanden habe, jedoch aus finanziellen Gründen und familiären Erwägungen nicht eher realisiert habe werden können. Die mit dem Versicherten im Familienverbund lebenden Kinder der Klägerin, die ihn als "Vater" angesehen hätten, hätten die langjährige Heiratsabsicht ebenfalls bestätigt.

7

Der Umstand der seit 1978 gelebten langjährigen Liebesbeziehung stehe einem überwiegenden Versorgungsgedanken entgegen. Die Liebesbeziehung sei ohnehin nicht auf gegenseitige Versorgungsansprüche ausgerichtet gewesen, weil die Klägerin einer vollschichtigen Berufstätigkeit nachgegangen sei, mit der sie ohne Weiteres ihren eigenen Lebensunterhalt habe sichern können. Dies habe die Klägerin vor dem Senat eindrucksvoll dargelegt.

8

Ebenso wenig spreche der Krankheitsverlauf des Versicherten gegen diese Einschätzung. Die Klägerin habe glaubhaft ausgeführt, dass sie trotz palliativer Behandlung des Versicherten nicht davon ausgegangen sei, dass "mein Mann so bald würde sterben müssen". Doch auch wenn die Klägerin im Zeitpunkt der Eheschließung gewusst haben sollte, dass der Tod des Versicherten in naher Zukunft bevorstehe, verbliebe es bei dem vorrangigen Motiv der Eheschließung, der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben. Daher habe für den Senat keine Veranlassung bestanden, den von der Beklagten hilfsweise gestellten Beweisanträgen zu folgen. Selbst wenn eine Nottrauung gemäß § 7 Personenstandsgesetz (PStG) vorgelegen hätte, änderte dies nichts an der zur Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat.

9

Mit ihrer vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 46 Abs 2a SGB VI und von §§ 103, 128 SGG. Die Klägerin habe den Nachweis des Vorliegens "besonderer Umstände", die die Rechtsvermutung des § 46 Abs 2a SGB VI widerlegen könnten, nicht erbracht. Die Verrechtlichung einer Liebesbeziehung durch Eheschließung sei kein von der Versorgungsabsicht verschiedener Beweggrund. Die zuvor seit 26 Jahren geführte eheähnliche Lebensgemeinschaft unterstreiche den Versorgungscharakter der Ehe. Im Fall der lebensbedrohlichen Erkrankung eines Partners sei die wirtschaftliche Absicherung des Überlebenden das maßgebliche Motiv für die Heirat. Konkrete Heiratspläne seien erst nach Bekanntwerden der weit fortgeschrittenen Krebserkrankung gefasst und realisiert worden. Die Hoffnung oder Erwartung, eine lebensbedrohliche Erkrankung zu überleben, könne kein besonderer Umstand im Sinne der Norm sein. Das LSG hätte sich zudem gedrängt fühlen müssen, dem hilfsweise gestellten Beweisantrag, den Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung bei der Nottrauung zu befragen, nachzukommen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 sowie des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

11

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das angefochtene Urteil beruht - wie die Beklagte zutreffend rügt - auf einer Verletzung der Pflicht des Berufungsgerichts zur Sachaufklärung (§ 103 SGG). Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf große Witwenrente zu Recht abgelehnt hat.

14

1. Gemäß § 46 Abs 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ua dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 27.7.2004 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt hatte. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten hatte sie auch das 45. Lebensjahr vollendet.

15

Nach § 46 Abs 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 1.1.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (vom 21.3.2001, BGBl I 403) eingeführt worden ist und für alle seit dem 1.1.2002 geschlossenen Ehen gilt (vgl § 242a Abs 3 SGB VI), ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert (vom 2.7. bis 27.7.2004); damit ist der Tatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 1 SGB VI erfüllt. Ob jedoch "besondere Umstände" iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI vorliegen, die den Eintritt der entsprechenden Rechtsfolge - Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente - hindern, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

16

2. Entgegen dem Vorbringen der Revision ist der vom Berufungsgericht als maßgeblich zugrunde gelegte Beweggrund der Klägerin für die Eheschließung, nämlich der Wunsch, nach langjährigem eheähnlichem Zusammenleben mit dem Versicherten der beiderseitigen Liebesbeziehung den "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, nicht von vornherein - losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls - ungeeignet, einen besonderen Umstand iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI zu begründen.

17

Der Senat hat im Urteil vom 5.5.2009 (B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6 mwN)zur Auslegung und Anwendung des Ausnahmetatbestands des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI bereits entschieden, dass eine abschließende Typisierung und Bewertung einzelner von den Tatsacheninstanzen festgestellter Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht möglich ist. Daran hält er in Kenntnis hiergegen vorgebrachter Bedenken (vgl Pötter, RVaktuell 2010, 15, 21) nach erneuter Prüfung fest. Wie in dem genannten Urteil näher dargelegt ist, sind nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI als "besondere Umstände des Falles" alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Die vom Gesetzgeber selbst intendierte Einzelfallprüfung lässt eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive durch das Revisionsgericht nicht zu. Vielmehr kommt es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an (Senatsurteil aaO, RdNr 20). Dabei sind die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten (aaO RdNr 24). Diese Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Würdigung nach Maßgabe des § 46 Abs 2a SGB VI wird nicht dadurch entbehrlich, dass die damit verbundenen Anforderungen den Wunsch der Verwaltung nach "überprüfbaren … objektiven Kriterien"(vgl Pötter, aaO) nicht erfüllen können.

18

In diesem Zusammenhang kann es zwar nicht als Verletzung von Bundesrecht angesehen werden, wenn die Tatsacheninstanz annimmt, dass bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI nicht erfüllt sein wird. Gleichwohl darf dabei nicht von vornherein der Nachweis ausgeschlossen werden, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgesichtspunkten geheiratet wurde. Bei der abschließenden Gesamtbewertung darf wiederum gefordert werden, dass diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sind, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist (BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6, RdNr 27).

19

Der Frage, ob besondere Umstände iS des Ausnahmetatbestands vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten (§ 103 SGG) nachzugehen (aaO RdNr 29 mwN). Sie ist in erster Linie auf tatsächlicher Ebene zu beantworten (BSG vom 15.9.2009 - B 5 R 282/09 B - BeckRS 2009, 72520 RdNr 7). Somit obliegt es zuvörderst den Tatsacheninstanzen, sich nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen und unter Würdigung aller Indizien eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob im Einzelfall die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war (vgl auch BSG vom 27.8.2009 - B 13 R 101/08 R - Juris RdNr 14 f). Ein Rentenversicherungsträger, der vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit seine Annahme, dass eine Versorgungsehe vorliege, verteidigen will, kann deshalb durch das Stellen von Beweisanträgen darauf hinwirken, dass alle Umstände - auch die für eine Versorgungsehe sprechenden Indizien - in die Beweiswürdigung des Gerichts einbezogen werden.

20

3. Vorliegend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG einen solchen Beweisantrag zur Entscheidung des Gerichts gestellt; sie hat verlangt, den zuständigen Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung zu vernehmen. Diesem Beweisantrag hätte das LSG nachkommen müssen; seine Ablehnung unter Berufung darauf, dass unabhängig von den konkreten Umständen der Trauung die volle Überzeugung des Senats zur Motivationslage für die Heirat bereits feststehe, verletzt Bundesrecht (§ 103 SGG).

21

Einer der Ausnahmefälle, der es erlaubt hätte, auf die Vernehmung des von der Beklagten mit der Bezeichnung "den zuständigen Standesbeamten" hinreichend konkret benannten Zeugen zu verzichten, ist nicht gegeben. Solche Ausnahmefälle sind dann anzunehmen, wenn es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommt, diese bereits erwiesen sind oder das Beweismittel ungeeignet oder unerreichbar ist (vgl Senatsurteil vom 23.8.2001 - B 13 RJ 59/00 R - SozR 3-2200 § 1248 Nr 17 S 72 f; BSG vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 B - Juris RdNr 10; BSG vom 28.5.2008 - B 12 KR 2/07 B - Juris RdNr 11; s auch BVerwG vom 12.3.2010 - 8 B 90/09 - Juris RdNr 25 f). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

22

Auf die von der Beklagten unter Beweis gestellten tatsächlichen Umstände der Eheschließung kommt es schon deshalb entscheidungserheblich an, weil das LSG alle Umstände des Einzelfalls, die für oder gegen eine Versorgungsabsicht sprechen könnten, aufzuklären und in einer abschließenden Gesamtbewertung zu würdigen hat. Zur Klärung dieser tatsächlichen Voraussetzungen war der benannte Zeuge auch ein geeignetes und erreichbares Beweismittel. Als Standesbeamter, der die Eheschließung auf der Station im Krankenhaus vollzogen hat, hätte er zu den näheren Umständen der Heirat, wie etwa ihm gegenüber geäußerte Eheschließungsmotive der Eheleute, Zeugnis geben können. Bislang sind im gerichtlichen Verfahren nur Personen vernommen worden, die (als Kinder und Schwester) der Sphäre der Klägerin zugehörig sind. Nicht zuletzt beruht die Beweiswürdigung des LSG im Wesentlichen auf den Angaben der Klägerin zu ihren eigenen Beweggründen. Die Zeugenaussage des Standesbeamten könnte aber nicht nur Anhaltspunkte zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin ergeben, sondern darüber hinaus weitere Erkenntnisse zu den inneren Motiven beider Eheleute für die Heirat erbringen. Solche Ermittlungen waren auch deshalb angezeigt, weil sich die Klägerin zum Beweis des Vorliegens der besonderen Umstände iS von § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI gerade auf ihre innere Motivation für die Heirat berufen und hierzu vor dem SG und dem LSG bereitwillig Auskunft gegeben hat. Eine unzulässige Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung (vgl dazu Senatsurteil vom 5.5.2009 - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6, RdNr 22, 29 mwN) stand daher nicht zu befürchten.

23

Das LSG hätte sich somit - ausgehend von seiner materiellen Rechtsansicht - zur Zeugenvernehmung des Standesbeamten zu den näheren Umständen der Trauung gedrängt fühlen müssen. Wenn es anstelle dessen ausgeführt hat, dass selbst im Fall einer sog Nottrauung aus Anlass einer lebensbedrohlichen Erkrankung (§ 7 PStG idF des bis zum 31.12.2008 gültigen Gesetzes vom 4.5.1998, BGBl I 833) "dies nichts an der dargelegten, zur vollen Überzeugung des Senats feststehenden Motivationslage für die Heirat" ändere, so handelt es sich um eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung. Einer der besonders gelagerten Ausnahmefälle, für die diskutiert wird, ob ein Beweisantrag auf Zeugenvernehmung dann abgelehnt werden darf, wenn aufgrund der Fülle und Güte bereits erhobener Beweise die entscheidungserheblichen Tatsachen mit einer solchen Gewissheit feststehen, dass die Überzeugung des Gerichts durch die beantragte weitere Beweiserhebung - ihr Erfolg unterstellt - nicht mehr erschüttert werden kann (vgl BVerwG vom 11.4.1991 - 3 C 73.89 - Buchholz 310 § 86 Abs 1 Nr 229 S 55 f mwN; BVerwG vom 12.3.2010 - 8 B 90/09 - Juris RdNr 25 f mwN; s auch BSG vom 31.8.1987 - 4a BJ 117/87 - Juris RdNr 5 - zu den beim Zeugenbeweis im Vergleich zum Sachverständigenbeweis strengeren Anforderungen), liegt hier nicht vor. Insbesondere zeigt das Urteil des LSG plausible Gründe für das Bestehen einer für jedermann nachvollziehbaren, unerschütterlichen Überzeugung des Berufungsgerichts nicht auf. Eine solche Überzeugung ist auch kaum denkbar, solange ausschließlich Personen aus dem Umfeld der Klägerin gehört und darauf verzichtet wurde, auch andere in Frage kommende Auskunftspersonen (vgl zB SG Düsseldorf vom 14.12.2009 - S 52 (10) R 22/09 - Juris) zu den Beweggründen der Nottrauung im Krankenhaus zu befragen.

24

Auf diesem Verstoß gegen § 103 SGG beruht die Entscheidung des LSG. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht nach den beantragten weiteren Ermittlungen zu einem für die Beklagte günstigen Ergebnis gekommen wäre.

25

Das LSG wird die unterlassene Beweisaufnahme zu den näheren Umständen der Trauung nachzuholen und auf dieser Grundlage eine neue Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen haben. Es wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Juni 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

2

Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren waren erfolglos (Bescheid vom 28.3.2006; Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006; Urteil des SG Berlin vom 12.1.2009). Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger mehrfach auf die bei ihm bestehenden, sich verschlimmernden psychischen Störungen - zB Angstneurose, massive Schlafstörungen, Depressionen - hingewiesen und die Einholung eines neuro-psychiatrischen Gutachtens gefordert (ua Schreiben vom 23.6.2011, 14.9.2011, 21.9.2011, "31".9.2011 und 17.2.2012). Mit Schreiben vom 5.10.2011 hat der Kläger die im Verfahren S 40 SB 741/10 (SG Berlin) von dem dortigen Beklagten überreichte psychiatrische Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie B. vom 14.9.2011 - Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin - vorgelegt. Dieser ist unter Auseinandersetzung mit dem Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie Dr. W. vom 9.8.2011 und der Beurteilung der psychologischen Psychotherapeutin Ba. sowie der Diplom-Psychologin Z. vom 23.8.2011 zu dem Ergebnis gelangt, dass aus den vorliegenden Befunden keine wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit hervorgingen, dies aber nach Aktenlage auch nicht auszuschließen sei und sich bei einer Begutachtung herausstellen könnte.

3

In der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2012 hat der Kläger ausgeführt, er frage sich nach wie vor, warum kein neuro-psychiatrisches Gutachten eingeholt worden sei.

4

Mit Urteil vom 15.6.2012 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Für die Einholung eines Gutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestehe kein Anlass. Die psychischen Leiden des Klägers seien vielmehr aufgrund des Sachverständigengutachtens Dr. Wo. vom 19.9.2006 und des Gutachtens des Neurologen und Psychiaters N. vom 14.9.2004 geklärt. Anhaltspunkte für eine Verschlimmerung des psychischen Leidens des Klägers lägen nicht vor. Der Kläger habe erstmals im Laufe des Berufungsverfahrens eine neuro-psychiatrische Begutachtung verlangt, ohne vorzutragen, worin genau sein psychisches Leiden bestehen bzw inwieweit sich ein solches verschlimmert haben könnte. Auch ließen die von den Sachverständigen Dr. S. sowie Prof. Dr. Sp. Ärzte für Orthopädie und Rheumatologie - erhobenen Anamnesen anlässlich der am 2.10.2007 bzw 16.5.2011 durchgeführten ambulanten Untersuchungen keine Rückschlüsse auf psychisch-neurologisch bedingte Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund sozialer Zurückgezogenheit und Kontaktarmut zu. Ebenso wenig ergäben sich aus den im Schwerbehindertenverfahren S 40 SB 741/10 eingeholten Befundberichten Anhaltspunkte für eine rentenberechtigende Verschlimmerung des psychischen Leidens.

5

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht iS von § 103 SGG und einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG.

6

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

7

Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Das LSG hat § 103 SGG verletzt, weil es einem Beweisantrag des Klägers ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

8

Der Kläger hat einen ordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt und diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten.

9

War der Beschwerdeführer in der Berufungsinstanz - wie hier - durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten, sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG Beschluss vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - Juris RdNr 5; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6 S 14; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 733). Ein unvertretener Beteiligter muss einen konkreten Beweisantrag nur sinngemäß gestellt haben, dh angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese weiter aufzuklären (BSG Beschlüsse vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4 und vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris RdNr 11).

10

Diesen Anforderungen hat der Kläger genügt.

11

Er hat mehrfach schriftlich darauf hingewiesen, dass er unter psychischen Störungen - zB Angstneurose, Schlafstörungen, Depressionen - leide und die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens gefordert (vgl ua Schreiben vom 23.6.2011, 14.9.2011, 21.9.2011, "31".9.2011 und 17.2.2012). Mit seiner in der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2012 abgegebenen Erklärung "Ich frage mich nach wie vor, warum kein neuro-psychiatrisches Gutachten eingeholt worden ist." hat der Kläger der Tatsacheninstanz auch unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen geführt, dass er die Sachaufklärungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht. Unter Berücksichtigung seiner schriftlich dargelegten Gesundheitsstörungen auf psychischem Fachgebiet hat der nicht rechtskundig vertretene Kläger zudem hinreichend deutlich gemacht, welche konkreten Tatsachen aufzuklären sind.

12

Das LSG ist diesem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt.

13

Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Berufungsgericht objektiv im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zu weiterer Sachaufklärung gehalten war, wenn es sich also von seinem Rechtsstandpunkt aus zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (zB BSG Beschlüsse vom 2.3.2010 - B 5 R 208/09 B - Juris RdNr 5 und vom 7.4.2011 - B 9 VG 16/10 B - Juris RdNr 14, jeweils mwN).

14

Dies ist zu bejahen.

15

Für das LSG war das Ausmaß der Gesundheitsstörungen des Klägers und die hierdurch bedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit entscheidungserheblich. Ausgehend von diesem Rechtsstandpunkt durfte es das psychische Leiden des Klägers nicht aufgrund von neurologisch-psychiatrischen Gutachten aus den Jahren 2006 (Dr. Wo.) und 2004 (N.) als geklärt ansehen, nach denen der Kläger damals unter einer Anpassungsstörung bei sozialer Belastungssituation, Mischkopfschmerz bei Migräne und Spannungskopfschmerz, einem Wurzelreizsyndrom S1 rechts, einer Persönlichkeitsakzentuierung und allenfalls einer leichten Herzphobie (Dr. Wo.) bzw lediglich Durchschlafstörungen und Kopfschmerzen (N.) litt. Demgegenüber beschreibt die Fachärztin für Psychiatrie Dr. W. in dem im Schwerbehindertenverfahren S 40 SB 741/10 (SG Berlin) eingeholten Befundbericht vom 9.8.2011 eine rezidivierende Depression des Klägers, die sie in der Ausprägung als somatoforme Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einschätzt. Zwar vermag nach Auffassung des LSG ua der Befundbericht der Ärztin Dr. W. die abweichenden Diagnosen des Sachverständigen Dr. Wo. nicht zu entkräften, weil er keine konkret erhobenen Befunde angebe, die den Schluss auf ein bestimmtes Leiden rechtfertigten, und sich dem Bericht zudem Äußerungen zu rentenrechtlich bedeutsamen Funktionsbeeinträchtigungen nicht entnehmen ließen. Dass der Befundbericht vom 9.8.2011 keine konkret erhobenen Befunde und keine Funktionsbeeinträchtigungen beschreibt, bedeutet indes nicht, dass solche nicht vorhanden sind. Schon deshalb vermag die Schlussfolgerung des LSG, es bestünde kein Anlass zu weiteren Ermittlungen, nicht zu überzeugen. Dies gilt umso mehr, als der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie B. in seiner Stellungnahme vom 14.9.2011 unter Auswertung der Befundberichte Dr. W. sowie der psychologischen Psychotherapeutin Ba. und der Diplom-Psychologin Z. ausgeführt hat, nach Aktenlage seien wesentliche Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht auszuschließen und könnten sich bei Begutachtung herausstellen. Angesichts dieser fachkundigen Einschätzung lassen auch die Anamneseerhebungen der Orthopäden und Rheumatologen Dr. S. und Dr. Sp., die nach Auffassung des LSG keine Anhaltspunkte für psychiatrisch-neurologische Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers enthalten, die Klärungsbedürftigkeit seines psychischen Leidens nicht entfallen, zumal das LSG nicht darstellt, woraus es seine Fachkunde bezieht.

16

Die angefochtene Entscheidung kann auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Begutachtung des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ergibt, dass dieser an einem psychischen Leiden erkrankt ist, das seine Erwerbsfähigkeit in einem rentenberechtigenden Ausmaß einschränkt.

17

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob das LSG auch den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat.

18

Zur Vermeidung einer zeitlichen Verzögerung hat der Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (§ 160a Abs 5 SGG).

19

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die 1949 geborene Klägerin beansprucht noch die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 für die Zeit vom 1.3.2004 bis 17.1.2007.

2

Im Januar 2007 beantragte die Klägerin nach § 44 SGB X die Überprüfung der Feststellung ihres GdB in dem bindenden Bescheid des beklagten Landes vom 11.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.3.2002. Zeitgleich stellte sie einen Verschlimmerungsantrag nach § 48 SGB X, machte als weitere Erkrankungen "Leber-CA und Bandscheibenvorfall mit Operation 2005" geltend und gab als behandelnde Ärztin die Allgemeinmedizinerin S. an. Von dieser holte der Beklagte einen Befundbericht ein, dem verschiedene Facharztberichte beigefügt waren. Auf der Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme stellte er nach § 48 SGB X mit Bescheid vom 23.7.2007 ab 18.1.2007 einen GdB von 100 fest. Der Überprüfungsantrag blieb mit der Begründung erfolglos (Bescheid vom 24.7.2007; Widerspruchsbescheid vom 28.11.2007), dass durch den Bescheid vom 11.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.3.2002 der GdB mit 20 richtig festgestellt worden sei. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) ruht (S 10 SB 6260/07).

3

Am 26.7.2007 beantragte die Klägerin erneut nach § 48 SGB X eine Überprüfung des Bescheides vom 11.12.2001, weil sich die diesem Bescheid zugrundeliegenden Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Daraufhin zog das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald - Versorgungsamt - für die Zeit ab 2001 einen Befundbericht der die Klägerin behandelnden Ärztin für Allgemeinmedizin S. nebst diversen Arztbriefen bei und stellte auf der Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Bescheid vom 29.1.2009 - unter Aufhebung des Bescheides vom 11.12.2001 - für die Zeit vom 1.3.2004 bis 17.1.2007 einen GdB von 30 fest. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.9.2009).

4

Das von der Klägerin angerufene SG hat nach Auswertung einer in einem Rentenverfahren abgegebenen Stellungnahme der Ärztin S. vom 28.6.2007 die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.1.2011). Im anschließenden Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 27.1.2012 ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:

5

Sowohl der Beklagte als auch das SG hätten es zu Recht abgelehnt, bei der Klägerin für den streitigen Zeitraum vom 1.3.2004 bis 17.1.2007 einen GdB von mehr als 30, nämlich in Höhe von 50, festzustellen. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren, in dem die Klägerin mit Schriftsatz vom 14.2.2011 beantragt habe, bei der Ärztin für Allgemeinmedizin S. einen Befundbericht über ihren Gesundheitszustand in der Zeit vom 1.3.2004 bis 17.1.2007 einzuholen, sei eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Denn die Einholung eines solchen Befundberichtes sei nicht erforderlich, weil bereits ein Bericht vorliege, der unter dem 7.8.2008 - und damit zeitnah zu dem hier streitigen Zeitraum - erstattet worden sei. Der Beweisantrag sei somit abzulehnen, weil die Beweiserhebung offenkundig nicht erforderlich sei. Eine für die wiederholende Beweisaufnahme unter Beweis gestellte Tatsachengrundlage, die von der vorhergehenden Beweisaufnahme abweiche und durch den aktenkundigen Bericht vom 7.8.2008 nicht beantwortet worden sei, sei von der Klägerin weder konkretisiert dargelegt worden noch für den Senat ersichtlich. Ob die Klägerin wegen der von ihr geltend gemachten Beschwerden (degenerative Veränderungen der Wirbelsäulenabschnitte, operierter Bandscheibenschaden, Fibromyalgiesyndrom und Harninkontinenz) fachärztlich behandelt worden sei, entziehe sich der Kenntnis des Senats. Die Klägerin habe es versäumt, hierzu Stellung zu nehmen. Mit Verfügung vom 31.3.2011 sei sie erfolglos gebeten worden, entsprechende Angaben zu machen.

6

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin als Verfahrensmangel ua eine Verletzung des § 103 SGG geltend. Das LSG sei ohne hinreichende Begründung dem von ihr gestellten Antrag auf Einholung eines Befundberichtes der behandelnden Hausärztin S. betreffend die Zeit vom 1.3.2004 bis 17.1.2007 nicht gefolgt.

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG vom 27.1.2012 ist unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) ergangen.

8

Das LSG ist dem von der Klägerin mit Schriftsatz vom 14.2.2011 gestellten Beweisantrag, bei der behandelnden Hausärztin S. für die Zeit vom 1.3.2004 bis 17.1.2007 einen Befundbericht über den Gesundheitszustand der Klägerin, insbesondere im Hinblick auf das Fibromyalgiesyndrom sowie das Ausmaß und den Umfang der Harninkontinenz, einzuholen, ohne hinreichende Begründung, dh ohne hinreichenden Grund (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5), nicht gefolgt (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).

9

Das LSG ist davon ausgegangen, dass die Bewertung des GdB eine umfassende Feststellung aller vorliegenden, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen erfordert (zur Feststellung des GdB s nur Urteil des BSG vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 18). Auf dieser Grundlage hätte es sich gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 49). Es bestand zwingende Veranlassung, dem Beweisantrag zu folgen. Hierfür sind folgende Gründe maßgeblich:

10

Die Klägerin hat gegenüber dem LSG ua mit Schriftsatz vom 14.2.2011 geltend gemacht, bei ihr liege für den streitigen Zeitraum vom 1.3.2004 bis 17.1.2007 im Hinblick auf die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäulenabschnitte, den operierten Bandscheibenschaden, das Fibromyalgiesyndrom und die bestehende Harninkontinenz ein höherer GdB als 30, nämlich in Höhe von 50, vor. Hierzu sei die behandelnde Hausärztin S. im Rahmen einer Befundberichtanforderung zu befragen. Eine entsprechende fachärztliche Beurteilung lag dazu weder in Form eines aktuellen Befundberichtes noch in Form eines Gutachtens vor. Schon im Hinblick darauf lag eine diesbezügliche Aufklärung des Sachverhalts für den streitigen Zeitraum nahe. Hinsichtlich des Schreibens der Klägerin vom 14.2.2011 ist das LSG in seinem Urteil selbst von einem offenen Beweisantrag ausgegangen. Entgegen der Ansicht des LSG war die Einholung eines neuen Arztberichtes nicht deshalb überflüssig, weil bereits ein Befundbericht der Ärztin S. vom 7.8.2008 vorlag. Zwar werden in diesem Bericht ab Oktober 2001 ein Bandscheibenvorfall, ab Juni 2003 HWS-Beschwerden mit ausgeprägtem Myogelosen und Paraesthesien in beiden Händen, ab Januar 2001 bestehende Miktionsbeschwerden bei Zustand nach Hysterektomie mit teilweiser Inkontinenz angegeben und auch eine bestehende Fibromyalgie erwähnt. Insbesondere betreffend Fibromyalgie und Inkontinenz wird insoweit jedoch nicht deutlich, ab wann und mit welchem Schweregrad diese Leiden bei der Klägerin vorgelegen haben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem am 28.6.2007 in dem Rentenverfahren S 13 R 2973/06 erstatteten Befundbericht dieser Ärztin.

11

Aus diesen ärztlichen Unterlagen hat das SG in seinem Urteil vom 28.1.2011, auf das sich das LSG in seiner Entscheidung vom 27.1.2012 bezieht, gefolgert, dass die Fibromyalgie für den hier streitigen Zeitraum nicht zu berücksichtigen sei, weil diese erst seit April 2007 ärztlich dokumentiert werde. Allein im Hinblick darauf, dass die bereits vorliegenden Befunde für den streitigen Zeitraum keine genaueren Angaben enthalten, durfte das LSG nicht davon ausgehen, dass eine Beweiserhebung über den damaligen Gesundheitszustand der Klägerin offenkundig überflüssig ist. Denn es ist möglich, dass die Ärztin S. auf gezielte Nachfrage hin nähere Angaben machen kann. Insofern kommt die Beurteilung des LSG unter den gegebenen Umständen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung gleich.

12

Insgesamt ergibt sich die Notwendigkeit der Einholung eines erneuten Befundberichtes bei der Hausärztin S., verbunden mit einer detaillierten Befragung dazu, ab wann seinerzeit insbesondere eine Fibromyalgie und eine Harninkontinenz mit welchem Schweregrad und welchen Auswirkungen bei der Klägerin vorlagen. Diese Ärztin hätte auch nach fachärztlichen Behandlungen im streitigen Zeitraum gefragt werden können.

13

Auf der Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG)kann das angefochtene Urteil iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG beruhen, denn es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung der beantragten Beweisaufnahme der Rechtsstreit einer anderen, für die Klägerin günstigeren, Lösung hätte zugeführt werden können.

14

Da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, macht der Senat von der ihm durch § 160a Abs 5 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

15

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.