Bundessozialgericht Beschluss, 19. Okt. 2011 - B 13 R 290/11 B

bei uns veröffentlicht am19.10.2011

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Juni 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch sind bei der Klägerin letztmalig bei Eintritt des Leistungsfalls am 30.6.2009 erfüllt.

2

Die 1953 geborene Klägerin arbeitete zuletzt von Oktober 1988 bis Mai 2005 als Empfangsdame in einem Möbelhaus. Ihren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 10.4.2006 lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 24.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 23.10.2007).

3

Im Klageverfahren hat das SG ua einen Befundbericht der Diplom-Psychologin Frau G. vom 22.1.2008 beigezogen. Nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie, Innere Medizin, Endokrinologie Prof. Dr. D. vom 13.6.2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 9.2.2009 hat es mit Gerichtsbescheid vom 24.3.2009 die Klage abgewiesen.

4

Im Berufungsverfahren hat das LSG gemäß § 109 SGG den Arzt für Neurologie und Psychiatrie, physikalische und rehabilitative Medizin Prof. Dr. W. gutachterlich gehört. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 5.4.2010 diagnostizierte dieser bei der Klägerin eine Borderline-Störung mit erwerbsminderndem Dauereinfluss und gelangte im Ergebnis zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen (unter drei Stunden täglich). Den Eintritt des Leistungsfalls empfahl er ab dem Begutachtungsdatum (18.2.2010) anzusetzen. In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 4.12.2010 und 29.3.2011 hat Prof. Dr. W. nach entsprechenden Nachfragen des LSG seine bisherige Beurteilung insofern revidiert, als er den Eintritt des Leistungsfalls auf das Ende der erfolglosen Psychotherapie bei der Diplom-Psychologin Frau G. zu Beginn des Jahres 2008 rückdatiert hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass dieses Datum der kontinuierlichen Krankheitsentwicklung und der Synopse einer komplexen psychiatrischen Störung einigermaßen gerecht werde.

5

Zur Frage des Eintritts des Leistungsfalls hat das LSG eine weitere gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. D. vom 2.2.2011 eingeholt. Dieser hat zwar das Gutachten von Prof. Dr. W. als plausibel anerkannt, nicht jedoch die Rückdatierung des Leistungsfalls. Die von Prof. Dr. W. zunächst für die Beurteilung einer Leistungsaufhebung bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Exploration herangezogenen Gründe seien letztlich auch dazu verwendet worden, den Leistungsbeginn auf Januar 2008 zurückzudatieren, ohne dass eine Auseinandersetzung mit seinem Gutachten stattgefunden habe, welches als Folge hinsichtlich der Leistungsbeurteilung falsch sein müsse. Neue Gesichtspunkte, die die Rückdatierung stützen könnten, seien von Prof. Dr. W. nicht genannt worden, weshalb diese nicht nachvollziehbar sei.

6

Mit Schriftsatz vom 20.6.2011 hat die Klägerin vorgetragen, dass es nach ihrer Auffassung im Hinblick auf die Ausführungen der beiden Sachverständigen erforderlich sei, weitere Ermittlungen durch Einholung einer Stellungnahme oder Vernehmung der Diplom-Psychologin Frau G. durchzuführen. Gegebenenfalls wäre es auch sinnvoll, wenn die Gutachter unmittelbar Fragen an Frau G. richten könnten, um so nähere Einzelheiten zum damaligen Krankheitsbild zu erfahren und mit diesen Erkenntnissen eine konkretere Beurteilung des Eintritts des Leistungsfalls vornehmen zu können.

7

In der mündlichen Verhandlung am 21.6.2011 hat die Klägerin ihr Vorbringen ausweislich der Sitzungsniederschrift unter Hinweis auf den vorgenannten Schriftsatz vertieft. Mit Urteil vom selben Tage hat das LSG die Berufung zurückgewiesen und einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint, weil sie ausgehend vom Eintritt des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung am 18.2.2010, dem Tag der Exploration bei dem Sachverständigen Prof. Dr. W., die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente nicht erfülle. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. W. sei es im Jahre 2008 zwar zu einer neuerlichen schweren depressiven Krise gekommen, die zu einer stetigen Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit geführt habe. In Ermangelung von medizinischen Anknüpfungstatsachen habe der Sachverständige in seiner ersten Einschätzung für den Senat plausibel empfohlen, vom Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung trotz bereits langjährig bestehender manifester und auch therapieresistenter Depression erst ab dem Untersuchungstag (18.2.2010) auszugehen. Dem seien sowohl die Beklagte als auch der zur Frage des Eintritts des Leistungsfalls und dem Gutachten von Prof. Dr. W. insgesamt noch einmal gehörte Sachverständige Prof. Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 2.2.2011 beigetreten. Wenn auch gewisse Zweifel dahingehend bestünden, ob die bei der Klägerin bereits seit vielen Jahren bestehende psychische Erkrankung mit progredientem Verlauf nicht bereits schon einen zeitlich davor liegenden Leistungsfall begründen könnte, lägen letztlich keine sicheren Erkenntnisse darüber vor, ob bei der Klägerin spätestens im Juni 2009 Gesundheitsstörungen in einer rentenrechtlich relevanten Intensität vorgelegen hätten. Die ergänzenden Stellungnahmen und Leistungsbeurteilungen von Prof. Dr. W. vom 4.12.2010 und 29.3.2011, in denen dieser nach erneuter Auswertung des Akteninhalts seine bisherige Einschätzung revidiert und den Leistungsfall auf Anfang Januar 2008 vordatiert habe, überzeugten nicht. Letztlich gelange auch Prof. Dr. W. nicht zu einer sicheren Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin zu Beginn des Jahres 2008, auch wenn er vermute, dass aufgrund der kontinuierlichen Verschlechterung des psychischen Zustands der Klägerin und mit Blick auf die erfolglose Psychotherapie ein zeitlich früherer Leistungsfall gegeben sein könnte. Vielmehr deute einiges darauf hin, dass es sich dabei um eine mit Blick auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ergebnisorientierte Festlegung des Leistungsfalls handele. Dies gelte um so mehr, als dass Prof. Dr. W. neue Anknüpfungstatsachen für die im Nachhinein erfolgte Rückdatierung nicht vorgebracht habe. Im Gegenteil sei die trotz 58 Sitzungen offenbar erfolglose Psychotherapie bei Frau G. bereits in seinem Hauptgutachten thematisiert worden, indem er gerade und trotz der bemerkten "therapieresistenten Persönlichkeitsstörung" empfohlen habe, den Leistungsfall ab dem Begutachtungstag bei ihm anzusetzen.

8

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin als Verfahrensfehler einen Verstoß des LSG gegen die Aufklärungspflicht gemäß § 103 SGG. Das LSG hätte ihrem in der mündlichen Verhandlung wiederholten Beweisantrag aus ihrem Schriftsatz vom 20.6.2011, bei Frau G. im Hinblick auf die konträren Ausführungen der Sachverständigen zum Eintritt des Leistungsfalls eine weitere Stellungnahme einzuholen oder diese als sachverständige Zeugin im Beisein der Gutachter in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, nachgehen müssen. Durch die Vernehmung von Frau G. wäre es möglich gewesen, festzustellen, wie sich die gesundheitliche Situation der Klägerin Anfang des Jahres 2008 nach der erfolglosen Durchführung der Psychotherapie dargestellt habe. Mit Hilfe der Aussage von Frau G. wären die Sachverständigen in die Lage versetzt worden, genauere Angaben zur Leistungsfähigkeit und letztlich eine Beurteilung über das Vorliegen einer Erwerbsminderung bereits zu diesem Zeitpunkt abzugeben. Auch habe sich das Gericht nicht mit ihrem Beweisantrag auseinandergesetzt oder erläutert, weshalb es diesem nicht gefolgt sei.

9

II. Auf die Beschwerde der Klägerin war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

10

Die Klägerin hat formgerecht (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) und auch in der Sache zutreffend die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG)gerügt (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

11

Das LSG hat seine in § 103 SGG normierte Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, dass es den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.6.2011 gestellten und bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 21.6.2011 aufrechterhaltenen Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, wie von der Klägerin beantragt, eine ergänzende präzisierende schriftliche oder mündliche Zeugenaussage von Frau G. über die Ergebnisse ihrer psychotherapeutischen Behandlung bzw zur gesundheitlichen Situation der Klägerin Anfang des Jahres 2008 nach erfolgloser Psychotherapie einzuholen und diese den gehörten nervenärztlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. und Prof. Dr. D. zur ergänzenden Stellungnahme zum hier allein nur noch streitigen Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls zu übermitteln.

12

Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr, zB BSG vom 7.4.2011 - B 9 SB 47/10 B - Juris RdNr 4). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10; BSG vom 7.4.2011 - aaO). Keiner dieser Ablehnungsgründe liegt hier vor.

13

Die Klägerin hat den im Schriftsatz vom 20.6.2011 gestellten Beweisantrag bis zuletzt aufrechterhalten. Denn sie hat auf ihn in der mündlichen Verhandlung vom 21.6.2011 ausweislich der Sitzungsniederschrift durch Hinweis auf den vorgenannten Schriftsatz ausdrücklich Bezug genommen.

14

Das LSG hätte sich gedrängt sehen müssen, diesem Beweisantrag nachzugehen. Nach seiner Rechtsauffassung kommt es entscheidend darauf an, wie das Leistungsvermögen der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Gesundheitsstörungen bis zum 30.6.2009 zu bewerten ist. Das LSG geht zwar vom Eintritt des Leistungsfalls am 18.2.2010 (Tag der gutachterlichen Untersuchung beim Sachverständigen Prof. Dr. W.) aus, weist aber zugleich einschränkend darauf hin, dass gewisse Zweifel dahingehend bestünden, ob die bei der Klägerin bereits seit vielen Jahren bestehende psychische Erkrankung mit progredientem Verlauf nicht bereits schon einen zeitlich davor liegenden Leistungsfall begründen könnte. Allerdings lägen keine sicheren Erkenntnisse darüber vor, ob bei der Klägerin spätestens im Juni 2009 Gesundheitsstörungen in einer rentenrechtlich relevanten Intensität bestanden hätten. Neue Anknüpfungstatsachen für die von Prof. Dr. W. im Nachhinein vorgenommene Rückdatierung des Eintritts des Leistungsfalls auf Anfang Januar 2008 habe dieser nicht vorgebracht.

15

Prof. Dr. W. hat sich für die von ihm in seinen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 4.12.2010 und 29.3.2011 vorgenommene Rückdatierung des Eintritts des Leistungsfalls bei der Klägerin an dem Befundbericht der Diplom-Psychologin Frau G. vom 22.1.2008 orientiert. Dort hatte Frau G. mitgeteilt, dass die Klägerin erstmals am 7.9.2005 zur psychotherapeutischen Behandlung gekommen sei und "bisher" 58 verhaltenstherapeutische Sitzungen durchgeführt worden seien. Die Klägerin habe über wiederholte massive Antriebslosigkeit mit trauriger Stimmung, Grübeln, Sinnlosigkeitsempfindung, sozialem Rückzug und auf der körperlichen Ebene innerer Unruhe, Magenschmerzen, Rückenschmerzen und Schlafstörungen geklagt. Der "Depressionsbefund nach BDI" habe zuletzt am 9.1.2008 29 Punkte (= starke Depression) betragen. Nach der seit zwei Jahren andauernden Behandlung habe sich keine durchgängige Stabilisierung der depressiven Symptomatik gezeigt, sondern entsprechend dem Bild einer rezidivierenden Depression lediglich phasenweise Verbesserungen im Allgemeinzustand. Demzufolge werde die verhaltenstherapeutische Behandlung in Kürze abgeschlossen, da Interventionen und angewandte Methoden erschöpft seien und die Klägerin dauerhaft nicht umstellungsfähig sei. Eine medikamentöse Behandlung, die möglicherweise eine stabilisierende Verbesserung der depressiven Symptomatik bewirken könne, lehne die Klägerin ab. Deren Leistungsfähigkeit sei "nicht durchgängig und dauerhaft stabil". In "guten Phasen" könne die Klägerin drei bis unter sechs Stunden berufstätig sein, in "schlechten Phasen" weniger als drei Stunden.

16

Prof. Dr. W. hat sich zur Begründung seiner Auffassung, dass das Leistungsvermögen der Klägerin bereits zu Beginn des Jahres 2008 - und nicht wie von ihm zunächst angenommen erst seit Februar 2010 - aufgehoben sei, im Wesentlichen auf die Erfolglosigkeit der von Frau G. durchgeführten verhaltenstherapeutischen Behandlung berufen. Er hat in seiner Stellungnahme vom 29.3.2011 darauf hingewiesen, dass es keine "belastbaren Äußerungen über diese 58 Sitzungen" durch Frau G. gebe, die "auch nur ansatzweise" auf eine Änderung des Leistungsvermögens der Klägerin hinweisen könnten. Sehr kursorisch werde die Leistungsfähigkeit der Klägerin nach diesen 58 Sitzungen als "instabil" bezeichnet. Grundsätzlich seien "gutachterliche Beurteilungen in ähnlichen Situationen schwierig". Im vorliegenden Fall fehle "eine wirklich kompetente Äußerung der verhaltenstherapeutischen tätigen Diplom-Psychologin". Zudem hatte Prof. Dr. W. bereits in seinem Gutachten vom 5.4.2010 darauf hingewiesen, dass der Bericht der Diplom-Psychologin "sehr kurz gehalten" sei und zur Leistungsfähigkeit sich dort auch nur "sehr unklar geäußert" werde.

17

Unter diesen Umständen war es geboten, - wie von der Klägerin beantragt - eine ergänzende schriftliche Zeugenaussage von Frau G. einzuholen oder diese als sachverständige Zeugin in einer mündlichen Verhandlung zu vernehmen, um ihr Gelegenheit zu geben, ihre Angaben in dem Befundbericht vom 22.1.2008 über die von ihr durchgeführten verhaltenstherapeutischen Maßnahmen sowie über deren Auswirkungen auf den Gesundheitszustand und die Leistungsfähigkeit der Klägerin - ggf auch unter Hergabe weiterer Behandlungsunterlagen - zu präzisieren und diese Aussage von Frau G. den beiden gehörten nervenärztlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. und Prof. Dr. D. zur (ergänzenden) Stellungnahme zum hier allein nur noch streitigen Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls zu übermitteln. Dabei wäre vom LSG zu prüfen gewesen, ob nicht sogar eine persönliche Anhörung der sachverständigen Zeugin im Beisein der Sachverständigen angezeigt war, um (auch) diesen unmittelbar zu ermöglichen, konkrete Fragen an die sachverständige Zeugin zum Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls zu stellen.

18

Auf dem insoweit verfahrensfehlerhaften Unterlassen entsprechender weiterer Ermittlungen kann das Berufungsurteil beruhen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sich ein rentenrelevant gemindertes Leistungsvermögen der Klägerin bereits vor dem 30.6.2009 ergibt und die Klägerin dann - wovon auch das LSG ausgeht - einen entsprechenden Rentenanspruch hätte.

19

Gemäß § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen macht der Senat von dieser ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch.

20

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

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Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. März 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF ab 1.1.2003. Das beklagte Land lehnte seinen diesbezüglichen Antrag vom 1.12.2006 nach Einholung gutachtlicher Stellungnahmen ab (Bescheid vom 21.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.1.2008). Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Karlsruhe abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 27.2.2009). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die dagegen eingelegte Berufung des Klägers (ohne mündliche Verhandlung) im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen (Urteil vom 5.3.2010): Beim Kläger sei zwar ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt. Er sei jedoch nach den eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen des Neurologen H. und der Rheumatologin Dr. M. nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Den abweichenden Ansichten der Internisten Dr. R. und Dr. S. könne nicht gefolgt werden. Es habe kein Anlass für weitere Ermittlungen bestanden, insbesondere auch nicht durch Vernehmung der im Schriftsatz vom 29.6.2009 benannten Ehefrau des Klägers als Zeugin. Die vom Kläger gestellten Beweisfragen seien durch die eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte geklärt. Dass die Ehefrau des Klägers über eine besondere (medizinische) Sachkunde verfüge, die gleichwohl ihre Vernehmung angezeigt erscheinen lasse, sei nicht ersichtlich.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat der Kläger bei dem Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Mit seiner Beschwerdebegründung macht er einen Verfahrensmangel geltend: Das LSG sei seinem Beweisantrag auf Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG vom 5.3.2010 ist unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz ergangen. Der vom Kläger schlüssig gerügte Verfahrensmangel einer ohne hinreichende Begründung unterlassenen Beweiserhebung liegt vor. Er führt gemäß § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

4

Das LSG hat seine in § 103 SGG normierte Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, dass es dem von dem Kläger mit Schriftsätzen vom 29.6.2009 und 26.11.2009 gestellten Beweisantrag, dessen Ehefrau E. als Zeugin zu vernehmen, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung (hier: Zeugenvernehmung) vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10). Keiner dieser Ablehnungsgründe liegt hier vor.

5

           

Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 29.6.2009 ausdrücklich die (schriftliche) Vernehmung seiner Ehefrau Edeltraud Kolb zu folgenden Beweisfragen beantragt:

        

"-    

Häufigkeit der Krankheitsschübe und seit wann?

        

 -    

Welche Beschwerden, Hilfen, Pflege lagen und liegen vor?

        

 -    

Wie machen sich die regelwidrigen Zustände bemerkbar?

        

 -    

Welche Funktionsbeeinträchtigungen sind augenscheinlich?

        

 -    

Wann wurde zuletzt an öffentlichen Veranstaltungen teilgenommen und aus welchen Gründen geht es nicht mehr?"

6

Diesen Antrag hat er in seinem Schreiben vom 26.11.2009 ausdrücklich wiederholt und in seinem Schreiben vom 1.12.2009, in dem er sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, nochmals darauf hingewiesen, dass er den Sachverhalt durch die vier schriftlichen ärztlichen Stellungnahmen noch nicht für geklärt hält. Unerheblich ist, dass der Kläger in seiner Zustimmungserklärung vom 1.12.2009 den Beweisantrag nicht ausdrücklich aufrecht erhalten hat, denn dies wird nur von einem vor dem LSG rechtskundig bzw anwaltlich vertretenen Beteiligten verlangt (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5). Der Kläger war jedoch in der Berufungsinstanz noch nicht anwaltlich vertreten.

7

Ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG, dass es nach den rundfunkrechtlichen Staatsverträgen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF bei behinderten Menschen mit einem GdB von wenigstens 80 - wie dem Kläger - entscheidend darauf ankommt, ob sie wegen ihres Leidens ständig gehindert sind, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, hätte sich das LSG im Hinblick auf die unterschiedliche Beantwortung dieser Frage durch die auf der Grundlage von § 118 Abs 1 SGG, § 377 Abs 3 Satz 1 ZPO, § 414 ZPO gehörten behandelnden Ärzte zu weiterer, insbesondere zu der vom Kläger beantragten Beweiserhebung gedrängt fühlen müssen. Aus der Sicht des LSG kam es auf die genannten Beweisfragen an.

8

Der erkennende Senat vermag der Auffassung des LSG nicht zu folgen, dass die vom Kläger gestellten Beweisfragen durch die eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte bereits geklärt waren. Diese hatten die Frage, ob beim Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF erfüllt sind - zum Teil nur bezogen auf die von ihnen fachspezifisch erhobenen Befunde - unterschiedlich beantwortet. Während der Neurologe H. die Beweisfrage, ob der Kläger wegen seiner Funktionsbeeinträchtigungen an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne, "aus neurologischer Sicht" verneint hat, ist der Arzt für innere Medizin Dr. R. zu der Beurteilung gelangt, dass beim Kläger ein erheblich eingeschränkter Bewegungsradius vorliege und Gehstrecken von über 50 m ein erhebliches Hindernis darstellten. Die Rheumatologin Dr. M. hat die Ansicht vertreten, eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei erheblich erschwert und - je nach Art der Veranstaltung - unmöglich. Der Arzt für innere Medizin (Lungen- und Bronchialheilkunde) Dr. S. hat eine Teilnahme des Klägers an öffentlichen Veranstaltungen derzeit längerfristig (6 - 12 Monate) für absolut unmöglich gehalten. Der zu klärende Sachverhalt stand mithin aufgrund der vom LSG durchgeführten Beweisaufnahme noch nicht zweifelsfrei fest.

9

Die Vernehmung der Ehefrau als Zeugin zu den vom Kläger gestellten Beweisfragen ist auch kein völlig ungeeignetes Beweismittel. Selbst wenn die Ehefrau über keine medizinische Sachkunde verfügt, so hätte sie doch zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beitragen können, etwa indem sie vom Gericht (mündlich oder schriftlich) zur tatsächlichen Bewegungsfähigkeit des Klägers (mit und ohne Hilfe von Begleitpersonen oder technischen Hilfsmitteln) sowie zu sonstigen Gegebenheiten seiner Lebensführung befragt worden wäre. Die Angaben eines Laien können für ein Gericht durchaus geeignet sein, sich ein genaueres Bild über den funktionalen Zustand eines behinderten Menschen zu verschaffen (zum Beweis durch Zeugenvernehmung betreffend soziale Anpassungsschwierigkeiten bei psychischen Störungen: BSG Beschluss vom 20.7.2005 - B 9a VG 7/05 B, RdNr 11 f; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R, RdNr 45; vgl allgemein auch BSG Urteil vom 19.3.1969 - 10 RV 225/68 - juris RdNr 18; BSG Urteil vom 28.1.1993 - 2 RU 37/92 - juris RdNr 20). Die Aussage der Ehefrau des Klägers hätte sodann - zusammen mit den unterschiedlichen Antworten der behandelnden Ärzte - einem im Schwerbehindertenrecht erfahrenen ärztlichen Sachverständigen vorgelegt werden können, der - eventuell nach Untersuchung des Klägers - das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF aus medizinischer Sicht abschließend und zusammenfassend hätte beurteilen können (vgl hierzu Nr 33 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 2005 iVm den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften über die Befreiung natürlicher Personen von der Rundfunkgebührenpflicht).

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Auf dem insoweit verfahrensfehlerhaften Unterlassen weiterer Beweiserhebung kann die angefochtene Entscheidung beruhen, denn es ist nicht auszuschließen, dass entsprechende Ermittlungen (Durchführung der beantragten Zeugenvernehmung und etwaige abschließende zusammenfassende Beurteilungen durch einen ärztlichen Sachverständigen) neue tatsächliche Gesichtspunkte ergeben hätten, die möglicherweise dazu geführt hätten, dass das LSG im Rahmen seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG)zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

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Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles von dieser Möglichkeit Gebrauch.

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Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.