Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Jan. 2016 - L 15 VK 1/12

bei uns veröffentlicht am26.01.2016
vorgehend
Sozialgericht Augsburg, S 5 VK 9/11, 07.02.2012

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 7. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Anerkennung von Schädigungsfolgen und Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.

Der Kläger ist 1945 geboren.

Mit Schreiben vom 07.02.2009 beantragte er unter Bezugnahme auf seinen Schwerbehindertenausweis (Grad der Behinderung - GdB - von 100, Merkzeichen G, RF, B) die Gewährung von Beschädigtenversorgung. Er begründete dies damit, dass er endlich nach über 63 Jahren seines Kriegsleidens jemanden gefunden habe, der ihm die erschreckenden sowie unmenschlichen Geschehnisse auch schriftlich an Eides statt versichere. Er beziehe nur eine sehr kleine Erwerbsunfähigkeitsrente von 180,- € und komme damit finanziell nicht aus.

In den diesem Antrag beigefügten Erklärungen an Eides statt vom 01.12.2008 und vom 10.12.2008 gab die Schwägerin der Mutter des Klägers, Frau D., an, dass die Mutter des Klägers, als sie mit diesem hochschwanger gewesen sei, mehrmals von russischen Soldaten vergewaltigt worden sei. Die Mutter des Klägers sei sehr oft misshandelt und vergewaltigt worden, da sie schwarze Haare gehabt habe. Der Kläger sei schwer hirngeschädigt gewesen und leide bis heute unter den Nachwirkungen dieser Zeit.

Am 19.02.2009 erläuterte der Kläger seinen Antrag dahingehend, dass er seit Geburt unter einer Hirnschädigung leide, die er auf Misshandlungen seiner Mutter in der Schwangerschaft durch russische Soldaten zurückführe. Er habe weiter einen Hüftschaden durch schlechtes Wachstum. Zudem leide er unter Sprachstörungen, Wirbelsäulenschäden usw.

Der vom Beklagten beigezogenen Schwerbehindertenakte ist zu entnehmen, dass dem Kläger mit Bescheid vom 11.11.1981 ein GdB von 100 zuerkannt worden war. Dem hatte u. a. eine ärztliche Begutachtung durch Dr. S. vom 21.09.1981 zugrunde gelegen, bei der der Kläger sein Beinleiden auf einen mit ca. 13 Jahren erlittenen Verkehrsunfall zurückgeführt hatte, als er als Radfahrer von einem Auto angefahren worden war. Der Sachverständige hatte im Rahmen der Begutachtung mit dem behandelnden Arzt des Klägers, Dr. C., telefoniert, der ihm - so Dr. S. - mitgeteilt habe, dass der Kläger seit der Kindheit unter epileptischen Anfällen vom Jackson-Typ leide, die im Anschluss an eine Kinderlähmung aufgetreten seien.

Weiter zog der Beklagte die medizinischen Unterlagen der Deutschen Rentenversicherung bei. Darin ist u. a. ein Gutachten vom 09.04.1999 enthalten. Bei der Begutachtung hatte der Kläger angegeben, dass sein Vater alkoholabhängig gewesen sei. Der Sachverständige ging von Hinweisen für eine frühkindliche Hirnschädigung mit niedriger Intelligenz und langjährigem Anfallsleiden aus.

Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten kam nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen in seiner Stellungnahme vom 12.08.2009 zu dem Ergebnis, dass die geltend gemachten Gesundheitsschäden nicht ursächlich auf die angegebenen Einwirkungen durch Vergewaltigung der Mutter während der Schwangerschaft, deren Misshandlung, Mangelernährung und Angst zurückzuführen seien. Ein Geschlechtsverkehr während der Schwangerschaft sei grundsätzlich nicht geeignet, einen Embryonalschaden zu verursachen. Ursächlich seien zum einen genetische Faktoren, zum anderen sei durch den behandelnden Arzt eine spinale Kinderlähmung mit dem Auftreten einer zerebralen Schädigung belegt.

Mit Bescheid vom 23.08.2010 lehnte der Beklagte die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenversorgung ab.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 04.09.2010 Widerspruch mit der Begründung ein, dass die körperliche Gewalt und psychischen Ängste einen bleibenden Schaden beim werdenden Leben hinterlassen hätten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2011 wurde der Widerspruch nach erneuter Befassung des versorgungsärztlichen Diensts zurückgewiesen.

Am 01.08.2011 hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhoben.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.02.2012 ist die Klage abgewiesen worden. Das SG hat erläutert, dass nicht zu erkennen sei, dass die geltend gemachte Hirnschädigung, der Hüftschaden, die Sprachstörungen sowie die Wirbelsäulenschäden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Vergewaltigungen und Angstzustände der Mutter des Klägers bzw. die Folgen der Vertreibung zurückzuführen seien. Das SG hat sich insofern den Ausführungen des versorgungsärztlichen Dienstes angeschlossen.

Dagegen hat der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 07.03.2012 Berufung eingelegt und diese mit Schreiben vom 23.11.2012 wie folgt begründet: Nach den vom SG beigezogenen Unterlagen der Rentenversicherung leide er u. a. an einer angeborenen Bewegungsstörung und Sprachstörung, einer Epilepsie und den Folgen einer Hüftdysplasie links. Es verstehe jeder Laie und damit auch der medizinisch vorgebildete Jurist, „d. h. etwa auch ein Richter, und erst recht ein Mediziner“, dass ein angeborenes Leiden nicht Folge einer erst im Kleinkindalter aufgetretenen spinalen Kinderlähmung sein könne, wobei auch die insoweit noch herangezogenen Alternativursachen „offenkundig an den Haaren herbeigezogen“ seien. „Als Folge der Einwirkungen auf die Mutter des Rechtsmittelführers, die sich mit Nichten „nur“ im erzwungenen Geschlechtsverkehr und den Folgen der Vertreibung, sondern in massiven Gewalttaten, nämlich Schlägen und Tritten, auch in die zu dieser Zeit besonders sensible Bauchregion, beschränkten, seien demnach als „angeborene“ Folgeleiden explizit zu nennen: Bewegungs- und Sprachstörungen nervalen Ursprungs; Dysplasie beider Hüften; Epilepsie; Deformierung der gesamten Wirbelsäule. Als Folgen dieser Leiden wiederum bestünden: Depressionen, Schlafstörungen, Schmerzen entlang der gesamten Wirbelsäule und beider Hüften, Nebenwirkungen von Medikamenten mit chronischer Obstipation, Müdigkeit und Zahnfleischentzündung mit Ausfall der Zähne. Die vorstehenden Darlegungen würden nachgewiesen durch die beigelegten Atteste des Hausarztes des Klägers, des praktischen Arztes E. vom 06.09.2000, 14.11.2004, 08.07.2010 und 05.09.2012. Darin hatte dieser Arzt wiederholt angegeben hatte, dass der Kläger „seit Geburt“ an den Gesundheitsstörungen leide.

Anschließend hat der Senat den Hausarzt des Klägers E. mit Schreiben vom 06.02.2014 danach befragt, woher er sein Wissen beziehe, dass der Kläger „seit Geburt unter Bewegungs- und Sprachstörungen nervalen Ursprungs“ leide und seit wann er den Kläger behandle. Der Hausarzt E. hat dazu mit Schreiben vom 13.03.2014 mitgeteilt, dass er den Kläger seit 15.07.2002 regelmäßig hausärztlich behandle und sich sein Wissen aus einer amtsärztlichen Bescheinigung vom 12.03.1975 ergebe. Der beigefügten Bescheinigung ist zu entnehmen, dass der Kläger am 23.01.1975 wegen des Erlasses von Kraftfahrzeugsteuer amtsärztlich durch Dr. R. untersucht worden ist und dieser dabei folgende Körperschäden festgestellt hat: „Nervlich bedingte Bewegungsstörungen, Sprachstörungen, Hüftgelenksverformung links, Wirbelsäulenverbiegung.“ Eine Aussage zum Beginn der Gesundheitsstörungen enthält die Bescheinigung nicht.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom 28.04.2014 ein Attest des Dr. C. vom 15.04.2014, der von Oktober 1978 bis Juni 1997 der Hausarzt des Klägers gewesen war, übersandt, in dem dieser die Epilepsie (Jackson-Anfälle) als Folge einer frühkindlichen Hirnschädigung bezeichnet hat; denn die Geburt sei sehr schwer und langwierig unter angstbeladenen, grausamen Umständen durch die sowjetische Besatzung gewesen.

Dr. C. hat auf explizite Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 16.07.2014 mitgeteilt, dass er aus einem Gespräch mit Frau D. am 10.04.2014 wisse, dass die Geburt des Klägers sehr schwer und langwierig unter angstbeladenen Umständen durch die sowjetische Besatzung gewesen sei. Die hochschwangere Mutter des Klägers sei mehrfach von sowjetischen Soldaten vergewaltigt, misshandelt und in den Bauch getreten worden. Unter einer „frühkindlichen Hirnschädigung“ - der Senat hatte um Erläuterung dieses im Attest vom 15.04.2014 verwendeten Begriffs gebeten - sei eine Schädigung des zentralen Nervensystems zwischen dem sechsten Schwangerschaftsmonat und dem dritten bis sechsten Lebensjahr zu verstehen. Die häufigste Ursache dieser Schädigung sei Sauerstoffmangel vor und unter der Geburt. Dabei müsse nicht gleich eine Symptomatik, z. B. Epilepsie, auftreten, dies könne noch Monate und Jahre nach der Schädigung sein. Der Vater des Klägers habe ihm anamnestisch mitgeteilt, dass die epileptischen Anfälle mit eineinhalb Jahren aufgetreten seien. Er selber habe eine Anfallsserie am 16.01.1979 gesehen. Epileptischen Anfällen liege eine Hirnschädigung zugrunde. Die Geburt des Klägers sei sehr lang - zwei Tage, dies wisse er von Frau - gewesen und habe als Zangengeburt beendet werden müssen. Zangengeburten seien schwierige Geburten, so dass sehr leicht ein Sauerstoffmangel auftreten könne, für den das Gehirn besonders empfindlich sei. Je länger eine Geburt über 36 Stunden dauere, desto eher könne für das Kind ein Sauerstoffmangel eintreten mit der Folge einer Hirnschädigung. Zur weiteren Information hat er einen Arztbrief der Universität C-Stadt vom 02.07.1979 beigelegt. Dort war anamnestisch über epileptische Anfälle seit dem dritten Lebensjahr berichtet worden.

Im Auftrag des Senats hat der Sozialmediziner und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. am 22.09.2014 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt. Darin ist er zu der Einschätzung gekommen, dass sich ein Zusammenhang zwischen den vom Kläger angegebenen Ereignissen (Vergewaltigungen und Misshandlungen seiner mit ihm schwangeren Mutter) und den vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht herstellen lasse. Die Ursachen von Hirnschädigung, Epilepsie, Sprachstörungen, Hüftgelenks- und Wirbelsäulenschäden seien - so der Sachverständige - vielfältig und würden ein breites Spektrum von einer Alkoholschädigung über Infektionen während der Schwangerschaft und bei der Geburt, Sauerstoffmangel bei der Geburt, frühkindliche Mangelernährung und vieles andere mehr umfassen. Ein Schlag gegen den Bauch der schwangeren Mutter und ein Geschlechtsverkehr hingegen könnten nicht als hinreichende Ursache angesehen werden. Es sei nicht so, dass über die Ursache der genannten Gesundheitsstörungen keine gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse bestünden. Solche seien seit langer Zeit bekannt. Vielmehr sei es unklar, welche Einwirkungen im speziellen Einzelfall hier ausschlaggebend gewesen seien; dies lasse sich jetzt nicht mehr feststellen.

Dieses Gutachten ist mit Schreiben vom 03.11.2014 und ausführlichen Hinweisen des Berichterstatters an den Bevollmächtigten des Klägers übersandt worden. Eine inhaltliche Reaktion des Klägers ist darauf nicht erfolgt.

Ein vom Kläger gegen die Richter des Senats gestellter Befangenheitsantrag ist mit Beschluss des Senats vom 29.10.2015 zurückgewiesen worden.

Der Kläger beantragt,

ihn als Partei zum Beweis der Tatsache einzuvernehmen, dass die bei ihm vorliegenden Erkrankungen Hirnschädigung, Epilepsie und Sprachstörung sowie die bei ihm bestehenden Gelenks- und Wirbelsäulenschäden Folge von Vergewaltigungen und Misshandlungen seiner mit ihm hochschwangeren Mutter durch russische und polnische Soldaten im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg sind.

Der Kläger beantragt weiter,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 07.02.2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 23.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2011 zu verurteilen, dem Kläger unter Anerkennung von Schädigungsfolgen Beschädigtenversorgung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten in der versorgungsrechtlichen Angelegenheit und die Schwerbehindertenakte sowie die Akten des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 10.03.2015 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Ein Zusammenhang der als Schädigungsfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Hirnschädigung, Epilepsie, Sprachstörung, Gelenks- und Wirbelsäulenschäden) und den vom Kläger angegebenen potentiell schädigenden Handlungen gegenüber seiner schwangeren Mutter im Krieg (Vergewaltigungen, Tritte in den Bauch und Misshandlungen durch russische und polnische Soldaten) lässt sich nicht herstellen. Dies gilt sowohl unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Wahrscheinlichkeit als auch dem der Kannversorgung. Schädigungsfolgen sind daher nicht anzuerkennen; Versorgung ist nicht zu gewähren.

1. Voraussetzungen für die Anerkennung als Schädigungsfolge - Allgemeines

Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält gemäß § 1 Abs. 1 BVG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. Gemäß § 1 Abs. 2 BVG sind dort näher genannte, mit dem Krieg in Verbindung stehende Geschehnisse einer Schädigung im Sinn des § 1 Abs. 1 BVG gleichgestellt. § 5 BVG enthält nähere Erläuterungen zum Begriff der unmittelbaren Kriegseinwirkung.

Für die Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge und damit die Berücksichtigung im Rahmen eines Versorgungsanspruchs gemäß § 1 Abs. 1 BVG ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ein wahrscheinlicher Zusammenhang von dem einen Versorgungsschutz eröffnenden Tatbestand und der geltend gemachten Gesundheitsstörung erforderlich. Dabei setzt die Anerkennung einer Schädigungsfolge eine dreigliedrige Kausalkette voraus (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R): Ein mit der Kriegseinwirkung zusammenhängender schädigender Vorgang (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt.

Die drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Dies bedeutet, dass kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R). Demgegenüber reicht es für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder aus, wenn dieser jeweils mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die Beweisanforderung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R - in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z. B. BSG, Urteil vom 24.09.1992, Az.: 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt hat) als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.

Eine potentielle, versorgungsrechtlich geschützte Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az.: 10 RV 15/77). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort „hinreichend“ nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 128, Rdnr. 3 c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66).

Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.08.1974, Az.: 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs „annähernd gleichwertig“ sind. Während die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteile vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R, und vom 30.01.2007, Az.: B 2 U 8/06 R) demgegenüber den Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit“ für nicht geeignet zur Abgrenzung hält, da er einen objektiven Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich ansieht, wenn nicht eine alternative unversicherte Ursache von überragender Bedeutung ist, hat der für das soziale Entschädigungsrecht zuständige 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 6/13 R zur annähernden Gleichwertigkeit Folgendes ausgeführt:

„Kommt einem der Umstände gegenüber anderen indessen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein Ursache im Rechtssinne. Bei mehr als zwei Teilursachen ist die annähernd gleichwertige Bedeutung des schädigenden Vorgangs für den Eintritt des Erfolgs entscheidend. Haben also neben einer Verfolgungsmaßnahme mehrere weitere Umstände zum Eintritt einer Schädigungsfolge beigetragen, ist die Verfolgungsmaßnahme versorgungsrechtlich nur dann im Rechtssinne wesentlich und die Schädigungsfolge der Verfolgungsmaßnahme zuzurechnen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges - verglichen mit den mehreren übrigen Umständen - annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn die Verfolgungsmaßnahme in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen.“

Von einer annähernden Gleichwertigkeit einer versorgungsrechtlich geschützten Ursache kann daher nur dann ausgegangen werden, wenn ihre Bedeutung gleich viel oder mehr Gewicht als die andere(n) Ursachen hat.

Die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinn als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, ist im jeweiligen Einzelfall aus der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2001, Az.: B 9 V 5/00 R).

Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Gesundheitsschäden zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R).

Kann eine Aussage zu einem hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang nur deshalb nicht getroffen werden, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kommt die sogenannte Kannversorgung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG in Betracht. Von Ungewissheit ist dann auszugehen, wenn es keine einheitliche, sondern verschiedene ärztliche Lehrmeinungen gibt, wobei nach der Rechtsprechung des BSG von der Beurteilung auf dem Boden der „Schulmedizin“ (gemeint ist damit der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft) auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.08.1998, Az.: B 9 VJ 2/97 R). Aber auch bei der Kannversorgung reicht allein die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs oder die Nichtausschließbarkeit des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs positiv vertritt; das BSG spricht hier auch von der „guten Möglichkeit“ eines Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.1995, Az.: 9 RV 17/94, und vom 17.07.2008, Az.: B 9/9a VS 5/06). In einem solchen Fall liegt eine Schädigungsfolge dann vor, wenn bei Zugrundelegung der wenigstens einen wissenschaftlichen Lehrmeinung nach deren Kriterien die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs nachgewiesen ist (vgl. Urteil des Senats vom 19.11.2014, Az.: L 15 VS 19/11). Existiert eine solche Meinung überhaupt nicht, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer Ungewissheit; denn alle Meinungen stimmen dann darin überein, dass ein Zusammenhang nicht hergestellt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, Az.: 9/9a RV 41/92).

Der versorgungsrechtliche Schutz beginnt zeitlich bereits mit der Zeugung. Auch wenn dies dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen nicht zu entnehmen ist, ist auch der nasciturus durch § 1 BVG geschützt. Dies hat das BSG im Urteil vom 24.10.1962, Az.: 10 RV 583/59, dem ein ganz ähnlicher Sachverhalt (Vergewaltigungen und schwere Misshandlungen der schwangeren Mutter der dortigen Klägerin) wie der hier zu entscheidende zugrunde lag, wie folgt klargestellt:

„Bei Erlass des BVG ist überhaupt nicht an den Fall gedacht worden, dass jemand einen Gesundheitsschaden durch eine kriegsbedingte Schädigung vor seiner Geburt erlitten haben könnte, sondern immer nur an den Fall, dass jemand als lebende (rechtsfähige) Person eine kriegsbedingte Schädigung erlitten hat.

...

Wenngleich sich die Versorgungsansprüche der Klägerin -- soweit sie diese auf die als Leibesfrucht erlittenen Schädigungen zurückführt -- auch nicht auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a i. V. m. § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG stützen lassen, so sind sie dennoch aus anderen Erwägungen heraus grundsätzlich gerechtfertigt. Sie lassen sich zwar nicht mit der Erwägung begründen, dass die Mutter der Klägerin mit ihrer Leibesfrucht als eine Person anzusehen ist, so dass also die Mutter, eine lebende und rechtsfähige Person, geschädigt und damit auch dem Wortlaut des Gesetzes genügt wäre, wonach der geschädigte „Wer“ eine lebende Person sein muss. Diese Begründung des Versorgungsanspruchs muss schon deshalb scheitern, weil in diesem Falle die Identität der geschädigten und der in ihrer Gesundheit gestörten und anspruchsberechtigten Person nicht mehr gewahrt wäre, die das Gesetz -- wie oben erörtert -- fordert. Schädigungen (Gesundheitsstörungen), die bei anderen als den unmittelbar geschädigten Personen auftreten, begründen keinen Versorgungsanspruch (BSG 11, 234).

Der Senat hält jedoch die Ansprüche der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt, weil hier im Wege der Rechtsfindung eine Lücke im BVG zu schließen ist und nach der vorzunehmenden Rechtsergänzung Versorgungsansprüche der Klägerin begründet sind. Der Wortlaut des § 1 BVG lässt es lediglich deshalb nicht zu, einer Person Versorgung zu gewähren, die Schädigungen i. S. des § 1 BVG vor ihrer Geburt als Leibesfrucht ausgesetzt war, weil an diesen Fall nicht gedacht worden ist. Wäre an diesen Fall aber gedacht worden, so hätte ihn das Gesetz so geregelt, wie er jetzt von der Rechtsprechung zu regeln ist. Das BVG will, wie schon seine vollständige Bezeichnung „Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges“ besagt, die Opfer des Krieges versorgen. Als Opfer des Krieges muss aber auch eine solche Person angesehen werden, die durch kriegsbedingte und im Übrigen als rechtserheblich anerkannte Schädigungstatbestände als Leibesfrucht so betroffen worden ist, dass sich bei ihr nach der Geburt Gesundheitsstörungen als Folgen der Schädigung zeigen. Dass dabei der zeitliche Eintritt der Gesundheitsstörungen längere Zeit nach der Schädigung der Entstehung des Versorgungsanspruchs nicht entgegensteht, bedarf keiner Erörterung.“

2. Bewertung im vorliegenden Fall:

Bei Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass beim Kläger keine Schädigungsfolgen im Sinn des § 1 Abs. 3 BVG vorliegen, die zu einem Anspruch auf Versorgung führen würden.

Zwar geht der Senat, wie schon der Beklagte, davon aus, dass mit den vom Kläger vorgetragenen Misshandlungen seiner Mutter während der Schwangerschaft (Schläge auch in den Bauch, Vergewaltigungen) ein grundsätzlich versorgungsbegründender Tatbestand im Sinn des § 1 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a i. V. m. § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG gegeben ist (1. Glied der oben - vgl. Ziff. 1. - aufgezeigten Kausalkette). Es liegen aber beim Kläger keine Gesundheitsstörungen (3. Glied der Kausalkette) vor, die sich in einen rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhang mit diesen Geschehnissen bringen lassen. Ob die primäre Schädigung (2. Glied der Kausalkette) in dem dafür erforderlichen Beweismaßstab nachgewiesen ist, kann dabei dahingestellt bleiben.

Bei seiner Entscheidung stützt sich der Senat auf das von ihm eingeholte Gutachten des Dr. F. vom 22.09.2014. Dieser sehr erfahrene, dem Senat seit vielen Jahren bekannte Sachverständige hat die ihm übersandten Akten des Beklagten und des Gerichts äußerst sorgfältig ausgewertet und alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt. Er hat sein Gutachten überzeugend, eingehend und nachvollziehbar begründet. Irgendwelche Anhaltspunkte, an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln, bestehen für den Senat nicht. Das Gutachten steht im Übrigen auch in Übereinstimmung mit den wiederholten und plausiblen Feststellungen des versorgungsärztlichen Diensts des Beklagten.

2.1. Keine Schädigungsfolgen unter dem Gesichtspunkt einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit

Unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Sinn von § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG lassen sich keine Schädigungsfolgen feststellen.

Der Nachweis eines Zusammenhangs zwischen den beim Kläger jetzt vorliegenden Gesundheitsstörungen und den potentiell schädigenden Handlungen gegenüber seiner mit ihm schwangeren Mutter ist nicht mit der dafür erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit geführt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist ein Geschlechtsverkehr während der Schwangerschaft grundsätzlich möglich und nicht geeignet, einen Embryonalschaden zu verursachen. Auch bezüglich der weiteren Misshandlungen der Mutter des Klägers lässt sich kein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang mit den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen feststellen.

Gesichert beim Kläger ist eine Hüftdysplasie, die operativ behandelt worden ist. Ein solcher Gesundheitsschaden ist völlig unspezifisch und kann nicht als Folge eines Traumas im Mutterleib gelten. Bemerkenswert ist zudem, dass im Gutachten vom 21.09.1981 für das Versorgungsamt vermerkt worden ist, dass der Kläger selbst sein Beinleiden auf einen mit ca. 13 Jahren erlittenen Verkehrsunfall zurückgeführt hat; Kriegseinwirkungen sind damals nicht erwähnt worden. Das Auftreten von epileptischen Anfällen ist nicht hinreichend wahrscheinlich auf eine Traumatisierung im Mutterleib zurückzuführen; vielmehr gibt ein breites Spektrum von möglichen Ursachen einer Epilepsie. Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass in der Krankheitsgeschichte des Klägers ausdrücklich vermerkt ist, dass sein Vater alkoholabhängig gewesen ist. Ergänzend hat der Hausarzt Dr. C., der den Kläger ab Oktober 1978 bis Juni 1997 behandelt hat, zum einen erklärt, der Kläger leide unter epileptischen Anfällen, die im Anschluss an eine Kinderlähmung im Alter von eineinhalb Jahren aufgetreten seien, also weit entfernt von einem Trauma im Mutterleib. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass in der medizinischen Wissenschaft Epilepsie seit jeher in einem engen Zusammenhang mit Kinderlähmung gesehen wird (vgl. z. B. Jacobsohn, Klinik der Nervenkrankheiten, 1913, S. 318, wonach Kinderlähmung in 50 bis 75% der Fälle eine epileptische Disposition schafft; Schmidt/Elger, Praktische Epilepsiebehandlung, 3. Aufl. 2005, S. 122 ff.). Zum anderen hat Herr Dr. C. eine ihm von der Schwägerin der Mutter des Klägers berichtete langwierige Geburt mit einem daraus resultierenden Sauerstoffmangel als potentielle Ursache von beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen bezeichnet, wobei es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass die Geburtsdauer durch die Misshandlungen der Mutter des Klägers bedingt sein könnte.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass einer frühkindlichen Hirnschädigung, einer Epilepsie, einer Hüftdysplasie, Sprachstörungen und Wirbelsäulen- und Gelenkschäden eine Vielzahl von Ursachen zugrunde liegen kann, die sich fast 70 Jahr nach den dafür vom Kläger als ursächlich angeschuldigten Ereignissen nicht mehr im Einzelnen feststellen lassen. Jedenfalls lassen sich die geltend gemachten Schäden nicht mit Wahrscheinlichkeit einem Trauma im Mutterleib, sei es wegen Vergewaltigungen, sei es in Gestalt von Schlägen und Tritten gegen den Bauch der schwangeren Mutter, zuordnen.

2.2. Keine Schädigungsfolgen unter dem Gesichtspunkt der Kannversorgung

Eine Anerkennung nach den Vorgaben der Kannversorgung im Sinn von § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG scheitert daran, dass es an der dafür erforderlichen allgemeinen Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft fehlt.

Der gerichtliche Gutachter hat überzeugend und ausführlich erläutert, dass es nicht so ist, dass über die Ursache der vom Kläger als Schädigungsfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen keine gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse bestehen würden. Solche sind vielmehr seit langer Zeit bekannt. Unklar ist vielmehr, welche Einwirkungen im speziellen Einzelfall des Klägers ausschlaggebend für die Entstehung der Gesundheitsstörungen gewesen sind. Dies lässt sich nicht mehr zuverlässig feststellen. Es liegt damit nicht eine Ungewissheit in den Kenntnissen der medizinischen Wissenschaft als solche vor, sondern eine solche der ganz speziellen Einwirkungen im vorliegenden Einzelfall; die tatsächliche wahrscheinliche Ursache der Leiden des Klägers im konkreten Einzelfall ist hinsichtlich der Ätiologie wegen der Fülle von möglichen Ursachen nicht mehr zuverlässig aufklärbar. Dies ist kein Fall der Kannversorgung.

2.3. Zu den Einwänden des Klägers

Die Einwände des Klägers können nicht überzeugen.

2.3.1. Gutachten „nur“ nach Aktenlage

Sofern der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung beanstandet hat, dass lediglich ein Gutachten nach Aktenlage eingeholt worden sei und dies nicht die Gewähr dafür biete, dass die beim Kläger vorliegenden Schädigungsfolgen zutreffend erfasst seien, kann der Senat dies nicht nachvollziehen. Der Bevollmächtigte des Klägers übersieht bei seinem Einwand völlig, dass es in diesem Rechtsstreit nicht um die Bewertung von vorliegenden Gesundheitsstörungen im Sinn der Feststellung des Grads der Schädigung geht, sondern um die vorgelagerte Frage der Kausalität zwischen Ereignissen im Krieg und seit Jahrzehnten vorliegenden Gesundheitsstörungen des Klägers. Bei der Bewertung dieser Frage ist entscheidend auf die früheren, überwiegend viele Jahre zurückliegenden Befunde abzustellen. Inwiefern aus einer aktuellen Inaugenscheinnahme des Klägers durch den Sachverständigen sich demgegenüber weitergehende Erkenntnisse ergeben sollten, hat der Bevollmächtigte des Klägers weder auf Nachfrage erläutern können noch ist dies nach der Überzeugung des Senats denkbar.

2.3.2.

Schlüsse des Sachverständigen Dr. F. nicht zwingend

Wenn der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, dass er die vom gerichtlichen Sachverständigen getroffenen Schlussfolgerungen nicht für „zwingend“ halte, war dem Bevollmächtigten weder eine nähere Erläuterung möglich noch kann sich der Senat diesen Einwand objektiv erklären. Weder in Ansehung der Begutachtungsliteratur (vgl. z. B. vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010) noch aus einem klägerischen Vortrag nach Übersendung des Gutachtens mit ausführlichen Hinweisen des Senats - der Bevollmächtigte des Klägers hat sich schriftlich zum Gutachten nicht geäußert - sind auch nur ansatzweise Gesichtspunkte erkennbar, die an der Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen Zweifel wecken könnten.

Wenn der Bevollmächtigte des Klägers im Rahmen der Berufungsbegründung die Ansicht geäußert hat, dass „jeder Laie und damit auch der medizinisch vorgebildete Jurist, d. h. etwa auch ein Richter, und erst recht ein Mediziner“ verstehe, dass ein angeborenes Leiden nicht Folge einer erst im Kleinkindalter aufgetretenen spinalen Kinderlähmung sein könne, wobei auch die insoweit noch herangezogenen Alternativursachen „offenkundig an den Haaren herbeigezogen“ seien, ist dieser substanzlose Einwand weder aus laienhafter Sicht noch unter Ansehung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. nachvollziehbar. Der Senat kann sich diese Ausführungen nur durch das weitgehend unreflektierte Bestreben, das Begehren des Klägers mit allen Mitteln zu unterstützen, erklären. Dass die - beispielsweise auch im Attest des Hausarztes E. vom 05.09.2012 enthaltene - Behauptung, bei der Epilepsie handle es sich um ein „angeborenes Krampfleiden“ offensichtlich rein spekulativ, wenn nicht sogar mit großer Wahrscheinlichkeit falsch ist, wie sich aus den Angaben von Ärzten ergibt, die den Kläger früher untersucht und das Auftreten der Epilepsie einer zuvor durchgemachten Kinderlähmung zugeschrieben haben, hat der Bevollmächtigte dabei ausgeblendet. Der Suggestion des Bevollmächtigten, die Berechtigung des Begehrens des Klägers sei für jedermann erkennbar, fehlt jedenfalls jede sachlich nachvollziehbare Grundlage.

2.3.3. Ausführungen der behandelnden Ärzte Dr. C. und E.

Wenn sich der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf die Angaben des den Kläger von 1978 bis 1997 behandelnden Hausarztes Dr. C. berufen hat und darauf aufbauend das Vorliegen von Schädigungsfolgen suggerieren will, steht dieser Versuch des Bevollmächtigten im Widerspruch zu den Angaben dieses Arztes. Vielmehr ergeben sich aus den Ausführungen von Dr. C. deutliche Hinweise darauf, dass gerade keine Schädigungsfolgen vorliegen. So hat Dr. C. im Schreiben vom 16.07.2014 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach den ihm vorliegenden Berichten der Kläger mittels einer Zangengeburt zur Welt gebracht worden sei und es sich dabei um schwierige Geburten handle, bei denen sehr leicht ein Sauerstoffmangel auftreten könne. Ein derartiger Sauerstoffmangel sei eine nahe liegende Ursache für eine frühkindliche Hirnschädigung, in deren Zusammenhang auch noch Monate und Jahre später eine Epilepsie auftreten könne. An keiner Stelle hat dieser Arzt die vom Kläger für seinen aktuellen Gesundheitszustand angeschuldigten Umstände, die Vergewaltigungen und Misshandlungen seiner Mutter während der Schwangerschaft, als Grund der Gesundheitsstörungen des Klägers bezeichnet. Vielmehr hat er früher, nämlich im schwerbehindertenrechtlichen Verfahren des Klägers auf Nachfrage des Gutachters Dr. S. angegeben, dass die epileptischen Anfälle im Anschluss an eine Kinderlähmung aufgetreten seien (Gutachten vom 28.10.1981). Warum Dr. C. dies im Berufungsverfahren nicht (mehr) angegeben hat, sei es aus Ungenauigkeit, sei es in der Meinung, dem Kläger damit bei seinem versorgungsrechtlichen Begehren helfen zu können, kann dahingestellt bleiben. Denn beide Varianten stützen das klägerische Begehren nicht.

Auch den Ausführungen des den Kläger aktuell behandelnden praktischen Arztes E. lässt sich nichts entnehmen, was auf einen Zusammenhang der Gesundheitsstörungen des Klägers mit den Ereignissen im Krieg hindeuten würde. Im Übrigen liegt es für den Senat äußerst nahe, dass dieser Arzt dem Kläger Gefälligkeitsatteste ausgestellt hat, um ihn in seinem Begehren nach einer Versorgung zu unterstützen. Die von dem praktischen Arzt wiederholt aufgestellte Behauptung, dass der Kläger seit Geburt unter Bewegungs- und Sprachstörungen nervalen Ursprungs, Dysplasie beider Hüften die bereits operiert wurden, Epilepsie, einer fortgeschrittenen Deformierung der gesamten Wirbelsäule, Depressionen und Schlafstörungen leide, stellt für den Senat ein Gefälligkeitsattest dar. Dies hat dieser Arzt selbst letztlich dadurch zugestanden, dass er - auf Nachfrage des Senats - sein angebliches Wissen mit einer Bescheinigung über eine ärztliche Untersuchung im Jahr 1975 begründet hat, in der aber keinerlei Aussagen zum Beginn der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen enthalten sind. Im Übrigen stehen seine Angaben zu einer ab der Geburt vorliegenden Epilepsie auch im Widerspruch dazu, dass in den Krankenunterlagen eindeutige Hinweise darauf enthalten sind, dass die Epilepsie erst nach einer im Alter von ca. eineinhalb Jahren durchgemachten Kinderlähmung des Klägers aufgetreten ist.

3. Zum in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag

Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten, vom Bevollmächtigten ausweislich des Protokolls ausdrücklich als „Beweisantrag“ betitelten Antrag, den Kläger als Partei zum Beweis der Tatsache einzuvernehmen, dass die bei ihm vorliegenden Erkrankungen Hirnschädigung, Epilepsie und Sprachstörung sowie die bei ihm bestehenden Gelenks- und Wirbelsäulenschäden Folge von Vergewaltigungen und Misshandlungen seiner mit ihm hochschwangeren Mutter durch russische und polnische Soldaten im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg seien, war nicht zu folgen.

Zu weiteren Ermittlungen im Sinn des vorgenannten Antrags des Klägers bestanden für den Senat keine Veranlassung und erst recht keine verfahrensrechtliche Pflicht. Der Antrag war daher abzulehnen.

3.1. Kein Erfordernis eines gesonderten Beschlusses

Zur Entscheidung über den Antrag bedurfte es keines gesonderten Beschlusses vor der Entscheidung durch Urteil. Vielmehr kann, wenn derartigen Anträgen nicht stattgegeben wird, unmittelbar die Entscheidung in der Sache ergehen, wobei die (Beweis-)Anträge in der Urteilsbegründung abzuhandeln sind (ständige Rspr., vgl. z. B. Urteile des Senats vom 05.02.2013, Az.: L 15 VG 22/09, und vom 18.03.2015, Az.: L 15 SB 127/14). Wenn der Bevollmächtige des Klägers demgegenüber - ohne dies rechtlich begründen zu können - die Ansicht vertritt, es müsse vor der Entscheidung durch Urteil über den von ihm gestellten „Beweisantrag“ mit Beschluss entschieden werden, ist diese Meinung rechtsirrig. Beispielhaft verweist der Senat auf den Beschluss des BSG vom 09.05.2011, Az.: B 13 R 112/11 B, in dem das BSG Folgendes ausgeführt hat:

„Schließlich hat der Kläger mit dem Vorhalt, das LSG habe verfahrensfehlerhaft eine Entscheidung durch förmlichen Beschluss nach § 358 ZPO über das von ihm beantragte Gutachten unterlassen und gerade hierdurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, eine Gehörsrüge nicht ausreichend begründet. Zum einen erschließt sich aus dieser Darstellung schon nicht, weshalb das Gericht auch im Fall des Unterlassens einer weiteren Beweiserhebung nach dem Wortlaut von § 358 ZPO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG („Erfordert die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren, so ist es durch Beweisbeschluss anzuordnen.“) einen formellen „Beweisbeschluss“ erlassen müsste. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist - ebenso wie im Finanzgerichtsprozess (vgl. BFH/NV 1992, 603 - Juris RdNr. 8), aber abweichend von der Rechtslage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 86 Abs. 2 VwGO) - bei Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags kein gesonderter und zu begründender Gerichtsbeschluss erforderlich. Zum anderen hat der Kläger nicht aufgezeigt, inwiefern die Entscheidung des LSG auf einer ihm gegenüber unterbliebenen Gehörsgewährung zu der vom Gericht nicht beabsichtigten weiteren Beweiserhebung vor Verkündung seines Urteils beruhen kann.“

Darauf, dass der Senat dem Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor der Antragstellung in der Sache erläutert hat, warum ein dem Urteil vorgelagerter Beschluss über seinen „Beweisantrag“ nicht ergehen werde und der Senat nach vorläufiger Einschätzung keinen Anlass für weitere Ermittlungen sehe, sei lediglich der Vollständigkeit halber hingewiesen.

3.2. Zum Beweisantrag in der Sache

Weitere Ermittlungen wegen dieses „Beweisantrags“ waren nicht angezeigt.

3.2.1. Kein förmlicher Beweisantrag

Bei dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag handelt es sich nicht um einen förmlichen Beweisantrag. Denn die Parteivernehmung kann wegen der fehlenden Verweisung in § 118 Abs. 1 SGG auf §§ 445 ff. Zivilprozessordnung nicht Gegenstand der Beweisaufnahme sein (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl. 2014, § 103, Rdnr. 12). Beispielhaft sei auf den Beschluss des BSG vom 31.10.1956, Az.: 4 RJ 267/55 hingewiesen, in dem Folgendes ausgeführt worden ist:

„Ebenso wenig hat aber das Landessozialgericht seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Eine Parteivernehmung der Klägerin war nicht möglich, da im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine solche nicht zulässig ist; denn § 118 Abs. 1 SGG führt die die Parteivernehmung betreffenden Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 445 ff. ZPO) nicht unter den als entsprechend anwendbaren Vorschriften über die Beweisaufnahme auf. Daraus ist zu entnehmen, dass sie keine Anwendung zu finden haben.“

Dem Beweisantrag war daher nicht nachzukommen, wie dies das BSG in einem vergleichbaren Fall mit Beschluss vom 13.12.2005, Az.: B 13 RJ 247/05 B, wie folgt begründet hat:

„Zwar trägt der Kläger vor, er habe seine (eidliche) Parteivernehmung angeboten, dies sei vom LSG jedoch abgelehnt worden. Mit diesem Vorbringen kann er aber einen Verfahrensfehler schon deshalb nicht aufzeigen, weil eine eidliche Parteivernehmung im sozialgerichtlichen Verfahren unzulässig ist (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 103 RdNr. 12 m. w. N.).“

3.2.2. Völlig ungeeignetes Beweismittel

Im Übrigen scheitert der gestellte „Beweisantrag“ auch daran, dass er ein völlig ungeeignetes Beweismittel beinhaltet.

Nach § 103 Abs. 2 SGG ist das Gericht bei der Erforschung des Sachverhalts an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Der Umstand, dass bestimmte Ermittlungen mit einem förmlichen Beweisantrag verlangt werden, vermag nicht dazu zu führen, dass für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ein strengerer Maßstab bezüglich der Frage anzulegen wäre, unter welchen Voraussetzungen die gewünschten Ermittlungen unterbleiben dürfen (vgl. Urteil des Senats vom 05.02.2013, Az.: L 15 VG 22/09). Der förmliche Beweisantrag nach dem SGG hat lediglich eine Filterfunktion für die Revisionsinstanz; Sachaufklärungsmängel sollen nach § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG erst dann als Verfahrensmängel relevant sein, wenn in der Tatsacheninstanz die jeweilige Beweiserhebung förmlich beantragt worden ist. Die Ermittlungspflichten der Gerichte werden dadurch aber nicht verschärft (ständige Rspr., vgl. z. B. Urteile des Senats vom 14.02.2012, Az.: L 15 VJ 3/08, und vom 05.02.2013, Az.: L 15 VG 22/09). Im Rahmen seines richterlichen Ermessens bestimmt das Gericht die Ermittlungen und Maßnahmen, die nach seiner Beurteilung der materiellen Rechtslage zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind; sein Ermessen ist nur durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem hiernach für seine Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt (vgl. BSG, Beschluss vom 07.06.1956, Az.: 1 RA 135/55). Das Gericht muss dabei von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen (vgl. BSG, Beschluss vom 11.12.1969, Az.: GS 2/68).

Unter Beachtung dieser Grundsätze war der Antrag auf Vernehmung des Klägers abzulehnen.

Ein Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn das angebotene Beweismittel völlig ungeeignet zur Beweisführung bei dem im Raum stehenden Beweisthema ist (ständige Rspr., vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 19.10.2011, Az.: B 13 R 290/11 B). Eine Einvernahme des Klägers selbst hätte zu dem Beweisthema, nämlich der medizinisch zu beurteilenden Frage einer Kausalität zwischen den angegebenen schädigenden Ereignissen im Krieg und den Gesundheitsstörungen des Klägers keine Erkenntnisse bringen können, da es sich um rein medizinische Fragen handelt, für deren Beantwortung medizinische Sachkunde unverzichtbar ist; denn es geht nicht darum, sich ein genaueres Bild über den funktionalen Gesundheitszustand des Klägers zu verschaffen (vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 07.04.2011, Az.: B 9 SB 47/10 B), sondern um die Ursachen für diesen Zustand zu ergründen. Mit der beantragten Beweiserhebung würde nicht nur eine Vernehmung eines medizinischen Laien über medizinische Befunde, für die der Kläger als medizinisch Unkundiger ein offensichtlich ungeeignetes Beweismittel ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1993, Az.: 2 RU 37/92, und Beschluss vom 13.12.2005, Az.: B 13 RJ 247/05 B), sondern sogar über vom medizinischen Schwierigkeitsgrad deutlich darüber hinaus gehende Kausalitätsfragen erfolgen. Dass der Beweisantrag vom 26.01.2016 ein offenkundig völlig ungeeignetes Beweismittel umfasst, liegt daher auf der Hand.

3.2.3. Rechtliches Gehörs

Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass es auch nicht angezeigt war, den Kläger unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz persönlich zu befragen. Dagegen sprechen die gleichen inhaltlichen Gründe, wie sie unter Ziff. 3.2.2. (vgl. oben) aufgeführt worden sind. Zudem ist sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht nur durch die anwaltliche Vertretung (vgl. Urteil des Senats vom 29.07.2014, L 15 VK 16/13), sondern auch dadurch gewahrt, dass er im bisherigen Verfahren mehr als ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gehabt hat. Neue Gesichtspunkte, geschweige denn solche, zu denen nicht eine ausreichende Äußerung seines Bevollmächtigten möglich gewesen wäre, sind in der mündlichen Verhandlung nicht thematisiert worden; vielmehr waren durch die ausführlichen Schreiben des Berichterstatters des Senats alle relevanten rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte bereits lange vor der mündlichen Verhandlung für die Beteiligten bekannt.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge nach dem BVG Anerkennung finden können.

Die Berufung hat daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

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(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprech

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(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Als unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchstabe a gelten, wenn sie im Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege stehen,

a)
Kampfhandlungen und damit unmittelbar zusammenhängende militärische Maßnahmen, insbesondere die Einwirkung von Kampfmitteln,
b)
behördliche Maßnahmen in unmittelbarem Zusammenhang mit Kampfhandlungen oder ihrer Vorbereitung, mit Ausnahme der allgemeinen Verdunklungsmaßnahmen,
c)
Einwirkungen, denen der Beschädigte durch die besonderen Umstände der Flucht vor einer aus kriegerischen Vorgängen unmittelbar drohenden Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt war,
d)
schädigende Vorgänge, die infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebiets oder mit der zwangsweisen Umsiedlung oder Verschleppung zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten sind,
e)
nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben.

(2) Als nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge (Absatz 1 Buchstabe e) gelten auch Schäden, die in Verbindung

a)
mit dem zweiten Weltkrieg durch Angehörige oder sonstige Beschäftigte der Besatzungsmächte oder durch Verkehrsmittel (auch Flugzeuge) der Besatzungsmächte vor dem Tag verursacht worden sind, von dem an Leistungen nach anderen Vorschriften gewährt werden,
b)
mit dem ersten Weltkrieg durch die in § 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Ersatz der durch die Besetzung deutschen Reichsgebiets verursachten Personenschäden (Besatzungspersonenschädengesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 1927 (RGBl. I S. 103) bezeichneten Ereignisse verursacht worden sind und zur Zuerkennung von Leistungen geführt hatten.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

Tenor

I.

Der Gerichtsbescheid vom 19. Oktober 2011 und der Bescheid vom 17. April 2003 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 19. März 2008 werden aufgehoben.

II.

Die Beklagte wird verurteilt, das Nierenkarzinom und den aus der operativen Behandlung resultierenden Verlust der linken Niere, der Milz und eines Dickdarmteils infolge eines Nierenkarzinoms sowie das Schilddrüsenadenom und die Schilddrüsenüberfunktion als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen.

III.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig sind die nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) festzustellenden Schädigungsfolgen.

Der im Jahr 1951 geborene Kläger war bis zum März 2004 Berufssoldat bei der Bundeswehr.

Von 1971 bis 1987 arbeitete der Kläger zunächst als Radarmechaniker, zuletzt als Radarmechanikermeister am Flugzeug F-104 G (sog. Starfighter), das mit dem Vorwärtssichtradar NASARR ausgestattet war. Mit WDB-Blatt vom 05.11.2002 machte er eine Struma Grad II bis III und ein Nierenzellkarzinom als Schädigungsfolgen geltend. Die Erkrankungen waren im Jahr 1988 (teilweise Entfernung der Schilddrüse bei Adenom) bzw. 1995 operativ behandelt worden. Im Zusammenhang mit der Nephrektomie im November 1995 kam es zu einer im Januar 1996 diagnostizierten Darmperforation und zum Verlust der Milz.

Der Beklagte zog den Teilbericht NASARR der Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 24.02.2002 zum Starfighter F-104 G Radaranlage F 15 B-A/D NASARR bei. Darin wurden Expositionswerte gegenüber ionisierender Strahlung im Bereich von Kopf und Oberkörper, Unterarmen und Händen aufgeführt.

Die Wehrbereichsverwaltung - öffentlichrechtliche Aufsicht für Arbeitssicherheit und technischen Umweltschutz - Bereich Bayern - äußerte sich mit Schreiben vom 25.02.2003 zu der beim Kläger stattgehabten Exposition wie folgt:

Die Emission der Röntgenstörstrahlung am Vorwärtssichtradar NASARR erfolge an der Mikrowellenauskopplung des Magnetrons in senkrechter Richtung nach oben in einem räumlich eng begrenzten Strahlenbündel, was durch Röntgenfilmbelichtungen festgestellt worden sei. Wegen der gleichen Anbauweise des NASARR in Radartestbänke finde sich diese nach oben gerichtete Abstrahlcharakteristik auch dort. Zusätzlich zu der Röntgenstörstrahlung habe noch eine Exposition gegenüber ionisierender Strahlung durch radioaktive Leuchtfarbe im Cockpit bestanden. Bei der Berechnung der Ersatzdosis sei unter Zuhilfenahme des Teilbereichs der Arbeitsgruppe strikt nach Aktenlage vorgegangen worden, da infolge der vorgegebenen Bearbeitungszeit ein Befragen des Betroffenen nicht möglich gewesen sei. Damit ergebe sich eine effektive Gesamtdosis für alle Berufsjahre (01.04.1971 bis 31.03.1987) von 5,9 mSv. Der Grenzwert für die allgemeine Bevölkerung sei damit nicht überschritten. Für nichtionisierende Strahlung lägen bislang keine wissenschaftlich allgemein anerkannten Erkenntnisse darüber vor, dass sie Krebserkrankungen auslösen könnten.

Das Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr führte in seiner versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 28.03.2003 aus, dass die ermittelte Gesamtdosis von 5,9 mSv zu gering sei, um in eine versorgungsmedizinische Diskussion über die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs oder über eine Kannversorgung einzutreten. Bei der Schilddrüsenerkrankung sei eine Strahlenverursachung nach dem derzeitigen Kenntnisstand von vornherein nicht anzunehmen.

Mit Bescheid vom 07.04.2003 lehnte es die Beklagte ab, den Verlust der linken Niere, der Milz und eines Dickdarmanteils durch operative Entfernung aufgrund Nierenkarzinom und einen Schilddrüsenteilverlust durch operative Entfernung aufgrund Schilddrüsenerkrankung als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung im Sinn des § 81 SVG anzuerkennen. Der Kläger sei zwar als Luftfahrzeugfeuerleitradarmechniker/-meister an dem Flugzeugradar NASARR Röntgenstrahlung und radioaktiver Leuchtfarbe ausgesetzt gewesen. Die Gesamtdosis von 5,9 mSv reiche aber für eine gesundheitliche Schädigung nicht aus, da eine den Grenzwert von 1 mSv pro Jahr übersteigende Lebenszeitdosis nicht erreicht werde. Ein ursächlicher Zusammenhang mit Strahlenbelastungen sei daher auszuschließen.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 05.05.2003 Beschwerde ein. Er bat, den Bescheid nach Vorlage des Ergebnisses der Radarkommission noch einmal zu prüfen und ggf. zu korrigieren.

Am 18.09.2003 äußerte sich Dr. J. vom Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr im Rahmen einer Überprüfung gemäß den Kriterien der Radarkommission - der Bericht war am 02.07.2003 vorgelegt worden - in einer ergänzenden versorgungsmedizinischen gutachtlichen Stellungnahme wie folgt: Der Kläger sei von 1971 bis 1987 an Radargeräten der Bundeswehr tätig gewesen. Es sei in Abänderung früherer Ausführungen nunmehr als glaubhaft zu unterstellen, dass er einer Belastung relevanten Ausmaßes durch ionisierende Strahlung ausgesetzt gewesen sei. Diese sei grundsätzlich als kanzerogen anzusehen. In Abänderung der Stellungnahme vom 28.03.2003 werde daher vorgeschlagen, den Nierentumor als Schädigungsfolge anzuerkennen. Bei einem Schilddrüsenadenom sei gemäß den derzeitigen medizinischwissenschaftlichen Erkenntnissen eine Strahlenverursachung von vornherein nicht anzunehmen.

In einem ersten Entwurf des Beschwerdebescheids vom November 2003 wurde eine Anerkennung von Schädigungsfolgen entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. J. vom 18.09.2003 vorgeschlagen. Diesem Entwurf wurde jedoch durch die Wehrbereichsverwaltung Süd die Zustimmung versagt, weil nach dem Bericht der Radarkommission (dort S. 46) nur eine Teilkörperexposition des Oberkörpers in Betracht komme, nicht jedoch der Nieren.

Dazu befragt, ob bei einer Körpergröße des Klägers von 1,85 m und einer unterstellten Bestrahlung des Oberkörpers auch eine Bestrahlung des Beckenbereichs damit auch der Nieren in Betracht komme, hat die Strahlenmessstelle Nord der Bundeswehr, Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar (Dr. S.), mit Schreiben vom 04.09.2006 in einem Satz mitgeteilt, dass Einbauort der Störstrahler und Austrittsrichtung der Röntgenstörstrahlung am NASARR so seien, dass auch für einen körperlich größeren Techniker der Bereich des Beckens nicht gegenüber Röntgenstörstrahlung exponiert werden könne.

Mit Beschwerdebescheid vom 19.03.2008 wurde die Beschwerde des Klägers gegen den Bescheid vom 17.04.2003 zurückgewiesen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vom Kläger geltend gemachten Krebserkrankung und der Schilddrüsenerkrankung sei nicht wahrscheinlich. Zwar gehöre die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit zu den qualifizierenden Tätigkeiten im Sinn des Berichts der Radarkommission und es liege auch eine der qualifizierenden Erkrankungen aufgrund ionisierender Strahlung vor (maligne Tumore). Die Radarkommission habe jedoch in ihrem Bericht als weiteres Kriterium festgestellt, dass eine Anerkennung ausgeschlossen werden könne, falls die Bundeswehr nachweise, dass nur Teilkörperexpositionen auftreten könnten, die das erkrankte Organ nicht betroffen hätten.

Dagegen hat der Kläger am 09.04.2008 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Die Klage ist wie folgt begründet worden: Im Rahmen seiner wehrdienstlichen Tätigkeit sei der Kläger einer ionisierenden Strahlung ausgesetzt gewesen, die als Röntgenstörstrahlung und/oder radioaktive Strahlung durch Leuchtfarben auftreten könne. Im vorliegenden Fall sei sowohl eine Röntgenstörstrahlung als auch eine radioaktive Strahlung aus Leuchtfarben zu berücksichtigen. Daneben sei der Kläger auch nichtionisierender Strahlung ausgesetzt gewesen. Die Bevollmächtigten haben auf den Bericht der Radarkommission vom 02.07.2003 hingewiesen. Die Beklagte könne gerade nicht nachweisen, dass nur Teilkörperexpositionen aufgetreten seien, die das erkrankte Organ nicht betroffen hätten. Damit sei eine Anerkennung als Wehrdienstbeschädigung auszusprechen. Die Radarkommission habe in ihrem Bericht vom 02.07.2003 gerade nicht bestätigt, dass vom NASARR ausschließlich an einer eng begrenzten Stelle Röntgenstörstrahlung ausgetreten sei. Die Beklagte habe vielmehr Messungen durchgeführt und dabei festgestellt, dass sich aufgrund der Vielzahl der Arbeiten, die am NASARR zu verrichten gewesen seien, gerade nicht ausschließen lasse, dass sich ein bestimmter Körperteil in der Röntgenstörstrahlung bewege. Dieses ergebe sich aus Messungen des Herrn G., der lange selbst am NASARR gearbeitet habe. Eine qualifizierende Erkrankung liege vor. Der Bericht der Radarkommission sei ein antizipiertes Sachverständigengutachten, welches bei Vorliegen der Kriterien für die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung eine Verpflichtung der Beklagten begründe, die Erkrankung des Klägers als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen. Einzige Öffnungsklausel für die Beklagte sei, wenn die Beklagte nachweise, dass nur Teilkörperexpositionen auftreten könnten, die das erkrankte Organ nicht betreffen würden. Die Beklagte habe somit einen Entlastungsbeweis zu führen. Genau dieser Entlastungsbeweis sei der Beklagten nicht gelungen. Der Zusammenhang zwischen ionisierender Strahlung und der Krankheit des Klägers sei medizinisch anerkannt. Es sei eine WDB-Anerkennung zumindest im Sinn einer Kannversorgung auszusprechen.

Im Schreiben vom 26.11.2008 hat die Beklagte in Erwiderung zur Klagebegründung darauf hingewiesen, dass eine nichtionisierende Strahlung höchstens zu einer Trübung der Augenlinse führen könne. Durch radiumhaltige Leuchtfarbe könnten nur Knochenkrebs oder Lungenkrebs verursacht werden. Die Röntgenstörstrahlung des Radargeräts NASARR trete nur nach oben aus. Dies ergebe sich aus dem Bericht der Radarkommission, Seite 46, zudem aus der Stellungnahme des Dr. S.. Mit Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Prof. Dr. G., den der Kläger vorgeschlagen hatte, sei sie nicht einverstanden.

Mit Beschluss vom 28.11.2008 ist die Beiladung des Trägers der Versorgungsverwaltung erfolgt.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schreiben vom 06.02.2009 darauf hingewiesen, dass es falsch sei, dass die Röntgenstörstrahlung vom Radargerät NASARR nur nach oben austreten könne. Die bisherigen Feststellungen der Beklagten, auch des

Dr. S., seien falsch. Die Radarkommission habe auf Basis dieser Angaben den Bericht verfasst. Die Beklagte habe zwischenzeitlich Messungen mit Hilfe von Herrn G. durchführen lassen. Diese Messungen seien erst im Jahr 2008 durchgeführt worden und hätten ergeben, dass sich aufgrund der Vielzahl der Arbeiten, die am NASARR zu verrichten gewesen seien, gerade nicht ausschließen lasse, dass sich ein bestimmter Körperteil in der Röntgenstörstrahlung bewege.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 23.02.2009 mitgeteilt, dass sie aller Voraussicht nach einem Gutachten, das Herr Prof. Dr. G. erstellen würde, nicht folgen werde. Im Übrigen hat sie auf eine neue Stellungnahme des Dr. S. vom 19.02.2009 verwiesen, wonach weitere Messungen zur Emission von Röntgenstörstrahlung im Jahr 2008 nicht mehr stattgefunden hätten; es sei lediglich eine Diskussion verschiedener Arbeitsschritte erfolgt, ohne dass das Radargerät bei diesem Termin in Betrieb genommen worden wäre.

Mit Schreiben vom 16.06.2009 hat die Beklagte die Kopie einer - teilweise abgedeckten, also nicht lesbaren - Stellungnahme der Wehrbereichsverwaltung West - Strahlen - vom 09.06.2009 vorgelegt, wonach die Belastung durch radioaktive Leuchtfarbe ausgesprochen gering gewesen sei. Dem von den Bevollmächtigten des Klägers in den Raum gestellten Sachverständigen Prof. Dr. G. ist in dieser Stellungnahme vorgeworfen worden, dass er in einem anderen Verfahren „seine Kompetenzen als medizinischer Sachverständiger bei Weitem überschritten“ habe. Im Übrigen ist die Argumentation der Bevollmächtigten des Klägers teilweise als „unsinnig“ bezeichnet worden. Die teilweise Abdeckung der übersandten Stellungnahme hat die Beklagte damit begründet, dass darin eine Auseinandersetzung mit möglichen politischen Folgen von Fehlern enthalten sei.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 11.01.2010 einen Aktenvermerk vom 22.12.2009 übermittelt, dem u. a. zu entnehmen ist, dass eine Konfliktlösung bei Begutachtung durch Prof. Dr. G. nicht zu erwarten sei. In einem weiteren Aktenvermerk vom 16.06.2010. hat sich die Beklagte mit den Körperhaltungen bei der beruflichen Tätigkeit des Klägers auseinander gesetzt. Weiter hat sie sich dahingehend geäußert, dass der Gesundheitsschaden im „Unterleib“ vorliege. Schließlich hat sie sich erneut umfassend zu der aus ihrer Sicht fehlenden Kompetenz und Neutralität des Prof. Dr. G. geäußert.

Am 09.06.2011 hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. G. ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage erstellt. Der Sachverständige hat darin Folgendes ausgeführt:

Beim Kläger sei im Oktober 1988 die Operation einer vergrößerten Schilddrüse durchgeführt worden; dabei habe sich ein sogenannter ausgebrannter kalter Knoten gefunden. Am 02.12.1995 sei eine Operation zur Entfernung der linken Niere wegen eines Tumors durchgeführt worden. Postoperativ seien Komplikationen entstanden, die in einem Bauchhöhlenabszess kumuliert hätten. Bei der deswegen erforderlichen Nachoperation am 08.01.1996 seien die Milz, der querliegende Schenkel des Dickdarms und der absteigende Schenkel des Dickdarms entfernt und ein künstlicher Darmausgang gelegt worden. Am 23.02.1996 sei der künstliche Darmausgang verschlossen worden. Aktuell habe der Kläger mitgeteilt, dass bei einer Kontrolluntersuchung im Bundeswehrkrankenhaus U. in der Schilddrüse ein sogenannter heißer Knoten entdeckt worden sei. Heiße Knoten in der Schilddrüse seien verdächtig auf ein Schilddrüsenkarzinom.

Zur Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung hat der Sachverständige Folgendes erläutert: Die Schwerpunktgruppe Radar habe am 16.06.2010 ausgeführt, dass zwar der Oberkörper gegenüber der Störstrahlung am NASARR exponiert gewesen sei, nicht jedoch der Bereich des Beckens, auch nicht bei einem körperlich größeren Techniker. Weiter sei von der Schwerpunktgruppe Radar ausgeführt worden, dass die „Nieren-Becken-Region“ nicht exponiert habe werden können. Der Begriff „Nieren-Becken-Region“ sei - so der Sachverständige - in der Medizin unbekannt. Es sei zu vermuten, dass die Lage der Nieren von der Schwerpunktgruppe Radar irgendwo im Bereich des menschlichen Beckens angenommen worden sei. Als Oberkörper des Menschen werde in der Medizin derjenige Teil des Körpers bezeichnet, der nach unten durch die Rippenbögen der 11. und 12. Rippe begrenzt werde. Bei der ärztlichen Untersuchung am stehenden Patienten sei es unmöglich, den oberen Nierenpol oder gar die Nebennieren zu tasten, weil lediglich der untere Teil der Niere nach unten die Rippenbögen überrage. Ganz zweifellos sei deshalb die Region des Körpers, in dem sich der obere Pol der Niere befinde, dem Oberkörper zuzurechnen. Die Lungenflügel würden nach unten zum Bauchraum durch das Zwerchfell abgegrenzt, das sich ähnlich einer Kuppel an die Unterseite der Lungenflügel anschmiege. Von unten würden in diese Kuppel die Bauchorgane hinein ragen, auf der rechten Seite die obere Hälfte der Niere hinten, auf der linken Seite hinten die oberen Teile der Niere und Milz. Die linke Niere des Menschen liege in der Regel höher als die rechte. Da der Tumor am oberen Pol der linken Niere entstanden sei, bestehe auch kein Zweifel, dass dieser Teil der linken Niere als Teil des Oberkörpers zu betrachten sei, obgleich er anatomisch zur Bauchhöhle gehöre. Bei der Beurteilung einer möglichen Strahlenexposition komme es nicht auf die Zugehörigkeit zur Brusthöhle oder zur Bauchhöhle an, sondern darauf, ob durch die Lokalisation des oberen Nierenpols eine Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung aus einen NASARR möglich gewesen sei oder nicht. Wenn bei den vom Kläger durchgeführten Tätigkeiten eine Exposition des Oberkörpers stattgefunden habe, wie von der Schwerpunktgruppe Radar offenkundig angenommen werde, dann sei der obere Pol der linken Niere des Klägers mit Sicherheit durch Röntgenstörstrahlung betroffen worden. Eine Diskussion einer möglichen Exposition gegenüber radioaktiver Leuchtfarbe sei nicht erforderlich, weil nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft kein Zusammenhang zu der Entwicklung eines Nierenzellkarzinoms angenommen werden könne. Der Kläger sei während der sogenannten Phase I (zwischen 1971 und 1975) in qualifizierender Tätigkeit an Radargeräten beschäftigt gewesen. Er sei damit einem höheren Risiko für Krebserkrankungen als die allgemeine Bevölkerung ausgesetzt gewesen. Wie ausgeführt, sei seine Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung als kausaler Risikofaktor für die Entstehung des bei ihm 1995 entdeckten Nierenzellkarzinoms zu betrachten. Das Nierenzellkarzinom sei hinreichend wahrscheinlich durch die Tätigkeit als Radarmechaniker verursacht.

Auch der Schilddrüsenbefund des Klägers sei der früheren Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung zuzuordnen. Es gebe eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen, die als Folge der Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen das Auftreten von gutartigen Schilddrüsentumoren (sog. Adenome) gefunden hätten. Auf entsprechende Untersuchungen hat der Sachverständige hingewiesen. Da der Hals des Klägers zweifelsfrei der Röntgenstörstrahlung ausgesetzt gewesen sei, sei auch die Schilddrüsenerkrankung der Exposition zuzuordnen. Möglichen Einwänden, dass die Radarkommission sich nicht zu gutartigen Tumoren als Folge der Exposition gegenüber ionisierenden Strahlungen geäußert hätte, sei entgegen zu halten, dass sich die Radarkommission wegen des extremen Zeitdrucks vor allem den Krebserkrankungen gewidmet habe.

Als Schädigungsfolgen seien anzuerkennen: Nierenzellkarzinom, postoperative schwere Infektion der Bauchhöhle, Entfernung großer Teile des Dickdarms und der Milz, Schilddrüsenüberfunktion, heißer Knoten der Schilddrüse.

Die Beklagte hat sich zu diesem Gutachten mit einer (nichtärztlichen) Stellungnahme vom 01.09.2011 wie folgt geäußert: Die Ausführungen des Prof. Dr. G. zur Exposition des Oberkörpers seien nicht nachvollziehbar. Wenn auf Seite 46 des Berichts der Radarkommission „Kopf und Teile des Oberkörpers“ als vom direkt nach oben gerichteten Strahlenbündel erreichbar genannt würden, so seien damit ganz sicher nicht die untersten Teile des Oberkörpers gemeint. Somit sei die Nierenregion nicht als ein diesem Strahlenbündel exponierter Körperteil anzusehen, selbst wenn man sie noch zum Oberkörper zähle. Damit sei das Ausschlusskriterium „Teilkörperexposition, die das erkrankte Organ nicht betraf“ erfüllt. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen stochastischen Strahlenwirkungen und dem Auftreten des Schilddrüsenadenoms sei nicht gegeben. Zwar sei eine Anerkennung nach den Kann-Bestimmungen in Betracht zu ziehen, wenn zumindest eine qualifizierte Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs bestehe. Hinsichtlich gutartiger Geschwülste heiße es jedoch in den Anhaltspunkten, dass diese im Allgemeinen nicht durch äußere Einwirkungen verursacht würden. Ausnahmen bezüglich der Schilddrüsenadenome würden in den Anhaltspunkten nicht genannt. Somit sei deren Ätiologie nicht ungeklärt und die Kann-Bestimmungen fänden keine Anwendung. Auch das Recht der Berufskrankheiten sehe die Anerkennung eines Schilddrüsenadenoms nicht vor. Der Bericht der Radarkommission sehe bezüglich nicht maligner Erkrankungen lediglich für Augenlinsentrübungen (Katarakte) eine Anerkennung wegen der Einwirkung ionisierender Strahlung vor. Die gutachterliche Bewertung des Prof. Dr. G. zum Schilddrüsenadenom beruhe nicht auf den Entscheidungsempfehlungen im Bericht der Radarkommission und sei auch nicht mit sonstigen im sozialen Entschädigungsrecht maßgeblichen antizipierten Gutachten (Anhaltspunkte, Berufskrankheiten-Verordnung) in Einklang zu bringen. Die vom Sachverständigen zitierten Studien an Überlebenden der Atombombenangriffe in Japan hätten für das vorliegende Verfahren überhaupt keine Bewandtnis. Die Studien seien schon lange vor der Radarkommission veröffentlich worden. Dem Gutachten würden jegliche Hinweise auf eine relevante Risikoerhöhung im vorliegenden Einzelfall fehlen. Bezüglich des heißen Knotens der Schilddrüse handle es sich nicht um eine Schilddrüsenvergrößerung durch das gutartige Adenom (kalter Knoten). Außer dem telefonischen Hinweis des Klägers gebe es überhaupt keinen Beweis für das Vorliegen weiterer Schilddrüsenveränderungen. Bereits im Beschwerdeverfahren sei geprüft worden, inwieweit eine auf einer Erhöhung stehende und sich dabei noch vorbeugende Person durch das Strahlenbündel des NASARR getroffen werden könne. Diese Prüfung habe ergeben, dass aufgrund biomechanischer Aspekte bei einer Vorbeugung von Kopf und Oberkörper der Bauchbereich daran gehindert sei, sich nennenswert in die gleiche Richtung zu bewegen. Somit bestehe bei dem Einbauort des Magnetrons und der Austrittseinrichtung seiner Störstrahlung selbst bei einem 1,85 m großen Techniker für den Thoraxbereich keine Expositionsmöglichkeit.

Einer weiteren (nichtärztlichen) Stellungnahme des Dr. S. vom 26.08.2011 ist die Ansicht zu entnehmen, dass selbst dann, wenn eine Bestrahlung des Beckenbereichs stattgefunden hätte, die Exposition der Nieren durch die Abschwächung der Strahlung durch das übrige Körpergewebe weitgehend reduziert gewesen wäre.

Ein heißer Knoten wurde - so auf Nachfrage des SG das Bundeswehrkrankenhaus U. - bei einer Untersuchung im Jahr 2011 nicht dokumentiert.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.10.2011 ist die Klage abgewiesen worden. Ein Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Nierenzellkarzinom lasse sich nicht herstellen, da nach den Ergebnissen der Strahlenmessstelle der Bundeswehr der Kläger nur hinsichtlich des oberen Teils des Oberkörpers der Strahlung ausgesetzt gewesen sei. Ein Gesundheitsschaden im Bereich der Nieren könne daher durch Strahlung nicht verursacht werden. Auch die gutartige Schilddrüsenerkrankung sei nicht als Folge einer Wehrdienstbeschädigung festzustellen.

Dagegen haben die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 15.11.2011 Berufung eingelegt. Sie haben in ihrer Berufungsbegründung vom 08.03.2012 beanstandet, dass sich das SG im Wesentlichen auf die Ausführungen der Beklagten gestützt habe, ohne sich in ausreichender Weise mit dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. G. vom 09.06.2011 auseinander zu setzen. Im Übrigen seien die Ausführungen der Beklagten falsch. Auch der Versorgungsarzt Dr. J. sei in seiner Stellungnahme vom 18.09.2003 davon ausgegangen, dass der Kläger einer Belastung relevanten Ausmaßes durch ionisierende Strahlung ausgesetzt gewesen sei und dadurch der Verlust der linken Niere, der Milz sowie eines Teils des Dickdarms nach der operativen Behandlung eines bösartigen Nierentumors als Wehrdienstbeschädigungsfolge anzuerkennen sei. Es sei auch schlichtweg falsch, wenn die Beklagte behaupte, die Nieren lägen nicht im Bereich des Oberkörpers, sondern im Becken. Die Bevollmächtigten haben dies mit Hinweis auf medizinische Literatur belegt. Damit sei die Behauptung der Beklagten, die Nieren des Klägers seien nicht von der ionisierenden Strahlung betroffen gewesen, nicht haltbar, weil sie anatomisch falsch sei. Prof. Dr. G. habe zudem darauf hingewiesen, dass der Tumor am oberen Pol der linken Niere entstanden sei, die sich im Oberkörper befinde und somit auch von der Röntgenstörstrahlung getroffen worden sei. Dies habe die Beklagte völlig unsubstantiiert bestritten. Bekannt sei, dass die Strahlung des Feuerleitradars des Starfighters F-104 sehr gefährlich gewesen sei. Es sei nicht möglich und auch nicht beweisbar, zentimetergenau die Abstrahlungscharakteristik der Strahlung zu definieren, wie dies der Beklagte behaupte. Die Röntgenstörstrahlung würde vom Entstehungsort ausstrahlen und sei kein streng gebündelter kontrollierter Laserstrahl. Außerdem habe der Beklagte verschwiegen, dass auch seitlich am Magnetron Röntgenstörstrahlung austrete, wie sich aus Seite 5, Tabelle II des Teilberichts NASARR vom 24.02.2002 ergebe. Am 18.07.1979 sei an einer Testbank in L. eine Messung durchgeführt worden, die die Abstrahlcharakteristik der Röntgenstrahlung am Krümmer des Magnetrons dargestellt habe. In diesem Bericht sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass diese Feststellungen nur für das untersuchte Gerät und das eingebaute Magnetron gelten würden, es aber bekannt sei, dass in NASARR verschiedene Magnetrons verwendet worden seien, die sich hinsichtlich der Störstrahlung erheblich unterscheiden würden. Eine Messung an einsatzklaren Luftfahrzeugen habe der Beklagte nie vorgenommen. Auch eine Messung am Starfighter, an dem der Kläger gearbeitet habe, könne der Beklagte nicht vorlegen. Aufgrund des Berichts vom 18.07.1979 sei jedoch eindeutig klar, dass einzelne Messergebnisse nicht verallgemeinert werden könnten, weil die Strahlung bei jedem Gerät anders gewesen sei. Das SG habe auch jede eigene Feststellung zu der Frage, wo sich die Niere befinde und ob diese beim Kläger von ionisierender Strahlung getroffen worden sei, unterlassen. Nach den eigenen Feststellungen der Beklagten wäre die Erkrankung des Klägers als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen; die einzige Ausrede des Beklagten sei, dass sich die Niere nicht im Oberkörper befinde. Diese Behauptung sei durch das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. G. eindeutig widerlegt. Das SG habe nicht erläutert, warum es dem eingeholten Gutachten nicht gefolgt sei. Bezüglich der Schilddrüsenerkrankung habe das SG eine Anerkennung abgelehnt mit Hinweis auf den Bericht der Radarkommission, wonach nur maligne Tumore als Wehrdienstbeschädigung in Frage kämen, die Schilddrüsenerkrankung des Klägers aber gutartig sei. Der Bericht der Radarkommission werde von der Beklagten lediglich so ausgelegt, als ob nur die darin genannten Erkrankungen von ionisierender oder nicht ionisierender Strahlung hervorgerufen werden könnten und alle weiteren Erkrankungen nicht. Dies sei so nicht richtig und auch nicht Gegenstand der Fragestellung an die Sachverständigenkommission gewesen. Die Ausführungen der Beklagten seien insofern unzutreffend und grob irreführend. Im Übrigen haben die Bevollmächtigten auf einen Vergleichsfall hingewiesen, bei dem ein Hodentumor anerkannt worden sei, obwohl der Betroffene ebenfalls am NASARR gearbeitet habe. Auch bei einem weiteren, namentlich genannten Bundeswehrsoldaten, der ebenfalls am NASARR gearbeitet habe, sei die selbe Erkrankung wie beim Kläger, nämlich der Verlust der rechten Niere nach einem Tumor, anerkannt worden. Der Rechtsstreit berühre Fragen, die in der sozialgerichtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch ungeklärt seien (insbesondere die Frage, ob auch gutartige Tumorerkrankungen als Wehrdienstbeschädigung geeignet sein könnten). Die entsprechenden Bescheide aus den Vergleichsfällen haben die Bevollmächtigten beigelegt.

Zu den Arbeitsbedingungen am Luftfahrzeug haben sich die Bevollmächtigten des Klägers auf Nachfrage des Gerichts mit Schreiben vom 03.06.2013 detailliert geäußert und dargelegt, warum der Oberkörper einer Röntgenstörstrahlung ausgesetzt gewesen sei. Zudem haben sie noch auf weitere Strahlungsquellen hingewiesen, denen der Kläger bei der Arbeit ausgesetzt gewesen sei. So seien z. B. Oszilloskope das wichtigste Messgerät bei der Fehlersuche, Reparatur und Systemabgleichung von Radaranlagen gewesen und hätten eine Strahlenbelastung in Oberschenkelhöhe nach sich gezogen. Von der Gefährlichkeit der Strahlenbelastung habe das Radarpersonal keine Kenntnis gehabt.

Die Beklagte hat sich trotz wiederholter gerichtlicher Erinnerung, unter anderem unmittelbar an den Präsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr, zum klägerischen Schreiben vom 15.11.2011 erst nach über zwei Jahren mit Schreiben vom 13.03.2014 geäußert. Grund für die erhebliche Verzögerung dürfte nach dem Vortrag der Beklagten gewesen sein, dass die für die Bearbeitung derartiger Fälle gebildete „Schwerpunktgruppe Radar“ offenbar nur mit einem einzigen Fachmann besetzt gewesen war, wobei dieser von der Bundeswehrverwaltung zudem zwischenzeitlich mit einer Projektgruppe zu Organisationsfragen beauftragt worden war (Schreiben der Beklagten vom 20.01.2014).

Im Schreiben vom 13.03.2014 hat die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung hingewiesen. Zudem ist eine Stellungnahme der Strahlenmessstelle der Bundeswehr (Dr. S.) vom 21.02.2014 vorgelegt worden, in der dieser Folgendes ausgeführt hat: Dass Röntgenstrahlung oder Röntgenstörstrahlung nicht streng und definierbar gebündelt würden bzw. so auftreten könnten, sei ein Irrtum des Klägers. Ohne diese Möglichkeit gäbe es keine Computertomographie mit der heute erreichten Bildqualität. Die Radarkommission sei auf Seite 46 ihres Berichts davon ausgegangen, dass sich Kopf und Teile des Oberkörpers direkt im nach oben gerichteten Strahlenbündel befänden. Die Radarkommission gehe also nicht von einer Exposition des gesamten Oberkörpers aus. Eine Emission des Magnetrons auch in seitlicher Richtung sei nicht bewiesen. Ein Argument für eine Exposition der Nieren ergebe sich daher nicht. Die klägerseitige Behauptung, das Magnetron habe auch zur Seite abgestrahlt, sei nicht bewiesen. Aus der fehlenden Angabe der Emissionsrichtung in einem Messprotokoll ergebe sich nicht zwangsläufig die Emissionsrichtung zur Seite. Die Notwendigkeit, die Kontrolle der Bewegung der Antenne in unmittelbarer Nähe dazu ausführen zu müssen, erschließe sich nicht. An der Antenne befinde sich jedenfalls der Hinweis „HANDS OFF“. Es sei auch nicht ersichtlich, wieso diese Prüfung mit eingeschaltetem Magnetron erfolgen habe müssen. Wenn der Kläger angegeben habe, sich bei der Kontrolle der Dichtheit des Hohlleitersystems über den Radarsender gebeugt zu haben und dass sich dabei Arme und Körper über dem Magnetron befunden hätten, erschließe sich nicht, dass das Magnetron in Betrieb sein habe müssen. Aus den auch klägerseitig als bekannt vorgetragenen Warnungen sei eher zu schließen, dass das Magnetron noch gar nicht erst in Betrieb gewesen sei. Den vom Kläger vorgelegten Fotos sei insgesamt kein Beleg dafür zu entnehmen, dass die Nieren in das senkrecht nach oben austretende Röntgenstörstrahlungsbündel geraten könnten. Sofern im Bericht der Radarkommission die Exposition des Oberkörpers angesprochen sei, spiegle dies die Großzügigkeit der Erfassung der Arbeitsplatz- und Expositionsverhältnisse wider. Im Übrigen sei festzustellen, dass die Energie der Röntgenstrahlung des Magnetrons nicht ausreiche, an den Nieren eine Dosis zu erzielen.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben sich dazu mit Schreiben vom 26.06.2014 geäußert. U. a. haben sie darauf hingewiesen, dass sich der angesprochene Warnhinweis „HANDS OFF“ darauf bezogen habe, dass die Antenne nicht als Abstützung benutzt werde. Sie haben weiter darauf aufmerksam gemacht, dass im Verfahren eines namentlich benannten weiteren Soldaten Knochenkrebs (im Oberschenkel) als verursacht durch die Tätigkeit am NASARR betrachtet worden sei Zum Messbericht vom 07.05.1974 haben sie darauf aufmerksam gemacht, dass der verantwortliche Betriebsschutz der betroffenen Bundeswehr eine dringend erforderliche Nachmessung im Bereich des Magnetrons angemahnt habe. Entscheidend sei, wie die Arbeiten real ausgeführt worden seien und nicht, was technisch sinnvoller gewesen sei. Sie haben sich auch zur Lage der Nieren im Bereich des Oberkörpers geäußert.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 07.07.2014 ist der Beklagten die Abgabe eines Anerkenntnisses nahe gelegt worden. Auf Unstimmigkeiten in der Argumentation des Beklagten ist hingewiesen worden.

Mit Schreiben vom 21.07.2014 hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie nicht bereit sei, ein Anerkenntnis abzugeben. Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - der Senat hatte eine solche im Schreiben vom 07.07.2014 überhaupt nicht in den Raum gestellt - bestehe aber Einverständnis. Dazu haben auch die weiteren Beteiligten mit Schreiben vom 29.07.2014 bzw. 01.08.2014 ihr Einverständnis erklärt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19.10.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2008 festzustellen, dass das Nierenzellkarzinom und die Struma diffusa mit autonomem Adenom Folge einer Wehrdienstbeschädigung sind.

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten, des Beigeladenen und des SG Augsburg beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Gründe

Der Senat hat gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, da die Beteiligten - die Beklagte (ungefragt) mit Schreiben vom 21.07.2014, der Kläger mit Schreiben vom 29.07.2014, der Beigeladene mit Schreiben vom 01.08.2014 - dazu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Berufung ist zulässig und auch begründet.

Der Gerichtsbescheid des SG Augsburg, mit dem die Entscheidung der Beklagten, die Anerkennung von Schädigungsfolgen abzulehnen, bestätigt worden ist, ist ebenso wie der angegriffene Bescheid aufzuheben. Beim Kläger sind der Verlust der linken Niere, der Milz und eines Dickdarmteils nach Nierenkarzinom sowie der Schilddrüsenteilverlust durch operative Entfernung aufgrund einer Schilddrüsenerkrankung im Sinne eines Adenoms und die Schilddrüsenüberfunktion als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen.

Bei seiner Entscheidung stützt sich der Senat auf das vom SG eingeholte Gutachten des Prof. Dr. G. vom 09.06.2011, der, was das Nierenkarzinom angeht, zu der selben Einschätzung gekommen ist wie der Versorgungsarzt der Beklagten Dr. J. in seiner Stellungnahme vom 18.09.2003. Das Gutachten ist für den Senat überzeugend; er macht es sich zu eigen. Die sachverständige und die versorgungsärztliche Einschätzung zur Nierenerkrankung stehen auch in Einklang mit den Vorgaben des Berichts der Radarkommission. Auch was die Schilddrüsenerkrankung angeht, schließt sich der Senat der überzeugend begründeten Einschätzung des Prof. Dr. G. an.

Der Sachverständige Prof. Dr. G. hat nachvollziehbar erläutert, dass das Nierenzellkarzinom hinreichend wahrscheinlich auf die Strahlenexposition des Klägers als Radarmechaniker/-meister zurückzuführen ist und die Schilddrüsenerkrankung (Adenom) zumindest im Sinn einer Kannversorgung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen ist. Die sich aus der Behandlung dieser Erkrankungen ergebenden weiteren Gesundheitsschäden stellen mittelbare Folgen der Wehrdienstbeschädigung dar.

Wenn sich die Beklagte diesen sachverständigen bzw. versorgungsärztlichen Erkenntnissen verschließt und dies damit begründet, dass die berufliche Belastung des Klägers mit radioaktiver Strahlung nicht dazu geeignet sei, die vorliegenden Erkrankungen zu verursachen, kann dies nicht überzeugen.

1. Voraussetzungen für die Anerkennung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung - Allgemeines

Eine Wehrdienstbeschädigung ist gemäß § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.

Entsprechend den vorgenannten Bestimmungen setzt die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette voraus (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R): Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (= „Wehrdienstbeschädigung“) (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (= „Folge einer Wehrdienstbeschädigung“) (3. Glied) bedingt. Dabei ist eine trennscharfe Differenzierung zwischen dem 2. und dem 3. Glied oftmals praktisch nicht möglich und daher verzichtbar; auch im wesensverwandten Rechtsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung wird dies so praktiziert.

Die zwei bzw. drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Dies bedeutet, dass kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R). Demgegenüber reicht es für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder aus, wenn dieser jeweils mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die Beweisanforderung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R - in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 24.09.1992, Az.: 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt hat) als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG). Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.

Eine potentielle Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az.: 10 RV 15/77). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort „hinreichend“ nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 128, Rdnr. 3c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66). Haben mehrere Ursachen zu einem Schaden beigetragen, ist eine vom Schutzbereich des SVG umfasste Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des SVG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben) (vgl. Urteil des Senats vom 19.07.2011, Az.: L 15 VS 7/10 - m. w. N. zur Rechtsprechung des BSG) und die vom Schutzbereich des SVG umfasste Ursache nicht völlig in den Hintergrund drängt (drängen) (vgl. Urteil des Senats vom 02.07.2013, Az.: L 15 VS 9/10).

Für unfallunabhängige Gesundheitsstörungen, in denen wesensmäßig die Nachweisführung eines Zusammenhangs aufgrund eines konkreten Anlassereignisses erheblich erschwert ist, bestimmt sich der versorgungsrechtlich geschützte Bereich nach dem SVG nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nach dem Vorbild des Berufskrankheitenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 25/92). Dieses unterliegt dem Listenprinzip mit der Öffnungsklausel des § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), wobei hierdurch nur ein Vorgriff auf eine Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) möglich ist (ständige Rspr., vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18.06.2013, Az.: B 2 U 3/12 R).

Bei der Beurteilung unfallunabhängiger Gesundheitsstörungen von Soldaten ist aber zu berücksichtigen, dass die Belastungen im Wehrdienst nicht selten solche sind, die in zivilen Berufen nicht auftreten. Daher wäre es zu kurz gegriffen, sich uneingeschränkt an den unfallversicherungsrechtlichen Vorgaben und Erkenntnissen zu Berufskrankheiten oder berufskrankheitenreifen Erkrankungen zu orientieren. Vielmehr ist der Rechtsgedanke des § 9 Abs. 2 SGB VII dahingehend aufzugreifen, dass von einer „Berufskrankheitenreife“ im soldatenversorgungsrechtlichen Sinn auch dann auszugehen ist, wenn die Krankheit zwar nicht in der Liste der BKV aufgenommen ist, der Dienstherr (= Bundeswehr) aber wegen einer erkannten Gefährdung der Soldaten handeln müsste, wenn es eine explizite Regelung wie die BKV auch für soldatenspezifische Erkrankungen gäbe. Davon ist dann auszugehen, wenn eine Situation gegeben ist, in der bekannt geworden ist, dass bestimmte Einwirkungen, denen Soldaten im Dienst in höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, zur Entwicklung bestimmter Krankheiten beitragen können, für die medizinstatistisch nachgewiesen ist, dass die Zahl der Erkrankungen von Soldaten signifikant höher als in der Allgemeinbevölkerung ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 25/92). Wenn das BSG dies im Urteil vom 11.10.1994, Az.: 9 BV 55/94, dahingehend formuliert hat, dass dafür „besondere außerordentliche Belastungen, die typischerweise nur unter den Bedingungen des Krieges auftreten“, erforderlich wären, ist diese Formulierung missverständlich. Denn eine gesetzliche Grundlage für diese Orientierung am Krieg geben die Regelungen des SVG nicht her; vielmehr wird dort (§ 81 Abs.1 SVG) ausdrücklich auf „die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse“ abgestellt, womit eine Abgrenzung von auch im zivilen Leben vorkommenden Belastungen hergestellt wird. Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse sind daher solche, die der Eigenart des militärischen Dienstes entsprechen und im Allgemeinen mit dem Dienst eng verbunden sind. Damit werden all die nicht weiter bestimmbaren Einflüsse des Wehrdienstes erfasst, die aus der besonderen Rechtsnatur des Wehrdienstverhältnisses und der daraus resultierenden Beschränkung der persönlichen Freiheit des Soldaten resultieren (vgl. Lilienfeld, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 81 SVG, Rdnr. 29). Eine kriegsähnliche Belastung zu verlangen, würde zu weit gehen; ausreichend aber auch erforderlich ist eine Belastung, wie sie im zivilen Leben so nicht oder nicht in vergleichbarem Maß vorkommt. Bei der Abgrenzung zwischen wehrdiensteigentümlichen und zivilen Verhältnissen ist von den normalen Umständen und Verhaltensweisen sowie den durchschnittlichen Gefährdungen im Zivilleben auszugehen (vgl. Sailer, in: Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 81 SVG, Rdnr. 27; Urteil des Senats vom 02.07.2013, Az.: L 15 VS 9/10).

Zu berücksichtigen als weitere Abweichung vom Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ist zudem, dass im Versorgungsrecht der rechtlich wesentliche Kausalzusammenhang zwischen einer Gesundheitsstörung und einem dienstlichen Unfall oder wehrdiensteigentümlichen Belastungen nicht nur mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit hergestellt werden kann, sondern auch die Möglichkeit einer Kannversorgung gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG besteht. Es handelt sich dabei um Fälle, bei denen die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs nur deshalb nicht hergestellt werden kann, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Von Ungewissheit ist auszugehen, wenn es keine einheitliche Lehrmeinung, sondern verschiedene ärztliche Lehrmeinungen gibt, wobei nach der Rechtsprechung des BSG von der Beurteilung auf dem Boden der „Schulmedizin“ (gemeint ist damit der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft) auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.08.1998, Az.: B 9 VJ 2/97 R). Aber auch bei der Kannversorgung reicht allein die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs oder die Nichtausschließbarkeit des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs positiv vertritt; das BSG spricht hier auch von der „guten Möglichkeit“ eines Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.1995, Az.: 9 RV 17/94, und vom 17.07.2008, Az.: B 9/9a VS 5/06). Existiert eine solche Meinung überhaupt nicht, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer Ungewissheit; denn alle Meinungen stimmen dann darin überein, dass ein Zusammenhang nicht hergestellt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, Az.: 9/9a RV 41/92).

Zusammengefasst bedeutet dies, dass ein unfallunabhängiger Gesundheitsschaden unter folgenden Gesichtspunkten als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden kann:

- Alternative 1: Die Gesundheitsstörung ist in der BKV als Berufskrankheit anerkannt.

- Alternative 2: Wenn die vorgenannte Bedingung nicht erfüllt ist: Es besteht eine sogenannte Berufskrankheitenreife im Sinn des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung.

- Alternative 3: Wenn die vorgenannte Bedingung nicht erfüllt ist: Es besteht eine Berufskrankheitenreife im oben aufgezeigten soldatenversorgungsrechtlichen Sinn.

- Alternative 4: Wenn die vorgenannte Bedingung nicht erfüllt ist: Es besteht über die Ursache des Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit, es gibt aber wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung, die die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs positiv vertritt.

2. Zu den hier im Raum stehenden Erkrankungen:

2.1. Nierenzellkarzinom mit Folgeerkrankungen

Das durchgemachte Nierenzellkarzinom mit den sich daraus ergebenden Folgeschäden (Verlust der linken Niere, Verlust der Milz und eines Teils des Dickdarms) ist als Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinn der o. g. Alternative 1 anzuerkennen.

2.1.1. Potentiell schädigender Vorgang

Der Kläger war im Rahmen seines Wehrdienstes ionisierender Strahlung (Röntgenstörstrahlung) in einem Umfang ausgesetzt, der potentiell kanzerogene Wirkung hat.

Der Kläger arbeitete von 1971 bis 1987 zunächst als Radarmechaniker, dann als Radarmechanikermeister am Flugzeug F-104 G, das mit dem Vorwärtssichtradar NASARR ausgestattet war.

Bei dieser Tätigkeit war der Kläger in so erheblichem Umfang ionisierender Strahlung ausgesetzt, dass eine für die Verursachung einer Krebserkrankung als ausreichend anzusehende Strahlenbelastung im Sinn der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV vorgelegen hat. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Ausführungen des Berichts der vom Bundesministerium der Verteidigung auf Ersuchen des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags einberufenen Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der NVA (Radarkommission) vom 02.07.2003. Die strahlenbelastende Tätigkeit des Klägers fällt im Umfang von fast vier Jahren in den von der Radarkommission als Phase I (bis Ende 1975) bezeichneten Zeitraum, in dem „eine belastbare Dosisrekonstruktion aufgrund von Messdaten praktisch unmöglich ist“ (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 23) und in der auch weitgehend keine Strahlenschutzmaßnahmen getroffen worden sind. Daran hat sich (ab 1976) eine Zeit angeschlossen, „in der die Zahl der Messungen deutlich anstieg und in der erste Strahlenschutzmaßnahmen durchgeführt wurden“ (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 23), so dass ab dieser Zeit eine prinzipielle Dosisabschätzung möglich ist, sofern eine ausreichende Zahl von Messungen vorliegt, was aber vorliegend, d. h. betreffend das NASARR, nicht der Fall zu sein scheint, wenn die Angaben der Beklagten zugrunde gelegt werden, wonach nur eine einzige Messung durchgeführt worden sein soll. Dabei hat die Radarkommission aber auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in dieser zweiten Phase nach wie vor alte Systeme, d. h. ohne Strahlenschutz, weiter eingesetzt worden sind und dieser Zustand teilweise weit bis in die 80er Jahre hinein angehalten hat, was insbesondere auch für das NASARR gilt, an dem der Kläger eingesetzt war (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 23). So gibt es offenbar nur ein einziges Messprotokoll zum NASARR aus dem Jahr 1974 (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 22). Die Radarkommission hat zudem darauf hingewiesen, dass gerade dann, wenn nur wenige Messwerte vorliegen, „eine Unterschätzung nicht auszuschließen ist“ (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 24).

Ausgehend von diesen Ausführungen im Bericht der Radarkommission, der als antizipiertes Sachverständigengutachten betrachtet werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 02.10.2008, Az.: B 9 VS 3/08 B - m. w. N.) ist eine potentiell schädigende Strahlenbelastung im Vollbeweis nachgewiesen.

Dies hat letztlich auch die Beklagte zugestanden, wenn sie ab der Überprüfung nach Vorlage des Berichts der Radarkommission im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ihre Ablehnung nicht mehr auf eine angeblich nicht ausreichende Strahlenbelastung gestützt hat, wie sie dies noch im Verwaltungsverfahren getan hat. Der Senat sieht daher auch keinen Anlass, sich mit der völlig unplausiblen Berechnung der Beklagten im Verwaltungsverfahren auseinanderzusetzen, in dem diese eine effektive Gesamtdosis von 5,9 mSv „berechnet“ hat und zu der Einschätzung gekommen ist, dass die Strahlenbelastung des Klägers nicht den für die allgemeine Bevölkerung geltenden Grenzwert übersteige. Denn für diese pseudogenaue Berechnung fehlen, wie dies der Bericht der Radarkommission überdeutlich klar gemacht hat, jegliche zuverlässigen Messwerte. Die von der Beklagten zulasten des Klägers eingebrachte Messung steht in eklatantem Widerspruch zu den Ausführungen der Radarkommission.

Keiner weiteren Erörterung bedarf die Frage weiterer potentieller Strahlenbelastungen des Klägers durch radioaktive Leuchtfarben oder die Verwendung von Oszilloskopen, die ebenfalls Röntgenstörstrahlung aussenden. Denn diese weiteren Belastungsfaktoren sind angesichts der durch die Arbeit am

NASARR nachgewiesenen Belastung durch Röntgenstörstrahlung nicht mehr entscheidungserheblich. Der Senat braucht sich daher auch nicht damit zu befassen, ob die Beklagte ordnungsgemäß ihrer Mitwirkungspflicht durch die Vorlage nur ihr bekannter Daten und Messwerte nachgekommen ist, was vom Kläger nicht unfundiert in Zweifel gezogen worden ist und auch angesichts des Prozessverhaltens der Beklagten (z. B. Vorlage der teilweise geschwärzten Stellungnahme vom 09.06.2009, Verschweigen von Messdaten, die sich aus dem in den Beklagtenakten enthaltenen Messprotokoll ergeben - Strahlung des Magnetrons auch zur Seite) fraglich erscheint, oder ob die Beklagte gezielt und ausgewählt nur solche Fakten dem Gericht angegeben hat, die sie dem Begehren des Klägers entgegen halten kann.

2.1.2.

Kausalität zwischen Belastung durch ionisierende Strahlung und Nierenzellkarzinom

Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. G., der auch Mitglied der Radarkommission war, hat die vorliegenden Unterlagen sorgfältig ausgewertet und ist in seinem Gutachten vom 09.06.2011 mit nachvollziehbarer und überzeugender Begründung zu der Einschätzung gekommen, dass das Nierenzellkarzinom hinreichend wahrscheinlich auf die wehrdienstbedingte Strahlenbelastung des Klägers zurückzuführen ist. Dabei hat er sich u. a. auch mit möglichen Alternativursachen befasst und diese ausgeschlossen. Die aus der Behandlung des Karzinoms resultierenden weiteren Gesundheitsschäden (Entfernung eines Teils des Dickdarms und der Milz) stehen als mittelbare Folgeschäden ebenfalls in einen hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang mit der wehrdienstbedingten Strahlenbelastung.

Diese Beurteilung des Sachverständigen macht sich der Senat zu eigen. Sie steht in Übereinstimmung mit den Festlegungen im Bericht der Radarkommission und den Vorgaben im Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2402 (vgl. Bek. des BMA vom 13.05.1991, BArbBl. 7-8/1991, S. 72 ff.) bzw. der sich anschließenden wissenschaftlichen Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV (vgl. Bek. des BMAS vom 24.10.2011, Az.: IVa 4-45222-2402, GMBl. 2011, Nr. 49 - 51, S. 983 - 993).

Angesichts der klaren sachverständigen Ausführungen verzichtet der Senat auf weitere Ausführungen zum Gutachten und verweist auf die dortigen Erläuterungen. Die sachverständige Einschätzung wird im Übrigen auch vom versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten (Stellungnahme des Dr. J. vom 18.09.2003) geteilt und hat auch Eingang in den ersten Entwurf eines Beschwerdebescheids vom November 2003 gefunden, dem aus hier nicht nachvollziehbaren Gründen von der Wehrbereichsverwaltung Süd die Zustimmung versagt worden ist.

Sofern die Beklagte Einwendungen gegen dieses Gutachten erhebt, kann sich der Senat dem nicht anschließen:

- Wenn die Beklagte bereits vor Erteilung des Gutachtensauftrags

o dem Gericht mit Schreiben vom 26.11.2008 mitgeteilt hat, dass sie mit der Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. G. „nicht einverstanden“ sei, da er „sehr spezielle Ansichten“ vertrete,

o zudem mit Schreiben vom 23.02.2009 das Gericht darüber informiert hat, dass die Bundeswehr „diesem Gutachten nicht folgen“ werde, und

o schließlich mit Schreiben der „Schwerpunktgruppe Radar“ vom 16.06.2010 diesem Sachverständigen pauschal jegliche fachliche Eignung abgesprochen hat,

sind diese Einwände nicht ansatzweise nachvollziehbar und nicht auf Fakten gestützt, sondern beruhen ausschließlich auf sachfremden Unterstellungen, Mutmaßungen und subjektiven Meinungsäußerungen von Vertretern der Beklagten, wie sie in einem gerichtlichen Verfahren keinen Raum haben können. Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass der Sachverständige Mitglied der Radarkommission war. Ihm angesichts dieser Berufung fehlende Sachkenntnis zu unterstellen, überrascht und würde auch die Kompetenz der Beklagten in Gestalt des Bundesministeriums der Verteidigung, das die Radarkommission eingesetzt hat, massiv in Frage stellen. Der Senat kann sich die unsachliche Vorabkritik der Beklagten am Sachverständigen daher nur so erklären, dass, soweit dem Senat bekannt ist, dieser im Zusammenhang mit der Erstellung des Berichts der Radarkommission bemängelt hat, dass die Bundeswehr nur unzureichend Materialien zur Verfügung gestellt habe. Allein aus dieser Kritik, die der Senat im Übrigen aufgrund der in diesem Verfahren gemachten Erfahrungen - so musste er auf eine am 15.03.2012 erbetene Stellungnahme zwei Jahre warten, wobei die Stellungnahme erst nach Einschaltung des Präsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr abgegeben worden ist und nicht einmal ganze sechs Seiten umfasst hat - nicht für fernliegend hält und die im Übrigen auch dem Bericht der Radarkommission selbst zu entnehmen ist (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 25: „Die von der Kommission erbetenen Informationen ... konnten von der Bundeswehr nicht geliefert werden.“), eine fehlende Sachkunde des Sachverständigen abzuleiten, ist mehr als fernliegend. Im Übrigen hat sich der von der Beklagten vorweg erhobene Vorwurf auch nicht nach Vorlage des Gutachtens bestätigt. Dafür, aus dem in diesem Verfahren erstellten Gutachten auf eine fehlende Sachkunde oder gar eine Parteilichkeit des Sachverständigen zu schließen, gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt. Die Vorwürfe und Vorhaltungen der Beklagten entbehren insofern jeglicher sachlicher Grundlage und können nur auf rein subjektiven Gründen beruhen. Ob und wenn ja welche weiteren Gründe für die objektiv nicht haltbare Ablehnung des Sachverständigen durch die Beklagte bestehen, hat die Beklagte nicht offengelegt, so dass nur unsachliche und damit nicht äußerungsfähige Gründe vermutet werden können. Bezeichnend ist jedenfalls, dass sich die Beklagte gehütet hat, den Sachverständigen formal wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, was sich aufgrund ihres Vortrags aufgedrängt hätte. Letztlich können die nicht offengelegten wahren Gründe der Beklagten mangels Entscheidungsrelevanz dahingestellt bleiben.

- Der Vortrag der Beklagten dahingehend, dass die Entstehung eines Nierentumors durch den Bericht der Radarkommission ausgeschlossen sei, findet in diesem Bericht keine Stütze; im Übrigen ist die Behauptung eines (generellen) Ausschlusses eines Ursachenzusammenhangs auch nachweislich falsch. An keiner Stelle in diesem Bericht ist ausgeführt, dass ein Nierenzellkarzinom nicht durch ionisierende Strahlung verursacht sein könnte. Vielmehr ist sowohl im Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2402 aus dem Jahr 1991 als auch in der sich anschließenden wissenschaftlichen Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 aus dem Jahr 2011 die Niere ausdrücklich unter den strahlenempfindlichen Organen in Hinsicht auf die Verursachung maligner Erkrankungen aufgelistet.

- Sofern die Beklagte argumentiert, das Nierenzellkarzinom könne schon deshalb nicht durch die wehrdienstliche Tätigkeit des Klägers verursacht sein, weil sich die Nieren nicht in dem nach dem Bericht der Radarkommission strahlungsexponierten Körperbereich befunden hätten, ist dies falsch. Es liegt der Eindruck sehr nahe, dass die Beklagte die einschlägigen Vorgaben des Berichts der Radarkommission falsch darstellt, um berechtigte Ansprüche des Klägers abzuwehren.

Nach dem Bericht der Radarkommission ist bei der Tätigkeit am NASARR davon auszugehen, dass sich „Kopf und Teile des Oberkörpers direkt im nach oben gerichteten Strahlenbündel befanden“ (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 46). Diese Formulierungen können aber nicht - wie dies die Beklagte möchte - dahingehend interpretiert werden, dass bei der Arbeit am NASARR nur eine Exposition in den obersten Teilen des Oberkörpers vorgelegen haben kann. Ein derartiger Ausschluss lässt sich weder dem Bericht der Radarkommission entnehmen noch findet er eine Stütze im (detaillierteren) Teilbericht NASARR der Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 24.02.2002 zum Starfighter F-104 G Radaranlage F 15 B-A/D NASARR. Im Übrigen verkennt die Beklagte auch, dass der Radarbericht die Formulierung „Teile des Oberkörpers“ nur in Zusammenhang mit einer ganz bestimmten Tätigkeit am NASARR verwendet, nämlich bei den „langwierigen Einstellarbeiten des Sender-Magnetrons“ (vgl. S. 46 des Berichts).

- Wenn die Beklagte durch den Leiter der Strahlenmessstelle Dr. S. in der Stellungnahme vom 21.02.2014 vorträgt, die Strahlung am NASARR sei einzig und allein nach oben gerichtet gewesen und es habe sich um ein eng umgrenztes Strahlenbündel gehandelt, was durch Röntgenfilme dokumentiert sei, ist auch diese Behauptung nachweislich falsch und verschweigt Erkenntnisse, wie sie die Beklagte selbst gewonnen, dokumentiert und vorgelegt hat.

Aus den Messwerten, wie sie im Teilbericht NASARR (dort Tabelle 2 auf S. 5) dokumentiert sind, ergibt sich zweifelsfrei eine nicht unerhebliche, vom Magnetron des NASARR zur Seite gerichtete Strahlung. Es mag zwar durchaus richtig sein, dass das Magnetron (gezielt) nach oben strahlt und dieses Strahlenbündel vergleichsweise punktgenau ist. Daneben kann aber nicht, wie dies durch die Beklagte erfolgt, verdrängt werden, dass auch zur Seite eine Strahlenbelastung erfolgt.

Auch der Bericht der Radarkommission widerlegt die Behauptung der Beklagten einer ausschließlich nach oben erfolgenden eng umgrenzten Strahlung. So wird dort (vgl. S. 59 des Berichts) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei der Arbeit auf der Testbank durch Reflexionen an metallischen Flächen (z. B. Fenster- und Türrahmen) erhebliche Strahlenbelastungen und Grenzwertüberschreitungen um 100% auftreten können, ohne dass dafür Fehler an den Radargeräten vorliegen hätten müssen. Gerade in Reparaturhallen ist nach dem Bericht der Radarkommission (vgl. S. 61 des Berichts) wegen der erhöhten Reflexion von einem hohen Risiko einer Überexposition auszugehen. Neben der seitlich aus dem Magnetron austretenden Strahlung gab es daher auch infolge Reflexionen erhebliche Strahlenbelastungen außerhalb des eng nach oben gerichteten Strahlenbündels des Magnetrons.

Wenn dazu der Leiter der Strahlenmessstelle der Bundeswehr Dr. S. mit Schreiben vom 21.02.2014 behauptet, dass die Annahme des Klägers, das Magnetron habe auch zur Seite gestrahlt, nicht bewiesen sei, kann dies in Anbetracht der vorgenannten Ausführungen sowohl im Bericht der Radarkommission als auch im Teilbericht NASARR nur als wahrheitswidriger Vortrag bezeichnet werden. Ob und inwieweit angesichts eines derartigen Verhaltens auch weitere Angaben der Beklagten nicht nur in diesem gerichtlichen Verfahren genauerer Nachprüfung bedürfen, sei an dieser Stelle mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt.

Ebenso sieht es der Senat als irreführend und nachweislich falsch an, wenn durch den Leiter der Strahlenmessstelle vorgetragen wird, es sei ein Irrtum des Klägers, wenn dieser meine, dass die Röntgenstrahlung oder Röntgenstörstrahlung des NASARR nicht streng und definierbar gebündelt würde, und dies mit dem Hinweis darauf begründet wird, dass es ohne diese strenge Bündelung keine Computertomographie mit der heute erreichten Bildqualität gebe. Vom heutigen (!) Stand der Computertomographie auf die Belastung eines militärisch vor über 40 Jahren genutzten Geräts zu schließen, ist fernab jeglicher Nachvollziehbarkeit. Dies gilt umso mehr, als der erste kommerzielle Computertomograph zur klinischen Anwendung erst im Jahr 1972, also zu einer Zeit, als der Kläger schon als Radarmechaniker arbeitete, in Betrieb genommen worden ist (vgl. Jach, Einsatz der Dosismodulation in der Mehrschicht-Computertomographie der Kopf-/Halsregion, Diss. 2008, S. 13) und die damaligen Geräte im Vergleich zu heutigen Geräten eine nur sehr eingeschränkte Funktionalität hatten. Im Übrigen suggeriert der Vortrag des Dr. S., dass neben dieser gezielten Strahlung keine andere Strahlung vorhanden gewesen wäre. Dies ist aber - wie bereits erläutert - nachweislich nicht richtig.

- Fast grotesk mutet das Argument des Leiters der Strahlenmessstelle Dr. S. an, wenn er mit dem an der Antenne angebrachten Hinweis „HANDS OFF“ suggerieren will, dass damit die Gefährlichkeit des Geräts durch ionisierende Strahlung zum Ausdruck gebracht würde und daher die Arbeiten mit entsprechend großem Abstand zum Gerät durchgeführt worden wären. Der Hinweis „HANDS OFF“ kann sich nämlich nicht auf eine Strahlenexposition beziehen, sondern nur darauf, dass die Antenne aus mechanischen Gründen nicht zu berühren sei. Dies ergibt sich zwingend aus dem Inhalt des Warnhinweises, der ein Berühren verhindern will. Das Berühren der Antenne an sich ist aber völlig ungefährlich, solange der Kontakt nicht in dem Austrittsort der nach dem Vortrag des Dr. S. enggebündelten Strahlung erfolgt. Wenn schon ein Hinweis auf radioaktive Strahlung erfolgen hätte sollen, hätte dieser ganz anders lauten müssen; „HANDS OFF“ wäre in diesem Fall ein völlig untauglicher Hinweis gewesen. Im Übrigen - auch das ist dem Bericht der Radarkommission zu entnehmen - ist offenbar erst in der von der Radarkommission als zweite Phase ab 1976 bezeichneten Zeit dem bis dahin völlig vernachlässigten Strahlenschutz auch durch entsprechende Arbeitsanweisungen Rechnung getragen worden (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 9, 23, 130). Dies beweist, dass mit „HANDS OFF“ zumindest in der ersten Phase, in der der Kläger auch tätig war, keinesfalls vor Röntgenstörstrahlung gewarnt wurde. Im Übrigen hat die Bundeswehr zwar auch schon bis Mitte der 70er Jahre Strahlenwarnzeichen - die nicht mit dem Hinweis „HANDS OFF“ verwechselt werden dürfen - verwendet, wobei sich diese Warnzeichen nicht auf Röntgenstrahlung bezogen haben (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 9). Die Behauptungen des Dr. S. stehen zu diesen Ausführungen im Bericht der Radarkommission in einem konträren und sachlich nicht ansatzweise erklärbaren Widerspruch.

- Wenn der Leiter der Strahlenmessstelle der Bundeswehr Dr. S. die Strahlenexposition des Klägers dadurch als kleiner erscheinen lassen will, dass er es als nicht ersichtlich bezeichnet, warum bestimmte Arbeitsschritte mit eingeschaltetem Magnetron erfolgen hätten müssen, mag diese Fragestellung aus heutiger Sicht berechtigt sein. Zu der Zeit, in der der Kläger als Radarmechaniker tätig war (ab 1971), spielte der Strahlenschutz in der täglichen Praxis der Bundeswehr aber keine (wesentliche) Rolle (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 130). Auch die Radarkommission hat in diesem Zusammenhang bei der Ermittlung der Exposition bei Arbeiten am NASARR deshalb empfohlen, „vorrangig Angaben der Antragsteller zu ihren individuellen Tätigkeiten ... zugrunde zu legen“ (vgl. Bericht der Radarkommission, S. 47). Der Senat folgt daher auch den Angaben des Klägers im Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 03.06.2013, in dem er sich dezidiert zu den Arbeitsbedingungen geäußert hat; irgendeinen Grund, den Angaben des Klägers nicht zu folgen, kann der Senat nicht erkennen, da die Angaben des Klägers in sich schlüssig und angesichts der zur Zeit der belastenden Tätigkeit vorliegenden Erkenntnisse zur Gefährlichkeit und dem damals auch von Seiten des Arbeitgebers Bundeswehr fehlenden Problembewusstseins zum Thema Röntgenstörstrahlung plausibel sind und nicht ansatzweise ein Hinweis darauf erkennbar ist, dass sich der Kläger durch falsche Angaben einen versorgungsrechtlichen Vorteil verschaffen möchte. Wenn die Beklagte suggerieren will, dass der Kläger die Arbeiten nicht bei eingeschaltetem Radarsender durchgeführt habe, steht dies im Übrigen auch im Widerspruch zu den Ausführungen im Teilbericht NASARR der Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 24.02.2002 zum Starfighter F-104 G Radaranlage F 15 B-A/D NASARR (dort vgl. S. 9). Danach ist es für den Senat nachgewiesen, dass, um eine beste Einsatzfähigkeit des NASARR zu erhalten, die meiste Zeit mit hoher Sendeleistung gearbeitet worden ist, zumal von der Gefährlichkeit des Magnetrons damals nichts bekannt gewesen war.

- Das medizinische Argument, das die Beklagte durch einen Nichtmediziner vorgetragen hat, nämlich dass ein Nierentumor nicht strahlungsbedingt entstanden sein könne, weil die Niere nicht Teil des Oberkörpers sei, ist durch die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen und durch medizinische Standardwerke widerlegt. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Nierentumor an der höher gelegenen linken Niere und dort am oberen Pol entstanden ist, also an der absolut betrachtet obersten, also kopfnächsten Stelle der Nieren.

Dass die Beklagte von der anatomisch unrichtigen Annahme ausgeht, dass die Nieren im Beckenbereich gelegen seien, entnimmt der Senat auch der Stellungnahme des Dr. S. vom 04.09.2006. Dieser hat im Rahmen der Frage, ob der Nierentumor des Klägers strahlenbedingt sein könne, darauf hingewiesen, dass auch bei einem körperlich größeren Techniker der Bereich des Beckens nicht gegenüber Röntgenstörstrahlung exponiert werden könne.

- Aber selbst dann, wenn dem Beklagten bezüglich seiner falschen Argumentation zur Niere gefolgt würde und damit davon auszugehen wäre, dass die Niere in einem grenzwertig strahlenexponierten Körperbereich liegen würde, würde dies nach den expliziten Feststellungen im Bericht der Radarkommission (vgl. dort S. 47) einer Anerkennung nicht entgegen stehen, da die Kommission der Auffassung ist, „dass für alle Tätigkeiten, für die eine Exposition aller Körperpartien geometrisch betrachtet nicht sicher auszuschließen ist, die Annahme, dass das erkrankte Organ einer Strahlenexposition ausgesetzt war, die durch die maximale Ortsdosisleistung bestimmt wird, die einzig mögliche Grundlage einer Dosisabschätzung darstellt.“ Da eine Nierenexposition - auch nach der Argumentation der Beklagten - nicht sicher ausgeschlossen werden kann, ist die maximale Ortsdosisleistung als Strahlungsbelastung zugrunde zu legen. Wenn dies die Beklagte dadurch in Abrede stellen will, dass sie den Bericht der Radarkommission insofern nicht zur Kenntnis nehmen will, wirkt dies zumindest befremdlich und legt - zum wiederholten Mal - den Eindruck nahe, dass der Tatsachenvortrag der Beklagten sehr selektiv und daran orientiert erfolgt, was ihr bei der Abwehr von Ansprüchen nützlich sein könnte.

- Wenn die Beklagte zum Ende des Berufungsverfahrens die Anerkennung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung dadurch abzuwehren versucht, dass sie durch den Leiter der Strahlenmessstelle der Bundeswehr Dr. S. mit Schreiben vom 21.02.2014, dessen Anfertigung rund zwei Jahre gedauert hat, vortragen lässt, dass die Energie der Röntgenstrahlung nicht ausreiche, an den Nieren eine Dosis zu erzielen, ist auf Folgendes hinzuweisen: Zunächst verwundert es, dass ein Nichtmediziner der Bundeswehr meint, über so große Fachkunde auf medizinischem Gebiet zu verfügen, dass er diese medizinische Frage zu beantworten vermag. Der ärztliche Sachverständige Prof. Dr. G., dessen medizinische Sachkunde für den Senat außer Zweifel steht, hat dies ganz anders eingeschätzt; diese ärztlichsachverständige Einschätzung macht sich der Senat zu eigen. Auch der Versorgungsarzt der Beklagten Dr. J. hat in einer vermeintlich nicht ausreichenden Eindringtiefe in seiner Stellungnahme vom 18.09.2003 kein Problem gesehen. Insofern ist die (gewissermaßen fachfremde) Äußerung des Dr. S. ein erneuter Beleg für eine mit großen Vorbehalten zu sehende Vorgehensweise der Beklagten. Dass die Behauptung des Dr. S. auf der Basis medizinischer Erkenntnisse nicht nachvollziehbar ist, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass die Nieren sowohl im Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2402 aus dem Jahr 1991 als auch in der sich anschließenden wissenschaftlichen Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 aus dem Jahr 2011 ausdrücklich unter den strahlenempfindlichen Organen in Hinsicht auf die Verursachung maligner Erkrankungen aufgelistet wird.

- Lediglich der Vollständigkeit halber, ohne dass dies noch Entscheidungsrelevanz hätte, weist der Senat darauf hin, dass es in vergleichbaren Fällen von Radarmechanikern am Flugzeug F-104 - von der Beklagten unwidersprochen - zu Anerkennung eines Nierentumors, eines Hodentumors und auch von Knochenkrebs am Oberschenkel gekommen ist. Würde der jetzigen Argumentation der Beklagten gefolgt, hätte es zu solchen Anerkennungen nie kommen können.

2.2. Schilddrüsenadenom mit daraus resultierender Teilentfernung der Schilddrüse und Schilddrüsenüberfunktion

Das Schilddrüsenadenom mit daraus resultierender Teilentfernung der Schilddrüse und die Schilddrüsenüberfunktion sind als Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinn der o. g. Alternative 4 (vgl. oben Ziff. 1 a.E.) anzuerkennen.

2.2.1. Potentiell schädigender Vorgang

Die ionisierende Strahlung (Röntgenstörstrahlung), der der Kläger im Rahmen seines Wehrdienstes als Radarmechaniker/-meister ausgesetzt war (vgl. dazu oben Ziff. 2.1.1.), hat auch potentiell schädigende Wirkung auf die Schilddrüse in dem Sinn, dass dadurch die Bildung gutartiger Schilddrüsentumore (Adenome) verursacht werden kann, wie die im Gutachten des Prof. Dr. G. vom 09.06.2011 angeführten Studien zeigen.

2.2.2. Kausalität zwischen Belastung durch ionisierende Strahlung und Adenom der Schilddrüse

Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. G. hat die vorliegenden Unterlagen sorgfältig ausgewertet und ist in seinem Gutachten vom 09.06.2011 mit nachvollziehbarer und überzeugender Begründung zu der Einschätzung gekommen, dass das Adenom sowie die Schilddrüsenüberfunktion zwar nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, aber doch im Sinn der Kannversorgung gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG auf die wehrdienstbedingte Strahlenbelastung des Klägers zurückzuführen sind. Der aus der Behandlung des Adenoms resultierende weitere Gesundheitsschaden (Teilentfernung der Schilddrüse) steht als mittelbarer Folgeschaden in einem hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang mit der Adenomoperation und damit mit der wehrdienstbedingten Strahlenbelastung.

Diese Beurteilung des Sachverständigen macht sich der Senat zu eigen. Sie steht in Einklang mit den rechtlichmedizinischen Voraussetzungen der Kannversorgung.

Es ist unstrittig, dass bezüglich der Entstehung gutartiger Tumore der Drüsen, hier des Schilddrüsenadenoms, in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit in dem Sinn besteht, dass es keine einheitliche Lehrmeinung, sondern allenfalls verschiedene ärztliche Lehrmeinungen zur Entstehungsursache gibt. Dies ist auch dem Gutachten des Prof. Dr. G. zu entnehmen, wenn dieser potentielle Ursachen sowie zwei Studien benennt, die ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko des Auftretens von gutartigen Schilddrüsentumoren aufzeigen. Eine einheitliche Lehrmeinung hat sich bis heute nicht entwickelt. Aufgrund dieser Studien und den dort entwickelten Kriterien ist nach den Ausführungen des Sachverständigen davon auszugehen, dass das Adenom des Klägers infolge der Strahlenbelastung entstanden ist. Dies bedeutet, dass nach zumindest einer, den Studien zugrunde liegenden Lehrmeinung, die noch nicht als einheitliche Lehrmeinung anerkannt ist, das Adenom des Klägers und die Schilddrüsenüberfunktion hinreichend wahrscheinlich auf die wehrdienstliche Strahlenbelastung zurückzuführen sind. Die Voraussetzungen der Kannversorgung sind damit gegeben.

Bedenken, der Einschätzung des Sachverständigen zu folgen, hat der Senat nicht:

- Der Bewertung des Sachverständigen steht nicht entgegen, dass der Bericht der Radarkommission eine Anerkennung von gutartigen Tumoren nicht explizit vorsieht. Wenn die Beklagte suggeriert, dass durch die Nichterwähnung gutartiger Tumore im Bericht der Radarkommission belegt sei, dass eine Anerkennung derartiger Erkrankungen überhaupt nicht, auch nicht im Weg der Kannversorgung, in Betracht gezogen werden dürfe, ist diese Argumentation falsch und verschleiert den Grund, warum im Bericht der Radarkommission gutartige Tumore nicht thematisiert worden sind. Es ist allgemein bekannt, dass sich die Radarkommission angesichts des großen Zeitdrucks allein auf bösartige Tumore und Katarakte beschränkt hat, ohne damit irgendeine Aussage zur Kausalität anderer Erkrankungen zu treffen.

- Die Tatsache, dass in den früher geltenden Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in der letzten Fassung vom Jahr 2008 zu gutartigen Geschwülsten (vgl. AHP 2008 Nr. 142.5) darauf hingewiesen wird, dass diese „im allgemeinen nicht durch äußere Einwirkungen verursacht“ werden, steht der Anerkennung des Adenoms im Rahmen der Kannversorgung nicht entgegen. Ganz abgesehen davon, dass die AHP mangels Gesetzeskraft einen derartigen Ausschluss überhaupt nicht konstituieren hätten können, sind sie durch die jetzt geltenden Versorgungsmedizinischen Grundsätzen abgelöst worden, die überhaupt keine Auflistung von im Weg der Kannversorgung anerkennungsfähiger oder auszuschließender Erkrankungen enthalten. Zudem belegt gerade die Formulierung „im allgemeinen“ in den AHP, dass ein allumfassender Ausschluss einer Anerkennungsfähigkeit gerade nicht gegeben ist. Wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang weiter mit Stellungnahme vom 01.09.2011 argumentiert, dass „Ausnahmen bzgl. der Schilddrüsenadenome ... in den AHP nicht genannt“ würden, daher deren Ätiologie nicht ungeklärt sei und daher die Kannversorgung keine Anwendung finde, gibt es für diese Begründung in den AHP nicht ansatzweise eine Stütze; vielmehr verfälscht diese Argumentation die Vorgaben der AHP eklatant. Die Beklagte verschweigt völlig, dass in den AHP für gutartige Geschwülste überhaupt keine Ausnahmen explizit aufgezeigt sind. Aus der fehlenden positiven Erwähnung eines Schilddrüsenadenoms kann daher nicht der Rückschluss gezogen werden, dass mit der Nichterwähnung ein Ausschluss verbunden wäre, wenn die AHP auf der anderen Seite auf die Möglichkeit hinweisen, dass eine Kannversorgung nur im Allgemeinen nicht in Betracht kommt, was aber gerade die Möglichkeit einer Anerkennung im - zugegebenermaßen eher seltenen - Einzelfall beinhaltet. Zudem darf auch nicht übersehen werden, dass die Formulierung in AHP 2008 Nr. 142.5 sämtliche „äußeren Einwirkungen“ umfasst, also neben der durch ionisierende Strahlung auch die zahlreichen anderen Möglichkeiten wie z. B. mechanischer Art. Dass es insofern „im allgemeinen“, d. h. zumindest in der deutlich überwiegenden Zahl der Fälle, nicht zu einer Anerkennung kommen dürfte, ist naheliegend, kann aber nicht dahingehend interpretiert werden, dass es bei Strahlenbelastung zu keiner Anerkennung als Schädigungsfolge im Rahmen der Kannversorgung kommen könne. Außerdem wird in der wissenschaftlichen Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 aus dem Jahr 2011 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „auch benigne Tumore“ als strahlenbedingte Spätschäden in Betracht kommen. Dieser aktuellen, zumindest schon drei Jahre lang bundesministeriell „abgesegneten“ Erkenntnis verschließt sich die Beklagte.

- Der Sachverständige hat seine Annahme eines Zusammenhangs im Sinn der Kannversorgung durch die Angabe von Studien belegt, die ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko für die Entstehung gutartiger Schilddrüsentumore durch ionisierende Strahlung belegen, und darauf hingewiesen, dass der Halsbereich des Klägers ohne jeden Zweifel - dies bestreitet selbst die Beklagte nicht - einer entsprechenden Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen ist. Diese wissenschaftlich fundierte und überzeugende Argumentation des Sachverständigen, die sich der Senat zu Eigen macht, erschüttern die dagegen mit Schreiben der Beklagten vom 01.09.2011 vorgebrachten Behauptungen nicht ansatzweise. Wenn dem Gutachter entgegen gehalten wird, dass er seine Beurteilung nicht „auf der Grundlage der von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese“ abgegeben, sondern sich nur auf zwei „vereinzelte Studien“ gestützt habe, in denen „Hinweise auf mögliche Zusammenhänge gegeben“ seien, und damit „methodische Fehler“ konstruiert werden sollen, gehen diese Vorwürfe als unzutreffend ins Leere. Die Beklagte verkennt völlig, dass es für die Heranziehung der Kannversorgung zwingende Grundvoraussetzung ist, dass sich eine herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung noch nicht herausgebildet hat; denn anderenfalls dürfte die Zusammenhangsbeurteilung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhangs erfolgen. Dem Sachverständigen, der aufgezeigt hat, dass es bezüglich der Entstehung gutartiger Tumore (noch) keine herrschende medizinische Lehrmeinung gibt, methodische Fehler zu unterstellen, kann daher nur mit einer elementaren Unkenntnis der Voraussetzungen der Kannversorgung oder einer gezielt irreführenden Argumentation, die der Senat der Beklagten nicht unterstellen möchte, begründet werden. Dass die Beklagte der vom Gesetzgeber eröffneten Kannversorgung grundsätzlich ablehnend gegenüber steht, möchte der Senat der Beklagten ebenfalls nicht unterstellen. Sollte dies gleichwohl der Fall sein, könnte der Interessenlage der Beklagten nur der Gesetzgeber durch die Abschaffung der Kannversorgung Rechnung tragen, nicht aber die Judikative im Rahmen der Anwendung geltender Gesetze.

Lediglich der Vollständigkeit halber, ohne dass dies noch von weiterer Entscheidungsrelevanz wäre, weist der Senat darauf hin, dass auch im Internet für jedermann zugänglich Veröffentlichungen zu finden sind, die sich mit der bislang medizinisch nicht abschließend geklärten Frage der Verursachung gutartiger Tumore befassen und dabei auch auf die Studienlagen Bezug nehmen (vgl. z. B. die Hinweise von Schmitz-Feuerhake, Die Induktion gutartiger Tumore durch ionisierende Strahlung - ein vernachlässigtes Kapitel von Strahlenrisikobetrachtungen, in: Strahlentelex, Nr. 548-549, 05.11.2009), wobei es der Senat dahingestellt lässt, von welcher wissenschaftlichen Qualität die genannte Veröffentlichung ist.

Der Zustimmungsvorbehalt des § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG steht einer gerichtlichen Anerkennung auch ohne konkrete oder allgemeine Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nicht entgegen. Denn bei der Zustimmung handelt es sich lediglich um einen verwaltungsinternen Vorgaben, den das Gericht bei seiner Entscheidung zu prüfen oder zu ersetzen hat (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1969, Az.: 8 RV 469/67; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.11.2001, Az.: L 10 VS 44/98).

3. Der Vollständigkeit halber: Keine Verurteilung wegen eines heißen Knotens

Der Kläger verfolgt die Anerkennung eines heißen Knotens der Schilddrüse als Folge einer Wehrdienstbeschädigung nicht mehr weiter. Der Senat weist daher lediglich der Vollständigkeit halber auf Folgendes hin:

Eine Verurteilung der Beklagten wegen eines heißen Knotens der Schilddrüse käme schon deshalb nicht in Betracht; weil eine derartige Erkrankung lediglich in Form einer Verdachtsdiagnose in den Raum gestellt worden ist, nicht aber in dem für eine Anerkennung erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen ist. Dass insofern (derzeit noch) keine Zuständigkeit der Beklagten bestünde, da sich eine solche Erkrankung keinesfalls während der Dienstzeit manifestiert hätte (vgl. Urteil des Senats vom 26.01.2012, Az.: L 15 VS 10/08; BSG, Urteil vom 29.04.2010, Az.: B 9 VS 2/09 R), ist von keiner weiteren rechtlichen Bedeutung. Die Frage, ob der Beigeladene verurteilt werden könnte, würde sich daher ebenfalls nicht stellen.

4. Keine Feststellungen zum Grad der Schädigung

Feststellungen zum Grad der Schädigung hat der Senat nicht zu treffen, da sich der Antrag des rechtskundig vertretenen Klägers ausdrücklich auf die Anerkennung der Schädigungsfolgen beschränkt.

5. Keine weiteren Ermittlungen erforderlich

Weitere Ermittlungen, insbesondere eine Inaugenscheinnahme eines Luftfahrzeugs F-104 G waren nicht angezeigt. Mit dem Bericht der Radarkommission, den vorliegenden Angaben zur Tätigkeit des Klägers und dem eingeholten Gutachten ist eine umfassende Entscheidungsgrundlage zur Bewertung der Strahlenexposition des Klägers und der gesundheitlichen Auswirkungen gegeben.

Nicht für die Entscheidung relevant ist es daher, dass der Senat große Zweifel daran hat, dass die Durchführung von Messungen an einem Luftfahrzeug F-104 G, was beklagtenseits in der Stellungnahme des Dr. S. vom 21.02.2014 in den Raum gestellt worden ist, überhaupt gerichtsverwertbare Erkenntnisse bringen könnte. Soweit öffentlich zugänglichen Quellen zu entnehmen ist, wurde das Luftfahrzeug F-104 G bei der Bundeswehr am 22.05.1991 ausgemustert. Wenn in Ausbildungseinrichtungen oder Museen noch Exemplare dieses Flugzeugs vorhanden sind, dürften sich diese allesamt in einem demilitarisierten Zustand befinden. Dies würde bedeuten, dass vor der Durchführung von Messungen die im Rahmen der Demilitarisierung entfernten Bauteile, insbesondere auch das Magnetron, wieder in das Flugzeug einzubauen wären. Dass die anschließend angefertigte Konfiguration dem Zustand des Flugzeugstyps entsprechen würde, an dem der Kläger in den 1970er und 1980er Jahren tätig war, hält der Senat für sehr ungewiss. Denn es ist bekannt, dass es beispielsweise beim Magnetron, von dem der wesentliche Teil der (potentiell) schädigenden Strahlung ausgegangen ist, verschiedene Ausführungen mit sicherlich auch nicht immer identischen Strahlungsverhältnissen gegeben hat (vgl. S. 46 des Radarberichts). Da weder aus den Akten ersichtlich ist, an welchen Ausführungen des Magnetrons der Kläger gearbeitet hat, noch klar ist, ob die damaligen Ausführungen überhaupt noch verfügbar sind, zudem auch zu klären wäre, ob die heute noch vorhandenen Ausführungen des Magnetrons im Weg der frühestens ab Mitte der 1970er Jahr begonnenen Strahlenschutzmaßnahmen umgearbeitet worden sind, kann sich der Senat nur schwer vorstellen, dass sich die den Kläger betreffende Strahlenbelastung realitätsnah reproduzieren lassen würde. In diesem Zusammenhang muss der Senat auch darauf hinweisen, dass er jedenfalls wegen des Vorgehens des Beklagten, hier insbesondere in Form der Person des Leiters der Strahlenmessstelle der Bundeswehr, im vorliegenden Fall nicht unerhebliche Bedenken haben würde, sich auf alle Angaben des Beklagten bedenkenlos zu verlassen. Dazu würde insbesondere die Frage gehören, ob das für eine potentielle Messung von der Beklagten zur Verfügung gestellte Luftfahrzeug tatsächlich der Ausführung entsprechen würde, an dem der Kläger gearbeitet hat, auch wenn dies von Seiten der Strahlenmessstelle so behauptet würde.

Diese Bedenken begründen sich wie folgt:

Die Beklagte hat beispielsweise mit Schreiben vom 26.11.2008 an das SG Folgendes ausgeführt:

„... bleibe ich bei der schon bisher von der Wehrbereichsverwaltung Süd vertretenen Auffassung, dass von diesem Radargerät die Strahlung nur nach oben austreten konnte. ... Außerdem ergibt sich das aus der Stellungnahme des Herrn Dr. S., Leiter der Arbeitsgruppe Radar/Strahlenmessstelle der Bundeswehr ... vom 4. September 2006, in der Beschwerdeakte, Blatt 25.“

Ähnlich hat auch der Leiter der Strahlenmessstelle Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 21.02.2014 im Berufungsverfahren argumentiert, wenn er sich zum Einwand des Klägers, es habe auch eine Strahlung zur Seite gegeben, geäußert hat:

„Der Umkehrschluss, dass damit eine Emission des Magnetrons auch in seitlicher Richtung bewiesen wäre, gilt damit aber nicht. Die Radarkommission ... kam bei der Emissionsrichtung zum Ergebnis, dass die Emission der Röntgenstörstrahlung nach oben erfolgte.“

Der Senat kann, wie bereits oben erläutert, aufgrund des Akteninhalts nur davon ausgehen, dass diese Auskünfte falsch oder so verfälscht gegeben worden sind, dass entscheidende Gesichtspunkte von Seiten der Mitarbeiter der Beklagten verschwiegen worden sind. Dabei bezieht sich der Senat einerseits auf Unterlagen in den Verwaltungsakten der Beklagten, andererseits auf den Bericht der Radarkommission. So wird in der Stellungnahme der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 25.02.2003 zwar auf die senkrecht nach oben austretende Röntgenstörstrahlung hingewiesen, gleichwohl ist bei den dokumentierten Messwerten auf S. 2 dieser Stellungnahme auch eine Röntgenstörstrahlung zur Seite (in einem Abstand von 5 cm zum Gerät - Anmerkung: einziger Messabstand) aufgeführt, wobei diese Strahlung der Höhe nach nicht vernachlässigbar ist, beträgt sie doch fast ein Drittel der Abstrahlung nach oben in derselben Entfernung und sogar das Neunfache im Vergleich zu der Abstrahlung nach oben in einer Entfernung von 30 cm. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Teilbericht NASARR der Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 24.02.2002 zum Starfighter F-104 G Radaranlage F 15 B-A/D NASARR (vgl. dort S. 5, Tabelle 2). Schließlich wird im Radarbericht der Bundesregierung zum Radargerät NASARR darauf hingewiesen, dass bei den Wartungs- und Reparaturarbeitsplätzen durch Leckagen und auch durch Reflexionen der über die Antenne abgestrahlten Mikrowellen an metallischen Flächen erhebliche Grenzwertüberschreitungen auftreten können (vgl. S. 46 des Berichts); dies hat die Kommission durch eigene Messungen überprüft. Sowohl aus den eigenen Messungen der Beklagten als auch dem Bericht der Radarkommission ergibt sich damit die wiederholte Unrichtigkeit des Vortrags der Beklagten. Ausgehend von der nicht ganz fernliegenden Annahme, dass dies wider besseres Wissen erfolgt ist, wären Zweifel an der Richtigkeit der technisch zutreffenden Ausgangsbasis (rekonstruiertes Flugzeug für die Messungen) für weitere durchzuführende Messungen nicht völlig auszuschließen. Weitergehende Überlegungen und Ausführungen erübrigen sich jedoch, da es auf derartige Messungen im vorliegenden Verfahren überhaupt nicht mehr ankommt.

Mangels Entscheidungserheblichkeit muss sich der Senat auch nicht mit der Frage auseinander setzen, ob es tatsächlich nur eine einzige Messung zum NASARR gibt oder ob noch weitere Untersuchungen vorliegen, die von der Beklagten nur aus nicht näher nachvollziehbaren Gründen nicht vorgelegt werden, was im Rahmen der Beweislast zu würdigen wäre.

Zum Abschluss weist der Senat darauf hin, dass er sich sehr wohl des Gewichts und der Bedeutung der am prozessualen Vorgehen der Beklagten geübten Kritik bewusst ist, für das er gute Gründe gehabt hat. Er steht aber mit einer derartigen objektiven gerichtlichen Kritik nicht allein, wie sie beispielsweise auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein in seinem Beschluss vom 13.09.2012, Az.: 3 LB 21/11 - den das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 10.04.2014, Az.: 2 B 36/13, bestätigt hat - wie folgt zum Ausdruck gebracht hat:

„Hierüber hat die Beklagte jahrelang keine konsequente Überprüfung durchgeführt, den Kläger nicht informiert und auch der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Ermittlung erschwert.“

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG). Insbesondere sind keine Fragen grundsätzlicher Art zu klären. Vielmehr basiert die Entscheidung allein auf einer Einzelfallbeurteilung, die mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung des konkreten Falls zu treffen war.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2011 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Das Bayerische LSG hat im Urteil vom 19.1.2011 einen Anspruch des Klägers auf Vormerkung des Zeitraums von Dezember 1988 bis Januar 1992 als Beitragszeit verneint; in dieser Zeit hatte er eine Aspirantur an der Medizinischen Akademie Moskau absolviert.

2

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil ausschließlich einen Verfahrensmangel geltend.

3

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 11.4.2011 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, denn er hat einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

4

Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau benannt sein. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kapitel IX RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann(§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG)und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist(§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).

5

Der Kläger macht geltend, die Begründung, mit der das LSG seine Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen habe, sei falsch und verletze ihn in seinen Rechten. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine Beweislastentscheidung getroffen. Die Annahme, eine "Aspirantur mit Unterbrechung der Produktion", bei der in der Sowjetunion keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, könne auch vorliegen, wenn die Aspirantur unwesentlich länger als die sonst übliche Höchstdauer von drei Jahren - hier über den 12.12.1991 hinaus bis 10.1.1992, dh knapp einen weiteren Monat - angedauert habe, habe das LSG seiner Entscheidung nicht ohne Einholung eines weiteren Gutachtens zugrunde legen dürfen. Das vom LSG verwertete Gutachten der Dr. X vom Institut für Ostrecht der Universität zu Köln vom 29.6.1999 gebe dies nicht her. Entsprechendes gelte für die Auffassung des LSG, die Eintragungen im Arbeitsbuch des Klägers sprächen gegen das Vorliegen einer "Aspirantur ohne Unterbrechung der Produktion"; dies sei in keiner Weise nachvollziehbar und hätte deshalb eines ergänzenden Gutachtens bedurft, zumal eine von ihm nunmehr veranlasste Übersetzung durch eine andere Dolmetscherin einen abweichenden Wortlaut jener Eintragungen ergeben habe. Auch die weiteren Ausführungen des LSG zur Beweiswürdigung träfen nicht zu bzw lägen "völlig neben der Sache". In Wirklichkeit sprächen alle objektiven Indizien für einen sozialversicherungspflichtigen Zeitraum und liege die Situation eines "non liquet" nicht vor. Wenn das LSG gleichwohl anders entschieden habe, habe es die allgemeinen Regeln der Beweislast verkannt und darüber hinaus aufgrund der "unterlassenen Beiziehung" des in der mündlichen Verhandlung beantragten Gutachtens ohne förmliche Entscheidung durch Beschluss gemäß § 358 ZPO sein - des Klägers - rechtliches Gehör verletzt.

6

Mit diesen Ausführungen hat der Kläger das Vorliegen eines Verfahrensmangels nicht hinreichend bezeichnet. Soweit er sich gegen die nach seiner Ansicht fehlerhafte Beweiswürdigung durch das LSG wendet, lässt er außer Acht, dass nach ausdrücklicher Anordnung in § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden kann; die Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung ist mithin von vornherein unbeachtlich (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 10).

7

Soweit der Kläger sinngemäß beanstandet, das LSG habe seine Verpflichtung zur Sachaufklärung von Amts wegen (§ 103 Satz 1 SGG) dadurch verletzt, dass es einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG), wird sein Vorbringen den besonderen Darlegungserfordernissen an eine solche Sachaufklärungsrüge nicht gerecht. Insoweit muss die Beschwerdebegründung (1) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt zu Protokoll aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) die Rechtsauffassung des LSG darstellen, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) erläutern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8).

8

Der Beschwerdebegründung des schon im Berufungsverfahren rechtskundig vertretenen Klägers lässt sich jedoch weder der genaue Wortlaut noch der konkrete Gegenstand seines gegenüber dem LSG vorgebrachten Beweisbegehrens entnehmen. Damit aber kann der Senat nicht überprüfen, welche Punkte, die in einem ordnungsgemäßen Beweisantrag als begutachtungsbedürftig zu bezeichnen sind (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO), noch beweisbedürftig waren. Zudem fehlen auch Ausführungen dazu, in welcher Form das LSG auf seine Forderung nach weiterer Beweiserhebung eingegangen ist, sodass nicht beurteilt werden kann, ob dem Berufungsgericht für seine Vorgehensweise eine hinreichende Begründung zur Seite stand.

9

Die nach alledem unzureichenden Darlegungen in Bezug auf den Verfahrensmangel einer nicht ausreichenden Sachaufklärung durch das LSG haben zur Folge, dass auch die aufgrund desselben Sachverhalts und ohne weitergehende Begründung vom Kläger erhobene Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) unzulässig ist. Insoweit hat der Kläger auch nicht vorgetragen, das LSG habe den behaupteten Beweisantrag nicht zur Kenntnis genommen; er rügt vielmehr, dass es diesem Antrag nicht nachgekommen sei. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet jedoch nur, dass der Prozessbeteiligte "gehört", nicht jedoch, dass er auch "erhört" wird (vgl BFH/NV 2009, 214, 216; s auch BVerfG NZS 2010, 497 RdNr 17).

10

Auch mit seiner Behauptung, das LSG habe "die allgemeinen Regeln der Beweislast verkannt", hat der Kläger einen Verfahrensmangel nicht schlüssig bezeichnet. Er gründet diesen Vorwurf ausschließlich darauf, dass das Berufungsgericht die objektiven Indizien unzutreffend gewürdigt habe und aus diesem Grund fehlerhaft von einem "non liquet" ausgegangen sei. Somit geht sein Vorhalt im Kern dahin, das LSG habe aufgrund fehlerhafter Beweiswürdigung verkannt, dass die Voraussetzungen für eine Beweislastentscheidung überhaupt nicht gegeben waren; einen Rechtsverstoß in der Anwendung der Beweislastregeln bei (unterstelltem) Bestehen einer "non liquet"-Situation hat er hingegen nicht aufgezeigt. Eine fehlerhafte Beweiswürdigung kann jedoch - wie bereits dargelegt - im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht geltend gemacht werden.

11

Schließlich hat der Kläger mit dem Vorhalt, das LSG habe verfahrensfehlerhaft eine Entscheidung durch förmlichen Beschluss nach § 358 ZPO über das von ihm beantragte Gutachten unterlassen und gerade hierdurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, eine Gehörsrüge nicht ausreichend begründet. Zum einen erschließt sich aus dieser Darstellung schon nicht, weshalb das Gericht auch im Fall des Unterlassens einer weiteren Beweiserhebung nach dem Wortlaut von § 358 ZPO iVm § 118 Abs 1 Satz 1 SGG ("Erfordert die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren, so ist es durch Beweisbeschluss anzuordnen.") einen formellen "Beweisbeschluss" erlassen müsste. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist - ebenso wie im Finanzgerichtsprozess (vgl BFH/NV 1992, 603 - Juris RdNr 8), aber abweichend von der Rechtslage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 86 Abs 2 VwGO) - bei Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags kein gesonderter und zu begründender Gerichtsbeschluss erforderlich. Zum anderen hat der Kläger nicht aufgezeigt, inwiefern die Entscheidung des LSG auf einer ihm gegenüber unterbliebenen Gehörsgewährung zu der vom Gericht nicht beabsichtigten weiteren Beweiserhebung vor Verkündung seines Urteils beruhen kann.

12

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen einer Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

13

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

Erfordert die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren, so ist es durch Beweisbeschluss anzuordnen.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Juni 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch sind bei der Klägerin letztmalig bei Eintritt des Leistungsfalls am 30.6.2009 erfüllt.

2

Die 1953 geborene Klägerin arbeitete zuletzt von Oktober 1988 bis Mai 2005 als Empfangsdame in einem Möbelhaus. Ihren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 10.4.2006 lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 24.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 23.10.2007).

3

Im Klageverfahren hat das SG ua einen Befundbericht der Diplom-Psychologin Frau G. vom 22.1.2008 beigezogen. Nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie, Innere Medizin, Endokrinologie Prof. Dr. D. vom 13.6.2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 9.2.2009 hat es mit Gerichtsbescheid vom 24.3.2009 die Klage abgewiesen.

4

Im Berufungsverfahren hat das LSG gemäß § 109 SGG den Arzt für Neurologie und Psychiatrie, physikalische und rehabilitative Medizin Prof. Dr. W. gutachterlich gehört. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 5.4.2010 diagnostizierte dieser bei der Klägerin eine Borderline-Störung mit erwerbsminderndem Dauereinfluss und gelangte im Ergebnis zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen (unter drei Stunden täglich). Den Eintritt des Leistungsfalls empfahl er ab dem Begutachtungsdatum (18.2.2010) anzusetzen. In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 4.12.2010 und 29.3.2011 hat Prof. Dr. W. nach entsprechenden Nachfragen des LSG seine bisherige Beurteilung insofern revidiert, als er den Eintritt des Leistungsfalls auf das Ende der erfolglosen Psychotherapie bei der Diplom-Psychologin Frau G. zu Beginn des Jahres 2008 rückdatiert hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass dieses Datum der kontinuierlichen Krankheitsentwicklung und der Synopse einer komplexen psychiatrischen Störung einigermaßen gerecht werde.

5

Zur Frage des Eintritts des Leistungsfalls hat das LSG eine weitere gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. D. vom 2.2.2011 eingeholt. Dieser hat zwar das Gutachten von Prof. Dr. W. als plausibel anerkannt, nicht jedoch die Rückdatierung des Leistungsfalls. Die von Prof. Dr. W. zunächst für die Beurteilung einer Leistungsaufhebung bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Exploration herangezogenen Gründe seien letztlich auch dazu verwendet worden, den Leistungsbeginn auf Januar 2008 zurückzudatieren, ohne dass eine Auseinandersetzung mit seinem Gutachten stattgefunden habe, welches als Folge hinsichtlich der Leistungsbeurteilung falsch sein müsse. Neue Gesichtspunkte, die die Rückdatierung stützen könnten, seien von Prof. Dr. W. nicht genannt worden, weshalb diese nicht nachvollziehbar sei.

6

Mit Schriftsatz vom 20.6.2011 hat die Klägerin vorgetragen, dass es nach ihrer Auffassung im Hinblick auf die Ausführungen der beiden Sachverständigen erforderlich sei, weitere Ermittlungen durch Einholung einer Stellungnahme oder Vernehmung der Diplom-Psychologin Frau G. durchzuführen. Gegebenenfalls wäre es auch sinnvoll, wenn die Gutachter unmittelbar Fragen an Frau G. richten könnten, um so nähere Einzelheiten zum damaligen Krankheitsbild zu erfahren und mit diesen Erkenntnissen eine konkretere Beurteilung des Eintritts des Leistungsfalls vornehmen zu können.

7

In der mündlichen Verhandlung am 21.6.2011 hat die Klägerin ihr Vorbringen ausweislich der Sitzungsniederschrift unter Hinweis auf den vorgenannten Schriftsatz vertieft. Mit Urteil vom selben Tage hat das LSG die Berufung zurückgewiesen und einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint, weil sie ausgehend vom Eintritt des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung am 18.2.2010, dem Tag der Exploration bei dem Sachverständigen Prof. Dr. W., die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente nicht erfülle. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. W. sei es im Jahre 2008 zwar zu einer neuerlichen schweren depressiven Krise gekommen, die zu einer stetigen Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit geführt habe. In Ermangelung von medizinischen Anknüpfungstatsachen habe der Sachverständige in seiner ersten Einschätzung für den Senat plausibel empfohlen, vom Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung trotz bereits langjährig bestehender manifester und auch therapieresistenter Depression erst ab dem Untersuchungstag (18.2.2010) auszugehen. Dem seien sowohl die Beklagte als auch der zur Frage des Eintritts des Leistungsfalls und dem Gutachten von Prof. Dr. W. insgesamt noch einmal gehörte Sachverständige Prof. Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 2.2.2011 beigetreten. Wenn auch gewisse Zweifel dahingehend bestünden, ob die bei der Klägerin bereits seit vielen Jahren bestehende psychische Erkrankung mit progredientem Verlauf nicht bereits schon einen zeitlich davor liegenden Leistungsfall begründen könnte, lägen letztlich keine sicheren Erkenntnisse darüber vor, ob bei der Klägerin spätestens im Juni 2009 Gesundheitsstörungen in einer rentenrechtlich relevanten Intensität vorgelegen hätten. Die ergänzenden Stellungnahmen und Leistungsbeurteilungen von Prof. Dr. W. vom 4.12.2010 und 29.3.2011, in denen dieser nach erneuter Auswertung des Akteninhalts seine bisherige Einschätzung revidiert und den Leistungsfall auf Anfang Januar 2008 vordatiert habe, überzeugten nicht. Letztlich gelange auch Prof. Dr. W. nicht zu einer sicheren Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin zu Beginn des Jahres 2008, auch wenn er vermute, dass aufgrund der kontinuierlichen Verschlechterung des psychischen Zustands der Klägerin und mit Blick auf die erfolglose Psychotherapie ein zeitlich früherer Leistungsfall gegeben sein könnte. Vielmehr deute einiges darauf hin, dass es sich dabei um eine mit Blick auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ergebnisorientierte Festlegung des Leistungsfalls handele. Dies gelte um so mehr, als dass Prof. Dr. W. neue Anknüpfungstatsachen für die im Nachhinein erfolgte Rückdatierung nicht vorgebracht habe. Im Gegenteil sei die trotz 58 Sitzungen offenbar erfolglose Psychotherapie bei Frau G. bereits in seinem Hauptgutachten thematisiert worden, indem er gerade und trotz der bemerkten "therapieresistenten Persönlichkeitsstörung" empfohlen habe, den Leistungsfall ab dem Begutachtungstag bei ihm anzusetzen.

8

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin als Verfahrensfehler einen Verstoß des LSG gegen die Aufklärungspflicht gemäß § 103 SGG. Das LSG hätte ihrem in der mündlichen Verhandlung wiederholten Beweisantrag aus ihrem Schriftsatz vom 20.6.2011, bei Frau G. im Hinblick auf die konträren Ausführungen der Sachverständigen zum Eintritt des Leistungsfalls eine weitere Stellungnahme einzuholen oder diese als sachverständige Zeugin im Beisein der Gutachter in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, nachgehen müssen. Durch die Vernehmung von Frau G. wäre es möglich gewesen, festzustellen, wie sich die gesundheitliche Situation der Klägerin Anfang des Jahres 2008 nach der erfolglosen Durchführung der Psychotherapie dargestellt habe. Mit Hilfe der Aussage von Frau G. wären die Sachverständigen in die Lage versetzt worden, genauere Angaben zur Leistungsfähigkeit und letztlich eine Beurteilung über das Vorliegen einer Erwerbsminderung bereits zu diesem Zeitpunkt abzugeben. Auch habe sich das Gericht nicht mit ihrem Beweisantrag auseinandergesetzt oder erläutert, weshalb es diesem nicht gefolgt sei.

9

II. Auf die Beschwerde der Klägerin war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

10

Die Klägerin hat formgerecht (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) und auch in der Sache zutreffend die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG)gerügt (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

11

Das LSG hat seine in § 103 SGG normierte Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, dass es den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.6.2011 gestellten und bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 21.6.2011 aufrechterhaltenen Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, wie von der Klägerin beantragt, eine ergänzende präzisierende schriftliche oder mündliche Zeugenaussage von Frau G. über die Ergebnisse ihrer psychotherapeutischen Behandlung bzw zur gesundheitlichen Situation der Klägerin Anfang des Jahres 2008 nach erfolgloser Psychotherapie einzuholen und diese den gehörten nervenärztlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. und Prof. Dr. D. zur ergänzenden Stellungnahme zum hier allein nur noch streitigen Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls zu übermitteln.

12

Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr, zB BSG vom 7.4.2011 - B 9 SB 47/10 B - Juris RdNr 4). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10; BSG vom 7.4.2011 - aaO). Keiner dieser Ablehnungsgründe liegt hier vor.

13

Die Klägerin hat den im Schriftsatz vom 20.6.2011 gestellten Beweisantrag bis zuletzt aufrechterhalten. Denn sie hat auf ihn in der mündlichen Verhandlung vom 21.6.2011 ausweislich der Sitzungsniederschrift durch Hinweis auf den vorgenannten Schriftsatz ausdrücklich Bezug genommen.

14

Das LSG hätte sich gedrängt sehen müssen, diesem Beweisantrag nachzugehen. Nach seiner Rechtsauffassung kommt es entscheidend darauf an, wie das Leistungsvermögen der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Gesundheitsstörungen bis zum 30.6.2009 zu bewerten ist. Das LSG geht zwar vom Eintritt des Leistungsfalls am 18.2.2010 (Tag der gutachterlichen Untersuchung beim Sachverständigen Prof. Dr. W.) aus, weist aber zugleich einschränkend darauf hin, dass gewisse Zweifel dahingehend bestünden, ob die bei der Klägerin bereits seit vielen Jahren bestehende psychische Erkrankung mit progredientem Verlauf nicht bereits schon einen zeitlich davor liegenden Leistungsfall begründen könnte. Allerdings lägen keine sicheren Erkenntnisse darüber vor, ob bei der Klägerin spätestens im Juni 2009 Gesundheitsstörungen in einer rentenrechtlich relevanten Intensität bestanden hätten. Neue Anknüpfungstatsachen für die von Prof. Dr. W. im Nachhinein vorgenommene Rückdatierung des Eintritts des Leistungsfalls auf Anfang Januar 2008 habe dieser nicht vorgebracht.

15

Prof. Dr. W. hat sich für die von ihm in seinen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 4.12.2010 und 29.3.2011 vorgenommene Rückdatierung des Eintritts des Leistungsfalls bei der Klägerin an dem Befundbericht der Diplom-Psychologin Frau G. vom 22.1.2008 orientiert. Dort hatte Frau G. mitgeteilt, dass die Klägerin erstmals am 7.9.2005 zur psychotherapeutischen Behandlung gekommen sei und "bisher" 58 verhaltenstherapeutische Sitzungen durchgeführt worden seien. Die Klägerin habe über wiederholte massive Antriebslosigkeit mit trauriger Stimmung, Grübeln, Sinnlosigkeitsempfindung, sozialem Rückzug und auf der körperlichen Ebene innerer Unruhe, Magenschmerzen, Rückenschmerzen und Schlafstörungen geklagt. Der "Depressionsbefund nach BDI" habe zuletzt am 9.1.2008 29 Punkte (= starke Depression) betragen. Nach der seit zwei Jahren andauernden Behandlung habe sich keine durchgängige Stabilisierung der depressiven Symptomatik gezeigt, sondern entsprechend dem Bild einer rezidivierenden Depression lediglich phasenweise Verbesserungen im Allgemeinzustand. Demzufolge werde die verhaltenstherapeutische Behandlung in Kürze abgeschlossen, da Interventionen und angewandte Methoden erschöpft seien und die Klägerin dauerhaft nicht umstellungsfähig sei. Eine medikamentöse Behandlung, die möglicherweise eine stabilisierende Verbesserung der depressiven Symptomatik bewirken könne, lehne die Klägerin ab. Deren Leistungsfähigkeit sei "nicht durchgängig und dauerhaft stabil". In "guten Phasen" könne die Klägerin drei bis unter sechs Stunden berufstätig sein, in "schlechten Phasen" weniger als drei Stunden.

16

Prof. Dr. W. hat sich zur Begründung seiner Auffassung, dass das Leistungsvermögen der Klägerin bereits zu Beginn des Jahres 2008 - und nicht wie von ihm zunächst angenommen erst seit Februar 2010 - aufgehoben sei, im Wesentlichen auf die Erfolglosigkeit der von Frau G. durchgeführten verhaltenstherapeutischen Behandlung berufen. Er hat in seiner Stellungnahme vom 29.3.2011 darauf hingewiesen, dass es keine "belastbaren Äußerungen über diese 58 Sitzungen" durch Frau G. gebe, die "auch nur ansatzweise" auf eine Änderung des Leistungsvermögens der Klägerin hinweisen könnten. Sehr kursorisch werde die Leistungsfähigkeit der Klägerin nach diesen 58 Sitzungen als "instabil" bezeichnet. Grundsätzlich seien "gutachterliche Beurteilungen in ähnlichen Situationen schwierig". Im vorliegenden Fall fehle "eine wirklich kompetente Äußerung der verhaltenstherapeutischen tätigen Diplom-Psychologin". Zudem hatte Prof. Dr. W. bereits in seinem Gutachten vom 5.4.2010 darauf hingewiesen, dass der Bericht der Diplom-Psychologin "sehr kurz gehalten" sei und zur Leistungsfähigkeit sich dort auch nur "sehr unklar geäußert" werde.

17

Unter diesen Umständen war es geboten, - wie von der Klägerin beantragt - eine ergänzende schriftliche Zeugenaussage von Frau G. einzuholen oder diese als sachverständige Zeugin in einer mündlichen Verhandlung zu vernehmen, um ihr Gelegenheit zu geben, ihre Angaben in dem Befundbericht vom 22.1.2008 über die von ihr durchgeführten verhaltenstherapeutischen Maßnahmen sowie über deren Auswirkungen auf den Gesundheitszustand und die Leistungsfähigkeit der Klägerin - ggf auch unter Hergabe weiterer Behandlungsunterlagen - zu präzisieren und diese Aussage von Frau G. den beiden gehörten nervenärztlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. und Prof. Dr. D. zur (ergänzenden) Stellungnahme zum hier allein nur noch streitigen Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls zu übermitteln. Dabei wäre vom LSG zu prüfen gewesen, ob nicht sogar eine persönliche Anhörung der sachverständigen Zeugin im Beisein der Sachverständigen angezeigt war, um (auch) diesen unmittelbar zu ermöglichen, konkrete Fragen an die sachverständige Zeugin zum Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls zu stellen.

18

Auf dem insoweit verfahrensfehlerhaften Unterlassen entsprechender weiterer Ermittlungen kann das Berufungsurteil beruhen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sich ein rentenrelevant gemindertes Leistungsvermögen der Klägerin bereits vor dem 30.6.2009 ergibt und die Klägerin dann - wovon auch das LSG ausgeht - einen entsprechenden Rentenanspruch hätte.

19

Gemäß § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen macht der Senat von dieser ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch.

20

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. März 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF ab 1.1.2003. Das beklagte Land lehnte seinen diesbezüglichen Antrag vom 1.12.2006 nach Einholung gutachtlicher Stellungnahmen ab (Bescheid vom 21.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.1.2008). Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Karlsruhe abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 27.2.2009). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die dagegen eingelegte Berufung des Klägers (ohne mündliche Verhandlung) im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen (Urteil vom 5.3.2010): Beim Kläger sei zwar ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt. Er sei jedoch nach den eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen des Neurologen H. und der Rheumatologin Dr. M. nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Den abweichenden Ansichten der Internisten Dr. R. und Dr. S. könne nicht gefolgt werden. Es habe kein Anlass für weitere Ermittlungen bestanden, insbesondere auch nicht durch Vernehmung der im Schriftsatz vom 29.6.2009 benannten Ehefrau des Klägers als Zeugin. Die vom Kläger gestellten Beweisfragen seien durch die eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte geklärt. Dass die Ehefrau des Klägers über eine besondere (medizinische) Sachkunde verfüge, die gleichwohl ihre Vernehmung angezeigt erscheinen lasse, sei nicht ersichtlich.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat der Kläger bei dem Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Mit seiner Beschwerdebegründung macht er einen Verfahrensmangel geltend: Das LSG sei seinem Beweisantrag auf Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG vom 5.3.2010 ist unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz ergangen. Der vom Kläger schlüssig gerügte Verfahrensmangel einer ohne hinreichende Begründung unterlassenen Beweiserhebung liegt vor. Er führt gemäß § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

4

Das LSG hat seine in § 103 SGG normierte Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, dass es dem von dem Kläger mit Schriftsätzen vom 29.6.2009 und 26.11.2009 gestellten Beweisantrag, dessen Ehefrau E. als Zeugin zu vernehmen, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung (hier: Zeugenvernehmung) vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10). Keiner dieser Ablehnungsgründe liegt hier vor.

5

           

Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 29.6.2009 ausdrücklich die (schriftliche) Vernehmung seiner Ehefrau Edeltraud Kolb zu folgenden Beweisfragen beantragt:

        

"-    

Häufigkeit der Krankheitsschübe und seit wann?

        

 -    

Welche Beschwerden, Hilfen, Pflege lagen und liegen vor?

        

 -    

Wie machen sich die regelwidrigen Zustände bemerkbar?

        

 -    

Welche Funktionsbeeinträchtigungen sind augenscheinlich?

        

 -    

Wann wurde zuletzt an öffentlichen Veranstaltungen teilgenommen und aus welchen Gründen geht es nicht mehr?"

6

Diesen Antrag hat er in seinem Schreiben vom 26.11.2009 ausdrücklich wiederholt und in seinem Schreiben vom 1.12.2009, in dem er sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, nochmals darauf hingewiesen, dass er den Sachverhalt durch die vier schriftlichen ärztlichen Stellungnahmen noch nicht für geklärt hält. Unerheblich ist, dass der Kläger in seiner Zustimmungserklärung vom 1.12.2009 den Beweisantrag nicht ausdrücklich aufrecht erhalten hat, denn dies wird nur von einem vor dem LSG rechtskundig bzw anwaltlich vertretenen Beteiligten verlangt (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5). Der Kläger war jedoch in der Berufungsinstanz noch nicht anwaltlich vertreten.

7

Ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG, dass es nach den rundfunkrechtlichen Staatsverträgen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF bei behinderten Menschen mit einem GdB von wenigstens 80 - wie dem Kläger - entscheidend darauf ankommt, ob sie wegen ihres Leidens ständig gehindert sind, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, hätte sich das LSG im Hinblick auf die unterschiedliche Beantwortung dieser Frage durch die auf der Grundlage von § 118 Abs 1 SGG, § 377 Abs 3 Satz 1 ZPO, § 414 ZPO gehörten behandelnden Ärzte zu weiterer, insbesondere zu der vom Kläger beantragten Beweiserhebung gedrängt fühlen müssen. Aus der Sicht des LSG kam es auf die genannten Beweisfragen an.

8

Der erkennende Senat vermag der Auffassung des LSG nicht zu folgen, dass die vom Kläger gestellten Beweisfragen durch die eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte bereits geklärt waren. Diese hatten die Frage, ob beim Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF erfüllt sind - zum Teil nur bezogen auf die von ihnen fachspezifisch erhobenen Befunde - unterschiedlich beantwortet. Während der Neurologe H. die Beweisfrage, ob der Kläger wegen seiner Funktionsbeeinträchtigungen an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne, "aus neurologischer Sicht" verneint hat, ist der Arzt für innere Medizin Dr. R. zu der Beurteilung gelangt, dass beim Kläger ein erheblich eingeschränkter Bewegungsradius vorliege und Gehstrecken von über 50 m ein erhebliches Hindernis darstellten. Die Rheumatologin Dr. M. hat die Ansicht vertreten, eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei erheblich erschwert und - je nach Art der Veranstaltung - unmöglich. Der Arzt für innere Medizin (Lungen- und Bronchialheilkunde) Dr. S. hat eine Teilnahme des Klägers an öffentlichen Veranstaltungen derzeit längerfristig (6 - 12 Monate) für absolut unmöglich gehalten. Der zu klärende Sachverhalt stand mithin aufgrund der vom LSG durchgeführten Beweisaufnahme noch nicht zweifelsfrei fest.

9

Die Vernehmung der Ehefrau als Zeugin zu den vom Kläger gestellten Beweisfragen ist auch kein völlig ungeeignetes Beweismittel. Selbst wenn die Ehefrau über keine medizinische Sachkunde verfügt, so hätte sie doch zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beitragen können, etwa indem sie vom Gericht (mündlich oder schriftlich) zur tatsächlichen Bewegungsfähigkeit des Klägers (mit und ohne Hilfe von Begleitpersonen oder technischen Hilfsmitteln) sowie zu sonstigen Gegebenheiten seiner Lebensführung befragt worden wäre. Die Angaben eines Laien können für ein Gericht durchaus geeignet sein, sich ein genaueres Bild über den funktionalen Zustand eines behinderten Menschen zu verschaffen (zum Beweis durch Zeugenvernehmung betreffend soziale Anpassungsschwierigkeiten bei psychischen Störungen: BSG Beschluss vom 20.7.2005 - B 9a VG 7/05 B, RdNr 11 f; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R, RdNr 45; vgl allgemein auch BSG Urteil vom 19.3.1969 - 10 RV 225/68 - juris RdNr 18; BSG Urteil vom 28.1.1993 - 2 RU 37/92 - juris RdNr 20). Die Aussage der Ehefrau des Klägers hätte sodann - zusammen mit den unterschiedlichen Antworten der behandelnden Ärzte - einem im Schwerbehindertenrecht erfahrenen ärztlichen Sachverständigen vorgelegt werden können, der - eventuell nach Untersuchung des Klägers - das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF aus medizinischer Sicht abschließend und zusammenfassend hätte beurteilen können (vgl hierzu Nr 33 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 2005 iVm den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften über die Befreiung natürlicher Personen von der Rundfunkgebührenpflicht).

10

Auf dem insoweit verfahrensfehlerhaften Unterlassen weiterer Beweiserhebung kann die angefochtene Entscheidung beruhen, denn es ist nicht auszuschließen, dass entsprechende Ermittlungen (Durchführung der beantragten Zeugenvernehmung und etwaige abschließende zusammenfassende Beurteilungen durch einen ärztlichen Sachverständigen) neue tatsächliche Gesichtspunkte ergeben hätten, die möglicherweise dazu geführt hätten, dass das LSG im Rahmen seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG)zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

11

Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles von dieser Möglichkeit Gebrauch.

12

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob beim Kläger eine Verschlimmerung von Schädigungsfolgen im Sinn von § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vorliegt und er einen Anspruch auf Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.

Der Kläger ist im Jahre 1937 geboren. Während des 2. Weltkriegs lebte er mit Familienangehörigen wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Sinti unter haftähnlichen Bedingungen in einer Baracke in B-Stadt. Er erlebte dabei unmittelbare Kampfhandlungen, insbesondere Luftangriffe.

Zurückgehend auf einen ersten Antrag des Klägers auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem BVG vom 02.05.2003 wurde der Beklagte mit Urteil des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 28.07.2009, Az.: L 15 V 6/06, dazu verurteilt, die beim Kläger bestehenden „Albträume und Nachhallerinnerungen“ als Schädigungsfolgen im Sinn des BVG in nicht rentenberechtigendem Grad anzuerkennen. Bei dieser Entscheidung stützte sich das LSG im Wesentlichen auf das erstinstanzlich eingeholte Gutachten des Dr. F. vom 21.10.2005, der die beim Kläger vorliegenden Albträume und Nachhallerinnerungen als Folge der Erlebnisse im Krieg betrachtet und mit einem Grad der Schädigung (GdS) von 10 eingeschätzt hatte. Die vom Kläger dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) wurde als unzulässig verworfen (Beschluss des BSG vom 24.02.2010, Az.: B 9 V 21/09 B).

Mit Bescheid vom 16.10.2009 wurde das Urteil des LSG umgesetzt. Der gegen den Umsetzungsbescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009 zurückgewiesen.

Mit auf den 12.12.2009 datiertem Schreiben, beim Beklagten eingegangen am 04.01.2010, teilte der Kläger mit, dass sich die Schädigungsfolgen verschlimmert hätten und sich sein Gesamtgesundheitszustand rapide verschlechtert habe. Das Gutachten des Dr. F. spiegle nicht mehr den aktuellen Stand wider. Als Verschlimmerung benannte der Kläger Folgendes:

„- Meine Albträume und Nachhallerinnerungen

- Gleichgewichtsstörungen (letzter Sturz am 28.11.2009)

- Gehirnschädigung in Gestalt von verlangsamter Reaktion, Konzentrationsmangel, Schmerzempfindungen im Kopf, Brust und Rücken

- Durchblutungsstörungen des Herzens bei stark schwankendem Blutdruck

- Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

- Fehlgeschlagene Prostataoperation, danach Notbehandlung in der H. wegen Urinvergiftung

- Leberschaden

- Starke Refluxerscheinungen (Medikamente verdoppelt).“

Zur weiteren Sachaufklärung holte der Beklagte Befundberichte bei den behandelnden Ärzten ein, die über eine relevante Verschlimmerung nicht berichteten.

Der Neurologe Dr. K. vom versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten wertete die eingeholten Unterlagen am 19.03.2010 aus und kam dabei zu der Einschätzung, dass eine Verschlimmerung nicht vorliege.

Mit Bescheid vom 29.03.2010 lehnte der Beklagte den Verschlimmerungsantrag ab. Hinsichtlich der anerkannten Schädigungsfolgen und des GdS sei - so der Beklagte - keine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) im versorgungsrechtlichen Sinn eingetreten.

Am 09.04.2010 erhob der Kläger Widerspruch. Das Gutachten des Dr. F. sei - so der Kläger - bereits fünf Jahre alt. Er beantrage eine Neubegutachtung. Der Kläger schlug Prof. Dr. O., Universität R., als Sachverständigen vor.

Dem Wunsch des Klägers folgend holte der Beklagte bei Prof. Dr. O. ein psychiatrisches Gutachten ein. In dem am 15.11.2010 erstellten Gutachten kam Prof. Dr. O. zu dem Ergebnis, dass eine wesentliche Änderung im Sinn einer Verschlechterung oder Besserung nicht eingetreten sei. Die weiteren vom Kläger vorgebrachten subjektiven Beschwerden seien nicht als Schädigungsfolge anzusehen, sondern dem Umstand, dass der Kläger unkorrigierbar davon überzeugt sei, dass ihm eine volle Rente zustehe, und dem ganz natürlichen Alternsprozess geschuldet und damit keine Folge von Kriegserlebnissen. Bei der Exploration seien deutliche Aggravationstendenzen feststellbar gewesen, die nicht unerhebliche Hinweise auf ein Rentenbegehren geben würden. Eine weitere Nachprüfung von Amts wegen erscheine ihm nicht als erforderlich, da sachverständigenseits davon auszugehen sei, dass die anerkannten Schädigungsfolgen sich auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verändern würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2011 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Am 23.02.2011 haben die damaligen Bevollmächtigten des Klägers Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Im Rahmen der Klagebegründung vom 24.06.2011 haben sie ausgeführt, dass aus ihrer Sicht andere Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Herz) im Zusammenhang mit den Kriegserlebnissen gesehen werden müssten; jedenfalls lasse sich ein entsprechender Zusammenhang nicht ausschließen.

Im Auftrag des SG hat die Neurologin Dr. M. nach Einholung von Befundberichten am 21.11.2012 ein Gutachten erstellt. Darin ist sie zu der Einschätzung gekommen, dass eine Zunahme der Albträume nicht feststellbar sei; im Vergleich zu früheren Angaben sei die aktuelle Schilderung des Klägers eher distanzierter und weniger emotional. Bezüglich der weiteren, vom Kläger als Schädigungsfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen hat sie einen hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang mit Kriegsereignissen nicht feststellen können. Dem Vorgutachten des Prof. Dr. O. könne uneingeschränkt gefolgt werden.

An diesem Gutachten haben die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 11.02.2013 diverse Beanstandungen erhoben und weitere Befunde, insbesondere orthopädischer Art, vorgelegt. Die Sachverständige Dr. M. hat sich dazu mit ergänzender Stellungnahme vom 28.02.2013 geäußert.

Am 23.04.2013 hat der Kläger zu Protokoll des SG die Erstellung eines Gutachtens durch einen Sachverständigen für traumatisierte Kriegskinder beantragt, da die bisherigen Gutachter nicht kompetent seien.

Mit Urteil vom 22.05.2013 ist die Klage abgewiesen worden. Das SG hat erläutert, dass eine Verschlechterung der psychischen Beeinträchtigungen durch die Kriegsfolgen nicht wahrscheinlich sei, wie sich aus dem eingeholten Gutachten ergebe. Ein Zusammenhang zwischen der anerkannten psychischen Beeinträchtigung und den körperlichen Leiden sei ausgeschlossen.

Am 19.09.2013 haben die neuen Bevollmächtigten des Klägers Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 04.12.2013 ist die Berufung wie folgt begründet worden: Der Kläger leide unter posttraumatischen Belastungsstörungen, die sich mit zunehmendem Alter verschlimmern würden. Die Eskalation der Beschwerden unter externen Belastungsfaktoren sowie gerade im Alter sei denkbar. Zur Klärung sei ein Gutachter für traumatisierte Kriegskinder erforderlich. Im Übrigen habe der Kläger bei den Bombardierungen im Jahr 1945 Verletzungen wie eine Wirbelsäulenfraktur, Verletzungen im Gesicht, am linken Arm sowie an den Beinen erlitten; eine Beinlängendifferenz von 4,5 cm sei festgestellt worden. Auch liege beim Kläger ein Leberschaden als Folge einer Hepatitis A und B vor, die kriegsbedingt sei durch das schlechte Essen; denn der Kläger habe von amerikanischen Soldaten verseuchte Erdnussbutter verabreicht bekommen. Die Sachverständige Dr. M. habe den Kläger „gar nicht untersucht und viele Beeinträchtigungen unter den Tisch fallen lassen“. Die Bevollmächtigten haben diverse Unterlagen vorgelegt, unter anderem ein Attest des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. D. vom 18.11.2013. Dieser wies darauf hin, dass sich bei den letzten Kontrolluntersuchungen eine Verschlechterung der psychischen Verfassung im Rahmen einer zunehmenden Schwindelsymptomatik gezeigt habe. Es sei offensichtlich so, dass sich der psychische Zustand des Klägers seit längerem zunehmend verschlechtert habe.

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 25.02.2014 ist der Kläger umfassend über die rechtlichen Probleme aufgeklärt worden. Einerseits ist er darüber informiert worden, dass bis auf die psychische Gesundheitsstörung alle anderen Erkrankungen aus rechtlichen Gründen nicht berücksichtigungsfähig seien, andererseits darüber, dass eine weitere Begutachtung nicht erfolgen werde, da die Ausführungen im Gutachten von Dr. M. völlig ausreichend seien.

Mit Beschluss vom 02.06.2014 ist die Beiordnung der bisherigen Bevollmächtigten des Klägers auf deren Antrag hin aufgehoben worden. Mit weiterem Beschluss vom 03.07.2014 ist dem Kläger sein aktueller Bevollmächtigter beigeordnet worden.

Dieser hat mit Schreiben vom 23.07.2014 vorgetragen, dass sich eine deutliche Verschlimmerung der Kriegsfolgen ergeben habe, die die Gutachterin Dr. M. nicht berücksichtigten habe können. Wesentlich größere Probleme bereite der Beckenschiefstand, der durch eine Kriegsverletzung verursacht worden sei. Besonders hätten sich die neurologisch-psychiatrischen Beschwerden, insbesondere die Schlafstörungen mit Albträumen und Nachhallerinnerungen, verstärkt. Ein Attest des Dr. D. vom 01.04.2014 ist vorgelegt worden.

Mit Beschlüssen vom 24.07.2014 (einerseits zur Rechtsgrundlage aus dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, andererseits in Analogie zum Prozesskostenhilferecht) ist es abgelehnt worden, dem Kläger einen Fahrtkostenvorschuss für die Anreise zur mündlichen Verhandlung, zu der das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet worden ist, zu gewähren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.05.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 29.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2011 zu verpflichten, dem Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 12.12.2009 stattzugeben und unter Anerkennung einer Verschlimmerung dem Kläger Versorgung nach einem höheren GdS zuzusprechen. Er beantragt weiter, die im Verschlimmerungsantrag des Klägers (Schreiben vom 12.12.2009) aufgelisteten weiteren Leiden mit Ausnahme der Prostataoperation als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Vorgelegen haben neben den Versorgungsakten des Beklagten die Akten des Bayer. LSG zu den Aktenzeichen L 18 V 8/04, L 5 AR 23/05 V, L 15 V 6/06 und L 15 SF 200/14, die Akten des SG Bareuth zu den Aktenzeichen S 10 V 27/03, S 10 V 11/04 ZVW und, die Behindertenakten des Beklagten in Kopie, die Akten des Verwaltungsgerichts Berlin zum Aktenzeichen und die Akten des Bundesministeriums der Finanzen zum Aktenzeichen V B 4 - O 1478/06/0178. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Eine Verschlimmerung von Schädigungsfolgen liegt nicht vor.

1. Streitgegenstand

Streitgegenstand ist eine Entscheidung des Beklagten unter den rechtlichen Gesichtspunkten des § 48 SGB X, ob eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen vorliegt. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem angefochtenen Bescheid, in dem sich der Beklagte ausschließlich mit der Frage einer Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X auseinander setzt.

2. Zur Entscheidung gemäß § 48 SGB X

Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, wegen einer Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X eine höhere Versorgung zu gewähren.

Eine Verschlimmerung im Sinn des § 48 SGB X liegt nicht vor. Weder haben sich die anerkannten Schädigungsfolgen verschlechtert noch sind nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid neue Schädigungsfolgen aufgetreten.

2.1. Voraussetzungen für die Anerkennung einer Verschlimmerung - allgemein

Der Kläger hätte gemäß § 48 SGB X einen Anspruch auf Anerkennung verschlimmerter Schädigungsfolgen oder weiterer Schädigungsfolgen und daraus resultierend auf eine Beschädigten-Grundrente gemäß § 31 BVG nur dann, wenn sich bei den tatsächlichen (oder rechtlichen) Verhältnissen, wie sie bislang der Gewährung von Versorgung zugrunde gelegt worden sind, eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung ergeben hätte. In Betracht dafür kommen nach ständiger Rechtsprechung (vgl. beispielhaft Urteil des Senats vom 18.03.2013, vom BSG bestätigt im Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B) eine Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen bereits anerkannten Gesundheitsstörungen oder das Auftreten weiterer noch als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid.

Nichts davon ist vorliegend der Fall.

2.2. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen

Eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen ist nicht nachgewiesen.

Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob der Vergleichsmaßstab für die Beurteilung, ob einer Verschlechterung eingetreten ist, die Verhältnisse am 28.07.2009 (rechtskräftig gewordenes Urteil des Bayer. LSG von diesem Tag) oder am 16.10.2009 (Umsetzungsbescheid zum Urteil des Bayer. LSG vom 28.07.2009) bzw. 14.12.2009 (Widerspruchsbescheid zum Umsetzungsbescheid) sind. Denn eine Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers ist zwischen dem 28.07.2009 und dem 14.12.2009 nicht ersichtlich.

Als Schädigungsfolgen mit Urteil vom 28.07.2009 bzw. mit Bescheid vom 16.10.2009 anerkannt und mit einem nicht rentenberechtigenden GdS bewertet sind „Albträume und Nachhallerinnerungen“.

Diese anerkannten Schädigungsfolgen haben sich bis heute nicht wesentlich verändert. Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat auf das ausführlich und überzeugend begründete Gutachten des Prof. Dr. O. vom 15.11.2010, der auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers im Widerspruchsverfahren gehört worden ist, sowie auf das gleichermaßen überzeugende und sorgfältig erstellte Gutachten der Dr. M. vom 01.06.2011. Die sachverständigen Feststellungen macht sich der Senat zu Eigen.

Der Senat ist nicht gehindert, das Gutachten des Prof. Dr. O. zu einer Mitentscheidungsgrundlage zu machen, auch wenn der Sachverständige vom Beklagten beauftragt worden ist. Zum einen geht die Beauftragung auf den ausdrücklichen Wunsch des Klägers, gerade diesen Arzt als Sachverständigen zu beauftragen, zurück. Zum anderen weist das BSG in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Beschluss vom 26.05.2000, Az.: B 2 U 90/00 B) darauf hin, dass zwar nicht als gerichtliche Sachverständigengutachten erstellte ärztliche Gutachten grundsätzlich einen anderen Beweiswert und eine andere Beweiskraft und somit eine andere Aussagekraft besitzen als gerichtliche Gutachten. Dies stellt aber kein Hindernis dar, das Verwaltungsgutachten im Wege des Urkundenbeweises gemäß § 118 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung zu verwerten und ihm im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 SGG zu folgen. Dabei hat das BSG klargestellt, dass es sich bei dem von einem Sozialleistungsträger gemäß §§ 20, 21 SGB X eingeholten Gutachten nicht um ein bloßes „Privatgutachten“ handelt, sondern um ein im Rahmen der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben erstelltes Sachverständigengutachten, das auch die Entscheidungsgrundlage für das Gericht sein kann (vgl. BSG, Beschluss vom 12.10.1993, Az.: 13 RJ 71/92). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG jedenfalls dann, wenn - wie hier - der vom Sozialleistungsträger beauftragte Sachverständige weder dem ärztlichen Dienst des Sozialleistungsträgers angehört noch irgendwie sonst die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt (vgl. BSG, Beschluss vom 10.08.1993, Az.: 9/9a BV 185/92). Weitere Ermittlungen von Amts wegen können allenfalls dann angezeigt sein, wenn der andere Verfahrensbeteiligte gegen das durch den Sozialleistungsträger eingeholte Gutachten nicht unerhebliche Einwendungen vorbringt (vgl. BSG, Urteil vom 15.10.1986, Az.: 5b RJ 80/85). Dies ist hier nicht der Fall; irgendwelche substantiierte Einwendungen, die darüber hinausgehen, dass das Ergebnis im Gutachten des Prof. Dr. O. den Vorstellungen des Klägers nicht entspricht, hat der Kläger nicht erhoben.

Beide Sachverständige, Prof. Dr. O. und Dr. M., haben alle Aspekte in ihre Überlegungen einbezogen und eine große Fachkenntnis gezeigt. Sie haben die Befunde umfassend und detailliert erhoben und die gesamten Akten bei ihrer Beurteilung gewürdigt. Beide Sachverständige sehen keine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen, vielmehr hat die Gutachterin Dr. M. beim Kläger sogar eine größere Distanzierung zu den Kriegsereignissen bemerkt, was mit einer Verschlimmerung keinesfalls zu vereinbaren ist, sondern eher auf eine Besserung hindeutet. Diese Erkenntnisse der Sachverständigen macht sich der Senat zu Eigen.

Befundberichte, insbesondere neueren Datums, die die sachverständigen Einschätzungen in Zweifel ziehen oder Anlass für eine erneute Begutachtung sein könnten, gibt es nicht. Zwar hat der Kläger Atteste des behandelnden Arztes Dr. D. vorgelegt, in denen nach der letzten Begutachtung über eine Verschlimmerung berichtet wird (Atteste vom 18.11.2013 und 01.04.2014). Diesen Attesten, bei denen der Verdacht nicht fernliegt, dass es sich hierbei um Gefälligkeitsatteste handelt, ist aber kein einziger Gesichtspunkt zu entnehmen, der eine Objektivierung der angegebenen Verschlechterung zulassen würde. Hat der behandelnde Arzt im Attest vom 18.11.2013 noch die Verschlimmerung des psychischen Gesundheitszustands im Wesentlichen im Zusammenhang mit der Schwindelsymptomatik gesehen, was rechtlich ohne Bedeutung wäre, da Schwindelerscheinungen, zumal im Rahmen des Verfahrens gemäß § 48 SGB X, nicht als Schädigungsfolgen berücksichtigt werden können (vgl. unten), erwähnt er erst im nachfolgenden Attest erstmals die Albträume und Nachhallerinnerungen, die als Schädigungsfolgen anerkannt sind. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Verwendung dieser Begrifflichkeiten auf entsprechende Informationen des Klägers zurückzuführen ist. Im Attest vom 18.11.2013 fällt zudem auf, dass dort über eine „seit längerem zunehmende“ Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands berichtet wird, was insofern schwer nachvollziehbar ist, als Dr. D. zuvor immer einen völlig gleichbleibenden psychischen Gesundheitszustand angegeben hat. Den Verdacht, dass Gefälligkeitsatteste ausgestellt worden sind, nährt insbesondere ein Vergleich der Atteste des Dr. D.. So hat er in den Attesten vom 22.04.2013 und 01.10.2013 noch berichtet, dass der Kläger „unverändert“ über seine Belastungen klage, wohingegen er im Attest vom 18.11.2013 ausgeführt hat, dass sich „auch bei den letzten Kontrolluntersuchungen am 07. und 14.11.2013 ... eine Verschlechterung der psychischen Verfassung gezeigt habe“ und daran anschließend ausführt, dass es „offensichtlich so [sei], dass sich der psychische Zustand von Herrn A. seit längerem zunehmend verschlechtert hat.“ Diese Angaben in den Attesten vom 22.04.2013 und 01.10.2013 einerseits und vom 18.11.2013 andererseits sind nicht vereinbar, was die behauptete Verschlechterung angeht. Es stellt einen eklatanten Widerspruch dar, wenn am 18.11.2013 über eine „seit längerem“ zunehmende Verschlechterung berichtet wird, am 01.10.2013 und am 22.04.2013 aber noch ein unveränderter Beschwerdezustand vorgelegen haben soll. Die aktuellen Berichte des Dr. D. mit der Behauptung einer Verschlimmerung lassen sich für den Senat nur damit erklären, dass Dr. D. die vom Kläger ihm gegenüber gemachten Angaben unreflektiert übernommen hat, um nicht das Arzt-Patientenverhältnis zu beschädigen. Es ist offenkundig, dass Dr. D. die behauptete Verschlimmerung allein auf die Angaben des Klägers ihm gegenüber stützt. Dies ergibt sich beispielsweise aus dem Attest vom 01.10.2013. Daraus wird unzweifelhaft erkennbar, dass Dr. Ds. Ausführungen im Attest allein auf den Angaben des Klägers beruhen („Er beschreibt ... Er berichtet ... Dies habe bei ihm zu sozialen Rückzugstendenzen ... geführt ... Herr A. fühlt sich ...“). Irgendwelche Befunde, die diese Angaben objektivieren könnten, enthält kein einziger Bericht des Dr. D.. Die Atteste des Dr. D. lassen es daher naheliegend erscheinen, dass er sich durch den Kläger bei der Verfolgung seiner versorgungsrechtlichen Wünsche zumindest instrumentalisieren hat lassen oder dem Kläger auf dessen Wunsch oder Druck hin sogar mit der Ausstellung von Attesten bei der Erreichung seines Ziels einer Rentengewährung behilflich sein will. Aus dem Vorgehen des Klägers gegenüber seinen wiederholt gewechselten Bevollmächtigten, deren Vorgehensweise er immer zu überwachen und kontrollieren scheint, wie entsprechende Anfragen an das Gericht belegen, lässt sich durchaus der Schluss ziehen, dass der Kläger sich auch gegenüber seinem behandelnden Arzt nicht anders verhält und dieser möglicherweise den Erwartungen des Klägers Rechnung tragen will. Wenn es wie hier so ist, dass der behandelnde Psychiater lediglich die Beschwerdebehauptungen des Klägers gegenüber dem Gericht wiederholt, dabei aber keinerlei einer Objektivierung zugängliche Angaben macht und schließlich dem Gericht bekannt ist, dass die Angaben des Klägers im Wesentlichen rein zweckgerichtet und nicht objektivierbar sind, kann aus Attesten wie denen vom 18.11.2013 und 01.04.2014 kein Anlass für weitere Ermittlungen, z. B. in Form einer erneuten Begutachtung, resultieren.

Dass den Angaben des Klägers zu seinen psychischen Beschwerden - wenn überhaupt - nur sehr eingeschränkt geglaubt werden kann, ergibt sich für den Senat aus folgenden Gesichtspunkten: Bereits am Anfang des streitgegenständlichen Verschlimmerungsantrags steht eine Behauptung des Klägers, nämlich die einer angeblichen Verschlimmerung, die nicht nur durch wiederholte Gutachten, sondern auch durch die Angaben seiner behandelnden Ärzte widerlegt ist. So hat der Kläger im Schreiben vom 12.12.2009 explizit eine Verschlimmerung seiner Albträume und Nachhallerinnerungen vorgetragen. Einer derartigen Verschlimmerung hat damals neben dem Hausarzt sogar der behandelnde Psychiater Dr. D. mehrfach in Befundberichten (vom 18.01.2010 und 15.08.2012) widersprochen und einen „völlig identischen“ Gesundheitszustand beschrieben. Auch der Sachverständige Prof. Dr. O., den der Kläger selbst vorgeschlagen hatte, hat auf die deutlichen Aggravationstendenzen bei der Begutachtung hingewiesen. Höchst aussagekräftig ist der Hinweis des Sachverständigen darauf, dass der Kläger nach mehrstündiger Exploration erst ab dem Zeitpunkt gestottert hat, als ihn der Sachverständige auf das bis dahin nicht aufgetretene Stottern aufmerksam gemacht hatte. Dass den Angaben des Klägers zur Ausprägung der psychischen Beschwerden mit größter Zurückhaltung zu begegnen ist, ergibt sich auch aus den eigenen Angaben des Klägers bei der testpsychologischen Zusatzbegutachtung durch Dr. M.. Dort hat der Kläger angegeben, dass sich seine Depression und alles andere dann legen würden, wenn er eine anständige Rente bekäme. Die gesamten Angaben des Klägers sind daher unter dem Gesichtspunkt eines ausgesprochen ausgeprägten Rentenbegehrens zu sehen, worauf auch Prof. Dr. O. aufmerksam gemacht hat. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass angesichts des großen zeitlichen Abstands zu den belastenden Ereignissen im Krieg eine Verschlimmerung jetzt oder in Zukunft höchst unwahrscheinlich ist, wie Prof. Dr. O. überzeugend erläutert hat.

Der Einholung eines weiteren Gutachtens zur Bewertung der psychischen Schädigungsfolgen bedurfte es daher nicht. Die bisherigen Gutachten decken den gesamten Sachverhalt umfassend und überzeugend ab und spiegeln auch den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers wider. Wenn der Kläger der Meinung zu sein scheint, nur ein Spezialgutachter für „traumatisierte Kriegskinder“ sei in der Lage, ihn adäquat zu beurteilen, irrt er. Beide Sachverständige, sowohl die vom Sozialgericht gehörte als auch der vom Beklagten beauftragte, sind aufgrund ihrer Facharztweiterbildung prädestiniert für die Begutachtung, was sie auch durch ihre fundierten Gutachten eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben. Dem Kläger muss im Übrigen ein widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden, hat er selbst doch den Beklagten ausdrücklich darum gebeten, bei Prof. Dr. O. ein Gutachten einzuholen. Die irrige und später vom Kläger vorgebrachte Meinung, dass der von ihm gewünschte Gutachter fachlich nicht geeignet sei, ist ganz offensichtlich einzig und allein darauf zurückzuführen, dass das Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. O. ihm nicht hilfreich und genehm ist.

Wenn der zuletzt tätige Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2014 - wie auch schon die vorherigen Bevollmächtigten im Rahmen der Berufungsbegründung vom 04.12.2013 - die Ansicht des Klägers vorgetragen hat, dass das Gutachten der Dr. M. nicht verwertbar sei, weil es sich nur auf Akteninhalte stütze und keine Untersuchung erfolgt sei, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Kläger weiß selbst am besten, dass dem Gutachten sehr wohl eine Anamneseerhebung und Untersuchung zugrunde liegt. Dies ist auch dem Gutachten zu entnehmen, das eine sehr umfangreiche ambulante Untersuchung des Klägers durch die Sachverständige belegt. Dass sich die Sachverständige daneben auch auf den Akteninhalt stützt, ist zwingend im Rahmen einer sachgemäßen Begutachtung und damit unverzichtbare Grundlage des Gutachtens, könnte sie sich doch anderenfalls überhaupt nicht zu der Kernfrage, ob eine Veränderung im psychischen Gesundheitszustand des Klägers gegenüber früher eingetreten ist, äußern.

Nicht nachvollziehbar und ebenso nachweislich falsch ist die Behauptung des Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, der Kläger habe durch „weitere ärztliche Gutachten Nachweise dafür gebracht, dass es Verschlimmerungen gibt.“ Es gibt nämlich kein einziges Gutachten, das von einer Verschlimmerung ausgeht. Von der ihm angebotenen Möglichkeit, einen Gutachter gemäß §109 SGG selbst zu benennen, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Wenn der Bevollmächtigte mit „Gutachten“ die Atteste des Dr. D. meinen sollte, verweist der Senat auf seine obigen Ausführungen, in denen er erläutert hat, warum diese Atteste nicht in einem vom Kläger gewünschten Sinn verwertbar sind.

Eine Inaugenscheinnahme des Klägers durch das Gericht war nicht erforderlich für die Beurteilung der psychischen Gesundheitsstörung. Da der Senat nicht über medizinische Fachkunde verfügt, sondern sich dazu sachverständiger Hilfe zu bedienen hat, hätte sich aus einer Inaugenscheinnahme keine Änderung der Bewertung ergeben können, ohne dass der Senat dadurch eine mit der Revision angreifbare Überschreitung der Grenzen der freien Beweiswürdigung begehen würde (vgl. BSG, Beschluss vom 13.09.2005, Az.. B 2 U 365/04 B).

Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat noch auf Folgendes hin: Sollte der Kläger der Meinung sein, die Bewertung seines Gesundheitszustand sei schon zum Zeitpunkt des Urteils des Bayer. LSG vom 28.07.2009 bzw. des Umsetzungsbescheids vom 16.10.2009 nicht (mehr) zutreffend gewesen, weil das damals die Entscheidungsgrundlage bildende Gutachten des Dr. F. schon etwas älter gewesen wäre, ist dies kein Gesichtspunkt von Relevanz in diesem Verfahren. Gegenstand ist hier nur die Frage einer Verschlimmerung seit der letzten bestandskräftigen Entscheidung, nicht aber die Richtigkeit der letzten bestandskräftigen Entscheidung.

Dass das für den Kläger positive Ergebnis des ersten Berufungsverfahrens, das mit der Anerkennung von Albträumen und Nachhallerinnerungen als Schädigungsfolgen geendet hat, angesichts der Tatsache, dass die ersten, vom Klägers als Kriegsfolgen behaupteten psychischen Gesundheitsstörungen erst knapp 60 Jahre nach den Kriegserlebnissen aufgetreten sind, und bei Berücksichtigung des anerkannten Stands der Wissenschaft zur Kausalitätsbeurteilung psychischer Folgen belastender Ereignisses (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 141 ff) schwer nachvollziehbar ist, ist für die jetzige Beurteilung ohne rechtliche Relevanz. Denn auszugehen ist von den rechtskräftig anerkannten Schädigungsfolgen.

2.3. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Auftretens weiterer als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen

Neue Gesundheitsstörungen, die Schädigungsfolgen darstellen könnten, sind seit der letzten bestandskräftigen Entscheidung nicht aufgetreten.

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob maßgeblicher Vergleichszeitpunkt (= letzte bestandskräftige Entscheidung) der des Urteils des Bayer. LSG vom 28.07.2009 oder der des das vorgenannte Urteil umsetzenden Bescheids vom 16.10.2009 oder des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 ist. Denn die vom Kläger als weitere Schädigungsfolgen behaupteten Gesundheitsstörungen haben allesamt jedenfalls schon vor dem 28.07.2009 vorgelegen.

So ist ein Auftreten von Gleichgewichtstörungen und Schwindel dokumentiert für das Jahr 2001 (Entlassungsbericht des Klinikums B-Stadt vom 24.12.2001). Über die Hirnschädigung in Gestalt von verlangsamter Reaktion und Konzentrationsmängeln ist bereits im Jahr 1993 berichtet worden (nervenärztliches Zusatzgutachten des Dr. G. vom 29.07.1993). Schmerzempfindungen in Kopf, Brust und Rücken hat der Kläger schon Jahr 2006 gegenüber seinen Ärzten angegeben (Arztbrief des Neurologen und Psychiaters M. vom 30.11.2006, Attest des Dr. H. vom 16.03.2006). Durchblutungsstörungen des Herzens bei schwankendem Blutdruck und Magen- und Darmbeschwerden sowie Kreislaufstörungen und Bandscheibenprobleme hat der Kläger bereits in seiner Klageschrift zum Verwaltungsgericht Berlin vom 27.02.2003 angegeben. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und einen frühzeitigen Gelenkverschleiß hat der Kläger schon in der anwaltlichen Klageschrift zum Verwaltungsgericht Berlin vom 12.03.2003 vortragen lassen. Der Leberschaden (Gelbsucht) ist nach den eigenen Angaben des Klägers im Kopienkonvolut zum anwaltlichen Schriftsatz vom 04.12.2013 schon unmittelbar nach Kriegsende entstanden, da ihm von amerikanischen Soldaten verseuchte Erdnussbutter verabreicht worden sei; eine Hepatitiserkrankung ist beispielweise auch im Attest des Dr. H. vom 16.03.2006 erwähnt. Die Refluxerscheinungen und Magenbeschwerden sind dokumentiert für das Jahr 1997 (Arztbrief aus dem Stadtkrankenhaus P. vom 10.11.1997) bzw. haben nach den eigenen Angaben des Klägers seit der Kindheit vorgelegen (Klageschrift zum Verwaltungsgericht Berlin vom 12.03.2003).

Der Vollständigkeit halber, ohne dass dies vom Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich beantragt worden wäre, weist der Senat auf Folgendes hin: Wenn die früheren Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 04.12.2013 vorgetragen haben, dass der Kläger bei den Bombardierungen im Jahr 1945 Verletzungen wie eine Wirbelsäulenfraktur, Verletzungen im Gesicht, am linken Arm sowie an den Beinen erlitten habe und sich daraus u. a. eine Beinlängendifferenz von 4,5 cm ergeben habe - Behauptungen, die in dieser Art neu sind -, und der zuletzt tätige Bevollmächtigte des Klägers in seinem Schriftsatz vom 23.07.2014 eine erhebliche Verschlimmerung der aus einem Beckenschiefstand resultierenden Beschwerden angegeben hat, kann dies im Rahmen der Prüfung gemäß § 48 SGB X keine Bedeutung haben. Denn diese Verletzungen/Beschwerden, sofern sie denn tatsächlich vorgelegen haben oder vorliegen, hätten jedenfalls vor dem für die jetzige Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten bestandskräftigen Feststellung vorgelegen, so dass sie schon aus Rechtsgründen keine Berücksichtigung im jetzigen Verfahren finden können.

Eine Anhörung des Klägers oder seine persönliche Anwesenheit bei der mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich gewesen. Eine Beweiserhebung durch eine Inaugenscheinnahme des Klägers war nicht erforderlich. Sein Anspruch auf rechtliches Gehör ist angesichts der anwaltlichen Vertretung im Rahmen der Prozesskostenhilfe gewahrt. Ein Anspruch des Klägers auf einen Fahrtkostenvorschuss, um ihm die Anwesenheit bei der mündlichen Verhandlung auf Kosten der Staatskasse zu ermöglichen, resultiert weder aus dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz noch aus einer entsprechenden Anwendung der Regelungen zur Prozesskostenhilfe (vgl. Beschlüsse des Senats vom 25.07.2014, Az.: L 15 VK 16/13, bzw. L 15 SF 200/14).

Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.