Bundessozialgericht Urteil, 16. Aug. 2017 - B 12 KR 19/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:160817UB12KR1916R0
bei uns veröffentlicht am16.08.2017

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten auch des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin beansprucht die Zustimmung des Beklagten zum Abschluss einer Ausnahmevereinbarung nach Art 17 VO (EWG) 1408/71.

2

Das Europäische Sozialrecht bestimmt, dass ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaates beschäftigt ist, grundsätzlich den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt, und zwar auch dann, wenn er im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt oder sein Arbeitgeber oder das Unternehmen, das ihn beschäftigt, seinen Wohn- oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates hat (Art 13 Abs 2 Buchst a VO 1408/71; seit 1.5.2010 Art 11 Abs 3 Buchst a VO 883/2004). Eine Ausnahme wird gemacht, wenn ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaates von einem Unternehmen beschäftigt wird, dem er gewöhnlich angehört, und von diesem zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates entsandt wird. In diesen Fällen unterliegt der Arbeitnehmer weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Staates, sofern die voraussichtliche Dauer seiner Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und er nicht einen anderen Arbeitnehmer ablöst, für den die Entsendungszeit abgelaufen ist (Art 14 Abs 1 Buchst a Ziff i VO 1408/71; nach Art 12 Abs 1 VO 883/2004 nunmehr 24 Monate). Darüber hinaus sieht das Gemeinschaftsrecht vor, dass zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder die zuständigen Behörden dieser Staaten im Interesse bestimmter Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen Ausnahmen unter anderem von den eben genannten Regelungen vereinbaren können (Art 17 VO 1408/71 bzw Art 16 Abs 1 VO 883/2004). Zuständig für den Abschluss solcher Ausnahmevereinbarungen war in Deutschland bis 30.6.2008 die seinerzeit noch eigenständige Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland, deren Aufgaben seit dem 1.7.2008 deren Aufgaben vom beklagten GKV-Spitzenverband wahrgenommen werden (fortan einheitlich: Beklagter). In Polen ist für den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen die dortige Sozialversicherungsanstalt (Zakład Ubezpieczeń Społecznych, fortan: ZUS) zuständig.

3

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung polnischen Rechts mit Sitz in Polen, beschäftigte in den Jahren 2005 und 2006 Arbeitnehmer im Bundesgebiet. Hierfür beantragte sie noch im Jahr 2005 bei der ZUS die Erteilung einer Ausnahmevereinbarung nach Art 17 VO (EWG) 1408/71 mit dem Ziel, dass für die entsandten Arbeitnehmer polnisches Recht maßgeblich bleibe. Der Beklagte lehnte den Abschluss einer entsprechenden Ausnahmevereinbarung gegenüber der ZUS schriftlich ab (Schreiben vom 8.3. und 27.6.2007) und setzte die Klägerin hierüber ebenfalls schriftlich in Kenntnis (Schreiben vom 3.4. und 16.8.2007). Den daraufhin erhobenen Widerspruch der Klägerin verwarf der Beklagte als unzulässig (Widerspruchsbescheid vom 13.10.2009).

4

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des SG Berlin vom 6.2.2014 und des LSG Berlin-Brandenburg vom 3.6.2016). Das LSG hat ausgeführt, die Klage sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die Weigerung der Beklagten, einer Ausnahmevereinbarung zuzustimmen, habe keine unmittelbare Außenwirkung, sei daher kein Verwaltungsakt und die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nicht statthaft. Die Ausnahmevereinbarung nach Art 17 VO (EWG) 1408/71 selbst sei ein Vertrag zwischen zwei Sozialversicherungsträgern. Soweit Betroffene hierdurch begünstigt würden, handle es sich um einen bloßen Rechtsreflex, ohne dass die Klägerin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung habe. Eine hierauf gerichtete Leistungsklage sei unzulässig. Aber selbst wenn man von einem subjektiv-öffentlichen Recht ausgehe, habe die Leistungsklage keinen Erfolg, weil Art 17 VO (EWG) 1408/71 den Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum einräume, ob sie eine Vereinbarung schließen wollten oder nicht; für eine Ermessensreduzierung auf Null sei nichts ersichtlich.

5

Zur Begründung ihrer vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin Folgendes geltend: Das Zustandekommen einer Ausnahmevereinbarung sei allein von der Entscheidung des Beklagten abhängig gewesen, ob sie dem entsprechenden Angebot der ZUS zustimme. Diese Entscheidung sei ein Verwaltungsakt. Verneine man die Verwaltungsaktqualität, verstoße dies gegen Art 19 Abs 4 GG. In einem Verfahren gegen etwaige Beitragsbescheide könne sie keinen effektiven Rechtsschutz erlangen, weil die Einzugsstelle an das (Nicht-)Vorliegen einer Ausnahmevereinbarung gebunden sei. Ebenso wenig könne sie effektiven Rechtsschutz in einem Verfahren gegen die ZUS vor einem polnischen Gericht erlangen, weil der Beklagte nicht der polnischen Gerichtsgewalt unterliege und daher von einem polnischen Gericht nicht zum Abschluss einer Ausnahmevereinbarung verurteilt werden könne. Das "Ermessen" des Beklagten sei vorliegend auf Null reduziert: Sie - die Klägerin - habe in den Jahren 2005 und 2006 23,47 % bzw 28,51 % ihrer Gesamtumsätze in Polen erzielt und jeweils mindestens 25 % ihrer Arbeitnehmer in Polen beschäftigt. Weiter habe die Bearbeitungsdauer über zwei Jahre betragen, während derer sie darauf vertraut habe, dass eine Ausnahmevereinbarung noch rückwirkend zustande kommen werde, und daher die wesentlich höheren Beiträge zur deutschen Sozialversicherung in ihre Preise nicht einkalkuliert habe.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2016 und des Sozialgerichts Berlin vom 6. Februar 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 8. März 2007, 3. April 2007, 27. Juni 2007 und 16. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2009 zu verurteilen, rückwirkend seine Zustimmung zum Abschluss von Ausnahmevereinbarungen nach Art 17 VO (EWG) 1408/71 für die im Schriftsatz vom 29. August 2016 (Blatt 59 ff der Gerichtsakten) genannten Arbeitnehmer und Zeiträume zu erteilen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist unzulässig (dazu 1.), während die damit kombinierte echte Leistungsklage zwar zulässig (dazu 2.), aber unbegründet ist (dazu 3.).

10

1. Die Anfechtungsklage ist unzulässig, weil sich das Begehren der Klägerin nicht auf die Aufhebung eines Verwaltungsaktes richtet. Mit der Anfechtungsklage kann (nur) die Aufhebung oder Abänderung eines Verwaltungsakts begehrt werden (§ 54 Abs 1 S 1 SGG). Bei der Ablehnung des Beklagten, eine Ausnahmevereinbarung mit der ZUS als zuständiger polnischer Stelle zu schließen (dazu a), handelt es sich ebenso wenig um einen Verwaltungsakt wie bei den entsprechenden Mitteilungen an die Klägerin (dazu b). Verwaltungsakte sind nur solche Verfügungen, Entscheidungen oder andere hoheitliche Maßnahmen, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sind (§ 31 S 1 SGB X).

11

a) Die mit den Schreiben vom 8.3. und 27.6.2007 gegenüber der ZUS erklärte Ablehnung, eine Ausnahmevereinbarung nach Art 17 VO (EWG) 1408/71 zu schließen, ist keine hoheitliche, das heißt einseitig Rechtsfolgen setzende behördliche Maßnahme (zum Begriff der hoheitlichen Maßnahme vgl zB BSG vom 31.8.2011 - GS 2/10 - BSGE 109, 81 ff = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 15; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 10a). Zu Rechtsfolgen führen nur das Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung sowie dessen korrespondierende Annahme. Der Umstand, dass einer Willenserklärung im Rahmen von Vertragsverhandlungen notwendig die Entscheidung vorausgeht, ob und mit welchem Inhalt ein Angebot abgegeben oder angenommen werden soll, bedeutet nicht, dass dieser "Vor"-Entscheidung eigenständige Rechtsqualität zukäme (vgl zum Ganzen Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl 2017, § 54 RdNr 17, der die Anwendung der Zweistufentheorie auf den Abschluss von Verträgen für "lebensfremd" hält). Anderes mag gelten, wenn zwischen den Vertragsparteien ein Über-/Unterordnungsverhältnis besteht (zur Entscheidung über den Abschluss von Versorgungsverträgen iS des § 109 SGB V vgl BSG vom 29.5.1996 - 3 RK 23/95 - BSGE 78, 233, 235 f = SozR 3-2500 § 109 Nr 1 S 3 f). Vorliegend stehen sich die Vertragsparteien - die jeweils zuständigen Stellen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland - einander aber in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüber.

12

Auch die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG erfordert es nicht, die Entscheidung der Beklagten als Verwaltungsakt einzuordnen, denn die Gewährung von Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt ist nicht auf die speziellen Rechtsmittel der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage beschränkt. Der Klägerin steht die echte Leistungsklage zur Verfügung, um klären zu lassen, ob der Beklagte dem Abschluss einer Ausnahmevereinbarung zustimmen muss. Soweit es um Verwaltungsakte geht, hält das Gesetz zwar mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage spezielle Rechtsschutzformen bereit (vgl §§ 54 Abs 5, 55 SGG; zur Ordnungsfunktion des § 54 SGG, vgl Söhngen in jurisPK-SGG, 2017, § 54 SGG, RdNr 4) , beschränkt den Rechtsschutz gegen hoheitliches Handeln aber nicht hierauf (Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Aufl 2016, § 31 RdNr 7).

13

b) Bei den Schreiben vom 3.4. und 16.8.2007, mit denen der Beklagte die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt hat, dass er den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung gegenüber der ZUS abgelehnt hat, handelt es sich ebenfalls nicht um Verwaltungsakte. Diese Schreiben enthalten keine Regelung iS des § 31 S 1 SGB X. Der Beklagte setzte damit keine Rechtsfolgen, sondern unterrichtete die Klägerin lediglich darüber, dass er das Angebot der ZUS auf Abschluss einer Ausnahmevereinbarung abgelehnt hat. Dies ergibt sich schon aus dem insoweit identischen Wortlaut beider Schreiben ("Dem Antrag auf weitere Unterstellung unter die polnischen Rechtsvorschriften konnte jedoch, wie wir zwischenzeitlich der zuständigen Behörde in Polen mitteilten, nicht entsprochen werden."). Das Schreiben vom 16.8.2007 ist noch deutlicher; der Beklagte bringt darin zum Ausdruck, dass er davon ausgeht, dass die ZUS den dort gestellten Antrag der Klägerin bescheide ("Wir gehen davon aus, dass die zuständige polnische Behörde Sie mittlerweile entsprechend beschieden hat."), er selbst also rechtsförmige Maßnahmen gegenüber der Klägerin nicht zu treffen hatte und auch nicht treffen wollte.

14

2. Der Klägerin steht die echte Leistungsklage zur Verfügung, um klären zu lassen, ob der Beklagte dem Abschluss einer Ausnahmevereinbarung zustimmen muss. Die Leistungsklage ist statthaft (dazu a) und die Klägerin auch klagebefugt (dazu b); sie kann effektiven Rechtsschutz auch nicht anderweitig erlangen (dazu c). In der Sache ist die echte Leistungsklage allerdings unbegründet (dazu 3.).

15

a) Die von der Klägerin erhobene allgemeine Leistungsklage ist statthaft. Mit der Leistungsklage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (§ 54 Abs 5 SGG). Dies ist hier der Fall. Die Klägerin begehrt eine Leistung des Beklagten iS des § 54 Abs 5 SGG, namentlich dass er das Angebot der ZUS zum Abschluss einer Ausnahmevereinbarung nach Art 17 VO (EWG) 1408/71 annimmt(zur echten Leistungsklage im Fall eines auf Abgabe einer Willenserklärung gerichteten Begehrens vgl auch BSG vom 18.3.1999 - B 3 P 8/98 R - SozR 3-3300 § 77 Nr 1 S 2).

16

b) Die Klägerin ist auch klagebefugt. Es ist nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass ihr der behauptete Anspruch zusteht.

17

aa) Die echte Leistungsklage setzt analog § 54 Abs 1 S 2 SGG voraus, dass der Kläger klagebefugt ist, also geltend machen kann, durch die Ablehnung oder Unterlassung der beanspruchten Leistung beschwert zu sein. Die Klagebefugnis fehlt erst dann, wenn dem Kläger der geltend gemachte Anspruch unter keinem Gesichtspunkt zustehen kann, die Verletzung seiner subjektiven Rechte nicht möglich erscheint. Das tatsächliche Bestehen des geltend gemachten Rechts ist dagegen eine Frage der Begründetheit der Klage. Die Klagebefugnis fehlt nur dann, wenn dem Kläger das geltend gemachte Recht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen kann (sog Möglichkeitstheorie - dazu BSG vom 11.5.1999 - B 11 AL 45/98 R - BSGE 84, 67, 69 f = SozR 3-4300 § 36 Nr 1 S 4 f, BSG vom 27.6.2013 - B 10 ÜG 9/13 B - SozR 4-1710 Art 23 Nr 1, RdNr 21; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 41b, 22).

18

bb) Nach Auffassung des Senats ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich ein subjektives Recht der Klägerin aus Art 17 VO (EWG) 1408/71 ergibt. Art 17 VO (EWG) 1408/71 ist eine Schutznorm, aus der sich subjektive Rechte auch der Arbeitgeber ergeben können (zu subjektiven Rechten der Arbeitnehmer vgl Schreiber in Schreiber/Wunder/Dern, VO 883/2004, 2012, Art 16 RdNr 6; aA Österreichischer VwGH vom 19.10.2005 - 2003/08/0195 - ZESAR 2006, 318, 320 mit kritischer Anm Karl, dort insbesondere S 322). Eine solche Schutznorm liegt vor, wenn die einschlägigen gesetzlichen Regelungen nicht nur eine objektive Ordnung aufstellen, sondern auch dazu dienen, bestimmten Rechtssubjekten ein subjektives Recht zur Wahrung ihrer Interessen einzuräumen (sog Schutznormtheorie - dazu BSG vom 11.5.1999 - B 11 AL 45/98 R - BSGE 84, 67, 69 f = SozR 3-4300 § 36 Nr 1 S 4 f). Art 17 VO (EWG) 1408/71 erwähnt zwar ausdrücklich nur die Interessen "bestimmter Arbeitnehmer und Arbeitnehmergruppen" und nimmt nur diese damit ausdrücklich in seinen Schutzbereich auf. Die Klägerin ist durch den Abschluss wie durch die Ablehnung einer Ausnahmevereinbarung aber nicht nur rechtlich unmittelbar betroffen (dazu <1>). Sie kann sich darüber hinaus auf die ihr zustehende Dienstleistungsfreiheit berufen, in deren Licht das einschlägige Sekundärrecht auszulegen ist (dazu <2>).

19

(1) Auch Arbeitgeber wie die Klägerin sind durch den Abschluss wie durch die Ablehnung einer Vereinbarung nach Art 17 VO (EWG) 1408/71 rechtlich unmittelbar betroffen. Der Abschluss oder die Ablehnung einer Ausnahmevereinbarung berührt die Arbeitgeber nicht nur im Sinne eines bloßen Rechtsreflexes aus den ihre Arbeitnehmer treffenden Rechten und Pflichten; vielmehr sind die Arbeitgeber rechtlich wie finanziell unmittelbar selbst betroffen. Sie spielen - jedenfalls nach deutschem Recht - für die Sozialversicherung eine zentrale Rolle. Sie sind nicht nur für Zwecke der Durchführung der Sozialversicherung in vielfältiger Weise in Dienst genommen und übernehmen verwaltungstechnisch vielfach Aufgaben und Funktionen, die andernfalls der Sache nach Aufgaben der Versicherungsträger und von diesen zu erfüllen wären (zB Melde- und Anzeigepflichten, Pflichten zur Berechnung, zum Nachweis und zur Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags, Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten etc - zum Ganzen vgl BSG vom 29.4.1976 - 12/3 RK 66/75 - BSGE 41, 297, 298 f = SozR 2200 § 1399 Nr 4 S 7 f; BSG vom 27.1.2000 - B 12 KR 10/99 R - SozR 3-2400 § 28h Nr 11 S 45 f; Schlegel in Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, S 265-288). Sie sind darüber hinaus in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zur Tragung von Arbeitgeberanteilen an den Beiträgen sowie in der Unfallversicherung zur alleinigen Beitragstragung verpflichtet.

20

(2) Art 17 VO (EWG) 1408/71 ist zudem im Licht der Grundfreiheiten - namentlich der Dienstleistungsfreiheit (Art 49 Abs 1 EGV - konsolidierte Fassung 2006, ABl C 321E vom 29.12.2006) - der Klägerin auszulegen. Die Klägerin unterfällt grundsätzlich dem Schutz der Dienstleistungsfreiheit, will sie als polnisches Unternehmen mit Sitz in Polen doch grenzüberschreitend Dienstleistungen (iS des Art 50 EGV) in der Bundesrepublik erbringen, ohne sich dort niederzulassen. Weiter kann sich die Klägerin auch als juristische Person des Privatrechts auf die Dienstleistungsfreiheit berufen (Art 55 iVm 48 Abs 1 EGV). Die Dienstleistungsfreiheit verlangt dabei nicht nur die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen des Dienstleistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten -, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern (stRspr - EuGH vom 25.7.1991 - Rs C-76/90 - Säger, Slg 1991, I-04221, RdNr 12). Nach diesen Maßstäben wäre die Dienstleistungsfreiheit jedenfalls betroffen, wenn der Beklagte den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung willkürlich verweigerte und die Klägerin deshalb von der für sie günstigeren und auch gemeinschaftsrechtlich möglichen Fortgeltung polnischen Sozialrechts bei der Tätigkeit ihrer Arbeitnehmer in Deutschland abgeschnitten wäre. Demgemäß ist etwa die grundsätzliche Begrenzung des Zeitraums, währenddessen das Recht der sozialen Sicherheit des Entsendestaates fortgilt, auf zwölf Monate (Art 14 Nr 1 Buchst a VO 1408/71; nach Art 12 VO 883/2004 nunmehr 24 Monate), als Regelung anzusehen, die wesentlich dem Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen dient (dazu Boecken, ZIAS 1999, 219, 238 ff).

21

(3) Darüber hinaus sieht das Durchführungsrecht zur Nachfolgeregelung (Art 16 VO 883/2004) ein Recht auch der Arbeitgeber, Ausnahmen zu beantragten, nunmehr sogar ausdrücklich vor (Art 18 VO 987/2009; dazu Schreiber, aaO, RdNr 6). Auch ohne eine entsprechende Vorschrift entsprach dies bereits der Verwaltungspraxis unter der VO (EWG) 1408/71 (so Steinmeyer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Art 17 VO 1408/71 RdNr 6).

22

cc) Der Klagebefugnis lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Klägerin den Abschluss einer völkerrechtlichen Vereinbarung begehrt (zur Rechtsnatur von Ausnahmevereinbarungen nach Art 17 VO 1408/71 Schreiber, aaO, RdNr 7; Steinmeyer, aaO, RdNr 5; vgl auch BSG vom 8.10.1981 - 7 RAr 30/80 - BSGE 52, 210, 217 f = SozR 6180 Art 13 Nr 3 S 15 f). Auch wenn Ausnahmevereinbarungen nach Art 17 VO (EWG) 1408/71 - ebenso wie politische Verträge nach Art 59 Abs 2 S 2 GG (dazu BVerfG vom 18.12.1984 - 2 BvE 13/83 - BVerfGE 68, 1, 97; BVerfG vom 16.12.1980 - 2 BvR 419/80 - BVerfGE 55, 349, 365) - als Maßnahme der auswärtigen Gewalt nur der Grenze offensichtlicher Willkür unterliegen und insoweit ein weites Ermessen der zuständigen Stellen besteht (dazu BVerfG vom 18.12.1984 - 2 BvE 13/83 - BVerfGE 68, 1, 97), ist die Überprüfung, ob diese Grenzen eingehalten worden sind, grundsätzlich eine Frage der Begründetheit (vgl Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art 19 Abs 4 RdNr 78, Stand Juni 2017: keine gerichtsfreien Hoheitsakte).

23

c) Schließlich kann die Klägerin effektiven Rechtsschutz auch nicht anderweitig erlangen. Art 19 Abs 4 S 1 GG verlangt aber, dass, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, ihm der Rechtsweg offensteht (vgl dazu auch Schweikardt in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, Art 16 VO 883/2004 RdNr 26). So kann die Klägerin insbesondere nicht darauf verwiesen werden, um Rechtsschutz gegen die ZUS nachzusuchen. Eine Klage vor deutschen Gerichten würde schon daran scheitern, dass die ZUS als polnische Behörde nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt. Eine Klage gegen die ZUS vor polnischen Gerichten dürfte ohne Aussicht auf Erfolg sein. Denn selbst wenn die ZUS eine Ausnahmevereinbarung treffen wollte, hinge deren Zustandekommen von der Zustimmung des Beklagten ab. Diese könnte ein polnisches Gericht aber wiederum nicht erzwingen, weil der Beklagte seinerseits nicht der polnischen Gerichtsbarkeit unterliegt.

24

3. Die somit zulässige Leistungsklage ist jedoch unbegründet. Dabei kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Abschluss einer Ausnahmevereinbarung im Einzelnen bestehen kann. Jedenfalls ergibt sich im Fall der Klägerin ein entsprechender Anspruch weder aus Art 17 VO (EWG) 1408/71 selbst (dazu a) noch aus den Grundfreiheiten (dazu b) und auch nicht Art 3 Abs 1 GG (dazu c) oder einem Gleichheitssatz des Gemeinschaftsrechts (dazu d).

25

a) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf Art 17 VO (EWG) 1408/71 berufen. Zwar kann sich hieraus in Ausnahmefällen ein Anspruch auf Abgabe einer bestimmten Willenserklärung im Rahmen von Verhandlungen über den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung ergeben (dazu ). Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor (dazu ).

26

aa) Nach Art 17 VO (EWG) 1408/71 können zwei oder mehr Mitgliedstaaten, die zuständigen Behörden dieser Staaten oder die von diesen Behörden bezeichneten Stellen im Interesse bestimmter Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen Ausnahmen von den Vorschriften der Art 13 bis 16 VO (EWG) 1408/71 vereinbaren. Die Vorschrift nennt - neben dem "Interesse bestimmter Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen" - keine weiteren Voraussetzungen für den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen und enthält damit keinerlei Beschränkung der den Mitgliedstaaten bzw deren Behörden oder Stellen verliehenen Befugnis. Mithin steht den Mitgliedstaaten insoweit ein weiter Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu, der ausschließlich durch das Interesse des Arbeitnehmers begrenzt ist (EuGH vom 17.5.1984 - Rs 101/83 - Brusse, Slg 1984, 2223, RdNr 25, spricht insoweit von einem "Ermessensspielraum"; vgl auch BSG vom 8.10.1981 - 7 RAr 30/80 - BSGE 52, 210, 217 f = SozR 6180 Art 13 Nr 3 S 15 f). Verstieße eine Ausnahmevereinbarung gegen die Interessen der Arbeitnehmer, dürfte sie danach nicht geschlossen werden. Für den Fall, dass eine Ausnahmevereinbarung im Interesse der Arbeitnehmer liegt, räumt Art 17 VO (EWG) 1408/71 den Mitgliedstaaten aber ausdrücklich einen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum ("können") ein, ohne einen Automatismus des Inhalts vorzuschreiben, dass bei Wahrung der Arbeitnehmerinteressen eine Vereinbarung abgeschlossen werden müsste. Ein Anspruch auf Abschluss einer Ausnahmevereinbarung ist danach nur in Ausnahmefällen denkbar, in denen jede andere Entscheidung den den Mitgliedstaaten eingeräumten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum verletzte (vgl auch Schreiber, aaO, RdNr 6, der eine Ermessensreduktion auf Null für "kaum konstruierbar" hält). Dies ist etwa in Fällen denkbar, in denen den Interessen der betroffenen Arbeitnehmer ein alles andere überragendes Gewicht zukäme. Daneben ist eine Einschränkung des Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums denkbar, wenn die Weigerung, eine Ausnahmevereinbarung abzuschließen, offensichtlich willkürlich ist. Dies mag etwa der Fall sein, wenn der Beklagte sich ohne sachlichen Grund in Widerspruch zu seiner bisherigen Verwaltungspraxis setzt.

27

bb) Vorliegend sind keine Umstände oder Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dieser der deutschen Seite eingeräumte Beurteilungsspielraum derart eingeengt wäre, dass nur eine bestimmte Entscheidung - hier: die begehrte Zustimmung des Beklagten zu der von der ZUS vorgeschlagenen Ausnahmevereinbarung - in Betracht kommt. Ein Anspruch auf Abschluss der begehrten Ausnahmevereinbarung ergibt sich nicht mit Blick auf die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer (dazu <1>). Weiter ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte in vergleichbaren Fällen seine Zustimmung zum Abschluss einer Ausnahmevereinbarung erklärt oder sich anderweitig durch eine entsprechende Verwaltungspraxis in einer vor dem Hintergrund des Willkürverbots beachtlichen Weise selbst gebunden hätte (dazu <2>).

28

(1) Dass den Interessen der betroffenen Arbeitnehmer vorliegend überragendes Gewicht zukäme, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin selbst hat derartige Interessen ihrer Arbeitnehmer nicht geltend gemacht. Vielmehr stützt sie ihr Begehren vorrangig darauf, dass sie mit den aus dem Abschluss einer Vereinbarung folgenden geringeren Kosten des polnischen Sozialrechts kalkuliert habe. Von der ZUS konnte die Beklagte zeitnah keine hinreichenden Informationen darüber erlangen, dass und weshalb die von der Klägerin beanspruchte Ausnahmevereinbarung gerade im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer läge und diesem obendrein auch besonderes Gewicht zukäme. Auch anderweitig ergeben sich keine Anhaltspunkte hierfür.

29

(2) Weiter ergibt sich ein Anspruch auf Abschluss einer Ausnahmevereinbarung auch nicht daraus, dass der Beklagte sich durch seine bisherige Verwaltungspraxis selbst gebunden hätte (zur Selbstbindung der Verwaltung im Gemeinschaftsrecht s von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S 353 ff, 366 mwN). Zu dieser Verwaltungspraxis hat der Beklagte wie folgt vorgetragen (zur Ermittlung genereller Tatsachen im Revisionsverfahren vgl BSG vom 6.5.2008 - B 7/7a AL 16/07 R - SozR 4-4300 § 217 Nr 2 RdNr 23, dort zur Feststellung einer Verwaltungspraxis der BA):

30

Das Zustandekommen von Ausnahmevereinbarungen sei in der Staats- und Verwaltungspraxis durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen gekennzeichnet, wobei auch die Bundesrepublik ein Interesse am Zustandekommen von Ausnahmevereinbarungen zugunsten deutscher Arbeitnehmer habe. Grundsätzlich schließe der Beklagte Ausnahmevereinbarungen nur ab, wenn der Entsendezeitraum auf höchstens fünf Jahre befristet sei. Im Einzelfall seien auch Ausnahmevereinbarungen über Entsendezeiträume von mehr als fünf Jahren möglich. Ausnahmevereinbarungen für Entsendezeiträume von über acht Jahren treffe der Beklagte dagegen - von besonderen Einzelfällen abgesehen - grundsätzlich nicht. Weiter sei der Beklagte grundsätzlich nicht bereit, Ausnahmevereinbarungen zu schließen, wenn der entsendende Arbeitgeber keine nennenswerte Geschäftstätigkeit in dem Mitgliedstaat ausübe, dessen Vorschriften über die soziale Sicherheit ausnahmsweise auch für die Beschäftigung in der Bundesrepublik gelten sollten. Vom Fehlen einer solchen nennenswerten Geschäftstätigkeit gehe der Beklagte aus, wenn weniger als 25 % des erwirtschafteten Umsatzes dort erzielt oder weniger als 25 % des Personals dort eingesetzt würden. Ziel dieses sog 25 %-Kriteriums sei es, einen Missbrauch von Ausnahmevereinbarungen durch "Briefkastenfirmen" zu vermeiden. Bei einem Umfang der Geschäftstätigkeit von unter 25 % sei eine Prüfung einzelner Umstände angezeigt. Bei Entsendezeiträumen von über fünf Jahren rückten zudem nationale Interessen stärker in den Vordergrund.

31

Der Senat legt seiner Entscheidung die so beschriebene Verwaltungspraxis des Beklagten zugrunde. Die Klägerin hat die Darlegungen des Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Der Senat sieht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Beschreibung unzutreffend oder die beschriebene Verwaltungspraxis mit dem deutschen oder dem europäischen Recht unvereinbar wäre. Insbesondere bestehen keine Bedenken, wenn der Beklagte bei seiner Entscheidung über den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen auch andere als die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen berücksichtigt, um etwa Missbrauch durch "Briefkastenfirmen" zu vermeiden. Dass die Mitgliedstaaten bei ihrer Entscheidung über den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen auch andere Interessen als die der betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmergruppen berücksichtigen dürfen, ergibt sich schon aus der Weite des ihnen eingeräumten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums. Auch stellt Art 17 VO (EWG) 1408/71 lediglich eine Öffnungsklausel dar, die eine entsprechende Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten voraussetzt (Schreiber, aaO, RdNr 7), knüpft also letztlich an die in der Souveränität der Mitgliedstaaten begründete Vertragsabschlusskompetenz an. Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte die Grenzen des ihm durch Art 17 VO (EWG) 1408/71 eingeräumten Entscheidungs- und Beurteilungsspielraums eingehalten, als er den Abschluss der ihm von der ZUS angetragenen Ausnahmevereinbarung ablehnte.

32

(3) Die von der Klägerin für eine Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss einer Ausnahmevereinbarung vorgebrachten Gründe greifen nicht durch.

33

So macht die Klägerin zuvörderst geltend, sie habe die höheren Beiträge zur deutschen Sozialversicherung bei der Kalkulation ihrer Preise nicht berücksichtigt, weil sie vom Abschluss einer Ausnahmevereinbarung zugunsten des polnischen Rechts ausgegangen sei. Dem hat der Beklagte zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Dies gilt schon deshalb, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, worauf sich ihr Vertrauen auf den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung gegründet hat und weshalb es überhaupt schützenswert gewesen sein soll. Vielmehr gelten in allen Fällen, für die keine Ausnahmevereinbarung getroffen wurde, ohne Weiteres die allgemeinen Regeln der Art 13 bis 16 VO (EWG) 1408/71, von denen nach Art 17 VO (EWG) 1408/71 eben nur ausnahmsweise abgewichen werden kann. Art 13 Abs 2 Buchst a VO (EWG) 1408/71 enthält dabei den ausdrücklichen Grundsatz, dass jenseits der regulären Fortgeltungsdauer des Rechts des Entsendestaates das Recht des jeweiligen Beschäftigungsortes maßgeblich ist (lex loci labori). Hinzu kommt, dass das Interesse, sich als ausländisches Unternehmen im Zielstaat (hier: Deutschland) durch die vereinbarte Fortgeltung ausländischen Sozialversicherungsrechts und damit niedrigere Sozialabgaben einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen im Zielstaat tätigen und dem dortigen System der sozialen Sicherheit zugeordneten Unternehmen und Arbeitnehmern zu verschaffen, kein ausreichender Grund für den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung ist. Die Vermeidung von (höheren) Sozialabgaben entspricht nicht Sinn und Zweck der Verordnung. Die Vorschriften über die Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften für die soziale Sicherheit sollen zur Verbesserung der Lebenshaltung und der Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer beitragen; sie sollen innerhalb der EU sicherstellen, dass alle Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gleich behandelt werden und die Arbeitnehmer und ihre anspruchsberechtigten Angehörigen unabhängig von ihrem Arbeits- oder Wohnort in den Genuss der Leistungen der sozialen Sicherheit kommen (so ausdrücklich die Erwägungsgründe zur VO 1408/71).

34

Soweit die Klägerin weiter behauptet, sie habe das 25 %-Kriterium erfüllt, verkennt sie dessen Funktion. Dem 25 %-Kriterium kommt auch in der Verwaltungspraxis des Beklagten die Funktion zu, solche Fälle von vornherein auszuschließen, in denen kein Entsendungstatbestand vorliegt. Dies dient der Vermeidung von Missbrauch durch "Briefkastenfirmen". Dass der Beklagte schon bei Erfüllung des 25 %-Kriteriums - und damit in nahezu jedem Entsendungsfall - eine Ausnahmevereinbarung abschlösse, ist nicht dargetan und wäre überdies auch kaum mit Sinn und Zweck des Art 17 VO (EWG) 1408/71 vereinbar. Dieser erlaubt schon seinem Wortlaut nach nur die Vereinbarung von "Ausnahmen". Damit bedarf es auch keiner weiteren Erörterung, ob die Klägerin das 25 %-Kriterium tatsächlich erfüllte.

35

b) Auch im Licht der Dienstleistungsfreiheit ergibt sich keine andere Beurteilung. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Grundfreiheiten vorliegend neben dem in der VO (EWG) 1408/71 niedergelegten Sekundärrecht überhaupt zur Anwendung kommen (zum Vorrang des Sekundärrechts vor den Grundfreiheiten vgl Ehlers in Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl 2014, § 7 RdNr 8; von Bogdandy, JZ 2001, 157, 166). Jedenfalls ist die Dienstleistungsfreiheit nicht verletzt. Sie verbietet in ihrem Anwendungsbereich direkte und indirekte Diskriminierungen sowie Beschränkungen (Randelzhofer/Fortshoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art 56, 57 AEUV RdNr 69, Stand März 2011; s auch bereits oben unter 2b bb <2>). Weder das Diskriminierungs- noch das Beschränkungsverbot greifen vorliegend aber durch.

36

aa) In ihrer Ausprägung als Diskriminierungsverbot gebietet die Dienstleistungsfreiheit eine Inländergleichbehandlung (Art 50 Abs 3 EGV; dazu Kluth in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl 2016, Art 56, 57 AEUV RdNr 54). Durch die Zuordnung der entsandten Arbeitnehmer zur deutschen Sozialversicherung wird die Klägerin aber gerade nicht schlechter gestellt als deutsche Unternehmen.

37

bb) Auch das aus der Dienstleistungsfreiheit folgende Beschränkungsverbot ist nicht verletzt. Art 49 EGV idF der konsolidierten Fassung von 2006 erfasst nämlich nicht Maßnahmen, deren einzige Wirkung es ist, zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen, und die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie deren Erbringung innerhalb eines einzigen Mitgliedstaates berühren (EuGH vom 8.9.2005 - 544/03 und 545/03 - Mobistar und Belgacom Mobile, Slg 2005, I-7723 ff RdNr 31). Steuern und Abgaben sind daher nicht allein deshalb als Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs anzusehen, weil sie allgemein die Erbringung einer Dienstleistung verteuern; etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn die Steuern und Abgaben prohibitiv hoch sind (Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl 2012, Art 56 AEUV RdNr 87; s auch die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 2.7.2009 - C-169/08 - Presidente del Consiglio dei Ministri, Slg 2009, I-10821 ff RdNr 50 und vom 28.10.2004 - C-134/03 - Viacom Outdoor, Slg 2005, I-1167 ff RdNr 58 ff). Dass die Beiträge zur deutschen Sozialversicherung von prohibitiver Höhe wären, ist indes nicht ersichtlich.

38

c) Eine gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung liegt ebenfalls nicht vor. Insoweit gilt das oben zum Nichtvorliegen einer Selbstbindung der Verwaltung Ausgeführte gleichermaßen (zur Herleitung der Selbstbindung der Verwaltung aus dem Gleichbehandlungsgebot vgl BSG vom 18.12.2013 - B 12 R 2/11 R - SozR 4-2400 § 23a Nr 7, RdNr 42). Danach mag dahinstehen, inwieweit Art 3 Abs 1 GG auf die Klägerin als ausländische juristische Person überhaupt Anwendung finden kann (zur Anwendung der Grundrechte des GG im Lichte der Grundfreiheiten vgl BVerfG vom 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 ua - RdNr 196 ff).

39

d) Jedenfalls wegen des Fehlens einer Ungleichbehandlung kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbote berufen. Dies gilt für Art 12 Abs 1 EGV wie auch für den allgemeinen Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung (Art 6 Abs 2 EUV, dazu EuGH vom 12.12.2002 - C-442/00 - Caballero, Slg 2002, I-11915 RdNr 32 = SozR 3-6084 Art 2 Nr 3 S 20; EuGH vom 19.10.1977 - Rs 117/76 - Ruckdeschel, Slg 1977, 1753 RdNr 7).

40

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm §§ 154 Abs 2, 162 Abs 3 VwGO.

41

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren hat seine Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2 S 1, 52 Abs 1 und 2, 47 Abs 1 GKG. Sie entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Streitwertfestsetzung durch das LSG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 16. Aug. 2017 - B 12 KR 19/16 R

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Urteil, 16. Aug. 2017 - B 12 KR 19/16 R

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Urteil, 16. Aug. 2017 - B 12 KR 19/16 R zitiert 12 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 31 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemei

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 109 Abschluß von Versorgungsverträgen mit Krankenhäusern


(1) Der Versorgungsvertrag nach § 108 Nr. 3 kommt durch Einigung zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und dem Krankenhausträger zustande; er bedarf der Schriftform. Bei den Hochschulkliniken gilt die Anerkennu

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundessozialgericht Urteil, 16. Aug. 2017 - B 12 KR 19/16 R zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundessozialgericht Urteil, 16. Aug. 2017 - B 12 KR 19/16 R zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 18. Dez. 2013 - B 12 R 2/11 R

bei uns veröffentlicht am 18.12.2013

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Beschluss, 31. Aug. 2011 - GS 2/10

bei uns veröffentlicht am 31.08.2011

Tenor Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegend
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 16. Aug. 2017 - B 12 KR 19/16 R.

Bundessozialgericht Urteil, 09. Aug. 2018 - B 14 AS 38/17 R

bei uns veröffentlicht am 09.08.2018

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Berechtigung der Beklagten, Ansprüche der Beigeladenen mit der Altersrente des Klägers durch Verwaltungsakt zu verrechnen.

2

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit Oktober 2003 Altersrente. Nachdem die Beigeladene die Beklagte im Oktober 2005 schriftlich zur Verrechnung einer Forderung in Höhe von damals über 53 000 Euro (Erstattung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie Ersatz von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen nebst Mahnkosten) mit Leistungsansprüchen des Klägers gegen die Beklagte ermächtigt hatte, erklärte diese gegenüber dem Kläger nach dessen Anhörung, der Anspruch der Beigeladenen werde "mit dem Anspruch auf Rente in der Weise verrechnet, dass ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt monatlich 436 Euro von der Rentenzahlung einbehalten und an die Beigeladene bis zur Tilgung der Forderung gezahlt" würden (Bescheid vom 21.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 13.6.2006).

3

Die Klage hiergegen hatte erst- und zweitinstanzlich insoweit Erfolg, als der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben wurde, weil eine Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt habe vorgenommen werden dürfen (Urteil des SG vom 27.7.2007; Urteil des LSG vom 7.2.2008). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Prüfung beschränke sich darauf, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Verrechnungserklärung in Form eines Verwaltungsakts abzugeben. Hierfür fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigung; weil es sich bei der Verrechnungserklärung in der Sache nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung handele, müsse diese als rechtswidriger "formeller Verwaltungsakt" aufgehoben werden.

4

Der im Revisionsverfahren mit der Sache befasste 13. Senat des BSG beabsichtigt, das Berufungsurteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, sieht sich jedoch hieran durch das Urteil des 4. Senats vom 24.7.2003 (SozR 4-1200 § 52 Nr 1)gehindert, weil er, wenn er seiner Entscheidung die Rechtsauffassung dieses Urteils zugrunde legen würde, die Verrechnung nach § 52 SGB I erfolge nicht durch Verwaltungsakt, die Revision zurückweisen müsse.

5

Auf Anfrage hat der 4. Senat an seiner Rechtsprechung festgehalten (Beschluss vom 22.9.2009); der 13. Senat hat deshalb dem Großen Senat die Rechtsfrage vorgelegt (Beschluss vom 25.2.2010),

        

ob eine Verrechnung nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären sei.

6

II. Die Vorlage ist zulässig (§ 41 Abs 2 und 3 SGG); insbesondere ist die vom 13. Senat aufgeworfene Frage bei sachgerechter Auslegung im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich.

7

Unabhängig von der Formulierung der Anfrage des 13. Senats scheitert die Bejahung der Entscheidungserheblichkeit nicht bereits daran, dass das Urteil des LSG wegen Verstoßes gegen § 155 Abs 3 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen wäre, weil in der Berufungsinstanz der Vorsitzende als Einzelrichter entschieden, gleichzeitig aber die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt hierin zwar regelmäßig ein absoluter Revisionsgrund (BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, jeweils RdNr 11 ff und 22 f); jedoch rechtfertigen vorliegend besondere Umstände die Entscheidung des Vorsitzenden, sodass die Handhabung des § 155 Abs 3 SGG nicht ermessensfehlerhaft ist(vgl zu solchen Gründen: BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 11 f; SozR 4-4300 § 53 Nr 4 RdNr 14).

8

Zum einen ist in der vorausgegangenen Anfrage an die Beteiligten, ob einer Entscheidung durch den Vorsitzenden als Einzelrichter zugestimmt werde, bereits ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass "aller Voraussicht nach die Revision zuzulassen sein" werde. Zum anderen hat der für den Senat entscheidende Vorsitzende keine von der Rechtsprechung seines Senats abweichende eigenständige Rechtsprechung begründet, sondern ist vielmehr ausdrücklich jener und der des 4. Senats des BSG gefolgt; die Revision wurde lediglich mit der Erwägung zugelassen, angesichts der zwischen dem 4. und 13. Senat des BSG zu Tage getretenen Unterschiede in der Bewertung der Rechtsnatur der Verrechnungserklärung rasch eine höchstrichterliche Klärung der Streitfrage ermöglichen zu wollen. Dies entzieht den Beteiligten jedenfalls nicht die für die letztverbindliche Entscheidung der Streitfrage zuständigen Richter des BSG, sondern öffnet den Weg zu ihnen in Übereinstimmung mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung (vgl hierzu: BSG SozR 4-4300 § 53 Nr 4 RdNr 14; BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, jeweils RdNr 21).

9

Der Klage kann auch nicht das Rechtsschutzinteresse abgesprochen werden (vgl dazu BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 43/07 R - RdNr 16). Im Hinblick darauf, dass die Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen noch nicht insgesamt beglichen ist, haben alle Beteiligten ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob ein Verwaltungsakt hat ergehen dürfen.

10

Die Entscheidung des Großen Senats erfordert indes eine Auslegung der Anfrage des 13. Senats. Sie kann bereits vom Ansatz her und unter Beachtung des Erfordernisses der Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren nicht so umfassend gemeint sein, wie der Wortlaut nahelegen könnte. Eine Divergenz misst sich immer an der zugrundeliegenden Fallgestaltung; darauf fußend kann der 13. Senat nur geklärt wissen wollen, ob bei der konkreten Konstellation für die Verrechnung die Handlungsform des Verwaltungsakts rechtmäßig gewählt wurde. Seine in der Anfrage gewählte Formulierung ("ob eine Verrechnung nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären ist") ist vor diesem Hintergrund streitgegenständlich zu konkretisieren.

11

Dies bedeutet, dass eine Antwort bezogen auf den Verrechnenden nur für die einseitige, nicht für die vertraglich zwischen dem Leistungsträger und dem Leistungsempfänger geregelte, Verrechnung verlangt wird; erfasst wird auch nur die Verrechnung mit einer öffentlich-rechtlichen, nicht mit einer privatrechtlichen, Forderung. Auszuklammern sind - bezogen auf den Verrechnungsgegner - zudem die Sachverhaltsvarianten,

        

- dass dieser nicht Inhaber eines Sozialleistungsanspruchs (§ 11 SGB I) ist

        

- oder den Sozialleistungsanspruch im Wege einer Rechtsnachfolge erworben hat.

Es kann deshalb offen bleiben, ob bzw inwieweit die bezeichneten Konstellationen überhaupt von § 52 SGB I erfasst werden. Nicht entscheidungserheblich für das Ausgangsverfahren - deshalb vom 13. Senat zu Recht nicht angefragt - ist außerdem die Rechtsnatur einer Aufrechnung im Sinne des § 51 SGB I bzw sonstiger sozialrechtlicher Vorschriften.

12

Wie der Tenor des Anfragebeschlusses des 13. Senats vom 5.2.2009 gegenüber dem 4. Senat zeigt (nicht Erklärung durch Verwaltungsakt, sondern Ausübung durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung), ist das Anliegen des 13. Senats dabei nicht isoliert die Klärung der rechtlichen Qualität der bloßen Erklärung "zu verrechnen", sondern die des Gesamtaktes der Verrechnung. Diese ist in der Praxis nämlich regelmäßig mit (notwendigen) Konkretisierungen der Rechtsfolge (zB Umfang und Beginn) verbunden. Was im Einzelnen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Empfängerhorizonts (vgl dazu: BSGE 67, 104, 110 f = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; vgl auch BSG, Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - RdNr 18) zu verlangen ist, bzw ob die gewählte Formulierung hinreichend bestimmt ist (§ 33 Abs 1 SGB X), um überhaupt einen Verwaltungsakt bzw einen rechtmäßigen Verwaltungsakt annehmen zu können, ist eine Frage der Auslegung im Einzelfall und unterliegt nicht der Beurteilung des Großen Senats.

13

Es ist auch nicht darüber zu befinden, ob das gegenseitige Erlöschen der verrechneten Forderungen ausdrücklich erklärt werden muss oder ob es genügt, dass sich diese Rechtsfolge in entsprechender Anwendung des § 389 BGB aus dem Gesetz ergibt. Ebenso wenig ist zu entscheiden, ob bzw inwieweit trotz ggf rechtswidrigen Verwaltungsakts eine darin enthaltene wirksame Verrechnung durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung zu sehen sein kann (vgl zum Form-Verwaltungsakt: BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 43/07 R - RdNr 16; BFHE 157, 8 ff) oder ob sich die Annahme einer Verwaltungsaktqualität und die einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung nicht gegenseitig ausschließen, weil auch die Willenserklärung eine hinreichend konkrete Angabe der gewollten Rechtsfolgen enthalten muss. Die Vorlagefrage ist schließlich unter dem Blickwinkel der Entscheidungserheblichkeit nur dahin zu verstehen, ob eine Verrechnung erklärt werden darf; denn im Ausgangsfall ist die Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt worden.

14

Unter diesen Vorgaben und mit den beschriebenen Einschränkungen ist die Anfrage an den Großen Senat im Ausgangsverfahren des 13. Senats entscheidungserheblich. Wäre der Entscheidung des 4. Senats zu folgen, wären die Revisionen der Beklagten und Beigeladenen zurückzuweisen; wäre die Rechtsfrage im Sinne der Anfrage zu entscheiden, müsste der 13. Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, weil es zumindest an erforderlichen Tatsachenfeststellungen für die Beantwortung folgender Rechtsfragen fehlt:

        

-       

Bestehen der von der Beigeladenen gegen den Kläger geltend gemachten Forderungen,

        
        

-       

Pfändbarkeit der Rentenansprüche des Klägers gegen die Beklagte (§ 52 SGB I iVm § 51 Abs 1 SGB I),

        
        

-       

Voraussetzungen des § 51 Abs 2 SGB I (Verrechnung höchstens zur Hälfte; keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII oder dem SGB II),

        
        

-       

ordnungsgemäße Ausübung des der Beklagten zustehenden Ermessens.

        
15

Geht man vom umschriebenen Verständnis zur Durchführung der einseitigen Verrechnung aus, so kann diese alle Voraussetzungen eines Verwaltungsakts nach § 31 SGB X erfüllen. Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt schon darin, dass die im Bescheid enthaltene (konkretisierte) Verrechnungserklärung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten hat, indem sie diesen, soweit die Verrechnungserklärung reicht, erlöschen lässt (vgl BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 17 f). Dass sich dies bereits aus dem Gesetz (entsprechend § 389 BGB) ergibt, ändert hieran nichts; die Rechtsfolge tritt jedenfalls ohne weiteren Umsetzungsakt ein (vgl zu dieser Voraussetzung BSGE 75, 97, 107 = SozR 3-4100 § 116 Nr 2 S 56; vgl auch BSG SozR 3-2200 § 306 Nr 2 S 7). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Beziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten, dem Sozialleistungsempfänger, in dieser Form ihrer Art nach zusteht(vgl zu diesem Merkmal nur U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 104 mwN); dahinstehen kann, ob diesem Gesichtspunkt gegenüber den anderen Voraussetzungen überhaupt ein eigenes Gewicht zukommt.

16

Die Verwaltung bedarf zum Erlass des Verwaltungsaktes keiner über § 52 SGB I hinausgehenden Ermächtigung. Wie für die Aufrechnung (vgl nur: BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSGE 78, 132, 134 = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 16) hat das BSG für die Verrechnung (vgl nur: BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 3 S 32) als besonderer Form der Aufrechnung (BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSGE 67, 143, 155 f = SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 15; SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 14) lange Zeit mehr oder minder selbstverständlich angenommen, dass die Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt werden darf (vgl dazu auch den Vorlagebeschluss des 13. Senats unter RdNr 26); es hat dabei eine unmittelbare Anwendung der §§ 387 ff BGB, die eine Durchführung der Aufrechnung oder der Verrechnung durch (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung nahelegen könnten, abgelehnt und stattdessen formuliert, die Vorschriften bzw Grundsätze des BGB seien (nur) entsprechend anwendbar(BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, jeweils RdNr 17; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, jeweils RdNr 11; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 11 S 55 f; SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 15; SozR 3-1200 § 52 Nr 3 S 32; SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 8 mwN).

17

Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung eines SGB I (BT-Drucks 7/868, S 22) ist von demselben Verständnis getragen. Darin wird hervorgehoben, die Vorschriften des Dritten Abschnitts des SGB I gingen davon aus, dass die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, die durch Konkretisierung von Verfassungsnormen und durch entsprechende Anwendung von Regelungen anderer Rechtsgebiete, insbesondere des Bürgerlichen Rechts, von Wissenschaft und Rechtsprechung erarbeitet worden seien, auch in das Sozialrecht (nur) ausstrahlten. Die zivilrechtlichen Normen sind aber von § 52 SGB I die Rechtsnatur der Verrechnung gestaltend überlagert. § 52 SGB I enthält ein spezifisches "Sonderrecht"; eine vergleichbare Regelung, mit der das Erfordernis der Personenidentität für die Gegenseitigkeit der Forderungen aufgehoben wird, ist im öffentlichen Recht ansonsten bzw im Zivilrecht nicht ersichtlich. § 52 SGB I beseitigt damit eine für die Aufrechnung nach §§ 387 ff BGB strukturwesentliche Voraussetzung. Es kann dahinstehen, ob § 52 SGB I allein schon deshalb als Ermächtigungsnorm zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu verstehen ist; jedenfalls bedarf die Verwaltung über § 52 SGB I hinaus für ein Handeln durch Verwaltungsakt keiner weiteren (ausdrücklichen) Ermächtigungsgrundlage, weil sich die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts zumindest aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses ergibt(vgl dazu in anderem Zusammenhang: BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 4 S 16 mwN; BVerwG, Urteil vom 3.3.2011 - 3 C 19/10).

18

Dies sieht der Gesetzgeber in § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X ebenso; dort ist ein Verzicht auf die Anhörung vor Erlass eines Verwaltungsaktes vorgesehen, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes wird mithin stillschweigend vorausgesetzt. Dem widerspricht nicht, dass der Gesetzgeber in § 42a Abs 2, § 43 Abs 4 SGB II mit Wirkung ab 1.4.2011 expressis verbis den Erlass eines (schriftlichen) Verwaltungsakts für die Aufrechnung vorgeschrieben hat. Abgesehen davon, dass diese Vorschriften inhaltlich für eine Verrechnung keine Bedeutung gewinnen können, sind diese Neuregelungen des SGB II kein Beleg dafür, dass für die Verrechnung eine über § 52 SGB I hinausgehende Ermächtigung erforderlich sein soll.

19

Mit seiner Entscheidung weicht der Große Senat des BSG schließlich nicht von Entscheidungen des BGH (Beschluss vom 22.3.2004 - NotZ 16/03 -, NJW-RR 2004, 1432 ff), des BVerwG (BVerwGE 66, 218 ff; 132, 250 ff) oder des BFH (BFHE 149, 482, 489 f; 178, 306 ff) ab, die bei der einseitigen Ausübung der hier ohnedies nicht streitgegenständlichen Aufrechnung die Rechtsnatur als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bestimmen. Die bezeichneten Entscheidungen beruhen auf anderen Rechtsgrundlagen und sind nicht zu den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften, insbesondere nicht zur Verrechnung nach § 52 SGB I, ergangen.

(1) Der Versorgungsvertrag nach § 108 Nr. 3 kommt durch Einigung zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und dem Krankenhausträger zustande; er bedarf der Schriftform. Bei den Hochschulkliniken gilt die Anerkennung nach den landesrechtlichen Vorschriften, bei den Plankrankenhäusern die Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan nach § 8 Abs. 1 Satz 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes als Abschluss des Versorgungsvertrages. Dieser ist für alle Krankenkassen im Inland unmittelbar verbindlich. Die Vertragsparteien nach Satz 1 können im Einvernehmen mit der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde eine gegenüber dem Krankenhausplan geringere Bettenzahl vereinbaren, soweit die Leistungsstruktur des Krankenhauses nicht verändert wird; die Vereinbarung kann befristet werden. Enthält der Krankenhausplan keine oder keine abschließende Festlegung der Bettenzahl oder der Leistungsstruktur des Krankenhauses, werden diese durch die Vertragsparteien nach Satz 1 im Benehmen mit der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde ergänzend vereinbart.

(2) Ein Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrags nach § 108 Nr. 3 besteht nicht. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Krankenhäusern, die sich um den Abschluß eines Versorgungsvertrags bewerben, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Krankenhaus den Erfordernissen einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten sowie leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhausbehandlung am besten gerecht wird.

(3) Ein Versorgungsvertrag nach § 108 Nr. 3 darf nicht abgeschlossen werden, wenn das Krankenhaus

1.
nicht die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung bietet,
2.
bei den maßgeblichen planungsrelevanten Qualitätsindikatoren nach § 6 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes auf der Grundlage der vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 136c Absatz 2 übermittelten Maßstäbe und Bewertungskriterien nicht nur vorübergehend eine in einem erheblichen Maß unzureichende Qualität aufweist, die im jeweiligen Landesrecht vorgesehenen Qualitätsanforderungen nicht nur vorübergehend und in einem erheblichen Maß nicht erfüllt, höchstens drei Jahre in Folge Qualitätsabschlägen nach § 5 Absatz 3a des Krankenhausentgeltgesetzes unterliegt oder
3.
für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung der Versicherten nicht erforderlich ist.
Abschluß und Ablehnung des Versorgungsvertrags werden mit der Genehmigung durch die zuständigen Landesbehörden wirksam. Verträge, die vor dem 1. Januar 1989 nach § 371 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung abgeschlossen worden sind, gelten bis zu ihrer Kündigung nach § 110 weiter.

(4) Mit einem Versorgungsvertrag nach Absatz 1 wird das Krankenhaus für die Dauer des Vertrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§ 39) der Versicherten verpflichtet. Die Krankenkassen sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung zu führen.

(5) Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen und Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen verjähren in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Satz 1 gilt nicht für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

(6) Gegen Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab dem 1. Januar 2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind, können Krankenkassen nicht mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen aufrechnen. Die Aufrechnung ist abweichend von Satz 1 möglich, wenn die Forderung der Krankenkasse vom Krankenhaus nicht bestritten wird oder rechtskräftig festgestellt wurde. In der Vereinbarung nach § 17c Absatz 2 Satz 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes können abweichende Regelungen vorgesehen werden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 220 869 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Klägerin auf im Jahr 2001 gewährte Fahrvergünstigungen nachträglich Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu zahlen hat.

2

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden einheitlich: Klägerin), die als Konzerntochter der Deutsche Bahn AG in der Güterbeförderung tätig ist, gewährte ihren Mitarbeitern sowie deren Angehörigen in den Jahren 1999 bis 2001 verschiedene Fahrvergünstigungen (Freifahrten und Fahrpreisermäßigungen). Aktive und passive Mitarbeiter sowie deren Angehörige erhielten Freifahrscheine und Ermäßigungsscheine für das inländische Streckennetz und ausländische Bahnnetze, leitende aktive Führungskräfte zusätzlich eine persönliche Jahresnetzkarte zur beruflichen und privaten Nutzung. Die Klägerin gab an ihre Mitarbeiter außerdem unentgeltlich Schul- und Ausbildungsfahrkarten für deren Kinder aus. Sie ermittelte den geldwerten Vorteil der Fahrvergünstigungen nach § 8 Abs 2 EStG und versteuerte diese teilweise pauschal nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG, teilweise arbeitnehmerbezogen (zB Jahresnetzkarten ab 1.10.2000), teilweise gar nicht (zB Frei-, Personal- und Auslandsfahrkarten bei Angehörigen von Jahresnetzkarteninhabern im Jahr 2000, Schul- und Ausbildungsfahrkarten in den Jahren 2000 und 2001).

3

Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin forderte das Betriebsstättenfinanzamt mit Bescheid vom 13.2.2004 unter Hinweis auf §§ 40, 40a, 40b EStG Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 2 034 413,18 Euro nach. Die Nachversteuerung der Vorteile aus den Freifahrscheinen und Ermäßigungsscheinen erfolgte im Hinblick auf Differenzen bei den Bemessungsgrundlagen und - unter Bezugnahme auf § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG - nach einer Neuermittlung der Pauschsteuersätze unter Berücksichtigung der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen. Hinsichtlich der Jahresnetzkarten wurde eine Anpassung der Nettosteuersätze nach § 40 EStG auf der Grundlage des tatsächlich betroffenen Personenkreises vorgenommen. Auf die bis dahin unversteuerten Vergünstigungen wurden Steuern und Solidaritätszuschlag nacherhoben.

4

Der beklagte Rentenversicherungsträger forderte von der Klägerin nach einer Betriebsprüfung mit einem nicht personenbezogenen Bescheid (Summenbescheid) vom 27.12.2005 für den Zeitraum vom 1.1.1999 bis 31.12.2001 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1 121 712,68 Euro nach; für das Jahr 2001 betrug die Nachforderung 220 869,10 Euro. Er wertete hierbei den genannten Bescheid des Betriebsstättenfinanzamts aus und nahm dessen Steuernachforderungen zum Anlass für seine Beitragsnachforderung. Die Klägerin widersprach mit der Begründung, steuerrechtlich habe lediglich die Korrektur einer bereits genehmigten Pauschalierung nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG stattgefunden; nach dieser Vorschrift mit einem Pauschsteuersatz versteuerte sonstige Bezüge seien aber nach § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.5.2006 unter Hinweis darauf zurück, dass das Betriebsstättenfinanzamt keine nachträgliche Korrektur der Pauschsteuer nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG vorgenommen, sondern Lohnsteuer in Anwendung von § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG nacherhoben habe.

5

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.9.2008). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das erstinstanzliche Urteil geändert und die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als die Beklagte darin vor dem 1.1.2001 fällig gewordene Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachgefordert hat; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen: Die Berufung sei hinsichtlich der in den Jahren 1999 und 2000 fällig gewordenen Beiträge erfolgreich, weil diese im Zeitpunkt ihrer Festsetzung bereits verjährt gewesen seien. Hinsichtlich der im Jahr 2001 fällig gewordenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge habe die Berufung indessen zurückgewiesen werden müssen, weil die in den Fahrvergünstigungen liegenden geldwerten Vorteile beitragspflichtiges Arbeitsentgelt und nicht aufgrund des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV hiervon ausgenommen seien. So handele es sich bei den Fahrvergünstigungen um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt iS von § 23a SGB IV. Die zum 1.1.2003 in Kraft getretene Ausnahmeregelung des § 23a Abs 1 S 2 SGB IV komme noch nicht zur Anwendung und stelle auch nicht einen bereits zuvor bestehenden Rechtszustand lediglich (deklaratorisch) klar. Dessen ungeachtet sei der Tatbestand des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV auch deshalb nicht erfüllt, weil die Fahrvergünstigungen keine "sonstigen Bezüge" nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG darstellten, sondern Bezüge, die nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG besteuert worden seien. Nach Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheides vom 13.2.2004, in dem sich das Finanzamt auf § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG gestützt habe, sei die Klägerin zur Wahl einer Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG nicht mehr berechtigt gewesen. Schließlich könne sich die Klägerin gegenüber der Beitragsforderung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Frühere beanstandungsfrei verlaufene Betriebsprüfungen hätten Vertrauen ebenso wenig begründet wie die Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 26./27.6.2002 (Die Beiträge 2002, 547) und vom 18./19.11.2002 (Die Beiträge 2003, 432, 438); letztere führten auch nicht zu einer Verwirkung des Beitragsanspruchs. Die Urteile des BSG vom 7.2.2002 (SozR 3-2400 § 14 Nr 23 und BSGE 89, 158 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3) gäben keine Veranlassung, für zurückliegende Zeiträume Vertrauensschutz zu gewähren (Urteil vom 19.1.2011).

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 14 SGB IV und § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV. Entgegen der Auffassung des LSG lägen die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV vor, weil sie einen Anspruch auf "Qualifikation" der im Jahr 2001 gewährten Fahrvergünstigungen als "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" habe; außerdem stellten diese "sonstige Bezüge" iS des § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG dar. Sie - die Klägerin - könne die Behandlung der Fahrvergünstigungen als "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" ohne Rücksicht auf die Urteile des BSG vom 7.2.2002 und den Umstand, dass § 23a Abs 1 S 2 SGB IV erst zum 1.1.2003 in Kraft getreten sei, allein deshalb beanspruchen, weil ihr Vertrauen in die bisherige Verwaltungspraxis schützenswert sei. Das folge schon aus allgemeinen Vertrauensschutzprinzipien, weil die Beklagte für Beitragserhebungszeiträume vor der Veröffentlichung der genannten Urteile von einer langjährigen begünstigenden Verwaltungsübung abgewichen sei; im Übrigen habe in der Nichtbeanstandung der von ihr vorgenommenen Anmeldungen durch die Beklagte deren Zustimmung zur bisherigen Handhabung gelegen. Außerdem sei die Beklagte im konkreten Fall an die oa Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger gebunden gewesen. Der Gesetzgeber habe nach einer entsprechenden Aufforderung durch die Spitzenverbände erkennbar nur aufgrund deren Verlautbarung, die Rechtsprechung des BSG vor dem 1.1.2003 nicht anwenden zu wollen, auf eine rückwirkende gesetzliche Änderung verzichtet, während die Spitzenverbände ihrerseits nur im Hinblick auf die erwartete gesetzliche Neuregelung die Nichtanwendung der Rechtsprechung bis zum Inkrafttreten der Neuregelung bestätigt hätten; dieses Zusammenwirken habe zu einer Selbstbindung der Spitzenverbände und ihrer Mitgliedsunternehmen geführt, nach dem "Verzicht" des Gesetzgebers auf eine rückwirkende Regelung nicht eine gegenteilige Position einzunehmen. Schließlich hätten die Besprechungsergebnisse auch im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG zu einer Selbstbindung der Verwaltung geführt. Die Nichtanwendung von veröffentlichten Besprechungsergebnissen (nur) auf bestimmte Beitragsverpflichtete erweise sich als willkürlich. "Sonstige Bezüge" nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG lägen vor, weil es für die "Qualifikation" der Fahrvergünstigungen insoweit im Kontext des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV nur darauf ankomme, ob diese materiell-rechtlich sonstige Bezüge nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG darstellen könnten, was hier der Fall sei. Eine andere Beurteilung sei nicht im Hinblick auf eine Bindungswirkung geboten, die aus dem Verhalten der Finanzverwaltung abgeleitet werden müsse; eine solche ergebe sich insbesondere nicht aus deren bestandskräftigem Nachforderungsbescheid vom 13.2.2004.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2011 zu ändern, soweit es den Beitragserhebungszeitraum 2001 betrifft, sowie das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25. September 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2006 in vollem Umfang aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ihre Bescheide seien für das noch streitige Jahr 2001 rechtmäßig. Die Klägerin könne eine Behandlung der Fahrvergünstigungen als "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" nicht verlangen, weil sie sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Zum einen seien ihr die Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger nicht bekannt gewesen. Zum anderen habe sie - die Beklagte - den Konflikt zwischen Bindungswirkung höchstrichterlicher Urteile und Verpflichtung zur Gleichbehandlung zu Gunsten der Bindungswirkung lösen müssen; denn es gebe keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Ob die Fahrvergünstigungen sonstige Bezüge nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG darstellten, brauche deshalb nicht entschieden zu werden.

10

Auch die Beigeladene zu 9. hält das Berufungsurteil für zutreffend, stellt jedoch keinen Antrag. Die übrigen Beigeladenen sehen von einer Stellungnahme ab.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

Zu Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das ihre Klage abweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen, soweit es die noch streitigen Beitragsnachforderungen der Beklagten für im Jahr 2001 gewährte Fahrvergünstigungen in Höhe von 220 869,10 Euro betrifft. Der Bescheid der Beklagten vom 27.12.2005 und ihr Widerspruchsbescheid vom 30.5.2006 sind insoweit rechtmäßig.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das zulässig mit der Anfechtungsklage verfolgte Begehren der Klägerin auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide, soweit darin Gesamtsozialversicherungsbeiträge auf im Jahr 2001 gewährte Fahrvergünstigungen nacherhoben werden (im Folgenden: Beitragserhebungszeitraum 2001). Nicht zu überprüfen sind demgegenüber die Beitragsnachforderungen für die Beitragserhebungszeiträume 1999 und 2000, obwohl die Beklagte in ihren Bescheiden auch hierüber entschied; denn gegen das für sie insoweit ungünstige Berufungsurteil hat die Beklagte keine Revision eingelegt.

14

Die Beklagte war im Rahmen der von ihr durchgeführten Betriebsprüfung befugt, Verwaltungsakte zur Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegenüber der Klägerin als Arbeitgeberin zu erlassen (§ 28p Abs 1 S 5 Halbs 1 SGB IV). Sie durfte nach § 28f Abs 2 SGB IV den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auch von der Summe der von der Klägerin gewährten, in den Fahrvergünstigungen liegenden Vorteile geltend machen. Diese Vorteile gehörten zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt (dazu sogleich unter 2.). Allein (schon) aus der (teilweisen) Nichtentrichtung von Beiträgen ergibt sich, dass die Klägerin ihren Aufzeichnungspflichten als Arbeitgeberin nicht nachgekommen war. Die Beklagte durfte einen personenbezogenen Beitragsbescheid ferner im Hinblick auf die Zahl der gewährten Fahrvergünstigungen und der begünstigten (teilweise nicht sozialversicherungspflichtigen) Personen als unverhältnismäßig aufwändig ansehen. Zudem hat die Klägerin die Zulässigkeit eines Summenbescheides bis zum Abschluss des Vorverfahrens nicht beanstandet (vgl hierzu BSGE 89, 158, 163 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3 S 8). Ebenso wenig hat sie in diesem Zusammenhang nach den Feststellungen des LSG Einwände gegen die Berechnung des Nachforderungsbetrags - etwa gegen die Anwendung der Zuordnungsregelung für Einmalzahlungen - erhoben, insbesondere nicht geltend gemacht, die Reduzierung der Bemessungsgrundlage um 36,6 vH wegen der Begünstigung von nicht (wegen Beschäftigung) sozialversicherungspflichtigen Personen sei zu gering ausgefallen.

15

2. Die angefochtenen Beitragsbescheide der Beklagten sind auch in der Sache nicht zu beanstanden, weil die in den im Jahr 2001 gewährten Fahrvergünstigungen liegenden Vorteile zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehörten und deshalb der Beitragserhebung zugrunde zu legen waren.

16

Der Beitragsbemessung in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie in der Renten- und Arbeitslosenversicherung wurde im Jahr 2001, um das es hier geht, bei versicherungspflichtig Beschäftigten das "Arbeitsentgelt" zugrunde gelegt (§ 226 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V; § 57 Abs 1 SGB XI iVm § 226 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V; § 162 Nr 1 SGB VI; § 342 SGB III). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IV in seiner bis heute unveränderten Fassung alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

17

Bei den Fahrvergünstigungen (Freifahrten und Fahrpreisermäßigungen), die im Jahr 2001 von den Beschäftigten der Klägerin in Anspruch genommen wurden, handelte es sich (grundsätzlich) um Arbeitsentgelt in diesem Sinne, weil diese den Beschäftigten einen geldwerten Vorteil verschafften. Er lag darin, dass für Bahnfahrten - auf inländischen und ausländischen Streckennetzen - kein Fahrpreis oder jedenfalls betragsmäßig weniger als der übliche Fahrpreis gezahlt werden musste. Dieser finanzielle Vorteil wurde auch aufgrund der Beschäftigung bei der Klägerin erlangt.

18

Der Wert der den Beschäftigten aufgrund der Fahrvergünstigungen zugeflossenen Vorteile war nicht nach den Vorschriften der gemäß § 17 Abs 1 SGB IV erlassenen, bis zum 31.12.2006 geltenden ArEV von der Beitragspflicht ausgenommen. Entgegen der Auffassung der Klägerin waren die in den gewährten Fahrvergünstigungen liegenden geldwerten Vorteile nicht nach der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV dem Arbeitsentgelt "nicht zuzurechnen".

19

a) Nach § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV in der hier anzuwendenden, im Jahr 2001 geltenden Fassung(der Verordnung zur Änderung der Sachbezugsverordnung und der Arbeitsentgeltverordnung vom 18.12.1998, BGBl I 3822) waren dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen sonstige Bezüge nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG, die nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach § 23a SGB IV sind, soweit der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz erheben kann und er die Lohnsteuer nicht nach den Vorschriften der §§ 39b, 39c oder 39d EStG erhebt.

20

Bei den den Beschäftigten der Klägerin im Jahr 2001 gewährten Fahrvergünstigungen (Freifahrten und Fahrpreisermäßigungen) handelte es sich um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt iS des § 23a SGB IV mit der Folge, dass die (Negativ)Voraussetzung des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV, nach der - unter weiteren Bedingungen - nur "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach § 23a SGB IV" dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen ist, nicht vorliegt. Für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt belässt es § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV auch bei einer - angenommenen - Pauschalversteuerung als "sonstiger Bezug" nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG bei der Beitragspflicht.

21

Der Senat kann daher (in diesem Verfahren) offenlassen, ob die gewährten Fahrvergünstigungen sonstige Bezüge "nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG" darstellten (wie die Klägerin meint) oder - wovon das LSG im Rahmen einer Hilfserwägung ausgeht - ob diese wegen der Nacherhebung von Lohnsteuer nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG besteuert wurden und der "Beitragsbefreiungstatbestand" des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV (zusätzlich) auch deshalb nicht erfüllt ist. Dahinstehen kann insbesondere, ob - so das LSG - das Betriebsstättenfinanzamt seinen Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 13.2.2004 (insgesamt) auf § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG (als Rechtsgrundlage) stützte und ob die Klägerin infolge Hinnahme dieses (bestandskräftigen) Bescheides wegen eines Verlustes ihres Pauschalierungsrechts nicht mehr zur Pauschalierung nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG berechtigt war oder - wie die Klägerin im Einzelnen näher geltend macht - ob der Lohnsteuernachforderungsbescheid keine solche "Sperrwirkung" entfaltete.

22

b) Nach § 23a Abs 1 SGB IV in der hier anwendbaren, bis 31.12.2002 geltenden Fassung sind einmalig gezahltes Arbeitsentgelt Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden (S 1). Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist dabei dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt wird (vgl S 2). Der 12. Senat des BSG hat bereits mehrfach entschieden, dass insoweit nicht der Zeitpunkt der Auszahlung maßgebend ist, sondern es entscheidend darauf ankommt, ob das gezahlte Entgelt Vergütung für die in einem einzelnen, dh einem bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit ist (vgl hierzu die Rechtsprechungsnachweise in BSGE 103, 229 = SozR 4-2400 § 23a Nr 5, RdNr 16; zuletzt BSG SozR 4-2400 § 23a Nr 6 RdNr 18). Der Senat hat in seinem Urteil vom 27.10.1989 in Anwendung der dazu entwickelten Abgrenzungskriterien Montagebeteiligungen nicht als einmalig gezahltes, sondern als laufendes Arbeitsentgelt angesehen, weil sie sich als Lohn für Arbeiten in bestimmten, feststehenden oder feststellbaren Lohnabrechnungszeiträumen erwiesen (BSGE 66, 34, 40 = SozR 2200 § 285 Nr 22 S 113). Demgegenüber hat der Senat in zwei Urteilen vom 7.2.2002 den Gegenwert einer kostenlosen Kontoführung bei einer Sparkasse (BSGE 89, 158, 166 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3 S 12) und verbilligte Flüge bei einer Fluggesellschaft (BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 23 S 58) als Einmalzahlungen zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gerechnet. In seinen Urteilen vom 26.1.2005 (BSG SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 15, 18) und 3.6.2009 (BSGE 103, 229 = SozR 4-2400 § 23a Nr 5, RdNr 16, 18) hat er schließlich pauschal an Außendienstmitarbeiter gezahlte Aufwandsentschädigungen und in Etappen ausgezahlte variable, leistungsbezogene Entgelte als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt behandelt.

23

Bei Anlegen dieser Maßstäbe stellen die in den im Jahr 2001 gewährten Fahrvergünstigungen liegenden geldwerten Vorteile (an sich) einmalig gezahltes Arbeitsentgelt dar. Im - für die Beurteilung einer Zuwendung als laufendes Arbeitsentgelt oder Einmalzahlung maßgebenden (vgl BSGE 103, 229 = SozR 4-2400 § 23a Nr 5, RdNr 17; SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 16 f) - Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsansprüche (vgl zum Entstehen des Beitragsanspruchs bei Zufluss von Arbeitsentgelt: BSGE 103, 229 = SozR 4-2400 § 23a Nr 5, RdNr 17, und BSG SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 17, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 24 S 63) konnten die Zahlungen als Arbeitsentgelt einem konkreten Entgeltabrechnungszeitraum weder im Hinblick auf den Umfang noch im Hinblick auf die Art einer (konkreten) Arbeitsleistung zugeordnet werden. Unter Berücksichtigung des Zeitraums ihrer Gewährung (hier: 2001) sind sie auch noch nicht in Anwendung des § 23a Abs 1 S 2 SGB IV in seiner erst ab 1.1.2003 geltenden Fassung (des Art 2 Nr 7a des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4621) vom Begriff des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts - und damit von der Beitragspflicht - ausgenommen, wonach solche Zahlungen "nicht" als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt "gelten" würden.

24

c) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die im Jahr 2001 gewährten Fahrvergünstigungen ausnahmsweise (doch) als "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" behandelt werden. Sie kann sich hierfür weder auf den (verfassungsrechtlichen) Grundsatz des Vertrauensschutzes oder den (einfach-rechtlichen) Grundsatz von Treu und Glauben (dazu aa>) noch auf eine "Bindungswirkung" berufen, die auf gemeinsamen Verlautbarungen der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger beruht (dazu bb>).

25

aa) Der - der Gewährleistung von Rechtssicherheit dienende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) abgeleitete - Grundsatz des Vertrauensschutzes begründet für die Klägerin keinen (verfassungsrechtlichen) "Kontinuitätsschutz" mit der Folge, dass die Beklagte die durch die Urteile des 12. Senats des BSG vom 7.2.2002 (BSGE 89, 158 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3; BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 23)verlautbarte höchstrichterliche Rechtsprechung für Beitragserhebungszeiträume vor Ergehen dieser Urteile - hier das Jahr 2001 - nicht anwenden durfte (dazu <1>). Ebenso wenig ergibt sich ein entsprechender (einfach-rechtlicher) "Kontinuitätsschutz" unter Rückgriff auf den allgemeinen, aus dem Rücksichtnahmegebot entwickelten und (nur) im konkreten Rechtsverhältnis wirkenden Grundsatz von Treu und Glauben (dazu <2>).

26

(1) Die Klägerin kann sich für einen Anspruch auf Behandlung der Fahrvergünstigungen als "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" nicht mit Erfolg auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, weil es bereits an einem Tatbestand geschützten Vertrauens fehlte, der zu einer solchen Rechtsfolge (ggf in Anwendung der vom BVerfG entwickelten Grundsätze über die echte Rückwirkung) führen könnte. Ein solches (schützenswertes) Vertrauen müsste sich im Zeitraum der von der Klägerin getroffenen Dispositionen gebildet haben, also im Beitragserhebungszeitraum 2001. Derartiges kann hier aber nicht angenommen werden. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung lag in dieser Zeit ein vorangegangenes Verhalten der Verwaltung, das zu ihren Gunsten ein (schützenswertes) Vertrauen hätte begründen können, nicht vor; eine relevante Vertrauensgrundlage ergab sich insbesondere nicht wegen einer Personen wie die Klägerin begünstigenden, über viele Jahre praktizierten Verwaltungsübung.

27

(a) Die Klägerin trägt hierzu vor, die Verwaltung habe über einen langen Zeitraum ein Verhalten gezeigt, durch das bei Arbeitgebern der Glaube erweckt worden sei, ihre (der Arbeitgeber) Interpretation der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen durch die Verwaltung entspreche dem Recht; die Arbeitgeber hätten sich auf den Fortbestand der sich hierin manifestierenden Rechtsauffassung der Verwaltung verlassen dürfen; die Beklagte sei dann jedoch infolge der Urteile des Senats vom 7.2.2002 (BSGE 89, 158 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3; BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 23) von dieser vorangegangenen, "nachhaltigen" Verwaltungspraxis abgewichen und habe die genannte höchstrichterliche Rechtsprechung ohne (eigene) Übergangsregelungen in rechtswidriger Weise nachträglich auf ihren Sachverhalt angewandt, der abgeschlossen in der Vergangenheit gelegen habe; wie bei einer Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung unterliege aber auch eine hier vorliegende Änderung der Verwaltungspraxis einem verfassungsrechtlichen Verbot echter Rückwirkung. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen.

28

(b) Die umstrittene Frage, unter welchen Voraussetzungen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (auch) auf eine rückwirkende Änderung der Verwaltungspraxis allgemein zur Anwendung gelangt (vgl dazu zB das von der Klägerin angeführte Senatsurteil vom 18.11.1980 BSGE 51, 31, 36 = SozR 2200 § 1399 Nr 13 S 26), braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden. Indessen sind die für rückwirkende belastende Gesetze entwickelten Grundsätze zur "Rechtsfolgenrückbewirkung" sogar auf Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ohne Weiteres anwendbar. Entscheidungen oberster Gerichte wirken zwar über den entschiedenen Einzelfall hinaus richtungweisend für künftige Fälle, höchstrichterliche Rechtsprechung erzeugt aber jedenfalls keine dem Gesetzesrecht gleichkommende Rechtsbindung (vgl BVerfGE 131, 20, 42; 122, 248, 277; 84, 212, 227; 38, 386, 396; vgl auch BVerfG DB 1992, 2511). Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung, entstehen (vgl BVerfGE 131, 20, 42 mwN). Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, inwieweit durch eine Praxis der Verwaltung überhaupt ein schützenswertes Vertrauen begründet werden kann, das bei einer Änderung der Verwaltungspraxis von Verfassungs wegen zu berücksichtigen wäre, und der Kontinuität eines Verhaltens der Verwaltung - außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle des Vertrauensschutzes und der Fälle administrativer Selbstbindung (dazu unten 2. c > bb>) - damit "rechtsstaatlicher Eigenwert" zukommen kann (vgl hierzu allgemein zB Grzeszick in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Stand der Einzelkommentierung November 2006, Art 20 VII RdNr 95 ff; bejahend wohl Raupach, DStR 2001, 1325, 1330).

29

Einer Entscheidung dieser Frage bedarf es vorliegend jedenfalls deshalb nicht, weil es für Personen wie die Klägerin im Beitragserhebungszeitraum 2001, dem Zeitraum ihrer Dispositionen, jedenfalls an einem Tatbestand geschützten Vertrauens in den Fortbestand einer diese begünstigenden Verwaltungsübung fehlte.

30

Es ist schon zweifelhaft, ob - wie die Klägerin behauptet - seinerzeit ein solches einheitliches, langjährig praktiziertes und damit "nachhaltiges" Verwaltungsverhalten (überhaupt) bestand und damit eine hinreichende Grundlage für ein (individuelles) Vertrauen vorlag. Zwar wurde die Einfügung eines Satzes 2 in § 23a Abs 1 SGB IV ab 1.1.2003, die eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Urteile des 12. Senats des BSG vom 7.2.2002 darstellte, im Gesetzgebungsverfahren damit begründet, dass dadurch die "bisherige praktische Handhabung durch die Sozialversicherungsträger" beibehalten werden sollte (vgl Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit - 9. Ausschuss - BT-Drucks 15/91 S 18 zu Art 2 Nr 7a des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt); zutreffend ist auch, dass in den Ergebnissen der Besprechungen der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger und der Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Spitzenverbände) über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 26./27.6.2002 (Die Beiträge 2002, 547) und 18./19.11.2002 (Die Beiträge 2003, 432, 438) verlautbart wurden, dass geldwerte Vorteile für freie oder verbilligte Flüge sowie für kostenlose Kontoführung "bislang" (also bis zum Ergehen der genannten Urteile) als "laufendes" und nicht als "einmalig gezahltes" Arbeitsentgelt behandelt worden seien und der Gesetzgeber den "Rechtszustand vor den beiden Urteilen des Bundessozialgerichts vom 07.02.2002" wiederherstellen wolle. Ob eine solche "nachhaltige" frühere Verwaltungspraxis, die die Klägerin als vom Gesetzgeber und den Spitzenverbänden insoweit "bestätigt" ansieht, tatsächlich bestand, ist indessen offen. Hiergegen spricht bereits, dass die beklagten - und beigeladenen - Versicherungsträger in den vom Senat entschiedenen Fällen die dort gewährten Zuwendungen - für Beitragserhebungszeiträume vor Ergehen der Urteile (1990, 1995 und 1996) - gerade nicht als laufendes Arbeitsentgelt behandelt hatten, sondern diese als Einmalzahlungen ansahen und deshalb eine höchstrichterliche Klärung durch das BSG notwendig war.

31

Jedenfalls wäre, würde bei der vorliegenden Konstellation ein vertrauensbildendes Verhalten der Verwaltung durch eine Personen wie die Klägerin begünstigende, "nachhaltige" Verwaltungsübung angenommen, ein hierauf beruhendes Vertrauen im konkreten Fall nicht (billigerweise) schützenswert. So unterliegt eine Verwaltungspraxis von Sozialversicherungsträgern im Bereich des Beitragsrechts stets noch sozialgerichtlicher Kontrolle, weshalb ihre Eignung als Tatbestand geschützten Vertrauens insoweit relativiert wird (s dazu bereits oben 2. c> aa> <1> ). Darüber hinaus war die Rechtslage aufgrund des von der Verwaltung in diesem Zusammenhang eingenommenen Rechtsstandpunkts im Beitragserhebungszeitraum 2001 aber jedenfalls nicht derart eindeutig, dass betroffene Arbeitgeber darauf ohne Weiteres hätten vertrauen dürfen, dass die beitragsrechtliche Behandlung der hier in Rede stehenden Zuwendungen als "laufendes Arbeitsentgelt" unangefochten und rechtlich zweifelsfrei abgesichert war. So waren beispielsweise beide vorinstanzlichen Gerichte in einem der vom Senat entschiedenen Fälle (BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 23) der Auffassung, dass der Gegenwert verbilligter Mitarbeiterflüge durchaus als Einmalzahlung dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen sei (Hessisches LSG Urteil vom 2.11.2000 - L 14 KR 1441/97 - Juris RdNr 30 f; SG Frankfurt am Main Urteil vom 7.8.1997 - S 9 KR 2549/93). Auch waren die Revisionen, die zu den Urteilen des Senats vom 7.2.2002 führten, von den Berufungsgerichten - wegen von ihnen angenommener Klärungsbedürftigkeit der sich im Verfahren stellenden Rechtsfragen - zugelassen worden und im Jahr 2001 bereits beim BSG anhängig. Eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zur beitragsrechtlichen Behandlung der hier in Rede stehenden Zuwendungen gab es daher seinerzeit noch nicht; wegen bis dahin höchstrichterlich ungeklärter Rechtslage war eine Klärung vielmehr erst (noch) zu erwarten.

32

Schließlich stellte die Rechtsprechung durch die Urteile des 12. Senats des BSG vom 7.2.2002 (aaO) auch kein Novum dar, sondern knüpfte an dessen bereits zuvor ergangene Rechtsprechung zu Montagebeteiligungen im Urteil vom 27.10.1989 (BSGE 66, 34, 40 = SozR 2200 § 385 Nr 22 S 113; vgl im Übrigen auch BSG SozR 3-2500 § 47 Nr 5 S 12) an und "präzisierten" nach dem Verständnis des 12. Senats diese Rechtsprechung lediglich für die im Jahr 2002 zu beurteilenden Sachverhalte (so explizit BSGE 103, 229 = SozR 4-2400 § 23a Nr 5, RdNr 16 sowie BSG SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 15). Die bereits vorbestehende Rechtsprechung war im Schrifttum auch zur Genüge besprochen worden (vgl Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand der Einzelkommentierung April 1997, § 23a SGB IV RdNr 6, und Hauck/Haines, SGB IV, Stand der Einzelkommentierung April 1997, K § 23a RdNr 3; Seewald in: Kass Komm, Stand der Einzelkommentierung Mai 1997, § 23a SGB IV RdNr 4). Es lag daher im Jahr 2001 nicht fern, dass der 12. Senat des BSG seine frühere Rechtsprechung zur Abgrenzung von laufendem und einmalig gezahltem Arbeitsentgelt auch künftig fortsetzen würde.

33

War die Rechtslage im Beitragserhebungszeitraum 2001 mit Blick auf die vorstehende Darstellung keineswegs im Sinne der Ansicht der Klägerin eindeutig oder auch nur hinreichend klar, so konnte sich ein schützenswertes Vertrauen im Sinne individueller Erwartungssicherheit nicht bilden. Zu Recht hat der Senat deshalb - worauf das LSG hinweist - in seinen Urteilen vom 7.2.2002 (aaO) keine Veranlassung sehen müssen, den dort betroffenen Arbeitgebern Vertrauensschutz zu gewähren. Das Vertrauen in den Fortbestand eines bestimmten, sie begünstigenden Verhaltens der Verwaltung war mithin nicht in einer Weise verlässlich begründet, dass der Senat es unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips (Art 20 Abs 3 GG) hätte weitgehender schützen müssen als das Vertrauen in das vermeintliche Bestehen bzw in den Fortbestand einer bestimmten Gesetzeslage (vgl dazu allgemein zB BVerfGE 128, 90, 106 = SozR 4-1100 Art 14 Nr 23 RdNr 43 mwN; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 3/11 R - SozR 4-4300 § 28a Nr 6 RdNr 20).

34

(2) Die Klägerin kann eine Behandlung der im Jahr 2001 gewährten Fahrvergünstigungen als "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" auch nicht unter Rückgriff auf den im konkreten Rechtsverhältnis wirkenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beanspruchen.

35

Die Klägerin führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Beklagte die Rechtmäßigkeit ihrer Arbeitgebermeldungen durch "Duldung" bestätigt habe bzw in der Nichtbeanstandung der von ihr vorgenommenen "Qualifikation" der Fahrvergünstigungen als nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt eine explizite Zustimmung der Beklagten zu dieser Handhabung liege. Sie wendet sich gegen die vom LSG vertretene Auffassung, dass eine Einzugsstelle keine "Garantiestellung für die Rechtmäßigkeit der Arbeitgebermeldungen" habe, und meint, dass die Beklagte bei einer von der sie begünstigenden Verwaltungspraxis abweichenden Rechtsauffassung diese im Rahmen vorangegangener Betriebsprüfungen habe deutlich machen müssen. Bei einer mit der Verwaltungspraxis konformen Rechtsauffassung wären ihre Arbeitgebermeldungen demgegenüber - ohne weiteren Erkenntnisgewinn - akzeptiert worden.

36

Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (in der Gestalt des venire contra factum proprium oder eines zur Verwirkung führenden treuwidrigen Verhaltens) als Unterfall des § 242 BGB steht der Beurteilung der Fahrvergünstigungen als Einmalzahlungen nicht entgegen. Im Zusammenhang mit sog Beitragsnachforderungsfällen hat der Senat wiederholt entschieden, dass der Arbeitgeber, sollte die Beurteilung der Beitragspflicht von Arbeitsentgelt zweifelhaft sein, zur Erlangung von Vertrauensschutz einen gesonderten Verwaltungsakt der (Beitrags)Einzugsstelle nach § 28h Abs 2 S 1 SGB IV über die Beitragspflicht herbeiführen muss(vgl hierzu zuletzt - unter Hinweis auf die bisherige umfangreiche Senatsrechtsprechung - BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2400 § 27 Nr 5 vorgesehen). An diese Entscheidung sind die Versicherungsträger nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X gebunden; ein Schutz getroffener Dispositionen findet insoweit (allein) über die gesetzlichen Regelungen zur Bestandskraft (§ 77 SGG) und zur Aufhebung von bestandskräftigen Verwaltungsakten statt. Sind solche Verwaltungsakte nicht ergangen, kann sich ein Arbeitgeber insbesondere bei unterbliebenen Beanstandungen nach Betriebsprüfungen (vgl § 28p SGB IV) auf ein vertrauensbegründendes (Verwirkungs)Verhalten des prüfenden Versicherungsträgers nicht berufen. Betriebsprüfungen bezwecken nämlich nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm - mit Außenwirkung - "Entlastung" zu erteilen; sie haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten nur den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern (vgl - zu den "Rechtsfolgen" von Betriebsprüfungen - zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R, aaO). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen verbindliche (§ 77 SGG) Verwaltungsakte von Versicherungsträgern über die Richtigkeit der Beitragszahlungen der Klägerin im Beitragserhebungszeitraum 2001, die (allein) einen Schutz der von ihr getroffenen Dispositionen begründen könnten, nicht vor; die Klägerin hat Entsprechendes auch nicht geltend gemacht. Eine Auskunft im Rahmen des Einzugsstellenverfahrens wäre nicht - wie die Klägerin behauptet - (von vornherein) "überflüssig" gewesen, weil ihre Handhabung dadurch ohnehin nur bestätigt worden wäre. Wie bereits dargestellt (oben 2. c> aa> <1> ), wurde der von der Verwaltung eingenommene Rechtsstandpunkt, dass es sich bei den in Rede stehenden Zuwendungen um "laufendes" Arbeitsentgelt handelte, nämlich gerade nicht von allen Sozialversicherungsträgern geteilt.

37

bb) Die Klägerin kann von der Beklagten eine "Qualifikation" der im Jahr 2001 gewährten Fahrvergünstigungen als "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" schließlich auch nicht im Hinblick auf eine "Bindungswirkung" der später - nach Ergehen der Senatsurteile vom 7.2.2002 - veröffentlichten Ergebnisse der Besprechungen der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 26./27.6.2002 (Die Beiträge 2002, 547) und 18./19.11.2002 (Die Beiträge 2003, 432, 438) verlangen.

38

(1) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung folgt eine solche "Bindungswirkung" nicht daraus, dass die Spitzenverbände durch ihr "Übereinkommen" in den Besprechungsergebnissen, die in den Senatsurteilen vom 7.2.2002 (BSGE 89, 158 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3; BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 23) aufgestellten Grundsätze "nicht umzusetzen", gewissermaßen "anstelle des Gesetzgebers" eine Rechtslage rückwirkend festschreiben wollten, die - nach Ihrer Ansicht - vor der (belastenden) höchstrichterlichen Rechtsprechung bestand.

39

Nachdem der Senat in seinen Urteilen vom 7.2.2002 entschieden hatte, dass bestimmte Zuwendungen trotz ihrer wiederholten oder fortlaufenden Gewährung beitragspflichtiges einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sein können, wurde durch Art 2 Nr 7a des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4621) mit Wirkung zum 1.1.2003 - also zukunftsbezogen - in § 23a Abs 1 SGB IV ein Satz 2 eingefügt. Durch diese ergänzende Regelung sollten bestimmte Zuwendungen des Arbeitgebers an Beschäftigte unter "Beibehaltung der bisherigen praktischen Handhabung durch die Sozialversicherungsträger" (vgl erneut Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/91 S 18 zu Art 2 Nr 7a) - mit Wirkung für die Zukunft - nicht entsprechend der Rechtsprechung des Senats als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt mit Beiträgen belastet werden. Für die Zeit zwischen dem Ergehen der Senatsurteile und dem Inkrafttreten dieses "Nichtanwendungsgesetzes" sollte die Verwaltung nach dem Willen der Spitzenverbände zur "Nichtumsetzung" der Grundsätze der höchstrichterlichen Urteile veranlasst werden, und zwar für Beitragserhebungszeiträume vor und nach Ergehen der Urteile bis zum 31.12.2002. Die Spitzenverbände erkannten dabei - wie das LSG zutreffend ausführt - die rechtliche Bewertung des Senats als (grundsätzlich) richtig an und wollten nur hinsichtlich der von ihnen missbilligten Rechtsfolgen dieser Rechtsprechung eine "Korrektur" vornehmen.

40

Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen (grundsätzlich) nicht verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend (wieder)herzustellen, die vor einer höchstrichterlichen Rechtsprechung bestand. Insoweit widerspricht es weder dem Gewaltenteilungsgrundsatz noch dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG), wenn der Gesetzgeber - begünstigende oder belastende - Entscheidungen oberster Gerichte "korrigiert", die auf der Grundlage der seinerzeit bestehenden Gesetzeslage zwar mit gutem Grund erfolgt sein mögen, deren Ergebnis er aber für nicht sachgerecht hält; nicht die Rücksicht auf die rechtsprechende Gewalt (und deren Befugnis zur Letztentscheidung über die bestehende Gesetzeslage), nur das sonstige Verfassungsrecht begrenzt insoweit die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers (vgl den - zur rückwirkenden gesetzlichen Festschreibung einer finanzbehördlichen Praxis mit dem Ziel der "Korrektur" einer entlastenden höchstrichterlichen Rechtsprechung - ergangenen Kammerbeschluss des BVerfG vom 15.10.2008 - 1 BvR 1138/06 - BVerfGK 14, 338, 345 f; ferner Kammerbeschluss des BVerfG vom 10.7.2009 - 1 BvR 1416/06 - BFH/NV 2009, 1768, 1770). Doch auch, wenn es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt ist, eine Rechtslage rückwirkend (wieder)herzustellen, die vor einer höchstrichterlichen Rechtsprechung bestand, ist er aber ebenso berechtigt, wie hier Änderungen nur mit Wirkung für die Zukunft vorzunehmen.

41

Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger haben in ihren Besprechungsergebnissen nicht gewissermaßen "anstelle des Gesetzgebers" eine Rechtslage rückwirkend festgeschrieben und die in den Senatsurteilen vom 7.2.2002 aufgestellten Grundsätze nicht schon aus diesem Grund - wie der Gesetzgeber - verfassungsrechtlich zulässig "korrigiert". Wie die Klägerin selbst bemerkt, stellte die - mit Wirkung zum 1.1.2003 vorgenommene - Ergänzung des § 23a Abs 1 SGB IV um einen Satz 2 eine (echte) Gesetzesänderung dar und war nicht bloß deklaratorischer Natur(vgl zB Jochim in Schlegel/Voelzke, JurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 23a RdNr 34; Wietek in: Winkler, LPK-SGB IV, 2007, § 23a RdNr 10), etwa mit der Folge, dass die Spitzenverbände mit ihren Besprechungsergebnissen eine solche Klarstellung des Gesetzgebers nur für die Vergangenheit "nachvollzogen" hätten. Die Spitzenverbände "korrigierten" die vom 12. Senat des BSG in seinen Urteilen vom 7.2.2002 entwickelten Grundsätze auch nicht deshalb in verfassungsmäßiger Weise, weil sie mit dem Gesetzgeber - wie die Klägerin unterstellt - insoweit "Hand in Hand" gearbeitet hätten, als dieser von einer Rückwirkung seines "Nichtanwendungsgesetzes" nur mit Rücksicht auf die Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger davon absah, und sich die Spitzenverbände mit diesem Verhalten "gegenüber dem Gesetzgeber selbst gebunden" haben. Das von der Klägerin behauptete "Zusammenwirken" der Spitzenverbände mit dem Gesetzgeber ist schon keineswegs - wie sie meint - "offenkundig". Dass der Gesetzgeber bei seinem "Nichtanwendungsgesetz" nur deshalb auf rückwirkende Regelungen verzichtet und eine "Korrektur" lediglich für Beitragserhebungszeiträume ab 1.1.2003 vorgenommen hat, weil die Spitzenverbände bis dahin "übereingekommen" waren, die Senatsurteile vom 7.2.2002 "nicht umzusetzen", lässt sich aus der Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes vom 23.12.2002 nicht belegen (vgl zu dieser Entstehungsgeschichte nochmals Ausschussbericht, aaO, BT-Drucks 15/91 S 18 zu Art 2 Nr 7a). Ein von der Klägerin angenommenes "Zusammenwirken" der Spitzenverbände mit dem Gesetzgeber ist daher ohne Bedeutung.

42

(2) Eine "Bindungswirkung" ergibt sich auch nicht, weil - wie die Klägerin ausführt - die Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände über das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit (Art 3 Abs 1 GG) für die Beklagte als konkret entscheidenden Versicherungsträger eine Bindung an selbstgesetzte Entscheidungsmaßstäbe bedeuteten, und die Beklagte eine solche Selbstbindung nicht beachtet hätte.

43

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob ein solches Übereinkommen zur "Nichtumsetzung" höchstrichterlicher Entscheidungen, wie es die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger beschlossen, verfassungsrechtlich allgemein überhaupt zulässig ist oder die Verwaltung mit dieser Handhabung die Erfüllung ihres Auftrags als an Gesetz und Recht gebundene (Art 20 Abs 3 GG) Gewalt verletzt (vom BVerfG für Nichtanwendungserlasse im Steuerrecht bisher offengelassen: BVerfG Kammerbeschluss vom 15.10.2008 - 1 BvR 1138/06 - BVerfGK 14, 338, 346). Denn entgegen der Ansicht der Klägerin kann schon nicht angenommen werden, dass die Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände eine im Voraus bekanntgegebene und antizipierte einheitliche Verwaltungshandhabung der Beklagten (selbst) indizierten bzw repräsentierten. Die Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände, an deren Erarbeitung - etwa mit dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger - im Übrigen sogar (nur) Rechtssubjekte des Privatrechts beteiligt waren, stellen lediglich dachverbandliches, durch Vereinbarungen der Trägerverbände erzeugtes Verwaltungsbinnenrecht zu versicherungszweigübergreifenden Fragen des Beitragseinzugs dar (vgl zur Rechtsnatur "rechts- bzw normsetzender" versicherungszweigübergreifender Vereinbarungen von Trägerverbänden allgemein näher Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, 2001, S 270 ff). Es ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus den Besprechungsergebnissen der Spitzenverbände selbst ("kommen … überein", nicht "umzusetzen"), dass diese ohne Transformation durch die einzelnen Trägerverbände unmittelbar für den jeweiligen Verbandsunterbau bis hin zu den einzelnen Versicherungsträgern Wirkung entfalten konnten und sollten. Handelte es sich damit bei den Besprechungsergebnissen aber um bloße (dachverbandliche) Vereinbarungen über gemeinsam erarbeitete Entscheidungsmaßstäbe, die von den Trägerverbänden im eigenen Bereich ohnehin erst noch umgesetzt werden mussten, so kommen sie als Anknüpfungstatbestand für einen eine Selbstbindung auslösenden (administrativen) "Normsetzungs"-Willen des jeweiligen Versicherungsträgers (selbst) und damit auch der Beklagten schon von daher nicht in Betracht.

44

d) Wie das LSG darüber hinaus zutreffend entschieden hat, waren die für die im Jahr 2001 gewährten Fahrvergünstigungen nachgeforderten Beiträge, als sie mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.12.2005 geltend gemacht wurden, noch nicht verjährt (vgl § 25 Abs 1 S 1 SGB IV). Insoweit hat die Klägerin auch keine Einwendungen erhoben.

45

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

46

4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG entsprechend den von den Beteiligten nicht beanstandeten Feststellungen des LSG in Höhe des Betrages der noch streitigen Beitragsnachforderung festzusetzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.