Bundessozialgericht Beschluss, 22. Mai 2013 - B 11 AL 136/12 B

bei uns veröffentlicht am22.05.2013

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. September 2012 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig. Die in ihrer Begründung geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht in der nach § 160a Abs 2 S 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Weise dargelegt.

2

Zur Darlegung grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist in der Beschwerdebegründung auszuführen, welche Rechtsfrage sich stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich und deren Klärung durch das Bundessozialgericht (BSG) als Revisionsgericht zu erwarten ist(Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit, vgl ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 39; SozR 1500 § 160a Nr 60; SozR 4-1500 § 160a Nr 9). Darzulegen ist insbesondere, dass die Rechtsfrage nach dem Stand der Rechtsprechung und gegebenenfalls des Schrifttums nicht ohne Weiteres beantwortet werden kann, und es ist der Schritt darzustellen, den das BSG zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 65; SozR 3-1500 § 160a Nr 16; stRspr). Diesen Anforderungen genügt die vorgelegte Beschwerdebegründung vom 8.2.2013 nicht.

3

Der Beschwerdeführer führt zwar aus, es stelle sich die Rechtsfrage, ob Beschäftigungslosigkeit iS des § 119 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in Fällen gegeben sei, in denen ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach der Insolvenz des Betriebsveräußerers in der Arbeitsphase des Blockmodells gemäß § 613a Bürgerliches Gesetzbuch übergegangen sei, der Betriebserwerber dem Arbeitnehmer in der Freistellungsphase nur teilweise zur Entgeltzahlung verpflichtet sei, da er für einen Teil der vor dem Insolvenzfall in Vorleistung verdienten Vergütung nicht hafte, und der Arbeitgeber deshalb in einem Teil der Freistellungsphase der Altersteilzeit kein Entgelt bezahle.

4

Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und nicht nur um eine auf die Besonderheiten des Einzelfalles zugeschnittene Fragestellung handelt. Jedenfalls legt er jedoch die Klärungsbedürftigkeit und die Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht hinreichend dar.

5

Das Vorbringen, die Rechtsfrage sei klärungsbedürftig, weil sie bisher höchstrichterlich nicht entschieden sei, reicht nicht aus. Im Rahmen einer den Anforderungen genügenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit ist vielmehr auch auf Rechtsprechung einzugehen, die Anhaltspunkte dafür geben kann, wie die konkret aufgeworfene Frage zu beantworten ist (vgl ua BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8; Beschluss des Senats vom 7.12.2010 - B 11 AL 74/10 B - Juris RdNr 8 stRspr). Insoweit hätte sich der Beschwerdeführer nicht nur mit der vom Landessozialgericht (LSG) maßgeblich herangezogenen Entscheidung des BSG zur Sperrzeit wegen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses in Fällen der Vereinbarung von Altersteilzeit unter Umwandlung in ein befristetes Arbeitsverhältnis (vgl BSG, Urteil vom 21.7.2009 - B 7 AL 6/08 R - BSGE 104, 90 = SozR 4-4300 § 144 Nr 18) auseinandersetzen müssen, sondern auch mit weiterer Rechtsprechung des BSG zum Begriff des Beschäftigungsverhältnisses (vgl etwa Urteil des Senats vom 4.7.2012 - B 11 AL 16/11 R - SozR 4-4300 § 123 Nr 6 RdNr 23 und RdNr 28 mwN), ferner mit der vom LSG auf Seite 7 des Urteils zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Umfang der Pflichten des Betriebserwerbers und damit zusammenhängend mit dem weiter auf Seite 8 des Urteils des LSG erwähnten Schrifttum zum Altersteilzeitgesetz (AltTZG) sowie mit der Einführung des § 8a AltTZG ab 21.7.2004 (vgl ua Rolfs in Erfurter Komm zum Arbeitsrecht, 13. Aufl 2013, 130. ATG, § 8a Nr 1 ff; Kreitner in Küttner, Personalbuch, 20. Aufl 2013, 11 Altersteilzeit RdNr 15 f; Rittweger in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Komm zum Arbeitsrecht, ATG, § 8a RdNr 1 und RdNr 6). Zwar ist § 8a AltTZG - wie bereits das LSG ausgeführt hat - auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar; jedoch können sich - worauf der Beschwerdeführer nicht näher eingeht - aus der Einführung einer Regelung zur Insolvenzsicherung und aus den dafür maßgeblichen Gründen Rückschlüsse auf die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ergeben.

6

Darüber hinaus genügt das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Darlegung der Klärungsfähigkeit auch nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG. Soweit geltend gemacht wird, dem Arbeitgeber sei kein "Restdirektionsrecht" verblieben und der Arbeitnehmer sei nicht an das Beschäftigungsverbot aus dem Altersteilzeitvertrag gebunden gewesen, verkennt der Beschwerdeführer, dass die Beurteilung, ob grundsätzliche Bedeutung vorliegt, auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu erfolgen hat (vgl ua Beschlüsse des Senats vom 7.5.2009 - B 11 AL 72/08 B - Juris RdNr 7 - und vom 17.6.2009 - B 11 AL 187/08 B - Juris RdNr 5). Die auch im Rahmen der Sachverhaltsschilderung der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Ausführungen des LSG, wonach der Kläger nach der Altersteilzeitvereinbarung keine Beschäftigung ausüben durfte, sind als tatsächliche Feststellungen zu werten, die im Beschwerdeverfahren nicht durch widersprechenden Vortrag in Frage gestellt werden können.

7

Soweit der Beschwerdeführer (insbesondere unter V der Beschwerdebegründung) ausführt, dass und weshalb das LSG (angeblich) zu Unrecht einen Fall der Arbeitslosigkeit bei ihm verneint hat, eröffnet dieses Vorbringen die Zulassung der Revision nicht. Denn im Beschwerdeverfahren ist nicht darüber zu befinden, ob das LSG die Sache richtig entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 und Nr 67; stRspr).

8

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

9

Die unzulässige Beschwerde ist zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1, § 169 SGG).

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang


(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rec

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 169


Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfu

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Bundessozialgericht Urteil, 04. Juli 2012 - B 11 AL 16/11 R

bei uns veröffentlicht am 04.07.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Beschluss, 07. Dez. 2010 - B 11 AL 74/10 B

bei uns veröffentlicht am 07.12.2010

Tenor Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Februar 2010 wird als unzulässig verworfen.

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:

1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Februar 2010 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Rechtmäßigkeit einer aufsichtsrechtlichen Weisung.

2

Die Beklagte wies mit aufsichtsrechtlicher Anordnung vom 15.10.2007 die Klägerin an, Abrechnungen von Trägern anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen für Tätigkeiten im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich zu begleichen. Gestützt war die Anordnung auf § 179 Abs 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Danach erstattet der Bund den Trägern der Einrichtung die Beiträge, die auf den Betrag zwischen dem tatsächlich erzielten monatlichen Arbeitsentgelt und 80 vom Hundert (vH) der monatlichen Bezugsgröße entfallen, wenn das tatsächlich erzielte monatliche Arbeitsentgelt 80 vH der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt. Im Übrigen erstatten die Kostenträger den Trägern der Einrichtung die von diesen getragenen Beiträge für behinderte Menschen.

3

Das Landessozialgericht (LSG) hat der Aufsichtsklage der Klägerin trotz nachträglicher Ermessenserwägungen der Beklagten in einem Schreiben vom 23.2.2010 entsprochen. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache und Divergenz geltend.

4

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz sind nicht in der durch § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Weise bezeichnet.

5

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auch auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

6

Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung vom 21.7.2010 nicht. Die Beklagte formuliert zwar drei Rechtsfragen, nämlich:

a) Ist § 179 Abs 1 Satz 1 SGB VI dahin auszulegen, dass eine Erstattungspflicht des Bundes auch für Leistungen der Einrichtungsträger für behinderte Menschen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich besteht?

b) Darf eine Behörde Ermessen, das sie in einem Verwaltungsakt fehlerhaft nicht ausgeübt hat, dadurch nachholen, dass sie während eines sozialgerichtlichen Verfahrens die ursprünglich nicht angestellten Ermessenserwägungen durch einfaches Schreiben nachschiebt?

c) Ist § 96 Abs 1 SGG dahin auszulegen, dass eine Behörde das Ermessen, das sie in einem Verwaltungsakt fehlerhaft nicht ausgeübt hat, nicht schon dadurch nachholen kann, dass sie während eines sozialgerichtlichen Verfahrens die ursprünglich nicht angestellten Ermessenserwägungen durch einfaches Schreiben nachschiebt?

7

Die Beklagte versäumt aber jedenfalls, zur ersten Frage die Klärungsfähigkeit und zu den weiteren Fragen den Klärungsbedarf hinreichend konkret aufzuzeigen. Denn nach dem Vortrag in der Beschwerdebegründung hat die Vorinstanz ihre Entscheidung nicht nur damit begründet, dass die Erstattungspflicht des Bundes die Beiträge zur Rentenversicherung auch in den Fällen umfasse, in denen sich behinderte Menschen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen befinden. Vielmehr hat sie ihre Entscheidung nach dem Vortrag der Beklagten selbständig tragend auch darauf gestützt, dass die Beklagte das ihr zustehende Ermessen gar nicht ausgeübt habe und insoweit ein Nachschieben auch im gerichtlichen Verfahren nicht zulässig sei. Ist eine Entscheidung des Berufungsgerichtes mehrfach begründet, so kann die Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Klärungsfähigkeit und Zulassung der Revision führen, wenn für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund erfolgreich geltend gemacht wird (vgl BSG, Beschluss vom 27.7.2006 - B 7a AL 52/06 B; Beschluss vom 5.12.2007 - B 11a AL 112/07 B; Beschluss vom 22.4.2010 - B 1 KR 145/09 B; vgl auch Becker SGb 2007, 261, 267). Dies ist nicht geschehen.

8

Hinsichtlich der beiden zuletzt angeführten Fragen zur Möglichkeit des Nachschiebens von Ermessen im sozialgerichtlichen Verfahren für den Fall des Ermessensnichtgebrauchs wird indessen der Klärungsbedarf nicht substanziiert aufgezeigt. Zwar leitet die Beklagte Klärungsbedarf daraus ab, dass das Bundessozialgericht (BSG) in diesen Fragen noch nicht entschieden, sondern insoweit nur die Frage beantwortet habe, dass die Befugnis der Verwaltung bestehe, Ermessen durch ausdrückliche Aufhebung des bisherigen Verwaltungsakts und dessen Ersetzung iS des § 96 SGG durch einen neuen Verwaltungsakt nachzuholen(vgl BSGE 75, 159 = SozR 3-1300 § 41 Nr 7). Das ändert aber nichts daran, dass sich die Beklagte nicht mit der vom BSG in der zitierten Entscheidung (aaO) erörterten Vorschrift des § 41 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und der inzwischen in Kraft getretenen Neuregelung idF des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl I 1977) sowie des weiteren mit der die Rechtswidrigkeit von Ermessensentscheidungen betreffenden Vorschrift des § 54 Abs 2 Satz 2 SGG auseinandersetzt. Die zuerst genannte Norm ermöglicht nunmehr in Anlehnung an § 45 Abs 2 Verwaltungsverfahrensgesetz die Heilung von Begründungsmängeln bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz. Die zuletzt genannte Vorschrift regelt den gerichtlichen Prüfumfang von Ermessensentscheidungen unter Einschluss von Ermessensnichtgebrauch (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 27). Indessen gibt es - worauf das LSG bereits hingewiesen hat - in § 54 SGG keine dem § 114 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vergleichbare Regelung, wonach die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann. Schon diese vom Wortlaut weiter reichende Vorschrift des § 114 Satz 2 VwGO umfasst in ihrem Anwendungsbereich nicht die nachträglich erstmalige Ausübung von Ermessen während des gerichtlichen Verfahrens(vgl BVerwG Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr 115 = NVwZ 2007, 470; vgl auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.10.2009 - L 7 KA 119/07; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl 2009, § 114 RdNr 50). Es hätte deshalb nicht zuletzt auch mit Rücksicht auf die vom LSG zitierte und in der Beschwerdebegründung erwähnte neuere Rechtsprechung des BSG (BSGE 89, 227 = SozR 3-2500 § 194 Nr 1) einer näheren Begründung bedurft, wieso trotz Fehlens einer entsprechend weit reichenden Vorschrift im sozialgerichtlichen Verfahren Zweifel bestehen, die eine (zusätzliche) höchstrichterliche Entscheidung erforderlich machen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 313 ff). Eine Rechtsfrage ist etwa auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichend Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfragen geben (vgl BSG, Beschluss vom 11.5.2010 - B 13 R 589/09 B mwN). Dies gilt bei Normen, deren Bedeutungsgehalt sich wesentlich aus dem Gesamtzusammenhang mit Vorschriften anderer Rechtsgebiete erschließt, auch für die Rechtsprechung der insoweit zuständigen anderen obersten Bundesgerichte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21; BSG, Beschluss vom 21.2.2008 - B 11a AL 91/07 B).

9

2. Um eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung zB des BSG andererseits aufzuzeigen(BSG SozR 1500 § 160a Nr 67) und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne Weiteres aufzufinden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt ist und nicht nur etwa ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen (stRspr, ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; BSG, Beschluss vom 27.6.2002 - B 11 AL 87/02 B).

10

Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht. Es fehlt bereits an einer Gegenüberstellung hinreichend präzise formulierter Rechtssätze des LSG und des BSG, die als tragend angesehen werden können. Der angeführte Rechtssatz der Vorinstanz, ein (formloses) Nachschieben von Ermessensgründen sei unzulässig und eine Nachholung von Ermessenserwägungen allein durch einen den ursprünglichen (ermessensfehlerhaften) Verwaltungsakt ausdrücklich ersetzenden Verwaltungsakt möglich, deckt sich schon nicht mit den an anderer Stelle vorgetragenen Entscheidungsgründen des vorinstanzlichen Urteils, wonach (lediglich) ein Nachschieben von Ermessensgründen im Klageverfahren unzulässig sei (S 3 der Begründung). Er kann im Übrigen in der beschriebenen Ausformung auch nicht als tragend behauptet werden, nachdem das LSG die Frage der Heilung durch Erlass eines neuen Bescheides ausdrücklich offengelassen hat (S 14 des Urteils). Soweit die Beklagte überdies eine Abweichung von der Entscheidung des Großen Senats (BSGE 75, 159 = SozR 3-1300 § 41 Nr 7) für den Fall annimmt, dass dessen tragende Annahme, wonach ein Nachholen von Ermessenserwägungen durch ersetzenden Bescheid zulässig sei, auch die Änderung des Bescheids durch Auswechseln oder Nachschieben der Entscheidungsgründe einschließe, weil in diesen Fällen in Wirklichkeit auch ein ersetzender Verwaltungsakt ergehe, räumt sie selbst ein, dass ein derartiger Rechtssatz der zitierten Entscheidung jedenfalls nicht entscheidungserheblich zugrunde liegt.

11

Dass demgegenüber das LSG dem Schreiben vom 23.2.2010 gerade keinen Verwaltungsaktcharakter beigemessen hat, ist eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit, welche nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67; stRspr).

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 52 Abs 1 und 4 Gerichtskostengesetz.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 5.12.2007 erfüllt hat.

2

Der 1948 geborene Kläger war ab 1.8.2004 als kaufmännischer Leiter bei der G-GmbH & Co KG (im Folgenden: KG) beschäftigt, die einen Großmarkt in G (G.) betrieb. Der Mietvertrag über die Geschäftsräume wurde zum 30.9.2005 gekündigt. Daraufhin verlegte die KG ihren Sitz von G. nach P (P.); dort wurde über ihr Vermögen die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und mit rechtskräftigen Beschlüssen vom 6.2.2007 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt. Am 30.3.2007 wurde die Auflösung der KG eingetragen und am 1.6.2007 meldeten die Liquidatoren das Erlöschen der KG an; die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte im Dezember 2007.

3

Bereits am 13.10.2005 hatte sich der Kläger arbeitslos gemeldet und angegeben, sein Arbeitsverhältnis sei nicht gekündigt. Nach der von einer Steuerberatungsgesellschaft ausgestellten Arbeitsbescheinigung vom 2.11.2005 war die Kündigung am 30.9.2005 wegen Betriebsaufgabe erfolgt; ebenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte die KG den Kläger gegenüber der Einzugsstelle abgemeldet. Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 13.10.2005 bis 30.5.2006 Alg im Wege der Gleichwohlgewährung (Bescheid vom 9.11.2005) und nachfolgend Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 6.11.2006 bis 5.2.2007 (Bescheid vom 14.6.2007). Auf einen weiteren Leistungsantrag vom 5.12.2006 bewilligte die Beklagte Alg ab 6.2. bis 7.8.2007 (Bescheid vom 8.1.2008).

4

Das Arbeitsgericht G. verurteilte die KG mit Versäumnisurteilen vom 24.5.2006 und 25.5.2007 jeweils zur Zahlung des bis dahin aufgelaufenen Gehalts unter gleichzeitiger Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis unverändert fortbestehe.

5

Am 30.11.2007 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte Alg. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 18.2.2008 und Widerspruchsbescheid vom 1.4.2008). Sie wies darauf hin, dass der Kläger aufgrund seines Antrags vom 5.12.2006 Alg für 180 Tage erhalten habe. Ausgehend von dem neuerlichen Antrag vom 30.11.2007 laufe die Rahmenfrist somit vom 5.12.2006 bis 29.11.2007. Innerhalb dieser 360 Tage umfassenden Zeit habe der Kläger schon wegen des Insg-Bezugs nicht durchgehend in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

6

Während des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) ergingen weitere arbeitsgerichtliche Versäumnisurteile vom 8.10.2009 und 13.4.2010, in denen der unveränderte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der KG festgestellt wurde. Das SG hat - nach Beweiserhebung - die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 5.12.2007 Alg für sechs Monate zu gewähren (Urteil vom 25.8.2009).

7

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.6.2011). Es hat im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Ansicht des SG habe der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Unabhängig davon, wie die Rahmenfrist zu bestimmen sei, habe keine Versicherungspflicht mehr bestanden, sodass der Kläger in keinem Fall die erforderlichen zwölf Monate (360 Tage) Versicherungszeit zurückgelegt habe. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Maßgeblichkeit des rechtlichen Fortbestands des Arbeitsverhältnisses (vgl ua BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 16) könne entgegen der Annahme des Klägers nicht abgeleitet werden, dass in jedem Fall allein der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses eine Beschäftigung iS des § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) begründe. Angesichts des Verhaltens der KG, die Versäumnisurteile gegen sich habe ergehen lassen und sich letztlich um den formalen Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gekümmert habe, könne der äußerliche Bestand eines Arbeitsverhältnisses nicht maßgebend für die Beurteilung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung sein. Denn es fehle an dem nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen "Vollzug" des Arbeitsverhältnisses (SozR 4-2400 § 7 Nr 9 und Nr 10 mwN). Die KG sei nicht nur von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2005 ausgegangen, sondern habe insbesondere auf ihre Verfügungsbefugnis verzichtet und es sei auch keine Betriebsorganisation mehr vorhanden gewesen, in die der Kläger hätte eingegliedert werden können. Unabhängig davon, dass schon viel für eine Beendigung der Beschäftigung des Klägers im Oktober/November 2005 spreche, habe spätestens mit der Anmeldung des Erlöschens der Firma durch die Liquidatoren am 1.6.2007 festgestanden, dass es (endgültig) keine Geschäftstätigkeit der KG und damit auch keinerlei Grundlage für eine irgendwie geartete Tätigkeit des Klägers mehr gegeben habe.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er macht geltend, entgegen der Rechtsansicht des LSG habe er weiterhin in einem Versicherungspflichtverhältnis iS von § 25 Abs 1 S 1 SGB III gestanden. Nach der Rechtsprechung des BSG vollziehe sich die Bewertung des Fortgangs eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im beitragsrechtlichen Sinne wesentlich nach dem Bestand des Arbeitsverhältnisses. Daher sei maßgeblich für die Beendigung der Beschäftigung grundsätzlich nicht bereits die Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern vielmehr das kumulative Entfallen sowohl des arbeitsrechtlichen Bandes als auch sonstiger Umstände, die im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung dessen Vollzug begründeten. Aus diesem Grund setze eine versicherungspflichtige Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne auch nicht etwa zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung des betreffenden Arbeitnehmers voraus. Soweit darüber hinaus weitere Voraussetzung der Versicherungspflicht die Entgeltlichkeit der Beschäftigung sei, sei diese nach der Rechtsprechung des BSG insbesondere auch dann erfüllt, wenn sich der Entgeltanspruch aus Annahmeverzug des Arbeitgebers ergebe. Entscheidend sei somit nach der Rechtsprechung des BSG der Fortbestand des Rechts-/Arbeitsverhältnisses und der Fortbestand der rechtlichen Leistungspflicht. Diese beiden Voraussetzungen seien bei ihm jedoch ohne Weiteres erfüllt.

9

Soweit das LSG trotz unzweifelhaft fortbestehenden Arbeitsverhältnisses eine Beendigung seines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses wohl bereits "im Oktober/November 2005" angenommen habe, sei dies rechtsfehlerhaft und stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 24.9.2008 - B 12 KR 22/07 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 9 und B 12 KR 27/07 R, BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10 sowie insbesondere Urteil vom 17.12.1985 - 12 RK 51/85). Dem stehe auch der Hinweis des LSG auf das Urteil des BSG vom 3.6.2004 (SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 16) nicht entgegen. Denn die dortigen Ausführungen, dass zumindest bei missbräuchlichem Verhalten der Arbeitsvertragsparteien im Kündigungsschutzprozess in Ausnahmefällen ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zu verneinen sein könne, seien durch die neueren Entscheidungen des BSG relativiert worden. Außerdem habe das BSG in dem genannten Urteil ausdrücklich vom theoretischen Ausnahmefall eines außerhalb der Dispositionsbefugnis der Arbeitsvertragsparteien im Kündigungsschutzprozess liegenden missbräuchlichen Verhaltens gesprochen und damit klargestellt, dass dieses jedenfalls ein kollusives, auf den Missbrauch des Sozialversicherungsschutzes gerichtetes Zusammenwirken von Arbeitnehmer und Arbeitgeber voraussetze. Für ein solches kollusives Zusammenwirken seien nach den tatsächlichen Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Ebenso wenig vermöge die Ansicht des LSG zu überzeugen, dass das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis jedenfalls mit der (angenommenen) Beendigung der Liquidation seines Arbeitgebers und der Anmeldung des Erlöschens des Unternehmens zur Eintragung in das Handelsregister unter dem 1.6.2007 geendet habe. Denn das Arbeitsverhältnis habe - völlig unberührt von der Anmeldung des Erlöschens des Arbeitgebers zur Eintragung in das Handelsregister - unverändert fortbestanden. Insoweit werde auf die arbeitsgerichtlichen Urteile verwiesen.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25. August 2009 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

12

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und trägt ergänzend vor, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des BSG (SozR 4-4300 § 123 Nr 2) die Beantwortung der Frage, wann im leistungsrechtlichen Sinne Beschäftigungslosigkeit vorliege, aus § 118 Abs 1 Nr 1 SGB III ergebe. Diese Vorschrift knüpfe nicht an den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses an, sondern an die tatsächlichen Verhältnisse. Beschäftigungslosigkeit sei deshalb mit der tatsächlichen Nichtbeschäftigung des Versicherten unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts gegeben. Die Beschäftigungslosigkeit und damit der Begriff der Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne in der Arbeitslosenversicherung unterscheide sich von dem Begriff der Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne. Insoweit sei die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des BSG zum beitragsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis nicht einschlägig.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

14

Das LSG hat zu Recht einen Anspruch auf Alg ab 5.12.2007 verneint.

15

Ob ein Anspruch auf Alg besteht, richtet sich nach § 118 Abs 1 SGB III in der hier maßgeblichen, bis 31.3.2012 gültigen Fassung (, ab 1.4.2012 § 137 SGB III). Danach haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (Nr 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr 3).

16

1. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG lagen bei dem Kläger im Zeitraum ab 5.12.2007 die Voraussetzungen des § 118 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB III aF vor. Soweit der Begriff der Arbeitslosigkeit voraussetzt, dass der Arbeitnehmer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit, § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III aF, ab 1.4.2012 § 138 Abs 1 Nr 1 SGB III), hat das LSG zutreffend angenommen, dass der Kläger im Zeitraum ab 5.12.2007 trotz des möglichen Fortbestands seines Arbeitsverhältnisses zur KG beschäftigungslos war. Denn § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III aF knüpft nicht an den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses an, sondern an die tatsächlichen Verhältnisse. Dies verdeutlicht auch die Vorschrift des § 143 SGB III aF(ab 1.4.2012 § 157 SGB III), die einerseits ein Ruhen des Anspruchs auf Alg während des Bezugs von Arbeitsentgelt vorsieht (Abs 1 S 1) und andererseits die Gewährung von Alg im Fall der Nichterfüllung aktueller Ansprüche auf Arbeitsentgelt (sog Gleichwohlgewährung, Abs 3 S 1; vgl zuletzt BSG SozR 4-4300 § 122 Nr 5 RdNr 12 und BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 9, jeweils mwN).

17

Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist auch davon auszugehen, dass bei dem Kläger in der fraglichen Zeit die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Arbeitslosigkeit (§ 119 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 SGB III aF) sowie die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosmeldung (§ 118 Abs 1 Nr 2 SGB III aF) erfüllt waren.

18

2. Der Kläger hat jedoch, wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, die Anwartschaftszeit nicht erfüllt (§ 118 Abs 1 Nr 3 SGB III aF).

19

a) Nach § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF(ab 1.4.2012 § 144 Abs 1 S 1 SGB III) hat die Anwartschaftszeit zurückgelegt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate (360 Tage, § 339 S 1 SGB III) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 Abs 1 S 1 SGB III aF zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Sie reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 124 Abs 2 SGB III aF); dies verkürzt die grundsätzlich zweijährige Rahmenfrist, damit dieselben Beschäftigungszeiten nicht mehrmals zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen (so bereits BSG Urteil vom 11.6.1987 - 7 RAr 40/86 - SozR 4100 § 117 Nr 19 S 95 - zur weitgehend inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 117 Arbeitsförderungsgesetz). Die Verkürzung gilt auch in Fällen der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs 3 SGB III aF(vgl BSG, aaO S 98).

20

b) Da der Kläger innerhalb des zweijährigen Zeitraums vom 29.11.2007 (Arbeitslosmeldung am 30.11.2007) bis 30.11.2005 zuletzt aufgrund seines (zweiten) Leistungsantrags vom 5.12.2006 - nach vorherigem Bezug von Insg bis 5.2.2007 - Alg ab 6.2. bis 7.8.2007 bezogen hat, kann im vorliegenden Fall der Lauf einer Rahmenfrist nicht vor dem 5.12.2006 (Tag der zweiten Arbeitslosmeldung) beginnen. Dem steht auch nicht entgegen, dass in Fällen des § 143 Abs 3 SGB III aF mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein kann und der Antragstellung nunmehr nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt(vgl BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 17). Ob die Rahmenfrist - wie von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 18.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.4.2008 zugrunde gelegt - vom 5.12.2006 bis 29.11.2007 (= 360 Tage) läuft oder - wovon das SG in seiner Entscheidung vom 25.8.2009 ausgegangen ist - erst am 5.12.2007 endet, bedarf hier - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Kläger hat weder in diesem Zeitraum noch danach 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

21

c) Was unter dem Begriff Versicherungspflichtverhältnis iS des § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF zu verstehen ist, erschließt sich aus § 24 SGB III. Danach stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind (Abs 1). Für Beschäftigte beginnt es mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis (Abs 2 S 1) und endet mit dem Tag des Ausscheidens (Abs 4).

22

Der Begriff des Beschäftigten ist in § 25 Abs 1 S 1 SGB III umschrieben. Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 S 1 SGB IV, dessen sachlicher Anwendungsbereich sich auch auf das Arbeitsförderungsrecht erstreckt(§ 1 Abs 1 S 2 SGB IV), die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

23

Daraus folgt indes nicht, dass ein Versicherungspflichtverhältnis iS des § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF iVm § 24 Abs 1 SGB III stets dann vorliegt, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Entscheidend sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse (vgl BSGE 73, 126, 127 f = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 mwN; Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 27 RdNr 41 mwN; Stand Einzelkommentierung März 2010). So müssen bei faktischer Beschäftigungslosigkeit Arbeitgeber wie Arbeitnehmer den Willen zur (wenn auch künftigen) Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses dokumentieren (vgl BSGE 73, 90, 96 = SozR 3-4100 § 101 Nr 4 mwN - zum Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses bei Krankheit, bezahltem Urlaub, Freistellung von der Arbeit bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts, zum Fortbestand trotz Inhaftierung des Arbeitnehmers bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber). Besteht ein solcher Fortsetzungswille nicht, endet auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses das eine Anwartschaftszeit begründende Versicherungspflichtverhältnis iS des § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF mit dem tatsächlichen Ende der Beschäftigung, also dann, wenn Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt tatsächlich nicht mehr erbracht werden und der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet oder seine (arbeitsrechtliche) faktische Verfügungsmöglichkeit nicht wahrnimmt(vgl BSGE 73, 90, 94 = SozR 3-4100 § 101 Nr 4 S 8; BSGE 73, 126, 129 = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 15 - zur Beschäftigungslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne; ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.12.2001 - L 8 AL 368/00 - Juris RdNr 33 - zur Anwartschaftszeit).

24

d) Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Verhältnisse spricht im vorliegenden Fall - wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat - viel dafür, dass die versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers bei der KG schon im Oktober/November 2005 beendet war. Denn nach den vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher das Revisionsgericht nach § 163 SGG bindenden, tatsächlichen Feststellungen des LSG bestand zu diesem Zeitpunkt der Mietvertrag für den Großmarkt in G. nicht mehr und war - was dem Kläger auch bekannt war - die Geschäftstätigkeit der KG eingestellt. Auf Seiten des Arbeitgebers bestand ferner kein Wille zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mehr, vielmehr ging die KG - dokumentiert durch die erfolgte Abmeldung (vgl § 28a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB IV) und die Arbeitgeberbescheinigung vom 2.11.2005 - von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2005 aus. Doch es bedarf hier keiner abschließenden Beurteilung, ob im Rückblick die Beklagte zu Recht oder zu Unrecht ab 13.10.2005 bzw ab 6.2.2007 Alg im Wege der Gleichwohlgewährung gezahlt hat. Dies gilt umso mehr, als diese Vorschrift eine schnelle Überbrückung von Notlagen in unklaren Fällen sichern soll, sodass es (zunächst) genügt, wenn Ansprüche gegen den Arbeitgeber möglicherweise bestehen oder möglicherweise entstehen können (vgl auch BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 78; Düe in Niesel/Brandt, SGB III, 5. Aufl 2010, § 143 Nr 33). Jedenfalls fehlt es für den hier streitigen Anspruch des Klägers auf Alg ab 5.12.2007 an der erforderlichen Anwartschaftszeit, weil spätestens mit der Anmeldung des Erlöschens der KG im Juni 2007 kein Versicherungspflichtverhältnis mehr vorlag.

25

Zwar fällt in die maßgebliche Rahmenfrist (beginnend ab 5.12.2006) der Bezug von Insg. Doch der Bezug von Insg in der Zeit vom 6.11.2006 bis 5.2.2007 führt als solcher - wie die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung zu Recht ausgeführt hat - nicht zum Bestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses. Vielmehr kann aus der Leistungsgewährung lediglich gefolgert werden, dass die Beklagte das für einen Anspruch auf Insg gemäß § 183 Abs 1 S 1 SGB III aF(ab 1.4.2012 § 165 Abs 1 S 1 SGB III) erforderliche "Arbeitsverhältnis" und dessen Fortbestand bis zum 5.2.2007 (Tag vor dem Insolvenzereignis) bejaht hat. Doch selbst, wenn in diesem Zeitraum von einem Versicherungspflichtverhältnis iS des § 123 Abs 1 S 1 SGB III aF auszugehen wäre, ergäben sich (für die Zeit vom 5.12.2006 bis 5.2.2007) nur 63 Tage eines Versicherungspflichtverhältnisses als Voraussetzung der mindestens 360 Tage erfordernden Anwartschaftszeit.

26

Die für die Erfüllung der Anwartschaftszeit erforderlichen Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses hat der Kläger auch in der anschließenden Zeit nicht zurückgelegt. Wenn nicht schon die nach der Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse erfolgte Eintragung der Auflösung der KG im Handelsregister am 30.3.2007 als Endzeitpunkt angesehen werden kann (vgl § 60 Abs 1 Nr 5, § 65 Abs 1 GmbH-Gesetz sowie § 161 Abs 1 iVm § 131 Abs 2 Nr 1 Handelsgesetzbuch), wird jedenfalls durch die am 1.6.2007 erfolgte Anmeldung des Erlöschens der KG durch die Liquidatoren zur Eintragung im Handelsregister (§ 74 Abs 1 GmbHG; § 157 Abs 1 iVm § 131 Abs 2 Nr 1 HGB) dokumentiert, dass jegliche realistische Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers entfallen war. Ein weiteres Festhalten des Klägers an seinem Arbeitsverhältnis war unter diesen Voraussetzungen - wie es das LSG ausgedrückt hat - als bloße verbale Bekundung oder "leere Hülse" anzusehen (vgl BSGE 73, 126, 129 = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 15 - zur Beschäftigungslosigkeit).

27

e) Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 3.6.2004 (BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2) - in Fortführung der früheren Rechtsprechung des BSG unter der Geltung des § 117 AFG - entschieden hat, dass durch eine während des Kündigungsschutzprozesses zurückgelegte Beschäftigungszeit die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt werden kann, auch wenn der Betreffende während dieser Zeit arbeitslos war und Arbeitslosenhilfe bezogen hat(aaO, RdNr 15). Soweit dort ausgeführt worden ist, für die Versicherungspflicht komme es nicht "ohne weiteres" auf das tatsächliche Ende der Beschäftigung an, sondern "ggf auf den Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses", bezogen sich diese Ausführungen auf einen Sachverhalt, der sich in wesentlichen Punkten vom vorliegenden Fall unterscheidet. Dort war der Kläger vom Arbeitgeber nach einer fristlosen Kündigung freigestellt worden und das Arbeitsverhältnis im anschließenden Kündigungsschutzprozess durch arbeitsgerichtlichen Vergleich unter Wahrung der geltenden tariflichen Kündigungsfrist beendet worden. Damals war also - anders als im vorliegenden Fall, jedoch übereinstimmend mit früheren Entscheidungen des BSG (vgl ua SozR 3-4100 § 117 Nr 17 und auch die vom Senat in Bezug genommene, beitragsrechtliche Entscheidung des 12. Senats des BSG vom 25.9.1981 - 12 RK 58/80 - BSGE 52, 152, 156 = SozR 2100 § 25 Nr 3) - der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses (durch Urteil oder Vergleich) genau festgelegt und die Arbeitnehmer erhielten entsprechende Gehaltsnachzahlungen des Arbeitgebers (vgl hierzu auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.11.2009 - L 11 AL 208/06 - Juris RdNr 19, 21 - zur wiederholten Leistungsgewährung; Bayerisches LSG, Urteil vom 10.6.2010 - L 9 AL 143/07 - Juris RdNr 37, zum Nichtbestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses). Im Unterschied zum vorliegenden Fall hatte der Senat in der Entscheidung vom 3.6.2004 (aaO) über die erstmalige Erfüllung der Anwartschaftszeit nach dem tatsächlichen Ende der Beschäftigung zu befinden, nicht über eine (erneute) Erfüllung der Anwartschaftsvoraussetzungen. Darüber hinaus hat der Senat - worauf bereits das LSG zu Recht hingewiesen hat - schon in der Entscheidung vom 3.6.2004 klargestellt, dass es damals keine Hinweise für ein missbräuchliches Verhalten, das in Ausnahmefällen eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, gegeben habe (SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 16).

28

f) Soweit der Kläger meint, dieser Hinweis in der Senatsentscheidung vom 3.6.2004 könne möglicherweise durch die zeitlich späteren Entscheidungen des 12. Senats vom 24.9.2008 (B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9 und B 12 KR 27/07 R - BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10) inhaltlich überholt sein, ist dies unzutreffend. Im Gegenteil ist in diesen Entscheidungen, bei denen es um die Versicherungspflicht von Zeiten der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung bei fortlaufender Zahlung des Arbeitsentgelts bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ging, klargestellt worden, dass grundsätzlich eine Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV den "Vollzug" eines entsprechenden Rechtsverhältnisses, wie etwa des im Gesetz exemplarisch genannten Arbeitsverhältnisses, erfordert. Aus Anlass der konkret zu entscheidenden Sachverhalte hat der 12. Senat ferner klargestellt, dass eine tatsächliche Arbeitsleistung nicht zwingende Voraussetzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist, solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht und Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Willen haben, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 15 und RdNr 22 bis 23). Der 12. Senat hat also in den genannten Entscheidungen festgehalten, dass grundsätzlich nicht bereits die Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung für das Ende der Beschäftigung maßgeblich ist, sondern das "kumulative Entfallen sowohl des arbeitsvertraglichen Bandes wie auch sonstiger Umstände, die iS der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung dessen Vollzug … begründen". Daraus wird deutlich, dass gerade nicht - wie offenbar der Kläger meint - ein Fortbestand des arbeitsvertraglichen Bandes und der daraus folgenden rechtlichen Leistungspflichten genügt, sondern, dass trotz Freistellung ein Fortsetzungswille von Arbeitgeber und Arbeitnehmer erforderlich ist, der ua auch durch die Weiterzahlung des Arbeitsentgelts zum Ausdruck gebracht werden kann.

29

Nur wegen des Erfordernisses eines derartigen "Vollzugs" des Arbeitsverhältnisses hat auch der 12. Senat in seinen Entscheidungen zur Freistellung bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts die Gefahr eines Missbrauchs der Sozialversicherung oder gar eines "Erschleichens" von Sozialversicherungsschutz als generell gering eingestuft (vgl ua BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 20; Schlegel, NZA 2005, 972, 976; Berchtold in Gagel/Weiß, Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts, § 12 C RdNr 31 f).

30

3. Im Fall des Klägers kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit sein Verhalten als rechtsmissbräuchlich angesehen werden könnte. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG fehlt es jedenfalls am erforderlichen Vollzug des Arbeitsverhältnisses. Spätestens mit der Anmeldung der Beendigung der Liquidation durch die Liquidatoren am 1.6.2007 war jede realistische Möglichkeit für eine Weiterbeschäftigung des Klägers entfallen. Denn damit dokumentierten die Liquidatoren die Beendigung der Abwicklung der Gesellschaft (vgl § 74 Abs 1 GmbHG; § 157 Abs 1 iVm § 131 Abs 2 Nr 1 HGB). Schon zuvor war die KG zu einer Weiterbeschäftigung des Klägers mangels Geschäftsbetriebs in G. und Verlagerung des Firmensitzes nach P. tatsächlich nicht mehr in der Lage. Sie konnte als Arbeitgeber ihre Verfügungsmacht über den Kläger gar nicht mehr ausüben und umgekehrt war der Kläger weder in einen vorgegebenen Arbeitsablauf eingegliedert noch erhielt er seit Oktober 2005 Arbeitsentgelt.

31

Hiergegen kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, sein Arbeitsverhältnis mit der KG habe nach den rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen vom 25.5.2007 und 13.4.2010 - letzteres Urteil nunmehr gerichtet gegen die Liquidatorin, vertreten durch ihren Nachtragsliquidator - weiter fortbestanden und die der Auflösung folgende Liquidation der KG habe rechtlich keineswegs die Beendigung der Geschäftstätigkeit der KG bedeutet (vgl § 70 GmbHG; § 149 iVm § 131 Abs 2 Nr 1 HGB). Abgesehen davon, dass es sich bei den arbeitsgerichtlichen Entscheidungen lediglich um Versäumnisurteile handelt und diesen grundsätzlich keine Tatbestandswirkung für das sozialrechtliche Verfahren zukommen kann, weil sie nur auf dem jeweiligen Parteivorbringen und einer Schlüssigkeitsprüfung beruhen (vgl BSG SozR 1500 § 141 Nr 9; Krodel in Niesel/Brandt, SGB III, 5. Aufl 2010, § 183 RdNr 105), folgt aus der gerichtlichen Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses des Klägers zur KG keineswegs - wie der Kläger offenbar meint - der Fortbestand der versicherungspflichtigen Beschäftigung. Vielmehr kommt es - wie insbesondere unter 1. und 2. ausgeführt - für die Beschäftigung sowohl im leistungsrechtlichen als auch im beitragsrechtlichen Sinne auf den Vollzug des Arbeitsverhältnisses und die diesen Vollzug im Einzelfall näher begründenden Umstände an.

32

Es bedarf deshalb auch keiner Vertiefung, ob sich der Kläger zu Recht oder zu Unrecht auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mangels wirksamer schriftlicher Kündigung (vgl § 623 Bürgerliches Gesetzbuch) berufen hat und ob im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Einstellung der Geschäftstätigkeit bereits im Jahre 2005, die Geschäftsgrundlage für seine Weiterbeschäftigung entfallen oder die Berufung auf den Formmangel treuwidrig gewesen sein könnte (vgl zuletzt Bundesarbeitsgericht , Urteil vom 16.9.2004 - 2 AZR 659/03 - AP Nr 1 zu § 623 BGB; Urteil vom 24.8.1995 - 8 AZR 134/94 - BB 1995, 2584 - zum Wegfall der Geschäftsgrundlage; Henssen, DB 2006, 1613). Denn hierauf kommt es nicht entscheidungserheblich an. Es bedarf deshalb auch keiner weiteren Erörterung, welche rechtlichen Wirkungen die Anmeldung der Beendigung der Liquidation hatte und ob diese - wie der Kläger in der Revisionsbegründung geltend macht - verfrüht war oder die Liquidation dann fortzusetzen gewesen wäre, wenn sich ein bislang unbekanntes Vermögen der KG ergeben hätte. Ein solcher Extremfall ist weder vom LSG festgestellt noch wird er vom Kläger selbst substanziell vorgetragen; außerdem geht es bei dem Zeitpunkt der Anmeldung der Beendigung der Liquidation allein darum, dass dadurch mit Außenwirkung dokumentiert war, dass auf Seiten der KG jeglicher Wille zur Fortsetzung der Geschäftstätigkeit, insbesondere auch zu einer Weiterbeschäftigung des Klägers, gefehlt und insoweit keine Verfügungsmöglichkeit mehr bestanden hat.

33

4. Entgegen der Meinung des Klägers verlangt schließlich auch die Schutzfunktion der Versicherungspflicht keine andere rechtliche Beurteilung. Denn die Gewährleistung öffentlich-rechtlichen Versicherungsschutzes endet dort, wo von einem ausreichenden Vollzug einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht mehr die Rede sein kann. Gegenteiliges lässt sich nicht der von der Revision zitierten Rechtsprechung des BSG, insbesondere der Entscheidung vom 26.11.1985 (12 RK 51/83 - BSGE 59, 183 = SozR 4100 § 168 Nr 19) entnehmen, auf die sich im Übrigen nicht nur der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 3.6.2004 (SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 16), sondern auch der 12. Senat in seinen Entscheidungen vom 24.9.2008 (ua B 12 KR 22/07 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 16) bezogen hat. In diesen Entscheidungen ist lediglich klargestellt worden, dass die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit nicht schon mit der Freistellung endet, wenn ein Konkursverwalter das Arbeitsverhältnis nach Konkurseröffnung fristgemäß kündigt und den Arbeitnehmer "mit sofortiger Wirkung" von der Arbeit freistellt und dass dies auch für den Fall der sog Gleichwohlgewährung von Alg gilt. Wenn danach von einer grundsätzlichen Deckungsgleichheit von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis im Beitragsrecht auszugehen ist, folgt hieraus nicht, dass dies ausnahmslos ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles und unbesehen von den leistungsrechtlichen Folgen gilt. Aus Anlass der konkret zu entscheidenden Fallgestaltungen bestand für das BSG bisher auch keine Veranlassung, sich zu der streitgegenständlichen Frage einer erneuten Erfüllung der Anwartschaftsvoraussetzungen und einer wiederholten Inanspruchnahme von Leistungen im Wege der Gleichwohlgewährung zu äußern.

34

Der Schutzzweck der Gleichwohlgewährung und eines beitragsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses würde verfehlt, wenn - wie der Kläger geltend macht - ein formal noch nicht beendetes, aber langfristig nicht mehr in Vollzug gesetztes Arbeitsverhältnis selbst nach Auflösung und Liquidation des Unternehmens noch sozialrechtliche Positionen in Gestalt der Begründung neuer Anwartschaftszeiten und daraus folgender Leistungsansprüche - wie der Kläger ausdrücklich vorträgt, ggf bis zur Rente - begründen könnte (wie der Senat im Ergebnis auch Schweiger, NZS 2001, 519, 522 - zu den Auswirkungen des § 623 BGB auf die sog Gleichwohlgewährung).

35

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.