Bundessozialgericht Beschluss, 19. Dez. 2017 - B 1 KR 38/17 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:191217BB1KR3817B0
bei uns veröffentlicht am19.12.2017

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Februar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren - zuletzt gerichtet auf Erstattung von 1049,61 Euro Kosten in der Zeit vom 13.7.2010 bis 14.3.2013 aufgrund von Privatrezepten selbst verschaffter nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel (Buscopan plus, Liponsäure, Loperamid, Magnesiocard, SAB Simplex und Voltaflex Glucosamin), verschreibungspflichtiger Arzneimittel (ACC Long und Batrafen Creme) sowie des Mittels Basica Compact - bei der Beklagten und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids des SG ua ausgeführt, die betroffenen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel seien nicht ausnahmsweise in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einbezogen. Das verschreibungspflichtige Arzneimittel ACC Long sei wegen Geringfügigkeit der behandelten Gesundheitsstörung nicht von der GKV zu leisten, Batrafen Creme sei nicht vertragsärztlich verordnet. Basica Compact sei kein Arznei-, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel (Urteil vom 23.4.2015). Der erkennende Senat hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wegen der unterlassenen Beiladung des Sozialhilfeträgers und dessen möglicher Verurteilung zur Kostenerstattung nach § 75 Abs 5 SGG das LSG-Urteil aufgehoben, soweit es über das Begehren des Klägers auf Erstattung der für die Arzneimittel Buscopan plus, Liponsäure, Loperamid, Magnesiocard, SAB Simplex und Voltaflex Glucosamin sowie ACC Long und das Nahrungsergänzungsmittel Basica Compact aufgewandten Kosten entschieden hat. Insoweit hat der erkennende Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Im Übrigen hat er die Beschwerde als unzulässig verworfen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das LSG den Wetteraukreis beigeladen und den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt. Ferner hat die Vorsitzende des LSG-Senats den Antrag des Klägers abgelehnt, zwecks Teilnahme an der mündlichen Verhandlung Taxikosten für die An- und Abreise zu übernehmen. Das LSG hat nach mündlicher Verhandlung in Abwesenheit des Klägers die Berufung zurückgewiesen. Die für das Sozialhilferecht zuständigen Spruchkörper hätten in einem Teil der hier gegenüber der Beklagten geltend gemachten Kosterstattungsansprüche im Verhältnis zum Beigeladenen einen Anspruch bereits rechtskräftig verneint. Die übrigen vom Kläger hier geltend gemachten, gegen den Beigeladenen bereits im Klagewege bei den für das Sozialhilferecht zuständigen Spruchkörpern verfolgten Kostenerstattungsansprüche seien noch rechtshängig. Aus den Gründen der rechtskräftigen Entscheidungen sei aber auch hier ein Anspruch gegen den Beigeladenen zu verneinen (Urteil vom 9.2.2017).

2

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

3

II. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seinen Antrag vom 12.6.2017 nicht ausdrücklich beschränkt hat, obwohl das LSG zu Recht wegen entgegenstehender Rechtskraft die Berufung hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Kostenerstattung für das Medikament Batrafen Creme - wie nur aus den Gründen ersichtlich - als unzulässig verworfen hat. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur noch die Entscheidung des LSG, soweit es die Berufung als unbegründet zurückgewiesen hat. Der Kläger hat jedenfalls in seiner Begründung klargestellt, dass er nur noch die Erstattung der Kosten für die Arzneimittel Buscopan plus, Liponsäure, Loperamid, Magnesiocard, SAB Simplex, Voltaflex Glucosamin, ACC Long und das Nahrungsergänzungsmittel Basica Compact für die Zeit vom 13.7.2010 bis 14.3.2013 begehrt. Insoweit hat er seine Beschwerde beschränkt.

4

Die Beschwerde ist auch begründet. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), den der Kläger entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG hinreichend bezeichnet.

5

1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Das Urteil des LSG ist unter Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 S 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) ergangen. Das LSG hat nicht geprüft hat, ob es dem Kläger, der im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertreten gewesen ist und substantiiert geltend gemacht hat, mittellos zu sein, auf seinen Antrag hin die Teilnahme der mündlichen Verhandlung auf Kosten der Staatskasse nach dem Runderlass (RdErl) des Hessischen Ministeriums der Justiz, für Integration und Europa vom 23.12.2011 (5670 - II/B 3 - 2011/7729 - II/A, JMBl 2012, 37; geändert durch RdErl des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 8.4.2014 - 5670 - II/B 3 - 2013/6749 - II/A, JMBl 2014, 228; unveränderte Neuinkraftsetzung des RdErl betreffend die Gewährung von Reiseentschädigungen durch RdErl des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 11.10.2016 - 5670 - II/B 2 - 2016/11929 - II/A, JMBl 2016, 413 ) über die Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen für Reiseentschädigungen an Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, ehrenamtliche Richterinnen, ehrenamtliche Richter und Dritte (vgl auch die Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen etc - VwV Reiseentschädigung - idF vom 20.1.2014, BAnz AT 29.1.2014 B1) zu ermöglichen hat (dazu a). Das Urteil beruht auf diesem Verfahrensfehler (dazu b).

6

a) Das Übergehen des Antrags auf Bewilligung einer Reiseentschädigung zur - anders nicht möglichen - Teilnahme an der mündlichen Verhandlung stellt bei einem mittellosen und nicht rechtskundig vertretenen Kläger eine Versagung rechtlichen Gehörs dar (vgl BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 13 R 329/13 B - Juris RdNr 11). Nach § 124 Abs 1 SGG entscheidet das Gericht - soweit nichts anderes bestimmt ist - aufgrund mündlicher Verhandlung. Der Mündlichkeitsgrundsatz gewährt den Beteiligten grundsätzlich das Recht, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden (stRspr, vgl BSGE 17, 44 = SozR Nr 16 zu § 62 SGG; BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 12 KR 64/17 B - Juris RdNr 8). Die mündliche Verhandlung, aufgrund der die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit regelmäßig entscheiden (§ 124 Abs 1 SGG), ist gleichsam das "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens (stRspr; vgl BSGE 44, 292 = SozR 1500 § 124 Nr 2 S 2; BSG Beschluss vom 4.3.2014 - B 1 KR 110/13 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 17.11.2015 - B 1 KR 65/15 B - Juris RdNr 7 mwN). Sie dient dem Zweck, dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen und mit ihnen den Streitstoff erschöpfend zu erörtern (stRspr, vgl BSGE 44, 292 = SozR 1500 § 124 Nr 2 S 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 13 R 329/13 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 17.11.2015 - B 1 KR 65/15 B - Juris RdNr 7).

7

Das LSG hat es versäumt, das persönlich verfasste Schreiben des Klägers vom 25.1.2017 entsprechend seinem Sinngehalt auszulegen. Der Kläger hat dort nicht nur ausdrücklich einen PKH-Antrag unter Beiordnung seines gegenwärtigen Prozessbevollmächtigten gestellt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt. Er hat auch ausdrücklich unter Hinweis auf Art 103 Abs 1 GG und auf seine Absicht, an der bereits anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen, zusätzlich beantragt, "dem gerichtsbekannt mittellosen und schwer behinderten Kläger für die An- und Abreise zum Termin der mündlichen Behandlung am 09. Februar 2017 ein TAXI zu bewilligen". In diesen Ausführungen hat sinngemäß auch der Antrag auf Bewilligung einer Reiseentschädigung gelegen und nicht bloß die Anregung an das Gericht, das persönliche Erscheinen anzuordnen. Über diesen Antrag hätte das LSG zeitnah vor dem Termin eine Entscheidung herbeiführen müssen. Die Vorsitzende des LSG-Senats hat in ihrem Schreiben gemäß Verfügung vom 30.1.2017 jedoch nur ausgeführt, dass Taxikosten nicht übernommen würden, weil das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet worden sei. Indem das LSG über den Antrag auf Reiseentschädigung nicht entschieden und zugleich PKH unter Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten abgelehnt hat, hat es den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.

8

b) Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Grundsätzlich bedarf es keines weiteren Vortrags zum "Beruhen" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62). Wird einem Beteiligten ein vom Gericht anberaumter Verhandlungstermin nicht mitgeteilt, reicht es wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens vielmehr aus, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen (vgl BSGE 44, 292, 295 = SozR 1500 § 124 Nr 2 S 5; BSG Beschluss vom 17.2.2010 - B 1 KR 112/09 B - Juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 1 KR 90/12 B - Juris RdNr 5). Gleiches gilt für den Fall, dass - wie hier - dem Kläger der Termin zwar mitgeteilt wird, aber eine vom Kläger bei sachgerechter Auslegung seines Antrags geforderte Prüfung der Bewilligung einer Reiseentschädigung unterbleibt, er dem Termin fernbleibt und die geltend gemachte Mittellosigkeit als Grund des Fernbleibens nach dem Vorbringen des Klägers in dem Rechtszug, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, nicht fern liegt. Mittellos ist ein Kläger, der nicht in der Lage ist, die Kosten der Reise aus eigenen Mitteln zu bestreiten (I. 1. S 4 HessRdErl-Reiseentschädigung). Dies kann nach den vom Kläger mit Schreiben vom 25.1.2017 vorgelegten Einkommensnachweisen nicht als fern liegend ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann mit Blick auf die Begründung des LSG eine Verurteilung des Beigeladenen ausgeschlossen werden.

9

2. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

10

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 19. Dez. 2017 - B 1 KR 38/17 B

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Beschluss, 19. Dez. 2017 - B 1 KR 38/17 B

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Beschluss, 19. Dez. 2017 - B 1 KR 38/17 B zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 62


Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 75


(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundessozialgericht Beschluss, 19. Dez. 2017 - B 1 KR 38/17 B zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundessozialgericht Beschluss, 19. Dez. 2017 - B 1 KR 38/17 B zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Beschluss, 10. Okt. 2017 - B 12 KR 64/17 B

bei uns veröffentlicht am 10.10.2017

Tenor Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2017 aufgehoben.

Bundessozialgericht Beschluss, 17. Nov. 2015 - B 1 KR 65/15 B

bei uns veröffentlicht am 17.11.2015

Tenor Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Juni 2015 aufgehoben.

Bundessozialgericht Beschluss, 11. Feb. 2015 - B 13 R 329/13 B

bei uns veröffentlicht am 11.02.2015

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. Mai 2013 aufgehoben.

Bundessozialgericht Beschluss, 04. März 2014 - B 1 KR 110/13 B

bei uns veröffentlicht am 04.03.2014

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 3. Juli 2013 aufgehoben.

Bundessozialgericht Beschluss, 18. Dez. 2012 - B 1 KR 90/12 B

bei uns veröffentlicht am 18.12.2012

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. März 2012 aufgehoben.

Bundessozialgericht Beschluss, 17. Feb. 2010 - B 1 KR 112/09 B

bei uns veröffentlicht am 17.02.2010

Tatbestand 1 Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger, der - wie aus den Akten eines Vorprozesses hervorgeht - an den Folgen von HIV leidet, ist mit seinem (

Referenzen

(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, daß bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen.

(2a) Kommt nach Absatz 2 erste Alternative die Beiladung von mehr als 20 Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluss anordnen, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Er muss außerdem in im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Tageszeitungen veröffentlicht werden. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muss mindestens drei Monate seit der Bekanntgabe betragen. Es ist jeweils anzugeben, an welchem Tag die Antragsfrist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(2b) In Verfahren gegen Entscheidungen nach § 7a Absatz 1 Satz 3, § 28h Absatz 2 und § 28p Absatz 1 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind andere Versicherungsträger abweichend von Absatz 2 nur auf deren Antrag beizuladen. Das Gericht benachrichtigt die anderen Versicherungsträger über die Erhebung einer entsprechenden Klage und über die Möglichkeit der Beiladung auf Antrag. Das Gericht setzt den anderen Versicherungsträgern für die Antragstellung eine angemessene Frist. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht kann Versicherungsträger auch von Amts wegen beiladen.

(3) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Der Beschluß, den Dritten beizuladen, ist unanfechtbar.

(4) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur dann stellen, wenn eine Beiladung nach Absatz 2 vorliegt.

(5) Ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land kann nach Beiladung verurteilt werden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. Mai 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit.

2

Der 1960 geborene Kläger arbeitete im erlernten Beruf als Gärtner. Nach Zeiten der Arbeitslosigkeit ab 1982 war er als Berufskraftfahrer und zuletzt bis 2005 als Auslieferungsfahrer tätig. Der im November 2005 gestellte Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos (Bescheid vom 28.4.2006, Widerspruchsbescheid vom 12.10.2006), wie auch das Klage- und Berufungsverfahren (Urteile des SG Kassel vom 18.8.2009 und des Hessischen LSG vom 3.5.2013).

3

Im Berufungsverfahren hat das LSG zunächst medizinische Berichte der behandelnden Fachärzte eingeholt. Im Anschluss hat es im Rahmen einer interdisziplinären medizinischen Begutachtung ein internistisches, ein orthopädisches und ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen eingeholt. Die Gutachten sind nach ambulanter Untersuchung des Klägers (am 8.1.2013) beim LSG am 31.1.2013 eingegangen. Die Sachverständigen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger zwar qualitative Leistungseinschränkungen vorlägen, die aber eine tägliche Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden zuließen. Den am 16.1.2013 beim LSG gestellten Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) hat das LSG unter Hinweis auf die Ergebnisse der Gutachten mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt (Beschluss vom 5.2.2013). Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ist am 7.2.2013 beim LSG eingegangen.

4

Der Anhörung zur Entscheidung über die Berufung durch Beschluss (§ 153 Abs 4 SGG) hat der Kläger widersprochen, weil er bislang weder durch Fachärzte für Bronchialheilkunde, Hauterkrankungen oder Urologie untersucht worden sei (Schreiben vom 17.3.2013). Am 10.4.2013 ist dem Kläger der Termin zur mündlichen Verhandlung am 3.5.2013 mitgeteilt worden, ohne dass sein persönliches Erscheinen zum Termin angeordnet wurde. Mit Schreiben vom 16.4.2013, beim LSG am 19.4.2013 eingegangen, hat der Kläger mitgeteilt, dass er die Berufung nicht zurücknehmen werde, weil die Sachverständigen die durch seine behandelnden Ärzte festgestellten Erkrankungen nicht hinreichend berücksichtigt hätten und er daher mit den Ergebnissen der Gutachten nicht einverstanden sei. Er hat weiter ausgeführt, dass er aufgrund der Terminsmitteilung zur mündlichen Verhandlung zunächst davon ausgegangen sei, Gelegenheit zu haben, seine tatsächliche Situation dem Gericht persönlich darzulegen. Diese Möglichkeit verwehre ihm das Gericht nunmehr dadurch, dass keine Fahrtkosten zum Termin übernommen werden. Erneut wolle er darauf hinweisen, dass er als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II nicht die finanziellen Möglichkeiten habe, eine Fahrt zum LSG nach Darmstadt selbst zu finanzieren. Der Beklagten ist das Schreiben des Klägers zur Kenntnisnahme übersandt worden.

5

Die Berufung des Klägers ist daraufhin in seiner Abwesenheit nach mündlicher Verhandlung am 3.5.2013 zurückgewiesen worden. Das LSG hat den fehlenden Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, im Wesentlichen auf die Ergebnisse der drei Sachverständigengutachten gestützt. Einen qualifizierten Berufsschutz als Facharbeiter hat es verneint.

6

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 3.5.2013 rügt der Kläger Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Er sieht sich in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) verletzt. Mangels ausreichender finanzieller Mittel habe er an der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht teilnehmen können. Seine Eingabe vom 16.4.2013, mit der er um finanzielle Unterstützung für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gebeten habe, sei zugleich als Antrag auf Reisekostenbeihilfe zu verstehen gewesen. Die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung wäre zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich gewesen, weil ihm die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der PKH versagt geblieben sei. Er habe dem Gericht vortragen wollen, aus welchem Grund seine Erkrankungen in den Sachverständigengutachten nicht vollständig erfasst seien. Dies sei ihm durch die Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung verwehrt worden.

7

II. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung der Sache erfolgreich. Sie ist formgerecht begründet und die Entscheidung des LSG beruht auf einem Verfahrensmangel.

8

Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und das Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip; Art 6 Abs 1 EMRK) verletzt, weil es den Antrag des mittellosen und nicht rechtskundig vertretenen Klägers auf Bewilligung eines Reisekostenvorschusses für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung übergangen hat.

9

Nach § 124 Abs 1 SGG entscheidet das Gericht - soweit nichts anderes bestimmt ist - aufgrund mündlicher Verhandlung. Der sog Mündlichkeitsgrundsatz gewährt den Beteiligten grundsätzlich das Recht, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden (stRspr, vgl BSG vom 27.4.1962 - SozR Nr 16 zu § 62 SGG; BSG vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - Juris RdNr 7 mwN). Dadurch wird der Funktion der mündlichen Verhandlung als "Kernstück" des sozialgerichtlichen Verfahrens Rechnung getragen. In der mündlichen Verhandlung muss dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör genüge getan und der Streitstoff mit ihnen erschöpfend erörtert werden (stRspr, vgl BSGE 44, 292 = SozR 1500 § 124 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33; BSG vom 4.3.2014 - B 1 KR 110/13 B - Juris).

10

Obwohl die Verletzung des rechtlichen Gehörs in sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 SGG iVm § 547 ZPO), ist wegen der Bedeutung der mündlichen Verhandlung für das sozialgerichtliche Verfahren davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Beteiligten daran gehindert hat, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin ergangene Gerichtsentscheidung insgesamt beeinflusst hat (vgl BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7; BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2 mwN). Näherer Darlegungen dazu, inwiefern das Urteil auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann, sind daher in diesem Fall nicht erforderlich.

11

Das völlige Übergehen des Antrags auf Bewilligung eines Reisekostenvorschusses zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung stellt bei einem - wie vorliegend - mittellosen und nicht rechtskundig vertretenen Kläger eine Versagung rechtlichen Gehörs dar. Das LSG hat es versäumt, das persönlich verfasste Schreiben des Klägers vom 16.4.2013 entsprechend seinem Sinngehalt auszulegen (vgl Senatsbeschluss vom 29.3.2006 - B 13 RJ 199/05 B - Juris RdNr 7; BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R). In den Ausführungen, dass ihm die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verwehrt bleibe, weil seine Fahrkosten nicht übernommen werden und er die Reise zum LSG nicht selbst finanzieren könne, lag sinngemäß der Antrag auf Bewilligung eines Reisekostenvorschusses (vgl die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen etc - VwV Reiseentschädigung - idF vom 26.8.2009 ; RdErl des Hessischen Ministeriums der Justiz, für Integration und Europa vom 23.12.2011 ). Über diesen Antrag hätte das LSG zeitnah vor dem Termin eine Entscheidung herbeiführen müssen. Indem das Berufungsgericht dies nicht getan hat, hat es den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und Durchführung eines fairen Verfahrens verletzt.

12

Auf der Grundlage von § 160a Abs 5 SGG macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

13

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob ein früherer Rechtsstreit über die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zum Teil wirksam für erledigt erklärt wurde.

2

Die beklagte Krankenkasse hatte festgestellt, dass die Klägerin in den Zeiten vom 1.11.2008 bis 20.3.2009, 1.4. bis 15.9.2009, 1.10. bis 31.12.2009 sowie 1.1. bis 9.3.2010 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der GKV unterlag. Ein hierzu geführter Rechtsstreit wurde durch das Bayerische LSG durch Urteil vom 11.11.2014 (Aktenzeichen L 5 KR 316/12) rechtskräftig entschieden. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Beteiligten hätten in der mündlichen Verhandlung die Zeiträume vom 1.1. bis 9.3.2010 sowie ab 1.8.2011 für erledigt erklärt. Das BSG verwarf die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Klägerin durch Beschluss vom 27.7.2015 als unzulässig (Aktenzeichen B 12 KR 26/15 B).

3

Die in H. lebende Klägerin macht ua eine Anfechtung der Erklärung geltend. Im vorliegenden Verfahren begehrt die vor dem LSG unvertretene Klägerin sinngemäß die Feststellung, dass der frühere Rechtsstreit nicht durch eine Teil-Erledigterklärung teilweise erledigt worden ist. Nach Weiterleitung eines - neben weiteren Verfahren - beim SG Hamburg anhängig gemachten Verfahrens an das Bayerische LSG bestimmte der Senatsvorsitzende des LSG durch Verfügung vom 12.12.2016 den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 17.1.2017, 11:00 Uhr. Das persönliche Erscheinen der Klägerin wurde nicht angeordnet. Die Ladung wurde der Klägerin am 14.12.2016 zugestellt.

4

Die Klägerin beantragte bei der Geschäftsstelle des LSG am Mittwoch, dem 11.1.2017, telefonisch eine Terminsverlegung, weil sie mit hohem Fieber einhergehend erkrankt sei. Auf der Rückseite der Gesprächsnotiz vermerkte der Senatsvorsitzende des LSG am 12.1.2017 handschriftlich: "Dem Verlegungsantrag ist nicht zu entsprechen, der Rechtsstreit ist entscheidungsreif, das PE der Klägerin nicht angeordnet. Zudem bestünde (im handschriftlichen Original schwer lesbar) kein glaubhafter Verhinderungsgrund". Mit Telefax vom 12.1.2017 wiederholte die Klägerin ihren Verlegungsantrag wegen einer "Bronchitis mit sehr hohem Fieber". Ein Attest werde umgehend nachgesendet. Im Hinblick auf darin im letzten Absatz gemachte Ausführungen zu einer Forderungsniederschlagung verfügte der Senatsvorsitzende des LSG eine Weiterleitung an die Beklagte "zur sofortigen Stellungnahme". Am 13.1.2017 führte die Klägerin mit dem Senatsvorsitzenden des LSG ein Telefonat, in dem sie sich nach der "Terminabsetzung" erkundigte. In einer Gesprächsnotiz vermerkte der Vorsitzende als Antwort "Derzeit Abwarten Stellungnahme (im handschriftlichen Original schwer lesbar) DAK Hinweis auf Gegenstand". Mit Telefax von Montag, dem 16.1.2017, (Uhrzeit laut Kopfzeile 13:15 Uhr) legte die Klägerin ein ärztliches Attest vom 16.1.2017 vor. Darin wird ausgeführt: "Aufgrund einer akuten bakteriellen Bronchitis mit Antibiotikaindikation besteht z.zt. keine Reisefähigkeit und auch aus gesundheitlichen Gründen keine Verhandlungsfähigkeit." Auf der Rückseite des Attests verfügte der Senatsvorsitzende des LSG am 16.1.2017 "z.A.". Mit weiterem Telefax vom 16.1.2017 (Uhrzeit laut Kopfzeile 18:28 Uhr) trug die Klägerin zur Sache vor. Mit Telefax vom 17.1.2017 (Uhrzeit laut Kopfzeile 11:02 Uhr) beantragte die Klägerin, "falls es bei der Erledigungserklärung" bleibe, eine "Kostenfestsetzung in der Sache".

5

Das LSG hat am 17.1.2017 von 11:20 Uhr bis 11:35 Uhr in Abwesenheit der unvertretenen Klägerin mündlich verhandelt. Durch Urteil vom 17.1.2017 hat es festgestellt, dass der frühere Rechtsstreit durch Teil-Erledigterklärung beendet worden ist. Gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Sie rügt ua die Verletzung von §§ 110, 202 SGG und § 227 ZPO (Terminsänderung).

6

II. 1. Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Ihre Begründung genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG. Insbesondere bezeichnet sie die Tatsachen, aus denen sich der geltend gemachte Verfahrensmangel (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) ergibt. Weitergehender Ausführungen zum Beruhen der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler bedarf es nicht, wenn - wie hier - ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl BSG Beschluss vom 3.7.2013 - B 12 R 38/12 B - Juris RdNr 8 mwN).

7

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das LSG-Urteil ist verfahrensfehlerhaft, weil das LSG die wiederholten Anträge der unvertretenen Klägerin auf Terminsaufhebung nicht ordnungsgemäß beschieden hat.

8

Gemäß § 124 Abs 1 SGG entscheidet das Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung. Dieser Mündlichkeitsgrundsatz räumt den Beteiligten und ihren Prozessbevollmächtigten das Recht ein, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in einer mündlichen Verhandlung umfasst auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten oder auf Vertagung eines bereits begonnenen Termins, wenn dies aus erheblichen Gründen geboten ist (§ 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG). Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 227 Abs 2 ZPO iVm § 202 SGG). Über einen Aufhebungs- oder Verlegungsantrag hat der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 227 Abs 4 S 1 Halbs 1 ZPO iVm § 202 SGG). Ein Antrag auf Terminsaufhebung bzw -verlegung ist förmlich (kurz) zu bescheiden, sofern dies noch technisch durchführbar und zeitlich zumutbar ist (zB OLG Karlsruhe MDR 1991, 1195; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl 2017, § 227 RdNr 56 mwN). Über die Entscheidung sind die Beteiligten (formlos) in Kenntnis zu setzen (vgl § 329 Abs 2 S 1 ZPO iVm § 202 SGG). Kommt der Vorsitzende seiner Verpflichtung zur Bescheidung eines Terminsaufhebungs- bzw -verlegungsantrags bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung nicht nach, leidet das Verfahren wegen der Versagung rechtlichen Gehörs an einem wesentlichen Mangel (vgl BSG Beschluss vom 3.7.2013 - B 12 R 38/12 B - Juris RdNr 10 mwN). Dies ist hier anzunehmen.

9

a) Die unvertretene Klägerin hat wiederholt telefonisch und schriftlich Anträge auf Terminsaufhebung beim LSG gestellt.

10

b) Es sind keine Gründe ersichtlich, die einer Entscheidung über die Anträge auf Terminsaufhebung vor Durchführung der mündlichen Verhandlung und dem Versuch einer Kontaktaufnahme mit der Klägerin spätestens am Vortag der mündlichen Verhandlung entgegengestanden hätten. Eine entsprechende Entscheidung des Vorsitzenden war möglich und zumutbar. Sie war auch nicht entbehrlich: Die Klägerin hatte Anträge auf Terminsaufhebung ausdrücklich gestellt und hierfür gesundheitliche Gründe angegeben, die sie zuletzt mit einer ärztlichen Bescheinigung am 16.1.2017 belegt hat.

11

c) Nach Aktenlage ist auf die wiederholten Terminsaufhebungsanträge der Klägerin vor Durchführung der mündlichen Verhandlung seitens des LSG nur hinsichtlich des ersten Antrags vom 11.1.2017 am 12.1.2017 durch den Senatsvorsitzenden des LSG eine Entscheidung ergangen, über die die Klägerin allerdings nach Aktenlage nicht informiert wurde. In einem Telefonat der Klägerin mit dem Senatsvorsitzenden des LSG am 13.1.2017 ist als Antwort lediglich "Derzeit Abwarten Stellungnahme (im handschriftlichen Original schwer lesbar) DAK (…)" vermerkt. Eine Reaktion auf die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung am 16.1.2017 erfolgte gegenüber der Klägerin nicht. Eine kurzfristige telefonische Kontaktaufnahme mit der Klägerin war zumutbar und möglich. In der Gesprächsnotiz vom 11.1.2017 sind eine Festnetz- und eine Mobilfunktelefonnummer der Klägerin vermerkt. Versuche, die Klägerin zB telefonisch darüber zu informieren, dass der Termin am 17.1.2017 trotz ihrer Terminsaufhebungsanträge stattfindet, sind in der Gerichtsakte nicht vermerkt.

12

3. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

13

4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 3. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren auf Restkostenerstattung von 1456,56 Euro für die Versorgung mit Zahnersatz und funktionsanalytischen Maßnahmen bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat seine Berufung gegen den in erster Instanz ergangenen klageabweisenden Gerichtsbescheid wegen Versäumung der Berufungsfrist unter Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen (Urteil vom 3.7.2013).

2

Der Kläger rügt mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

3

II. Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.

4

1. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), den der Kläger entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG bezeichnet. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 S 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention, § 62 SGG) verletzt. Es hat am 3.7.2013 in der Sache entschieden, obwohl der Kläger annehmen durfte, eine instanzbeendende Entscheidung werde jedenfalls an diesem Tage nicht ergehen.

5

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Grundsätzlich bedarf es keines weiteren Vortrags zum "Beruhen" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62). Wird einem Beteiligten ein vom Gericht anberaumter Verhandlungstermin nicht mitgeteilt, reicht es wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens vielmehr aus, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen (BSGE 44, 292, 295 = SozR 1500 § 124 Nr 2; BSG Beschluss vom 17.2.2010 - B 1 KR 112/09 B - Juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 1 KR 90/12 B - Juris RdNr 5). So liegt es hier.

6

Das LSG hat den Kläger nicht ordnungsgemäß über den für den 3.7.2013 anberaumten Verhandlungstermin informiert. Es hat ihm die Terminsbestimmung weder wirksam bekannt gegeben noch zugestellt. Obwohl Terminsbestimmungen und Ladungen bekannt zu geben "sind" (§ 63 Abs 1 S 2 SGG idF durch Art 1 Nr 26 Sechstes Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17.08.2001, BGBl I 2144), kann das Gericht deren Zustellung auch weiterhin anordnen, wenn es dies für zweckmäßig hält (BT-Drucks 14/5943 S 24 zu Nr 26; Hauck in Zeihe, SGG, Stand November 2012, § 63 RdNr 7). Die vom LSG angeordnete Zustellung durch die Post mit Postzustellungsurkunde erfolgte unwirksam, auch wenn das LSG dies nicht erkennen konnte. Die ausweislich der Zustellungsurkunde beabsichtigte Ersatzzustellung durch Niederlegung (§ 63 Abs 2 S 1 SGG; § 181 ZPO)setzt ua voraus, dass der Zustelladressat unter der Zustellanschrift tatsächlich eine Wohnung oder einen Geschäftsraum etc hat (vgl BVerfG NStZ-RR 1997, 70; BVerfG NJW 1992, 224, 225; Hauck in Zeihe, SGG, Stand November 2012, Anhang 8 S 403, § 181 ZPO Anm 4 a bb). Daran fehlte es. Der Kläger hat seinen Auszug aus seiner Wohnung in H. durch das Übergabeprotokoll vom 24.4.2013 überzeugend bewiesen. Es liegt auch nichts dafür vor, dass dieser Zustellungsmangel vor dem 3.7.2013 geheilt worden ist (§ 63 Abs 2 S 1 SGG; § 189 ZPO).

7

Es ist mangels wirksamer Zustellung unerheblich, dass der Kläger seinerseits nicht alles Notwendige getan hat, damit ihn Zustellungen des Gerichts tatsächlich erreichten. So waren Postzustellungen nach den vorgelegten Unterlagen nicht vom Nachsendeauftrag des Kläger umfasst. Ebenso ist es ohne Bedeutung, dass die Richter des LSG kein Verschulden trifft, weil sie allein anhand der Postzustellungsurkunde nicht erkennen konnten, dass die Zustellung unwirksam war.

8

2. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

9

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Juni 2015 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, an chronischen Kopfschmerzen und Migräne leidende Klägerin ließ sich von dem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Anästhesiologen Dr. S. untersuchen (25.6.2009), zahlte an ihn im Hinblick auf eine spätere Behandlung eine "Kaution" in Höhe von 800 Euro und teilte der Beklagten mit (Schreiben vom 10.7.2009), sie werde sich ab 13.7.2009 zur Behandlung in das von Dr. S. geleitete Schmerz-Therapie-Zentrum (Baden-Baden) begeben. Die Beklagte lehnte mündlich (Telefonat am 20.7.2009) und schriftlich (Bescheid vom 8.9.2009) die Übernahme der von Dr. S. nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Rechnung gestellten Kosten der Behandlung, insbesondere Lidocainhydrochlorid-Injektionen, sowie die Kosten weiterer von ihm veranlasster privatärztlicher Röntgen- (erbracht am 25.6.2009) und Laborleistungen (insgesamt 5446,11 Euro) ab (Bescheid vom 8.9.2009, Widerspruchsbescheid vom 3.12.2009). Mit ihrem Begehren auf Erstattung der im Behandlungszeitraum (13.7. bis 9.8.2009) entstandenen Kosten (5355,01 Euro) ist die Klägerin beim SG erfolglos geblieben. Nach Aufhebung des Gerichtsbescheids (2.11.2010) und Zurückverweisung an das SG in einem ersten Berufungsverfahren (LSG-Urteil vom 22.9.2011) ist die Klägerin beim SG erneut (Urteil vom 27.1.2014) erfolglos geblieben. Das LSG hat die Beteiligten dazu angehört, die Berufung der Klägerin durch Beschluss ohne ehrenamtliche Richter zurückzuweisen. Dem ist die Klägerin entgegengetreten (Schriftsatz vom 22.12.2014). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und - teilweise unter Bezugnahme auf das SG-Urteil - ausgeführt, die Klägerin habe nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V keinen Kostenerstattungsanspruch. Weder sei die Kostenbelastung der Klägerin durch eine rechtswidrige Leistungsablehnung verursacht worden noch sei die Behandlung unaufschiebbar gewesen (Beschluss vom 25.6.2015).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG und rügt Verfahrensfehler und Divergenz.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist begründet. Der Beschluss des LSG beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, dazu 2. und 3.), den die Klägerin entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG bezeichnet(dazu 1.). Die Klägerin rügt hingegen nicht in zulässiger Weise Divergenz (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG; dazu 4.).

4

1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Zu Recht kann die Klägerin ihr Rügevorbringen darauf beschränken, das LSG hätte mit Blick auf ihr Vorbringen nach der ersten Anhörungsmitteilung nicht durch Beschluss ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter über ihre Berufung entscheiden dürfen, ohne sie zuvor erneut hierzu anzuhören. Das LSG habe dadurch ihren Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt. Bei einer Verletzung des § 153 Abs 4 SGG sind keine näheren Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers erforderlich. Wenn das LSG nur nach einer - wie von der Klägerin dargelegt unterbliebenen - erneuten Anhörungsmitteilung im gewählten vereinfachten Beschlussverfahren hätte entscheiden dürfen, bedarf es hier keiner Darlegung der Klägerin, was sie auf die erneute Anhörungsmitteilung vorgetragen hätte (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 17 mwN).

5

2. Der zulässig gerügte Verfahrensfehler einer fehlerhaften Anwendung des § 153 Abs 4 SGG liegt auch vor.

6

Eine Verletzung des § 153 Abs 4 SGG führt zur unvorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts nur mit den Berufsrichtern und damit zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 S 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO, bei dem eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen ist(BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 5 RdNr 10; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13; BSG Urteil vom 8.11.2001 - B 11 AL 37/01 R - Juris RdNr 15; ebenso zu § 158 S 2 SGG: BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2; BSG SozR 4-1750 § 547 Nr 1; BSG SozR 4-6020 Art 6 Nr 1). Eine derartige Verletzung liegt nicht nur vor, wenn das LSG überhaupt nicht berechtigt gewesen ist, über die Berufung im Beschlusswege zu entscheiden, sondern auch dann, wenn die nach § 153 Abs 4 S 2 SGG gebotene Anhörung unterblieben ist.

7

Nach § 153 Abs 4 S 1 SGG kann das LSG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, falls die mit dem Rechtsmittel angefochtene Entscheidung des SG kein Gerichtsbescheid(§ 105 Abs 2 S 1 SGG) ist. Die Entscheidung des LSG, bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen ("kann"; zum Prüfungsmaßstab vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 7; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 4; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38). Das Gebot fairen und effektiven Rechtsschutzes sowie das Recht auf eine mündliche Verhandlung schränken - auch im Hinblick auf das jedermann gewährleistete Recht auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 EMRK)- die Entscheidung eines LSG nach § 153 Abs 4 SGG ein, über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden(vgl BVerfGE 88, 118, 124, 126 ff; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38 f; BSG SozR 4-1500 § 72 Nr 2 RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 14 RdNr 10; BSG Urteil vom 25.3.2003 - B 7 AL 76/02 R - Juris RdNr 8; zu den Aspekten der Schwierigkeit des Falles und der Bedeutung von Tatsachenfragen vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 4; BSG Beschluss vom 30.7.2009 - B 13 R 187/09 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 13 R 300/14 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 7.5.2014 - B 12 KR 30/12 B - Juris RdNr 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 153 RdNr 15 ff mwN; s ferner BSGE 44, 292 = SozR 1500 § 124 Nr 2). Die mündliche Verhandlung, aufgrund der die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit regelmäßig entscheiden (§ 124 Abs 1 SGG), ist gleichsam das "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens. Die mündliche Verhandlung dient dem Zweck, dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen und mit ihnen den Streitstoff erschöpfend zu erörtern. Die Anhörungspflicht nach § 153 Abs 4 S 2 SGG ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Gebots des rechtlichen Gehörs(Art 103 Abs 1 GG), das im Beschlussverfahren nicht verkürzt werden darf. Deswegen sind die Beteiligten nach § 153 Abs 4 S 2 SGG vor dem Beschluss zu hören. Dem rechtlichen Gehör ist Genüge getan, wenn den Beteiligten Gelegenheit sowohl zur Äußerung von etwaigen Bedenken, die sie gegen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter) haben, als auch zur Stellungnahme in der Sache selbst eingeräumt wird (vgl BSG Beschluss vom 9.4.2003 - B 5 RJ 140/02 B - Juris RdNr 8). Wird nach einer (ersten) Anhörungsmitteilung weiter vorgetragen und werden formelle Beweisanträge gestellt, muss eine neue Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG mit Äußerungsmöglichkeit ergehen, wenn das LSG auch unter Würdigung des neuen Vorbringens an seiner Absicht festhalten will, über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden und den Beweisanträgen nicht nachzugehen(stRspr BSG, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 4 S 12 f; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 8 S 24).

8

Unterbleibt eine notwendige zweite Anhörungsmitteilung gänzlich, stellt jedenfalls dies einen absoluten Revisionsgrund dar (vgl BSG Beschluss vom 2.11.2015 - B 13 R 203/15 B - RdNr 15 mit Klarstellung im Hinblick auf BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 61/12 B - Juris RdNr 9 f und BSG Beschluss vom 17.12.2012 - B 13 R 371/11 B - Juris RdNr 5 f; vgl auch zur - hier nicht relevanten - Auffassung, dass eine erfolgte, aber nicht ordnungsgemäße Anhörung kein absoluter Revisionsgrund sei: BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 19; BSG Beschluss vom 23.2.2011 - B 13 R 19/10 BH - BeckRS 2011, 69538; BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 61/12 B - Juris; BSG Beschluss vom 8.1.2013 - B 13 R 300/11 B - Juris; s ferner allgemein dazu, dass die nicht ordnungsgemäß durchgeführte Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG in erster Linie eine Gehörsverletzung sei, deren Kausalität für die angegriffene Entscheidung nicht ohne Weiteres zu unterstellen sei: BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 19; BSG Beschluss vom 2.11.2015 - B 13 R 203/15 B - RdNr 15). Eine gänzlich unterlassene erneute Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG ist nur dann kein Verfahrensfehler, wenn das auf die erste Anhörung hin erfolgte Vorbringen nicht entscheidungserheblich, ohne jegliche Substanz oder bloß wiederholend ist(vgl BSG Beschluss vom 27.8.2009 - B 13 RS 9/09 B - Juris RdNr 13; BSG Beschluss vom 8.1.2013 - B 13 R 300/11 B - Juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 2.11.2015 - B 13 R 203/15 B - RdNr 12; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 1 RdNr 6 f zur Notwendigkeit, bei einem als unerheblich angesehenen Beweisantrag die Möglichkeit zur Antragstellung nach § 109 SGG zu eröffnen und deswegen auf die Unerheblichkeit hinzuweisen). Das auf die erste Anhörung hin erfolgte Vorbringen muss aber keinesfalls entscheidungserheblich in dem Sinne sein, dass es auch Grundlage für eine zulässige und begründete, nicht auf die Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter gestützte Verfahrensrüge sein könnte. Dies folgt schon aus dem verfassungsrechtlich gebotenen Zweck, die Anhörungsvorschrift zugunsten der Beteiligten weit auszulegen. Denn die Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG soll die ansonsten durch die mündliche Verhandlung ermöglichte umfassende Anhörung der Beteiligten adäquat kompensieren. Dieser Zweck würde konterkariert, müsste das weitere Beteiligtenvorbringen eine geeignete Grundlage für eine andere Verfahrensrüge als die der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 S 1 SGG) darstellen, um als erheblich zu gelten und eine Pflicht zu einer zweiten Anhörung auszulösen. Die prozessuale Absicherung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 S 2 GG) würde in diesen Konstellationen ins Leere laufen.

9

Die Klägerin hat in diesem Sinne eine zweite Anhörungsmitteilung des LSG erwarten dürfen. Sie hat nach der ersten Anhörungsmitteilung des LSG weder bloß Entscheidungsunerhebliches noch Substanzloses noch bloß Wiederholendes, sondern umfangreich Neues vorgetragen, insbesondere Beweisanträge gestellt und eine unvollständige Akteneinsicht gerügt. Eine Auseinandersetzung damit hätte sich für das LSG nicht von vornherein erübrigt. Das LSG hat sich dementsprechend in dem angegriffenen Beschluss mit dem neuen klägerischen Vorbringen auseinandergesetzt. Der Klägerin ist aber nach den Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten keine weitere Anhörungsmitteilung zugegangen. Ein Nachweis über den Zugang des vom LSG verfügten erneuten Anhörungsschreibens liegt nicht vor. Das LSG hat für einen solchen nicht gesorgt. Der erkennende Senat kann einen Zugang auch nicht deswegen unterstellen, weil der Beklagten die erneute Anhörungsmitteilung zugegangen ist. Will das LSG den Beteiligten mit formlosen Anhörungsschreiben rechtliches Gehör gewähren, kann es bei fehlender Rückmeldung nicht davon ausgehen, dass alle Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten haben; in solchen Fällen hat sich das Gericht vor Erlass einer ohne mündliche Verhandlung ergehenden Endentscheidung Gewissheit darüber zu verschaffen, dass das Anhörungsschreiben allen Beteiligten zugegangen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 11 LS und S 33; s ferner BSG Beschluss vom 9.4.2003 - B 5 RJ 210/02 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 17.2.2009 - B 2 U 194/08 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 29.11.2012 - B 14 AS 176/12 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 253/13 B - Juris RdNr 10).

10

3. Der vorliegende absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 S 1 SGG) führt in einem Revisionsverfahren - nach der entsprechenden Rüge - zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil unwiderlegbar feststeht, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruht. Die Regelung, wonach die Revision zurückzuweisen ist, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung ergeben, sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 170 Abs 1 S 2 SGG), ist nicht anwendbar, wenn ein absoluter Revisionsgrund vorliegt (vgl näher BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 27.10.2009 - B 1 KR 50/09 B - Juris RdNr 13). Ob ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen etwas anderes gilt (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 12), kann offenbleiben. Denn bei der zulässigen und begründeten Rüge des nicht vorschriftsmäßig besetzten Gerichts handelt es sich um einen die Grundlagen des Verfahrens betreffenden Mangel, der so wesentlich ist, dass ein Einfluss auf die Sachentscheidung unwiderlegbar vermutet und unterstellt wird, das Urteil des Berufungsgerichts sei wegen elementarer rechtsstaatlicher Mängel kein geeigneter Gegenstand einer revisionsgerichtlichen Überprüfung (BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 13).

11

4. Die Klägerin rügt schließlich Divergenz, ohne den Darlegungsanforderungen (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG)zu genügen. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat; nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl zum Ganzen BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG Beschluss vom 15.8.2007 - B 1 KR 65/07 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - Juris RdNr 6; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN; BSG Beschluss vom 7.10.2009 - B 1 KR 15/09 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 22.10.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21; BSG Beschluss vom 10.4.2014 - B 1 KR 13/14 B - NZS 2014, 479 RdNr 10; BSG Beschluss vom 1.7.2014 - B 1 KR 99/13 B - Juris RdNr 6). Hieran fehlt es. Die Klägerin bezeichnet schon keinen Rechtssatz des LSG, der von einem Rechtssatz des BSG im vorbezeichneten Sinne abweicht.

12

Die Klägerin macht unter Hinweis auf Rechtsprechung des BSG (BSG Beschluss vom 1.4.2010 - B 1 KR 114/09 B - Juris) geltend, dass Voraussetzung für den Anspruch nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V ein notwendiger Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der KK (rechtswidrige Ablehnung) und der Selbstbeschaffung sei. Selbst wenn die Klägerin damit sinngemäß zum Ausdruck bringen will, dass sich der Rechtssatz - ua - aus dem dort (BSG Beschluss vom 1.4.2010 - B 1 KR 114/09 B - Juris RdNr 8 iVm RdNr 7) in Bezug genommenen Urteil des erkennenden Senats vom 30.6.2009 (BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 15) ergebe, legt sie einen abweichenden Rechtssatz des LSG nicht dar. Sie führt im Gegenteil selbst ausdrücklich aus, der Maßstab des BSG werde vom LSG nicht richtig angewandt. Nach den nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG hat die Klägerin, ohne die am 20.7.2009 erfolgte telefonische Ablehnungsentscheidung der Beklagten abzuwarten, am 13.7.2009 mit der Behandlung begonnen. Auch deswegen hat das LSG die Kausalität verneint. Im Kern macht die Klägerin insoweit nur geltend, dass das LSG das Recht unrichtig angewandt habe. Die (angebliche) Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung im Einzelfall ist jedoch nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67).

13

Soweit die Klägerin zur Darlegung der Divergenz auf Entscheidungen des BSG zum Anspruch Versicherter auf Notfallbehandlung durch Nichtvertragsärzte verweist (BSGE 15, 169, 173 = SozR Nr 1 zu § 368d RVO; BSGE 71, 117, 118 f = SozR 3-2500 § 120 Nr 2 S 12 f mwN; BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4; BSG SozR 2200 § 368d Nr 6 S 12 f; BSG Urteil vom 5.5.1988 - 6 RKa 30/87 = USK 88182; BSGE 89, 39 = SozR 3-2500 § 13 Nr 25), trägt sie auch hier nur eine (angebliche) Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung im Einzelfall vor: Das LSG habe diese Rechtsprechung nicht beachtet, indem es die Möglichkeit einer Notfallbehandlung weder zur Kenntnis genommen noch erwogen habe. Zudem legt die Klägerin auch nicht die Entscheidungserheblichkeit der bezeichneten Rechtsprechung für den von ihr geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch dar. Vielmehr verweist sie selbst darauf, dass die im Rahmen einer Notfallbehandlung erbrachten Leistungen aus der Gesamtvergütung zu vergüten seien.

14

5. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

15

6. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. Mai 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit.

2

Der 1960 geborene Kläger arbeitete im erlernten Beruf als Gärtner. Nach Zeiten der Arbeitslosigkeit ab 1982 war er als Berufskraftfahrer und zuletzt bis 2005 als Auslieferungsfahrer tätig. Der im November 2005 gestellte Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos (Bescheid vom 28.4.2006, Widerspruchsbescheid vom 12.10.2006), wie auch das Klage- und Berufungsverfahren (Urteile des SG Kassel vom 18.8.2009 und des Hessischen LSG vom 3.5.2013).

3

Im Berufungsverfahren hat das LSG zunächst medizinische Berichte der behandelnden Fachärzte eingeholt. Im Anschluss hat es im Rahmen einer interdisziplinären medizinischen Begutachtung ein internistisches, ein orthopädisches und ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen eingeholt. Die Gutachten sind nach ambulanter Untersuchung des Klägers (am 8.1.2013) beim LSG am 31.1.2013 eingegangen. Die Sachverständigen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger zwar qualitative Leistungseinschränkungen vorlägen, die aber eine tägliche Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden zuließen. Den am 16.1.2013 beim LSG gestellten Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) hat das LSG unter Hinweis auf die Ergebnisse der Gutachten mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt (Beschluss vom 5.2.2013). Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ist am 7.2.2013 beim LSG eingegangen.

4

Der Anhörung zur Entscheidung über die Berufung durch Beschluss (§ 153 Abs 4 SGG) hat der Kläger widersprochen, weil er bislang weder durch Fachärzte für Bronchialheilkunde, Hauterkrankungen oder Urologie untersucht worden sei (Schreiben vom 17.3.2013). Am 10.4.2013 ist dem Kläger der Termin zur mündlichen Verhandlung am 3.5.2013 mitgeteilt worden, ohne dass sein persönliches Erscheinen zum Termin angeordnet wurde. Mit Schreiben vom 16.4.2013, beim LSG am 19.4.2013 eingegangen, hat der Kläger mitgeteilt, dass er die Berufung nicht zurücknehmen werde, weil die Sachverständigen die durch seine behandelnden Ärzte festgestellten Erkrankungen nicht hinreichend berücksichtigt hätten und er daher mit den Ergebnissen der Gutachten nicht einverstanden sei. Er hat weiter ausgeführt, dass er aufgrund der Terminsmitteilung zur mündlichen Verhandlung zunächst davon ausgegangen sei, Gelegenheit zu haben, seine tatsächliche Situation dem Gericht persönlich darzulegen. Diese Möglichkeit verwehre ihm das Gericht nunmehr dadurch, dass keine Fahrtkosten zum Termin übernommen werden. Erneut wolle er darauf hinweisen, dass er als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II nicht die finanziellen Möglichkeiten habe, eine Fahrt zum LSG nach Darmstadt selbst zu finanzieren. Der Beklagten ist das Schreiben des Klägers zur Kenntnisnahme übersandt worden.

5

Die Berufung des Klägers ist daraufhin in seiner Abwesenheit nach mündlicher Verhandlung am 3.5.2013 zurückgewiesen worden. Das LSG hat den fehlenden Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, im Wesentlichen auf die Ergebnisse der drei Sachverständigengutachten gestützt. Einen qualifizierten Berufsschutz als Facharbeiter hat es verneint.

6

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 3.5.2013 rügt der Kläger Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Er sieht sich in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) verletzt. Mangels ausreichender finanzieller Mittel habe er an der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht teilnehmen können. Seine Eingabe vom 16.4.2013, mit der er um finanzielle Unterstützung für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gebeten habe, sei zugleich als Antrag auf Reisekostenbeihilfe zu verstehen gewesen. Die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung wäre zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich gewesen, weil ihm die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der PKH versagt geblieben sei. Er habe dem Gericht vortragen wollen, aus welchem Grund seine Erkrankungen in den Sachverständigengutachten nicht vollständig erfasst seien. Dies sei ihm durch die Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung verwehrt worden.

7

II. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung der Sache erfolgreich. Sie ist formgerecht begründet und die Entscheidung des LSG beruht auf einem Verfahrensmangel.

8

Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und das Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip; Art 6 Abs 1 EMRK) verletzt, weil es den Antrag des mittellosen und nicht rechtskundig vertretenen Klägers auf Bewilligung eines Reisekostenvorschusses für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung übergangen hat.

9

Nach § 124 Abs 1 SGG entscheidet das Gericht - soweit nichts anderes bestimmt ist - aufgrund mündlicher Verhandlung. Der sog Mündlichkeitsgrundsatz gewährt den Beteiligten grundsätzlich das Recht, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden (stRspr, vgl BSG vom 27.4.1962 - SozR Nr 16 zu § 62 SGG; BSG vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - Juris RdNr 7 mwN). Dadurch wird der Funktion der mündlichen Verhandlung als "Kernstück" des sozialgerichtlichen Verfahrens Rechnung getragen. In der mündlichen Verhandlung muss dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör genüge getan und der Streitstoff mit ihnen erschöpfend erörtert werden (stRspr, vgl BSGE 44, 292 = SozR 1500 § 124 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33; BSG vom 4.3.2014 - B 1 KR 110/13 B - Juris).

10

Obwohl die Verletzung des rechtlichen Gehörs in sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 SGG iVm § 547 ZPO), ist wegen der Bedeutung der mündlichen Verhandlung für das sozialgerichtliche Verfahren davon auszugehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Beteiligten daran gehindert hat, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin ergangene Gerichtsentscheidung insgesamt beeinflusst hat (vgl BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7; BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2 mwN). Näherer Darlegungen dazu, inwiefern das Urteil auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann, sind daher in diesem Fall nicht erforderlich.

11

Das völlige Übergehen des Antrags auf Bewilligung eines Reisekostenvorschusses zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung stellt bei einem - wie vorliegend - mittellosen und nicht rechtskundig vertretenen Kläger eine Versagung rechtlichen Gehörs dar. Das LSG hat es versäumt, das persönlich verfasste Schreiben des Klägers vom 16.4.2013 entsprechend seinem Sinngehalt auszulegen (vgl Senatsbeschluss vom 29.3.2006 - B 13 RJ 199/05 B - Juris RdNr 7; BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R). In den Ausführungen, dass ihm die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verwehrt bleibe, weil seine Fahrkosten nicht übernommen werden und er die Reise zum LSG nicht selbst finanzieren könne, lag sinngemäß der Antrag auf Bewilligung eines Reisekostenvorschusses (vgl die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen etc - VwV Reiseentschädigung - idF vom 26.8.2009 ; RdErl des Hessischen Ministeriums der Justiz, für Integration und Europa vom 23.12.2011 ). Über diesen Antrag hätte das LSG zeitnah vor dem Termin eine Entscheidung herbeiführen müssen. Indem das Berufungsgericht dies nicht getan hat, hat es den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und Durchführung eines fairen Verfahrens verletzt.

12

Auf der Grundlage von § 160a Abs 5 SGG macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

13

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Juni 2015 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, an chronischen Kopfschmerzen und Migräne leidende Klägerin ließ sich von dem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Anästhesiologen Dr. S. untersuchen (25.6.2009), zahlte an ihn im Hinblick auf eine spätere Behandlung eine "Kaution" in Höhe von 800 Euro und teilte der Beklagten mit (Schreiben vom 10.7.2009), sie werde sich ab 13.7.2009 zur Behandlung in das von Dr. S. geleitete Schmerz-Therapie-Zentrum (Baden-Baden) begeben. Die Beklagte lehnte mündlich (Telefonat am 20.7.2009) und schriftlich (Bescheid vom 8.9.2009) die Übernahme der von Dr. S. nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Rechnung gestellten Kosten der Behandlung, insbesondere Lidocainhydrochlorid-Injektionen, sowie die Kosten weiterer von ihm veranlasster privatärztlicher Röntgen- (erbracht am 25.6.2009) und Laborleistungen (insgesamt 5446,11 Euro) ab (Bescheid vom 8.9.2009, Widerspruchsbescheid vom 3.12.2009). Mit ihrem Begehren auf Erstattung der im Behandlungszeitraum (13.7. bis 9.8.2009) entstandenen Kosten (5355,01 Euro) ist die Klägerin beim SG erfolglos geblieben. Nach Aufhebung des Gerichtsbescheids (2.11.2010) und Zurückverweisung an das SG in einem ersten Berufungsverfahren (LSG-Urteil vom 22.9.2011) ist die Klägerin beim SG erneut (Urteil vom 27.1.2014) erfolglos geblieben. Das LSG hat die Beteiligten dazu angehört, die Berufung der Klägerin durch Beschluss ohne ehrenamtliche Richter zurückzuweisen. Dem ist die Klägerin entgegengetreten (Schriftsatz vom 22.12.2014). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und - teilweise unter Bezugnahme auf das SG-Urteil - ausgeführt, die Klägerin habe nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V keinen Kostenerstattungsanspruch. Weder sei die Kostenbelastung der Klägerin durch eine rechtswidrige Leistungsablehnung verursacht worden noch sei die Behandlung unaufschiebbar gewesen (Beschluss vom 25.6.2015).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG und rügt Verfahrensfehler und Divergenz.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist begründet. Der Beschluss des LSG beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, dazu 2. und 3.), den die Klägerin entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG bezeichnet(dazu 1.). Die Klägerin rügt hingegen nicht in zulässiger Weise Divergenz (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG; dazu 4.).

4

1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Zu Recht kann die Klägerin ihr Rügevorbringen darauf beschränken, das LSG hätte mit Blick auf ihr Vorbringen nach der ersten Anhörungsmitteilung nicht durch Beschluss ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter über ihre Berufung entscheiden dürfen, ohne sie zuvor erneut hierzu anzuhören. Das LSG habe dadurch ihren Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt. Bei einer Verletzung des § 153 Abs 4 SGG sind keine näheren Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers erforderlich. Wenn das LSG nur nach einer - wie von der Klägerin dargelegt unterbliebenen - erneuten Anhörungsmitteilung im gewählten vereinfachten Beschlussverfahren hätte entscheiden dürfen, bedarf es hier keiner Darlegung der Klägerin, was sie auf die erneute Anhörungsmitteilung vorgetragen hätte (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 17 mwN).

5

2. Der zulässig gerügte Verfahrensfehler einer fehlerhaften Anwendung des § 153 Abs 4 SGG liegt auch vor.

6

Eine Verletzung des § 153 Abs 4 SGG führt zur unvorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts nur mit den Berufsrichtern und damit zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 S 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO, bei dem eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen ist(BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 5 RdNr 10; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13; BSG Urteil vom 8.11.2001 - B 11 AL 37/01 R - Juris RdNr 15; ebenso zu § 158 S 2 SGG: BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2; BSG SozR 4-1750 § 547 Nr 1; BSG SozR 4-6020 Art 6 Nr 1). Eine derartige Verletzung liegt nicht nur vor, wenn das LSG überhaupt nicht berechtigt gewesen ist, über die Berufung im Beschlusswege zu entscheiden, sondern auch dann, wenn die nach § 153 Abs 4 S 2 SGG gebotene Anhörung unterblieben ist.

7

Nach § 153 Abs 4 S 1 SGG kann das LSG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, falls die mit dem Rechtsmittel angefochtene Entscheidung des SG kein Gerichtsbescheid(§ 105 Abs 2 S 1 SGG) ist. Die Entscheidung des LSG, bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen ("kann"; zum Prüfungsmaßstab vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 7; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 4; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38). Das Gebot fairen und effektiven Rechtsschutzes sowie das Recht auf eine mündliche Verhandlung schränken - auch im Hinblick auf das jedermann gewährleistete Recht auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 EMRK)- die Entscheidung eines LSG nach § 153 Abs 4 SGG ein, über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden(vgl BVerfGE 88, 118, 124, 126 ff; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38 f; BSG SozR 4-1500 § 72 Nr 2 RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 14 RdNr 10; BSG Urteil vom 25.3.2003 - B 7 AL 76/02 R - Juris RdNr 8; zu den Aspekten der Schwierigkeit des Falles und der Bedeutung von Tatsachenfragen vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 4; BSG Beschluss vom 30.7.2009 - B 13 R 187/09 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 13 R 300/14 B - Juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 7.5.2014 - B 12 KR 30/12 B - Juris RdNr 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 153 RdNr 15 ff mwN; s ferner BSGE 44, 292 = SozR 1500 § 124 Nr 2). Die mündliche Verhandlung, aufgrund der die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit regelmäßig entscheiden (§ 124 Abs 1 SGG), ist gleichsam das "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens. Die mündliche Verhandlung dient dem Zweck, dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen und mit ihnen den Streitstoff erschöpfend zu erörtern. Die Anhörungspflicht nach § 153 Abs 4 S 2 SGG ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Gebots des rechtlichen Gehörs(Art 103 Abs 1 GG), das im Beschlussverfahren nicht verkürzt werden darf. Deswegen sind die Beteiligten nach § 153 Abs 4 S 2 SGG vor dem Beschluss zu hören. Dem rechtlichen Gehör ist Genüge getan, wenn den Beteiligten Gelegenheit sowohl zur Äußerung von etwaigen Bedenken, die sie gegen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter) haben, als auch zur Stellungnahme in der Sache selbst eingeräumt wird (vgl BSG Beschluss vom 9.4.2003 - B 5 RJ 140/02 B - Juris RdNr 8). Wird nach einer (ersten) Anhörungsmitteilung weiter vorgetragen und werden formelle Beweisanträge gestellt, muss eine neue Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG mit Äußerungsmöglichkeit ergehen, wenn das LSG auch unter Würdigung des neuen Vorbringens an seiner Absicht festhalten will, über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden und den Beweisanträgen nicht nachzugehen(stRspr BSG, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 4 S 12 f; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 8 S 24).

8

Unterbleibt eine notwendige zweite Anhörungsmitteilung gänzlich, stellt jedenfalls dies einen absoluten Revisionsgrund dar (vgl BSG Beschluss vom 2.11.2015 - B 13 R 203/15 B - RdNr 15 mit Klarstellung im Hinblick auf BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 61/12 B - Juris RdNr 9 f und BSG Beschluss vom 17.12.2012 - B 13 R 371/11 B - Juris RdNr 5 f; vgl auch zur - hier nicht relevanten - Auffassung, dass eine erfolgte, aber nicht ordnungsgemäße Anhörung kein absoluter Revisionsgrund sei: BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 19; BSG Beschluss vom 23.2.2011 - B 13 R 19/10 BH - BeckRS 2011, 69538; BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 61/12 B - Juris; BSG Beschluss vom 8.1.2013 - B 13 R 300/11 B - Juris; s ferner allgemein dazu, dass die nicht ordnungsgemäß durchgeführte Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG in erster Linie eine Gehörsverletzung sei, deren Kausalität für die angegriffene Entscheidung nicht ohne Weiteres zu unterstellen sei: BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 19; BSG Beschluss vom 2.11.2015 - B 13 R 203/15 B - RdNr 15). Eine gänzlich unterlassene erneute Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG ist nur dann kein Verfahrensfehler, wenn das auf die erste Anhörung hin erfolgte Vorbringen nicht entscheidungserheblich, ohne jegliche Substanz oder bloß wiederholend ist(vgl BSG Beschluss vom 27.8.2009 - B 13 RS 9/09 B - Juris RdNr 13; BSG Beschluss vom 8.1.2013 - B 13 R 300/11 B - Juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 2.11.2015 - B 13 R 203/15 B - RdNr 12; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 1 RdNr 6 f zur Notwendigkeit, bei einem als unerheblich angesehenen Beweisantrag die Möglichkeit zur Antragstellung nach § 109 SGG zu eröffnen und deswegen auf die Unerheblichkeit hinzuweisen). Das auf die erste Anhörung hin erfolgte Vorbringen muss aber keinesfalls entscheidungserheblich in dem Sinne sein, dass es auch Grundlage für eine zulässige und begründete, nicht auf die Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter gestützte Verfahrensrüge sein könnte. Dies folgt schon aus dem verfassungsrechtlich gebotenen Zweck, die Anhörungsvorschrift zugunsten der Beteiligten weit auszulegen. Denn die Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG soll die ansonsten durch die mündliche Verhandlung ermöglichte umfassende Anhörung der Beteiligten adäquat kompensieren. Dieser Zweck würde konterkariert, müsste das weitere Beteiligtenvorbringen eine geeignete Grundlage für eine andere Verfahrensrüge als die der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 S 1 SGG) darstellen, um als erheblich zu gelten und eine Pflicht zu einer zweiten Anhörung auszulösen. Die prozessuale Absicherung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 S 2 GG) würde in diesen Konstellationen ins Leere laufen.

9

Die Klägerin hat in diesem Sinne eine zweite Anhörungsmitteilung des LSG erwarten dürfen. Sie hat nach der ersten Anhörungsmitteilung des LSG weder bloß Entscheidungsunerhebliches noch Substanzloses noch bloß Wiederholendes, sondern umfangreich Neues vorgetragen, insbesondere Beweisanträge gestellt und eine unvollständige Akteneinsicht gerügt. Eine Auseinandersetzung damit hätte sich für das LSG nicht von vornherein erübrigt. Das LSG hat sich dementsprechend in dem angegriffenen Beschluss mit dem neuen klägerischen Vorbringen auseinandergesetzt. Der Klägerin ist aber nach den Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten keine weitere Anhörungsmitteilung zugegangen. Ein Nachweis über den Zugang des vom LSG verfügten erneuten Anhörungsschreibens liegt nicht vor. Das LSG hat für einen solchen nicht gesorgt. Der erkennende Senat kann einen Zugang auch nicht deswegen unterstellen, weil der Beklagten die erneute Anhörungsmitteilung zugegangen ist. Will das LSG den Beteiligten mit formlosen Anhörungsschreiben rechtliches Gehör gewähren, kann es bei fehlender Rückmeldung nicht davon ausgehen, dass alle Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten haben; in solchen Fällen hat sich das Gericht vor Erlass einer ohne mündliche Verhandlung ergehenden Endentscheidung Gewissheit darüber zu verschaffen, dass das Anhörungsschreiben allen Beteiligten zugegangen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 11 LS und S 33; s ferner BSG Beschluss vom 9.4.2003 - B 5 RJ 210/02 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 17.2.2009 - B 2 U 194/08 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 29.11.2012 - B 14 AS 176/12 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 253/13 B - Juris RdNr 10).

10

3. Der vorliegende absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 S 1 SGG) führt in einem Revisionsverfahren - nach der entsprechenden Rüge - zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil unwiderlegbar feststeht, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruht. Die Regelung, wonach die Revision zurückzuweisen ist, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung ergeben, sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 170 Abs 1 S 2 SGG), ist nicht anwendbar, wenn ein absoluter Revisionsgrund vorliegt (vgl näher BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 27.10.2009 - B 1 KR 50/09 B - Juris RdNr 13). Ob ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen etwas anderes gilt (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 12), kann offenbleiben. Denn bei der zulässigen und begründeten Rüge des nicht vorschriftsmäßig besetzten Gerichts handelt es sich um einen die Grundlagen des Verfahrens betreffenden Mangel, der so wesentlich ist, dass ein Einfluss auf die Sachentscheidung unwiderlegbar vermutet und unterstellt wird, das Urteil des Berufungsgerichts sei wegen elementarer rechtsstaatlicher Mängel kein geeigneter Gegenstand einer revisionsgerichtlichen Überprüfung (BSG SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 RdNr 13).

11

4. Die Klägerin rügt schließlich Divergenz, ohne den Darlegungsanforderungen (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG)zu genügen. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat; nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl zum Ganzen BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG Beschluss vom 15.8.2007 - B 1 KR 65/07 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - Juris RdNr 6; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN; BSG Beschluss vom 7.10.2009 - B 1 KR 15/09 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 22.10.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21; BSG Beschluss vom 10.4.2014 - B 1 KR 13/14 B - NZS 2014, 479 RdNr 10; BSG Beschluss vom 1.7.2014 - B 1 KR 99/13 B - Juris RdNr 6). Hieran fehlt es. Die Klägerin bezeichnet schon keinen Rechtssatz des LSG, der von einem Rechtssatz des BSG im vorbezeichneten Sinne abweicht.

12

Die Klägerin macht unter Hinweis auf Rechtsprechung des BSG (BSG Beschluss vom 1.4.2010 - B 1 KR 114/09 B - Juris) geltend, dass Voraussetzung für den Anspruch nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V ein notwendiger Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der KK (rechtswidrige Ablehnung) und der Selbstbeschaffung sei. Selbst wenn die Klägerin damit sinngemäß zum Ausdruck bringen will, dass sich der Rechtssatz - ua - aus dem dort (BSG Beschluss vom 1.4.2010 - B 1 KR 114/09 B - Juris RdNr 8 iVm RdNr 7) in Bezug genommenen Urteil des erkennenden Senats vom 30.6.2009 (BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 15) ergebe, legt sie einen abweichenden Rechtssatz des LSG nicht dar. Sie führt im Gegenteil selbst ausdrücklich aus, der Maßstab des BSG werde vom LSG nicht richtig angewandt. Nach den nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG hat die Klägerin, ohne die am 20.7.2009 erfolgte telefonische Ablehnungsentscheidung der Beklagten abzuwarten, am 13.7.2009 mit der Behandlung begonnen. Auch deswegen hat das LSG die Kausalität verneint. Im Kern macht die Klägerin insoweit nur geltend, dass das LSG das Recht unrichtig angewandt habe. Die (angebliche) Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung im Einzelfall ist jedoch nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67).

13

Soweit die Klägerin zur Darlegung der Divergenz auf Entscheidungen des BSG zum Anspruch Versicherter auf Notfallbehandlung durch Nichtvertragsärzte verweist (BSGE 15, 169, 173 = SozR Nr 1 zu § 368d RVO; BSGE 71, 117, 118 f = SozR 3-2500 § 120 Nr 2 S 12 f mwN; BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4; BSG SozR 2200 § 368d Nr 6 S 12 f; BSG Urteil vom 5.5.1988 - 6 RKa 30/87 = USK 88182; BSGE 89, 39 = SozR 3-2500 § 13 Nr 25), trägt sie auch hier nur eine (angebliche) Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung im Einzelfall vor: Das LSG habe diese Rechtsprechung nicht beachtet, indem es die Möglichkeit einer Notfallbehandlung weder zur Kenntnis genommen noch erwogen habe. Zudem legt die Klägerin auch nicht die Entscheidungserheblichkeit der bezeichneten Rechtsprechung für den von ihr geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch dar. Vielmehr verweist sie selbst darauf, dass die im Rahmen einer Notfallbehandlung erbrachten Leistungen aus der Gesamtvergütung zu vergüten seien.

14

5. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

15

6. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tatbestand

1

Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger, der - wie aus den Akten eines Vorprozesses hervorgeht - an den Folgen von HIV leidet, ist mit seinem (von den Vorinstanzen so ausgelegten) Begehren, die Beklagte zu verpflichten, über Leistungs- und Akteneinsichtsanträge sowie Auskunftsersuchen der Jahre 1994 bis 2002 zu entscheiden und ihm Ablichtungen der Verwaltungsakten herauszugeben, bislang ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat seine Berufung gegen den in erster Instanz ergangenen klageabweisenden Gerichtsbescheid zurückgewiesen, weil die Klage unzulässig sei: Der Kläger habe nicht schlüssig vorgetragen, dass die Voraussetzungen des § 88 Abs 1 Satz 1 SGG gegeben seien; es werde nicht deutlich, welche Anträge er gestellt haben wolle (Urteil vom 13.2.2009).

2

Nach Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wendet sich der Kläger nunmehr gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. Er rügt ua die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Entscheidungsgründe

3

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.

4

1. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), der den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügend gerügt worden ist. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention, § 62 SGG) verletzt, weil das Gericht am 13.2.2009 in der Sache entschieden hat, obwohl der Kläger annehmen durfte, eine instanzbeendende Entscheidung werde jedenfalls an diesem Tag nicht ergehen.

5

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Grundsätzlich bedarf es allerdings keines weiteren Vortrags zum "Beruhen" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl Bundessozialgericht SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62). Wird einem Beteiligten zB ein vom Gericht anberaumter Verhandlungstermin nicht mitgeteilt, reicht es wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens vielmehr aus, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen (BSGE 44, 292, 295 = SozR 1500 § 124 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33; Beschluss des Senats vom 14.12.2006 - B 1 KR 113/06 B). Gleichermaßen wird einem Verfahrensbeteiligten das Recht auf mündliche Verhandlung versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache abschließend entscheidet, obwohl der Beteiligte zuvor gemäß § 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG einen Terminverlegungsantrag gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat. Das Gericht ist in einem derartigen Fall bei ordnungsgemäßem Vorgehen verpflichtet, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen oder zu vertagen (BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG, Beschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 303/07 B). Nichts anderes kann gelten, wenn der Beteiligte vor der Verhandlung einen Terminverlegungsantrag gestellt hat und davon ausgehen durfte, dass auf die anberaumte mündliche Verhandlung hin wegen seiner Eingabe jedenfalls keine ihm nachteilige instanzabschließende Entscheidung ergehen würde. So verhält es sich hier.

6

Das LSG war zwar nach § 227 Abs 2 ZPO iVm § 202 SGG berechtigt, den (unvertretenen) Kläger auf die von ihm wegen seines "sehr schlechten Gesundheitszustandes" geltend gemachte Hinderung der Teilnahme am Verhandlungstermin vom 13.2.2009 und auf seinen Terminverlegungsantrag hin (Schreiben vom 9.2.2009) aufzufordern, seine krankheitsbedingte Verhinderung glaubhaft zu machen sowie zum Termin ein qualifiziertes ärztliches Attest einzureichen. Das ist auf eine richterliche Eilt-Verfügung vom 11.2.2009 hin geschehen, die einen Absendevermerk der Geschäftsstelle vom selben Tag trägt. In der Verhandlung am 13.2.2009 durfte allerdings - selbst bei unterstellten "normalen" postalischen Verhältnissen - nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dem Kläger diese Mitteilung rechtzeitig vor dem Termin zugegangen war. Der Kläger macht geltend, er habe das Schreiben des LSG mit seiner werktäglichen Post erst am 13.2.2009 um 14.00 Uhr erhalten, also zu einem Zeitpunkt, als der für 11.30 Uhr angesetzte Termin bereits beendet gewesen sei. Diese Behauptung ist nicht zu widerlegen, insbesondere wird sie durch andere Indizien nicht erschüttert. Vielmehr ist nach den Umständen anzunehmen, dass er aus ihm nicht vorwerfbar zuzurechnenden Gründen gehindert war, zur mündlichen Verhandlung am 13.2.2009 zu erscheinen.

7

Wollte das LSG bei der gegebenen Sachlage am 13.2.2009 über die Berufung entscheiden, hätte es jedenfalls sicherstellen müssen, dass der Kläger die Auflage überhaupt rechtzeitig zur Kenntnis nehmen und sich entsprechend verhalten konnte. Da dies hier nicht der Fall war, hatte der Kläger berechtigten Grund zu der Annahme, dass er jedenfalls keine Rechtsnachteile aus seinem - noch nicht beschiedenen - Terminverlegungsantrag erleiden würde. Ein Gericht muss einen solchen Antrag förmlich (kurz) bescheiden, sofern dies noch technisch durchführbar und zeitlich zumutbar ist (zB OLG Karlsruhe MDR 1991, 1195; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl 2008, § 227 RdNr 56 mwN). Es muss zudem Sorge dafür tragen, dass dem Betroffenen die Entscheidung zumindest formlos mitgeteilt wird (vgl § 329 Abs 2 Satz 1 ZPO iVm § 202 SGG). Kann dagegen nicht gewährleistet werden, dass der Betroffene Kenntnis von den Voraussetzungen erlangt hatte, unter denen das Gericht von einer Verhinderung ausgehen würde, ist es gehalten, den Rechtsstreit zur Vermeidung eines Verfahrensfehlers zu vertagen. Das war hier der Fall.

8

Es fehlen Hinweise darauf, dass dem Kläger eine Mitteilung über die beabsichtigte Durchführung des Termins vom 13.2.2009 und die Voraussetzungen der Anerkennung seiner Verhinderung tatsächlich rechtzeitig zugänglich gemacht wurden, insbesondere befindet sich kein Zustellungs- oder Zugangsnachweis darüber in den Akten. Am 13.2.2009 hat das Gericht ausweislich der Sitzungsniederschrift eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der vorangegangenen Verfügung nicht positiv feststellen können. In der Niederschrift heißt es lediglich, "dass dem Kläger mit Schreiben vom 11. Februar 2009 mitgeteilt worden ist, dass die durch Krankheit bedingte Verhinderung glaubhaft zu machen ist und zwar durch Vorlage eines Attestes". Sodann wird nur noch festgestellt, dass ein Attest bislang nicht bei Gericht eingegangen sei; anschließend ist die mündliche Verhandlung eröffnet, durchgeführt und auf sie hin über die Berufung durch das angegriffene Urteil entschieden worden.

9

Unter den dargestellten Gegebenheiten durfte das LSG indessen nicht über die Berufung entscheiden, sondern hätte eine Vertagung beschließen müssen. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass wegen des ergangenen Gerichtsbescheides schon in erster Instanz keine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte und der Kläger in der Vorkorrespondenz mit dem LSG ausdrücklich die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hatte. Zudem sah das LSG nach den Entscheidungsgründen des Urteils selbst Klärungsbedarf dafür, welche Anträge der Kläger eigentlich stellen wollte. Obwohl die Mitteilung des LSG über die Voraussetzungen einer Terminverlegung nicht formgebunden war und keiner förmlichen Zustellung bedurfte, entband dies nicht von dem Erfordernis, entweder zu gewährleisten, dass der Kläger tatsächlich rechtzeitig vor der Verhandlung von der richterlichen Verfügung Kenntnis erlangte oder aber im Termin eine Vertagung des Rechtsstreits zu beschließen. Da beides nicht erfolgte, liegt die gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.

10

2. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

11

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren auf Restkostenerstattung von 1456,56 Euro für die Versorgung mit Zahnersatz und funktionsanalytischen Maßnahmen bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat seine Berufung gegen den in erster Instanz ergangenen klageabweisenden Gerichtsbescheid wegen Versäumung der Berufungsfrist unter Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen (Urteil vom 26.3.2012).

2

Der Kläger rügt mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

3

II. Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.

4

1. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), den der Kläger entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG bezeichnet. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 S 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention, § 62 SGG)verletzt, weil das Gericht am 26.3.2012 in der Sache entschieden hat, obwohl der Kläger annehmen durfte, eine instanzbeendende Entscheidung werde jedenfalls an diesem Tag nicht ergehen.

5

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Grundsätzlich bedarf es keines weiteren Vortrags zum "Beruhen" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62). Wird einem Beteiligten zB ein vom Gericht anberaumter Verhandlungstermin nicht mitgeteilt oder nach Beweisaufnahme trotz nicht mehr wirksamer Verzichtserklärung ohne mündliche Verhandlung entschieden, reicht es wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens vielmehr aus, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen (BSGE 44, 292, 295 = SozR 1500 § 124 Nr 2; BSG Beschluss vom 17.2.2010 - B 1 KR 112/09 B - RdNr 5 mwN). Gleichermaßen wird einem Verfahrensbeteiligten das Recht auf mündliche Verhandlung versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache abschließend entscheidet, obwohl der Beteiligte zuvor gemäß § 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG einen Terminverlegungsantrag gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat. Das Gericht ist in einem derartigen Fall bei ordnungsgemäßem Vorgehen verpflichtet, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen oder zu vertagen (BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG Beschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 303/07 B; BSG Beschluss vom 17.2.2010 - B 1 KR 112/09 B - RdNr 5; BSG Beschluss vom 21.6.2011 - B 1 KR 144/10 B - RdNr 5). Auch dann reicht es aus, dass bei Anwesenheit des Verfahrensbeteiligten eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62). So liegt es hier.

6

Der unvertretene Kläger hatte erhebliche Gründe für seinen Antrag auf Terminverlegung geltend gemacht: Er hatte wegen Bedürftigkeit beim LSG hilfsweise beantragt, ihm Fahrkarten für die Hin- und Rückfahrt zum Termin zu gewähren. Das Gericht teilte ihm mit, ihm die Karten übersenden zu wollen, ohne dass sie ihn tatsächlich vor dem Termin erreichten. Am Vorabend des Termins erbat er deshalb per Fax vom Gericht Vertagung, um persönlich in der mündlichen Verhandlung zum Wiedereinsetzungsgrund der krankheitsbedingten Handlungsunfähigkeit und zur Sache vortragen zu können. Der Kläger legte damit zugleich dar, warum er sich nicht früher auf diesen Grund berufen konnte. In einem solchen Fall ist das Gericht verpflichtet, den Termin zu verlegen oder zu vertagen. Es ist ohne Belang, dass die entscheidenden Richter des LSG kein Verschulden trifft, weil ihnen der Vertagungsantrag nicht rechtzeitig vorgelegt worden ist. Es genügt, dass dieser Fehler in der Organisationsverantwortung des LSG liegt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu einer anderen rechtlichen Bewertung des Sachverhalts durch das LSG geführt hätte.

7

2. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

8

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.