Bundesgerichtshof Urteil, 31. Okt. 2001 - XII ZR 159/99

bei uns veröffentlicht am31.10.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 159/99 Verkündet am:
31. Oktober 2001
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Fuchs und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. März 1999 aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung rückständigen Mietzinses. Mit Vertrag vom 1. Dezember 1987 vermietete der Kläger das Teileigentum Nr. 3 in der Eigentumswohnanlage A...straße 39 in M. an die Beklagte zum Betrieb einer Zahnarztpraxis. Der monatliche Mietzins, der sich jährlich um 100 DM erhöhte, betrug anfangs 2.100 DM, die Nebenkosten waren mit monatlich 300 DM vereinbart. Nachdem die Beklagte den Mietzins für November 1990 bis Januar 1991 nicht bezahlt hatte, kündigte der Kläger mit Schreiben vom 10. Januar 1991 fristlos. Die anwaltlich vertretenen Parteien
schlossen daraufhin am 26. März 1991 einen als Zusatzvereinbarung bezeichneten weiteren Vertrag, wonach das Mietobjekt der Beklagten weiterhin zu den bisherigen Bedingungen überlassen wurde, jedoch zu einem monatlichen Mietzins von 4.200 DM, der sich jährlich um 100 DM monatlich erhöhte, zuzüglich Nebenkosten von monatlich 300 DM. Nach übereinstimmender Erledigterklärung des Rechtsstreits in Höhe von 2.400 DM hat das Landgericht der Klage auf Zahlung von rückständigem Mietzins zuletzt in Höhe von 52.560 DM nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Anschlußberufung des Klägers, mit der dieser einen weiteren Betrag von 15.600 DM geltend gemacht hat, wurde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er die Verurteilung der Beklagten in der zuletzt beantragten Höhe von 68.160 DM samt Zinsen erstrebt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der im Mietvertrag vom 26. März 1991 (vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 139, 123) vereinbarte Mietzins sittenwidrig. Da anstelle der verlangten Nettomiete von monatlich 4.200 DM lediglich eine Nettokaltmiete von monatlich 1.318,71 DM als orts- und marktüblich anzusehen sei, übersteige die verlangte Miete die ortsübliche um rund
218 %. Aufgrund des Privatgutachtens des von der Industrie- und Handelskammer München öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen M. stehe fest, daß ein Mietzins von 1.318,71 DM als orts- und marktüblich angemessen sei. Das Oberlandesgericht hat sich in der Lage gesehen , aufgrund des Privatgutachtens gemäß § 286 ZPO zu einer zuverlässigen Beantwortung der Beweisfrage zu gelangen, so daß ein weiteres Gutachten nicht notwendig sei. Weder griffen die Einwände des Klägers gegen das Privatgutachten durch, noch habe er die Notwendigkeit für ein neues Gutachten dargelegt. Die Angriffe gegen die Sachkunde des Privatgutachters gingen fehl. Der Privatgutachter sei dem Gericht aus seiner Verfahrenspraxis als renommierter Sachverständiger bekannt. Der Kläger habe sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, daß die Beklagte sich nur aufgrund ihrer schwächeren und bedrängten Lage auf die Verdoppelung des Mietzinses von ursprünglich 2.100 DM auf 4.200 DM eingelassen habe. Ihm sei klar gewesen, daß die vormals als Schmuckladen dienenden Räume für eine Zahnarztpraxis hergerichtet werden mußten und daß dies für die Beklagte mit Kosten verbunden gewesen sei. Wäre die Praxis bereits drei Jahre nach Eröffnung verlegt worden, so hätte dies zumindest den teilweisen Verlust des Patientenstammes bedeutet. Dem Kläger sei die schwächere und bedrängte Lage der Beklagten bekannt gewesen. Dies ergebe sich bereits aus seinem eigenen Vortrag. Wenn er anführe, die Beklagte habe ihn zur Fortsetzung des Mietvertrages gedrängt, er habe sich letztlich zur Fortsetzung des Mietverhältnisses "breitschlagen" lassen, so zeige dies, es sei ihm ersichtlich gewesen, daß der Beklagten das Behalten der Praxis gewissermaßen "auf den Nägeln" gebrannt habe. Daß er keinen Gewinn erziele, da die Kreditkosten die Mieteinnahmen überstiegen, ändere nichts an der Verwerflichkeit seiner Gesinnung. Abgesehen davon, daß Negativeinkünfte aus Ver-
mietung und Verpachtung zur Minderung der Einkommensteuerbelastung häufig erwünscht seien, könne eine hohe Kreditbelastung für das erworbene Objekt keine sittenwidrige Miethöhe rechtfertigen. Die Meinung des Klägers liefe darauf hinaus, daû der Mieter selbst einen unwirtschaftlichen Eigentumserwerb des Vermieters zu finanzieren hätte. 2. Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht die Feststellung, der ortsübliche Mietzins belaufe sich auf 1.318,71 DM, unter Verletzung des Verfahrensrechts getroffen hat. Zu Recht rügt die Revision einen Verstoû gegen § 286 ZPO, weil das Berufungsgericht kein Gutachten erholt , sondern das Gutachten des Sachverständigen M. verwertet hat. Das Berufungsgericht hat das Gutachten nicht selbst eingeholt, vielmehr hat die Beklagte es vorgelegt. Es handelt sich somit nicht um ein gerichtliches Sachverständigengutachten , sondern um ein Privatgutachten. Ein Privatgutachten ist urkundlich belegter Parteivortrag. Seine Verwertung als Sachverständigengutachten ist nur mit Zustimmung beider Parteien zulässig (BGHZ 98, 32, 40; BGH, Urteil vom 29. September 1993 - VIII ZR 62/92 - NJW-RR 1994, 255, 256). Der Kläger hat aber der Verwertung widersprochen und die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens verlangt. Es ist nicht auszuschlieûen , daû ein gerichtlicher Sachverständiger zu einem Ergebnis kommt, das eine andere Wertung des Rechtsgeschäfts verlangt. 3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Bei Zugrundelegung eines orts- und marktüblichen Mietzinses von 1.318,71 DM lag die Annahme nahe, daû die Vereinbarung eines Mietzinses von 4.200 DM unter den gegebenen Umständen wegen Verstoûes gegen § 138 Abs. 1 BGB als nichtig anzusehen ist. Wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Miûverhältnis besteht, der Benachteiligte dieses Geschäft
nur aus einer Notlage heraus abschlieût und der Begünstigte diese Notlage bewuût zu seinem Vorteil ausnutzt, wird es sich regelmäûig um ein wucherähnliches Geschäft handeln, das unter § 138 Abs. 1 BGB fällt. Das entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 128, 255, 257; BGH, Urteil vom 8. November 1991 - V ZR 260/90 - BGHR BGB § 138 Abs. 1 - Miûverhältnis 4 m.w.N.). Für Miet- und Pachtverträge gilt grundsätzlich nichts anderes (Senatsurteil BGHZ 141, 257, 263). Allerdings ist bei gewerblichen Mietverträgen im Rahmen der Prüfung, ob aus einem auffälligen Miûverhältnis auf die Nichtigkeit des Geschäfts geschlossen werden kann, regelmäûig eine tatrichterliche Würdigung erforderlich, ob das krasse Miûverhältnis für den Begünstigten erkennbar war (Senatsurteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - ZIP 2001, 1633, 1636). Im übrigen ist bei der Prüfung, ob ein Miûverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, vom Verkehrswert der Leistung, d.h. vom marktüblichen Miet- oder Pachtzins auszugehen (BGH aaO). Wird dieser um 100 % überschritten und ist dies dem Vermieter erkennbar, so kommt der Schluû auf eine verwerfliche Gesinnung in Betracht. Bei einem ortsund marktüblichen Mietzins von 1.318,71 DM überstiege der vereinbarte Zins den marktüblichen um über 200 %. Die Beklagte handelte aus einer Notlage heraus. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war sie verpflichtet, das Mietobjekt zu räumen. Damit hätte sie ihre Praxis, die noch keinen gefestigten Kundenstamm aufwies, verlegen müssen mit der Folge, daû sie einen Teil der Patienten verloren hätte. Schlieûlich wäre ein Teil der Praxiseinrichtung nicht mehr weiter zu benutzen gewesen. In dieser Situation war sie bereit, den Mietzins von vereinbarten 2.100 DM auf 4.200 DM zu verdoppeln. Dem Kläger waren all diese Umstände bekannt. Er nutzte die Notlage aus, um sich anstelle des ursprünglich vereinbarten einen um 100 % höheren Mietzins versprechen zu lassen.

b) Die weitere Rüge der Revision, der Kläger habe nicht verwerflich gehandelt , weil das Angebot von der Beklagten ausgegangen sei, daû er das Objekt wegen Unwirtschaftlichkeit nicht mehr habe weitervermieten wollen, sondern sich lediglich wegen des Angebots der Beklagten zur weiteren Vermietung "breitschlagen" habe lassen, greift nicht durch. Bei einem orts- und marktüblichen Mietzins von 1.318,71 DM würde dem Verhalten des Klägers dadurch nicht der Charakter des Anstöûigen genommen. Ob ein Geschäft als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB anzusehen ist, muû aufgrund der Gesamtumstände beurteilt werden. Es bedarf einer Abwägung der objektiven und subjektiven Elemente (BGHZ 125, 218, 228; Palandt /Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 138 Rdn. 28, 34). Eine solche hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei vorgenommen. Auf die Frage, von wem das Angebot ausgegangen ist, kommt es nicht an. Ein Geschäft verliert seinen wucherähnlichen Charakter nicht dadurch, daû das Anerbieten vom Benachteiligten ausgeht (BGH, Urteil vom 24. Mai 1985 - V ZR 47/84 - WM 1985, 1269, 1270). Daû die Beklagte drei Monatsmieten nicht bezahlt hat und es deshalb zur auûerordentlichen Kündigung gekommen ist, gab dem Kläger allenfalls ein Recht, einen angemessenen Aufschlag zu verlangen, aber nicht die Berechtigung zu einer Erhöhung um mehr als 100 %. Daû der Kläger wegen der Hochzinsphase Verluste erwirtschaftet hat, hat das Oberlandesgericht in seine Gesamtabwägung rechtsfehlerfrei einbezogen. Es durfte darauf abstellen, daû ein Nega-tiveinkommen aus Vermietung und Verpachtung im Wirtschaftsleben nichts Ungewöhnliches ist. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daû auch eine hohe Kreditbelastung für sich allein keinen Mietzins rechtfertigt, der den ortsüblichen Mietzins um mehr als 100 % übersteigt, da sonst der Mieter einen unwirtschaftlichen Eigentumserwerb zu finanzieren hätte. Besondere Umstände, die dem Verhalten des Klägers das Anstöûige nähmen, sind
nicht ersichtlich und wurden von der Revision auch nicht aufgezeigt. Bei einem marktüblichen
Mietzins von 1.318,71 DM hätte der Kläger die Notsituation der Beklagten zu seinem Vorteil ausgenutzt, um sich einen über 200 % über dem Angemessenen gelegenen Mietzins versprechen zu lassen.
Blumenröhr Sprick Weber-Monecke Fuchs Ahlt

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher


(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99

bei uns veröffentlicht am 13.06.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 49/99 Verkündet am: 13. Juni 2001 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB § 138
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Bundesgerichtshof Urteil, 23. Juli 2008 - XII ZR 134/06

bei uns veröffentlicht am 23.07.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 134/06 Verkündet am: 23. Juli 2008 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: j

Landgericht Karlsruhe Urteil, 01. Juli 2005 - 2 O 112/05

bei uns veröffentlicht am 01.07.2005

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über das Grundstück in 76337 W.- E., Gemarkung E., Flurstück Nr. .../1, eingetragen im Grundbuch von W.- E., Blatt..., auf Grund wirksamen Mietvertrags vom 02.11

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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 49/99 Verkündet am:
13. Juni 2001
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Im Rahmen der Prüfung, ob bei einem Gaststättenpachtvertrag ein auffälliges
Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und der Vertrag deshalb
als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, ist auch die
von der EOP-Methode abgeleitete sogenannte "indirekte Vergleichswertmethode"
nicht geeignet, den zum Vergleich heranzuziehenden marktüblichen Pachtzins zu
bestimmen (Fortführung von Senatsurteil BGHZ 141, 257 f.).

b) Besteht bei einem gewerblichen Miet- oder Pachtvertrag ein krasses Mißverhältnis
zwischen dem vereinbarten Miet- oder Pachtzins und dem marktüblichen Mietoder
Pachtzins, so rechtfertigt dies allein - wenn keine weiteren für ein sittenwidriges
Verhalten sprechenden Umstände hinzukommen - den Schluß auf eine verwerfliche
Gesinnung des objektiv Begünstigten regelmäßig nur dann, wenn für ihn
ohne weiteres erkennbar war, wie hoch der marktübliche Miet- oder Pachtzins in
etwa sein dürfte.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Krohn, Gerber, Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 1999 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Stadt F. verpachtete eine in ihrem Eigentum stehende Trinkhalle an eine Brauerei. Die Brauerei verpachtete die Trinkhalle durch Vertrag vom 19. Juni 1978 weiter an den Kläger. Am 22. Februar 1992 schloß der Kläger - vertreten durch seine Ehefrau - einen bis zum 1. März 1997 laufenden Unterpachtvertrag mit dem Beklagten. Der von dem Beklagten monatlich zu entrichtende Pachtzins sollte 2.500 DM zuzüglich Mehrwertsteuer betragen, außerdem sollte der Beklagte eine unverzinsliche Kaution von 20.000 DM und monatlich eine Nebenkostenvorauszahlung von 300 DM leisten. Weiter verpflich-
tete sich der Beklagte, während der Vertragszeit Bier und alkoholfreie Getränke ausschließlich über eine von der Hauptpächterin - der Brauerei - benannte Firma zu beziehen. Die Brauerei erklärte mit Schreiben vom 4. September 1992 die ordentliche Kündigung des mit dem Kläger abgeschlossenen (Unter-)Pachtvertrages zum 31. Dezember 1992. Grund für diese Kündigung war nach Darstellung des Klägers, daß der Beklagte gegen die Getränkebezugsverpflichtung verstoßen hatte. Die Brauerei schloß jedoch am 12. November 1992 mit der Ehefrau des Klägers einen Anschlußpachtvertrag. Auf die Nutzung der Trinkhalle durch den Beklagten hatte das keinen Einfluß. Mit Schreiben vom 14. Juli 1993 kündigten der Kläger und seine Ehefrau den Unterpachtvertrag mit dem Beklagten fristlos, unter anderem weil der Beklagte seit Monaten keinen Pachtzins mehr gezahlt hatte. Der Beklagte räumte das Pachtobjekt am 2. Januar 1996. Der Kläger macht mit der Klage für die Zeit bis zur fristlosen Kündigung des Unterpachtverhältnisses einen Anspruch auf Zahlung von rückständigem Pachtzins geltend, für die Zeit danach bis zum Auszug des Beklagten einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe des vereinbarten Pachtzinses. Insgesamt verlangt der Kläger 117.450 DM zuzüglich gestaffelter Zinsen abzüglich der geleisteten Kaution von 20.000 DM, die er zum 2. Januar 1996 - dem Tag des Auszugs des Beklagten - verrechnen will. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 29.410 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und dahin neu ge-
faßt, daß die Klage insgesamt abgewiesen wird. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er erreichen will, daß die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen wird, und mit der er im übrigen seinen ursprünglichen Zahlungsantrag weiterverfolgt, soweit ihm das Landgericht nicht stattgegeben hat.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht führt aus, der zwischen den Parteien abgeschlossene Unterpachtvertrag sei als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es liege eine schwere Ä quivalenzstörung vor, weil der objektive Pachtwert nur 1.000 DM netto im Monat betrage, der vereinbarte Pachtzins dagegen 2.500 DM netto pro Monat. Der objektive Pachtwert sei von dem Sachverständigen L. nach der sogenannten EOP-Methode mit 1.000 DM zutreffend ermittelt worden. Das von dem Sachverständigen S. unter Berücksichtigung von Vergleichsmieten erstattete Gutachten, das zu einem deutlich höheren Pachtwert komme, sei demgegenüber nicht überzeugend. Nach dem Gutachten des Sachverständigen L. seien dem Beklagten Leistungen auferlegt worden, die es ihm nicht möglich machten, aus dem verpachteten Betrieb ein Einkommen für seinen Lebensunterhalt zu erzielen. Das besonders krasse Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung indiziere eine verwerfliche Gesinnung des Klägers.
Infolge der Nichtigkeit des Pachtvertrages fehle ein Rechtsgrund für die beiderseits erbrachten Leistungen, so daß diese nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückzugewähren seien. Eine Verrechnung der beiderseitigen Leistungen führe nicht zu einem Überschuß zugunsten des Klägers. Für die Zeit bis einschließlich Dezember 1992 habe der Kläger dem Beklagten die Nutzung an der Trinkhalle zur Verfügung gestellt, die entsprechend dem objektiven Pachtwert mit monatlich 1.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu bewerten sei. Dem stehe schon die von dem Beklagten erbrachte Kaution von 20.000 DM gegenüber. Ab dem 1. Januar 1993 sei der Kläger nicht mehr zum Gebrauch der Pachtsache berechtigt und in der Lage gewesen, dem Beklagten die Räumlichkeiten zu überlassen, weil sein Pachtverhältnis mit der Brauerei zum 31. Dezember 1992 wirksam gekündigt worden sei. Insofern fehle es "im Verhältnis der Parteien zueinander an einer durch Leistung des Klägers eingetretenen Vermögensverschiebung". Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten, wie die Revision zu Recht rügt, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 2. Der Senat hat nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden, daß die sogenannte EOP-Methode (an der Ertragskraft orientierte Pachtwertfindung) nicht geeignet ist zur Bewertung einer Gaststättenpacht, wie sie für die Bestimmung eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB erforderlich ist (Senatsurteil BGHZ 141, 257 f.). Da das Berufungsgericht seine Annahme, es liege ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, und deshalb sei der Vertrag nichtig, ausschließlich auf ein nach der EOP-Methode erstattetes Gutachten gestützt hat, ist seine Beurteilung rechtsfehlerhaft. Das Berufungsurteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
3. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO), auch nicht über einen Teil der Klageforderung.
a) Soweit der Kläger rückständigen Pachtzins geltend macht, hängt die Begründetheit der Klage davon ab, ob der Pachtvertrag wirksam oder nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Insofern muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es den zum Vergleich mit dem vereinbarten Pachtzins heranzuziehenden objektiven Pachtwert in zulässiger Weise ermittelt. Auf die Ausführungen in dem zitierten Senatsurteil wird verwiesen.
b) Auch der von dem Kläger für die Zeit nach der fristlosen Kündigung des Unterpachtverhältnisses geltend gemachte Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe des vereinbarten Pachtzinses ist nicht zur Entscheidung durch das Revisionsgericht reif. Sollte der Unterpachtvertrag entgegen der Annahme des Berufungsgerichts wirksam sein, so kommt ein entsprechender Anspruch des Klägers nach § 584 b BGB in Betracht. Zwar steht nach Beendigung eines Untermietverhältnisses dem Hauptmieter gegen den Untermieter grundsätzlich kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 557 Abs. 1 BGB mehr zu, wenn auch das Hauptmietverhältnis beendet ist und der Hauptmieter deshalb keine Nutzungsberechtigung mehr hat (Senatsurteil vom 4. Oktober 1995 - XII ZR 215/94 - ZMR 1996, 15 = NJW 1996, 46). Das hat für die Beendigung eines Unterpachtverhältnisses entsprechend zu gelten. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, daß zwar das Hauptpachtverhältnis zwischen dem Kläger und der Brauerei zum 31. Dezember 1992 beendet worden ist, daß aber unmittelbar im Anschluß daran die Ehefrau des Klägers einen entsprechenden Hauptpachtvertrag mit der Brauerei abgeschlossen hat und daß durch diese Veränderung die Nutzungsmöglichkeit des Beklagten in keiner Weise beeinträchtigt worden ist. Es liegt nahe anzunehmen, daß die
Ehefrau des Klägers, nachdem die Brauerei den Vertrag mit dem Kläger gekündigt hatte, die Trinkhalle gerade deshalb von der Brauerei angepachtet hat, weil sie es dem Kläger ermöglichen wollte, den Unterpachtvertrag mit dem Beklagten zu erfüllen. In diesem Fall hatte der Kläger weiterhin eine von seiner Ehefrau abgeleitete Nutzungsberechtigung. Auch insofern muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es - eventuell nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die notwendigen Feststellungen nachholen kann. Im übrigen könnte der Senat auch schon deshalb nicht abschließend nur über die geltend gemachte Nutzungsentschädigung entscheiden, weil sich den Feststellungen des Berufungsurteils - aus der Sicht des Berufungsgerichts zu Recht - nicht entnehmen läßt, welcher Teil des eingeklagten Betrages auf rückständigen Pachtzins entfällt.
c) Der Senat kann auch nicht abschließend entscheiden, soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 31. Juli 1997 die Klageforderung in Höhe von 2.414 DM zuzüglich Zinsen anerkannt hat. Zwar steht der Wirkung dieses Anerkenntnisses, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht entgegen, daß der Kläger keinen Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils (§ 307 Abs. 1 ZPO) gestellt hat. Die Wirkung eines wirksam abgegebenen prozessualen Anerkenntnisses erschöpft sich nämlich nicht darin, lediglich Grundlage für ein Anerkenntnisurteil zu sein. Sie bleibt vielmehr auch dann bestehen, wenn kein Anerkenntnisurteil ergeht. Auch dann sind die Gerichte im Umfang des Anerkenntnisses grundsätzlich der Verpflichtung zur Prüfung des Streitstoffes enthoben. Dies gilt nicht nur für eine Instanz, sondern für den ganzen Prozeß (Senatsurteil vom 17. März 1993 - XII ZR 256/91 - NJW 1993, 1717, 1718 m.N.). Der Senat hat aber bereits entschieden, daß die
Berufung auf ein prozessuales Anerkenntnis gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn das Anerkenntnis nicht der wahren Rechtslage entspricht und die Unrichtigkeit dem Prozeßgegner bekannt ist (Senatsurteil BGHZ 80, 389, 399 m.N.). Sollte der Unterpachtvertrag als wucherähnliches Geschäft sittenwidrig sein, so ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Berufung des Klägers auf ein Anerkenntnis, das der Erfüllung dieses Vertrages dient, gegen Treu und Glauben verstoßen könnte (vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO 22. Aufl. § 307 Rdn. 4 m.N.). Auch dieser Punkt bedarf der tatrichterlichen Beurteilung. 4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Nachdem der Senat entschieden hat, daß die EOP-Methode ungeeignet ist zur Bestimmung eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, ist das Oberlandesgericht München in einer nicht rechtskräftigen Entscheidung (Urteil vom 4. September 2000 - NZM 2000, 1059) einer Bewertungsmethode gefolgt, der sogenannten "indirekten Vergleichswertmethode" , die in der Literatur von einem Vertreter der EOP-Methode als Reaktion auf die Entscheidung des Senats empfohlen worden ist (Walterspiel, NZM 2000, 70 ff.). Die Gründe, deretwegen der Senat die EOP-Methode für ungeeignet hält, gelten jedoch auch gegenüber der indirekten Vergleichswertmethode. Weder das Oberlandesgericht München noch Walterspiel legen dar, daß bei der offensichtlich der EOP-Methode nachgebildeten neuen Methode Ä nderungen vorgenommen worden sind, die den Beanstandungen des Senats gegenüber der EOP-Methode Rechnung tragen. Die neue Methode stellt - wie die EOP-Methode - "als Basis für die Ermittlung des marktüblichen Mietzinses auf die Umsatzerwartung je Sitzplatz und auf einen betriebsartbezogenen Prozentsatz vom Gesamtertrag" ab (so zutreffend OLG München aaO S. 1061) und
kalkuliert dabei einen als angemessen angesehenen Unternehmensgewinn ein. Insbesondere legt auch sie ihrer Beurteilung statistische Ertragswerte zugrunde , die ein "normalqualifizierter Betreiber" (Walterspiel aaO S. 75) erzielen kann. Auch an diesem Punkt zeigt sich, daß beide Methoden die besondere Marktsituation des konkreten Objekts nicht ausreichend berücksichtigen (Senatsurteil BGHZ aaO S. 265). Es gibt etwa Pachtinteressenten, die überdurchschnittlich qualifiziert sind oder sich bei dem in Frage kommenden Kundenkreis bereits einen guten Ruf erworben haben oder die über besonders günstige Einkaufsmöglichkeiten verfügen oder die - eventuell einschließlich ihrer Familienangehörigen - bereit sind, besonders viel zu arbeiten. Derartige Interessenten sind in der Lage und - insbesondere wenn nicht viele für sie geeignete Objekte auf dem Markt sind - vielfach auch bereit, einen relativ hohen Pachtzins zu vereinbaren. Handelt es sich um ein entsprechend gefragtes Objekt und besteht dafür auf dem Markt eine Nachfrage von derartigen Interessenten, dann entspricht der Marktpreis dem, was diese Interessenten für ein solches Objekt zu zahlen bereit sind, auch wenn ein "normal qualifizierter Betreiber" sich einen solchen Pachtzins nicht leisten könnte. Entsprechendes gilt, wenn abzusehen ist, daß bei der gegebenen Marktsituation mehrere Brauereien oder Ketten ein solches Objekt dringend suchen. Marktwert ist der übliche Wert, der für eine vergleichbare Leistung auf dem Markt zu zahlen ist (Senatsurteil BGHZ aaO). Bei Miet- oder Pachtverhältnissen ist demnach der Marktwert der Nutzungsüberlassung regelmäßig anhand des Miet- oder Pachtzinses zu ermitteln, der für vergleichbare Objekte erzielt wird (Senatsurteil BGHZ aaO S. 263 m.N.). Es ist zutreffend, daß es Fälle gibt, in denen diese sogenannte Vergleichswertmethode nicht angewendet werden kann, weil es keine geeigneten Vergleichsobjekte gibt. Auch wenn solche Fälle seltener sind, als die Vertreter der EOP-Methode oder der indi-
rekten Vergleichswertmethode vorgeben, müssen sie in die Betrachtung einbezogen werden. Der Senat hat ausgeführt, daß in solchen Fällen "andere Erfahrungswerte heranzuziehen" seien (BGHZ aaO S. 263). Das bedeutet aber nicht, daß dann die Anwendung der EOP-Methode oder einer ihr nachgebildeten Methode unbedenklich würde (so aber OLG München und Walterspiel jeweils aaO). In solchen Fällen wird es regelmäßig angebracht sein, einen erfahrenen , mit der konkreten Marktsituation vertrauten Sachverständigen beurteilen zu lassen, welcher Mietzins für ein solches Objekt seiner Ansicht nach erzielt werden kann. Es mag sein, daß man bei einem auf diese Weise erstatteten Gutachten mit einer größeren Schätzungstoleranz rechnen muß als bei einem Gutachten, das auf konkreten Vergleichswerten aufbauen kann. Diese Folge muß hingenommen werden. Sie kann jedenfalls nicht dadurch beseitigt oder abgemildert werden, daß man für solche Einzelobjekte von statistischen Durchschnittswerten ausgeht. Daß es für ein Miet- oder Pachtobjekt keine geeigneten Vergleichsobjekte gibt, kommt nicht nur vor, wenn Räume zum Betrieb einer Gaststätte vermietet oder verpachtet werden, sondern auch dann, wenn ein anderes Gewerbe in ihnen betrieben wird. Auch ein Ladenlokal kann wegen seiner Größe, seines Zuschnitts und seiner Lage mit anderen Ladenlokalen in der Gegend nicht vergleichbar sein. Für die Bewertung, welcher Miet- oder Pachtzins marktüblich ist, bestehen zwischen Miet- oder Pachtverträgen über Gastgewerberäume und Miet- oder Pachtverträgen über andere gewerbliche Räume keine Unterschiede, die es notwendig machten, grundlegend unterschiedliche Bewertungsmethoden zu verwenden.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vertrag als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn Lei-
stung und Gegenleistung in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten (Senatsurteil BGHZ aaO S. 263 m.N.). Eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist nicht nur dann zu bejahen, wenn er als der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, sondern auch dann, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, daß sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat (BGH, Urteil vom 17. April 1980 - III ZR 96/78 - NJW 1980, 2076, 2077). Ein besonders auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (st.Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99 - NJW 2000, 2669, 2670 m.w.N.). Für bestimmte Vertragstypen hat der Bundesgerichtshof allein wegen eines krassen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen , auch wenn im konkreten Fall keine weiteren, für ein sittenwidriges Verhalten des Begünstigten sprechende Umstände hinzukamen. Das gilt insbesondere für Teilzahlungs- oder Ratenkreditverträge mit privaten Kunden (BGHZ 80, 153, 161; 98, 174, 178 m.N.) und für Grundstückskaufverträge (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 - V ZR 146/98 - NJW 2000, 1487, 1488 m.w.N.). Bei Grundstücksverträgen geht der Bundesgerichtshof von einem entsprechenden Mißverhältnis schon dann aus, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 aaO m.N.). Diese Grundsätze sind nicht ohne weiteres auf die Prüfung, ob ein gewerblicher Miet- oder Pachtvertrag als wucherähnliches Geschäft nichtig ist, zu übertragen. Auch in den zitierten Fällen verzichtet die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht etwa auf das subjektive Element der Sittenwidrigkeit. Sie geht lediglich davon aus, daß das vorliegende krasse Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung einen hinreichend sicheren Rückschluß darauf zuläßt, daß auch dieses subjektive Element - die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten - gegeben ist. Ein solcher Rückschluß setzt aber voraus , daß sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1987 - V ZR 284/85 - NJW 1988, 130, 131 m.N.) zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, es liege ein krasses Mißverhältnis vor. Davon kann man jedenfalls nur dann ausgehen, wenn der Marktwert der Leistung für ihn in etwa erkennbar war. Bei den Darlehensverträgen von Kreditbanken mit Privatpersonen ist das ohne weiteres zu bejahen, weil der Kreditbank der Schwerpunktzins der Bundesbank bekannt ist. Bei Grundstücksgeschäften hat der Bundesgerichtshof diesem Gesichtspunkt insofern Rechnung getragen, als er eine "kritische tatrichterliche Würdigung" für erforderlich hält, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen , daß bei Abschluß des Vertrages aufgrund besonderer Umstände Bewertungsschwierigkeiten bestanden, aufgrund derer der Begünstigte das krasse Mißverhältnis möglicherweise nicht erkannt haben könnte (BGH, Urteil vom 4. Februar 2000 aaO S. 1488). Solche Bewertungsschwierigkeiten kommen beim Abschluß von gewerblichen Miet- und Pachtverträgen nicht nur in Ausnahmefällen vor. Deshalb ist bei gewerblichen Mietverträgen im Rahmen der Prüfung, ob aus einem auffälligen Mißverhältnis auf die Nichtigkeit des Geschäfts geschlossen werden kann, regelmäßig eine tatrichterliche Würdigung erforderlich, ob das krasse Mißverhältnis für den Begünstigten erkennbar war.
Die Mietpreise für gewerbliche Räume sind nicht nur regional sehr unterschiedlich , sie können auch innerhalb ein und derselben Stadt stark schwanken. Dem Senat liegt ein von der Industrie- und Handelskammer Köln herausgegebener Mietspiegel für Gewerbeflächen vor (Stand: März 2000). In diesem Mietspiegel wird die Stadt Köln in neun Stadtbezirke aufgeteilt. Die für die einzelnen Stadtbezirke angegebenen Preise unterscheiden sich erheblich. In dem teuersten Stadtbezirk 1 werden die Quadratmeterpreise für Ladenlokale in der 1 a-Lage (Spitzenlage) angegeben mit 150 bis 300 DM, in der 1 b-Lage (sehr gute Innenstadtlage) mit 50 bis 150 DM. Da es oft schwierig ist zu entscheiden , ob ein in guter Geschäftslage liegendes Objekt der 1 a-Lage oder der 1 b-Lage zuzuordnen ist, ergibt sich eine Preisspanne von 50 bis 300 DM. Hinzu kommt, daß sich im Bereich der gewerblichen Miete das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nicht selten relativ kurzfristig verändert mit der Folge, daß aus einem Vermietermarkt ein Mietermarkt wird oder umgekehrt. Dies hat zur Folge, daß sich die erzielbaren Mietpreise innerhalb kurzer Zeit erheblich verändern können. Eine solche Entwicklung hat beispielsweise in den neuen Bundesländern in den ersten Jahren nach dem Beitritt stattgefunden. Bei dieser Sachlage kann es sowohl für einen Vermieter als auch für einen Mieter, insbesondere wenn er nicht ortsansässig und mit der gewerblichen Vermietung nicht vertraut ist, schwierig sein abzuschätzen, welcher Mietpreis angemessen ist. Für eine ortsansässige Brauerei, die ständig Gasträume vermietet und anmietet, gilt das nicht in gleicher Weise. Einem privaten Vermieter, der einen Mietpreis im oberen Bereich der dargelegten Schwankungsbreite durchgesetzt hat, kann man nicht ohne weiteres ein unredliches Verhalten vorwerfen , wenn ein Sachverständiger später überzeugend begründet, daß inner-
halb der Schwankungsbreite ein um die Hälfte niedrigerer Preis marktüblich gewesen wäre. In einem solchen Falle wird es im Rahmen der Prüfung, ob ein wucherähnliches Geschäft i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB vorliegt, darauf ankommen,
ob neben dem Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung weitere Umstände oder weitere Regelungen in dem Vertrag für eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners sprechen.
Blumenröhr Krohn Gerber Wagenitz Fuchs

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.