vorgehend
Landgericht Karlsruhe, , 8 O 135/97
Oberlandesgericht Karlsruhe, 6 U 128/02, 11.12.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 276/02 Verkündet am:
5. Oktober 2005
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB a.F. § 284
Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Unwirksamkeit von
Mahnungen bei Zuvielforderung gelten grundsätzlich auch bei der Geltendmachung
von Gewährleistungsansprüchen im Werkvertragsrecht. Dabei ist den
Besonderheiten des Werkvertragsrechts Rechnung zu tragen. (Fortführung von
BGHZ 146, 24; BGH, Urt. v. 25.06.1999 - V ZR 190/98, NJW 1999, 3115).
BGH, Urt. v. 5. Oktober 2005 - X ZR 276/02 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Oktober 2005 durch den Richter Scharen als Vorsitzenden, die
Richterin Ambrosius und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das am 11. Dezember 2002 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der damaligen Klägerin gegen das Teilurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. November 1997 zurückgewiesen worden ist und ihre Berufung gegen das Schlussurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30. April 1998 insoweit zurückgewiesen worden ist, als der Kläger in Höhe von 12.277,82 DM nebst Zinsen die Abweisung der im ersten Berufungsurteil vom 28. Juli 1999 in Höhe von 23.671,80 DM zuerkannten Widerklage begehrt.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an den 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der T. GmbH (nachfolgend: T. GmbH) die Beklagte aus Werklieferungsvertrag auf Ersatz von Aufwendungen in Anspruch, die der T. GmbH durch Nachbesserungsarbeiten im Wege der Ersatzvornahme entstanden sind. Die Beklagte macht widerklagend vertragliche Zahlungsansprüche geltend.
2
Die T. GmbH benötigte für eine Außenfassade eines Bankhauses Glasscheiben. Sie beauftragte die Beklagte mit der Herstellung und Lieferung von 110 geraden und 61 gebogenen Glasscheiben. Die Vertragsparteien trafen hinsichtlich der Toleranzen der gebogenen Glaselemente keine näheren Absprachen. Die Beklagte beauftragte ein Drittunternehmen mit der Herstellung der gebogenen Glasscheiben. Dieses teilte am 4. August 1995 mit, dass beim Biegen der Glasscheiben an den geraden Außenkanten Geradheitsabweichungen von bis zu 5,5 mm aufträten. Daraufhin entwickelte sich zwischen den Vertragsparteien eine intensive Korrespondenz zu der Frage, welches Toleranzmaß vertraglich geschuldet und überhaupt technisch machbar sei. Die am 5. September 1995 gelieferten gebogenen Glaselemente beanstandete die T. GmbH mit Schreiben vom 7. September 1995, weil die vertikalen Seitenkanten nicht gerade verliefen, sondern eine Toleranz von 5 bis 6 mm aufwiesen. Sie setzte eine Frist zur Neuherstellung bis 15. September 1995. Im März 1996 beauftragte die T. GmbH schließlich ein anderes Unternehmen mit der Herstellung der gebogenen Glaselemente.
3
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung der Kosten für die Ersatzvornahme in Höhe von 145.555,41 DM. Die Beklagte hat widerklagend Forderungen aus verschiedenen Glaslieferungen an die T. GmbH in Höhe von zuletzt 37.647,65 DM nebst Zinsen geltend gemacht, denen der Kläger entgegengetreten ist.
4
Das Landgericht hat mit Teilurteil vom 13. November 1997 die Klage abgewiesen und die T. GmbH auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 12.729,63 DM nebst Zinsen zu zahlen. In Höhe eines Teilbetrags von 566,47 DM hat es die Widerklage abgewiesen. Durch Schlussurteil vom 30. April 1998 hat das Landgericht die T. GmbH auf die Widerklage verurteilt, einen weiteren Betrag von 24.336,49 DM nebst Zinsen zu zahlen; die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen.
5
Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der T. GmbH das Schlussurteil abgeändert und sie zur Zahlung von 23.671,80 DM verurteilt. Das weitergehende Rechtsmittel gegen das Schlussurteil und die Berufung der T. GmbH gegen das Teilurteil hat es zurückgewiesen.
6
Auf die Revision der T. GmbH hat der erkennende Senat das Urteil des Oberlandesgerichts mit Urteil vom 9. Juli 2002 (X ZR 242/99, NJW-RR 2002, 1533) insoweit aufgehoben, als zu deren Nachteil erkannt worden ist, und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
7
In seinem zweiten Berufungsurteil hat das Berufungsgericht wiederum die Berufung der T. GmbH gegen das Teil- und Schlussurteil des LG Karlsruhe im Umfang des ersten Berufungsurteils zurückgewiesen.
8
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die Anträge der T. GmbH aus der Berufungsinstanz weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


9
Die Revision erweist sich als überwiegend begründet. Sie führt im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist. Der Senat hat dabei von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
10
I. Das Rechtsmittel ist statthaft, weil der Senat durch Beschluss vom 13. Januar 2004 die Revision zugelassen hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieser Zulassungsbeschluss nicht etwa unwirksam. Zwar wurde der Rechtsstreit durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der T. GmbH am 1. September 2003 zunächst unterbrochen und erst am 5. März 2004 durch den Insolvenzverwalter wieder aufgenommen. Der Zulassungsbeschluss fällt somit in den Zeitraum der Unterbrechung des Rechtsstreits. Eine gerichtliche Entscheidung, die während einer gesetzlichen Unterbrechung des Verfahrens ergeht, ist nach ständiger Rechtsprechung nicht unwirksam, sondern lediglich mit dem allgemein zulässigen Rechtsmittel anfechtbar (vgl. BGH, Beschl. v. 11.07.2002 - VII ZR 63/00; Urt. v. 21.06.1995 - VIII ZR 224/94, NJW 1995, 2563; BGHZ 66, 59, 61 f.). Da ein Rechtsmittel gegen den Zulassungsbeschluss vom 13. Januar 2004 nicht statthaft ist, hat die vom Senat ausgesprochene Zulassung der Revision Bestand (entsprechend für die Nichtannah- meentscheidung BGH, Beschl. v. 31.03.2004 - XII ZR 167/00, MDR 2004, 1077).
11
II. Die Revision ist begründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht die Abweisung der Klage durch das Teilurteil des Landgerichts bestätigt hat.
12
1. Das Berufungsgericht stellt fest, dass die von der Beklagten gelieferten Glaselemente das vertraglich geschuldete Toleranzmaß verfehlten, weil sie nicht problemlos in die Rahmen an der Fassade des Bankgebäudes eingefügt werden konnten. Es stehe deshalb fest, dass die Lieferung der Beklagten mangelhaft war. Der T. GmbH stehe jedoch gleichwohl kein Anspruch auf Ersatz der von ihr aufgewendeten Nachbesserungskosten gemäß § 633 BGB a.F. zu, weil sich die Beklagte nicht in Verzug befunden habe. Den verschiedenen Schreiben der Beklagten sei eine verzugsbegründende Erfüllungsverweigerung nicht zu entnehmen. Auch das Mahnschreiben der T. GmbH vom 7. September 1995 (Anl. K 17) in Verbindung mit ihrem Schreiben vom 31. August 1995 (Anl. K 16) habe die Beklagte nicht in Verzug gesetzt. Das Berufungsgericht meint, unabhängig von dem vertraglich geschuldeten Toleranzmaß sei die Mahnung der T. GmbH wegen eines von ihr geforderten Übermaßes an Maßgenauigkeit von vornherein unwirksam.
13
2. Das ist rechtsfehlerhaft, soweit das Berufungsgericht die Mahnung vom 7. September 1995 nicht als verzugsbegründend angesehen hat.
14
a) Mit den Rügen, die sich gegen die Beantwortung der Frage richten, ob die Beklagte bereits ohne eine Mahnung der T. GmbH in Verzug geraten ist, weil sie ernsthaft und endgültig die Erfüllung des Vertrags verweigert hat, hat die Revision einen beachtlichen Rechtsfehler nicht aufgezeigt. Das Berufungsgericht hat nunmehr die verschiedenen Schreiben der Beklagten gewürdigt und resümierend festgestellt, dass ihnen eine verzugsbegründende Erfüllungsverweigerung nicht entnommen werden könne. Das ist eine mögliche Bewertung und deshalb als tatrichterliche Würdigung im Ergebnis hinzunehmen.
15
b) Scheidet somit ein Verzug der Beklagten wegen ernsthafter Erfüllungsverweigerung aus, so kommt es darauf an, ob sie durch eine Mahnung der T. GmbH wirksam in Verzug gesetzt wurde. Das Berufungsgericht verneint dies, weil die T. GmbH in ihrem Mahnschreiben eine Toleranz von +/- 0,5 mm gefordert und damit gemessen an den technischen Herstellungsmöglichkeiten ein "illusorisches" Leistungsmaß verlangt habe. Dafür zieht das Berufungsgericht Feststellungen des von ihm im ersten Berufungsrechtszug beauftragten Sachverständigen heran.
16
Diese Ausführungen entbehren der tatsächlichen Grundlage und verletzen deshalb § 286 ZPO. Denn eine Aussage zu den technisch möglichen Geradheitstoleranzen lässt sich dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Wie die Revision zutreffend geltend macht, war Gegenstand seines Gutachtens ausweislich des Beweisbeschlusses des Berufungsgerichts vom 12. August 1998 nicht die Frage nach den technisch möglichen Toleranzen, sondern lediglich die Beurteilung, ob die von der Beklagten gelieferten Glaselemente dem Stand der Technik im Jahre 1995 entsprachen. Dementsprechend nennt die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Beilage 5 des Gutachtens nicht mögliche, sondern lediglich von bestimmten Unternehmen für ihre Produkte angegebene Toleranzen. Auf Seite 7 oben des Gutachtens heißt es, es sei möglich, durch die Wahl des Biegeverfahrens und durch entsprechend großen Aufwand an Musterbiegungen die Scheiben mit geringeren Toleranzen zu fertigen. Weiter könnten bei einer Massenfertigung mit großen Stückzahlen die Produktionsbedingungen so optimiert werden, dass Elemente mit sehr guter Maßhaltigkeit entstünden. Daher hatte das Berufungsgericht in seinem ersten Berufungsurteil insoweit zutreffend dem Sachverständigengutachten die üblichen und nicht die möglichen Toleranzen entnommen.
17
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die Klageabweisung bestätigt hat, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
18
3. Bei seiner erneuten Prüfung wird das Berufungsgericht Folgendes zu beachten haben:
19
a) Um festzustellen, ob eine Zuvielforderung der T. GmbH vorlag, wird das Berufungsgericht zunächst zu bestimmen haben, was die T. GmbH in ihrem Mahnschreiben vom 7. September 1995 (Anl. K 17) von der Beklagten gefordert hat. Dazu bedarf es einer Auslegung der Schreiben der T. GmbH in ihrem Gesamtzusammenhang , an der es bislang fehlt.
20
Hierbei hält es sich im Rahmen tatrichterlicher Würdigung, wenn das Berufungsgericht die von der T. GmbH genannte Toleranz von +/- 0,5 mm auf die Geradheitstoleranz, d.h. die Abweichung der planmäßig geraden Seiten (Kanten ) der gebogenen Glaselemente, bezieht. Zwar spricht das in dem Mahnschreiben K 17 in Bezug genommene Schreiben vom 31. August 1995 (K 16) wörtlich von einer Dickentoleranz von +/- 0,5 mm. Allerdings bezog sich die Mitteilung der Beklagten vom 15. August 1995 (Anl. K 9) auf Geradheitsabweichungen von bis zu 5,5 mm, die in dem Antwortschreiben der T. GmbH vom 16. August 1995 (K 10) unter Hinweis auf eine "ISD" von +/- 0,5 mm zurückgewiesen wurden. Das Schreiben der T. GmbH vom 31. August 1995 (K 16) weist dann erneut "Toleranzen im Bereich der geraden Seite der Scheiben in der … genannten Höhe" zurück und verweist in diesem Zusammenhang auf eine maximale Dickentoleranz von +/- 0,5 mm. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Forderung von +/- 0,5 mm sei auf die Geradheitstoleranzen zu beziehen, lässt vor diesem Hintergrund keinen Rechtsfehler erkennen.
21
Allerdings hat das Berufungsgericht fehlerhaft nicht geprüft, welche Bedeutung der Toleranz von 0,5 mm in dem Mahnschreiben zukam. So wird in dem Schreiben der T. GmbH vom 31. August 1995 (K 16) die Entscheidung der Beklagten, die Scheiben mit den von ihr genannten Toleranzen freizugeben, zur Kenntnis genommen, aber ausdrücklich die Reklamation der nicht einsetzbaren Scheiben vorbehalten. Dabei wurde angekündigt, in diesen Fällen auf einer kostenlosen und verwendungsgerechten Neulieferung zu bestehen. Das spricht deutlich dafür, dass es der T. GmbH primär um die Verwendbarkeit der gebogenen Scheiben für den Einbau in das Bankgebäude ging und nicht um jeden Preis um die Einhaltung einer Toleranz von 0,5 mm. Darauf deutet auch die in dem Schreiben vom 31. August 1995 gebrauchte Formulierung hin, wonach die in anderem Zusammenhang für Glashersteller geltenden Vorgaben nur "heranzuziehen" seien. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, wie der Inhalt des Mahnschreibens vom 7. September 1995 (K 17) unter diesen Umständen zu würdigen ist.
22
b) Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die T. GmbH nicht nur zum Einbau in das Bankgebäude geeignete Glasscheiben angemahnt, sondern auf der Einhaltung einer Maßtoleranz von 0,5 mm bestanden haben sollte, so müsste es zunächst weiter prüfen, ob nach dem Inhalt des Liefervertrags eine solche Toleranz vereinbart war. Denn wenn die Beklagte die von der T. GmbH in der Mahnung geforderten Toleranzen als vertragsgemäße Leistung schuldete, fehlt es auf jeden Fall an einer Zuvielforderung. Dabei wäre auch dann nicht mehr als vertraglich vereinbart angemahnt, wenn die Erreichung der vertraglich geschuldeten Eigenschaften nach dem Stand der Technik bei Vertragsschluss unmöglich wäre. Fehlt einem Werk die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit, so haftet der Lieferant auch dann nach den §§ 633 ff. BGB a.F., wenn es technisch nicht möglich ist, dem Vertragsgegenstand die geschuldete Beschaffenheit zu verleihen (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2000 - VII ZR 17/99, NJW 2001, 1642, 1644; BGHZ 96, 111, 115; 54, 236, 238).
23
c) Auch wenn sich nach Auslegung des Liefervertrags und der Schreiben der T. GmbH die Anmahnung einer Zuvielforderung ergeben sollte, wäre die Mahnung nicht ohne weiteres unwirksam.
24
Die Prüfung, ob eine Zuvielforderung zur Unwirksamkeit einer Mahnung führt, erfordert eine unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben vorzunehmende Würdigung, ob der Schuldner die Erklärung als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger auch zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist (BGHZ 146, 24, 35; BGH, Urt. v. 25.06.1999 - V ZR 190/98, NJW 1999, 3115, 3116). Der Bundesgerichtshof hat die Grundsätze zur Unwirksamkeit von Mahnungen bei Zuvielforderung zwar in erster Linie anlässlich der Entscheidung über Geldforderungen entwickelt. Sie sind darauf jedoch nicht beschränkt. So hat sie der Bundesgerichtshof beispielsweise bereits im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Betreuungsleistungen angewendet (BGH, Urt. v. 28.01.2000 - V ZR 252/98, WM 2000, 586). Die Grundsätze zur Unwirksamkeit von Mahnungen bei Zuvielforderung gelten grundsätzlich auch bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen im Werkvertragsrecht. Denn die Signalwirkung der Mahnung erreicht den Werkunternehmer nur dann, wenn er die Erklärung des Gläubigers als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss. Weiter darf die Zuvielforderung des Bestellers auch nicht als Zurückweisung des geschuldeten Maßes der Mängelbeseitigung zu verstehen sein. Denn sonst hat der Werkunternehmer keine Veranlassung, die geschuldete Mängelbeseitigung zu leisten.
25
Bei der Anwendung der Grundsätze zur Unwirksamkeit von Mahnungen wegen Zuvielforderung im Werkvertragsrecht ist jedoch auf die Besonderheiten dieses Rechtsgebiets Rücksicht zu nehmen. So ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verschiedentlich das Ausmaß der Zuvielforderung als Kriterium für die Unwirksamkeit einer Mahnung berücksichtigt worden (BGHZ 146, 24, 35; BGH, Urt. v. 12.02.1987 - III ZR 251/85, NJW-RR 1987, 679, 682; Urt. v. 25.06.1999 - V ZR 190/98, NJW 1999, 3115). Im Werkvertragsrecht ist jedoch Zurückhaltung bei der Anwendung dieses Kriteriums angezeigt. Hier wird der Besteller Nachbesserungen, die ihm die vertraglich vereinbarte Nutzung des Werks gestatten, in der Regel auch dann nicht zurückweisen, wenn er meint, noch mehr verlangen zu können.
26
Bei der für die Prüfung der Unwirksamkeit der Mahnung wegen Zuvielforderung erforderlichen umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls wird das Berufungsgericht gegebenenfalls ferner prüfen müssen, ob die T. GmbH nicht erkennbar zur Annahme auch gegenüber ihren Vorstellungen geringeren Leistungen bereit war, solange ihr nur für das Bauvorhaben geeignete gebogene Scheiben geliefert wurden.
27
III. Die Revision des Klägers erweist sich auch hinsichtlich der Widerklage als überwiegend begründet.
28
Das Berufungsgericht hat die T. GmbH auf die Widerklage erneut zur Zahlung von 23.671,80 DM verurteilt. Die Revision greift die Behandlung verschiedener Forderungen und Gegenforderungen durch das Berufungsgericht als rechtsfehlerhaft an.
29
1. Rechnungen der Beklagten
30
a) Rechnung Nr. 51 80 68 vom 28. November 1995 über 3.143,09 DM
31
Die Forderung betrifft die Lieferung zusätzlicher Scheiben. Das Berufungsgericht hat einen Abzug dieser Rechnung von der Widerklageforderung nicht für gerechtfertigt gehalten. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg mit der Rüge, es habe sich um eine Lieferung im Rahmen der Mängelgewährleistung gehandelt. Es ist nicht erkennbar, dass sich die von ihr angeführten Feststellungen des Sachverständigen zu einem vertikal statt horizontal verlaufenden Streifenmuster auf die der Rechnung vom 28. November 1995 zugrunde liegende Lieferung bezogen haben, so dass ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 286 ZPO ausscheidet. Die T. GmbH mag im Anschluss an die Auslieferung einer Bestellung durch die Beklagte eine kostenlose Nachlieferung für fehlerhaft bedruckte Scheiben verlangt haben. In ihrer diesem Verlangen folgenden Auftragsbestätigung vom 15. November 1995 stellte die Beklagte eine kostenlose Nachlieferung aber nur für den Fall einer Berechtigung der erhobenen Reklamation und nach Rückgabe und Prüfung der reklamierten Einheiten in Aussicht. Nach kaufmännischen Gepflogenheiten wäre im Falle mangelnden Einverständnisses mit dieser Lieferkondition der Beklagten ein Widerspruch der T. GmbH zu erwarten gewesen. Zu einem solchen Widerspruch ist aber weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Da die Beklagte nach dem festgestellten Sachverhalt die falsch bedruckten Scheiben nie zur Überprüfung der Mängelrüge erhalten hat, ist der Kläger unter diesen Umständen verpflichtet, auch die weitere Lieferung gemäß Rechnung vom 28. November 1995 zu bezahlen.
32
b) Rechnung Nr. 60 53 03 vom 22. April 1996 über 5.173,09 DM
33
Auch diese Forderung betrifft die Lieferung weiterer Scheiben. Hier rügt die Revision zu Recht, dass es der Beklagten obliegt, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass ihrer Forderung eine Vereinbarung über eine entgeltliche Lieferung zugrunde liegt und wie hoch das Entgelt ist. Zu einer Bestellung , die die Forderung der Beklagten begründet, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Mit ihrem Vortrag, dass es sich um eine kostenlose Nachlieferung für zuvor gelieferte mangelhafte Scheiben gehandelt habe, hat die T. GmbH jedenfalls inzident eine Bestellung gegen Entgelt bestritten. Die Zuerkennung dieser Forderung durch das Berufungsgericht beruht daher auf einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast.
34
2. Belastungsbuchungen der T. GmbH
35
a) Belastungsbuchungen (3), (5) bis (17), (20) bis (23) - BU 21-25
36
Diese Belastungsbuchungen betreffen nach dem Vortrag des Klägers Lieferungen der Beklagten, bei denen die Parteien einen geringeren Preis als den von der Beklagten in Rechnung gestellten Einheitspreis vereinbart hätten. Das Berufungsgericht hält diese Belastungsbuchungen für unbegründet, weil der Kläger die Erstreckung eines speziellen "Sonderpreises" auf die gesamte Geschäftsbeziehung dartun müsse, wenn der berechnete Preis dem regulären entspräche. Die Beklagte habe aber den "Sonderpreis" bestritten. Da die T. GmbH die Lieferungen angenommen habe, müsse der Kläger die abgerechneten Beträge ohne Abzüge begleichen.
37
Damit verkennt das Berufungsgericht den Begriff des Einheitspreises. Der Kläger hat hinsichtlich der fraglichen Lieferungen keine Abweichung von den sonst zwischen den Parteien vereinbarten Preisen im Sinne eines "Sonderpreises" geltend gemacht, sondern vorgetragen, dass ein niedrigerer Preis pro gelieferte Einheit vereinbart war als abgerechnet wurde. Der Begriff des Einheitspreises ist im kaufmännischen Verkehr eindeutig. Er bedeutet "Preis pro gelieferte Einheit". Das Berufungsgericht hat nichts dazu ausgeführt, dass der Kläger unter einer Abweichung von den vereinbarten Einheitspreisen hier ausnahmsweise etwas völlig anderes, nämlich eine Abweichung von den sonst allgemein zwischen den Parteien geltenden Preisen, verstanden haben konnte. Es hat die Vereinbarungen der Parteien daher falsch ausgelegt und den Vortrag des Klägers fehlerhaft gewürdigt (Verstoß gegen §§ 133, 157 BGB, § 286 ZPO). Zu einer Rahmenvereinbarung, in der die Einheitspreise der Beklagten für alle Lieferungen im Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien festgelegt worden seien, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Deshalb hätte es der Beklagten und nicht dem Kläger die Darlegungs - und Beweislast für die Vereinbarung der abgerechneten Preise auferlegen müssen.
38
Auf der Grundlage seiner Feststellungen konnte das Berufungsgericht auch aus einer widerspruchslosen Entgegennahme der Lieferungen der Beklagten durch die T. GmbH keine Einigung auf die abgerechneten Preise ableiten. Denn es hat nichts dazu festgestellt, ob und wann bezüglich jedes einzelnen der hier behandelten Liefervorgänge die Beklagte den Preisvorstellungen der T. GmbH vor der Lieferung widersprochen hat und wie gegebenenfalls nach einem derartigen Widerspruch die Entgegennahme der Leistung zu würdigen wäre. Eine von der Beklagten nach Lieferung, etwa in der späteren Rechnungsstellung , geäußerte abweichende Preisvorstellung wäre jedenfalls unbeachtlich.
39
Das Berufungsgericht wird daher über die Belastungsbuchungen (3), (5) bis (17) und (20) bis (23) erneut zu entscheiden haben.
40
b) Belastungsbuchungen (1) - BU II 20 - und (18) - BU II 24
41
Diese Positionen betreffen von der Beklagten berechnete Kosten für Fracht und Verpackung. Wie die Revision zutreffend rügt, hat das Berufungsgericht hier nicht berücksichtigt, dass der Kläger vorgetragen und durch Vorlage der Bestellschreiben belegt hat, dass die T. GmbH ausdrücklich "Lieferung frei Haus" verlangt habe. Feststellungen dazu, ob trotz dieses Wortlauts der Bestellungen aufgrund ausdrücklicher Vereinbarungen der Parteien oder, wie von der Beklagten behauptet (6 U 144/98, GA 159/161), durch Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten von der T. GmbH eine Vergütung für Fracht und Transport geschuldet wurde, hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
42
c) Belastungsbuchung (4) - Rechnung Nr. 42 34 81 vom 22. Dezember 1994 über 2.850,95 DM, Belastungsbetrag: 149,05 DM
43
Die Revision rügt zu Recht, dass das angefochtene Berufungsurteil für die Aberkennung dieser Belastungsbuchung keine Begründung enthält.
44
d) Belastungsbuchungen (2) und (19)
45
Diese Belastungsbuchungen hat das Berufungsgericht zutreffend nicht anerkannt. Der Kläger macht geltend, in diesen Fällen sei von der Beklagten mehr als die bestellte Menge in Rechnung gestellt worden. Er hat jedoch entgegen dem Vortrag der Revision nicht bestritten, dass die in Rechnung gestellten Mehrmengen tatsächlich geliefert wurden. Die einzige zu diesen Positionen erhobene Rüge der Revision, es liege kein Fall der Mehrlieferung, sondern bloß ein Fall der Mehrberechnung vor, geht daher fehl. Da der Kläger auch nicht vorgetragen hat, die Mehrlieferungen seien unverzüglich gerügt worden, konnte das Berufungsgericht davon ausgehen, die T. GmbH habe sie genehmigt und müsse sie in voller Höhe bezahlen. Selbst wenn der Beklagten insoweit kein vertraglicher Anspruch zugestanden würde, könnte sie jedenfalls einen entsprechenden Bereicherungsanspruch geltend machen.
46
e) Belastungsbuchungen für die Widerklageforderungen aus den Rechnungen Nr. 51 80 68 vom 28. November 1995 über 3.143,09 DM und Nr. 60 53 03 vom 22. April 1996 über 5.173,09 DM
47
Diese Rechnungen hat das Berufungsgericht bereits bei der Prüfung der acht Zahlungsansprüche der Beklagten aus dem Schlussurteil behandelt (BU 14, sub 2. a)), denen es sodann die Belastungsbuchungen der T. GmbH gegenübergestellt hat (BU 19, sub 2. b)). Unabhängig davon, dass sich die eine dieser Widerklageforderungen der Beklagten als begründet, die andere hingegen als unbegründet erweist, konnten dieselben Positionen von der T. GmbH im Rechtsstreit jedenfalls nicht noch einmal als Belastungsbuchung geltend gemacht werden. Denn die Forderung, die sich schon bei der Prüfung der Zahlungsansprüche der Beklagten als unbegründet erwiesen hat, würde dadurch doppelt abgezogen. Die begründete Forderung der Beklagten hingegen wäre durch gleichzeitige Einstellung in Soll und Haben der Schlussabrechnung neutralisiert und im Ergebnis, obwohl geschuldet, nicht zu bezahlen.
48
IV. Das Berufungsgericht wird somit über die Klage und über die Begründetheit der Widerklageforderungen in Höhe von 12.277,82 DM (Summe der Rechnung Nr. 60 53 03 der Beklagten sowie der Belastungsbuchungen (1), (3) bis (18) und (20) bis (23)) erneut zu entscheiden haben.
Scharen Ambrosius Meier-Beck
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.11.1997 - 8 O 135/97 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 11.12.2002 - 6 U 128/02 -

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 573/15 Verkündet am: 25. April 2017 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 23. Okt. 2014 - 7 U 54/14

bei uns veröffentlicht am 23.10.2014

Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 22 O 308/13 - vom 14. Februar 2014 abgeändert und die Beklagte unter Abweisung

Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 04. Apr. 2014 - 1 U 123/13

bei uns veröffentlicht am 04.04.2014

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 28, vom 10. Juni 2013 (Geschäfts-Nr. 328 O 55/12) wird durch einstimmigen Beschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Der Kläger hat die K

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 242/99 Verkündet am:
9. Juli 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und die Richterin Mühlens

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Juli 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Werklieferungsvertrag auf Ersatz von Aufwendungen in Anspruch, die ihr durch Nachbesserungsarbeiten im
Wege der Ersatzvornahme entstanden sind. Die Beklagte macht widerklagend vertragliche Zahlungsansprüche geltend.
Die Klägerin benötigte für eine Außenfassade eines Bankhauses Glasscheiben. Mit Schreiben vom 3. Juli 1995 beauftragte sie die Beklagte mit der Herstellung und Lieferung von 110 geraden und 61 gebogenen Glasscheiben, wobei Einscheibensicherheitsglas mit pyrolitischer Beschichtung Verwendung finden sollte. Die Parteien trafen hinsichtlich der Toleranzen der gebogenen Glaselemente keine näheren Absprachen. Die Beklagte beauftragte ein Drittunternehmen mit der Herstellung der gebogenen Glasscheiben. Dieses teilte am 4. August 1995 mit, daß beim Biegen der Glasscheiben an den geraden Außenkanten Geradheitsabweichungen von bis zu 5,5 mm aufträten. In mehreren Schreiben wies die Klägerin die Beklagte unter anderem darauf hin, daß eine Toleranz von 5,5 mm auf der geraden Seite der Glasscheiben für sie nicht akzeptabel sei. Mit Schreiben vom 15. August 1995 erklärte die Beklagte, Geradheitsabweichungen von 5,5 mm lägen im Bereich der üblichen Toleranzen; eine größere Genauigkeit sei nicht zu erreichen. Weiter kündigte sie unter dem 29. August 1995 an, die Glaselemente nach den anerkannten Regeln der Technik mit den marktüblichen Toleranzen zu produzieren. Die Klägerin widersprach dem mit Schreiben vom 31. August 1995 und forderte erneut die Einhaltung von Dickentoleranzen von +/- 0,5 mm. Zugleich wies sie darauf hin, daß der Einbau von Fassadenelementen mit Dickentoleranzen von 5,5 mm schwierig sei, und behielt sich insoweit Gewährleistungsansprüche ausdrücklich vor. Mit Schreiben vom 7. September 1995 teilte die Klägerin mit, eine Verwendung der gebogenen Glaselemente sei aus den im Schreiben vom 25. August 1995 verdeutlichten Gründen nicht möglich; sie bestand auf einer Neulieferung der Scheiben in der mit Schreiben vom 31. August 1995 näher beschriebenen Qualität. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom
12. September 1995, ein Mangel liege nicht vor. Mit Schreiben vom 22. September 1995 rügte die Klägerin weitere Mängel (Eindruckstellen, Vorspannung ). Im März 1996 beauftragte die Klägerin ein anderes Unternehmen mit der Herstellung der gebogenen Glaselemente.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung der Ersatzvornahmekosten in Höhe von 145.555,41 DM. Die Beklagte hat widerklagend Forderungen aus verschiedenen Glaslieferungen an die Klägerin in Höhe von zuletzt 37.647,65 DM nebst Zinsen geltend gemacht.
Das Landgericht hat mit Teilurteil vom 13. November 1997 die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 12.729,63 DM nebst Zinsen zu zahlen. In Höhe eines Teilbetrages von 566,47 DM hat es die Widerklage abgewiesen. Durch Schluûurteil vom 30. April 1998 hat das Landgericht die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, einen weiteren Betrag von 24.336,49 DM nebst Zinsen zu zahlen; die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen.
Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Schluûurteil abgeändert und die Klägerin zur Zahlung von 23.671,80 DM verurteilt. Das weitergehende Rechtsmittel der Klägerin gegen das Schluûurteil und ihre Berufung gegen das Teilurteil hat es zurückgewiesen.
Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, Verurteilung der Beklagten und Abweisung der Widerklage. Die Beklagte beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg; sie führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, zwischen den Parteien sei ein Werklieferungsvertrag zustande gekommen. Es liege zwar ein offener Einigungsmangel der Vertragsparteien vor. Dieser habe sich aber auf das Zustandekommen des Vertrages nicht ausgewirkt; denn die Parteien hätten sich trotz der noch offenen Punkte erkennbar vertraglich binden wollen. Dies greift die Revision nicht an. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
2. a) Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Nachbesserungskosten aus § 633 Abs. 3 BGB a.F. verneint. Unter Hinweis auf das erhobene Sachverständigengutachten ist es zu dem Ergebnis gelangt, die von der Beklagten gelieferten Scheiben seien allerdings mangelhaft. Dazu hat es ausgeführt, ohne vertragliche Vereinbarung der Parteien komme es entscheidend darauf an, mit welcher Toleranz die Glaslieferung der Beklagten noch innerhalb des vertraglich Geschuldeten liege. Das richte sich nach dem Stand der Technik zur Zeit des Vertragsschlusses. Die von der Beklagten bewirkte Vertragsleistung weiche von den allgemein üblichen Toleranzwerten ab. Die generelle vertikale Verwerfung liege im Kantenbereich geringfügig über dem Toleranzwert, die horizontalen Verwerfungen bzw. Formabweichungen lägen hingegen deutlich über dem akzeptablen Bereich. Ein Anspruch auf Beseitigung dieses Mangels und etwaiger sonstiger Fehler der gelieferten Glas-
scheiben scheitere aber daran, daû die Klägerin die Beklagte nicht wirksam in Verzug gesetzt habe. Die Mahnung der Klägerin sei wegen erheblicher Zuvielforderung unwirksam gewesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen entsprächen Abweichungen von der geplanten Soll-Biegeform von etwa +/- 2-3 mm bezüglich der Länge und etwa +/- 2,4 bis 4,9 mm bezüglich der Geradheitstoleranzen der üblichen Herstellernorm. Die Klägerin habe nicht Neuherstellung der Elemente und ein Toleranzmaû von maximal +/- 0,5 mm fordern dürfen; dieses Maû habe auûerhalb des techn ischen Standards gelegen.

b) Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung des Vertrages rechtliche Kriterien für die Bestimmung der geschuldeten Leistung auûer acht gelassen und einen unzutreffenden Maûstab zugrunde gelegt.
aa) Die Leistung des Auftragnehmers ist nur vertragsgerecht, wenn sie die Beschaffenheit aufweist, die für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch erforderlich ist. Im Rahmen der getroffenen Vereinbarung schuldet der Auftragnehmer ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk (BGH, Urt. v. 16.7.1998 - VII ZR 350/96, NJW 1998, 3707, 3708 m.w.N.). Haben die Parteien die Beschaffenheit des Werks nicht ausdrücklich vereinbart, ist ein für den vertraglich vorausgesetzten, d.h. den vom Besteller beabsichtigten und dem Unternehmer bekannten Gebrauch, hilfsweise ein für den gewöhnlichen, d.h. den nach Art des Werkes üblichen Gebrauch funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk geschuldet (Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 633 Rdn. 2 a; vgl. auch BGHZ 139, 16, 18; BGH, Urt. v. 28.10.1999 - VII ZR 115/97, NJW-RR 2000, 309, 310). Der Unternehmer kann dabei eine vom Besteller geforderte vertragsgemäûe Beschaffenheit auch schlüssig akzeptieren (vgl. Soergel/Teichmann, BGB, 12. Aufl., vor § 633
Rdn. 21). Eine Werkleistung kann sonach auch dann fehlerhaft sein, wenn bei der Errichtung des Werkes die für diese Zeit allgemein anerkannten Regeln der Technik beachtet wurden (BGHZ 139, 16, 18). Diese können bei der Beurteilung der Mangelfreiheit eines Werkes allenfalls dann Bedeutung gewinnen, wenn nach dem konkret abgeschlossenen Vertrag ein bestimmter Gebrauch des Werkes nicht vorausgesetzt wurde (vgl. Soergel/Teichmann, aaO, vor § 633 Rdn. 24).
bb) Danach ist das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts auf der Grundlage seiner Feststellungen fehlerhaft.
Das Berufungsgericht durfte nicht schon deswegen, weil es eine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien zu den Toleranzen, die bei der Herstellung der gebogenen Glaselemente einzuhalten waren, nicht feststellen konnte, das vertraglich Geschuldete nach dem Stand der Technik bzw. dem allgemein Üblichen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmen. Der Vortrag der Klägerin, von dem in der Revisionsinstanz auszugehen ist, spricht dafür, daû nach dem von den Parteien geschlossenen Vertrag die Glaselemente so beschaffen sein muûten, daû sie problemlos in die Rahmen an der Fassade des Bankgebäudes eingefügt werden konnten, daû sie diese Beschaffenheit nicht besaûen und daher mangelhaft waren. Die Klägerin hat behauptet, die von der Beklagten gelieferten Fassadenelemente seien nicht ordnungsgemäû hergestellt und zum Einbau in das von der Klägerin betreute Bauvorhaben nicht geeignet gewesen. Sie hätten sich nicht in die Metallrahmen einsetzen lassen, weil die vertikalen Seitenkanten nicht gerade verlaufen seien, sondern eine Toleranz von 5 bis 6 mm aufgewiesen hätten. Der Beklagten sei der Einsatzbereich der Scheiben sowie die geplante Ausführung von Anfang an bekannt gewesen. Vor Ort und vor Auftragserteilung sei an dem
Bauvorhaben der S. Bank eine Musterfassade erstellt worden, in welche die Beklagte die erforderlichen Scheiben eingebaut habe. Der Beklagten seien vor Auftragserteilung sämtliche notwendigen Einzelheiten für die beabsichtigte Baumaûnahme bekannt gewesen. Das Berufungsgericht hat hierzu abweichende Feststellungen nicht getroffen.
Nach diesem damit zugrunde zu legenden Vorbringen war in dem Vertrag der Parteien zumindest stillschweigend vorausgesetzt, daû die Glasscheiben , insbesondere die Ausformung ihrer geraden Kanten, so beschaffen sein muûten, daû sie in die von der Klägerin herzustellende Rahmenkonstruktion, die der Beklagten genau bekannt war, eingefügt werden konnten. Da diese Beschaffenheit nach dem für die Revisionsinstanz maûgeblichen Vortrag der Klägerin nicht erreicht wurde, waren die gelieferten Scheiben ohne Rücksicht auf die zum Zeitpunkt des Vertragschlusses üblichen Toleranzen mangelhaft. Daû es technisch möglich war, die Glasscheiben so zu biegen, daû sie trotz (geringerer ) Verwerfungen in die Rahmenkonstruktion eingebaut werden konnten, hat die Klägerin dargelegt. Sie hat vorgetragen, die von dem Drittunternehmen ersatzweise gelieferten gebogenen Scheiben seien ordnungsgemäû und mangelfrei gewesen; sie hätten, anders als die von der Beklagten gelieferten Scheiben, einen gleichbleibenden Radius und gerade Kanten gehabt und keine Eindruckstellen oder Welligkeit aufgewiesen.
cc) Da somit die Auslegung der Vereinbarung der Parteien fehlerhaft ist, besitzt der Senat keine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob die Klägerin von der Beklagten Ersatz der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen verlangen kann oder ob - wie das Berufungsgericht meint - ein Verzug der Beklagten wegen Zuvielforderung der Klägerin aus-
scheidet. Bereits aus diesem Grunde kann das angefochtene Urteil insoweit keinen Bestand haben.

c) Die Revision rügt auch mit Erfolg, das Berufungsgericht habe verkannt , daû die Beklagte bereits vor Zugang der klägerischen Schreiben in Verzug geraten sei, weil sie ernsthaft und endgültig die Erfüllung des Vertrages verweigert habe, so daû auch ohne Mahnung Verzug eingetreten sei und es auf die Frage der Zuvielforderung nicht ankomme.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerät der Schuldner auch dann in Verzug, wenn er sich ernsthaft und endgültig weigert , seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen. Auf dieser Grundlage ist die Aufforderung, innerhalb bestimmter Fristen Mängel zu beseitigen, entbehrlich , wenn sie nur eine nutzlose Förmlichkeit wäre. Das gilt vor allem, wenn der Auftragnehmer seine Pflicht zur Gewährleistung schlechthin bestreitet oder wenn er die Beseitigung des Mangels in anderer Weise ernsthaft verweigert (BGH, Urt. v. 15.3.1990 - VII ZR 311/88, NJW-RR 1990, 786, 787; BGH, Urt. v. 10.4.1991 - VIII ZR 131/90, NJW 1991, 1882, 1883). Dabei spielt es keine Rolle, aus welchen Gründen die Mängelbeseitigung verweigert wird. Auch im nachhaltigen Bestreiten eines Mangels, selbst noch im Prozeû, kann eine Ablehnung des Nachbesserungsverlangens gesehen werden (Sen.Urt. v. 28.3.1995 - X ZR 71/93, NJW-RR 1995, 939, 940).
bb) Nach dem Vortrag der Klägerin, der mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren als zutreffend zu unterstellen ist, hat die Subunternehmerin der Beklagten mit Telefax vom 4. August 1995 mitgeteilt, daû an den geraden Auûenkanten der Scheiben Geradheitsabweichungen von bis zu 5,5 mm aufträten. Die Beklagte hat die Klägerin hier-
über mit Telefax vom 7. August 1995 informiert. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 25. August 1995 eine Toleranz von 5,5 mm in der Planität der geraden Seiten der gebogenen Scheiben abgelehnt und auf der für den Einsatzzweck benötigten Qualität der Scheiben bestanden. Mit Schreiben vom 29. August 1995 hat die Beklagte bezugnehmend auf das klägerische Schreiben vom 25. August 1995 erwidert, die Scheiben würden mit den marktüblichen Toleranzen produziert, sie werde ihrer Subunternehmerin die Freigabe für das Verbiegen der Scheiben erteilen und diese sodann ausliefern, ohne konkret auf die Beanstandung der Klägerin einzugehen. Im Kontext mit dem Schreiben vom 15. August 1995 könnte dieser Hinweis auf die üblichen Toleranzen dahin verstanden werden, die Beklagte halte auch weiterhin an ihrer Auffassung fest, daû die Scheiben trotz der Geradheitstoleranzen von 5,5 mm von ihr als vertragsgemäû angesehen würden und sie keinen Anlaû sehe, Maûnahmen zur Verbesserung der Qualität der Scheiben zu ergreifen. Damit könnte die Beklagte es im Sinne der oben dargelegten Grundsätze nachhaltig abgelehnt haben , eine Nachbesserung vorzunehmen. Mit dem Schreiben vom 12. September 1995 hat die Beklagte weiter eine Reklamation abgelehnt. Sie hat zum Ausdruck gebracht, daû sie nicht verpflichtet sei, Mängel zu beheben. Auch diese Erklärung könnte im Zusammenhang mit dem den früheren Schreiben als endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten aufzufassen sein, so daû die Beklagte auch ohne Mahnung in Verzug gekommen wäre.
Feststellungen hierzu, die eine abschlieûende Beurteilung der Frage zulieûen , ob das Bestreiten eines Mangels hinsichtlich der Toleranzen durch die Beklagte als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung aufzufassen ist, hat das Berufungsgericht nicht getroffen, so daû dem Senat eine abschlieûende Entscheidung verwehrt ist.
II. Die Revision der Klägerin erweist sich auch hinsichtlich der Widerklage als begründet.
1. Das Berufungsgericht hat die Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von 23.671,80 DM verurteilt. Dabei ist es davon ausgegangen, daû aufgrund der Parteiabrede sämtliche streitigen Forderungen und Gegenforderungen der Parteien abzurechnen waren. Diesen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts greift die Revision nicht an.
2. a) Das Berufungsgericht hat sodann die noch offenen Restbeträge aus acht Rechnungen der Beklagten geprüft und einen offenen Betrag von insgesamt 23.671,80 DM errechnet. Das Verteidigungsvorbringen der Klägerin gegen die Forderungen der Beklagten hat es als Aufrechnungsforderungen der Klägerin oder als Behauptung einer inkorrekten Rechnungsstellung gewertet und den Einwand der Klägerin mangels Darlegung und Nachweises als nicht begründet angesehen.
Dies beanstandet die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht hat die von ihm als Abrechnungsverhältnis bezeichnete Beziehung der Parteien nicht qualifiziert und offen gelassen, ob das Verteidigungsvorbringen der Klägerin als Aufrechnung mit Bereicherungsansprüchen wegen Überzahlungen oder als Bestreiten der von der Beklagten behaupteten Ansprüche aufzufassen ist.
Die Klägerin, von deren Vorbringen mangels Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, hat vorgetragen, die von ihr vorgelegte Aufstellung für den Zeitraum vom 27. Januar 1993 bis zum 18. Juli 1996 umfasse sämtliche Forderungen und Rechnungen der Beklagten an sie und deren buchhalterische Erfassung und Tilgung. Hieraus ergebe sich ein Saldo zu ihren
Gunsten in Höhe von 1.526,29 DM. Das Berufungsgericht hätte deshalb im einzelnen prüfen müssen, wie das Vorbringen der Klägerin gegenüber den acht noch offenen Rechnungen, die Gegenstand der Widerklage bilden, und ihre Vorgehensweise bei ihrer Abrechnung zu beurteilen ist, ob und in welcher Höhe die Klägerin die einzelnen von der Beklagten behaupteten Forderungen dem Grunde und der Höhe nach bestreitet und wer auf dieser Grundlage die Darlegungs- und Beweislast der streitigen Forderungen und Abzüge trägt. Da das Berufungsgericht dies nicht getan hat, führt dies hinsichtlich der Widerklage zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
III. Daher ist das angefochtene Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Insoweit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Revision zu befinden hat. Das Berufungsgericht wird bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung gegebenenfalls nach weiterem Vortrag der Parteien zu prüfen haben, ob das Bestreiten eines Mangels durch die Beklagte als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung aufzufassen sein könnte. Sollte dies der Fall sein, wäre die Beklagte auch ohne Mahnung in Verzug gekommen , so daû die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der Nachbesserungskosten hätte. Hinsichtlich der Widerklage wird das Berufungsgericht zunächst das Abrechnungsverhältnis der Parteien zu klären haben. Sollte sich erweisen, daû die Parteien eine Gesamtabrechnung der jeweils eingegangenen Zahlungen unter Berücksichtigung der Gutschriften und Belastungen vereinbart haben , wird das Berufungsgericht sodann unter Beachtung der Darlegungs- und Beweislast erneut zur Widerklage zu entscheiden haben.
Melullis Jestaedt Scharen

Keukenschrijver Mühlens

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 167/00
vom
31. März 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine gerichtliche Entscheidung, die während eines Verfahrensstillstandes nach § 249
ZPO ergeht, ist nicht nichtig, sondern lediglich mit dem allgemein zulässigen
Rechtsmittel anfechtbar.
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann auch dann, wenn sie während der
Unterbrechung des Verfahrens durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen einer Partei ergangen ist, nicht angefochten werden.
BGH, Beschluß vom 31. März 2004 - XII ZR 167/00 - KG
LG Berlin
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. März 2004 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Fuchs, Dr. Ahlt, die Richterin
Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Wirkungslosigkeit des Senatsbeschlusses vom 3. März 2004 festzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.

Der Senat hat die Revision der Beklagten mit Beschluss vom 3. März 2004 nicht zur Entscheidung angenommen. Dieser Beschluss ist den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 4. März 2004 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 3. März 2004, eingegangen am 4. März 2004, trägt die Beklagte erstmals vor, über ihr Vermögen sei bereits am 1. August 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Sie beantragt, die Unterbrechung des Verfahrens und die Wirkungslosigkeit des Senatsbeschlusses vom 3. März 2004 festzustellen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg, weil das Verfahren mit Wirksamkeit des Senatsbeschlusses vom 3. März 2004 rechtskräftig abgeschlossen ist. Eine gerichtliche Entscheidung, die während eines Verfahrensstillstandes nach § 249 ZPO ergeht, ist nicht nichtig, sondern lediglich mit dem allgemein zulässigen Rechtsmittel anfechtbar (st. Rspr.; vgl. BGH Beschluss vom 11. Juli 2002 - VII ZR 63/00 - unveröffentlicht; Urteil vom 21. Juni 1995 - VIII ZR 224/94 - NJW 1995, 2563; BGHZ 66, 59, 61 f.; BGHZ 2, 278, 279 f.; Zöller /Greger ZPO 24. Aufl. § 240 Rdn. 3). Da ein Rechtsmittel gegen den Beschluß vom 3. März 2004 nicht statthaft ist, ist über die Revision der Beklagten rechtskräftig entschieden (vgl. BGH Beschluß vom 11. Juli 2002 aaO). Für eine Aufhebung des Beschlusses und eine Unterbrechung des Verfahrens ist danach kein Raum.
Hahne Fuchs Ahlt Vézina Dose

(1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

(2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,

1.
wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst
2.
für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.
Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Unternehmer ein anderes als das bestellte Werk oder das Werk in zu geringer Menge herstellt.

(3) Das Werk ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend machen können.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
VII ZR 17/99 Verkündet am:
21. Dezember 2000
Seelinger-Schardt
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Die Gewährleistungsvorschriften des Werkvertragsrechts stellen eine Sonderregelung
dar, die grundsätzlich die Anwendbarkeit des § 306 BGB ausschließen. Daher
haftet der Unternehmer, der ein Bauvorhaben nach von ihm gefertigten Plänen zu
errichten verspricht, nach den §§ 633 ff BGB, wenn feststeht, daß die Baugenehmigung
aus Rechtsgründen nicht erteilt werden kann.
Legen die Parteien dem Bau- und Architektenvertrag eine vom Unternehmer
gefertigte, aber noch nicht genehmigte Planung zugrunde, so führt
ein Wegfall der ursprünglich geplanten französischen Balkone und die
Verringerung der Wohnraumhöhe von 2,5 m auf das Mindestmaß von
2,4 m in allen Stockwerken zu Mängeln des ursprünglich geplanten Bauwerkes
, sofern sich aus dem Vertrag kein Recht zur entsprechenden Um-
planung ergibt (im Anschluß an BGH, Urteil vom 24. November 1988
- VII ZR 222/87 = BauR 1989, 219, 221 = ZfBR 1989, 58).
BGH, Urteil vom 21. Dezember 2000 - VII ZR 17/99 -OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Dr. Kniffka und Wendt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Dezember 1998 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin fordert Rückzahlung einer Rate, die Beklagte widerklagend Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Parteien schlossen am 14. Dezember 1994 einen Bauvertrag, in dem sich die Beklagte verpflichtete, einen Neubau mit zwölf Eigentumswohnungen zum Preis von 2.866.704 DM nach einem von ihr gefertigten Planungsentwurf auf den der Klägerin gehörenden Baugrundstücken zu errichten. Nachdem die Beklagte zwei Tage später den Antrag auf Baugenehmigung fertiggestellt hatte, forderte sie die erste der vereinbarten Raten, auf die die Klägerin
250.000 DM zahlte. Streitig ist, ob die Beklagte die Klägerin darüber aufgeklärt hatte, daß für das westlich gelegene Nachbargrundstück, das dem Ende Oktober 1994 verstorbenen Ehemann der Klägerin gehört hatte, eine Vereinigungsbaulast und für das östlich gelegene Grundstück des Nachbarn L. eine Abstandsbaulast zu bewilligen war. Die Klägerin ist nach dem Testament ihres verstorbenen Ehemanns befreite Vorerbin. Nachdem die Bauaufsichtsbehörde die Klägerin im Januar und März 1995 zur Vorlage zahlreicher fehlender Unterlagen zum Bauantrag aufgefordert hatte, setzte die nunmehr anwaltlich beratene Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 3. April 1995 Frist, sämtliche noch fehlende Unterlagen einschließlich der Erklärung über die Vereinigungsbaulast einzureichen. Mit Schreiben vom 19. April 1995 focht sie den Bauvertrag wegen arglistiger Täuschung unter anderem mit der Begründung an, die Beklagte hätte sie auf die Notwendigkeit von Baulasterklärungen nicht hingewiesen. Die Klägerin hat Rückzahlung von 250.000 DM gefordert und sich hilfsweise auf Wandelung berufen. Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und ihr Begehren auf eine Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund gestützt. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 550.000 DM geltend gemacht und widerklagend 300.000 DM gefordert. Das Berufungsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klageabweisung bestätigt und der Widerklage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

1. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe folgenden Vortrag der Klägerin übergangen: Die Klägerin habe den Bauvertrag in ihrem Schreiben vom 19. April 1995 zugleich nach dem Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (HWiG) widerrufen. Dies gehe aus ihrem Schreiben hervor , in dem sie u.a. auf die fehlende Belehrung über ihr Widerrufsrecht hingewiesen habe. Die Voraussetzungen eines Haustürgeschäftes hätten vorgelegen. Dies habe die Klägerin in beiden Rechtszügen im einzelnen dargelegt. 2. Die Verfahrensrüge der Revision hat Erfolg. Trifft das Vorbringen der Klägerin zu, dann haben die Parteien am 14. Dezember 1994 einen Vertrag geschlossen, auf den das HWiG uneingeschränkt anwendbar ist (a). Dieser Vertrag ist durch den Widerruf der Klägerin nicht wirksam geworden, so daß die Klage Erfolg hat und die Widerklage unbegründet ist (b).
a) Die Erklärung der Klägerin war auf den Abschluß eines Vertrages über eine entgeltliche Leistung gerichtet (§ 1 Abs. 1 HWiG). Der Vertrag vom 14. Dezember 1994, der nach zwei mündlichen Verhandlungen in der Privat-
wohnung der Klägerin geschlossen wurde, enthält keine Belehrung über ein Recht der Klägerin zum Widerruf. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG besteht das Widerrufsrecht dann nicht, wenn die mündlichen Verhandlungen, auf denen der Abschluß des Vertrags beruht, auf vorhergehende Bestellung des Verbrauchers geführt worden sind. Dafür ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin kein Anhalt. Sie will vielmehr nach der ersten, nicht von ihr veranlaßten Verhandlung versucht haben, die weitere Planung der Beklagten zu stornieren. Bei der zweiten Verhandlung habe der Geschäftsführer der Beklagten neben umfangreichen Planungsunterlagen bereits vorbereitete Bauverträge und -beschreibungen mitgebracht. Sie habe den Vertrag im Hinblick auf die Erklärung des Geschäftsführers, der Bauantrag müsse noch im Dezember 1994 gestellt werden, unterschrieben. Eine vorhergehende Bestellung liegt auch nicht etwa deshalb vor, weil die Klägerin als erste Kontakt zu der Beklagten aufgenommen hatte. Denn die Klägerin wollte von sich aus zunächst nur eine Eigentumswohnung erwerben; damit steht der später geschlossene Bauvertrag in keinem Zusammenhang (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1998 - VII ZR 424/97, BauR 1999, 257 = ZfBR 1999, 152). Ein Widerrufsrecht der Klägerin ist nicht nach § 6 Nr. 1 HWiG ausgeschlossen. Es ist nicht ersichtlich, daß der von der Klägerin beabsichtigte Verkauf der Eigentumswohnungen als Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist.
b) Die Klägerin hat ihre auf den Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung mit ihrem Schreiben vom 19. April 1995 wirksam widerrufen. Das Wort "Widerruf" mußte dabei nicht ausdrücklich gebraucht werden. Denn es
genügt, wenn deutlich zum Ausdruck gebracht wird, daß der Widerrufende den Vertragsschluß nicht mehr gegen sich gelten lassen will (BGH, Urteil vom 25. April 1996 - X ZR 139/94, NJW 1996, 1965). Das ist der Fall. Die Klägerin hat in ihrem Schreiben die Anfechtung des Vertrages erklärt, auf weitere Bedenken gegen den Vertragsschluß wegen fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht nach dem HWiG hingewiesen und die Beklagte aufgefordert, den erhaltenen Geldbetrag zurückzuzahlen. Danach kann die Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 HWiG ihre Leistung von der Beklagten zurückverlangen. Ein Anspruch der Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, den sie mit ihrer Widerklage geltend macht, besteht dann nicht.

II.

1. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe den Vertrag vom 14. Dezember 1994 nicht aus wichtigem Grund kündigen können. Die Klägerin habe die Beklagte mit sämtlichen zu einem Bauwerk gehörenden Leistungen einschließlich der Architektenleistungen beauftragt. Da sie ihre außerordentliche Kündigung auf Mängel der Architektenleistungen stütze, könne sie aus wichtigem Grund nur kündigen, wenn die Beklagte grob fahrlässig gearbeitet habe oder ihre Planungsleistungen unbrauchbar oder wertlos seien. Das sei nicht der Fall. Die mangelnde Genehmigungsfähigkeit habe die Beklagte nicht zu vertreten. Unstreitig könne die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die Baugrundstücke der Klägerin und das westlich angrenzende, ihr ebenfalls gehörende Grundstück im Wege einer Vereinigungsbaulast zu einem Grundstück gemacht würden. Die Weigerung der Klägerin, eine Baulasterklärung abzuge-
ben, sei treuwidrig. Anderes könnte gelten, wenn die Beklagte sie auf das Erfordernis einer Vereinigungsbaulast nicht hingewiesen haben sollte. In diesem Fall habe die Klägerin jedoch mit Schreiben vom 3. April 1995 die Planung der Beklagten gebilligt, so daß sie sich hierauf nicht mehr berufen könne. Eine Baulasterklärung des Grundstücksnachbarn L. sei nicht erforderlich. Die Zufahrt zur geplanten Tiefgarage lasse sich mit Hilfe einer Spundwand herstellen; dem müsse L. nicht zustimmen. 2. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt kann die Klägerin als Schadensersatz die Rückzahlung ihrer ersten Rate verlangen (§ 635 BGB). Das Berufungsgericht stellt fest, der Vertrag der Parteien umfasse sowohl Architekten- als auch Bauleistungen mit der Maßgabe, daß dem Vertrag die noch nicht genehmigte Planung der Beklagten zugrunde gelegt wurde. Die von der Klägerin gerügten Gründe, die Planung des Bauvorhabens sei mangels erteilter Vereinigungsbaulast nicht genehmigungsfähig (nachfolgend a) und bedürfe der Zustimmung des Nachbarn L. (nachfolgend b), sind gegeben. Sie führen dazu, daß das geplante Bauvorhaben nach den derzeitigen Feststellungen aus von der Beklagten zu vertretenden Gründen nicht durchführbar ist.
a) Die Beklagte schuldete eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts konnte eine Baugenehmigung für das von der Beklagten geplante Bauvorhaben nur erteilt werden, wenn die vorgesehenen Baugrundstücke und das westlich angrenzende, ebenfalls der Klägerin gehörende Grundstück im Wege einer von ihr zu übernehmenden Vereinigungsbaulast gemäß § 4 Abs. 1 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) zu einem Baugrundstück gemacht wurden. Das Risiko, daß die Pla-
nung nur dann genehmigungsfähig war, wenn die Klägerin eine Vereinigungsbaulast übernahm, trug die Beklagte, sofern die Klägerin sich nicht vertraglich zur Übernahme verpflichtet hatte oder rechtzeitig vor Vertragsschluß über die Notwendigkeit einer Vereinigungsbaulast aufgeklärt worden und mit der Übernahme einverstanden war. Die Klägerin hat sich im Vertrag nicht verpflichtet, eine Vereinigungsbaulast zu übernehmen. Sie war auch nicht ohne weiteres gehalten, für ein benachbartes Grundstück eine Baulast zu übernehmen, die als öffentlich -rechtliche, im Baulastverzeichnis einzutragende Verpflichtung die Bebaubarkeit des belasteten Grundstückes nachhaltig einschränkt. Eine rechtzeitige Aufklärung der Klägerin über die Notwendigkeit, eine Vereinigungsbaulast zu bewilligen, stellt das Berufungsgericht nicht fest. Es unterstellt vielmehr, die Beklagte habe die Klägerin bei Vertragsschluß hierüber nicht aufgeklärt. In diesem Fall, von dem in der Revision auszugehen ist, hat die Klägerin die Planung, zu der die Übernahme der Vereinigungsbaulast gehörte, in ihrem Schreiben vom 3. April 1995 auch nicht gebilligt. Das gegenteilige Verständnis des Berufungsgerichts trifft nicht zu. Aus der Sicht der Beklagten als Erklärungsempfängerin enthielt das Schreiben keine rechtsgeschäftliche Erklärung, die als Billigung verstanden werden konnte. Die Klägerin gab der Beklagten lediglich auf, innerhalb bestimmter Frist zahlreiche als fehlend gerügte Unterlagen beizubringen, darunter auch die "von der Beklagten" abzugebende Erklärung der Vereinigungsbaulast. Dies verdeutlicht, daß die Klägerin keine Vorstellung hatte, in diesem Punkt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben, die als Billigung der bisherigen Planung mit dem Erfordernis einer Vereinigungsbaulast verstanden werden konnte. Denn eine Vereinigungsbaulast kann nur vom Grundstückseigentümer übernommen werden.
Die Planung der Beklagten war danach mangelhaft. Da sie mangels Zustimmung der Klägerin zur Vereinigungsbaulast nicht genehmigungsfähig ist, ist der Beklagten die Beseitigung des Mangels unmöglich. Es kommt daher nach den bisherigen Feststellungen nicht auf die weitere Frage an, ob die Tochter als Nacherbin der Klägerin der Übernahme dieser Baulast zustimmen mußte.
b) aa) Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Abstandsbaulast, die nach der ursprünglichen Planung der Grundstücksnachbar L. zu bewilligen hatte. Soweit die Revision allerdings rügt, auch eine geänderte Planung der Beklagten setze eine Abstandsbaulast des Nachbarn L. voraus, hat sie keinen Erfolg. Der Senat hält die Verfahrensrügen zu der Feststellung des Berufungsgerichts, die Tiefgaragenzufahrt könne so umgeplant werden, daß sie ohne eine Abstandsbaulast des L. genehmigungsfähig ist, nicht für durchgreifend; er sieht von einer Begründung ab (§ 565 a ZPO). bb) Die Revision rügt zu Recht, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin übergangen, es fehle ein aus privatrechtlichen Gründen erforderliches Einverständnis des Grundstücksnachbarn L. zu dem geplanten Bauvorhaben. Die Klägerin hat behauptet, dem Grundstück des Nachbarn L. werde durch die Errichtung einer bis zu 2,12 m unter Geländeoberfläche reichenden Stützmauer an der gemeinsamen Grundstücksgrenze die erforderliche Stütze entzogen. In welchem Umfang eine Stütze im Einzelfall notwendig ist, richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen, darunter auch der vorhandenen oder der zu erwartenden Benutzung des Nachbargrundstückes (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1974 - V ZR 47/70, BGHZ 63, 176, 179). Feststellungen hierzu fehlen. Der Sachverständige A. hat weder in seinem schriftlichen Gutachten
noch bei seiner mündlichen Anhörung hierzu Stellung genommen. Solange die geplante Vertiefung noch nicht vorgenommen worden ist, kann dem Nachbarn L. nach § 909 BGB ein Anspruch auf Unterlassung gegenüber der Klägerin als Grundstückseigentümerin zustehen. An einer Zustimmung des Nachbarn L. zum Bauvorhaben der Klägerin fehlt es.

III.

Auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. 1. Das Berufungsgericht meint, die ursprünglich von der Beklagten gefertigte Planung des Bauvorhabens sei nach den Ausführungen des Sachverständigen A. mit geringfügigen Ä nderungen, aber ohne eine grundlegende Umplanung genehmigungsfähig. Die Planung enthalte nur kleinere und unbedeutende Mängel, weise jedoch keine gravierenden Verstöße gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften auf. Es sei neben der erforderlichen Vereinigungsbaulast lediglich eine Reduzierung der lichten Höhe der Wohnungen in den drei Stockwerken um jeweils 10 cm sowie die Umwandlung der französischen Balkone zu Dachgauben erforderlich. Alsdann werde der zu den anderen Nachbargrundstücken erforderliche Grenzabstand eingehalten. Zu dieser Umplanung hätte die Klägerin der Beklagten Gelegenheit geben müssen. 2. Der Klägerin kann auch in dem Fall, daß die Beklagte für das Fehlen der Vereinigungsbaulast nicht einzustehen haben sollte, ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 635 BGB zustehen, der sie zur Rückforderung der gezahlten Rate berechtigt.

a) Die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den Planungsleistungen der Beklagten berücksichtigen nicht in erforderlichem Maße deren Verpflichtungen. Nach seinen bisherigen, allerdings ohne ergänzende Auslegung getroffenen Feststellungen hatte die Klägerin die Beklagte mit Architektenleistungen und sämtlichen zur Errichtung eines Bauwerks gehörenden Leistungen beauftragt. Nach Abschnitt "zu § 1 Leistung" des Vertrages ergab sich Art und Umfang der zu erbringenden Leistung u.a. aus der zur Anlage dieses Vertrages genommenen Entwurfskizze. Bei Vertragsschluß lag unstreitig eine Detailplanung vor, die die Beklagte bereits zwei Tage später als Bestandteil ihres Antrages auf Baugenehmigung einreichte. Danach war das vereinbarte Vertragssoll darauf gerichtet, das Bauvorhaben nach den bei Vertragsschluß vorliegenden Plänen zu errichten. Diese Pläne waren jedoch aus mehreren Gründen nicht genehmigungsfähig. Dies beruht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts neben der fehlenden Vereinigungsbaulast u.a. auch auf fehlenden Grenzabständen zu den der Klägerin nicht gehörenden Nachbargrundstücken.
b) Ausgehend von diesem Vertragsinhalt konnte die Beklagte ihre Pflichten nicht erfüllen, da eine Baugenehmigung für die ursprüngliche Planung zu Recht nicht erteilt worden wäre und die Klägerin die vorgeschlagene Umplanung nicht akzeptieren mußte. Ein solcher Vertrag ist auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Dann hat die Beklagte Schadensersatz nach § 635 BGB zu leisten. aa) Die aus Rechtsgründen gegebene Unmöglichkeit eines Unternehmers , die versprochene Planung umzusetzen, führt nicht zur Nichtigkeit des Vertrages nach § 306 BGB. Grundsätzlich stellen die Gewährleistungsvorschriften des Werkvertragsrechtes eine Sonderregelung dar, die die Anwend-
barkeit der §§ 306, 307 BGB ausschließen. Wer es übernimmt, ein Bauwerk nach von ihm gefertigten Plänen zu errichten, haftet nach den §§ 633 ff BGB, wenn feststeht, daß die Baugenehmigung aus Rechtsgründen nicht erteilt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1970 - VII ZR 70/68, BGHZ 54, 236, 237 f). Ansprüche gemäß den §§ 634, 635 BGB stehen dem Besteller dann nicht zu, wenn eine Nachbesserung möglich ist oder sich aus dem Vertrag etwas anderes ergibt. Eine Nachbesserung ist dann unmöglich, wenn der Mangel durch die technisch und rechtlich möglichen Maßnahmen nicht behoben werden kann oder wenn die zur Beseitigung der Mangelfolgen geeignete Maßnahme die Grundsubstanz oder die Konzeption des Werkes nicht unwesentlich verändert (BGH, Urteil vom 24. November 1988 - VII ZR 222/87, BauR 1989, 219, 221 = ZfBR 1989, 58). Ein Besteller ist vorbehaltlich einer vertraglichen Vereinbarung nicht verpflichtet, sein Bauvorhaben entsprechend der allein genehmigungsfähigen Planung anzupassen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 1998 - VII ZR 236/96, BauR 1998, 579 = ZfBR 1998, 186). Dies gilt auch, wenn die Parteien einen Bauvertrag geschlossen haben, dem eine vom Unternehmer gefertigte, aber nicht genehmigungsfähige Planung zugrunde liegt (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1988 - VII ZR 222/87, aaO). bb) Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts scheidet eine Nachbesserung der nicht genehmigungsfähigen Pläne gemäß § 633 Abs. 1 BGB aus; die Klägerin mußte der Beklagten daher auch keine Frist setzen (§ 634 Abs. 2 BGB). Der Wegfall der ursprünglich geplanten französischen Balkone und die Verringerung der Wohnraumhöhe von 2,5 m auf das Mindestmaß von 2,4 m in allen Stockwerken würden zu Mängeln des ursprünglich ge-
planten und geschuldeten Bauwerkes führen. Eine derartige Umplanung weicht von dem vereinbarten Vertragssoll in nicht zumutbarer Weise ab. Sie würde die Konzeption des Werkes nicht unwesentlich verändern. cc) Das Berufungsgericht stellt nicht fest, ob die Parteien etwas für den Fall vereinbart haben, daß die Beklagte ihre Pflicht, eine genehmigungsfähige Planung zu erstellen, nicht erfüllen kann, weil sie andernfalls gegen ihre bauvertraglichen Pflichten verstoßen würde. Der Vertrag vom 14. Dezember 1994 enthält dazu keine Regelung. Das Berufungsgericht wird daher im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung festzustellen haben, was die Parteien für diesen Fall gewollt oder vereinbart hätten, wenn sie diesen Sachverhalt bedacht hätten.

IV.

Das angefochtene Urteil kann danach nicht bestehenbleiben; es ist aufzuheben. Das Berufungsgericht wird zunächst Feststellungen dazu treffen müssen, ob die Klägerin den Vertrag wirksam nach dem HWiG widerrufen hat und, sofern das nicht zutrifft, ob sie über die Notwendigkeit einer Vereinigungsbaulast aufgeklärt worden ist. Ist die Klägerin rechtzeitig aufgeklärt worden und reichte ihr Einverständnis als Vorerbin, so wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob ein Gewährleistungsanspruch aus § 635 BGB wegen der anderen Mängel der ursprünglichen Planung gegeben ist. Hält das Berufungsgericht die Klage weiterhin für unbegründet und die Widerklage dem Grunde nach für gerechtfertigt, so wird es jedenfalls die Höhe des Minderwertes für die geringere
Raumhöhe entsprechend der hierzu ausgeführten Revisionsrüge weiter aufzuklären haben. Die "grobe Schätzung", die der Sachverständige A. bei seiner mündlichen Anhörung aus dem Stegreif vorgenommen hat, läßt keine nachvollziehbare Grundlage erkennen. Ullmann Hausmann Kuffer Kniffka Wendt

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 252/98 Verkündet am:
28. Januar 2000
R i e g e l ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Januar 2000 durch die Richter Dr. Vogt, Dr. Lambert-Lang, Tropf,
Schneider und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 25. Februar 1998 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 27. Juni 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Durch notariellen Vertrag vom 23. November 1989 übertrug der Kläger der Beklagten, seiner Tochter, "im Wege vorweggenommener Erbfolge" das Erbbaurecht an einem Grundstück in W. , N. Weg , bebaut mit einem Wohnhaus, in dem der Kläger mit seiner Ehefrau und die Beklagte mit ihrer Familie wohnte. Dem Kläger und seiner Ehefrau wurde ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an zwei Zimmern, Küche und Bad des Hauses ein-
geräumt. Ergänzend verpflichtete sich die Beklagte zu notarieller Urkunde vom 5. Februar 1990, den Kläger und seine Ehefrau bei Bedarf in gesunden und kranken Tagen "zu pflegen und zu betreuen bzw. kostenlos pflegen und betreuen zu lassen". Sie wurde als Erbbauberechtigte in das Grundbuch eingetragen. Im Mai 1995 zog sie nach Scheitern ihrer Ehe aus dem Haus aus. Die Mutter der Beklagten litt zu dieser Zeit bereits an Blutzucker, Herzinsuffizienz und Bluthochdruck; der Kläger erlitt im Juni 1995 einen Schlaganfall. Pflegeleistungen wurden von der Beklagten trotz Aufforderung nicht mehr erbracht. Die im Haushalt anfallenden Arbeiten und die Versorgung des Klägers und seiner Ehefrau wurden, soweit nötig, von den Brüdern der Beklagten und deren Ehefrauen geleistet.
In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien über Inhalt und Umfang der von der Beklagten übernommenen Pflegeverpflichtung. Mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 8. Juni, 30. Juni und 25. Juli 1995 forderte der Kläger die Beklagte auf, Pflegeleistungen zu erbringen und setzte ihr dafür eine Frist bis zum 4. August 1995, für deren fruchtlosen Ablauf er ankündigte , zukünftig Pflegeleistungen abzulehnen. Nachdem die Beklagte der Aufforderung nicht nachkam, erklärte er mit Schreiben vom 17. August 1995 den Rücktritt vom Vertrag. Am 28. Juni 1996 belastete die Beklagte das Erbbaurecht mit einer Grundschuld über 130.000 DM.
Der Klage auf Rückauflassung des Erbbaurechts hat das Landgericht stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat unter anderem ausgeführt: Ein Rücktrittsrecht des Klägers sei nach § 9 Nds. AGBGB i.V.m. mit Art. 96 EGBGB ausgeschlossen , da ein Altenteilsvertrag vorliege. Auch wenn man dieser Auffassung nicht folge, scheide ein Rücktritt des Klägers nach § 326 BGB aus. Zwar sei die Beklagte mit tatsächlich erforderlichen Pflegeleistungen in Verzug gewesen. Der Kläger habe aber das Unterbleiben der Leistungen in wesentlicher Weise durch unberechtigte Forderungen mitverursacht, was eine eigene Vertragsuntreue darstelle.

II.


Die Revision hat Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückauflassung des Erbbaurechts (§ 327 Satz 1; § 346 Satz 1 BGB), weil er wirksam vom Vertrag mit der Beklagten zurückgetreten ist (§ 326 Abs. 1 BGB).
1. Zu Unrecht beurteilt das Berufungsgericht das Schuldverhältnis zwischen den Parteien als Altenteilsvertrag. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, wird eine Grundstücksübertragung allein durch eine Wohnrechtsgewährung mit Pflege- und Versorgungsverpflichtung im Bedarfsfall noch nicht zum Altenteilsvertrag (vgl. z.B. Urteile v. 4. Dezember 1981, V ZR 37/81, WM 1982, 208, 209; v. 28. Oktober 1988, V ZR 60/87, WM 1989, 70; v. 23. September 1994, V ZR 113/93, NJW-RR 1995, 77, 78). Dieser hat in der Regel die Gewährung des vollen Unterhalts mit Wohnrechtsgewährung zum Inhalt, wobei dem Übernehmer ein Gut oder Grundstück überlassen wird,
kraft dessen Nutzung er sich eine eigene Lebensgrundlage verschaffen und gleichzeitig den dem Altenteiler geschuldeten Unterhalt gewinnen kann (BGHZ 53, 41, 43). Der Wesenszug eines solchen Altenteils liegt in dem Nachrücken der folgenden Generation in eine die Existenz - wenigstens teilweise - begründende Wirtschaftseinheit (vgl. Senatsurt. v. 28. Oktober 1988, aaO, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind weder behauptet noch festgestellt. Das Berufungsgericht gelangt zu einer anderen Beurteilung nur deshalb, weil es im rechtlichen Ansatzpunkt von der Senatsrechtsprechung abweicht.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind nach seinen Feststellungen auch die Voraussetzungen eines wirksamen Rücktritts nach § 326 Abs. 1 BGB erfüllt.

a) Das Schuldverhältnis zwischen den Parteien ist nach seiner Ergänzung um die Pflegeverpflichtung der Beklagten ein gegenseitiger Vertrag nach §§ 320 ff BGB. Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe die Pflegeverpflichtung für die Übertragung des Erbbaurechts übernommen. Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten, sondern geht in ihrer Berufungsbegründung selbst davon aus, daß zwischen den Parteien ein gegenseitiger Vertrag bestehe , auf den die Regeln der §§ 320 ff BGB anzuwenden seien. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist unerheblich, ob der Wert der Pflegeverpflichtung den Wert des Erbbaurechts erreicht. Auch wenn die Parteien im Hinblick auf die objektiven Wertverhältnisse eine teilweise unentgeltliche Zuwendung beabsichtigten, liegt ein gegenseitiger Vertrag nach §§ 320 ff BGB vor.

b) Das Berufungsgericht nimmt nach seinen unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen an, daß sich die Beklagte mit den übernommenen Pfle-
geleistungen in Verzug befand. Sie hat die unstreitig nötigen Leistungen nach ihrem Auszug trotz Mahnung weder erbracht noch erbringen lassen und diese auch nicht in der erforderlichen Weise tatsächlich angeboten (§ 294 BGB). Auch die Voraussetzungen für ein bloß wörtliches Angebot (§ 295 BGB) lagen nicht vor.

c) Rechtsfehlerhaft hält es einen Rücktritt des Klägers wegen eigener Vertragsuntreue für ausgeschlossen. Es sieht diese in einer angeblich unberechtigten Zuvielforderung des Klägers, weil er mit Schreiben vom 8. Juni 1995 eine 24-stündige Betreuung der Mutter gefordert habe, die in diesem Umfang nicht erforderlich gewesen sei. Ferner habe er Betreuungsleistungen Dritter grundsätzlich abgelehnt, obwohl diese nach dem Vertragswortlaut ohne Einschränkung zulässig gewesen seien. Jedenfalls aber habe der Kläger bei ergänzender Vertragsauslegung im Hinblick auf die veränderten Lebensverhältnisse der Beklagten in einem zumutbaren Rahmen die Einschaltung von Dritten als Hilfspersonen zur Betreuung und Pflege hinnehmen müssen.
Der vom Berufungsgericht angesprochene Gesichtspunkt einer angeblichen Zuvielforderung des Klägers betrifft allerdings nicht die aus § 242 BGB abgeleitete ungeschriebene Voraussetzung von § 326 BGB, nämlich die eigene Vertragstreue des Gläubigers (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 326 Rdn. 10 m.w.N.), sondern greift in den geschriebenen Tatbestand ein, weil in diesem Zusammenhang nach den Umständen des Falles zu entscheiden ist, ob eine Zuvielforderung die Wirksamkeit der Mahnung (und damit den Verzug) oder die Nachfristsetzung in Frage stellt (vgl. auch Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, 6. Aufl., Rdn. 143). Das Berufungsgericht gerät damit in Wi-
derspruch zu seiner eigenen Auffassung, die Beklagte habe sich mit den Pflegeleistungen in Verzug befunden.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt aber eine relevante Zuvielforderung des Klägers nicht vor. Es bestehen schon erhebliche Zweifel daran, ob er mit Schreiben vom 8. Juni 1995 von der Beklagten eine Betreuung "rund um die Uhr" forderte. Dies kann jedoch offenbleiben, denn er hat mit Schreiben vom 30. Juni 1995 eine solche Forderung jedenfalls nicht wiederholt, sondern sich darauf beschränkt, ganz konkrete Betreuungsleistungen , nämlich die Bereitung des Frühstücks und eines warmen Abendessens sowie die Sauberhaltung der Wohnung und das Wäschewaschen mit Bügeln, zu fordern und im Fristsetzungsschreiben vom 25. Juli 1995 hierauf Bezug genommen sowie dargelegt, daß die Beklagte diese Leistungen außerhalb ihrer Arbeitszeit erbringen könne. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger mit Schreiben vom 30. Juni 1995 die Erbringung von Pflegeleistungen durch Dritte nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern ist der Auffassung der Beklagten entgegengetreten, daß die Pflegeleistungen generell von Dritten erbracht werden könnten und nahm eine solche Berechtigung nur für Ausnahmefälle (z.B. Krankheit oder Urlaub der Beklagten) an. Läge darin auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung eine Zuvielforderung des Klägers, so würde dies jedenfalls nach den Umständen des Falles weder die Wirksamkeit der Mahnung noch die der Fristsetzung in Zweifel ziehen. Es wäre vielmehr von einer wirksamen Aufforderung zur Erbringung der Leistung im geschuldeten Umfang auszugehen (§ 242 BGB). Die Differenzen der Parteien betrafen die schwierige Frage der Vertragsauslegung. Die Eltern der Beklagten befanden sich unstreitig in einer gesundheitlich bedrohlichen Situation. Der Kläger hatte einen Schlaganfall er-
litten und war gerade eben aus dem Krankenhaus entlassen worden, seine Frau war ebenfalls nur bedingt einsatzfähig. Eine Betreuung war für die Eltern der Beklagten von herausragender Bedeutung. Ihr Wunsch, von einer ihnen vertrauten Person gepflegt zu werden, erscheint verständlich und auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung (Drittleistungen in zumutbarem Rahmen) ebenfalls nicht unverhältnismäßig und überzogen. Vor diesem Hintergrund mußte die Beklagte die Mahnung und Fristsetzung jedenfalls als Aufforderung verstehen, nunmehr überhaupt tätig zu werden und konnte nicht davon ausgehen, die Eltern würden tatsächlich angebotene Pflegeleistungen ablehnen. Demgegenüber hat sie sich nur darauf beschränkt, verbal ihre Pflegebereitschaft auszudrücken und durch ihr Schreiben vom 14. Juni 1995 auch noch den Eindruck erweckt, es bedürfe zunächst einer Begutachtung zur Pflegebedürftigkeit. Dies blieb ganz entscheidend hinter ihrer vertraglichen Verpflichtung zurück.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Vogt Lambert-Lang Tropf Schneider Lemke

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.