Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2011 - X ZR 144/07

bei uns veröffentlicht am19.04.2011
vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 17/07, 17.10.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 144/07 Verkündet am:
19. April 2011
Wermes,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. April 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter
Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 17. Oktober 2007 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert. Das deutsche Patent 199 27 698 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 22 folgende Fassung erhält , auf die sich die Patentansprüche 23 bis 29 rückbeziehen: "Mehrgangnabe für Fahrräder, umfassend - eine Nabenachse (1); - ein Getriebe (2); - eine das Getriebe (2) umgreifende Nabenhülse; - einen Antreiber, der zum Antrieb der Nabenhülse antriebswirksam mit mindestens einem der Elemente des Getriebes (2) verbindbar ist, - eine Steuereinrichtung (6) zur Steuerung mehrerer Gangstufen , mit welcher mindestens eines der Elemente des Getriebes (2) wahlweise festgesetzt oder gelöst werden kann oder in seiner Lage im Getriebe verändert werden kann, wobei die Steuereinrichtung (6) eine Servokrafterzeugungseinrichtung (7) aufweist, umfassend eine Eingangsseite, die einem um die Nabenachse drehbar angeordneten, auf Grundlage eines auf den Antreiber ausgeübten BenutzerAntriebsmoments in eine Drehbewegung um die Nabenachse versetzbaren Antriebsteil (21) zugeordnet ist und die mit dem Antriebsteil (21) in Drehmomentübertragungsverbindung steht, und eine Ausgangsseite, die einem Schaltelement (18) des Getriebes zugeordnet ist, wobei die Servokrafterzeugungseinrichtung (10, 13, 7) dafür ausgeführt ist, aus der Drehbewegung des Antriebsteils (21) um die Nabenachse eine in der Höhe begrenzbare Servokraft (P) abzuleiten und an der Ausgangsseite zum Verstellen des Schaltelements (18) bereitzustellen, hierzu zusammenwirkend mit einer Reibeinrichtung (27), über die eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil (21) und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung (7) hergestellt ist, derart, dass die an der Ausgangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung (7) bereitgestellte , auf das Schaltelement (18) ausgeübte Servokraft (P) im Falle einer nicht vorhandenen Schaltwilligkeit des Schaltelements (18) durch die Reibeinrichtung (27) eingangsseitig begrenzt wird, wobei die Reibeinrichtung (27) dafür ausgeführt ist, den Zustand der durch den Reibschluss begrenzten Servokraft (P) bis zur eintretenden Schaltwilligkeit des Schaltelements (18) zu erhalten." Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 199 27 698 (Streitpatents), das am 17. Juni 1999 angemeldet wurde.
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Patentanspruch 22, auf den die Patentansprüche 23 bis 29 unmittelbar oder mittelbar zurückbezogen sind, hat folgenden Wortlaut: „Mehrgangnabe für Fahrräder, umfassend - eine Nabenachse (1); - ein Getriebe (2); - eine das Getriebe (2) umgreifende Nabenhülse; - einen Antreiber, der zum Antrieb der Nabenhülse antriebswirksam mit mindestens einem der Elemente des Getriebes (2) verbindbar ist, - eine Steuereinrichtung (6) zur Steuerung mehrerer Gangstufen, mit welcher mindestens eines der Elemente des Getriebes (2) wahlweise festgesetzt oder gelöst werden kann oder in seiner Lage im Getriebe verändert werden kann, wobei die Steuereinrichtung (6) eine Servokrafterzeugungseinrichtung (7) aufweist, umfassend eine Eingangsseite, die einem um die Nabenachse drehbar angeordneten, auf Grundlage eines auf den Antreiber ausgeübten Benutzer-Antriebsmoments in eine Drehbewegung um die Nabenachse versetzbaren Antriebsteil (21) zugeordnet ist und die mit dem Antriebsteil (21) in Drehmomentübertragungsverbindung steht, und eine Ausgangsseite, die einem Schaltelement (18) des Getriebes zugeordnet ist, wobei die Servokrafterzeugungseinrichtung (10, 13, 7) dafür ausgeführt ist, aus der Drehbewegung des Antriebsteils (21) um die Nabenachse eine in der Höhe begrenzbare Servokraft (P) abzuleiten und an der Ausgangsseite zum Verstellen des Schaltelements (18) bereitzustellen; d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass über eine Reibeinrichtung (27) eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil (21) und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung (7) hergestellt ist, derart, dass die an der Ausgangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung (7) bereitgestellte, auf das Schaltelement (18) ausgeübte Servokraft (P) im Falle einer nicht vorhandenen Schaltwilligkeit des Schaltelements (18) durch die Reibeinrichtung (27) eingangsseitig begrenzt wird, wobei die Reibeinrichtung (27) dafür ausgeführt ist, den Zustand der durch den Reibschluss begrenzten Servokraft (P) bis zur eintretenden Schaltwilligkeit des Schaltelements (18) zu erhalten.“
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Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 22 sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Er gehe zudem über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei auch nicht patentfähig.
4
Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
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Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen, wobei sie zuletzt im Hauptantrag Patentanspruch 22 mit der Maßgabe verteidigt, dass gegenüber der erteilten Fassung die Worte „dadurch gekennzeichnet, dass über“ gestrichen und stattdessen hinter „bereitzustellen“ die Worte „hierzu zusammenwirkend mit“ sowie hinter „Reibeinrichtung (27)“ die Worte „über die“ eingefügt werden. Außerdem verteidigt sie das Streitpatent mit drei Hilfsanträgen.
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Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. C. , Direktor des Instituts für Getriebetechnik und Maschinendynamik der A. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


I. Die Berufung ist nur insoweit zulässig, als die Klägerin die Nichtig7 keitsgründe der unzulässigen Erweiterung und der mangelnden Patentfähigkeit weiterverfolgt. Soweit sie mit dem Schriftsatz vom 21. März 2011 mangelnde Ausführbarkeit geltend macht, ist die Berufung hingegen unzulässig. Denn das Patentgericht hat diesen bereits in erster Instanz geltend gemachten Nichtigkeitsgrund verneint, und die Klägerin hat dies in der Berufungsbegründung nicht angegriffen. Ein Rückgriff auf den Nichtigkeitsgrund ist ihr damit verwehrt (Senatsurteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 4/07, GRUR 2010, 660 = BlPMZ 2010, 265 - Glasflaschenanalysesystem). II. Im zulässigen Umfang bleibt die Berufung in der Sache ohne Erfolg,
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soweit das Streitpatent von der Beklagten mit dem Hauptantrag verteidigt wird. 1. Das Streitpatent betrifft eine Mehrgangnabe für Fahrräder. In der
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Streitpatentschrift wird ausgeführt, dass eine Mehrgangnabe aus der europäischen Patentanmeldung 803 430 (L 2) bekannt ist, die eine Steuereinrichtung zum Aussteuern von Klinken aufweist. Nachfolgend werden die Figuren 3 und 6 der europäischen Patentanmeldung wiedergegeben: In der Streitpatentschrift wird weiter erläutert, dass um die Nabenachse
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10 ein drehbar angeordneter Schaltring 32 angeordnet ist, der durch einen Koppelring 31 drehfest, aber axial verschiebbar mit dem Antreiber 25 verbunden ist und ein axial wirkendes Profil aufweist, das mit einem Schubklotz 100 zusammenwirke (vgl. L 2, Figur 3). Der Schubklotz 100 ist in einem Schlitz12 der Nabenachse 10 hin und her verschiebbar, um die einzelnen Gangstufen zu steuern. Der Schlitz 12 ist schräg oder schraubenförmig zur Nabenachse verlaufend , so dass der Schubklotz 100 bei seiner Bewegung in Achsrichtung eine zusätzliche Bewegungskomponente in Dreh- oder Umfangsrichtung ausführen muss. Der Schaltring 32 dient dazu, eine Klinke 55 auch unter Last auszuhe- ben, nach dem Aushebvorgang zu unterwandern, im ausgehobenen Zustand zu halten und wahlweise die Drehmomentübertragungsverbindung zwischen einem Antreiber einerseits und einem Planetenradträger bzw. einem Hohlrad andererseits umzusteuern (Streitpatentschrift, Rn. 3). Zum Schalten der Gangstufen durch Ausheben und Einkuppeln der Klin11 ke 55 muss der Schaltring 32 axial nach rechts verschoben werden. Dazu dient primär eine in die Axialbohrung der Achse eingesetzte Betätigungsstange 101. Wird diese axial in Richtung des Schaltrings 32 verschoben, drückt die erste Feder 15 den Schubklotz 100 zurück und nimmt über die zweite Feder 14 auch den Schaltring 32 mit (vgl. Streitpatentschrift, Rn. 4). Sind die Kräfte, die der Verstellung des Schaltrings 32 entgegenwirken,
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jedoch zu groß, bedarf es zur Durchführung des Schaltvorgangs einer sog. „Servokraft“. Dafür nähert sich der Schubklotz 100 so weit axial dem Schaltring 32 an, dass er in einem schräge Führungsflächen 32c aufweisenden Profilbereich des Schaltrings 32 eintreten kann (vgl. L 2, Figur 6). Die schrägen Führungsflächen 32 c sind gegenüber der Nabenachse X in einem Winkel A geneigt. Demgegenüber sind die schrägen Führungsflächen 12a des Schlitzes 12 gegenüber der Nabenachse in einem Winkel B geneigt. Der Winkel B ist kleiner als der Winkel A. Beide Neigungswinkel sind derart abgestimmt, dass im Schaltungsfall der Schubklotz 100 an seiner jeweiligen Axialposition festgeklemmt und reibschlüssig gehalten ist, wenn die der Verstellung des Schaltrings entgegenwirkenden Kräfte kleiner sind als die Kraft der Feder 15, die durch die axiale Verschiebung der Betätigungsstange 101 nach rechts freigesetzt wird. Sind die entgegenwirkenden Kräfte jedoch größer, überwindet der Schubklotz 100 die ihn haltenden Klemm- und Reibkräfte und wird durch die schräge Führungsfläche 32c des Schaltrings 32 axial unter die Klinke 55 verschoben, so dass diese ausgehoben wird (vgl. Streitpatentschrift Rn. 3 f.).
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Nach den weiteren Angaben in der Streitpatentschrift liegt der Erfindung zum einen das Problem („die Aufgabe“) zugrunde, ein definiertes Schaltverhal- ten auf Grundlage definierter Schaltwege mit vergleichsweise geringen Steuerkräften zu ermöglichen. Damit befasst sich der nicht angegriffene Patentanspruch 1. Ferner soll die von der Servokrafterzeugungseinrichtung bereitgestellte Servokraft durch einfache konstruktive Maßnahmen begrenzt werden. Dies soll nach Patentanspruch 22 durch eine Mehrgangnabe für Fahrrä14 der erreicht werden, die umfasst (Hinzufügungen in der zuletzt von der Beklag- ten verteidigten gegenüber der erteilten Fassung sind kursiv hervorgehoben):
b) eine Nabenachse (1),
c) ein Getriebe (2),
d) eine das Getriebe (2) umgreifende Nabenhülse,
e) einen Antreiber, der zum Antrieb der Nabenhülse antriebswirksam mit mindestens einem der Elemente des Getriebes (2) verbindbar ist,
f) eine Steuereinrichtung (6) zur Steuerung mehrerer Gangstufen , mit welcher mindestens eines der Elemente des Getriebes (2) wahlweise festgesetzt oder gelöst oder in seiner Lage im Getriebe verändert werden kann;
g) die Steuereinrichtung (6) weist eine Servokrafterzeugungseinrichtung (7) auf, g1) umfassend eine Eingangsseite, die einem um die Nabenachse drehbar angeordneten, auf Grundlage eines auf den Antreiber ausgeübten Benutzer-Antriebsmoments in eine Drehbewegung um die Nabenachse versetzbaren Antriebsteil (21) zugeordnet ist und mit diesem in Drehmomentübertragungsverbindung steht, und g2) umfassend eine Ausgangsseite, die einem Schaltelement (18) des Getriebes zugeordnet ist, g3) die dafür ausgeführt ist, aus der Drehbewegung des Antriebsteils (21) um die Nabenachse eine in der Höhe begrenzbare Servokraft (P) abzuleiten und an der Ausgangsseite zum Verstellen des Schaltelements (18) bereitzustellen ;
h) hierzu zusammenwirkend mit einer Reibeinrichtung (27), über die eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil (21) und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung (7) hergestellt ist, h1) derart, dass die an der Ausgangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung (7) bereitgestellte, auf das Schaltelement (18) ausgeübte Servokraft (P) im Falle einer nicht vorhandenen Schaltwilligkeit des Schaltelements (18) durch die Reibeinrichtung (27) eingangsseitig begrenzt wird, h2) welche (Reibeinrichtung 27) dafür ausgeführt ist, den Zustand der durch den Reibschluss begrenzten Servokraft (P) bis zur eintretenden Schaltwilligkeit des Schaltelements (18) zu erhalten. Für den Fachmann, bei dem es sich um einen Ingenieur der Fachrich15 tung Maschinenbau mit mehrjähriger in der Praxis erworbener Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Mehrgangnaben bei Fahrrädern handelt, ist demnach Patentanspruch 22 zunächst zu entnehmen, dass die unter Schutz gestellte Mehrgangnabe für Fahrräder - wie in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 der Streitpatentschrift beispielhaft veranschaulicht wird - über eine Nabenachse 1, ein Getriebe 2, eine das Getriebe umgreifende Nabenhülse, einen Antreiber (Antriebsteil 21) und eine Steuereinrichtung 6 verfügt.


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Der Antreiber 21 ist antriebswirksam mit mindestens einem der Elemente des Getriebes 2 verbindbar, um die Nabenhülse antreiben zu können. Die Steuereinrichtung 6 ist geeignet, mehrere Gangstufen zu steuern, indem eines der Elemente des Getriebes 2 wahlweise festgesetzt oder gelöst oder in seiner Lage im Getriebe verändert werden kann. Im Ausführungsbeispiel kann die axiale Verschiebung des Schaltelements 18 durch den Fahrradfahrer über eine (nicht gezeigte) Schalteinheit eingeleitet werden, wodurch wiederum die Schaltstange 6 axial verschoben wird. Deren axiale Verschiebung wird dann über den Schubklotz 10, den Steuerschieber 7, die Speicherfeder 23 auf das Schaltelement 18 übertragen. Der Steuerschieber 7 ist zweiteilig ausgebildet, wobei bei einem Verschiebevorgang in Abhängigkeit von der axialen Richtung jeweils nur ein Teil wirksam wird. Da die einer Schaltung entgegen wirkenden Kräfte größer sein können als die Kräfte, die von dem Fahrradfahrer in die Schalteinheit eingeleitet werden, kann es einer Verstärkung bedürfen (vgl. Streitpatentschrift, Rn. 26; Gutachten, S. 7 ff.). Dafür sieht Patentanspruch 22 eine Servokrafterzeugungseinrichtung als Teil der Steuereinrichtung vor (Merkmal g). Diese Servokrafterzeugungseinrichtung umfasst eine Eingangs- und eine
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Ausgangsseite. Die Eingangsseite ist einem Antriebsteil 21 zugeordnet, das um die Nabenachse 1 drehbar angeordnet ist und auf Grundlage eines auf den An- treiber ausgeübten Antriebsmoments des Fahrradfahrers in eine Drehbewegung um die Nabenachse versetzt werden kann (Merkmal g1). In dem in Figur 1 gezeigten Ausführungsbeispiel sind die beiden spiegelsymmetrisch zueinander aufgebauten Steuerschieber 7 mit dem Antriebsteil 21 drehfest verbunden, so dass sie gemeinsam mit dem Antriebsteil 21 um die Nabenachse gedreht werden , wenn der Fahrradfahrer durch seine Drehbewegungen ein Antriebsdrehmoment erzeugt. Ein Schubklotz 10 ist demgegenüber über eine (in Figur 7 gezeigte ) Ausnehmung 11 drehfest, aber axial verschiebbar mit der fest stehenden Nabenachse 1 verbunden. Jeder der beiden Steuerschieber 7 verfügt über eine Steuerbahn S, in die der Schubklotz 10 eintauchen kann, wie aus den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 2, 3 und 4 des Streitpatents deutlich wird.


Wird der Schubklotz 10 von der Steuereinrichtung 6 mit einer axialen
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Kraft beaufschlagt, kann er sich nur dann in Richtung der axialen Kraft verschieben , wenn der Steuerschieber 7 eine Winkellage einnimmt, bei der der Schubklotz 10 in das Tal 8 des Steuerschiebers eintauchen kann. Da sich der Steuerschieber 7 um die Nabenachse 1 dreht, erfolgt dies früher oder später (vgl. Streitpatentschrift, Rn. 31). Die Nabenachse weist in einer Ausnehmung 12 Rastmarken 13 mit einer bestimmten Vertiefung 29 auf, die voneinander in einem bestimmten Abstand 15 angeordnet sind. Der axial von der Schaltstange 7 beaufschlagte Schubklotz 10 wird um diesen Abstand 15 zur nächsten Rastmarke 13 weiterrücken, sobald die Winkellage des Steuerschiebers 7 dies zulässt. Erreicht dann die Steigfläche 9a oder 9b des Steuerschiebers 7 den Schubklotz 10, wirkt die in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 9 dargestellte und in der Beschreibung als „Servokraft“ bezeichnete Kraft P vom Steuerschieber 7 durch die Mitte M des Schubklotzes 10 gegen die Kante 26 der Rastmarke 13 der Nabenachse 1.


Da der Schubklotz 10, der sich mit seiner Kontur 24 in der Vertiefung 29
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der Rastmarke 13 befindet, keine axiale Bewegung ausführen kann, zwingt die Einwirkung der Kraft P den Steuerschieber 7 dazu, sich solange in axialer Richtung zu bewegen, bis sich der Steuerschieber 7 wieder kraftlos um den Schubklotz 10 drehen kann (vgl. Streitpatentschrift, Rn. 29 ff.; Gutachten, S. 12 ff.). Der Fachmann erkennt, dass sich der Steuerschieber 7 erst dann axial bewegen wird, wenn die sich aus der Kraft P ableitende axiale Kraft größer ist als die Kraft, die der axialen Bewegung entgegenwirkt (Gutachten, S. 13). Patentanspruch 22 sieht weiter vor, dass die Servokrafterzeugungsein20 richtung dafür ausgeführt ist, aus der Drehbewegung des Antriebsteils (21) um die Nabenachse eine in der Höhe begrenzbare Servokraft (P) abzuleiten und an der Ausgangsseite zum Verstellen des Schaltelements bereitzustellen (Merkmal g2). Dabei soll die Servokraft nach der zuletzt von der Beklagten verteidigten Fassung des Patentanspruchs 22 mit einer Reibeinrichtung zusammenwirken, die über eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil (21) und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung hergestellt ist (Merkmal h). Die Reibeinrichtung soll mithin derart in die Erzeugung der begrenzbaren Servokraft einbezogen sein, dass die Ableitung der Servokraft über eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung erfolgt.
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Eine solche Anordnung, bei der die Servokraft über eine durch eine Reibeinrichtung 27 hergestellte reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil 21 und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung abgeleitet wird, wird in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 10 des Streitpatents beispielhaft gezeigt: Die Reibeinrichtung kann („vorzugsweise“) eine Schlingfeder 28 sein, die
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in der für die Schaltung erforderlichen Drehrichtung eine höhere Friktion zwischen dem Antriebsteil 21 und dem Steuerschieber 7 an der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung aufweist (Streitpatentschrift, Rn. 34). Die an der Ausgangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung 7 bereit23 gestellte, auf das Schaltelement 18 ausgeübte Servokraft P soll im Falle einer nicht vorhandenen Schaltwilligkeit des Schaltelements 18 durch die Reibeinrichtung 27 eingangsseitig begrenzt sein (Merkmal h1). Nicht vorhandene Schaltwilligkeit liegt vor, wenn die der Servokraft P axial entgegenwirkende Kraft beson- ders groß ist, weil sich die am Schaltvorgang beteiligten Teile des Getriebes, also etwa einer der Keile 17 oder eines der Sonnenräder 5a, 5b oder 5c in einer dafür ungünstigen Position befinden (vgl. Streitpatentschrift, Rn. 34). Für diesen Fall ist es erwünscht, die Servokraft zu begrenzen, damit übermäßige Materialbeanspruchungen vermieden werden.
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Neben der Begrenzung kommt der Reibeinrichtung 27 die Funktion zu, den Zustand der durch den Reibschluss begrenzten Servokraft P bis zur eintretenden Schaltwilligkeit des Schaltelements 18 zu erhalten (Merkmal h 2). Entgegen der Ansicht der Klägerin beschränkt sich die Funktion der
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Reibeinrichtung somit nicht auf die Begrenzung der auf das Schaltelement ausgeübten Servokraft und deren Erhaltung bis zur eintretenden Schaltwilligkeit (Patentanspruch 22: „… derart, dass …“). Vielmehr ist dem Merkmal h in Verbindung mit dem Merkmal g3 zu entnehmen, dass die Reibeinrichtung bereits an der Ableitung der Servokraft dergestalt beteiligt ist, dass sie eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil 21 und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung herstellt, über welche die Servokraft abgeleitet wird, die dann - ebenfalls durch die Reibeinrichtung - in ihrer Höhe begrenzt und bis zur Schaltwilligkeit aufrechterhalten wird. 2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 22 in der erteilten Fassung
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geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht hinaus (§ 22 Abs. 1 iVm § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
a) Das Patentgericht hat insoweit ausgeführt, dass eine Servokrafter27 zeugungseinrichtung in der Offenlegungsschrift zwar nicht ausdrücklich genannt sei. Da der ursprüngliche Anspruch 22 aber auf die Servokraft P Bezug nehme, sei damit auch implizit eine Einrichtung zur Erzeugung dieser Servokraft offenbart. Zudem müsse zur Ableitung einer Servokraft aus dem vom Fahrradfahrer auf den Antreiber aufgebrachten Antriebsdrehmoment ein Teil desselben die Servokrafterzeugungseinrichtung beaufschlagen. Die Stelle bilde die „Ein- gangsseite“ der Servokrafterzeugungseinrichtung und sei ursprünglich offenbart. In den Figuren 1 und 10 mit zugehöriger Beschreibung sei diese Stelle dem Antriebsteil 21 zugeordnet und stehe mit diesem über die Reibeinrichtung 27 in Verbindung. Dem Fachmann erschließe sich zudem aus der Beschreibung , dass das Antriebsteil dabei um die Nabenachse drehbar sei und durch ein Benutzer-Drehmoment in eine Drehbewegung um die Nabenachse versetzbar sei. Die Stelle der Übergabe der Servokraft an die nachgeordneten Stellelemente bilde eine dem Schaltelement zugeordnete „Ausgangsseite“ und sei durch die Kontaktzone zum Schaltelement 18 offenbart. Die Ableitung der Servokraft aus der Drehbewegung des Antriebsteils sei
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ebenso aus der Beschreibung zu entnehmen wie die Begrenzbarkeit der Servokraft in ihrer Höhe, die sich überdies auch aus Anspruch 22 ergebe. Dabei sei das Auftreten der Servokraft nicht nur zwischen Steuerschieber 7 und Schubklotz 10 in Figur 9 offenbart, sondern für den Fachmann ohne weiteres erkennbar auch das Auftreten an der Ausgangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung. Denn anhand der in den Figuren 1, 9 und 10 dargestellten Konstruktion ergebe sich bei Anliegen der Servokraft am Steuerschieber zwangsläufig ein Kraftfluss vom Steuerschieber zum Schaltelement, wobei eine in Axialrichtung auf das Schaltelement wirkende Kraft entstehe. Diese weiche zwar nach Betrag und Richtung von der am Steuerschieber wirkenden Servokraft P ab, sei aber deren Bestandteil und unterstütze den Schaltvorgang. Die über die Reibeinrichtung 27 hergestellte reibschlüssige Drehmitnah29 meverbindung zwischen dem Antriebsteil 21 und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung sei in den ursprünglichen Ansprüchen 22 und 23 sowie in der Beschreibung und Figur 10 dargelegt. Hieraus ergebe sich auch die eingangsseitig durch die Reibeinrichtung bewirkte Begrenzung der Servokraft , die an der Ausgangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung im Falle einer nicht vorhandenen Schaltwilligkeit auf das Schaltelement 18 ausgeübt werde. Der Erhalt des Zustands der durch Reibschluss begrenzten Servokraft bis zum Eintritt der Schaltwilligkeit ergebe sich aus dem ursprünglichen Anspruch 22 und der Beschreibung. Das impliziere die Gestaltung der Reibeinrichtung in einer Art und Weise, dass sie in der Lage sei, den Zustand zu erhalten.
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b) Die Ausführungen des Patentgerichts halten den Angriffen der Berufung stand. Der ursprünglichen Anmeldung (für deren Inhalt auf die Offenlegungs31 schrift zurückgegriffen werden kann) kann der Fachmann eine Mehrgangnabe für Fahrräder entnehmen, die neben einer Nabenachse, einem Getriebe, einer das Getriebe umgreifenden Nabenhülse, einem Antreiber auch eine Steuereinrichtung zur Steuerung mehrerer Gangstufen nach Maßgabe des Merkmals f des Patentanspruchs 22 in der erteilten Fassung aufweist. Das ergibt sich aus Patentanspruch 22 der ursprünglichen Anmeldung, wobei der Fachmann aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres mitliest, dass das Element des Getriebes , das - wie in Patentanspruch 22 in der ursprünglichen Anmeldung erwähnt - wahlweise festgesetzt werden kann, auch - wie darüber hinaus in Patentanspruch 22 in der erteilten Fassung vorgesehen - wieder gelöst werden kann. Darüber hinaus erschließt es sich ihm aus der ursprünglichen Anmel32 dung, dass die Steuereinrichtung so ausgestaltet sein kann, dass sie nicht nur die Steuerung mehrerer Gangstufen „bewirkt“, sondern die Steuerung auch selbst vornimmt und folglich die dafür erforderlichen Bauteile als Einheit umfasst. Der gerichtliche Sachverständige hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass in Figur 10 in Verbindung mit der Beschreibung (Offenlegungsschrift, Sp. 5 Z. 14 ff.) der ursprünglichen Anmeldung (identisch mit der oben wiedergegebenen Figur 10 der Streitpatentschrift) ein auf den Steuerschieber 7 zeigender abgeknickter Pfeil als Steuereinrichtung 6 bezeichnet wird, was darauf hindeutet , dass die Steuereinrichtung auch so ausgestaltet sein kann, dass diese die Steuerung mehrerer Gangstufen nur bewirkt und die Steuerung selbst erst von den nachgelagerten Bauteilen (insbesondere dem Steuerschieber 7) ausgeführt wird (Gutachten, S. 27 f.). Zudem wird ein solches Verständnis auch von anderen Stellen in der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung gestützt (vgl. Offenlegungsschrift, Sp. 3 Z. 15 ff.; Sp. 4 Z. 13 ff.). Andererseits enthält die ursprüngliche Anmeldung aber auch mehrere Stellen, die dem Fachmann die Vorstellung vermitteln, dass die Steuereinrichtung auch die zur Steuerung mehrerer Gangstufen erforderlichen Komponenten als Einheit umfassen soll. Insoweit ist insbesondere auf Figur 1 der ursprünglichen Anmeldung (identisch mit der oben wiedergegebenen Figur 1 der Streitpatentschrift) zu verweisen, bei welcher die Bezugsnummer 6 - wie auch der gerichtliche Sachverständige zutreffend hervorhebt - die Steuereinrichtung meint, die etwa den Schubklotz 10, den Steuerschieber 7 und die Rastmarken 13 umfasst (Gutachten, S. 27). Dieser Ansatz wird durch Patentanspruch 1 der ursprünglichen Anmeldung bestätigt , in dem es heißt, dass die Steuereinrichtung 6 mindestens einen um die Nabenachse 1 angeordneten Steuerschieber 7 aufweist. Auch weiteren Stellen in der Beschreibung ist ein entsprechender Anhalt zu entnehmen (vgl. Offenlegungsschrift , Sp. 1 Z. 1 f., 63; Sp. 2 Z. 14 f., 30 ff.). Dem Fachmann ist damit zumindest als eine von zwei alternativen Ausgestaltungen offenbart, dass die Steuereinrichtung als Einheit auch die Bauteile umfassen kann, die die Steuerung mehrerer Gangstufen realisieren. Entgegen der Ansicht der Klägerin lehrt die ursprüngliche Anmeldung
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den Fachmann auch eine Servokrafterzeugungseinrichtung als Teil der Steuereinrichtung nach Maßgabe der Merkmalgruppe g bis g3. Die Klägerin hebt zwar zutreffend hervor, dass eine solche Servokrafterzeugungseinrichtung nicht ausdrücklich genannt ist. Das ist aber auch nicht erforderlich. Vielmehr ist es hin- reichend, wenn der Fachmann diese auch ohne ausdrückliche Nennung als zur Erfindung gehörend aus dem Offenbarungsgehalt der Anmeldung entnehmen kann (vgl. Senat, Urteil vom 21. April 2009 - X ZR 153/04, GRUR 2009, 933 - Druckmaschinen-Temperierungssystem II). Dass eine Einrichtung zur Erzeugung einer Servokraft P vorhanden sein muss, ergibt sich schlüssig aus der Erwähnung der Servokraft P in Patentanspruch 22 der ursprünglichen Anmeldung. Dass sich diese Einrichtung aus Komponenten der Steuereinrichtung zusammensetzt und damit ein Teil derselben ist, erschließt sich dem Fachmann aus der Beschreibung (vgl. Offenlegungsschrift, Sp. 3 Z. 55 ff.; Sp. 4 Z. 24 ff.; Sp. 5 Z. 4 ff.; Figur 9). Dort ist auch ein auf der Nabenachse 1 drehbar angeordnetes Antriebsteil 21 beschrieben, das einen zweigeteilten Steuerschieber 7 umfasst, der mit dem Antriebsteil 21 drehfest aber axial verschiebbar verbunden ist (Sp. 3 Z. 17 ff.; vgl. auch Sp. 4 Z. 67 ff.). Darin sieht der Fachmann die Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung, die einem auf der Nabenachse drehbar angeordneten, auf Grundlage eines auf den Antreiber ausgeübten Benutzer-Antriebsmomentes in eine Drehbewegung um die Nabenachse versetzbaren Antriebsteil 21 zugeordnet ist und die mit dem Antriebsteil 21 in Drehmomentübertragungsverbindung steht. Dem Fachmann erschließt es sich zudem, dass die Servokrafterzeugungseinrichtung die erzeugte Servokraft an die nachgeordneten Stellelemente des Getriebes weitergeben muss, damit sie als Servokraft dienen kann. Die Stelle der Übergabe der Servokraft an das Schaltelement 18 des Getriebes bildet damit die Ausgangsseite der Einrichtung und ist diesem entsprechend zugeordnet. Die Ableitung der Servokraft P aus der Drehbewegung desAntriebsteils
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21 und deren Bereitstellung zum Verstellen des Schaltelements 18 folgt aus der Beschreibung des in den Figuren 1 bis 9 gezeigten Ausführungsbeispiels in der ursprünglichen Anmeldung. Entgegen der Ansicht der Klägerin geht daraus für den Fachmann nicht nur hervor, dass zwischen dem Steuerschieber 7 und dem Schubklotz 10 eine durch die Mitte M des Schubklotzes 10 führende Servokraft P entsteht (vgl. Offenlegungsschrift, Sp. 3 Z. 65 ff.; Figur 9). Vielmehr folgt daraus für diesen zugleich, dass mit der Verschiebung des Schubklotzes 10 die Servokraft weiter an das Schaltelement 18 geleitet und damit zum Verstellen desselben bereitgestellt wird. Der Klägerin kann auch nicht darin zugestimmt werden, dass in der ur35 sprünglichen Anmeldung nicht mehr offenbart sei als die in der Beschreibung erläuterte und in den Figuren 1 bis 10 gezeigte konkrete Konstruktion der Übersetzungsnabe. Insbesondere beschränkt sich der Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung nicht auf die Bereitstellung lediglich einer axial wirkenden Servokraft zum Verstellen des Schaltelements. Allein der Umstand, dass - wie hier - nur eine bestimmte Ausführungsform einer Vorrichtung ausführbar offenbart ist, besagt noch nichts darüber, ob ein Patentanspruch, der nicht auf eine solche Ausführungsform begrenzt ist, über den Inhalt der Ursprungsoffenbarung hinausgeht (Senat, Urteil vom 12. März 2009 - Xa ZR 158/04, Rn. 21, GRUR 2009, 835 - Crimpwerkzeug II; Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 - Sammelhefter II). Für die Ermittlung der Gesamtoffenbarung der ursprünglichen Anmeldung kommt es daher nicht allein auf die konkrete Konstruktion der Ausführungsbeispiele an. Vielmehr sind auch die weiteren Teile der ursprünglichen Anmeldung und damit insbesondere auch die Patentansprüche zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sind die Ansprüche 22 und 23 der ursprünglichen Anmeldung allgemeiner formuliert als das in den Figuren 1 bis 10 gezeigte und in der Beschreibung erläuterte Ausführungsbeispiel einer Mehrgangnabe. Hinsichtlich der Servokraft (P) sieht Anspruch 22 lediglich vor, dass diese im Falle einer nicht schaltwilligen Stellung eines zu schaltenden Schaltelements 18 im Getriebe über eine zwischen dem Antriebsteil 21 und dem Schaltelement 18 wirkende Reibeinrichtung begrenzt wird. Das setzt aus Sicht des Fachmanns voraus, dass eine Servokraft (P) zum Verstellen des Schaltelements bereitgestellt wird. Hingegen wird nicht bestimmt, ob die Servokraft (P) - wie in dem in den Figuren 1 und 10 gezeigten Ausführungsbeispiel - axial oder etwa in Umfangsrichtung wirkt, so dass auch der Fachmann keinen Anlass hat, den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung entsprechend beschränkt zu verstehen. Dass eine Reibeinrichtung zwischen dem Antriebsteil 21 und dem
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Schaltelement 18 wirkt, entnimmt der Fachmann Anspruch 22 der ursprünglichen Anmeldung. Dass über diese Reibeinrichtung eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil 21 und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung 7 hergestellt ist (Merkmal h), erschließt sich ihm aus dem in Figur 9 gezeigten und in der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung erläuterten Ausführungsbeispiel (vgl. Offenlegungsschrift Sp. 4 Z. 67 ff.). Während Patentanspruch 22 in der Fassung der ursprünglichen Anmeldung noch vorgesehen hat, dass „eine Servokraft (P) im Falle einer nicht schaltwilligen Stellung eines zu schaltenden Schaltelements 18 im Getriebe über eine zwischen dem Antriebsteil 21 und dem Schaltelement 18 wirkende Reibeinrichtung begrenzt wird“, präzisiert Merkmal h1 in der Fassung des Patentanspruchs 22 in seiner erteilten Fassung, dass die Servokraft (P) „an der Ausgangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung“ bereitgestellt und im Falle einer nicht vorhandenen Schaltwilligkeit des Schaltelements durch die Reibeinrichtung „eingangsseitig“ begrenzt wird. Diese Präzisierung kann der Fachmann dem in Figur 9 gezeigten und in der Beschreibung erläuterten Ausführungsbeispiel ebenfalls entnehmen (Offenlegungsschrift Sp. 4 Z. 67 ff.; vgl. auch Gutachten , S. 28). In der ursprünglichen Anmeldung offenbart ist schließlich auch das
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Merkmal h2. Patentanspruch 22 in der Fassung der ursprünglichen Anmeldung sieht insoweit zwar vor, dass „der Zustand der Reibung bis zur eintretenden Schaltwilligkeit des Schaltelements 18 erhalten bleibt“, während Merkmal h2 in der erteilten Fassung des Patentanspruchs 22 darauf abstellt, dass „die Reibeinrichtung 27 dafür ausgeführt ist, den Zustand der durch den Reibschluss begrenzten Servokraft (P) bis zur eintretenden Schaltwilligkeit des Schaltele- ments 18 zu erhalten“. Wie der gerichtliche Sachverständige im Verhandlungs- termin überzeugend erläutert hat, enthält Merkmal h2 in der erteilten gegenüber der ursprünglichen Fassung die Konkretisierung, dass es letztlich nicht um den Erhalt des Zustands der Reibung als solcher geht, sondern um den Erhalt des Zustands der durch die Reibung begrenzten Servokraft, die sich entfalten soll, wenn das Schaltelement wieder schaltwillig ist. Dass der Erhalt des Zustands der Reibung kein Endzweck ist, sondern insoweit der Erhalt der durch die Reibung begrenzten Servokraft entscheidend ist, offenbart sich dem Fachmann aus dem voranstehenden Merkmal h1 der ursprünglichen Anmeldung, in dem vorgesehen ist, dass die Servokraft (P) im Falle einer nicht schaltwilligen Stellung eines zu schaltenden Schaltelements 18 im Getriebe über eine zwischen dem Antriebsteil 21 und dem Schaltelement 18 wirkende Reibeinrichtung begrenzt wird. Kommt es also auf die Begrenzung der Servokraft (P) bei Schaltunwilligkeit des Schaltelements an, kann es auch im zweiten Schritt nicht nur um die Erhaltung der Reibung bis zur wieder eintretenden Schaltwilligkeit des Schaltelements gehen, sondern ist aus fachlicher Sicht die Erhaltung der durch die Reibung begrenzten Servokraft (P) entscheidend. Schließlich vermag auch der Umstand, dass die Beschreibung des
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Streitpatents Passagen enthält, die nicht Inhalt der ursprünglichen Anmeldung gewesen sind, nicht für sich allein den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung zu begründen. Das käme nur dann in Betracht, wenn die Berücksichtigung dieser Passagen bei der Auslegung des Patentanspruchs des erteilten Patents zu einem veränderten Verständnis der darin verwendeten Begriffe oder des geschützten Gegenstands führen würde (vgl. Senat, Urteil vom 22. Dezem- ber 2009 - X ZR 28/06, GRUR 2010, 513 - Hubgliedertor II). Dass dies hier gegeben ist, ist weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. 3. Der Gegenstand von Patentanspruch 22 geht auch in der von der
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Beklagten verteidigten Fassung des Streitpatents nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Wie dargelegt, versteht der Fachmann die Merkmale g3 und h in der von
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der Beklagten verteidigten Fassung dahin, dass die Servokrafterzeugungseinrichtung und die Reibeinrichtung derart bei der Erzeugung der begrenzbaren Servokraft zusammenwirken, dass die Ableitung der Servokraft über eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung erfolgt. Eine solche Ausgestaltung konnte der Fachmann der in Figur 10 gezeigten und der Beschreibung der ursprünglichen Offenbarung erläuterten Ausführungsform entnehmen, welche wiederum auf der Mehrgangnabe aus Figur 1 aufbaut und diese nur insofern abändert, als die Koppelung des Antriebsteils mit dem Steuerschieber über eine Reibeinrichtung 27 erfolgt, wodurch die in Figur 1 gezeigte Speicherfeder 23 ersetzt wird (vgl. Offenlegungsschrift, Sp. 2 Z. 65 ff.; Sp. 4 Z. 67 ff.). Bei der demnach offenbarten Ausführungsform ist die vorzugsweise aus einer Schlingfeder 7 bestehende Reibeinrichtung 27 drehfest zwischen dem Antriebsteil 21 und dem Steuerschieber 7 angeordnet, so dass eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung entsteht. Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht geltend
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gemacht, dass die Lehre des Patentanspruchs 22 in der von der Beklagten verteidigten Fassung aufgrund der damit gegenüber der erteilten Fassung einhergehenden Ergänzungen nicht so deutlich und hinreichend offenbart ist, dass ein Fachmann diese Lehre ausführen kann.
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4. Der Gegenstand von Patentanspruch 22 in der von der Beklagten verteidigten Fassung des Streitpatents ist patentfähig (§ 22 Abs. 1 PatG iVm § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG, § 1 Abs. 1 PatG).
a) Das Patentgericht hat Neuheit und erfinderische Tätigkeit hinsichtlich
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des Patentanspruchs 22 in der erteilten Fassung bejaht. Die beanspruchte Mehrgangnabe sei neu gegenüber der Mehrgangnabe
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SG-4 R35 (Anlagen L4 bis L16), deren Vorbenutzung das Patentgericht zugunsten der Klägerin unterstellt hat. Neben den unabdingbaren Komponenten einer Mehrgangnabe für Fahrräder nach den Merkmalen a bis f umfasse die vorbenutzte Nabe einen Mechanismus zur Gangwechselunterstützung, der der streitpatentgemäßen Servokrafterzeugungseinrichtung entspreche. Allerdings unterscheide sich die Nabe SG-4 R35 in zwei wesentlichen Merkmalen von der Lehre des Anspruchs 22: Die Drehmomentübertragungsverbindung zwischen dem Antriebsteil (Verzahnung gemäß Anlage L11, L12) und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung (Kupplungsklinken gemäß Anlage L11, L12) bestehe nicht ständig. Vielmehr kämen die Kupplungsklinken nur bei Schaltunwilligkeit mit der Verzahnung in Eingriff, so dass die erfindungsgemäß erforderliche permanente Verbindung zwischen Antriebsteil und Servokrafterzeugungseinrichtung nicht vorhanden sei. Des Weiteren bleibe selbst im Fall der bestehenden Verbindung der Zustand der bei Schaltunwilligkeit durch Reibschluss begrenzten Servokraft nicht erhalten. Durch das Gleiten der Klinken über unterschiedlich geneigte Bahnbereiche der Verzahnung ändere sich die Servokraft periodisch zwischen einem Minimal- und einem Maximalwert. Bei Aufgleiten der Klinke vom Zahnfuß zum Zahnkopf der Verzahnung des Antreibers (Einschwenken der Klinken) seien die Reibkraft und damit die Servokraft am höchsten, beim Abgleiten vom Zahnkopf zurück zum Zahnfuß entlang der langen Zahnflanke (Ausschwenken der Klinke) sei das übertragene Drehmoment klein. Selbst wenn die Bewegungsfrequenz der Kupplungsklinken schon bei normaler Trittfrequenz und Fahrgeschwindigkeit so hoch sei, dass ein „quasistationärer“ Zustand der Servokraft erzeugt werde, entspreche dies nicht der erfindungsgemäßen Lösung. Denn bei dieser liege im Falle der Servokraftbegrenzung nicht eine quasistationäre, sondern eine tatsächlich stationäre Kraft (ein gleich bleibender Betrag für die Dauer des Durchrutschens) vor. Denn beim Streitpatent werde das die Servokraft bestimmende Drehmoment durch die als Rutschkupplung ausgebildete Sicherheitskupplung auf einem konstanten Betrag gehalten.
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Die japanische Offenlegungsschrift Hei 7-165151 (L17, deutsche Übersetzung L18) zeige eine Mehrgangnabe für Fahrräder, bei der eine Servokrafterzeugungseinrichtung zur Unterstützung des Gangwechsels eingesetzt werde. Allerdings sei in der Entgegenhaltung nicht erwähnt, dass es auf die Begrenzung der Servokraft überhaupt ankommen könne. Das Antriebsteil 1 und die Kupplungsklinke 36 seien nur dann in Eingriff, wenn der Schaltvorgang innerhalb der Nabe blockiert sei. Die Flanken der Verzahnung des Antriebselements wiesen unterschiedliche Steigungen auf, so dass sich die Servokraft, selbst wenn die von der Klägerin behauptete Begrenzung im Fall einer nicht vorhandenen Schaltwilligkeit gegeben wäre, periodisch veränderte. Zwar sei angegeben, dass alternativ eine Reibkupplung zwischen dem Antriebsteil 1 und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung 31 vorgesehen werden könne (L18, S. 22); dies bedeute jedoch nicht, dass die Reibkupplung für ein Durchrutschen bei Schaltunwilligkeit ausgelegt sei. Vielmehr werde die Reibkupplung ohne Angabe über besondere Eigenschaften lediglich als Alternative zur Klinkenkupplung erwähnt. Deren Funktion liege darin, den Schaltvorgang durch das Einbringen einer höheren Kraft zu unterstützen, indem die Kupplung zeitweilig automatisch in und außer Eingriff gebracht werde. Damit liege keine permanente Reibverbindung zwischen Antriebsteil und Servokrafterzeugungseinrichtung vor.
Die Mehrgangnabe beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Der Fach46 mann erhalte im Stand der Technik keine Anregung, die Nabe nach der Lehre des Patentanspruchs 22 zu gestalten. Denn in den genannten Entgegenhaltungen werde die Drehmomentübertragungsverbindung ausschließlich im Schaltfall zugeschaltet. Zudem sei bei allen Naben keine kontinuierliche Servokraftbegrenzung im Sinne der Lehre des Streitpatents vorgesehen.
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b) Die Begründung des Patentgerichts hält den Angriffen der Berufung jedenfalls auf der Grundlage des Patentanspruchs 22 in der verteidigten Fassung stand.
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aa) Der Gegenstand von Patentanspruch 22 ist neu (§ 3 PatG).
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(1) Er wird dem Fachmann durch die japanische Offenlegungsschrift Hei 7-165151 nicht offenbart. Wie sich aus den nachfolgend wiedergegebenen Figuren und der Beschreibung der Entgegenhaltung ergibt, lehrt die Entgegenhaltung eine Mehrgangnabe für Fahrräder, die über eine Nabenachse 3, ein Planetengetriebe 10 mit sieben Geschwindigkeitsstufen (vgl. Anlage L 18, Rn. 7), eine dieses umgreifende Nabenhülse 2, einen Antreiber (Kettenrad) 1a zum Antrieb der Nabenhülse, der mit einem der vier Sonneräder 21 bis 24 über schaltbare Sonnenklinken 21a bis 24 a verbindbar ist und einer Steuereinrichtung, die mit der Schalthülse 31 arbeitet. Die Schalthülse 31 ist verdrehbar auf der Nabenachse 3 angeordnet und wird durch ein Ziehen des Kabels 6, das wiederum von einer (nicht gezeigten) Schalthebelvorrichtung ausgeht, verdreht. Miteiner Verdrehung der Schalthülse 31 werden die Klinken 21a bis 24a geschaltet. Die Rückholfeder 32 bewirkt die Entriegelung der Klinken, wenn nur geringe Schaltwiderstände auftreten (vgl. L 18, Rn. 17; Gutachten, S. 29 f.).


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Dass die Steuereinrichtung auch eine Servokrafterzeugungseinrichtung nach Maßgabe des Merkmals g aufweist, entnimmt der Fachmann den nachfolgend gezeigten und durch die Beschreibung weiter erläuterten Figuren 2a und 2b der Entgegenhaltung.


Die Kupplungsklinke 36 wird über den mit dem Kabel 6 verbundenen
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keilförmigen Bolzen (Kabelverbinder 38) von einer gelösten Stellung (Figur 1a) in eine Kontaktstellung mit dem Antriebsteil 1 (Figur 1b) überführt. In der Kon- taktstellung nimmt das (mit dem Kettenrad 1 fest verbundene) Antriebselement 1 den Bolzen 36 mit. Da der Bolzen im Steuerteil 31a geführt ist, bewirkt die Bolzenbewegung eine Drehung des Steuerteils 31a. Das Steuerteil 31a ist der Schaltring des Schalthebels 31, der die Klinken 21a bis 24a der Sonnenräder des Getriebes betätigt (L 18, Rn. 20; Gutachten, S. 30). Die Servokrafterzeugungseinrichtung ist mithin dafür ausgeführt, aus der Drehbewegung des Antriebselements 1 um die Nabenachse eine Servokraft (P) abzuleiten und an der Ausgangsseite zum Verstellen des Schalthebels 31 bereitzustellen. Dabei ist die Servokraft (P) bei hohen Belastungssituationen in der Höhe begrenzt, weil, wie sich dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres aus der Darstellung in den Figuren 2a und 2b erschließt, die Feder 36a so ausgewählt ist, dass bei einer bestimmten höchsten Belastung zwischen der Kupplungsklinke 36 und der inneren Kante der Rippe 1c die Klinke 36 ausweicht und ausklinkt (vgl. Gutachten, S. 34). Der Fachmann erhält jedoch keine Belehrung dahin, eine Reibeinrich52 tung derart in die Erzeugung der begrenzbaren Servokraft (P) einzubeziehen, dass die Ableitung der Servokraft (P) über eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung erfolgt. Eine solche Anordnung ergibt sich zunächst nicht aus dem Hinweis in der japanischen Offenlegungsschrift, dass anstelle der Kupplungsklinke 36 eine Reibkupplung ausgewählt werden kann (L 18, Rn. 21). Denn indem die Reibkupplung die Kupplungsklinke 36 ersetzt, mit der die Servokraft (P) erzeugt werden soll, wird die Reibeinrichtung nicht in die Erzeugung der begrenzbaren Servokraft (P) durch die Servokrafterzeugungseinrichtung einbezogen, sondern tritt an deren Stelle, so dass sich die erfindungsgemäße Lehre insoweit nicht offenbart (Gutachten, S. 35). Aber auch die in den Figuren 2a und 2b gezeigte Klinkenverbindung
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kann nicht als Reibeinrichtung angesehen werden, die derart in die Erzeugung der begrenzbaren Servokraft (P) einbezogen ist, dass die Ableitung der Servokraft (P) über die eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil 1 und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung erfolgt. Wie der gerichtliche Sachverständige in der Verhandlung zutreffend erläutert hat, handelt es sich bei dem Kupplungsmechanismus zwischen dem Antriebsteil 1 und der Kupplungsklinke 36 um eine Kombination von Formschluss und Haftreibung. Entscheidend für die Drehmitnahme der Kupplungsklinke 36 durch das Antriebsteil 1 ist die Anpresskraft der Druckfeder 36a, welche die Klinke 36 im Zustand der Schaltwilligkeit so gegen die Oberfläche 1b des Antriebsteils 1 drückt, dass ein Drehmitnahmeeingriff zwischen der steilen kurzen Schrägfläche 1c und dem Klinkenendabschnitt 36 entsteht. Die von der Rippenschrägfläche auf die Klinke 36 übertragene Drehmitnahmekraft weist eine Komponente in Verschieberichtung der Klinke 36 auf, die der Anpresskraft der Druckfeder 36 entgegenwirkt. Wird die Kraftkomponente in Verschieberichtung der Klinke 36 infolge einer Blockade der Getriebemechanik im Inneren der Nabe so groß, dass sie die Anpresskraft der Druckfeder übersteigt, also Schaltunwilligkeit besteht, gleitet die Klinke 36 aus ihrer Kontaktposition entlang der Schrägfläche der Rippe 1c heraus. Die Schrägfläche der Rippe 1c ist dafür entsprechend flach ausgeformt. Hat die Klinke 36 die höchste Erhebung der Rippe 1c überwunden, gleitet sie weiter entlang der Übertragungsschrägfläche 1b bis zum Kontakt mit der nächsten Rippe 1c weiter. Liegt weiterhin Schaltunwilligkeit vor, wiederholt sich dieser Vorgang. Übersteigt hingegen nunmehr die Anpresskraft der Druckfeder 36 die ihr entgegenwirkende Komponente der Drehmitnahmekraft des Antriebsteils, „rastet“ die Spitze der Kupplungsklinke 36 wieder an der Rippe 1c ein (vgl. L 18, Rn. 18). Die Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil 1 und der
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Kupplungsklinke 36 wird demnach bei der Entgegenhaltung durch ein Formgehemme (vgl. dazu allgemein: Werner Krause, Konstruktionselemente der Fein- mechanik, 3. Auflage 2004, S. 447, 9.1.1) gebildet, bei dem zwar die Reibungsverhältnisse für den Vorgang des Ein- und Auskuppelns entscheidend sind, bei dem aber im eingekuppelten (eingerasteten) Zustand die Kraftübertragung im Wesentlichen durch Formschluss erfolgt. Daher kann in der in den Figuren 2a und 2b der japanischen Offenlegungsschrift offenbarten Klinkenkupplung keine Reibeinrichtung gesehen werden, bei der die Ableitung der Servokraft über eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung erfolgt, wie in den Merkmalen g3 und h vorgesehen.
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(2) Die europäische Patentschrift 658 475 (L 19, deutscheÜbersetzung L 20) offenbart den Gegenstand des Patentanspruchs 22 in der von der Beklagten verteidigten Fassung gleichfalls nicht. In der Entgegenhaltung werden zwei Ausführungsbeispiele für Mehr56 gangnaben für Fahrräder mit einer Servokrafterzeugungseinrichtung beschrieben und gezeigt (L 19, Figur 7 und Figuren 8 bis 10). Das erste Ausführungsbeispiel entspricht dem nach der vorgenannten japanischen Offenlegungsschrift , so dass es insoweit keinen weiteren Ausführungen bedarf. Aber auch das zweite Ausführungsbeispiel der Vorveröffentlichung offenbart eine Klinkenverbindung , die nicht als Reibeinrichtung im Sinne der Merkmale g3 und h angesehen werden kann. Figur 10 der Vorveröffentlichung, die nachfolgend wiedergegeben ist,
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zeigt zwei Kupplungsklinken 180, die jeweils drehbar auf einem Drehzapfen 181 angeordnet sind und auf denen jeweils über eine Klinkenfeder 182 ein Drehmoment von dem Antriebsteil 1 entgegen dem Urzeigersinn in Richtung der Zähne 1Z wirkt.


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Geschaltet wird die Klinkenverbindung über die Klinkenpresser 162. Wenn die Klinken geschaltet sind, aber das Grenzdrehmoment noch nicht erreicht ist, wird die Klinke 180 durch die von der jeweiligen Klinkenfeder 182 ausgeübte Eindrückkraft in Richtung radial nach außen in ihrer Eingriffsposition an der Verzahnungsschrägfläche des Antriebteils 1 gehalten. Ist jedoch das Grenzdrehmoment erreicht und ist deshalb die an der kurzen Verzahnungsschrägfläche auf das jeweilige Klinkenende ausgeübte Abweisekraft in Richtung nach radial innen größer als die von der jeweiligen Klinkenfeder, wird die Klinke aus der Eingriffsposition an der Verzahnung des Antriebsteils gedrückt und damit entkoppelt. Bei der Kupplung handelt es sich also - wie bei dem ersten Ausführungsbeispiel der europäischen Patentschrift und dem Ausführungsbeispiel der genannten japanischen Offenlegungsschrift - um ein Formgehemme, so dass - entsprechend der Erläuterungen zu der japanischen Offenlegungsschrift - keine Reibeinrichtung im Sinne der Lehre aus Patentanspruch 22 des Streitpatents offenbart wird. (3) Die Nabe SG-4 R 35, die nach den von der Beklagten bestrittenen
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Behauptungen der Klägerin vor dem Anmeldetag des Streitpatents serienmäßig hergestellt und weltweit vertrieben worden sein soll (Anlagen L 5 bis L 16, Originalnabe , Anlage E 8), entspricht im Wesentlichen dem zweiten Ausführungsbeispiel des europäischen Patents 658 475 (vgl. Gutachten, S. 46 f.), so dass auf die dortigen Erläuterungen verwiesen werden kann. bb) Der Gegenstand von Patentanspruch 22 in der erteilten Fassung
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ergibt sich für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (§ 4 PatG). Es ist von der Klägerin nicht aufgezeigt worden und auch sonst nicht er61 sichtlich, dass der Stand der Technik eine Anregung enthalten hat, die in den Entgegenhaltungen L 17 und L 19 sowie der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung durch die Nabe SG-4 R 35 realisierten Klinkenkupplungen mit einem Formgehemme durch eine Reibeinrichtung im Sinne der Merkmale g3 und h der erfindungsgemäßen Lehre zu ersetzen. Auch auf der Grundlage des europäischen Patents 803 430, das als
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Stand der Technik in der Beschreibung des Streitpatents berücksichtigt worden ist, konnte der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand von Patentanspruch 22 in der verteidigten Fassung gelangen. Die Entgegenhaltung offenbart dem Fachmann jedenfalls nicht, eine Reibeinrichtung vorzusehen, die derart in die Erzeugung der begrenzbaren Servokraft einbezogen ist, dass die Ableitung der Servokraft über eine reibschlüssige Drehmitnahmeverbindung zwischen dem Antriebsteil und der Eingangsseite der Servokrafterzeugungseinrichtung erfolgt. Zudem ergibt sich aus der Schrift nicht, dass der Zustand der begrenzten Servokraft bis zur eintretenden Schaltwilligkeit des Schaltelements erhalten bleiben soll. Entgegen der Ansicht der Klägerin haben den Fachmann auch nicht seine im Studium erworbenen Grundkenntnisse über Konstruktionselemente zu einer entsprechenden Lösung geführt. Zwar waren Schlingfederkupplungen zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents allgemein in Lehrbüchern beschrieben. Es fehlt aber jeder Anhalt dafür, dass der Fachmann dadurch dazu angeregt wurde, eine solche im Sinne der Lehre aus Patentanspruch 22 in der verteidigten Fassung einzusetzen. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. §§ 97
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Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Grabinski Hoffmann

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 17.10.2007 - 1 Ni 17/07 -

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2011 - X ZR 144/07 zitiert 8 §§.

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 21


(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß 1. der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,2. das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,3. der w

Patentgesetz - PatG | § 4


Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese

Patentgesetz - PatG | § 3


(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

Patentgesetz - PatG | § 1


(1) Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. (2) Patente werden für Erfindungen im Sinne von Absatz 1 auch dann erteilt,

Patentgesetz - PatG | § 22


(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist. (2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

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Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2009 - X ZR 153/04

bei uns veröffentlicht am 21.04.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 153/04 Verkündet am: 21. April 2009 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

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bei uns veröffentlicht am 16.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkün in der Patentnichtigkeitssache X ZR 226/02 Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Sammelhefter II PatG § 21 Abs. 1 Nr. 4, § 38; ZPO § 69 a) Wird von mehreren, ein Ausführungsbeispiel der

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Dez. 2009 - X ZR 28/06

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 28/06 Verkündet am: 22. Dezember 2009 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

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(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

(2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß

1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,
2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,
3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 153/04 Verkündet am:
21. April 2009
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Druckmaschinen-Temperierungssystem II
EPÜ Art. 138 Abs. 1 lit. c, Art. 69 Abs. 1; PatG § 21 Abs. 1 Nr. 4, § 14 Abs. 1
Der Gegenstand des Patents geht nicht schon dadurch über den Inhalt der Anmeldung
hinaus, dass er mit Begriffen gekennzeichnet ist, die in den Anmeldungsunterlagen
als solche nicht verwendet worden sind, insbesondere, wenn damit längere
Umschreibungen in den ursprünglich eingereichten Unterlagen zusammenfassend
oder schlagwortartig umschrieben werden.
BGH, Urteil vom 21. April 2009 - X ZR 153/04 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Keukenschrijver, Dr. Lemke, Gröning und Dr. Berger

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Juli 2004 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert: Das europäische Patent 602 312 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 11 sowie 13 und 14, letztere soweit sie nicht auf Patentanspruch 12 zurückbezogen sind, für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung dieser Patentansprüche hinausgeht: 1. Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine, mit folgenden Merkmalen: 1.1. es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrichtungen vorgesehen, von welchen eine eine Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung (120, 146, 142, 184, 174, 162, 138, 134, 132) zum Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser (124) auf den betreffenden Rotationskörper (6, 122) der Druckmaschine und die andere eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung (2, 107, 80, 82, 85, 88, 91) zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwas- ser und der Oberfläche einer Farbverreiberwalze (107) der Druckmaschine ist; 1.2. die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung enthält einen ersten Vorratsbehälter (132) für das Feuchtwasser (124); 1.3. die Kaltwasser-Kühlvorrichtung enthält einen zweiten Vorratsbehälter (80) für das Kaltwasser (130); 1.4. eine Kühlanlage (190) mit einem einzigen Kälteerzeuger (192, 194, 196, 202, 204, 208) zur Kühlung von Kältemittel und mit einer Wärmetauschervorrichtung (82, 83, 84, 88, 140, 93 und 140, 180, 162, 139, 138, 158, 174, 176) zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser (124) sowie zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser (130); 1.5. Mittel (66, 82, 86, 114, 138, 146, 184) zum wahlweisen Umschalten zwischen der Betriebsart 'FeuchtwasserOffsetdruck' unter Verwendung der FeuchtwasserAuftragsvorrichtung mit oder ohne gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung und der Betriebsart 'wasserloser Offsetdruck' unter Verwendung der Kaltwasser -Kühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die FeuchtwasserAuftragsvorrichtung.
2. Temperierungssystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Wärmetauschervorrichtung mindestens zwei Wärmetauscher (84, 140) enthält, die vom Kältemittel des Kälteerzeu- gers (192, 194, 196, 202, 204, 208) durchströmt werden, dass mindestens einer der Wärmetauscher (84) vom Kaltwasser (Leitungen 83, 85) durchströmt wird und einen Wärmeaustausch zwischen dem Kaltwasser und dem Kältemittel erzeugt, und dass mindestens ein anderer der Wärmetauscher (140) vom Feuchtwasser (Leitungen 139, 180) durchströmt wird und einen Wärmeaustausch zwischen dem Feuchtwasser und dem Kältemittel erzeugt.
3. Temperierungssystem nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Kälteerzeuger einen Kältemittelkreislauf (192, 194, 196, 222) aufweist, welcher mit zwei zueinander parallelen Kältemittelzweigen (198, 199) versehen ist, durch welche gekühltes Kältemittel strömt, dass jeder Kältemittelzweig Mittel (202, 204) zur Einstellung des Kältemitteldurchlasses enthält, dass der eine Kältemittelzweig (198) in Wärmeaustausch (84) mit dem Kaltwasser und der andere Kältemittelzweig (199) in Wärmeaustausch (140) mit dem Feuchtwasser ist.
4. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass mindestens einem der beiden Vorratsbehälter (80, 132) Mittel (91, 138, 66) zur Aufrechterhaltung eines bestimmten Niveaus oder Niveaubereiches an darin enthaltenem Kaltwasser oder Feuchtwasser zugeordnet sind.
5. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , gekennzeichnet durch eine, einen Mikrocomputer enthaltende elektronische Steuereinrichtung (66) zur Steuerung oder Regelung der Temperatur des Feuchtwassers und/oder des Kaltwassers mittels der Kühlanlage (190) in Abhängigkeit von einer Temperatur (68, 208, 214).
6. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass ein Kaltwasserkreislauf (80, 82, 83, 84, 85, 2, 107, 88) zur Rezirkulation des Kaltwassers vom ersten Vorratsbehälter (80) über die Kühlanlage (190) zu einer KaltwasserWärmeaustauschvorrichtung (2) der betreffenden Farbverreiberwalze (107) und wieder zurück zum ersten Vorratsbehälter (80), vorgesehen ist.
7. Temperierungssystem nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Kaltwasserkreislauf (80, 84, 85, 2, 107, 88) eine aus dem ersten Vorratsbehälter (80) Kaltwasser herausfördernde erste Pumpe (82) aufweist, und dass stromabwärts der Pumpe (82) eine Entlüftungsleitung (92) an den Kaltwasserkreislauf angeschlossen ist, welche in den ersten Vorratsbehälter (80) für Kaltwasser mündet.
8. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass ein Feuchtwasserkreislauf (132, 138, 139, 140, 180, 142, 170, 146, 120, 150, 154, 158) zur Rezirkulation des Feuchtwassers vom zweiten Vorratsbehälter (132) über die Kühlanlage (190) zu dem betreffenden Rotationskörper (6, 122) und wieder zurück zum zweiten Vorratsbehälter (132), vorgesehen ist.
9. Temperierungssystem nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Feuchtwasserkreislauf (132, 138, 139, 140, 180, 142, 170, 146, 120, 150, 154, 158) eine Feuchtwasser aus dem zweiten Vorratsbehälter (132) herausfördernde zweite Pumpe (138) aufweist, und dass von einer stromabwärts der Kühlanlage (190) gelegenen Stelle aus eine Bypassleitung (182) in den zweiten Vorratsbehälter (132) zurückführt, über welche das Feuchtwasser wahlweise in den zweiten Vorratsbehälter (132) statt zu dem zu befeuchtenden Rotationskörper (6, 122) zurückgeführt werden kann.
10. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass die Temperatur und/oder Strömungsgeschwindigkeit des Kaltwassers in Abhängigkeit von einem Temperatur-Sollwert und dem jeweiligen Temperatur-Istwert einer Druckplattenober- fläche (4) eines Druckplattenzylinders (6) eingestellt oder geregelt wird.
11. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass Kaltwasser (130) aus dem ersten Vorratsbehälter (80) über einen weiteren Wärmetauscher (52) einer Blasluftkühlvorrichtung (2) zur Kühlung von Luft, welche auf den betreffenden Rotationskörper (6) geblasen wird, und alternativ oder gleichzeitig zu Farbverreiberwalzen (107) eines Farbwerkes (106), welches Druckfarbe von einer Farbquelle (108) auf die Druckplattenoberfläche (4) überträgt, zu ihrer Kühlung zugeführt werden kann.
13. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Vorratsbehälter (80) und der zweite Vorratsbehälter (132) je mindestens einen Flüssigkeits-Niveausensor (91, 134) enthalten, der in Abhängigkeit vom Flüssigkeitsniveau ein Signal erzeugt.
14. Temperierungssystem nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Wärmetauschervorrichtung der Kühlanlage (190) mindestens zwei Wärmetauscher (84, 140) aufweist, die im Kältemittelkreislauf parallel zueinander geschaltet sind und deren Kältemittelströmung unabhängig voneinander einstellbar oder regelbar (202, 208, 204, 214) ist, und zwar für jeden dieser Wärmetauscher (84, 140) in Abhängigkeit von einem eigenen Temperatur-Sollwert, dass mindestens einer (84) dieser Wärmetauscher zur Kühlung des Kaltwassers (130) und mindestens ein anderer (140) dieser Wärmetauscher zur Kühlung des Feuchtwassers (124) dient.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin neun Zehntel und die Beklagte ein Zehntel.
Von Rechts wegen

Tatbestand:



1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 602 312 (Streitpatents), das als Teilanmeldung zu der europäischen Stammanmeldung 553 447 (im Folgenden nur: Anmeldung) unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 4 202 544 vom 30. Januar 1992 angemeldet worden ist. Es umfasst 14 Ansprüche, deren erster in der Verfahrenssprache lautet: "Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine, mit folgenden Merkmalen: 1.1 es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrichtungen vorgesehen, von welchen eine eine Feuchtwasser -Auftragsvorrichtung (120, 146, 142, 184, 174, 162, 138, 134, 132) zum Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser (124) auf den betreffenden Rotationskörper (6, 122) der Druckmaschine und die andere eine KaltwasserKühlvorrichtung (2, 107, 80, 82, 85, 88, 91) zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche des betreffenden Rotationskörpers (6, 107) der Druckmaschine ist; 1.2 die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung enthält einen ersten Vorratsbehälter (132) für das Feuchtwasser (124); 1.3 die Kaltwasser-Kühlvorrichtung enthält einen zweiten Vorratsbehälter (80) für das Kaltwasser (130); 1.4 eine Kühlanlage (190) mit einem einzigen Kälteerzeuger (192, 194, 196, 202, 204, 208) zur Kühlung von Kältemittel und mit einer Wärmetauschervorrichtung (82, 83, 84, 88, 140, 93 und 140, 180, 162, 139, 138, 158, 174, 176) zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser (124) sowie zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser (130); 1.5 Mittel (66, 82, 86, 114, 138, 146, 184) zum wahlweisen Umschalten zwischen der Betriebsart 'FeuchtwasserOffsetdruck' unter Verwendung der FeuchtwasserAuftragsvorrichtung mit oder ohne gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung und der Betriebsart 'wasserloser Offsetdruck' unter Verwendung der KaltwasserKühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung."
2
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 14 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
3
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei unzulässig erweitert worden; seine Lehre sei aufgrund offenkundiger Vorbenutzung eines Temperierungssystems mit einer Kälteanlage durch sie, die Klägerin, nicht patentfähig, sie sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dafür hat sie sich unter anderem auf die deutschen Offenlegungsschriften 1 953 590 und 28 49 286 berufen.
4
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 11 sowie 13 und 14, sofern nicht unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 12 bezogen, für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
5
Durch das angefochtene Urteil hat das Bundespatentgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent beschränkt in der aus der Urteilsformel ersichtlichen Fassung und mit Hilfsanträgen , wegen deren Wortlauts auf die korrigierten Anlagen ihres Schriftsatzes vom 17. April 2009 Bezug genommen wird.
6
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. B. W. , Universität S. , ein schriftliches Gutachten erstellt, welches er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Beide Parteien haben Privatgutachten eingereicht , die Klägerin ein solches von Prof. Dr.-Ing. H. , die Beklagte ein Gutachten von Dr.-Ing. B. .

Entscheidungsgründe:



7
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als das in zulässiger Weise beschränkt verteidigte Streitpatent im Umfang des Angriffs der Nichtigkeitsklage ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären ist, soweit es über die verteidigte Fassung hinausgeht (st. Rspr., vgl. BGHZ 170, 215 ff. - Carvedilol II). Im Übrigen war das Rechtsmittel zurückzuweisen.
8
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine. Die Druckwerke solcher Maschinen müssen im Betrieb gekühlt werden. Das kann der Streitpatentschrift zufolge auf verschiedene Weise geschehen, nämlich indem Blasluftkühlvorrichtungen Kaltluft an die Oberfläche der zylindrischen, rotierenden Druckplatten blasen, indem die Farbverreiberwalzen innen mit Kühlflüssigkeit durchströmt werden oder (gekühlte) Befeuchtungsflüssigkeit auf die Oberfläche der Druckplatte aufgebracht wird.
9
Die Beschreibung gibt als Aufgabe der Erfindung an, das Temperierungssystem so auszubilden, dass das Druckwerk der Maschinen wahlweise mit einer dieser Kühlungsmodalitäten, kombiniert mit zweien davon oder mit allen zusammen betrieben werden kann. Dies soll ohne umfangreiche Baumaßnahmen , vorzugsweise auf einfache Weise durch Umschalten von Ventilen und ohne den Aus- oder Umbau von Maschinenteilen, erfolgen. Außerdem soll das System preiswert hergestellt werden können und der zum Betrieb erforderliche Energieaufwand in jeder der drei Modalitäten gering sein.
10
2. Dafür schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 in der hauptsächlich verteidigten Fassung ein Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine vor (ohne Bezugszeichen) mit 1. mindestens zwei verschiedenen Arten von Kühlvorrichtungen , 1.1 wovon die eine eine Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung durch Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser auf den betreffenden Rotationskörper der Druckmaschine und 1.2 die andere eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche einer Farbverreiberwalze ist, wobei 2.1 die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung einen ersten Vorratsbehälter für das Kühlwasser und 2.2 die Kaltwasser-Kühlvorrichtung einen zweiten Vorratsbehälter für das Kaltwasser enthält, mit 3. einerKühlanlage 3.1 mit einem einzigen Kälteerzeuger und 3.2 mit einer Wärmetauschervorrichtung zum Wärmeaustausch zwischen 3.2.1 dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser sowiezwischen 3.2.2 dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser undmit 4. Mitteln zum wahlweisen Umschalten zwischen 4.1 der Betriebsart "Feuchtwasser-Offsetdruck" unter Verwendung der Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung 4.1.1 mit gleichzeitiger Kühlung durch oder 4.1.2 ohne gleichzeitige Kühlung durch die KaltwasserKühlvorrichtung 4.2 und der Betriebsart "wasserloser Offsetdruck" unter Verwendung der Kaltwasser-Kühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die FeuchtwasserAuftragsvorrichtung.
11
3. Dazu sind folgende Erläuterungen angezeigt.
12
a) Beim "Feuchtwasser-Offsetdruck" (auch: Nassoffset) handelt es sich um das zum Prioritätszeitpunkt herkömmliche und damals vorherrschende Offset -Druckverfahren, bei dem die Druckplatte vor dem Druck mit einer (kühlbedürftigen ) Flüssigkeit, regelmäßig Wasser, dem Alkohol zugesetzt wird, und die das Streitpatent als "Feuchtwasser" bezeichnet, benetzt wird. Beim Offsetdruck, einem Flachdruckverfahren, sind die Bereiche, die Druckfarbe übertragen sollen , relativ lipophil und die Bereiche der Druckplattenoberfläche, die keine Druckfarbe übertragen sollen, relativ hydrophil und lipophob gehalten. Nach dem Auftragen des Feuchtwassers benetzen sich dementsprechend nur die lipophilen Bereiche der Druckplatte mit der öligen Offsetdruckfarbe, während der aufgetragene Feuchtmittelfilm in den hydrophilen Bereichen ausreichend stabil ist, um eine Benetzung mit der Druckfarbe zu verhindern.
13
b) Beim "wasserlosen Offsetdruck" im Sinne von Merkmal 4.2 der Merkmalsgliederung werden die nicht druckenden Stellen im Allgemeinen von einem Silikongummi gebildet. "Feuchtwasser" kommt dann nicht zum Einsatz. Der wasserlose Offsetdruck ist zwar seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts bekannt , konnte sich aber, auch nachdem das japanische Unternehmen Toray in den 70er Jahren mit der - in der Streitpatentschrift erwähnten und für dieses Verfahren speziell konzipierten - Toray-Druckplatte hervorgetreten war, bis zum Prioritätstag nur in Spezialsegmenten erfolgreich behaupten.
14
c) Der Wortlaut des verteidigten Patentanspruchs 1 weist dem "wasserlosen Offsetdruck" allein die innenseitige Kühlung der Farbverreiberwalzen mit hindurchströmender Kühlflüssigkeit zu, die in der Streitpatentschrift als "Kaltwasser" bezeichnet ist und für die Wasser verwendet wird, welches mit Zusatzmitteln versetzt sein kann (Merkmale 1.2, 4.2). Eine Blasluftkühlung mit Hilfe von Kaltwasser ist mithin nicht Voraussetzung für die Verwirklichung der Erfindung nach dem verteidigten Patentanspruch 1.
15
Angesichts dessen kann keine entscheidende Bedeutung für die Auslegung des Patents dem Umstand zukommen, dass die Blasluftkühlung in den Ausführungsformen mitbeschrieben war und ist. Damit wird die Erfindung lediglich in ihren gesamten Möglichkeiten dargestellt. Die Schlussfolgerung, die Blasluftkühlung müsse notwendig vorhanden sein, kann deshalb ebenso wenig gezogen werden, wie dies aus dem Umstand hervorgeht, dass die diesem Element zugeordnete Bezugsziffer (2) bei den Bezugszeichen für die Kaltwasser -Kühlvorrichtung aufgeführt ist. Dies dient der Vollständigkeit der Beschrei- bung, erlaubt aber ebenfalls nicht die Auslegung, dass eine Blasluftkühlung notwendig vorhanden sein muss.
16
d) Die Bezeichnung des Feuchtwasser- bzw. wasserlosen Offsetdrucks als "Betriebsart" in Patentanspruch 1 ist im Lichte des Gegenstands des Anspruchs zu sehen, der sich auf ein Druckmaschinen-Temperiersystem beschränkt , das unter Verwendung der Feuchtwasser-Auftrags- bzw. der Kaltwasserkühlvorrichtung (Merkmale 4.1, 4.2) betrieben wird. Die Übertragung des Druckbilds auf den Druckträger, namentlich die Umrüstung der auf den Druckzylinder aufgebrachten, jeweils nur für den Feuchtwasser- oder den wasserlosen Druck geeigneten Druckplatten oder gar der Druckbetrieb selbst, also die Herstellung von Druckerzeugnissen, ist vom Gegenstand der Erfindung nicht eingeschlossen.
17
II. Der Gegenstand des Streitpatents geht nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (Art. 138 Abs. 1 lit. c, 2. Alt. EPÜ) hinaus.
18
1. Das betrifft zum einen die Kennzeichnung beanspruchter Vorrichtungsteile als "Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung", "KaltwasserKühlvorrichtung" und "Kälteerzeuger". Denn der Inhalt einer Anmeldung wird nicht schon dadurch erweitert, dass der Gegenstand des erteilten Schutzrechts mit Begriffen umschrieben ist, die in den Anmeldungsunterlagen als solche nicht benutzt worden sind. Das gilt namentlich dann, wenn damit längere Umschreibungen in den Anmeldungsunterlagen zusammenfassend oder schlagwortartig bezeichnet werden. Entscheidend ist, dass diesen Oberbegriffen oder Schlagworten in den Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend behandelte Elemente eindeutig und in der Weise lückenlos und abschließend zugeordnet sind, dass keine Auslassungen oder Hinzufügungen vorliegen. Solche Erweiterungen zeigt die Berufung nicht auf und sie sind auch nicht erkennbar. Vielmehr lassen sich den beanstandeten Begriffen die dazu korrespondierenden Angaben in den Anmeldungsunterlagen eindeutig zuordnen.
19
Die "Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung" dient, wie der Begriff es erwarten lässt, der Aufbringung der für den Nassoffsetdruck erforderlichen gekühlten Flüssigkeit auf die Druckkörperoberfläche. Welche Merkmale sie aufweist, erschließt sich dem Fachmann aus den Anmeldungsunterlagen einschließlich der Figuren, insbesondere der Figur 2 (Feuchtwasserwanne und -vorlauf- sowie Entlüftungsleitung [120, 142, 174], zweite Pumpe [138], zweiter Vorratsbehälter [132], Ventile [146, 184], Alkohol- und Niveausensor [162, 134]).
20
Der Begriff "Kaltwasser-Kühlvorrichtung" fasst in gleicher Weise ursprungsoffenbarte Lösungsmittel zusammen. Diese Vorrichtung bezieht sich auf die Kühlung mittels Blasluft-Kühlvorrichtung 2 und die Kühlung der Farbverreiberwalzen 107 (Sp. 7 Z. 50 ff.), deren Versorgung mit "Kaltwasser" der erste Vorratsbehälter 80 zugeordnet ist, von dem aus das Kühlmedium mithilfe der Pumpe 82 über die Kaltwasservorlaufleitung 85 an die Kühlungsorte gepumpt wird und wohin es über die Kaltwasserrücklaufleitung zurückfließt, wobei das Kaltwasserniveau im Behälter mit einem Niveausensor 91 überwacht wird (Sp. 5 Z. 58 übergreifend Sp. 6 Z. 1 ff.; Z. 56; Sp. 7 Z. 36 ff.).
21
Der Begriff "Kälteerzeuger" wird in Anspruch 1 als Synonym für den in den Anmeldungsunterlagen offenbarten "einzigen Kältemittelkreislauf" verwendet. Die deckungsgleiche Zuordnung der jeweiligen Merkmale ergibt sich aus den übereinstimmend verwendeten Bezugszeichen (vgl. Anmeldung Sp. 10 Z. 14 ff.).
22
2. Der Gegenstand des Streitpatents ist ferner nicht dadurch unzulässig erweitert, dass die Blasluftkühlung lediglich fakultativ vorgesehen ist. Dem stehen nicht die soeben gemachten Ausführungen zur "Kaltwasser-Kühlvorrichtung" und deren Offenbarung in den Ursprungsunterlagen entgegen. Von der Frage, welche Elemente dem Begriff der Kaltwasser-Kühlvorrichtung zugeordnet werden können, zu trennen ist die Frage, ob zu einem Temperierungssystem , so wie es Gegenstand der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist, notwendig eine Blasluftkühlung gehört oder ob danach lediglich vorgesehen ist, dass neben der Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung eine KaltwasserKühlvorrichtung vorhanden ist, die allein in der Kühlung der Farbverreiberwalzen bestehen kann. Letzteres ist der Fall.
23
a) Für die Beantwortung kommt es nicht auf die etwaigen subjektiven Vorstellungen des Erfinders bzw. Anmelders an - für die der Betrieb des Temperatursystems mit einer Blasluft-Kühlvorrichtung nach den Umständen im Zeitpunkt der Stammanmeldung durchaus im Vordergrund gestanden haben mag -, sondern maßgeblich ist allein der objektive Gehalt der Anmeldungsunterlagen. Deren Auslegung (vgl. dazu Sen.Beschl. v. 8.7.2008 - X ZB 13/06, GRUR 2008, 887 - Momentanpol II) ergibt, dass die Blasluft-Kühlvorrichtung nicht zwingend zu jedem patentgemäßen Temperierungssystem gehört.
24
b) Die Kühlungsmöglichkeiten beim wasserlosen Offsetdruck sind in den Anmeldungsunterlagen so dargestellt, dass die Oberfläche der Druckplatte dabei entweder durch Blasluft- oder durch Kaltwasserkühlung der Farbverreiberwalzen oder durch beide Systeme zugleich gekühlt werden kann (vgl. Sp. 7 Z. 31 ff.: "Die Oberfläche 4 der Druckplatten 6 kann durch Luft 40, 41, 42 der Blasluftkühlvorrichtung 2 und/oder durch Kaltwasserkühlung der Farbverreiberrollen gekühlt…werden"). Dabei versteht der Fachmann eine Kühlung der Ober- fläche der (auf den Druckzylinder aufgespannten) Druckplatten durch Kaltwasserkühlung der Farbverreiberwalzen als mittelbare Übertragung von Kälte von einem auf einen anderen Rotationskörper oder über mehrere solche Körper hinweg.
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Somit stehen nach der Anmeldung Blasluftkühlung und Kühlung der Farbverreiberwalzen für sich wahlweise auch einzeln als KaltwasserKühlvorrichtungen zur Verfügung. Das kommt in den Anmeldungsunterlagen im Übrigen auch an anderer Stelle zum Ausdruck (Sp. 8 Z. 7 ff.), wodurch unterstrichen wird, dass der Einsatz einer Blasluftkühlung für ein patentgemäßes Temperierungssystem nicht konstitutiv ist. Damit stimmt schließlich überein, dass auch der gerichtliche Sachverständige die Blasluftkühlung im wasserlosen Offsetdruck technisch nicht als unabdingbar erforderlich ansieht. Die europäische Teilanmeldung kann für einen Gegenstand eingereicht werden, der nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinausgeht (Art. 76 Abs. 1 Satz 2 EPÜ). Wie oben dargelegt (I 3 d), ergibt die Auslegung der Anmeldungsunterlagen , dass die Betriebsart der Blasluft-Kühlvorrichtung schon danach nur fakultativ vorgesehen war.
26
3. Die Ursprungsanmeldung ist auch nicht durch Eröffnung einer vierten Kühlbetriebsart, nämlich die Kombination des Feuchtwasser-Offsetdrucks mit gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung (Merkmal 4.1.1), erweitert. Allerdings sind in der Beschreibung ausdrücklich nur drei Druckarten erwähnt (Sp. 8 Z. 6 ff.). Zum Offenbarungsgehalt gehört aber auch, was der Fachmann aus den Zeichnungen als zu der angemeldeten Erfindung gehörend erfährt. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, schließt der Fachmann aus der schematischen Darstellung des gesamten Systems in Figur 2 und dabei insbesondere aus dem Umstand, dass an den Vor- laufleitungen zwischen Vorratsbehältern und Kühlvorrichtungen Ventile angebracht sind, dass gleichzeitig die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung und die Kaltwasserkühlung bei dem Nassoffsetdruck genutzt werden kann, der nach der angemeldeten Erfindung möglich ist. Nur dies steht im Übrigen auch im Einklang mit den Erkenntnissen, die der Stand der Technik bot, weil bereits in der 1971 veröffentlichten deutschen Offenlegungsschrift 1 953 590 als nachteilig beschrieben ist, entweder nur die Temperatur des Befeuchtungsmittels oder die bestimmter Walzen des Farbwerks zu beeinflussen, und vorgeschlagen wird, neben der Temperierung des Feuchtwassers auch die der Farbverreiberund /oder Auftragswalzen zu steuern und zu regeln.
27
4. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, die "Mittel zum Umschalten" (Merkmal 4) seien in der Stammanmeldung nicht offenbart. Dieses Merkmal definiert ebenfalls eindeutig die zugeordneten Elemente, deren ursprüngliche Offenbarung die Klägerin nicht in Zweifel zieht. Ob und inwieweit der Fachmann imstande ist, anhand dieser Angaben das wahlweise Umschalten zwischen den verschiedenen Betriebsarten nachzuarbeiten, ist keine Frage der unzulässigen Erweiterung, sondern allenfalls eine solche der nicht hinreichend deutlichen und vollständigen Offenbarung (dazu unten III 2).
28
5. Der Gegenstand des Streitpatents ist schließlich nicht durch die einleitende Bezeichnung als "Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine" anstelle des ursprünglich verwendeten Begriffs "Druckplatten-Temperierungssystem für eine Druckmaschine" erweitert. Denn der nunmehr gewählten - wie übrigens auch der ursprünglichen - Bezeichnung kommt kein eigener Kennzeichnungsgehalt zu; sie beinhaltet keine Handlungsanweisung , die über das hinausginge, was die oben aufgeführten und - wie ausgeführt - bereits zur Anmeldung gehörenden Merkmale nicht ohnehin defi- nierten. Insbesondere auch die Wortwahl "Rotationskörper" ist durch die Anmeldungsunterlagen gedeckt, weil sowohl bei dem angemeldeten Gegenstand als auch nach dem nunmehr verteidigten Anspruch nicht nur die Druckplatte an der Kühlung teilhaben kann.
29
III. Die Klägerin stützt die Nichtigkeitsklage im Zusammenhang mit der Merkmalsgruppe 4 im Berufungsrechtszug erstmals auch auf den Nichtigkeitsgrund der unzureichenden Offenbarung der Erfindung (Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ; Art. 2 § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG). Die darin liegende Klageänderung (Keukenschrijver , Nichtigkeitsverfahren, 3. Aufl. Rdn. 127, 244 m.w.N.) ist als sachdienlich zuzulassen.
30
1. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, weil nicht offenbart sei, auf welche Weise im Zusammenhang mit einem wahlweisen Umschalten zwischen Betriebsarten (Merkmalsgruppe 4) der dazu ebenfalls erforderliche Wechsel der Druckplatten vom Feuchtwasser- zum wasserlosen Offsetdruck bewerkstelligt werden solle. Wie ausgeführt (oben I 3 d), ist Gegenstand des Streitpatents allein die Bereitstellung eines DruckmaschinenTemperierungssystems , welches unter anderem derart ausgebildet sein soll, dass in kurzer Zeit und ohne umfangreiche Baumaßnahmen von der einen Betriebsart auf eine andere umgestellt werden kann (europäische Patentanmeldung 553 447 Sp. 1 Z. 33 ff.). Die Bestimmung "zum wahlweisen Umschalten" in der Merkmalsgruppe 4 bringt dementsprechend lediglich zum Ausdruck, dass auf den Druckbetrieb mit der einen oder anderen Kühlungstechnik soll umgestellt werden können. Maßnahmen zur Umstellung des Druckvorgangs als solchen müssen deshalb nicht offenbart werden.
31
2. Die Erfindung ist nicht deshalb unzureichend offenbart, weil nicht ausgeführt ist, welche Mittel letztlich das Umschalten zwischen den verschiedenen Kühlbetriebsarten bewirken. Das Erfordernis der ausführbaren Offenbarung bedeutet nicht, dass die Lehre alle im Einzelnen zur Erreichung des erfindungsgemäßen Ziels erforderlichen Schritte detailliert beschreiben müsste. Es reicht aus, wenn dem Fachmann ein generelles Lösungsschema an die Hand gegeben wird. Unschädlich ist, wenn er bei der Nacharbeitung auf Unvollkommenheiten stößt, die er als solche erkennt und mit Hilfe seines Wissens im Sinne der Erfindung überwinden kann, ohne selbst erfinderisch tätig werden zu müssen (vgl. Sen.Urt. v. 4.11.2008 - X ZR 154/05, Tz. 20 m.w.N.). So verhält es sich hier. Als Umschaltmittel sind ein Mikrocomputer der Steuereinrichtung (66) und die damit regelbaren Ventile (86, 114, 146, 184) sowie eine zweite Pumpe (138) vorgesehen. Der Fachmann schloss daraus, dass das Umschalten durch regelungstechnische Maßnahmen, namentlich durch entsprechende Programmierung des Mikrocomputers der Steuerungseinheit, erreicht werden sollte. Die dafür erforderlichen Schritte vermochte er am Prioritätstag, gegebenenfalls mit Unterstützung durch einen Regelungstechniker, ohne Entfaltung erfinderischer Tätigkeit zu vollziehen.
32
IV. Der Gegenstand des Streitpatents ist patentfähig (Art. 52 ff. EPÜ).
33
1. Der Gegenstand des Streitpatents ist neu (Art. 54 EPÜ).
34
Die deutsche Offenlegungsschrift 1 953 590 offenbart jedenfalls keine Kühlanlage mit einem einzigen Kälteerzeuger (Merkmal 4). Das Gleiche gilt für den Prospekt "Sulzer - Kältezentrum" (Anl. K 6). Der Prospekt von technotrans für Kältezentralen für Offsetrotationen (Anl. K 7) offenbart jedenfalls nicht die Merkmalsgruppe 4. Die deutsche Offenlegungsschrift 28 49 286 bezieht sich auf eine Kühlvorrichtung für flüssige Schmier-, Arbeits- und/oder Kühlmittel, die schon die druckmaschinenspezifischen Merkmale 1.1 und 1.2 und darüber hinaus auch nicht die Merkmalsgruppe 4 aufweist. Das Wasserkreislaufschema vom 30. Januar 1987 (technotrans TemperierungsSysteme, Anl. K 12 i.V. mit K 19-21) sieht keinen direkten Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser vor; dieses wird vielmehr über den Kaltwasserkreislauf gekühlt. In der Bedienungsanleitung für das "technotrans TemperierungsSystem" (Anl. K 18), die sich auf Anlagen wie die in K 12 dargestellte bezieht, ist zudem, wie der gerichtliche Sachverständige unwidersprochen und überzeugend dargelegt hat, eine Offenbarung der Merkmale 2.1 und 2.2 ebenso wenig ersichtlich wie eine solche der Merkmalsgruppe 4. Die deutsche Auslegeschrift 1 119 877 offenbart Mittel zum wahlweisen Umschalten zwischen Nass- und Trockenoffset (Merkmal 4), darüber hinaus aber kein Temperierungssystem.
35
2. Verhandlung und Beweisaufnahme haben keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war (Art. 56 EPÜ).
36
a) Die Weiterentwicklung von Druckmaschinen-Peripheriegeräten wie dem vom Streitpatent unter Schutz gestellten Temperierungssystem wurde zum Prioritätszeitpunkt, wie in der Erörterung mit dem Sachverständigen und den Parteien erarbeitet worden ist, nicht von den Druckmaschinenherstellern selbst vorangetrieben. Sie wurde von Systemanbietern geleistet und im Falle eines Geräts der kältetechnischen Systemausstattung vorwiegend, abgesehen von auf dem Gebiet der Kältetechnik erfahrenen Technikern, von Ingenieuren mit Fachhochschulabschluss geleistet. Diese verfügten über zusätzliche Erfahrung in den druckmaschinenspezifischen Anforderungen und zogen gegebenenfalls für die Auslegung der Kältesysteme Druckereifachleute hinzu.
37
b) Zweifel, dass die Erfindung diesem Fachmann nahegelegt war, ergeben sich allerdings nicht daraus, dass zu deren Lösung die Merkmalsgruppe 4 gehört.
38
aa) Druckmaschinen, die mit allen drei in Betracht kommenden Kühlsystemen (Kühlung des Feuchtwassers, innenseitige Kühlung der Farbverreiberrollen , Blasluftkühlung) ausgerüstet sind, sind aus der deutschen Offenlegungsschrift 1 953 590 bekannt. Dass die Blasdüse für die Luftkühlung nach der genannten Schrift auf den Gummizylinder gerichtet ist, um die Oberflächentemperatur des Gummituchs zu beeinflussen, und nicht auf den Druckplattenzylinder, könnte aber unerheblich sein, weil der Fachmann die Möglichkeit, mit der Blasdüse statt des Gummituchs die Druckplatte zu kühlen, als Alternative in Betracht gezogen haben könnte.
39
bb) In dieser deutschen Offenlegungsschrift sind Mittel zum Umschalten von der einen auf die andere Kühlbetriebsart (Merkmalsgruppe 4) entgegen der Ansicht der Klägerin nicht offenbart, sondern nur Mittel zum Ein- und Abschalten der Kältemaschinen i.V. mit dem unabhängigen Regeln der Temperatur des Befeuchtungsmittels sowie der Walzen (Beschreibung S. 16 ff. i.V. mit Fig. 3). Um zur Merkmalsgruppe 4 zu gelangen, musste der Fachmann jedoch lediglich erkennen, dass Mittel wie elektronisch gesteuerte Schaltungen, die eine Kältemaschine einschalten, wenn eine bestimmte Vorlauftemperatur unterschritten wird und die die Maschine wieder abschalten, wenn diese Temperatur erreicht ist, nur geringfügig abgewandelt werden mussten, um von einer auf eine oder mehrere andere Betriebsarten umzuschalten oder eine Betriebsart zuzuschalten. Dazu bedurfte es zum Prioritätszeitpunkt, auch vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Stands der Regelungstechnik, keiner besonderen fachmännischen Fähigkeiten.
40
c) Dagegen kann nicht angenommen werden, dass dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war, das Temperierungssystem mit einer Kühlanlage auszustatten, die nur einen einzigen Kälteerzeuger (Merkmalsgruppe
3) vorsieht.
41
aa) Die deutsche Offenlegungsschrift 1 953 590 gab ihm dafür keine Anregung. Die dort offenbarte Temperaturregelungseinrichtung weist eine Mehrzahl von im Prinzip gleich ausgebildeten und individuell temperaturgeregelten Kühlvorrichtungen auf (S. 15), mit denen die Temperatur der Walzen und des Befeuchtungsmittels unabhängig voneinander auf unterschiedliche Werte geregelt werden (Beschreibung S. 16 ff.). Ein solches System gibt Hinweise auf einen dezentralen Aufbau. Da dieser Aufbau ein als solches sachgerecht funktionierendes Kühlungskonzept darstellt, erscheint es nicht geeignet, den Fachmann zur Verwendung eines einzigen Kälteerzeugers zu führen.
42
bb) Die Erfindung war dem Fachmann auch nicht durch die in der deutschen Offenlegungsschrift 28 49 286 offenbarte Kühlvorrichtung nahegelegt. Diese Schrift befasst sich mit dem - heterogenen - Kühlungsbedarf von Werkzeugmaschinen , nämlich von deren zur Schmierung von Lagern, Spindelstöcken , Getrieben oder dergleichen benötigten Schmiermitteln, der Kühlung in geschlossenen Kreisläufen unter relativ hohem Druck zirkulierender Arbeitsmittel wie Hydrauliköl und schließlich der (erneuten) Kühlung flüssiger (erwärmter) Kühlmittel, die insbesondere bei Zerspanungsmaschinen die Abfuhr der Wärme aus Werkzeug, Werkstück und entstehenden Spänen bezwecken. Das technische Problem, diese drei in unterschiedlichen Kreisläufen zirkulierenden Kühlmedien zentralisiert zu kühlen, löst diese Schrift durch drei eigenständige, den einzelnen Kühlmedienkreisläufen zugeordnete Verdampfer, die mit einer Kältemaschine in der Weise verbunden sind, dass alle drei Verdampfer gemeinsam mit dem Ausgang eines Kondensators einerseits und dem Eingang eines Verdichters andererseits verbunden sind. Damit lag zwar durchaus eine Kühlanlage vor, die die Merkmale 3.1 und 3.2 aufwies und im Übrigen den technisch abweichend ausgestalteten Kühlobjekten angepasst war.
43
cc) Wie die eingehende Erörterung mit dem Sachverständigen zur Überzeugung des Senats aber ergeben hat, hat der zur Prioritätszeit tätige Fachmann bei der Konstruktion eines hier interessierenden Systems eine Schrift wie die deutsche Offenlegungsschrift 28 49 286 nicht berücksichtigt.
44
(1) Der angesprochene Fachmann hat sich für die Lösung der ihm insoweit angetragenen Entwicklungsaufgabe mit den von Konkurrenten gefundenen Lösungen einschließlich der eventuell auf diesem Gebiet erteilten und angemeldeten Schutzrechte vertraut gemacht, ergänzend gegebenenfalls Kompendien zur Kältetechnik zurate gezogen und vielleicht noch Fachtagungen besucht. Breiter angelegte Untersuchungen, namentlich die Ausschöpfung aller an den Patentklassifikationen ansetzenden grundlegenden Recherchemöglichkeiten , wurde unter den zeitlichen Vorgaben und sonstigen Sachzwängen, denen die Suche nach einer industriell nutzbaren Lösung schon seinerzeit unterlag, ebenso als den üblichen Aufwand überschreitend angesehen, wie etwa die Einschaltung eines Fachhochschulinstituts zu Forschungszwecken.
45
(2) Keine Bedeutung kann dabei dem Umstand beigemessen werden, dass in der Offenlegungsschrift erwähnt wird, die der Erfindung zugrunde liegenden Kühlprobleme könnten unter anderem auch bei Druckmaschinen auftreten. Maßgeblich dafür, ob eine Schrift für einen nach Weiterentwicklung trachtenden Fachmann von Interesse erscheint, ist nicht, wie der Anmelder die An- wendungsmöglichkeiten seiner Erfindung einschätzt, sondern, ob diese Anmeldung im Radius der Erkundigungen liegt, deren Einbeziehung der Fachmann in Erwägung zieht. Das ist hier aus den dargelegten Gründen zu verneinen.
46
dd) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann nicht durch das mit den Anlagen K 12, K 19-21 gezeigte Temperiersystem nahegelegt. Abgesehen von der Frage, inwieweit dieses der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, gab seine Ausgestaltung ohne einen direkten Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser, sondern mit einer Hintereinanderschaltung (Kaskadenschaltung) der Kreisläufe für das Kaltwasser und für das Feuchtwasser, bei der die gesamte Wärmelast ausschließlich über das Kaltwasser zum Wärmetauscher (84) abgeführt wird, dem Fachmann keine Anregung für die streitpatentgemäße Lösung.
47
ee) Es kann schließlich auch nicht angenommen werden, die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung habe bereits auf Grund des allgemeinen Fachwissens und des regelmäßig vorhandenen fachmännischen Strebens nach Verbesserung vorhandener Lösungen nahegelegen. Einen einzigen Kälteerzeuger einzusetzen, stellt eine komplexe Verbesserung dar, die gleichermaßen kostengünstig ist, indem sie Material einspart, wie sie die Reparaturanfälligkeit des Systems durch die verminderte Zahl von eingebauten Einzelteilen herabsetzt, den Platzbedarf für das Aggregat deutlich reduziert und damit dem stets drängenden Bedürfnis nach räumlicher Platzersparnis entspricht und die gegenüber einer Anlage mit mehreren Kältemaschinen zudem eine verbesserte Energiebilanz aufweisen kann. Das bedingt Überlegungen in ganz unterschiedliche Richtungen. Eine so vielseitige Weiterentwicklung kann nicht als das ohne Weiteres zu erwartende Ergebnis der Befassung eines durchschnittlich befähigten, um Weiterentwicklung bemühten Fachmanns gesehen werden.
48
3. Die angegriffenen Unteransprüche haben mit dem verteidigten Hauptanspruch Bestand.
49
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG.
Scharen Keukenschrijver Lemke
Gröning Berger
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 21.07.2004 - 4 Ni 17/03 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkün
in der Patentnichtigkeitssache
X ZR 226/02
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sammelhefter II

a) Wird von mehreren, ein Ausführungsbeispiel der Erfindung beschreibenden
Merkmalen nur eines in den Patentanspruch aufgenommen, das die mit
dem Ausführungsbeispiel erzielte technische Wirkung angibt, liegt darin
auch dann keine unzulässige Erweiterung, wenn ein anderer Weg zur Erzielung
derselben Wirkung nicht offenbart ist.

b) Wer dem Patentnichtigkeitsverfahren auf Seiten des Klägers beitritt, gilt als
Streitgenosse des Klägers (Abweichung vom Sen.Urt. v. 30.9.1997
- X ZR 85/94, GRUR 1998, 382, 387 - Schere).
BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Gröning

für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 25. Juni 2002 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 4/5 der Klägerin und ihrer Streithelferin und zu 1/5 der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 16. Mai 1986 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Schweizer Anmeldung vom 4. Juni 1985 angemeldeten und im Laufe des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erlosche- nen deutschen Patents 36 16 566 (Streitpatents). Das Streitpatent ist mit sechs Patentansprüchen erteilt worden, von denen Patentanspruch 1 lautet: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage zu einem Heftapparat wirksamen Mitnehmern versehen ist, d a d u r c h g e k e n n - z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere Sammelstrecke mit Mitnehmern (6) vorhanden,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede der Sammelstrecken mit einem Druckbogen , wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden und
c) der Heftapparat (9) wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet ist und je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) aufweist."
2
Im Einspruchsbeschwerdeverfahren hat Patentanspruch 1 durch Beschluss des Bundespatentgerichts vom 19. September 1994 (11 W (pat) 45/92) folgende Fassung erhalten: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) die sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen."
3
Mit der Nichtigkeitsklage hat die Klägerin, die rechtskräftig wegen Verletzung des Streitpatents verurteilt ist, dieses im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 und 6 angegriffen. Sie macht geltend, der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus und der Schutzbereich dieses Patentanspruchs sei gegenüber der erteilten Fassung des Patents erweitert. Ferner ergebe sich der Gegenstand des Streitpatents in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält, auf welche die Patentansprüche 2, 3 und 6 rückbezogen sind: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbo- gen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen,
d) es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage zu halten."
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin und ihrer im Berufungsverfahren beigetretenen, gleichfalls wegen Verletzung des Streitpatents verurteilten Streithelferin, mit welcher diese den Antrag weiterverfolgen, das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 und 6 für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat sich der Berufung mit dem Antrag angeschlossen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Fassung des Patentanspruchs 1 wie folgt lautet: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstre- cken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen."
6
Hilfsweise soll Patentanspruch 1 die folgende Fassung erhalten: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen,
d) es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage zu halten."
7
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr.-Ing. B. K. , Fakultät Maschinenbau der Universität D. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten vorgelegt, das Professor Dr.-Ing. K. D. F. , Universität W. , in ihrem Auftrag erstellt hat.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässigen Rechtsmittel der Parteien haben keinen Erfolg. Das Bundespatentgericht hat zu Recht der - auch nach Erlöschen des Streitpatents zulässigen (vgl. Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür ) - Nichtigkeitsklage teilweise entsprochen und sie im Übrigen abgewiesen.
9
I. Das Streitpatent betrifft einen Sammelhefter, mit dem bedruckte und gefaltete Bogen (Druckbogen) gesammelt und anschließend in derselben Maschine zur Herstellung von mehrseitigen Druckprodukten wie Zeitschriften, Broschüren oder dergleichen geheftet werden. Dabei werden die einzelnen Druckbogen von innen nach außen übereinandergelegt und dann im Falzbereich geheftet. Ein derartiger Sammelhefter besteht aus den Komponenten Anlegestation , Sammelstrecke und Heftapparat. Die Anzahl der Anlegestationen entspricht der Anzahl der Druckbogen des fertigen Druckproduktes. Jede Anlegestation liefert an die Sammelstrecke einen bestimmten Druckbogen, indem die erste Anlegestation den innersten Druckbogen des fertigen Druckproduktes liefert, die zweite Anlegestation den - von innen nach außen betrachtet - nächstfolgenden Druckbogen und so fort. Die Sammelstrecke nimmt die von den Anlegestationen auf ihrer sattelförmigen Auflage rittlings abgelegten Druckbogen auf. Mit Hilfe von Mitnehmern werden die Druckbogen längs ihrer Auflage von Anlegestation zu Anlegestation seitlich vorgeschoben und gelangen schließlich zum Heftapparat, in dem sie zu fertigen Druckprodukten zusammengefügt werden.
10
Ein Sammelhefter dieser Art ist, wie die Streitpatentschrift erläutert, aus der Schweizer Patentschrift 519 993 (E 9) bekannt. Sein Nachteil ist die geringe Arbeitsgeschwindigkeit.
11
Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, einen Sammelhefter bereitzustellen, welcher bei gleichermaßen präziser Verarbeitung der gefalteten Einzelbögen wie bei der bekannten Maschine ein Mehrfaches der Produktionsgeschwindigkeit zulässt (Sp. 3 Z. 65 - Sp. 4 Z. 2 der Streitpatentschrift).
12
Dieses Problem wird nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in der geltenden Fassung durch folgende Merkmalskombination gelöst: (1) Der Sammelhefter weist Anlegestationen (7, 8, 19) auf, die im Maschinentakt angetrieben und an Sammelstrecken angeordnet sind. (2) Es sind wenigstens zwei parallele Sammelstrecken vorhanden. (3) Die Anlegestationen dienen der Beschickung der einander folgenden Sammelstrecken mit einem Druckbogen.
(4)
Die Sammelstrecken sind (4.1) gleich aufgebaut, (4.2) symmetrisch zu einer Achse (1) angeordnet und (4.3) drehen um die Achse (1).
(5)
Jede Sammelstrecke weist auf: (5.1) eine sattelförmige Auflage (3) für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen, (5.2) längs der Auflage wirksame Mitnehmer (6), welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat (9) transportieren. (6) Mit jedem Maschinentakt (6.1) beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) die sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen und (6.2) drehen sich die Sammelstrecken um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter.
(8)
Der Heftapparat (9) (8.1) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und (8.2) weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf.
(9)
Im Wirkbereich des Heftapparates (9) (9.1) stehen die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken still und (9.2) folgen die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
13
Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel.
14
Der mit Merkmal 9.2 beanspruchte Gleichlauf zwischen den Heftköpfen des Heftapparats und den Sammelstrecken (mit den darauf abgelegten, relativ zur Sammelstrecke stillstehenden Druckbogen) wird dadurch erzielt, dass der Heftkopf, der die Druckbogen auf der zugeordneten Sammelstrecke heftet, seinerseits bewegt wird und während eines Bewegungsweges (im Ausführungsbeispiel während des Weges, den der pendelnde Heftapparat in Drehrichtung des Sammelhefters zurücklegt) der Sammelstrecke in gleicher Richtung und in gleichem Radialabstand folgt. Hierdurch wird erreicht, dass für die Heftung mehr Zeit zur Verfügung steht (Sp. 4 Z. 4-9), nämlich derjenige Zeitraum, in dem sich die Sammeltrommel um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiterdreht.
15
II. Die Anschlussberufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Bundespatentgericht angenommen, dass das Streitpatent mit dem vorstehend gegliederten Patentanspruch 1 keinen Bestand haben kann, weil hierdurch der Schutzbereich des Streitpatents erweitert worden ist (§ 22 Abs. 1 2. Alt. PatG).
16
Ein erteiltes Patent hat einen Schutzbereich, der gemäß § 14 PatG durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt wird, zu deren Auslegung Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Jedenfalls dann, wenn das Patent im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren derart geändert wird, dass sein Schutzbereich nunmehr über dasjenige hinausgeht, was zuvor vom Schutzbereich umfasst war, liegt der Nichtigkeitsgrund des § 22 Abs. 1 2. Alt. PatG vor.
17
Soweit das Bundespatentgericht eine solche Schutzbereichserweiterung darin gesehen hat, dass infolge der Ersetzung der Wörter "nacheinander jede" durch den bestimmten Artikel "die" in Merkmal 6.1 des Patentanspruchs 1 auch Sammelhefter umfasst sein könnten, bei denen nicht nacheinander jede sattelförmige Auflage beschickt werde, die Reihenfolge der Beschickung der Sam- melstrecken vielmehr beliebig sei und auch Lücken in der Beschickung möglich seien, greift die Anschlussberufung das erstinstanzliche Urteil nicht an.
18
Dem Bundespatentgericht ist aber auch darin beizutreten, dass die Weglassung des im erteilten Patentanspruch 1 enthaltenen Halbsatzes "wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden" in Merkmal 6.1 des Patentanspruchs 1 in der geltenden Fassung zu einer Schutzbereichserweiterung führt.
19
Das Bundespatentgericht hat dies damit begründet, dass vom Schutzbereich des geltenden Anspruchs auch Sammelhefter umfasst sein könnten, die nicht mit der offenen Seite voran gegen, sondern beispielsweise von der Seite her auf die Sammelstrecke gefördert würden, wie es aus der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 95 603 (E 1) bekannt sei. Auch könnten Sammelhefter umfasst sein, die nicht während des Beschickens, sondern bereits vorher aufgespreizt würden, wie dies aus der deutschen Offenlegungsschrift 31 17 419 (E 8) bekannt sei. Merkmal 6.1 der erteilten Fassung sei jedoch unter Berücksichtigung der Beschreibung (insbesondere Sp. 3 Z. 47-57 der C2Schrift ) so auszulegen, dass nur Sammelhefter vom Schutzbereich umfasst seien, die mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und erst während der Beschickung aufgespreizt würden.
20
Dagegen wendet die Anschlussberufung ohne Erfolg ein, das erteilte Streitpatent unterscheide lediglich zwischen dem Sammeln der Druckbogen von außen nach innen in V-förmigen Taschen (deutsche Auslegeschrift 1 224 329 [E 10] und Schweizer Patentschrift 584 153 [E 11]) und dem erfindungsgemäßen Sammeln von innen nach außen auf sattelförmigen Auflagen, wobei letzteres durch Merkmal 5.1 zum Ausdruck gebracht werde und die zusätzliche Angabe in Merkmal 6.1 nichts anderes besage als das, was Merkmal 5.1 ohnehin schon zum Ausdruck bringe, da eine Ablage "rittlings" nur erfolgen könne, wenn die Druckbogen zuvor aufgespreizt und mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert würden.
21
Denn die Beschreibung des Streitpatents in seiner erteilten Fassung erläutert die Vorrichtung nach der E 1 dahin, dass diese einen endlos umlaufenden , zur Aufnahme der Druckbogen bestimmten Förderer aufweise, entlang welchem eine Anzahl von Zuförderern für die Druckbogen angeordnet seien. Hierbei würden die Produkte mit quer zur Förderrichtung liegendem Falz an den Zuförderern vorbeigeführt. Die Schenkel der Druckbogen hingen hierbei frei nach unten. Diese bekannte Vorrichtung lasse konstruktiv offen, wie dabei die frei herabhängenden Schenkel der Druckbogen bei hohen Geschwindigkeiten stabil gehalten und wie der Heftvorgang an den fertig zusammengetragenen Produkten ausgeführt werden solle (Sp. 1 Z. 44-57).
22
Von dieser bekannten Lösung, bei der bereits eine Sammelstrecke mit sattelförmigen Auflagen für die vereinzelten Druckbogen vorhanden ist, hebt sich die erfindungsgemäße Lösung nach dem erteilten Patentanspruch 1 durch die weitere Angabe ab, dass die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert werden und (hierbei, um eine zuverlässige Auflage zu gewährleisten, nicht frei herabhängen, sondern) aufgespreizt werden. Diese Anforderung ist im geltenden Patentanspruch 1 nicht mehr enthalten, nach dem die Zuführung in beliebiger Weise und aus beliebiger Richtung erfolgen kann.
23
Der geltende Patentanspruch ist damit auf eine Teilkombination der durch den erteilten Patentanspruch geschützten technischen Lehre gerichtet. Damit ist der Schutzbereich erweitert, denn eine solche Teilkombination war durch das erteilte Patent nicht geschützt (vgl. Sen.Urt. v. 31.5.2007 - X ZR 172/04, WRP 2007, 1231 - Zerfallszeitmessgerät [für BGHZ vorgesehen ]).
24
Da auch der Hilfsantrag der Anschlussberufung das Merkmal nicht enthält , nach dem bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, kann Patentanspruch 1 auch in der Fassung dieses Antrags keinen Bestand haben.
25
III. Auch die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ist gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen nicht unzulässig erweitert, und der Gegenstand dieses Anspruchs ist patentfähig.
26
1. In dieser Fassung lässt sich Patentanspruch 1 wie folgt gliedern: (1) Der Sammelhefter weist Anlegestationen (7, 8, 19) auf, die im Maschinentakt angetrieben und an Sammelstrecken angeordnet sind. (2) Es sind wenigstens zwei parallele Sammelstrecken vorhanden. (3) Die Anlegestationen dienen der Beschickung der einander folgenden Sammelstrecken mit einem Druckbogen.
(4)
Die Sammelstrecken sind (4.1) gleich aufgebaut, (4.2) symmetrisch zu einer Achse (1) angeordnet und (4.3) drehen um die Achse (1).
(5)
Jede Sammelstrecke weist auf: (5.1) eine sattelförmige Auflage (3) für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen, (5.2) längs der Auflage wirksame Mitnehmer (6), welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat (9) transportieren. (6) Mit jedem Maschinentakt (6.1) beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, wobei die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, und (6.2) drehen sich die Sammelstrecken um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter. (7) Es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage (3) zu halten.
(8)
Der Heftapparat (9) (8.1) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und (8.2) weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf.
(9)
Im Wirkbereich des Heftapparates (9) (9.1) stehen die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken still und (9.2) folgen die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
27
2. Dieser Patentanspruch enthält keine unzulässige Erweiterung. Das Bundespatentgericht hat zutreffend angenommen, dass eine unzulässige Erweiterung insbesondere nicht darin liegt, dass Merkmal 9.2 lediglich vorschreibt , dass die Heftköpfe beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen, hingegen nicht vorgibt, dass der Heftapparat hierzu konzentrisch zur Achse (1) der Welle (2) gelagert sein und eine Pendelbewegung ausführen muss.
28
Merkmal 9.2 ist als solches, wie auch die Klägerin nicht bezweifelt, ursprungsoffenbart. Denn die Patentanmeldung beschreibt ein durch die mit der oben wiedergegebenen Zeichnung identischen Figur 1 illustriertes Ausführungsbeispiel , bei dem der Heftapparat (9) einen um die Achse (1) schwenkbar gelagerten Bügel (11) aufweist, an dem zwei Heftkopfpaare (12, 13) angeordnet sind. Der Bügel (11) führt eine Hin- und Her-Schwenkbewegung aus und folgt dabei während eines Bewegungsweges den Auflagen (3) mit gleicher Geschwindigkeit. Die sich mitbewegenden Heftkopfpaare (12, 13) führen jeweils während des Gleichlaufs mit den Auflagen (3) simultan eine Heftoperation aus, mit der die aufeinanderliegenden Druckbogen von zwei Sammelstrecken zusammengeheftet werden (S. 9, letzter Abs. - S. 10, 2. Abs. der Offenlegungsschrift = Sp. 4 Z. 3-26 der C2-Schrift = Sp. 4 Z. 63 - Sp. 5 Z. 18 der C3-Schrift). Im Wirkbereich des Heftapparates folgen somit die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
29
Die Patentinhaberin war auch nicht gehindert, dieses Merkmal in den Patentanspruch aufzunehmen, ohne gleichzeitig weitere Einzelheiten des Ausführungsbeispiels mit zu übernehmen.
30
Änderungen der Patentansprüche dürfen freilich weder zu einer Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung noch dazu führen, dass an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt wird (BGHZ 66, 17, 29 - Alkylendiamine I; BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem aus fachmännischer Sicht aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht zu erkennen ist, dass er von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein sollte (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 - X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016 - Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm; Sen.Urt. v. 5.7.2005, GRUR 2005, 1023, 1024 - Einkaufswagen II). Der Anmelder oder Patentinhaber , der nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, ist dabei nicht genötigt, sämtliche Merkmale ei- nes Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen (Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316, 319 - Koksofentür). Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig , wenn dadurch die zunächst weiter gefasste Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Sen.Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Sen.Urt. v. 7.12.1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt ; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; Sen.Beschl. v. 14.9.2004 - X ZB 25/02 - Fußbodenbelag).
31
Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Patentinhaber nach Belieben einzelne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren dürfte. Die Kombination muss vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die aus der Sicht des Fachmanns den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung zu entnehmen ist; andernfalls wird etwas beansprucht, von dem aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennbar ist, dass es von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 - Spleißkammer [insoweit nicht in BGHZ]; Sen.Beschl. v. 11.9.2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung).
Diesen Anforderungen genügt die Kombination des Merkmals 9.2 mit
32
den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1. Denn in Patentanspruch 2 der Anmeldung war ganz allgemein ein Sammelhefter mit parallelen Sammelstrecken angegeben, bei dem der Heftapparat wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken zugeordnet ist und je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf aufweist. Aus der Sicht des Fachmanns, als den der Senat - auf der Grundlage der durch die Angaben des gerichtlichen Sachverständigen bestätigten Feststellungen des Bundespatentgerichts zum üblichen Ausbildungs- und Kenntnisstand der mit der Entwicklung von Sammelheftern befassten Fachleute - einen Maschinenbauingenieur mit praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion papierverarbeitender Maschinen ansieht, war erkennbar, dass der beschriebene Gleichlauf der Heftköpfe eines wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordneten Heftapparats mit den Sammelstrecken beim Heftvorgang geeignet ist, dem in der Patentanmeldung beschriebenen Nachteil des Standes der Technik, dass für den Heftvorgang nur ein Bruchteil eines Maschinentaktes zur Verfügung stand, entgegenzuwirken und damit das Ziel zu fördern, eine Vorrichtung zu schaffen, die bei gleich präziser Verarbeitung wie bei einer konventionellen Maschine ein Mehrfaches der Produktionsgeschwindigkeit erlaubt.
33
Dem gegenüber ist unerheblich, dass die ursprünglichen Unterlagen mit dem konzentrisch gelagerten, pendelnden Bügel des Heftapparats nur eine Möglichkeit beschreiben, wie ein solcher Gleichlauf während eines Bewegungsweges erreicht werden kann. Denn ein solches Ausführungsbeispiel, mit dem der Anmelder der Anforderung genügt, die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG), nötigt nicht dazu, den Gegenstand des Patentanspruchs hierauf zu beschränken.
Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich eine unzulässige Er34 weiterung auch nicht daraus, dass in der C3-Schrift die Vorrichtung nach der deutschen Patentschrift 33 43 466 (E 2) dahin beschrieben wird, mittels eines Pendelantriebs werde eine derartige Hin- und Herbewegung der Heftköpfe herbeigeführt , dass sie bei ihrer Einwirkung auf zwei aufeinanderfolgende, zu heftende Druckbogen "im Gleichlauf mit deren Bewegungsgeschwindigkeit" bewegt würden (Sp. 3 Z. 19-30). Denn damit ist lediglich zutreffend beschrieben, dass in der Einwirkungsphase in Laufrichtung der Druckbogen keine Relativbewegung zwischen Heftköpfen und Druckbogen stattfindet. Nichts anderes ist, bezogen auf Heftköpfe und Sammelstrecken, mit dem Begriff des "Gleichlaufs" in der Anmeldung des Streitpatents und in Merkmal 9.2 zum Ausdruck gebracht.
35
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ist auch patentfähig.
36
Dieser Gegenstand ist, wie auch von der Klägerin und ihrer Streithelferin nicht in Zweifel gezogen wird, neu. Verhandlung und Beweisaufnahme haben ebenso wenig tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Stand der Technik dem Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nahegelegt hat.
37
a) Die deutsche Auslegeschrift 1 114 779 (E 6) beschreibt eine Maschine zum Heften von Bogenlagen, bei der die Druckbogen auf sattelförmigen Auflagen (2) gesammelt werden, die an umlaufenden Zugorganen angeordnet sind. Mittels Verteil- und Anlegevorrichtungen (104) werden die Druckbogen auf den Auflagen abgelegt und zu einer Heftvorrichtung (105) weitertransportiert. Die Heftköpfe werden von auf einer Welle aufgekeilten Nocken gesteuert, die das Anbringen der Heftklammern während des Verschiebens der auf den Auflagen ruhenden Broschüren gestatten. Das entspricht den Merkmalen 1 bis 4.1, 5.1, 9.1 und 9.2. Hingegen fehlen die Mitnehmer wie auch alle Merkmale, die mindestens zwei parallele, um eine Achse drehend angeordnete Sammelstrecken voraussetzen.
38
Es ist auch nicht erkennbar, was dem Fachmann Veranlassung geben sollte, die Vorrichtung derart umzugestalten, dass die gezeigte Sammelstrecke durch mindestens zwei parallele, um eine Achse drehend angeordnete Sammelstrecken ersetzt wird. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus der von der Klägerin mehrfach zitierten Annahme im Urteil des Senats vom 26. Mai 1998 (X ZR 20/96, Bausch, BGH 1994-1998, 509), dem Fachmann sei bekannt, dass ein endlos umlaufendes Element bei einem Sammelförderer nicht nur ein Ketten- oder Riemengetriebe sein könne, sondern auch eine Trommel. Die Aussage des Senats bezieht sich auf die Erfassung des Wortsinns des Begriffs "endlos umlaufender Sammelförderer" im Patentanspruch des damaligen Streitpatents. Ihr lässt sich nichts dafür entnehmen, ob und inwieweit der Fachmann bei einem konkreten Sammelförderer Veranlassung sieht, ein umlaufendes Ketten- oder Riemengetriebe durch eine Trommel oder dergleichen zu ersetzen. Diese Frage kann stets nur aus dem Zusammenhang einer konkreten vorbekannten Lösung beantwortet werden. Selbst wenn aber der Fachmann Veranlassung sähe, die Auflagen auf einer Trommel anzuordnen, gelangte er damit nicht zum Gegenstand des Streitpatents.
39
b) Dies folgt auch nicht aus der zusätzlichen Heranziehung der deutschen Offenlegungsschrift 31 08 551 (E 3). Dort wird beschrieben, dass mehrlagige Druckprodukte dadurch gebildet werden können, dass eine Anzahl von zickzackförmig gefalteten Bahnen aufeinander ausgerichtet übereinandergelegt wird. Jede Bahn wird durch einzelne Blätter gebildet, die an den quer zur Bahnlängsrichtung verlaufenden Faltstellen miteinander verbunden sind. Zum Abstützen der aufeinander zu legenden Bahnen dient eine Trommel, welche an ihrem Umfang radial abstehende Stützstege (47) aufweist, auf denen zunächst die erste Bahn aufgelegt wird. Die spiralförmig auf der Trommel geführte erste Bahn gelangt sodann zum Eingabeabschnitt der nachfolgenden Bahn, in welchem diese über die erste Bahn gelegt wird. Die beiden Bahnen werden schraubenlinienförmig gegebenenfalls zu weiteren Eingabeabschnitten und sodann zu einem Endbereich der Trommel geführt, in dem ein Heftapparat (62) vorgesehen ist, in dessen Wirkbereich sich die Blätter(bahnen) auf einer Kreisbahn bewegen.
40
Diese Vorrichtung setzt voraus, dass die Blätter der am Ende des Bearbeitungsvorgangs stehenden Druckprodukte als zickzackförmig gefaltete Bahnen zugeführt werden, was die deutsche Offenlegungsschrift als besonders vorteilhaft ansieht, weil die gegenseitige Lage der Blätter einer Bahn immer definiert sei (S. 6 Z. 4-10 der Beschreibung). Die Trommel dieser Vorrichtung ist daher jedenfalls nicht ohne weiteres mit einer Vorrichtung nach der E 6 kombinierbar , und Verhandlung und Beweisaufnahme haben keine Anhaltspunkte dafür hervortreten lassen, dass der Fachmann zu dem Versuch einer solchen Kombination Veranlassung sehen sollte. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus einem für sich naheliegenden Bestreben des Fachmanns, die Arbeitsgeschwindigkeit der Vorrichtung zu erhöhen, denn auch bei der Trommel nach der E 3 werden die Stützstege wie die sattelförmigen Auflagen nach der E 6 konsekutiv mit den aufeinanderfolgenden Blätterbahnen beschickt.
41
Auch der Hinweis der Berufung darauf, dass in Anspruch 4 der E 3 ein Verfahren beansprucht sei, bei dem die übereinander liegenden Bahnen an allen oder einzelnen Faltstellen durchgetrennt werden, führt nicht weiter. Zwar ist in jenem Anspruch nicht angegeben, in welcher Verfahrensphase die Bahnen durch Trennung zu Blättern oder Druckbogen vereinzelt werden sollen. Für die Frage, welche Anregungen eine Schrift dem Fachmann bot, kommt es indessen nicht darauf an, wie weit ihr Gegenstand oder Schutzbereich reicht. Maßgeblich ist allein, welche technischen Erkenntnisse und Möglichkeiten dem Fachmann offenbart werden. Insoweit beschreibt die Offenlegungsschrift jedoch - ihrer Zielrichtung entsprechend - ausschließlich die Sammlung übereinander liegender Bahnen, nicht vereinzelter Druckbogen. Erst das am Entnahmeabschnitt (51) der Trommel - gegebenenfalls nach Heften (S. 15 Z. 23-26) - von einem Transporteur (59) übernommene, aus den übereinander liegenden Bahnen bestehende "Gebilde (61)" wird einer Stapelbildevorrichtung (63) zugeführt und sodann von einer Trennvorrichtung (68) durchtrennt (S. 15 Z. 10 - S. 16 Z. 22).
Auch die - ohnehin nicht näher ausgeführte - Bemerkung auf S. 17 Z. 5-7, es "wäre unter Umständen jedoch auch denkbar", die fertigen Druckprodukte vor dem Stapeln einzeln voneinander zu trennen, bezieht sich auf "die einzelnen zusammenhängenden, das Gebilde (61) bildenden fertigen Druckprodukte" und ändert daher nichts daran, dass nach dem Gesamtinhalt der Schrift eine Vereinzelung erst nach dem Sammeln in Betracht gezogen wird.
42
c) Es kommt hinzu, dass weder die E 3 noch die E 6 eine Anregung dafür geben, vereinzelte Druckbogen mittels längs der Auflage wirksamer Mitnehmer einem Heftapparat zuzuführen, der wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet ist (Merkmal 8.1). Um derartiges gleichwohl zu realisieren, müsste der Fachmann zunächst zu der Erkenntnis gelangen, dass es zweckmäßig sei, zusätzlich zu dem aus der E 6 bekannten Heftkopf einen weiteren, gemeinsam mit dem ersten hin- und herpendelnden Heftkopf vorzusehen. Eine Anregung hierfür mag sich zwar in der bereits erwähnten deutschen Patentschrift 33 43 466 (E 2) finden. Bei dem dort beschriebenen Heftvorgang bewegen sich die Druckprodukte jedoch ebenso wenig wie bei der Heftvorrichtung nach der E 6 auf einer Kreisbahn. Für eine Zuordnung des Heftapparats zu wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken, die symmetrisch zu einer Achse und um diese drehend angeordnet sind, und die hierfür erforderlichen konstruktiven Maßnahmen fehlt jedes Vorbild.
43
d) Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften kommen dem Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts nicht näher. Ergänzend wird hierzu auf die Ausführungen zu IV 3 des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG können hiernach nicht festgestellt werden.
44
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 2, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streithelferin gilt als Streitgenossin der Klägerin. Nach- dem der Senat für die Nebenintervention im Patentnichtigkeitsverfahren das Erfordernis aufgegeben hat, dass zwischen dem Nichtigkeitskläger oder dem Patentinhaber eine Rechtsbeziehung bestehen muss, die durch die im Nichtigkeitsverfahren ergehende Entscheidung beeinflusst werden kann, und es genügen lässt, dass der Nebenintervenient durch das Streitpatent in seiner geschäftlichen Tätigkeit als Wettbewerber beeinträchtigt werden kann (BGHZ 166, 18 - Carvedilol I), besteht kein Grund mehr, die Rechtskraftwirkung eines klageabweisenden Urteils gegenüber dem Streithelfer anders zu beurteilen als gegenüber dem Nichtigkeitskläger. Auch erscheint die Kostenfolge des § 101 Abs. 2 ZPO für diesen Fall sachgerechter als diejenige des § 101 Abs. 1 ZPO. Entsprechend § 69 ZPO gilt der Streithelfer daher als Streitgenosse des Nichtigkeitsklägers (offengelassen im Senatsurteil vom 22.12.1964 - Ia ZR 237/63, GRUR 1965, 297 - Nebenintervention). An der im Urteil vom 30. September 1997 (X ZR 85/94, GRUR 1998, 382, 387 - Schere) vertretenen gegenteiligen Auffassung hält der Senat nicht fest.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 25.06.2002 - 2 Ni 15/01 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 28/06 Verkündet am:
22. Dezember 2009
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hubgliedertor II
Eine Passage in der Beschreibung, die nicht Inhalt der ursprünglichen Unterlagen
gewesen ist, kann nur dann den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung
begründen, wenn deren Berücksichtigung bei der Auslegung des Patentanspruchs
des erteilten Patents zu einem veränderten Verständnis der darin
verwendeten Begriffe oder des geschützten Gegenstands führt.
BGH, Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 28/06 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen
und die Richter Asendorf, Gröning, Dr. Berger und Dr. Grabinski

für Recht erkannt:
Die von der Nebenintervenientin unterstützte Berufung der Beklagten gegen das am 29. September 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin zu 3 wird das am 29. September 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert: Das deutsche Patent 39 43 782 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung seiner Patentansprüche hinausgeht:
a) Patentanspruch 1 Hubgliedertor mit einer Mehrzahl tafelförmiger Torelemente, die mittels Gelenken, Scharnieren oder dergleichen um horizontal verlaufende Schwenkachsen miteinander verbunden sind, wobei das Tor mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen in seitlichen Führungsbahnen gleitet, die das Tor aus einer vertikalen Geschlossen- stellung über einen Bogen in eine horizontale Offenstellung führen, wobei an dem oberen Rand (5) jedes Torelements (1) ein Vorsprung (7) vorgesehen ist, der eine bis zu einer Spitze (9) ansteigende Vorderflanke (10) und eine von der Spitze bis zur Hinterfläche (11) des Elementes abfallende Hinterflanke (12) aufweist, wobei an dem unteren Rand (6) des Torelements eine in der Geschlossenstellung dem Vorsprung des benachbarten Torelements aufnehmende Vertiefung (13) vorgesehen ist, und wobei beim Verschwenken der Torelemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) bloß ein Öffnungsabstand (d) auftritt, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt, dadurch gekennzeichnet, dass der Vorsprung (7) zahnartig und bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet ist, dass die Vertiefung (13) an den Vorsprung (7) angepasst ist und dass das Gelenk des Scharniers (14) vollständig in der hinteren Ausnehmung (20) aufgenommen ist, wodurch die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert ist und vor die Hinterflächen der Elemente (1, 1') zu liegen kommt.

b) An Patentanspruch 1 schließen sich die erteilten Patentansprüche 2 bis 6 mit unmittelbarem oder mittelbarem Rückbezug an.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zu 3 zurückgewiesen.
Die Klägerin zu 3 und die Beklagte haben die Gerichtskosten, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 3 und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten jeweils zur Hälfte zu tragen.

Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu 1 und 2 auferlegt.
Die Klägerin zu 3 und die Nebenintervenientin haben die durch die Nebenintervention verursachten Kosten jeweils zur Hälfte zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war bis zum 7. November 2006 eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 39 43 782 (Streitpatents), das ein "Hubgliedertor" betrifft. Seitdem ist die H. KG B. , die dem Berufungsverfahren auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenientin beigetreten ist, als neue Inhaberin des Streitpatents eingetragen.
2
Das Streitpatent ging am 17. Februar 1989 durch Teilung aus der Stammanmeldung 39 04 918.3 (Streitpatentanmeldung) hervor und nimmt die österreichische Prioritätsanmeldung 391/88 vom 18. Februar 1988 in Anspruch. Das Patent 39 04 918 ist Gegenstand eines vor dem Senat unter dem Akten- zeichen X ZR 27/06 geführten Nichtigkeitsberufungsverfahrens. Das Streitpatent erlosch am 17. Februar 2009 infolge Ablaufs der Schutzdauer.
3
In der erteilten Fassung umfasst das Streitpatent sechs Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "Hubgliedertor, mit einer Mehrzahl tafelförmiger Torelemente, die mittels Gelenken, Scharnieren oder dergleichen um horizontal verlaufende Schwenkachsen miteinander verbunden sind, wobei das Tor mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen in seitlichen Führungsbahnen gleitet, die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung über einen Bogen in eine horizontale Offenstellung führen, wobei an dem oberen Rand (5) jedes Torelements (1) ein Vorsprung (7) vorgesehen ist, der eine bis zu einer Spitze (9) ansteigende Vorderflanke (10) und eine von der Spitze abfallende Hinterflanke (12) aufweist, wobei an dem unteren Rand (6) des Torelements eine in der Geschlossenstellung dem Vorsprung des benachbarten Torelements aufnehmende Vertiefung (13) vorgesehen ist, und wobei dem Verschwenken der Torelemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) zumindest über einen Teil des Schwenkwinkels bloß ein Öffnungsabstand (d) auftritt, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt, dadurch gekennzeichnet, dass der Vorsprung (7) zahnartig ausgebildet ist, dass die Vertiefung (13) an den Vorsprung (7) angepasst ist und dass das Gelenk des Scharniers (14) vollständig in der hinteren Ausnehmung (20) aufgenommen ist, wodurch die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert ist und vor die Hinterflächen der Elemente (1, 1') zu liegen kommt."
4
Die Klägerinnen bzw. ihre Rechtsvorgänger haben das Streitpatent mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen und geltend gemacht, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 über den Inhalt der beim Patentamt ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe. Sie haben zudem vorgebracht, dass das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn unter anderem die US-Patentschriften 2 372 792 (Anlage K 7) und 3 891 021 (Anlage K 3) bildeten , nicht patentfähig sei, und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
5
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent durch Urteil vom 29. September 2005 dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es die aus dem Tenor des hiesigen Urteils ersichtliche Fassung erhielt, allerdings mit dem Unterschied , dass in Patentanspruch 1 hinter dem Wort "Führungsbahn (4)" zusätzlich noch die Worte "zumindest über einen Teil des Schwenkbereichs" eingefügt worden sind.
6
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Klägerin zu 3 und die Beklagte , die von der Nebenintervenientin unterstützt wird, mit ihren jeweiligen Berufungen.
7
Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen, das Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern und die Nichtigkeitsklage abzuweisen. Hilfsweise beantragen die Beklagte und die Nebenintervenientin, das Streitpatent in der erteilten Fassung mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass in Patentanspruch 1 - auch mit Wirkung für die unmittelbar oder mittelbar darauf zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 - das Teilmerkmal "zumindest über einen Teil des Schwenkwinkels" gestrichen wird (Hilfsantrag 1), zusätzlich das Teilmerkmal "bis zur Hinterfläche (11) des Elementes" zwischen die Worte "und eine von der Spitze" und "abfallende Hinterflanke (12)" eingefügt wird (Hilfsantrag
2) und weiter zusätzlich das Teilmerkmal "und bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet" zwischen die Worte "dass der Vorsprung (7) zahnartig" und "ist" eingefügt wird (Hilfsantrag 3).


8
Die Klägerin zu 3 beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern und das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
9
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. F. , Fachhochschule R. , Leiter des Studiengangs Produktionstechnik, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


10
Die zulässige Berufung der Beklagten, die von der Nebenintervenientin unterstützt worden ist, hat keinen Erfolg. Die zulässige Berufung der Klägerin zu 3 bleibt ganz überwiegend erfolglos. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent im Wesentlichen zu Recht teilweise für nichtig erklärt.
11
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Hubgliedertor. Bei diesen werden die Torelemente im Umlenkbereich vom horizontalen zum vertikalen Verlauf gegenseitig verschwenkt, so dass sich deren obere bzw. untere Ränder zunächst voneinander entfernen und dann wieder zusammenkommen. Hierbei besteht die Gefahr, dass Finger eines Benutzers eingeklemmt werden und es zu Verletzungen kommt.
12
Nach den Angaben des Streitpatents waren zwar, etwa aus der österreichischen Patentschrift 382 423, Möglichkeiten bekannt, derartige Verletzungen zu vermeiden. Diese umzusetzen war jedoch verhältnismäßig kostspielig in der Herstellung oder aus optischen Gründen unerwünscht. Der deutschen Offenlegungsschrift 21 06 063 und der österreichischen Patentschrift 369 129 konnte entnommen werden, die einander zugewandten Ränder von Torelementen abzustufen , um im Bereich der Schließstelle eine bessere Wärmedämmung zu erreichen. Dabei war jedoch kein Fingerschutz vorgesehen.
13
Weitere Ausgestaltungen, die aus den US-Patentschriften 3 198 242 und 3 941 180 bekannt waren, waren nach den Erläuterungen des Streitpatents verschleißanfällig, aufwändig bei der Montage oder insbesondere bei großen Verschwenkwinkeln unzureichend hinsichtlich des Fingerklemmschutzes.
14
2. Durch das Streitpatent soll ein einfach montierbares Hubgliedertor geschaffen werden, bei dem eine gute und zuverlässige Abdichtung zwischen den einzelnen Elementen gegeben ist und Fingerverletzungen im Umlenkbereich der Torelemente auch bei größeren Verschwenkwinkeln vermieden werden.
15
3. Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung ein Hubgliedertor, dessen Merkmale wie folgt unterteilt werden können: (1) Hubgliedertor mit einer Mehrzahl tafelförmiger Torelemente (1), die mittels Gelenken, Scharnieren oder dergleichen um horizontal verlaufende Schwenkachsen miteinander verbunden sind; (2) das Tor gleitet mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen, in seitlichen Führungsbahnen, die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung über einen Bogen in eine horizontale Offenstellung führen; (3) an dem oberen Rand (5) jedes Torelementes (1) ist ein Vorsprung (7) vorgesehen, der eine bis zur Spitze (9) ansteigende Vorderflanke (10) und eine von der Spitze (9) abfallende Hinterflanke (12) aufweist; (4) an dem unteren Rand (6) des Torelementes ist eine in der Geschlossenstellung den Vorsprung des benachbarten Torelementes aufnehmende Vertiefung (13) vorgesehen; (5) beim Verschwenken der Torelemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) tritt zumindest über einen Teil des Verschwenkwinkels bloß ein Öffnungsabstand (d) auf, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt; (6) der Vorsprung (7) ist zahnartig ausgebildet; (7) die Vertiefung (13) ist an den Vorsprung (7) angepasst; (8) das Gelenk des Scharniers (14) ist vollständig in der hinteren Ausnehmung (20) aufgenommen, wodurch die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert ist und vor die Hinterflächen (11) der Torelemente (1, 1') zu liegen kommt.
16
4. Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der Zeichnungen des Streitpatents zeigt in schematischer Seitenansicht ein Hubgliedertor, das eine Mehrzahl von tafelförmigen Torelementen (1) aufweist, die mittels Gelenken (2) um horizontal verlaufende Schwenkachsen miteinander verbunden sind. Das Tor gleitet dabei mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen (3), in seitlichen Führungsbahnen (4), die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung in eine horizontale Offenstellung führen (Merkmale 1 und 2).


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In den nachfolgend eingerückten Figuren 2 und 3 der Zeichnungen des Streitpatents ist beispielhaft ein zahnartig ausgebildetes Torelement (1) abgebildet , bei dem an dem oberen Rand (5) ein Vorsprung (7) vorgesehen ist, der eine bis zu einer Spitze (9) ansteigende Vorderflanke und eine von der Spitze (9) abfallende Hinterflanke aufweist, und bei dem an dem unteren Rand (6) eine den Vorsprung des benachbarten Torelementes (1) aufnehmende und an diesen angepasste Vertiefung (13) vorgesehen sind (Merkmale 3, 4, 6 und 7).


18
Die patentgemäße Ausgestaltung der oberen bzw. unteren Ränder der Torelemente ermöglicht es, die Schwenkachse (a) so anzuordnen, dass beim Verschwenken der Torelemente im Bogenbereich der Führungsbahn (4) zumindest über einen Teil des Schwenkwinkels bloß ein Öffnungsabstand (d) auftritt, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt (Merkmal 5, vgl. auch Streitpatentschrift , Sp. 2, Z. 27 ff.).
19
Wie in den Figuren 2 und 3 außerdem beispielhaft veranschaulicht wird, ist das Gelenk des Scharniers (14) vollständig in der hinteren Ausnehmung (20) aufgenommen, wodurch die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert ist und vor die Hinterflächen (11) der Torelemente zu liegen kommt (Merkmal 8). Dabei sind aus Sicht des Fachmanns, bei dem es sich um einen Ingenieur des Maschinenbaus mit Fachhochschulabschluss und mehrjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion von Hubgliedertoren handelt, im Zusammenhang mit der Lehre des Streitpatents unter dem Gelenk des Scharniers die Bauteile zu verstehen, die unmittelbar die Wirkach- se (= Schwenkachse) bilden. Im Falle der in den Figuren 2 und 3 gezeigten Ausführungsform sind dies beispielsweise der Bolzen und die Rolle, welche unmittelbar die Gelenkigkeit des Scharniers bewirken und vollständig in einer hinteren Ausnehmung aufgenommen sind, so dass sie vor den Hinterflächen der Elemente liegen. Hingegen sind die Scharnierlappen, die hinter den Hinterflächen der Elemente angeordnet sind, zwar als Teil des Scharniers anzusehen , gehören aber nicht mehr zu dessen Gelenk.
20
Mit dem Begriff des Vorsprungs ist, wie der gerichtliche Sachverständige im Termin erläutert hat, dessen Spitze bzw. mit dem Begriff der Vertiefung deren tiefste Stelle gemeint. Das ergibt sich aus Sicht des Fachmanns bereits ohne weiteres aus der zahnartigen bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischen Ausgestaltung des Vorsprungs mit einer bis zur Spitze ansteigenden Vorder- und einer von der Spitze abfallenden Hinterflanke bzw. einer den derart ausgestalteten Vorsprung aufnehmenden Vertiefung (vgl. Merkmale 3, 4 und 6) und dem erfindungsgemäßen Bestreben, im Bogenbereich der Führungsbahnen einen geringen Öffnungsabstand zwischen benachbarten Torelementen zu erreichen, damit die Finger der Benutzer darin nicht eingeklemmt werden können (vgl. Merkmal 5). In diesem Verständnis wird der Fachmann bestärkt, wenn es in der Beschreibung weiterhin erläuternd heißt, dass dadurch, dass die Schwenkachse benachbarter Torelemente innerhalb der hinteren Ausnehmung gelegen ist, also der Zahnspitze angenähert wurde, diese Torelemente vergleichsweise stark abgewinkelt werden können, ohne dass sich hinter dem Zahn ein größerer Spalt öffnet, der zu Fingerverletzungen führen könnte (Streitpatentschrift, Sp. 2, Z. 34 ff.).

21
5. In der Fassung des ersten Hilfsantrags der Beklagten hat Merkmal 5 abweichend von der erteilten Fassung folgenden Wortlaut: (5) Beim Verschwenken der Torelemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) tritt bloß ein Öffnungsabstand (d) auf, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt.
22
Der Öffnungsabstand (d) muss also in der Fassung des ersten Hilfsantrags beim Verschwenken der Torelemente nicht nur (wie noch in der eingetragenen Fassung von Patentanspruch 1) "zumindest über einen Teil", sondern im gesamten Bogenbereich der Führungsbahn (4) einen Öffnungsabstand (d) aufweisen, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt.
23
6. Der zweite Hilfsantrag der Beklagten übernimmt Patentanspruch 1 in der Fassung des ersten Hilfsantrags, wobei zusätzlich Merkmal 3 in Abänderung der eingetragenen Fassung wie folgt lautet: (3) An dem oberen Rand (5) jedes Torelementes (1) ist ein Vorsprung (7) vorgesehen, der eine bis zur Spitze (9) ansteigende Vorderflanke (10) und eine von der Spitze (9) bis zur Hinterfläche (11) des Elementes abfallende Hinterflanke (12) aufweist.
24
Nach der Lehre von Patentanspruch 1 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags ist dem Fachmann die Ausgestaltung der von der Spitze abfallenden Hinterflanke nicht mehr freigestellt, sondern diese muss bis zur Hinterfläche abfallen, so wie dies bei der in den Figuren 2 und 3 exemplarisch gezeigten Ausführungsform der Fall ist, bei welcher die Hinterflanke von der Spitze aus betrachtet zunächst in einem steileren und dann in einem flacheren Winkel bis zur Hinterfläche abfällt. Ein Abfallen der Hinterflanke von der Spitze bis zur Hin- terfläche des Elementes kann hingegen aus Sicht des Fachmanns nicht mehr angenommen werden, wenn beispielsweise die Hinterflanke auf einer in etwa horizontalen Stufe endet, an die sich die vertikale Hinterseite des Torelementes anschließt. Denn eine solche in etwa horizontale Stufe stellt sich, wie auch der gerichtliche Sachverständige im Termin bestätigt hat, im Rahmen der Lehre des Streitpatents weder als abfallende Flanke des nach Merkmal 6 "zahnartigen" Vorsprungs noch als Hinterfläche des Torelements dar.
25
7. Der dritte Hilfsantrag der Beklagten baut auf Patentanspruch 1 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags auf, wobei zusätzlich Merkmal 6 in Abweichung der erteilten Fassung folgenden Inhalt hat: (6) Der Vorsprung (7) ist zahnartig und bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet.
26
Danach ist die Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprunges nicht mehr beliebig, sondern dieser muss bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet sein, was eine streng symmetrische Ausbildung einschließt. Das in den oben wiedergegebenen Figuren 2 und 3 des Streitpatents beispielhaft gezeigte Torelement setzt sich aus zwei identischen Blechschalen zusammen (Streitpatentschrift, Sp. 3, Z. 47 ff., Unteranspruch 5) und verfügt infolgedessen über einen streng symmetrisch ausgebildeten zahnartigen Vorsprung. Eine solche Ausgestaltung weist den Vorteil einer vereinfachten Herstellung auf (Streitpatentschrift, aaO). Der Fachmann erkennt, dass es bei einer lediglich "im Wesentlichen" symmetrischen Ausgestaltung des Vorsprungs nicht notwendigerweise auf den mit identisch geformten Blechschalen verbundenen Vorteil einer vereinfachten Herstellung ankommt, sondern bei dieser auch kleinere Abweichungen möglich sind, wie sie etwa notwendig werden können, wenn vorrangig ein verbessertes äußeres Erscheinungsbild des Hubtores auf der Vorderseite erreicht werden soll.
27
II. 1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung sowie in der Fassung des ersten und des zweiten Hilfsantrags der Beklagten geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (§§ 81, 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
28
a) Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents (bzw. des Patents in der verteidigten Fassung) mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche bestimmte Lehre, wobei Beschreibung und Zeichnungen mit heranzuziehen sind. Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Patentansprüchen dabei eine gleich hervorgehobene Bedeutung zukommt. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag von vornherein von dem Schutzbegehren mit umfasst werden sollte (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Unzulässige Erweiterung).
29
Der Gegenstand der Anmeldung kann daher im Erteilungsverfahren bei der Formulierung des Anspruchs anders gefasst werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung des Gegenstandes der Anmeldung führen (BGHZ 110, 123, 125 f. - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht zur Erfindung gehörend erkennen ließ (Sen.Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023, 1024 - Einkaufswagen II; v.

23.10.2007 - X ZR 104/06 Tz. 14). Das ist jedoch bei Patentanspruch 1 in den genannten Fassungen der Fall.
30
b) Dem Fachmann wird in den Anmeldungsunterlagen an keiner Stelle offenbart, dass Gegenstand der Erfindung auch ein Hubgliedertor sein soll, bei dem der zahnartige Vorsprung, der an dem oberen (unteren) Rand eines jeden Torelementes vorgesehen ist, nicht "bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch" ausgebildet sein kann, so wie dies in Patentanspruch 1 (Merkmal 6) des Streitpatents in der eingetragenen Fassung und in der Fassung des ersten und des zweiten Hilfsantrags der Beklagten vorgesehen ist.
31
In der allgemeinen Beschreibung der Anmeldung wird dem Fachmann ausgehend von Angaben zum Stand der Technik mitgeteilt, dass es ein Ziel der Erfindung ist, ein Hubgliedertor zu schaffen, bei dem eine gute Abdichtung zwischen den Elementen gegeben ist und Fingerverletzungen im Umlenkbereich der Torelemente vermieden werden können (Streitpatentanmeldung, Sp. 1, Z. 41 ff.). Dieses Ziel soll sich nach den weiteren Erläuterungen der allgemeinen Beschreibung mit einem Hubgliedertor der im Stand der Technik bekannten Art (entspricht einem Hubgliedertor nach Maßgabe der Merkmale 1 und 2 des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung) erreichen lassen, "bei welchem erfindungsgemäß an dem oberen (unteren) Rand jedes Torelementes ein bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischer zahnartiger Vorsprung vorgesehen ist" sowie weitere Merkmale vorhanden sind (Streitpatentanmeldung , Sp. 1, Z. 46 ff.).
32
Der Fachmann wird in der Anmeldung sodann dahin belehrt, dass es die erfindungsgemäße Ausgestaltung der oberen bzw. unteren Ränder der Torele- mente ermöglicht, die Schwenkachse so zu legen, dass sich auch im Bogenbereich der Führungsbahnen bloß ein geringer Öffnungsabstand zwischen benachbarten Torelementen, beispielsweise 4 mm, ergibt, wodurch Finger nicht versehentlich in den Öffnungsbereich gelangen können. Neben weiteren sich unzweifelhaft nicht auf die "im Wesentlichen symmetrische" Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs beziehenden Vorteilsangaben wird dem Fachmann zudem erläutert, dass die symmetrische Ausbildung zu einer Produktionsvereinfachung besonders bei der Herstellung jedes Elementes aus zwei Blechschalen führt, da diese dann völlig gleich ausgebildet werden können (Streitpatentanmeldung , Sp. 1, Z. 60 ff.).
33
Die in der Anmeldung in den Figuren 4 bis 6 wie folgt gezeigten und in der Beschreibung erläuterten Ausführungsbeispiele weisen einen symmetrischen zahnartigen Vorsprung auf. Ergänzend heißt es zu dem in Figur 4 gezeigten Ausführungsbeispiel in der Beschreibung, dass die Blechschalen (16, 17) völlig identisch ausgebildet sein können, was zu einer Vereinfachung der Herstellung führt (Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 24 ff.). Dem steht auch, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt und bei seiner Anhörung bestätigt hat, nicht entgegen, dass bei der Darstellung in Figur 4 die beiden das Torelement bildenden Blechschalen in den Überlappungsbereichen des zahnartigen Vorsprungs am oberen Rand bzw. der entsprechenden Vertiefung am unteren Rand geringe Symmetrieabweichungen aufweisen. Denn dem Fachmann wird in der Beschreibung gerade im Hinblick auf das in Figur 4 gezeigte Ausführungsbeispiel erläutert, dass die Blechschalen (16, 17) zur Vereinfachung der Herstellung völlig identisch ausgebildet sein können (Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 24 ff.). Zudem ist diesem aufgrund seines Fachwissens geläufig, dass die Elementschalen hinreichend flexibel sind, um im montierten Zustand des Elements einen praktisch symmetrischen Formzustand anzunehmen.
34
Bei der in den Figuren 2 und 3 der Anmeldung wie folgt gezeigten Ausgestaltung ist an der Vorderseite eine Ausnehmung (15) im Bereich der benachbarten Elemente (1, 1') vorgesehen, um - wie in der Beschreibung erläutert wird (Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 12 ff.) - das Erscheinungsbild des geschlossenen Tores zu verbessern. Die Ausnehmung wird einerseits durch die abgeschrägte vorderseitige Kante des oberen Elementes und andererseits durch die im unteren Bereich abgeflachte vorderseitige Flanke des zahnartigen Vorsprungs des unteren Elementes gebildet. Da nur die vorderseitige, nicht aber auch die rückseitige Flanke in ihrem unteren Bereich abgeflacht ist, ist der zahnartige Vorsprung nicht völlig symmetrisch ausgebildet. Der Fachmann wird in dieser Ausgestaltung jedoch ein Beispiel für einen im Wesentlichen symmetrischen zahnartigen Vorsprung erkennen.
35
Kein einziges der in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten Ausführungsbeispiele zeigt jedoch ein Hubgliedertor, dessen Torelemente nicht zumindest einen im Wesentlichen symmetrisch ausgestalteten zahnartigen Vorsprung aufweisen.


36
In Patentanspruch 1 der Anmeldung ist dann ebenfalls vorgesehen, dass an dem oberen (unteren) Rand jedes Torelements ein bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischer zahnartiger Vorsprung ausgebildet sein soll. Die weiteren Patentansprüche 2 bis 7 der Anmeldung nehmen mittelbar oder unmittelbar Bezug auf Patentanspruch 1 und beinhalten damit als auf diesen bezogene Unteransprüche gleichermaßen das Merkmal, dass an dem oberen (unteren) Rand jedes Torelements ein bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischer zahnartiger Vorsprung ausgebildet sein soll. In Patentanspruch 6 wird darüber hinaus gefordert, dass jedes Element (1, 1') aus zwei identisch ausgebildeten Blechschalen (16, 17) besteht, was eine bezüglich der Tormittenebene exakt symmetrische Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs impliziert.
37
c) (1) Die Beklagte und die Nebenintervenientin meinen demgegenüber, der Fachmann werde erkennen, dass die im Wesentlichen bezüglich der Tormittenebene symmetrische Ausbildung des zahnartigen Vorsprungs allein dazu diene, Produktionsvereinfachungen zu ermöglichen, weil die Blechschalen dann völlig gleich ausgebildet werden können, während durch eine solche Ausbildung nichts zur Lösung der weiteren der Erfindung zugrundeliegenden Probleme - insbesondere dem Problem des Fingerklemmschutzes - beigetragen werde. Es sei daher nicht notwendig, dieses Teilmerkmal im Hauptanspruch zu belassen. Vielmehr betreffe selbiges einen selbständigen, unabhängigen Erfindungskomplex , der ohne weiteres vom Hauptanspruch abgetrennt werden könne.

38
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte und die Nebenintervenientin übersehen, dass nach den Angaben der Beschreibung erst die streng symmetrische Ausbildung des zahnartigen Vorsprungs zu einer Produktionsvereinfachung, insbesondere bei der Herstellung jedes Elementes aus zwei Blechschalen führt, weil diese dann "völlig gleich" ausgebildet werden können (Streitpatentanmeldung, Sp. 2, Z. 9 ff.; vgl. auch Patentanspruch 6), so wie dies in der Anmeldung im Hinblick auf das in Figur 4 gezeigte Ausführungsbeispiel erläutert wird (vgl. Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 24 ff.). Ist der zahnartige Vorsprung jedoch zur Tormittenebene nicht streng symmetrisch, sondern lediglich "im Wesentlichen" symmetrisch ausgebildet, so wie dies in den Figuren 2 und 3 gezeigt und in der Beschreibung der Anmeldung erläutert wird, bedarf es unterschiedlicher Arbeitsvorgänge um die beiden Schalen für ein Torelement herzustellen. Für den Fachmann ergab sich daraus, dass nach dem Offenbarungsgehalt der Anmeldung mit dem Merkmal des bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischen zahnartigen Vorsprungs erfindungsgemäß nicht ausschließlich Produktionsvereinfachungen erreicht werden sollen und es sich infolgedessen dabei auch nicht um einen selbständigen, unabhängigen Erfindungskomplex handelt, der ohne weiteres vom Hauptanspruch abgetrennt werden kann.
39
(2) Die Beklagte und die Nebenintervenientin sind des Weiteren der Ansicht , dass der Fachmann bei einer Analyse der Anmeldung habe erkennen können, dass die Symmetrie kein notwendiges Merkmal sei, wenn Fingerverletzungen vermieden werden sollen. Zudem habe der Fachmann feststellen können, dass der maximale Verschwenkwinkel bis zu dem Öffnungsabstand, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt, bei allen in den Ursprungsunterlagen angedeuteten Ausführungsformen der Erfindung besonders groß wird, wenn der Vorsprung gerade nicht symmetrisch ist. Zu einer solchen kritischen Analyse des Inhalts der Ursprungsunterlagen sei der Fachmann dadurch veranlasst worden, dass diese neben einer formelhaften Wiedergabe des ursprünglich vorgelegten Anspruchs keine Erläuterungen zum erfinderischen Beitrag der symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs enthielten.
40
Auch mit diesem Vorbringen vermögen die Beklagte und die Nebenintervenientin nicht durchzudringen. Zwar hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten bestätigt, dass der maximal zulässige Verschwenkwinkel (das heißt der Winkel, bei dem der Öffnungsabstand (d) zwischen der Vorderflanke der Vertiefung bzw. der vorderen Unterkante der Vertiefung des einen Torelementes und der oberen Kante des zahnartigen Vorsprungs des anderen Torelementes nur so groß ist, dass das Einklemmen eines Fingers ausgeschlossen ist [beispielsweise maximal 4 mm ist, vgl. Streitpatentanmeldung, Sp. 1, Z. 60 ff.]) bei einer nicht-symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs im Vergleich mit einem symmetrischen Vorsprung verkleinert oder vergrößert werden kann (Gutachten, S. 20 ff., 24, 27). Dies hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten dadurch veranschaulicht, dass er beispielhaft ein Torelement mit einem bezüglich der Tormittenebene symmetrischen zahnartigen Vorsprung, bei dem der Winkel der geraden Flanken auf beiden Seiten 60° beträgt, mit Torelementen verglichen hat, bei denen die vorderseitige Flanke des Vorsprungs um 5° bzw. 10° geneigt wurde, und Torelementen gegenüber gestellt hat, bei denen die hinterseitige Flanke des Vorsprungs um 5° bzw. 10° geneigt wurde. Wie sich aus der nachfolgend wiedergegebenen zeichnerischen Darstellung ergibt, verkürzt sich im Vergleich mit der symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs der Verschwenkwinkel bei den Beispielen, bei denen die Vorderflanke geneigt wurde, und vergrößert sich bei den Beispielen, bei denen die Hinterflanke geneigt wurde (Gutachten, S. 20):
41
Vor diesem Hintergrund erschloss es sich dem Fachmann, wie sich aus den weiteren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ergibt, dass die bezüglich der Tormittenebene symmetrische bzw. im Wesentlichen symmetrische Gestaltung des zahnartigen Vorsprungs kein notwendiges Merkmal ist, um Fingerverletzungen zu vermeiden.
42
Die Beklagte und die Nebenintervenientin übersehen jedoch, dass der Fachmann diese Erkenntnisse nicht dem Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Unterlagen entnehmen konnte, sondern sich selbige ihm nach Kenntnisnahme der Anmeldung erst aufgrund eigener von seinem Fachwissen getragener Überlegungen erschlossen haben. Denn in den Anmeldungsunterlagen findet sich weder ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass auch Torelemente mit einem bezüglich der Tormittenebene nicht im Wesentlichen symmetrischen zahnartigen Vorsprung zur Erfindung gehören sollen, noch handelte es sich dabei um eine Selbstverständlichkeit, die aus Sicht des Fachmanns ohne weiteres "mitgelesen" worden ist. Vielmehr hat auch der gerichtliche Sachverständige im Termin bestätigt, dass der Fachmann die Ausführungen in der Anmeldung zunächst als solche hinnahm und erst durch auf die Anmeldung aufbauende eigenständige Erwägungen zu dem Schluss gelangen konnte, dass die erfindungsgemäß angestrebten Ziele auch mit einer nicht im Wesentlichen symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs erreicht werden können, zumal der Fachmann im Bereich der Produktionstechnik allgemein dazu neigt, symmetrische nicht-symmetrischen Formgestaltungen vorzuziehen.
43
Hinzu kommt, dass es nach den weiteren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen aus Sicht des Fachmanns jedenfalls bei geraden Flanken durchaus sinnvoll war, den Verschwenkwinkel nicht zu groß werden zu lassen , weil dann ein ungünstiger größerer Abstand zwischen der Vorderflanke des Vorsprungs des einen Torelementes und der korrespondierenden Flanke der Vertiefung des anderen Torelementes entsteht (vgl. jeweils den Abstand (k) bei den oben wiedergegebenen, aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen stammenden beispielhaften Darstellungen der symmetrischen und der zur Hinterseite geneigten zahnartigen Vorsprünge). Daher stellte die symmetrische Gestaltung des zahnartigen Vorsprungs auch aus allgemein fachlicher Sicht einen guten Kompromiss dar, um einerseits den maximalen Kantenabstand nicht zu groß werden zu lassen und dabei gleichzeitig einen ausreichend großen maximalen Verschwenkwinkel zu ermöglichen (Gutachten, S. 24, 27).

44
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrags der Beklagten und Nebenintervenientin geht nicht in unzulässiger Weise über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (§§ 81, 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
45
a) Die Klägerin zu 3 meint, der Fachmann habe den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht entnehmen können, dass das Gelenk des Scharniers "vollständig" in der hinteren Ausnehmung aufgenommen sei (Merkmal 8). Für den Fachmann sei nicht erkennbar gewesen, dass dieses Teilmerkmal zur Erzielung der angestrebten Wirkung von Vorteil sei. Eine weitere unzulässige Erweiterung sei darin zu sehen, dass Merkmal 8 während des Erteilungsverfahrens dahin geändert worden sei, dass "die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert" sei. Die ursprünglichen Unterlagen enthielten keine Offenbarung hinsichtlich des Abstandes der Schwenkachse zu dem Vorsprung. Die beanspruchte Annäherung der Schwenkachse an den Vorsprung ergebe sich auch nicht zwangsläufig aus dem Versatz der Schwenkachse vor die Hinterfläche der Elemente. Vielmehr könne ein solcher Versatz auch zu einer Vergrößerung des Abstandes zur Spitze des Vorsprungs führen.
46
Die Argumente der Klägerin zu 3 greifen nicht durch. In der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung wird dem Fachmann im Hinblick auf die in Figur 5 (die identisch mit der oben wiedergegebenen Figur 2 des Streitpatents ist) gezeigte Ausführung erläutert, dass diese nicht nur an der Vorderseite eine Ausnehmung 15 aufweist, sondern auch an der Hinterseite eine Ausnehmung 20 vorgesehen ist (Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 40 ff.). Sodann heißt es, dass "diese hintere Ausnehmung 20 ..., wie ersichtlich, das Gelenk eines Scharniers 14 aufnehmen [kann], wodurch die Schwenkachse a vor die Hinter- fläche 11 der Elemente 1, 1' zu liegen kommt" (Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 42 ff.). Zutreffend ist, dass an dieser Stelle nicht ausdrücklich offenbart wird, dass das Scharniergelenk vollständig von der hinteren Ausnehmung aufgenommen wird. Dies ergibt sich jedoch für den Fachmann, wie der gerichtliche Sachverständige im Termin erläutert hat, ohne weiteres aus dem Bezug zur Figur 5 der Anmeldung, welche ein vollständig von der hinteren Ausnehmung 20 aufgenommenes Scharniergelenk zeigt. Denn zum Offenbarungsgehalt gehört auch, was der Fachmann aus den Zeichnungen als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmen kann (Sen.Urt v. 21.4.2009 - X ZR 153/04, GRUR 2009, 933 - Druckmaschinen-Temperierungssystem II).
47
Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Figur 5 wie auch bei den anderen Zeichnungen der Anmeldungsunterlagen um eine schematische Darstellung handelt (vgl. Streitpatentanmeldung, Sp. 2, Z. 19 ff.). Denn, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat (Gutachten, S. 34), erkennt der Fachmann aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrungen , dass in Abhängigkeit von den verschiedenen Faktoren der konkreten Ausgestaltung (z.B. die Breite des Torblattes, die Höhe des Vorsprungs, der erforderliche Verschwenkwinkel der Torelemente, die Größe des Gelenks, etc.) die in Figur 5 der Anmeldung gezeigte vollständige Aufnahme der Schwenkachse durch die hintere Ausnehmung eine mögliche Lösung für die Anordnung der Schwenkachse ist.
48
Zutreffend weist die Klägerin zu 3 darauf hin, dass die Anmeldungsunterlagen keine Angaben zum Abstand zwischen der Schwenkachse (a) und dem Vorsprung infolge der vollständigen Anordnung des Scharniergelenks in der hinteren Ausnehmung enthalten. Zudem ist ihr darin zuzustimmen, dass die Verlegung der Schwenkachse (a) vor die rückseitige Kante (11) der Torelemente - bei rein theoretischer Betrachtungsweise - nicht zwangsläufig eine Annäherung der Schwenkachse (a) an den Vorsprung (7) zur Folge hat. Wie jedoch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat (Gutachten, S. 34), erschloss es sich dem Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnisse, dass ein Versatz, der die Schwenkachse vom Vorsprung entfernt, die Gefahr des Fingereinklemmens erhöht, weil sich dadurch der maximale Kantenabstand vergrößert und der maximal zulässige Verschwenkwinkel verkleinert, weshalb dieser eine solche Lösung nicht in Betracht zog. Daher war es für ihn - bei Beachtung der mit der Erfindung angestrebten Ziele - sehr wohl zwangsläufig, dass mit der vollständigen Aufnahme des Scharniergelenks in der hinteren Ausnehmung (20) eine Annäherung der Schwenkachse (a) an den Vorsprung (7) einhergeht und zu gehen hat.
49
b) Die Klägerin zu 3 vertritt zudem die Ansicht, dass der Gegenstand des Streitpatents dadurch unzulässig erweitert worden sei, dass in dessen Beschreibung folgender weiterer Absatz aufgenommen worden sei: "Dadurch, dass die Schwenkachse benachbarter Torelemente innerhalb der hinteren Ausnehmung gelegen ist, also der Zahnspitze angenähert wurde, können benachbarte Torelemente vergleichsweise stark abgewinkelt werden, ohne dass sich hinter dem Zahn ein größerer Spalt, der zu Verletzungen führen könnte, öffnet" (Streitpatent, Sp. 2, Z. 34 ff.).
50
Wie bereits ausgeführt, ist zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung der Gegenstand des Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Dabei wird der Gegenstand des Patents durch die Patentansprüche bestimmt, wobei Beschreibung und Zeichnungen zur Auslegung der Ansprüche mit heranzuziehen sind (§ 14 PatG). Eine Passage in der Beschreibung oder eine Zeichnung, die nicht Inhalt der ursprünglichen Unterlagen gewesen ist, kann demnach nur dann den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung begründen, wenn deren Berücksichtigung bei der Auslegung des Patentanspruchs des erteilten Patents zu einem veränderten Verständnis der darin verwendeten Begriffe oder des geschützten Gegenstands führt (ähnlich zur Schutzbereichserweiterung nach § 22 Abs. 1 Alt. 2 PatG: Benkard/Rogge, PatG, 10. Aufl., § 22 PatG Rdn. 21 a.E.).
51
Das ist bei der von der Klägerin zu 3 beanstandeten Einfügung nicht der Fall. Diese Stelle, die nicht in den ursprünglichen Unterlagen enthalten war, bezieht sich auf das Merkmal 8 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, wonach durch die vollständige Aufnahme des Scharniergelenks (14) in der hinteren Ausnehmung (20) die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert ist und vor die Hinterflächen (11) der Torelemente (1, 1') zu liegen kommt. Insoweit ist ihr zu entnehmen, dass durch die mit der Verlegung der Schwenkachse in die hintere Ausnehmung einhergehende Annäherung der Schwenkachse an die Zahnspitze (des Vorsprungs) benachbarte Torelemente vergleichsweise stark abgewinkelt werden können, ohne dass sich hinter dem Zahn ein größerer Spalt öffnet, der zu Verletzungen führen könnte (vgl. Streitpatentschrift, Sp. 2, Z. 34 ff.).
52
Die beanstandete Angabe führt nicht deshalb zu einer unzulässigen Erweiterung , weil hierin ausdrücklich auf die Zahnspitze des Vorsprungs als Bezugspunkt für die Annäherung der Schwenkachse Bezug genommen wird, während in Merkmal 8 lediglich die Annäherung der Schwenkachse an den Vorsprung bzw. die Vertiefung erwähnt wird. Denn wie bereits dargelegt, wird Merkmal 8 bereits im Rahmen der Lehre aus Patentanspruch 1 des Streitpatents vom Fachmann dahin verstanden, dass sich die Schwenkachse der Zahnspitze des Vorsprungs annähert, so dass aus der nach § 14 Satz 2 PatG gebotenen Heranziehung des eingefügten Absatzes kein anderes, eine unzulässige Erweiterung begründendes Verständnis des in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Gegenstandes folgen kann.
53
Wie der gerichtliche Sachverständige zudem bestätigt hat (Gutachten, S. 35 i.V.m. S. 29 ff.), ermöglicht es eine Annäherung der Lage der Schwenkachse an die Zahnspitze tatsächlich, den Verschwenkwinkel bei einem vorgegebenen Öffnungsabstand zu vergrößern. Ein erweiterndes Verständnis des Merkmals 8 bzw. der Lehre aus Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrags ergibt sich auch daraus nicht.
54
c) Die Klägerin zu 3 meint schließlich, dass in der Hinzufügung der Figur 3 in das Streitpatent sowie in der Umformulierung des Beschreibungsteils in Spalte 3, Zeilen 25 - 35 des Streitpatents eine unzulässige Erweiterung zu sehen sei.
55
Auch insoweit kann ihr nicht beigetreten werden. Zutreffend ist, dass die Figur 3 des Streitpatents als solche nicht zu den Figuren der ursprünglichen Unterlagen gehört. Die Anmeldung enthält vielmehr die Figur 5, welche identisch mit der oben wiedergegebenen Figur 2 des Streitpatents ist, sowie darüber hinaus unter anderem die Figuren 2 und 3, welche nachfolgend wiedergegeben werden:
56
Die Figur 3 des Streitpatents entspricht also insoweit der Figur 3 der Anmeldung, als diese ein Torelement, welches in einer vorhergehenden Figur in geschlossenem Zustand gezeigt wird, in verschwenkter Position darstellt. Figur 3 des Streitpatents weicht insoweit von Figur 3 der Anmeldung ab, als nicht eine Figur 2 der Anmeldung entsprechende Figur in verschwenkter Position gezeigt wird, sondern eine Figur 2 des Streitpatents (die wiederum mit Figur 5 der Anmeldung identisch ist) entsprechende Figur in verschwenkter Position. Mit dieser Abweichung sind Detailunterschiede in der Darstellung verbunden, wie etwa eine stärker geneigte Anordnung des oberen Torelementes bzw. ein größerer Verschwenkwinkel bei Figur 3 des Streitpatents (ca. 50°) im Vergleich mit Figur 3 der Anmeldung (ca. 45°). Diese Unterschiede gehen jedoch nicht über das hinaus, was für den Fachmann bereits in der ursprünglichen Anmeldung in den Figuren 2, 3 und 5 sowie in der Beschreibung (Streitpatentanmeldung , Sp. 3, Z. 42 ff.) zu erkennen war, weil sie Folge des einfachen Verschwenkens des oberen Torabschnitts aus Figur 5 der ursprünglichen Anmeldung sind, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat (Gutachten, S. 36). Erst recht ergibt sich daraus kein erweiterndes Verständnis der Lehre aus Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrags der Beklagten.
57
Gleiches gilt auch für die von der Klägerin zu 3 beanstandete Umformulierung. Zutreffend ist, dass sich diese Stelle in den ursprünglichen Unterlagen auf Figur 3 der Anmeldung bezogen hat, während diese nunmehr die mit dieser nicht identische Figur 3 des Streitpatents betrifft. Diesbezüglich wird im Wesentlichen erläutert, dass bei einem Verschwenken der Elemente im Bogenbereich der Führungsschienen 4 nur ein geringer Öffnungsabstand (d) entsteht, der verhindert, dass Finger zwischen die Ränder benachbarter Elemente gelangen und verletzt werden können, wobei dieser Effekt durch die ansteigende Flanke 10 unterstützt wird (vgl. einerseits: Streitpatentanmeldung, Sp. 2, Z. 68 ff. und andererseits: Streitpatent, Sp. 3, Z. 25 ff.). Diese Erläuterungen treffen gleichermaßen für die Figur 3 der Anmeldung wie für die (veränderte) Figur 3 des Streitpatents zu. Ein erweitertes Verständnis des Gegenstandes aus Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrages erwächst daraus nicht.
58
III. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrages der Beklagten erweitert nicht unzulässig den Schutzbereich des Streitpatents (§§ 81, 22 Abs. 1 Alt. 2 PatG).
59
Die Klägerin zu 3 meint, eine unzulässige Schutzbereichserweiterung liege vor, weil das in Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrags in Merkmal 6 aufgenommene Teilmerkmal, dass der zahnartige Vorsprung bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet ist, im erteilten Patent weder in der Beschreibung noch in den Figuren offenbart sei.


60
In dieser Bewertung kann ihr im Ergebnis nicht zugestimmt werden.
61
Der Patentinhaber kann sein Patent im Nichtigkeitsverfahren beschränken. Er darf aber weder dessen Schutzbereich erweitern, noch an die Stelle der ihm erteilten patentgeschützten Erfindung eine andere setzen. Die Einfügung eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist nicht zulässig, wenn es dort zwar erwähnt, in seiner Bedeutung für die im Anspruch definierte Erfindung jedoch nicht erkennbar ist. Mit anderen Worten muss dieses Merkmal in der Beschreibung als zu der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Erfindung gehörig zu erkennen sein. Andernfalls würde sich der Patentanspruch dann nicht mehr auf die ursprünglich beanspruchte Erfindung beziehen , sondern auf ein davon wesensverschiedenes "Aliud", was vor allem mit dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht mehr vereinbar wäre (BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; vgl. auch Sen.Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; jeweils m.w.N.).
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In dem hier zu entscheidenden Fall wird der Schutzbereich durch die Ergänzung des Merkmals 6, dass der Vorsprung nicht nur "zahnartig", sondern darüber hinaus auch "bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch" ausgebildet sein soll, nicht erweitert, weil dadurch die Verwirklichung der in Patentanspruch 1 geschützten Lehre an eine zusätzliche Bedingung geknüpft wird.
63
Durch die Einfügung des Teilmerkmals wird aber auch an die Stelle der patentgeschützten Erfindung kein "Aliud" gesetzt. Zutreffend weist die Klägerin zu 3 darauf hin, dass weder der Beschreibung des Streitpatents in der erteilten Fassung noch dessen Zeichnungen unmittelbar eine Ausgestaltung entnommen werden kann, bei welcher der zahnartige Vorsprung der Torelemente bezüglich der Tormittenebene symmetrisch mit unwesentlichen Abweichungen ausgebildet ist. Allerdings wird in der Beschreibung im Hinblick auf das in den Figuren 2 und 3 des Streitpatents gezeigte erfindungsgemäße Ausführungsbeispiel erwähnt und ist Gegenstand von Unteranspruch 5, dass die Blechschalen, aus denen die Torelemente hergestellt sein können, "völlig identisch" ausgebildet sein können, was zu einer Vereinfachung der Herstellung führt (Streitpatent , Sp. 3, Z. 47 ff.; Sp. 5, Z. 10 ff.). Dies impliziert aus Sicht des Fachmanns - im Sinne einer vorteilhaften Ausführung nach dem erteilten Patent - die bezüglich der Tormittenebene exakt symmetrische Ausbildung des zahnartigen Vorsprungs der Torelemente. Entsprechend weist auch das in den Figuren 2 und 3 des Streitpatents in geschlossenem und verschwenktem Zustand beispielhaft gezeigte Torelement einen bezüglich der Tormittenebene exakt symmetrisch ausgebildeten Vorsprung auf. Entnimmt der Fachmann also einerseits Patentanspruch 1, dass die Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs der Torelemente in das freie Belieben des Anwenders gestellt wird, und wird er andererseits durch einen Unteranspruch, die Beschreibung und die Zeichnungen dahin belehrt, dass die bezüglich der Tormittenebene exakt symmetrische Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs vorteilhaft sein kann, so erschließt es sich ihm auch als zur Erfindung gehörend und stellt es kein "Aliud" dar, den Vorsprung bezüglich der Tormittenebene "lediglich" im Wesentlichen symmetrisch auszubilden.
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IV. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der Fassung des 3. Hilfsantrags der Beklagten ist neu (§§ 81, 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1, 1 Abs. 1, 3 PatG).


65
a) Die Lehre aus Patentanspruch 1 des Streitpatents in der Fassung des 3. Hilfsantrags wird nicht durch die US-Patentschrift 2 372 792 (Anlage K 7) aus dem Jahr 1945 offenbart, weil der Fachmann dieser die Merkmale 2 und 8 nicht entnehmen kann. Die Entgegenhaltung zeigt in den nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 25 und 26 den Verbindungsbereich von Hubgliedertoren (Sektionaltoren) wie sie als Überkopf-Konstruktion für Garagen oder andere vergleichbare Gebäude verwendet werden können.


66
Für den Fachmann folgt aus der Erwähnung der Überkopf-Konstruktion für Garagen oder andere vergleichbare Gebäude auch implizit, dass das Tor mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen, in seitlichen Führungsbahnen, die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung über einen Bogen in eine horizontale Offenstellung führen. Die einzelnen aus Holz bestehenden Torelemente (89, 90) sind jeweils mit einem Scharnier (91) auf der Innenseite anein- ander befestigt. An den Stirnseiten der Elemente sind Metallprofile angeschlagen , über die zwischen den angrenzenden Paneelen im Anschluss an konvex oder konkav ausgebildete Oberflächenbereiche eine Nut-Feder-Verbindung ausgebildet ist. Entsprechend ist an dem oberen Rand jedes Torelements (90) ein zahnartiger Vorsprung (95) vorgesehen und weist der untere Rand jedes Torelements (89) eine dem Vorsprung des benachbarten Torelements angepasste Vertiefung (93) auf (vgl. Anlage K 7, S. 6, l. Sp., Z. 29 ff.). Der zahnartige Vorsprung ist jedoch in etwa bogenförmig und damit nicht im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet (Merkmal 6). Beim Verschwenken der Torelemente (89, 90) im Bogenbereich der Führungsbahn ist der Öffnungsspalt, wie aus Figur 26 und der Beschreibung (Anlage K 7, S. 6, l. Sp., Z. 38 ff.) hervorgeht, so gering, dass ein Einklemmen des Fingers ausgeschlossen ist. Der zahnartige Vorsprung (95) verfügt auch über eine bis zur Zahnspitze ansteigende Vorderflanke (95a) und eine von der Spitze abfallende Hinterflanke. Letztere fällt jedoch nicht bis zur vertikalen Hinterfläche des Torelementes ab, sondern endet auf einer horizontalen Fläche, welche durch den stirnseitigen Abschluss des Torelementes bzw. des an dieses angeschlagenen Metallprofils gebildet wird (Merkmal 3). Das Gelenk des Scharniers (91) ist auf der Hinterfläche der Torelemente angeordnet und wird somit nicht vollständig von einer hinteren Ausnehmung aufgenommen (Merkmal 8). Zudem offenbart die Entgegenhaltung nicht, wie das Hubgliedertorblatt in der Torkonstruktion geführt ist (Merkmal 2).
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b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 geht auch nicht aus der USPatentschrift 3 891 021 (Anlage K 3) hervor. Dieser Veröffentlichung konnte der Fachmann ein Hubgliedertor mit den Merkmalen 1 und 2 entnehmen, wie sich ohne weiteres aus den nachfolgend gezeigten Figuren 1 bis 4 ergibt:
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Am oberen Rand weisen die Torelemente (panel sections 24, 26, 28) einen lippenartig geformten Abschnitt (lip portion 36) auf, während sie am unteren Rand über einen schulterartig geformten Abschnitt (shoulder portion 42) verfügen. Wie aus Figur 3 der Entgegenhaltung ersichtlich, haben der lippenartig und der schulterartig geformte Abschnitt (lip portion 36, shoulder portion 42) einen gleich dimensionierten bogenförmigen Querschnitt und greifen in zusammengesetztem Zustand derart ineinander, dass der schulterartig geformte Abschnitt (shoulder portion 42) auf dem lippenartig geformten Abschnitt (lip portion 36) gleiten kann (vgl. Anlage K 3, Sp. 6, Z. 24 ff.). Der lippenartige Abschnitt (lip portion 36) des Torelementes (panel section 26) ist zwar ein Vorsprung , aber nicht "zahnartig" und erst recht nicht "bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch" ausgebildet (Merkmal 6). Der schulterartige Abschnitt (shoulder portion 42) des Torelementes (panel section 24) ist keine dem Vorsprung des benachbarten Torelementes angepasste Vertiefung (Merkmal 7), weil diese, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, of- fensichtlich nicht zur gegenseitigen Abstützung des jeweils benachbarten Torelements geeignet sind (Gutachten S. 31). Darüber hinaus sind zwar der Bolzen und die Zylinder des Scharniergelenks (hinge pin 74, barrel portions 72, 74) von der Ausnehmung (recess 40) aufgenommen (vgl. auch Anlage K 3, Sp. 3, Z. 35 ff.; Patentanspruch 1 c, Sp. 8, Z. 55 f.; Figur 2), nicht aber die Kanten des Scharniers sowie dessen rückwärtige Flächen, die auf den Rückfronten der Torelemente (panel section 24, 26) angeordnet sind, so dass das Gelenk des Scharniers im Ergebnis nur teilweise in der hinteren Ausnehmung aufgenommen ist. Zudem führt die teilweise Aufnahme des Gelenks in die hintere Aussparung (recess 40) aufgrund der in den Figuren 2 und 5 gezeigten zentrischen Anordnung des bogenförmigen Vorsprungs (lip portion 36) und der Bauteile des Scharniers (hinge pin 74, barrel portions 72, 74) zu keiner Annäherung an den Vorsprung. Eine solche Annäherung wird nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen (Gutachten S. 44) erst durch eine Verringerung des Radius des Vorsprungs bewirkt.
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2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrags wird auch nicht durch den aufgezeigten Stand der Technik nahegelegt (§§ 81, 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1, 1 Abs. 1 PatG)
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Ausgehend von der in den Figuren 25 und 26 der US-Patentschrift 2 372 792 gezeigten und in deren Beschreibung erläuterten Ausgestaltung ergab es sich für den Fachmann nicht, den zahnartigen Vorsprung (95) nach Maßgabe der Lehre aus Patentanspruch 1 des Streitpatents in der Fassung des 3. Hilfsantrags umzugestalten. Der Fachmann sah sich bereits deshalb nicht dazu veranlasst, die Hinterflanke des zahnartigen Vorsprungs (95) von der Zahnspitze bis zur Hinterfläche des Elementes abfallen zu lassen (Merk- mal 3) bzw. den zahnartigen Vorsprung (95) bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch auszubilden (Merkmal 6), weil die in der Entgegenhaltung offenbarte Lösung es bereits aufgrund der in etwa bogenförmigen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs (95) und der diesem entsprechenden Ausnehmung (93) vorteilhaft ermöglicht, dass beim Verschwenken der Torelemente (89, 90) im Bogenbereich der Führungsbahn bloß ein Öffnungsabstand (d) auftritt, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt (vgl. Anlage K 7, S. 6, l. Sp., Z. 45 ff.). Der gerichtliche Sachverständige hat dies durch seine Angabe in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass im Hinblick auf den Fingerschutz wie auf die zuverlässige Abdichtung aus fachlicher Sicht keinerlei Defizite der aus dem US-Patent bekannten Stirnseitengestaltung zu erkennen waren.
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Dem steht auch nicht entgegen, dass dem Fachmann in dem 1983 bekannt gemachten deutschen Gebrauchsmuster 83 01 609 (Anlage K 11) im Hinblick auf benachbarte Rollladenelemente mitgeteilt wird, dass die Ausgestaltung der oberen Stirnseite der Elemente mit von der Spitze beidseits bis zur Vorder- bzw. Hinterfläche abfallenden Flächen verhindert, dass Wasser, das zwischen die Flächen gelangt ist, durch die Neigung der Flächen wieder ablaufen kann. Denn zum Einen verhindert bereits der an der Vorderseite angeordnete zahnartige Vorsprung (95) des in den Figuren 25 und 26 der US-Patentschrift gezeigten Elementes, dass beim gegenseitigen Verschwenken der Elemente überhaupt Wasser den Bereich hinter dem zahnartigen Vorsprung erreichen kann. Aber selbst wenn es der Fachmann gleichwohl noch, den Gedanken aus dem deutschen Gebrauchsmuster aufgreifend, für erforderlich gehalten haben sollte, die hintere Flanke des zahnartigen Vorsprungs (95) in Abänderung der Offenbarung aus der US-Patentschrift bis zur Hinterfläche des Ele- mentes abfallend auszugestalten, hätte er immer noch keine Veranlassung gehabt , den zahnartigen Vorsprung bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch auszugestalten.
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Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner abschließenden Feststellungen dazu, ob es für den Fachmann nahegelegen hat, wenigstens das Gelenk des Scharniers (91) des in den Figuren 25 und 26 der US-Patentschrift gezeigten Elementes so anzuordnen, dass es vollständig in einer hinteren Ausnehmung aufgenommen ist (Merkmal 8).
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V. Der Klägerin zu 3 kann auch nicht in dem - erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten - Argument zugestimmt werden, dass der Beklagten ein Rechtsschutzinteresse an der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der Fassung des 3. Hilfsantrags unter dem Gesichtspunkt der Doppelpatentierung fehle, wenn das Patent 39 04 918, dem die Stammanmeldung zugrunde liegt, aus der das vorliegende Streitpatent durch Teilung hervorgegangen ist, in dem zu dem hiesigen Verfahren parallelen Berufungsnichtigkeitsverfahren X ZR 27/06 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 28. September 2005 vom Senat aufrechterhalten wird.
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Zwar hat der Senat am Tag der Verkündung des hiesigen Urteils in dem parallelen Berufungsnichtigkeitsverfahren X ZR 27/06 die Berufung gegen das Urteil des Bundespatentgerichts vom 28. September 2005 zurückgewiesen und damit das Patent in dieser Fassung aufrechterhalten. Die Klägerin zu 3 übersieht in ihrer Argumentation jedoch, dass von einer Doppelpatentierung schon deshalb nicht die Rede sein kann, weil sich einerseits Patentanspruch 1 des Patents 39 04 918 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 28. September 2005 und Patentanspruch 1 des hiesigen Streitpatents in der Fassung des 3. Hilfsantrags der Beklagten darin unterscheiden, dass in erstgenanntem gefordert wird, dass der am oberen Rand jedes Torelementes befindliche zahnartige Vorsprung eine von der Vorderfläche des Torelementes ausgehende , bis zur Zahnspitze ansteigende (abfallende) Vorderflanke aufweist, während in letztgenanntem lediglich vorgesehen ist, dass die Vorderflanke bis zur Spitze ansteigt. Nach der Lehre aus Patentanspruch 1 des hiesigen Streitpatents ist es also dem Fachmann freigestellt, die Vorderflanke des zahnartigen Vorsprungs nicht von der Vorderfläche des Torelementes ausgehen zu lassen, sondern etwa von einer horizontalen Randfläche am oberen Rand des Torelementes.
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Andererseits lehrt allein Patentanspruch 1 des hiesigen Streitpatents, das Gelenk des Scharniers vollständig in der hinteren Ausnehmung aufzunehmen , wodurch die Schwenkachse dem Vorsprung bzw. der Vertiefung angenähert ist und vor der Hinterfläche der Torelemente zu liegen kommt. Der Lehre aus Patentanspruch 1 des Patentes 39 04 918 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 28. September 2005 steht es also nicht entgegen, das Gelenk des Scharniers nicht vollständig in die hintere Ausnehmung aufzunehmen , so wie dies beispielsweise in den oben wiedergegebenen Figuren 2, 3 und 6 der Streitpatentanmeldung gezeigt ist, welche identisch mit den Figuren 2, 3 und 6 des Patents 39 04 918 sind.

76
Es ist mithin weder eine Identität des Gegenstandes von Patentanspruch 1 des Patentes 39 04 918 mit dem des Streitpatentes festzustellen, noch ist dies umgekehrt der Fall. Der Tatbestand der Doppelpatentierung ist nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund kann es mangels Entscheidungsrelevanz dahingestellt bleiben, ob der Kläger im Nichtigkeitsverfahren bei eingeschränkter Verteidigung des Streitpatents durch den Beklagten überhaupt zulässigerweise geltend machen kann, dass dem Beklagten das Rechtsschutzinteresse an der eingeschränkten Aufrechterhaltung des Patents unter dem Gesichtspunkt der Doppelpatentierung fehlt (vgl. zum fehlenden Rechtsschutzinteresse an einer mehrfachen identischen Patentierung im Erteilungsverfahren: Sen.Beschl. v. 14.3.2006 - X ZB 5/04, GRUR 2006, 748, 750 - Mikroprozessor; Benkard/ Melullis, PatG, 10. Aufl., § 1 PatG, Rdn. 74i).

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VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. §§ 97, 91, 92, 101 ZPO.
Scharen RichteramBundesger ichtshof Gröning AsendorfistinRuhestandgetretenundkanndeshalbnicht unterschreiben. Scharen Berger Grabinski
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.09.2005 - 2 Ni 9/04

(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

(2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß

1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,
2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,
3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

(1) Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.

(2) Patente werden für Erfindungen im Sinne von Absatz 1 auch dann erteilt, wenn sie ein Erzeugnis, das aus biologischem Material besteht oder dieses enthält, oder wenn sie ein Verfahren, mit dem biologisches Material hergestellt oder bearbeitet wird oder bei dem es verwendet wird, zum Gegenstand haben. Biologisches Material, das mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt wird, kann auch dann Gegenstand einer Erfindung sein, wenn es in der Natur schon vorhanden war.

(3) Als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen:

1.
Entdeckungen sowie wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden;
2.
ästhetische Formschöpfungen;
3.
Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen;
4.
die Wiedergabe von Informationen.

(4) Absatz 3 steht der Patentfähigkeit nur insoweit entgegen, als für die genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche Schutz begehrt wird.

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.