Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juli 2024 - VII ZR 145/23

bei uns veröffentlicht am18.09.2024

Eingereicht durch

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Jurgeleit

Brenneisen

Amtliche Leitsätze

Der Anspruch eines Versicherungsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs gemäß § 92 Abs. 2 HGB i. V. mit § 87c Abs. 2 HGB umfasst auch Angaben zu prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen zwischen dem Unternehmer und dem Versicherungsnehmer (Bestätigung von BGH, Urteil vom 21. März 2001 - VIII ZR 149/99, NJW 2001, 2333).

Bundesgerichtshof

Urteil vom 25. Juli 2024

Az.: VII ZR 145/23

 

 

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Juni 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Anschlussberufung der Klägerin, gerichtet auf die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines Buchauszugs für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 25. September 2020 mit Angaben zu "prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen", zurückgewiesen hat. In diesem Umfang wird auf die Anschlussberufung der Klägerin die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Teilurteils der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 27. November 2020 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. Januar 2021 zur Erteilung eines Buch-auszugs für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 25. September 2020 mit Angaben zu "prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen" verurteilt.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte 40 % und die Klägerin 60 % zu tragen.

Die Kosten des Revisions- und Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin zu 95 % und der Beklagten zu 5 % auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, nach beendeter Handelsvertretertätigkeit im Rahmen einer Stufenklage auf der ersten Stufe die Erteilung eines Buchauszugs und verschiedener Auskünfte sowie eine Provisionsabrechnung und Rechnungslegung.

Die Klägerin war für die Beklagte vom 1. August 1995 bis zum 30. September 2018 auf der Grundlage eines Agenturvertrags vom 18. August 1995 und sodann eines Vertriebspartnervertrags als selbständige Handelsvertreterin tätig. Die Klägerin erhielt Abschlussprovisionen, Betreuungs- und Verwaltungsprovisionen sowie Verlängerungsprovisionen, über welche die Beklagte monatlich abrechnete.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2017 kündigte die Beklagte den mit der Klägerin bestehenden Vertrag zum 30. September 2018. Nach Ende ihrer Tätigkeit forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 auf, ihr eine Berechnung ihres Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB nach den "Grundsätzen zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs (§ 89b HGB)" sowie einen Buchauszug zukommen zu lassen. Die Beklagte antwortete hierauf mit einem Schreiben vom 13. November 2018, mit dem sie mitteilte, dass der Klägerin kein Ausgleichsanspruch zustehe. Auf das Buchauszugsverlangen der Klägerin reagierte die Beklagte zunächst nicht. Erst nach Anhängigkeit der Klage teilte die Beklagte der Klägerin mit einem Schreiben vom 17. Januar 2019 mit, dass der Buchauszug erstellt sei und bei ihr abgeholt werden könne. Die Klägerin holte das erstellte Dokument am 13. September 2019 bei der Beklagten ab.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs sei noch nicht erfüllt worden. Da das Abrechnungssystem der Beklagten fehlerhaft sei und zu fehlerhaften Abrechnungen führe, sei auch der vorgelegte Buchauszug fehlerhaft. Anhand des von der Beklagten als Buchauszug vorgelegten Dokuments sei es nicht möglich, den tatsächlich verdienten Provisionsanspruch zu berechnen. Die von ihr geltend gemachten Auskunftsansprüche rechtfertigten sich aus § 87c Abs. 3 HGB und aus § 89b HGB. Die Beklagte habe ferner seit Oktober 2018 keine Provisionsabrechnungen mehr erteilt und rechne auch nicht über eine in unzulässiger Weise gebildete Stornoreserve ab.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Teilurteil vom 27. November 2020 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. Januar 2021 nach näherer Maßgabe zur Ergänzung des erteilten Buchauszugs verurteilt. Ferner hat es die Beklagte zur Auskunft in dem von der Klägerin begehrten Umfang sowie zur Erteilung monatlicher Provisionsabrechnungen für die Zeit ab dem 1. Oktober 2018 bis zum 31. August 2020 verurteilt. Außerdem hat es die Beklagte zur Rechenschaftslegung durch Vorlage einer schriftlichen Abrechnung darüber verurteilt, inwieweit und in welchem Umfang die Beklagte Stornoreserven gebildet und gegenüber Provisionsforderungen der Klägerin verrechnet hat. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung und die Klägerin Anschlussberufung eingelegt, die Beklagte mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung. Die Klägerin hat im Wege der Anschlussberufung beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr einen vollständigen Buchauszug gemäß § 87c Abs. 2 HGB für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 25. September 2020 zu erteilen, der sich auf alle von ihr vermittelten Versicherungs- und Finanzdienstleistungsverträge, bei denen in diesem Zeitraum Abschluss-, Bestandspflege-, Dynamik- und sonstige Provisionen fällig geworden sind, erstreckt und der näher bezeichnete Angaben in geordneter Zusammenstellung zu enthalten hat. Hilfsweise hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Ergänzung des erteilten Buchauszugs nach näherer Maßgabe zu verurteilen.

Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin das Teilurteil des Landgerichts unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 25. September 2020 statt einer bloßen Ergänzung einen vollständigen Buchauszug gemäß § 87c Abs. 2 HGB zu erteilen, der sich auf alle von ihr vermittelten Versicherungs- und Finanzdienstleistungsverträge, bei denen in diesem Zeitraum Abschluss-, Bestandspflege-, Dynamik- und sonstige Provisionen fällig geworden sind, erstreckt, wobei der Buchauszug näher bezeichnete Angaben in geordneter Zusammenstellung mit Ausnahme der beantragten Angaben zu "prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen" zu enthalten hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Revision hat das Berufungsgericht zugunsten der Klägerin nur insoweit zugelassen, als es ihre Anschlussberufung im Umfang des Antrags zurückgewiesen hat, auch Angaben zu "prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen" in den Buchauszug aufzunehmen. Mit Beschluss vom 27. März 2024 hat der Senat die Revision der Klägerin insoweit als unzulässig verworfen, als sie über diese beschränkte Zulassung hinausgeht. Zugleich hat der Senat die hilfsweise eingelegte Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.

Im Umfang der Zulassung begehrt die Klägerin mit der Revision die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines Buchauszugs für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 25. September 2020 mit Angaben zu "prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen".

 

Gründe

Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat - soweit für die Revision von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, auf Angaben zu "Art und Inhalt des Vertrages (Sparte, Tarifart, prämien- oder provisionsrelevante Sondervereinbarungen)" bestehe zur Prämienberechnung ein Anspruch, soweit sie sich auf Sparte und Tarifart bezögen. Hingegen bestehe kein Anspruch auf Angaben zu "prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen". Dieser Begriff sei wertungsabhängig und damit für die Zwangsvollstreckung nicht genügend bestimmt. Angaben hierzu könnten deshalb vom Handelsvertreter im Rahmen eines Buchauszugs nicht verlangt werden.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Anspruch eines Versicherungsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs gemäß § 92 Abs. 2 HGB i. V. mit § 87c Abs. 2 HGB umfasst auch Angaben zu prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen zwischen dem Unternehmer und dem Versicherungsnehmer.

1. Der Versicherungsvertreter kann gemäß § 92 Abs. 2 HGB i. V. mit § 87c Abs. 2 HGB bei der Abrechnung einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 HGB Provision gebührt. Der Buchauszug muss die im Zeitpunkt seiner Aufstellung für die Berechnung, die Höhe und die Fälligkeit der Provisionen relevanten Geschäftsverhältnisse vollständig widerspiegeln, soweit sie sich aus den Büchern des Unternehmers entnehmen lassen (BGH, Urteil vom 21. März 2001 - VIII ZR 149/99, NJW 2001, 2333, juris Rn. 18; Urteil vom 29. November 1995 - VIII ZR 293/94, NJW 1996, 588, juris Rn. 22 m.w.N.). Welche Angaben über die Geschäfte für die Provision des Handelsvertreters im Einzelfall von Bedeutung sind, hängt von der zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer geltenden Provisionsregelung ab. Diese ergibt sich in erster Linie aus der zwischen ihnen getroffenen Provisionsvereinbarung und aus den zwingenden gesetzlichen Regelungen (§ 87a Abs. 2 - 4 HGB) sowie, soweit eine besondere Vereinbarung nicht getroffen wurde, aus den dispositiven gesetzlichen Vorschriften (§§ 92, 87, 87a Abs. 1 HGB) (BGH, Urteil vom 21. März 2001 - VIII ZR 149/99, NJW 2001, 2333, juris Rn. 18).

Der Buchauszug soll es dem Handelsvertreter ermöglichen, sich über seine Provisionsansprüche Klarheit zu verschaffen und die ihm vom Unternehmer erteilten oder noch zu erteilenden Provisionsabrechnungen zu überprüfen (vgl. BGH, Urteil vom 3. August 2017 - VII ZR 32/17 Rn. 21, ZVertriebsR 2017, 298; Urteil vom 23. November 2011 - VIII ZR 203/10 Rn. 53, ZVertriebsR 2012, 110; Urteil vom 21. März 2001 - VIII ZR 149/99, NJW 2001, 2333, juris Rn. 18, m.w.N.). Er muss daher eine bis ins Einzelne gehende Bestandsaufnahme der Kundenbeziehungen des Unternehmers, soweit sie die Provisionsansprüche des Handelsvertreters berühren, einerseits und der vertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmer und Handelsvertreter andererseits darstellen. Er hat deshalb neben der genauen Anschrift des Vertragspartners für den Vertreter wesentliche Inhalte der Verträge, nämlich die gelieferte Menge, Preise und sonstige Abreden, zu enthalten. Die Erteilung des Buchauszugs darf keine Vorwegnahme der Entscheidung enthalten, ob das in ihm aufgenommene Geschäft auch provisionspflichtig ist oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1989 - I ZR 203/87, NJW-RR 1989, 738, juris Rn. 14; OLG München, Beschluss vom 26. März 2002 - 7 W 691/02, NJW-RR 2002, 1034, juris Rn. 9). Nur die zweifelsfrei nicht provisionspflichtigen Geschäfte können bei der Erteilung des Buchauszugs unberücksichtigt bleiben (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2016 - VII ZR 64/15 Rn. 29, ZVertriebsR 2016, 242; Urteil vom 23. Februar 1989 - I ZR 203/87, NJW-RR 1989, 738, juris Rn. 14).

2. Nach diesen Maßstäben gehören - wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat - zu den von einem Versicherungsvertreter zu verlangenden Angaben in einem Buchauszug über die zur Identifizierung des Geschäfts notwendigen Merkmale (Versicherungsnehmer, Versicherungsscheinnummer, Art und Sparte des Vertrags, Tarif) hinaus auch Angaben zu dem für die Provision wesentlichen Inhalt des Versicherungsvertrags (Jahresprämie, prämien- und provisionsrelevante Sondervereinbarungen) (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2001 - VIII ZR 149/99, NJW 2001, 2333, juris Rn. 23 i.V. mit dem Tenor des Urteils; ebenso OLG Hamm, Urteil vom 7. Mai 2004 - 35 U 3/04, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 18. September 2012 - 5 U 101/09, juris; OLG Köln, Urteil vom 12. April 2013 - 19 U 101/12, juris Rn. 117). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der auf Aufnahme dieser Angaben gerichtete Klageantrag der Klägerin hinreichend bestimmt. Für den Unternehmer ist hinreichend deutlich, dass mit dieser Formulierung solche ergänzend mit dem Versicherungsnehmer getroffenen Vereinbarungen erfasst werden sollen, die die Berechnungsgrundlagen der vom Versicherungsvertreter zu beanspruchenden Provision beeinflussen können. Dass der Aufnahme solcher Angaben eine gewisse Wertung durch den Unternehmer zugrunde liegt, ist unschädlich, da dieser bei der Erfüllung des Anspruchs auf Erteilung des Buchauszugs auch im Übrigen zu entscheiden hat, welche Angaben für die Berechnung des Provisionsanspruchs des Handelsvertreters jeweils von Relevanz sind.

An das Vollstreckungsorgan werden in der Zwangsvollstreckung darüber hinaus bei der Beurteilung, ob der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs gemäß § 87c Abs. 2 HGB erfüllt ist oder nicht, keine unerfüllbaren Anforderungen gestellt. Denn der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs ist - unabhängig von der Richtigkeit der gemachten Angaben - bereits dann erfüllt, wenn der Unternehmer zu den im Einzelnen im Urteil genannten Kriterien Angaben gemacht hat. Dabei genügt der Unternehmer seiner Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs auch dadurch, dass er erklärt, solche Sondervereinbarungen beständen nicht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2016 - 6 U 12/15, juris Rn. 71; Thume/Rohrßen in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 87c Rn. 26). Ob die erforderlichen Angaben vorliegen und der Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs erfüllt ist, kann das Vollstreckungsorgan demnach ohne weiteres feststellen.

3. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts ist danach in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Beklagte ist zu verurteilen, der Klägerin einen Buchauszug für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 25. September 2020 mit Angaben zu prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen zu erteilen. Der Senat kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der von der Beklagten vorgelegte Buchauszug erfülle nicht die an einen Buchauszug zu stellenden Anforderungen, die Klägerin habe daher dem Grunde nach einen Anspruch auf Neuerteilung des Buchauszugs gemäß § 92 Abs. 2 HGB i. V. mit § 87c Abs. 2 HGB, wird von der Revisionsbeklagten nicht angegriffen und begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

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