Bundesgerichtshof Urteil, 09. März 2012 - V ZR 61/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, den über die Abvermessung ausgestellten Veränderungsnachweis zu genehmigen und der Abschreibung der abvermessenen Teilfläche auf ein neues Grundbuchblatt und der Eintragung der Kläger als Eigentümer in Erbengemeinschaft in das Grundbuch zuzustimmen. Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Die Kläger sind die Erben nach L. und R. S. (im Folgenden : Erblasser), die in der Bundesrepublik Deutschland lebende Eigentümer eines in der DDR gelegenen, aus dem Flurstück 1543/87 der Gemarkung N. bestehenden Grundstücks waren.
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- Das Grundstück lag in dem Gebiet, das durch Beschluss des Rates der Stadt H. von November 1981 zum Aufbaugebiet erklärt wurde. Im Zuge der Errichtung der Stadt wurden im Wege einer Umflurung durch Verschmelzung und Sonderung neue Flurstücke gebildet und in dem Bestandsblatt der Liegenschaftskartei das Volk, Rechtsträger Rat der Stadt, als Eigentümer eingetragen. Das ehemalige Flurstück 1543/87 der Gemarkung N. wurde mit Teilen eines Wohnblocks, einer Straße und eines Schulgebäudes überbaut. Eine Entscheidung über die Inanspruchnahme des Grundstücks erfolgte nicht. Streitig ist, ob das Grundbuch für das Grundstück der Kläger mit der Erklärung zum Aufbaugebiet geschlossen wurde und nur in einer Liste der Flächen aufgeführt wurde, für die es noch einer Rechtsänderung bedurfte.
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- Im Februar 1990 wurde durch den Liegenschaftsdienst des Bezirks im Grundbuchblatt des volkseigenen Grundstücks unter Bezugnahme auf Veränderungsnachweise von dem Flurstück Nr. 3 der Flur 26 mit einer Größe von
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- 2 insgesamt 149.316 m eine Teilfläche von 9.365 m abgeschrieben und aus
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dieser eine Fläche von 7.948 m auf das Grundbuchblatt 54 des Grundbuchs von H. übertragen, wobei im Bestandsblatt dieses Grundbuchblatts die alte Flurstücksnummer (1543/87) angegeben und die Erblasser als Eigentümer des Grundstücks eingetragen wurden. 1993 wurden die Kläger als Eigentümer dieses Grundstücks eingetragen.- 4
- 1993/1994 wurde abermals eine katastermäßige Neubildung der Flurstücke vorgenommen, wobei die neuen Flurstücke 23, 25 und 30 der Flur 2 nunmehr nach den Funktionsflächen für den Wohnblock, für die Straße und für die Schule gebildet wurden. Diese Flurstücke wurden auf neue Grundbuchblätter übertragen, die keine Hinweise auf abgeschriebene Teilflächen enthielten. Mit Bescheiden des Präsidenten der Oberfinanzdirektion wurde festgestellt, dass die Beklagte zu 1 (Stadt) Eigentümerin der Flurstücke 25 und 30 der Flur 2 und die Beklagte zu 2 (Wohnungsgenossenschaft) Eigentümerin des Flurstücks 23 der Flur 2 geworden sei. Das für das Grundstück der Kläger angelegte Grundbuch wurde nachfolgend - ohne Mitteilung an diese - geschlossen. Einen von den Klägern im Jahre 1991 gestellten Antrag auf Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz wies das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen im Juni 2008 mit der Begründung zurück, dass keine Enteignung erfolgt sei.
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- Die Kläger haben in erster Instanz die Berichtigung des Grundbuchs mit dem Ziel beantragt, als Eigentümer eingetragen zu werden. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz haben die Kläger - im Hinblick darauf, dass sich ihr Grundstück nur auf Teilflächen der neu gebildeten Grundstücke erstreckt - erklärt, dass sie die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung der Abvermessung der Teilflächen und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, der Abschreibung der Teilflächen und sodann der Eintragung der Kläger als Eigentümer zuzustimmen, beantragt hätten; vorsorglich haben sie dahingehende Anträge mit einer hilfsweise erhobenen Anschlussberufung geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
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- Das Berufungsgericht meint, dass zwar die Klage mit den Anträgen auf Verurteilung der Beklagten, die Berichtigung des Grundbuchs für unvermessene Teilflächen zu bewilligen, nicht zulässig gewesen sei; zulässig seien aber die in diesen Leistungsanträgen enthaltenen Anträge auf Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet seien, einer Abvermessung und Abschreibung der Teilflächen zuzustimmen und sodann die Eintragung der Kläger als Eigentümer zu bewilligen. Diese Anträge seien jedoch unbegründet, weil die Grundbücher auch in Bezug auf das ehemals den Klägern gehörende Grundstück nicht unrichtig seien.
- 7
- Zwar hätten die Erblasser zu Zeiten der DDR nicht das Eigentum an dem Grundstück verloren, weil dieses nicht in Anspruch genommen und in Volkseigentum überführt worden sei. Auch habe kein nach Art. 237 § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unbeachtlicher Rechtsanwendungsfehler vorgelegen, weil nach dem Recht und der Verwaltungspraxis der DDR ein Entzug des Eigentums allein durch die Buchung eines Grundstücks als Volkseigentum nicht habe herbeigeführt werden können.
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- Die Kläger hätten aber das Eigentum an ihrem Grundstück mit Ablauf der in Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB bestimmten Ausschlussfrist verloren, weil sie nicht rechtzeitig die Buchposition der Beklagten (durch eine Klage auf Grundbuchberichtigung oder einen Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs) angegriffen hätten, wodurch das am 3. Oktober 1990 als Volkseigentum gebuchte Grundstück Eigentum der Beklagten geworden sei.
II.
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- Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
- 10
- Die Revision hat Erfolg, weil die Klage mit den in der Berufungsinstanz klargestellten Anträgen begründet ist. Die Kläger können nach § 894 BGB von den Beklagten die Zustimmung zu der für die Eintragung des Eigentums an einer Teilfläche notwendigen Abvermessung und Grundstücksabschreibung verlangen (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 1986 - V ZR 246/84, NJW 1986, 1867, 1868 und vom 2. April 1993 - V ZR 14/92, NJW-RR 1993, 840, 841).
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- 1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Erblasser Eigentümer eines im Grundbuch eingetragenen Grundstücks waren , von dem Teilflächen nunmehr im Bestandsverzeichnis der den Beklagten gehörenden Grundstücke gebucht sind. Dies ist auf Grund ihrer damaligen Eintragung als Eigentümer im Grundbuch nach § 7 Abs. 1 GDO-DDR (der eine § 891 BGB entsprechende Bestimmung enthielt) zu vermuten (vgl. Senat, Urteil vom 26. September 1969 - V ZR 135/66, BGHZ 52, 355, 358). Einwendungen werden insoweit von den Beklagten nicht erhoben.
- 12
- 2. Richtig ist auch, dass die Erblasser das Eigentum an dem Grundstück bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 nicht verloren haben.
- 13
- Die Ausführungen des Berufungsgerichts über die für eine Enteignung notwendigen Entscheidungen eines Staatsorgans entsprechen der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 3. November 2000 - V ZR 189/99, BGHZ 145, 383, 390 [zum Aufbaugesetz] und vom 17. März 1995 - V ZR 100/93, BGHZ 129, 112, 120 [zum Baulandgesetz]). Ebenso trifft es zu, dass weder die Umschreibung der Grundbücher unter Bezugnahme auf die Liegenschaftskartei der neu gebildeten Flurstücke mit der Eintragung von Volkseigentum noch die - hier streitige - Schließung des bisherigen Grundbuchs (zu den in Grundbuchanweisungen des zuständigen Ministers des Inneren der DDR vorgeschriebenen Eintragungen bei der Überführung von Grundstücken in das Volkseigentum : Senatsurteil vom 29. März 1996 - V ZR 326/94, BGHZ 132, 245, 259 mwN) die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück änderten, weil der Grundbuchvollzug als solcher kein Instrument der Enteignung darstellte (Senatsbeschluss vom 21. Juni 2000 - V ZB 32/99, NJW 2001, 683, 684).
- 14
- 3. Im Ergebnis zutreffend ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, dass die katastermäßige Umflurung und Buchung im Bestandsblatt als Volkseigentum keine sonstige Überführung des Grundstücks der Kläger in das Volkseigentum im Sinne des Art. 237 § 1 EGBGB darstellte, die nach dieser Vorschrift ungeachtet aller Fehler als wirksam anzusehen wäre.
- 15
- a) Rechtlichen Bedenken begegnet allerdings die Begründung, dass das Grundstück deshalb nicht Volkseigentum geworden sein könne, weil nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und der ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis der DDR eine Enteignung nur durch förmliche Inanspruchnahmeentscheidung und nicht durch einen Buchungsvorgang durchgeführt werden konnte.
- 16
- Art. 237 § 1 EGBGB erfasst mit dem Tatbestandsmerkmal der „sonstigen Überführung“ nämlich auch faktische Vorgänge wie die Buchung des Grundstücks als Volkseigentum, falls dem ein staatlicher Wille und nicht nur ein Versehen zugrunde lag (Senat, Urteil vom 8. Dezember 2000 - V ZR 489/99, VIZ 2001, 213, 214; Schmidt-Räntsch, ZfIR 1997, 581, 583; MünchKommBGB /Busche, 4. Aufl., Art. 237 § 1 EGBGB Rn. 7; a.A. Czub, VIZ 1997, 561, 565 der eine auf Überführung eines Grundstücks in das Volkseigentum gerichtete Rechtshandlung für erforderlich erachtet). Entscheidend für den Bestandsschutz nach Art. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB ist zudem nicht, ob das vorgeschriebene Verfahren durchgeführt wurde, sondern ob das angestrebte Ergebnis nach den vorhandenen Vorschriften erreichbar war (Senatsurteile vom 9. Oktober 1998 - V ZR 214/97, VIZ 1999, 38, 39 und vom 8. Dezember 2000 - V ZR 489/99, VIZ 2001, 213, 214; Schmidt-Räntsch, ZfIR 1997, 581, 583). Das ist hier zu bejahen, weil eine Inanspruchnahme des Grundstücks nach den bereits genannten Rechtsvorschriften der DDR (Aufbau- und Baulandgesetz) möglich und angesichts der baulichen Nutzung für einen neuen Stadtteil eigentlich auch geboten gewesen wäre.
- 17
- b) Ob der Einbeziehung der Fläche des Grundstücks der Kläger in die durch Umflurung neu gebildeten, als Volkseigentum gebuchten Grundstücke ein Enteignungswille der staatlichen Organe der DDR zugrunde lag, ist nicht festgestellt, kann hier jedoch dahinstehen.
- 18
- Die Nichtanwendung des Art. 237 § 1 EGBGB stellt sich nämlich - unabhängig davon - als im Ergebnis richtig dar. Die Vorschrift ist im Wege einer verfassungskonformen Auslegung nicht auf die Fälle anzuwenden, in denen die staatlichen Stellen der DDR ein Grundstück noch als Privateigentum behandelt haben, was hier dadurch zum Ausdruck kam, dass der Staatliche Liegenschaftsdienst der DDR ein Grundbuch für das Grundstück neu angelegt und die Erblasser als dessen Eigentümer eingetragen hat. Mit der Anerkennung auch der Überführungen in das Volkseigentum gemäß Art. 237 § 1 EGBGB, die nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften der DDR nicht wirksam waren, ist ein entschädigungsloser Verlust der aus dem Eigentum folgenden Rechte verbunden (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 1997 - V ZR 80/96, VIZ 1998, 94, 95 und vom 6. Juni 2003 - V ZR 320/03, VIZ 2004, 79, 81). Diese Rechtsfolge ist vor dem Hintergrund des Art. 14 GG nur dann als verhältnismäßig anzusehen, wenn den betroffenen Eigentümern eine nur noch formale Eigentumsposition verblieben war, die in der DDR nicht durchsetzbar und deshalb ohne jeden wirtschaftlichen Wert war (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 1997 - V ZR 80/96, VIZ 1998, 94, 95; BVerfG, VIZ 1998, 507, 508; EGMR, NJW 2004, 927, 929). Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn der für das Grundbuchwesen zuständige staatliche Liegenschaftsdienst der DDR das Privateigentum an dem Grundstück - ungeachtet aller faktischen Veränderungen - respektierte und dies durch die Anlegung eines Grundbuchs für den Eigentümer dokumentierte.
- 19
- 4. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, dass die Beklagten als Berechtigte aus der Abwicklung des ehemaligen Volkseigentums nach Art. 237 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB Eigentümer des Grundstücks der Kläger geworden seien, weil diese die Ausschlussfrist für einen Angriff gegen unrichtige Eintragungen versäumt hätten.
- 20
- a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass vor dem 3. Oktober 1990 im Bestandsblatt der Liegenschaftskartei (§ 105 Abs. 1 Nr. 5 GBV) Eigentum des Volkes eingetragen war, ohne dass dieses entstanden war.
- 21
- Das Grundstück der Kläger war am 3. Oktober 1990 eine Teilfläche eines 1974 neu gebildeten, auf dem Bestandsblatt des Liegenschaftskatasters als Volkseigentum gebuchten Grundstücks, woran die Buchungsvorgänge vom 20. Februar 1990 nichts geändert hatten. Die von dem Liegenschaftsdienst beabsichtigte Berichtigung durch Abschreibung des Grundstücks der Kläger war sachenrechtlich nicht wirksam, weil nicht - wie für die Abschreibung einer Teilfläche von einem Grundstück notwendig (vgl. zur Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland: Senatsurteile vom 20. Juni 1962 - V ZR 219/60, BGHZ 37, 233, 242 und vom 25. Januar 2008 - V ZR 79/07, BGHZ 175, 123, 132 Rn. 25 mwN) - neue Grundstücke gebildet worden waren. In der DDR galten keine anderen Grundsätze. § 7 Abs. 2 Satz 1 GBVerfO-DDR enthielt eine dem § 28 Satz 1 GBO entsprechende Regelung für die Anträge. Die gemäß § 18 GDO-DDR erlassene Colido-Grundbuchanweisung sah in Nummer 25 Abs. 3 und 4 vor, dass die Abschreibung von Grundstücken und Grundstücksteilen unter Streichung einer in der Abteilung 0 eingetragenen Grundstücksnummer und unter Hinweis auf die neue Grundstücksnummer zu erfolgen habe. Dies war nicht erfolgt.
- 22
- b) Das Berufungsgericht bejaht jedoch zu Unrecht einen Eigentumserwerb durch den Buchberechtigten selbst dann, wenn - wie hier - ein neues Grundbuchblatt für das in Privateigentum gebliebene Grundstück angelegt wurde. Wer am 3. Oktober 1990 fälschlicherweise im Grundbuch als Eigentümer eingetragen gewesen ist, hat mit Ablauf der Ausschlussfristen nach Art. 237 § 2 EGBGB das Eigentum an dem Grundstück nicht erworben, wenn am 3. Okto- ber 1990 auch der wahre Eigentümer auf einem anderen Grundbuchblatt eingetragen war. In den Fällen einer Doppelbuchung (Eintragung desselben Flurstücks auf zwei verschiedenen Grundbuchblättern) führte die gegenteilige Auslegung der Norm durch das Berufungsgericht zu dem seltsamen Ergebnis, dass mit Ablauf der Ausschlussfrist die falsche Buchung richtig und die richtige Buchung falsch geworden wäre.
- 23
- Ein Rechtserwerb gegen den Inhalt eines Grundbuchs ist jedoch - ebenso wie bei der Ersitzung nach § 900 BGB (vgl. RGZ 56, 58, 60; Senat, Urteil vom 19. Oktober 2007 - V ZR 211/06, BGHZ 174, 61, 66) - auch nach Art. 237 Abs. 2 EGBGB nicht möglich. Der Senat hat, wenngleich in einem anderen Zusammenhang, ausgeführt, dass die richtige Eintragung des wahren Eigentümers einem gesetzlichen Eigentumserwerb aus der unrichtigen Buchposition mit dem Ablauf der Ausschlussfrist entgegensteht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 13. Februar 2003 - V ZR 38/02, juris und vom 14. März 2003 - V ZR 280/02, VIZ 2003, 344, 345).
- 24
- aa) Das Gegenteil lässt sich auch nicht mit dem Zweck der Norm begründen , die Eigentumslagen an Grundstücken im Beitrittsgebiet im Interesse der Rechtssicherheit - unabhängig von der materiellen Rechtslage, allein nach den Eintragungen im Grundbuch - einer endgültigen Klärung herbeizuführen. Dieser Zweck rechtfertigt, wenn sich beide Parteien auf eine Eintragung als Eigentümer berufen können, keine Entscheidung gegen den wahren Eigentümer zugunsten des Nichtberechtigten.
- 25
- bb) Aus den knappen Gesetzesmaterialen (BT-Drs. 13/7275, S. 33 f.) und aus den von dem Berufungsgericht zitierten Erläuterungen (SchmidtRäntsch , VIZ 1997, 449, 453) lässt sich für eine derartige Regelungsvorstellung nichts entnehmen. Aus diesen ergibt sich vielmehr, dass der Gesetzgeber nur die Fälle im Auge hatte, in denen es für das jeweilige Grundstück allein die unrichtige Eintragung gab. Doppelbuchungen von Volks- und Privateigentum lagen außerhalb der Vorstellung und des Regelungswillens des Gesetzgebers.
- 26
- cc) Schließlich ist es ein Gebot der verfassungskonformen Auslegung, die Vorschrift nicht gegen den im Grundbuch eingetragenen Eigentümer anzuwenden. Das Verstreichen der Ausschlussfrist in Art. 237 § 2 EGBGB führt - ebenso wie die Anerkennung zwar nicht rechtswirksamer, aber in der DDR faktisch unangreifbarer Enteignungen nach Art. 237 § 1 EGBGB - zu einem entschädigungslosen Entzug von Eigentümerrechten. Die Regelung stellt nur deshalb eine verhältnismäßige Eigentumsbeschränkung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, weil die von dem Eigentumsverlust bedrohten Eigentümer durch die Nichteintragung ihres Eigentums Anlass und von dem Beitritt an auch acht Jahre lang Zeit hatten, ihre Eigentümerrechte geltend zu machen und damit den Rechtsverlust zu vermeiden (Senat, Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 320/02, VIZ 2004, 79, 81; BVerfG, LKV 2006, 123). Bei einer Anwendung der Ausschlussfrist auf Doppelbuchungen wäre dem im Grundbuch eingetragenen Eigentümer eine (dem System der Bürgerlichen Rechts widersprechende) Obliegenheit auferlegt worden, sein eingetragenes Recht gegenüber einem aus den Eintragungen auf einem anderen Grundbuchblatt Berechtigten - notfalls gerichtlich - durchzusetzen; andernfalls wäre es trotz richtiger Eintragung mit Ablauf der Ausschlussfrist zu einem Rechtsverlust ohne jeden Ausgleich gekommen. Das wäre eine mit Art. 14 GG unvereinbare, einseitige Entscheidung des Konflikts zwischen zwei nach dem Grundbuch Berechtigten zum Nachteil des wahren Eigentümers.
- 27
- c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist es auch nicht entscheidend , dass mit der Neuanlegung des Grundbuchs durch den Liegenschaftsdienst der DDR kein Grundstück im Rechtssinne wieder entstanden war, weil es einen räumlich abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis des Grundbuchblatts für das Grundstück der Kläger unter Nummer 1543/87 der Gemarkung N. gebucht war, nicht mehr gab.
- 28
- Darauf kommt es nicht an, weil es bei der Auslegung des Art. 237 § 2 EGBGB nicht um den öffentlichen Glauben der Eintragungen im Bestandsverzeichnis (dazu: Senat, Urteil vom 5. Dezember 2005 - V ZR 11/05, NJW-RR 2006, 662, 663), sondern um die Voraussetzungen eines gesetzlichen Erwerbs des Eigentums durch Nichteigentümer geht. Mit Art. 237 § 2 EGBGB hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die Rechtverhältnisse in der DDR einen besonderen Erwerbstatbestand aus in der DDR begründeten Buchpositionen geschaffen , wobei er sich wegen der Obliegenheit des wahren Eigentümers, seine Ansprüche aus dem Eigentum zur Vermeidung eines Rechtsverlust innerhalb einer Frist von acht Jahren seit dem Beitritt geltend zu machen, an dem Verwirkungsgedanken orientiert hat (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 320/02, VIZ 2004, 79, 80; Schmidt-Räntsch, ZfIR 1997, 581, 585). Demjenigen, der als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, kann jedoch nicht - wie einem nicht eingetragenen Berechtigten - zur Last gelegt werden, sich nicht rechtzeitig um die Herstellung eines die wahre Rechtslage wiedergebenden Grundbuchs gekümmert zu haben. War der wahre Eigentümer bereits am 3. Oktober 1990 im Grundbuch eingetragen, vermag auch der Hinweis auf die Rechtswirklichkeit in der DDR (nachlässiger Umgang mit Rechtsvorschriften; faktische Unangreifbarkeit der Eintragungen von Volkseigentum) es nicht zu rechtfertigen, das Vertrauen des Inhabers einer Buchposition auf die unrichtige Eintragung stärker zu schützen als das des Eigentümers auf eine richtige Eintragung. In diesen Fällen fehlt es vielmehr an einer Voraussetzung des gesetzlichen Erwerbstatbestands nach Art. 237 § 2 EGBGB.
III.
- 29
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 04.03.2010 - 6 O 516/09 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 18.02.2011 - 12 U 32/10 -
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Annotations
Steht der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 bezeichneten Art mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang, so kann derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen oder durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
In der Eintragungsbewilligung oder, wenn eine solche nicht erforderlich ist, in dem Eintragungsantrag ist das Grundstück übereinstimmend mit dem Grundbuch oder durch Hinweis auf das Grundbuchblatt zu bezeichnen. Einzutragende Geldbeträge sind in inländischer Währung anzugeben; durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen kann die Angabe in einer einheitlichen europäischen Währung, in der Währung eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums oder einer anderen Währung, gegen die währungspolitische Bedenken nicht zu erheben sind, zugelassen und, wenn gegen die Fortdauer dieser Zulassung währungspolitische Bedenken bestehen, wieder eingeschränkt werden.
(1) Wer als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen ist, ohne dass er das Eigentum erlangt hat, erwirbt das Eigentum, wenn die Eintragung 30 Jahre bestanden und er während dieser Zeit das Grundstück im Eigenbesitz gehabt hat. Die dreißigjährige Frist wird in derselben Weise berechnet wie die Frist für die Ersitzung einer beweglichen Sache. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange ein Widerspruch gegen die Richtigkeit der Eintragung im Grundbuch eingetragen ist.
(2) Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn für jemand ein ihm nicht zustehendes anderes Recht im Grundbuch eingetragen ist, das zum Besitz des Grundstücks berechtigt oder dessen Ausübung nach den für den Besitz geltenden Vorschriften geschützt ist. Für den Rang des Rechts ist die Eintragung maßgebend.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)