Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2017 - IX ZR 270/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:091117UIXZR270.16.0
bei uns veröffentlicht am09.11.2017
vorgehend
Landgericht Regensburg, 6 O 1944/15, 15.03.2016
Oberlandesgericht Nürnberg, 13 U 688/16, 17.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 270/16
Verkündet am:
9. November 2017
Kirchgeßner
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Übermittelt der rechtliche Berater versehentlich ohne vorherige Abstimmung mit
dem Mandanten eine für diesen gefertigte Selbstanzeige der Finanzverwaltung,
liegt in der anschließend gegen den Mandanten festgesetzten Steuerpflicht kein
ersatzfähiger Schaden.
BGH, Urteil vom 9. November 2017 - IX ZR 270/16 - OLG Nürnberg
LG Regensburg
ECLI:DE:BGH:2017:091117UIXZR270.16.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser,die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Prof. Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Die Revision gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 17. Oktober 2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, die Inhaberin einer Apotheke ist, erbrachte in den Veranlagungszeiträumen der Jahre 2007 bis 2012 monatliche Darlehenszahlungen in Höhe von 1.500 € an ihren Lebensgefährten, den inzwischen verstorbenen Rechtsanwalt Thomas R. . Da die Klägerin die Zahlungen in ihren Steuererklärungen fälschlich als Rechtsanwaltsberatungshonorar deklarierte, hinterzog sie während des Veranlagungszeitraums vorsätzlich in erheblichem Umfang Steuern. Das Finanzamt Regensburg führte bei der Klägerin am 6. Dezember 2012 eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume der Jahre 2006 bis 2010 durch, ohne dass Unregelmäßigkeiten aufgedeckt wurden. Eine Verständigung zwischen der Klägerin und der Erbin von Rechtsanwalt R. kam hinsichtlich der Ansprüche auf Darlehensrückzahlung nicht zustande, weil die Erbin die steuerlichen Falschangaben als Druckmittel gegenüber der Klägerin einsetzte.
2
Die Klägerin beauftragte am 7. März 2014 den beklagten Rechtsanwalt damit, für sie eine Selbstanzeige gegenüber dem Finanzamt Regensburg vorzubereiten. Der Inhalt der Selbstanzeige wurde von der Klägerin mit dem Beklagten abgestimmt. Zwischen den Parteien war weiter vereinbart, dass die Selbstanzeige bis zu einer Freigabe durch die Klägerin nicht in den Auslauf gehen sollte. Aufgrund eines Kanzleiversehens wurde die von dem Beklagten am 26. März 2014 erstellte Selbstanzeige ohne Ermächtigung seitens der Klägerin an das Finanzamt Regensburg versandt. Das Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin wurde am 1. Dezember 2014 wegen der strafbefreienden Selbstanzeige eingestellt. Die Klägerin zahlte die von ihr hinterzogenen Steuern in Höhe von insgesamt 68.077,01 € nach. Ferner erbrachte sie an die Industrie- und Handelskammer Beitragsnachzahlungen über 276,07 €. Im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Abwicklung der Selbstanzeige entrichtete die Klägerin den ihr in Rechnung gestellten Betrag von 3.453,53 € an ihre Steuerberaterin.
3
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 71.788,61 €. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
6
Der Beklagte habe die ihm obliegenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt, weil er die Selbstanzeige entgegen der Weisung der Klägerin an das Finanzamt herausgegeben habe. Durch die nicht autorisierte Selbstanzeige seien die Finanzbehörden in die Lage versetzt worden, die von der Klägerin hinterzogenen Steuern zu erheben.
7
Durch die Festsetzung und Nachzahlung der verkürzten Steuern sei der Klägerin nach der Differenzhypothese im Rechtssinne kein Schaden entstanden. Bereits vor der Übermittlung der Selbstanzeige seien die tatsächlich angefallenen Steuern begründet gewesen. Die materiell-rechtlichen Steueransprüche hätten in Höhe der tatsächlich erfüllten Tatbestände der jeweiligen Einzelsteuergesetze durchgegriffen.
8
Die geltend gemachten Schadensbeträge seien auch nicht vom Schutzzweck der verletzten Anwaltspflicht erfasst. Bei der Verletzung von Pflichten aus einem Steuerberatervertrag sei zwar anerkannt, dass auch eine gegen den Mandanten festgesetzte Geldbuße oder Geldstrafe einen ersatzfähigen Schaden darstellen könne. Das gelte allerdings nicht, wenn der Mandant eine vorsätzliche Steuerhinterziehung begehe. Diese Grundsätze seien, auch wenn die hier als Schaden geltend gemachten Steuernachzahlungen keinen Strafcharakter hätten, auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Sinn und Zweck der Steuerpflicht sei es, dass der hierfür persönlich Steuerpflichtige diese Steuern aus seinem Vermögen aufbringe. Die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern sei nicht erstattungsfähig, weil sie Frucht einer von der Klägerin vorsätzlich be- gangenen Steuerhinterziehung seien. Es sei nicht Aufgabe des Beklagten gewesen , die der Klägerin aus der Begehung der Straftaten erlangten rechtswidrigen und nicht schutzwürdigen Vermögensvorteile weiterhin zu sichern.

II.


9
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand. Zwar ist dem Beklagten eine grundsätzlich haftungsbegründende Pflichtwidrigkeit (§ 280 Abs. 1 Satz 1, § 611 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB) anzulasten. Daraus ist der Klägerin jedoch kein ersatzfähiger Schaden (§ 249 Abs. 1 BGB) entstanden.
10
1. Dem Beklagten ist eine Pflichtverletzung vorzuwerfen, weil er die strafbefreiende Selbstanzeige entgegen der Weisung der Klägerin ohne vorherige Rücksprache mit ihr den Finanzbehörden offenbart hat.
11
a) Grundsätzlich ist der rechtliche Berater - der Rechtsanwalt ebenso wie der Steuerberater - verpflichtet, die Weisungen seines Mandanten zu befolgen, selbst wenn dies zu Nachteilen für den Mandanten führen kann. Dies folgt schon daraus, dass für den Anwaltsvertrag gemäß § 675 BGB die Vorschrift des § 665 BGB entsprechende Anwendung findet. Weicht der Berater von einer Weisung des Mandanten ab, liegt darin eine Pflichtverletzung, die ihn grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet (BGH, Urteil vom 20. März 1984 - VI ZR 154/82, WM 1984, 1025; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 8; vom 25. September 2014 - IX ZR 199/13, WM 2014, 2274 Rn. 19). Allerdings hat der Berater den erteilten Weisungen nicht blindlings Folge zu leisten. Gerade bei qualifizierten Dienstleistungen wie einer Rechtsberatung muss der Beauftragte stets auch auf den Sinn der ihm erteilten Weisungen achten, damit dem Mandanten nicht durch äußerlich zwar dem Auftrag entspre- chende, der Sache nach aber nicht gebotene Schritte Nachteile entstehen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1976 - III ZR 110/74, VersR 1977, 421, 422; vom 20. März 1984, aaO). Nach § 675 Abs. 1, § 665 BGB ist der Berater zwar berechtigt , von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Vor der Abweichung hat er jedoch dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entscheidung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (BGH, Urteil vom 25. September 2014, aaO).
12
b) Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte seine Sorgfaltspflichten verletzt , weil er die Selbstanzeige weisungswidrig ohne vorherige Rücksprache mit der Klägerin dem Finanzamt zugeleitet hat.
13
aa) Dem Beklagten ist vorzuwerfen, dass die Selbstanzeige von seinem Büro versehentlich und folglich absprachewidrig ohne das vorherige Einverständnis der Klägerin an die Finanzbehörden herausgegeben wurde. Da ausdrücklich mit der Klägerin vereinbart war, die Selbstanzeige nur in Abstimmung mit ihr der zuständigen Stelle zu eröffnen, hatte der Beklagte in seinem Büro durch geeignete Vorkehrungen sicherzustellen, dass der Schriftsatz nicht ohne vorherige Freigabe seitens der Klägerin in den Postausgang gelangt. Der Rechtsanwalt muss für eine Büroorganisation Sorge tragen, die verhindert, dass Schriftsätze durch das Büropersonal eigenmächtig versandt werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - III ZR 206/01, WM 2002, 1440 f; vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 19).
14
bb) Die - ungeachtet eines fehlenden eigenen Willensentschlusses des Beklagten - der Sache nach eigenmächtige Versendung der Selbstanzeige war nicht deswegen ausnahmsweise gerechtfertigt, weil mit einem Aufschub der Maßnahme für die Klägerin Gefahr verbunden gewesen wäre.
15
Unter Beachtung der wohl verstandenen Interessen der Klägerin bestand kein anerkennenswerter Grund dafür, den Schriftsatz entgegen der getroffenen Absprache ohne ihr vorheriges Einverständnis dem Adressaten kund zu geben. Die bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung des Finanzamts hatte keinen Anhalt für den Verdacht einer Steuerhinterziehung ergeben. Deshalb war nicht zu befürchten, dass gegen die Klägerin alsbald Ermittlungen eingeleitet würden, die zur Aufdeckung des strafbaren Sachverhalts führen konnten. Bei dieser Sachlage war mit dem Aufschub der Maßnahme bis zu einer - ohnehin kurzfristig durchführbaren - Rücksprache mit der Klägerin keine Gefahr verbunden.
16
2. Die Pflichtverletzung des Beklagten hat die Vermögensnachteile ausgelöst , deren Ersatz mit der Klage begehrt wird.
17
a) Den Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese. Danach beruht die von der Klägerin erlittene Vermögenseinbuße auf der Pflichtverletzung des Beklagten.
18
aa) Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung , die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden an- zuerkennen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; Beschluss vom 7. Februar 2013 - IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671 Rn. 10; Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 20). Zur Beantwortung der Frage, welchen Schaden die Pflichtverletzung eines rechtlichen Beraters zur Folge hatte, ist danach zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Rechtsanwalt die Pflichtverletzung nicht begangen , sondern pflichtgemäß gehandelt hätte (BGH, Urteil vom 22. März 1990 - IX ZR 128/89, NJW 1990, 2128, 2129; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 9).
19
bb) Nach diesen Maßstäben hat die Pflichtverletzung des Beklagten den hier verfolgten Schaden ausgelöst. Wird die Versendung der Selbstanzeige als pflichtwidrige Handlung hinweggedacht, hätte sich der Schaden nicht verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - III ZR 206/01, WM 2002, 1440 f). Die zuständigen Behörden hätten keine Kenntnis von den maßgeblichen Vorgängen erlangt, so dass die Klägerin nicht mit Steuer- und Beitragsnachzahlungen sowie Beratungskosten belastet worden wäre. Es kann nicht festgestellt werden , dass der Schaden auch ohne die Pflichtverletzung des Beklagten - etwa aufgrund eigener Ermittlungen der zuständigen Behörde oder einer Anzeige der Erben des Lebensgefährten der Klägerin - entstanden wäre. Darlegung und Beweis dieses hypothetischen Einwands liegt bei dem Beklagten (BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - IX ZR 116/95, NJW 1996, 3343, 3345), der sich auf diesen Gesichtspunkt nicht einmal berufen hat.
20
b) Das für die Schadenszurechnung notwendige Erfordernis einer adäquaten Verursachung ist im Streitfall ebenfalls erfüllt.
21
Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen (BGH, Urteil vom 4. Juli 1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126, 127; vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420, 1421). Eine abstrakt vorhersehbare Folge ist als adäquat zu bewerten , wenn dem Schädiger aufgrund der ihn treffenden Sorgfaltspflichten zuzumuten ist, gegen ihren Eintritt Vorsorge zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1981 - VI ZR 204/79, BGHZ 79, 259, 262). Ein Rechtsanwalt ist gehalten , mit Hilfe seiner Büroorganisation geeignete Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass ein Schriftsatz ohne seinen Willen herausgegeben wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - III ZR 206/01, WM 2002, 1440 f; vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 19). Da dies wegen der vielfältigen Möglichkeiten eines Büroversehens nach aller Lebenserfahrung nicht stets vermieden werden kann, stellt die irrtümliche Versendung einer Selbstanzeige eine adäquate Folge dar. Ferner liegt auf der Hand, dass die Selbstanzeige eines Steuerpflichtigen entsprechend ihrem Zweck im Allgemeinen geeignet ist, eine ihrem Inhalt entsprechende Steuerbelastung zu begründen.
22
3. Das mit Hilfe der Differenzhypothese ermittelte rechnerische Ergebnis eines Schadenseintritts ist einer normativen Wertung zu unterziehen (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - IX ZR 172/06, WM 2008, 748 Rn. 13). Diese ergibt im Streitfall, dass der geltend gemachte Schaden hinsichtlich der Steuernachzahlungen von 68.077,01 € und der Beitragsnachzahlungen über 276,07 € nach den Grundsätzen des normativen Schadens nicht ersatzfähig ist.
23
a) Eine lediglich äußerliche Verbindung des entstandenen Nachteils zu dem Verhalten des Schuldners begründet noch keine Schadensersatzpflicht; vielmehr muss der Schaden in einem inneren Zusammenhang zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - IX ZR 35/93, BGHZ 124, 86, 96 mwN).
24
aa) Diese Haftungsbegrenzung erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie die deliktische Haftung (BGH, Urteil vom 11. Januar 2005, aaO, S. 1421 f). Ein Geschädigter soll grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil (BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 - IX ZR 198/99, WM 2000, 1814, 1816; vom 15. November 2007 - IX ZR 34/04, WM 2008, 41 Rn. 21; vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 28; vom 13. März 2014 - IX ZR 23/10, WM 2014, 858 Rn. 32).
25
bb) Darum kann der Verlust eines Rechtsstreits nicht als Schaden im Rechtssinne angesehen werden, wenn sich im Anwaltshaftungsprozess herausstellt , dass die unterlegene Partei den Vorprozess materiell-rechtlich zu Recht verloren hat, dieser also im Ergebnis richtig entschieden worden ist. Der Umstand, dass die Partei bei sachgerechter Vertretung durch ihren Anwalt den Vorprozess gewonnen hätte, rechtfertigt es nicht, der Partei im Regressprozess gegen ihren Prozessbevollmächtigten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf den sie nach materiellem Recht keinen Anspruch hatte (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012, aaO). Aus dieser Erwägung ist der Nachteil alsbaldiger Vollstreckung , den eine unterlegene Partei dadurch erleidet, dass ein von ihr beabsichtigtes , sachlich aussichtsloses Rechtsmittel durch ein Versehen des Prozessbevollmächtigten versäumt, nicht ordnungsgemäß eingelegt oder verspätet begründet wird, nicht ersatzfähig (BGH, Urteil vom 23. November 2006 - IX ZR 21/03, WM 2007, 419 Rn. 31).
26
cc) Auch ein entgangener Steuervorteil kann grundsätzlich nur als Schaden im Rechtssinne geltend gemacht werden, wenn er rechtmäßig und nicht unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten hätte erlangt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 1983 - III ZR 40/83, WM 1984, 95, 96; vom 5. Juli 2007 - IX ZR 230/04, nv Rn. 5). Ein Steuernachteil ist folglich nur ersatzfähig, wenn er auf rechtlich zulässigem Wege vermeidbar war (MünchKomm-BGB/Oetker, 7. Aufl. § 249 Rn. 514; Gräfe in Gräfe/Schmeer/Lenzen, Steuerberaterhaftung, 6. Aufl., Rn. 569). Deswegen entsteht dem Mandanten eines Steuerberaters durch Steuerzahlungen infolge eines versäumten Einspruchs dann kein ersatzfähiger Schaden, wenn er keinen Anspruch auf eine Steuerbefreiung hatte. Dem steht nicht entgegen, dass die zuständigen Finanzbehörden zeitweise den gegenteiligen Standpunkt eingenommen hatten (BGH, Urteil vom 6. Juli 2006 - IX ZR 88/02, WM 2006, 2057 Rn. 8 ff). Ebenso scheidet ein Schaden aus, wenn das Finanzamt rechtsirrig eine fehlerhafte verbindliche Auskunft erteilt und auf ihrer Grundlage einen rechtswidrigen Steuervorteil gewährt hätte (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 34/04, WM 2008, 41 Rn. 13 ff). Durch eine fiktive Entscheidung, die gerade mit diesem Inhalt nicht hätte ergehen dürfen, wird kein schutzwürdiger Besitzstand begründet, dessen Verlust einen ersatzfähigen Schaden begründet (BGH, aaO Rn. 21).
27
b) Nach diesen normativen Grundsätzen ist der Klägerin infolge der versehentlichen Versendung der Selbstanzeige durch den Beklagten ein ersatzfähiger Schaden nicht erwachsen, weil sie in Einklang mit dem materiellen Recht Steuer- und Beitragsnachzahlungen unterworfen wurde.

28
aa) Die steuerliche Beratung hat sich vertragsgemäß auf der Grundlage der wahren Tatsachen innerhalb der Grenzen der Rechtsordnung und insbesondere der einschlägigen steuerrechtlichen Normen zu bewegen.
29
(1) Der steuerliche Berater hat zwar in erster Linie die Aufgabe, die steuerlichen Interessen seines Mandanten wahrzunehmen und damit die Steuerlast für ihn möglichst gering zu halten. Er muss sich dabei aber im Rahmen der Rechtsordnung halten (BGH, Urteil vom 14. November 1996 - IX ZR 215/95, NJW 1997, 518, 519). Die Beratung ist an einer dem Mandanten günstigen Behördenpraxis auszurichten, sofern diese mit dem Gesetz nicht schlechterdings unvereinbar ist (BGH, Urteil vom 13. März 2014 - IX ZR 23/10, WM 2014, 858 Rn. 32). Verstößt jedoch eine von dem Mandanten ausdrücklich gewünschte Handhabung gegen steuerliche Rechtsvorschriften, so muss der Berater notfalls das Mandat beenden. Erst recht darf der Berater schon zur Vermeidung eigenen ordnungswidrigen Handelns (§ 378 Abs. 1 AO) nicht von sich aus einen Vorgang den Steuerbehörden gegenüber in einer Weise deklarieren, die zu einer Verkürzung des staatlichen Steueranspruchs führt (BGH, Urteil vom 14. November 1996, aaO).
30
(2) Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte einem Verlangen der Klägerin , in der Steuererklärung die an Rechtsanwalt R. tatsächlich bewirkten Darlehenszahlungen gewinnmindernd als Anwaltshonorar abzusetzen, nicht Folge leisten dürfen. Ist dem Rechtsberater die Mitwirkung an einer Steuerverkürzung verboten, kann ein schutzwürdiges Interesse des Mandanten auf Schadensersatzleistung nicht anerkannt werden, wenn durch eine fahrlässige Pflichtverletzung des Beraters eine von dem Mandanten zu verantwortende Steuerhinterziehung aufgedeckt wird. Wird durch das Versehen eines Renten- beraters offenbar, dass sein Mandant eine Erwerbsunfähigkeitsrente teilweise zu Unrecht bezogen hat, liegt in der Anpassung der Rente auf die gesetzliche Höhe kein Schaden im Rechtssinne (BGH, Urteil vom 26. Januar 1989 - IX ZR 81/88, NJW-RR 1989, 530, 531). Nicht anders ist der vorliegende Sachverhalt zu beurteilen. Die Klägerin ist aufgrund der von dem Beklagten versehentlich versandten, aber inhaltlich zutreffenden Selbstanzeige in rechtmäßiger Weise Steuer- und Beitragsnachzahlungen unterzogen worden. Die Klägerin konnte von dem Beklagten nicht verlangen, ihr die Vorteile der von ihr aus eigenem Antrieb vorsätzlich begangenen Steuerhinterziehung zu erhalten.
31
bb) Der mit einem rechtlichen Berater geschlossene Vertrag kann darauf gerichtet sein, den Mandanten vor der Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit und deren Folgen zu schützen, nicht aber, dem Mandanten die Früchte einer von diesem vorsätzlich verübten Steuerhinterziehung zu wahren.
32
(1) Ein Steuerberater, der es durch einen von ihm erteilten Rat oder durch die von ihm veranlasste unzutreffende Darstellung steuerlich bedeutsamer Vorgänge verschuldet, dass gegen seinen Mandanten wegen leichtfertiger Steuerverkürzung ein Bußgeld verhängt wird, kann verpflichtet sein, jenem den darin bestehenden Vermögensschaden zu ersetzen (BGH, Urteil vom 14. November 1996 - IX ZR 215/95, NJW 1997, 518, 519; vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 7 ff). Diese Ersatzpflicht greift nicht ein, wenn - wie hier - die Mandantin vorsätzlich Steuern verkürzt hat, weil sie sich dann über die Rechtswidrigkeit ihres Tuns im Klaren ist und keiner Aufklärung bedarf (BGH, Urteil vom 14. November 1996, aaO; vom 15. April 2010, aaO Rn. 9).
33
(2) Zweck des dem Beklagten erteilten Auftrags war es, die Klägerin vor einer Strafverfolgung zu schützen. Demgemäß oblag dem Beklagten, eine ordnungsgemäße Selbstanzeige zu verfassen, um eine Bestrafung der Klägerin zu verhüten. Zwar durfte die Selbstanzeige nach den Absprachen der Parteien nur im Einverständnis mit der Klägerin zwecks Achtung ihrer Entscheidungsfreiheit der zuständigen Behörde mitgeteilt werden. Durch das von dem Beklagten zu verantwortende Büroversehen wurde die Entscheidungsfreiheit der Klägerin beeinträchtigt und die mit der Selbstanzeige verbundene Steuerbelastung ausgelöst. Da der rechtliche Berater nicht an einer Steuerhinterziehung seines Mandanten mitwirken darf (BGH, Urteil vom 14. November 1996, aaO S. 519), gehörte es jedoch nicht zu den vertragsgemäßen Aufgaben des Beklagten, der Klägerin durch die Vermeidung einer fahrlässigen Pflichtverletzung die Erträge der von ihr begangenen Steuerhinterziehung zu erhalten. Das Interesse der Klägerin, dass die von ihr begangene Steuerhinterziehung nicht aufgedeckt wird, ist auch im Verhältnis zu dem Beklagten nicht schutzwürdig. Wie es schadensrechtlich zu würdigen wäre, wenn der Berater vorsätzlich zum Nachteil des Mandanten eine von diesem begangene Steuerhinterziehung offenbart, kann vorliegend dahinstehen.
34
4. Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Ersatz des im Rahmen der Abwicklung der Steuerhinterziehung an ihre Steuerberaterin gezahlten Honorars von 3.453,53 € nicht zu.
35
Hat der Beklagte der Klägerin nicht die Vorteile der Steuerhinterziehung zu sichern, kann von ihm auch nicht verlangt werden, der Klägerin die weiteren Nachteile zu ersetzen, die mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung verbunden sind. Der als Folgeschaden geltend gemachte Vermögensnachteil fällt zudem gleich den Steuer- und Beitragsnachzahlungen nicht in den Schutzbereich der verletzten Vertragspflicht. Die Kosten eines gegen die Klägerin geführten Strafverfahrens stehen außerhalb des Schutzzwecks der Schadensersatzpflicht (BGH, Urteil vom 22. April 1958 - VI ZR 65/57, BGHZ 27, 137, 141; vom 6. November 1979 - VI ZR 254/77, BGHZ 75, 230, 235). Gleiches gilt für Bera- tungskosten im Blick auf die tatsächlich geschuldete Steuernachzahlung, die bei wertender Zurechnung zuvörderst auf der von der Klägerin eigenverantwortlich verübten Steuerhinterziehung beruhen. Darum kann die Klägerin die Aufwendungen , die ohnehin erforderlich waren, um in ihrem eigenen wohl verstandenen Interesse zur Steuerehrlichkeit zurückzufinden, nicht dem Beklagten aufbürden.

III.


36
Da sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als zutreffend erweist , ist die Revision gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen.
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Regensburg, Entscheidung vom 15.03.2016 - 6 O 1944/15 (2) -
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Referenzen

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.

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Der Beauftragte ist berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Der Beauftragte hat vor der Abweichung dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.

19
a) Grundsätzlich ist der rechtliche Berater - der Steuerberater ebenso wie der Rechtsanwalt - verpflichtet, die Weisungen seines Mandanten zu befolgen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1968 - VI ZR 24/66, VersR 1968, 792, 794; vom 10. Juni 1980 - VI ZR 127/79, VersR 1980, 925; vom 20. März 1984 - VI ZR 154/82, WM 1984, 1024; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 8; Vill in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 841). Nach § 675 Abs. 1, § 665 BGB ist er zwar berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Vor der Abweichung hat er jedoch dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. Der Auftraggeber trägt das Misserfolgs- und Kostenrisiko des Auftrags; deswegen hat er und nicht der Berater die grundlegenden Entscheidungen darüber zu treffen, in welcher Weise seine Interessen wahrgenommen werden sollen (Vill, aaO Rn. 842, 844). Der Berater darf, auch wenn er über ein höheres Maß an Sachkunde und Erfahrung in schwierigen Rechts- und Sachlagen verfügt, nicht seine Entscheidung an die Stelle derjeniger seines Mandanten setzen. Weicht der Berater von einer Weisung des Mandanten ab, liegt darin eine Pflichtverletzung, die ihn zum Schadensersatz verpflichten kann (BGH, Urteil vom 15. November 2007, aaO). Anspruchsgrundlage ist insoweit § 280 BGB (Soergel/Beuthien, BGB, 13. Aufl., § 665 Rn. 17; MünchKomm-BGB-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 665 Rn. 36; Staudinger /Martinek, BGB (2006), § 665 Rn. 27; Fehrenbacher in Prüt- ting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., § 665 Rn. 7; vgl. zum alten Schuldrecht Knütel, ZHR 137 (1973), 285, 324 f).

(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.

Der Beauftragte ist berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Der Beauftragte hat vor der Abweichung dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 206/01 Verkündet am:
6. Juni 2002
F i t t e r e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 249 (Ba), 662
Gibt ein Rechtsanwalt, der von einer Bank den Treuhandauftrag hat, über
ihm ausgehändigte Bürgschaftserklärungen nur unter bestimmten Bedingungen
zu "verfügen", die Bürgschaften pflichtwidrig vorzeitig weiter und kommt
es zu einer Inanspruchnahme der Bank, so muß er die Bank im Wege des
Schadensersatzes so stellen, als wäre diese keine Bürgschaftsverpflichtung
eingegangen; die Schadensersatzpflicht läßt sich nicht im Hinblick auf den
Zweck des Treuhandgeschäfts und der einzelnen Treuhandauflagen einschränken.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - III ZR 206/01 - OLG Köln
LG Bonn
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Juni 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die klagende Bank nimmt den Beklagten, einen Rechtsanwalt, wegen Verletzung eines Treuhandvertrages in Anspruch.
Der Beklagte vertrat die Interessen der SAL A. N. GmbH (im folgenden: SAL). SAL stand in Geschäftsbeziehungen zur Autovermietung A. , der sie im Rahmen eines sog. "Buy-back-Systems" Neuwagen lieferte und verpflichtet war, die Fahrzeuge nach einer gewissen Zeit zu festgelegten Preisen zurückzukaufen. Im Juni 1997 vereinbarte SAL mit der Kfz-B. -
GmbH (im folgenden: B. -GmbH), daû letztere die Abwicklung des Geschäftes mit der A. übernehmen und künftig sämtliche von SAL zurückzunehmenden Fahrzeuge selbst ankaufen und bezahlen sollte. Zur Absicherung der Verbindlichkeiten der SAL gegenüber A. , die bisher durch Bürgschaften der C. -Bank erfolgt war, sollte die B. -GmbH neue Bankbürgschaften stellen.
Unter dem 14. Juli 1997 übersandte die Klägerin, die Hausbank der B. -GmbH, dem Beklagten sieben Bankbürgschaften zum Gesamtbetrag von 1,5 Mio. DM mit einem - vom Beklagten am 15. Juli 1997 unterzeichneten - Treuhandauftrag, wonach der Beklagte über die Unterlagen nur verfügen durfte , wenn sichergestellt war, daû u.a. folgende Bedingungen erfüllt wurden:
"a) Rückgabe sämtlicher bei A. für die ... SAL bestehende(n) Bankbürgschaften an die C. -Bank ...
b) Zahlung eines Betrag(s) in Höhe von DM 1.776.100,36 gemäû Schreiben der SAL vom 10.6.1997 an die ... B. - GmbH auf das bei uns bestehende Konto ...
c) Zustimmung der SAL zur Übernahme der Bürgschaften durch uns und Freistellung der C. -Bank ..." Zu b) war bis dahin ein Betrag von 1.600.000 DM gezahlt. Der Geschäftsführer der B. -GmbH, der dem Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 14. Juli 1997 im Rahmen einer Besprechung vom 15. Juli 1997 übergab , erklärte, den Restbetrag von gut 176.000 DM stunde sein Unternehmen. Daraufhin gab der Beklagte die Bürgschaften an die A. weiter.
In der Folgezeit zahlte die SAL an die B. -GmbH weitere 76.100,36 DM. Der Restbetrag von 100.000 DM blieb offen. SAL geriet in Vermögensverfall. Da SAL auch die Verträge mit A. nicht mehr erfüllte, nahm diese die Klägerin aus den Bürgschaften in Anspruch. Die Klägerin zahlte an A. insgesamt 792.695,46 DM.
Nachdem sie in einem Vorprozeû den Beklagten zunächst auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 100.000 DM verklagt und im Berufungsrechtszug ein Anerkenntnisurteil erstritten hatte, hat die Klägerin den Beklagten auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 692.695,46 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen, und zwar in erster Instanz Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgriffsansprüche der Klägerin gegen die B. -GmbH, im Berufungsverfahren hilfsweise mit einem solchen Zug-um-Zug-Vorbehalt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Ausgangspunkt ist, daû nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt der Beklagte (schuldhaft) seine - schriftlich klar und deutlich niedergelegten - Pflichten aus dem Treuhandvertrag vom 14. Juli 1997 verletzt hat. Er hat über die ihm zu treuen Händen übergebenen Bürgschaftsurkunden "verfügt", nämlich sie weitergegeben und dadurch den Rechtsakt der Erteilung der Bürgschaftserklärungen der Klägerin an die A. (§ 766 Satz 1 BGB) vollendet, obwohl die Bedingung zu b) (Zahlung von 1.776.100,36 DM durch die SAL an die B. -GmbH) im Hinblick auf noch offene 176.100,36 DM nicht voll erfüllt war.
Soweit die Revisionserwiderung dem entgegenhält, der Beklagte hätte den Umständen nach annehmen dürfen, die Klägerin sei mit der betreffenden Abweichung von der Treuhandauflage einverstanden gewesen (vgl. § 665 BGB), handelt es sich um einen Einwand des Beklagten, mit dem das Berufungsgericht sich nicht befaût hat und den, da es insoweit einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung bedürfte, der Senat als Revisionsgericht nicht abschlieûend beurteilen kann. Für die Revisionsinstanz muû daher unterstellt werden, daû der Beklagte nicht berechtigt war, in dem hier in Rede stehenden Punkt von den schriftlichen Treuhandauflagen der Klägerin abzuweichen.
Ausgehend hiervon steht (im Revisionsverfahren) auch auûer Frage, daû nach den Regeln der haftungsausfüllenden Kausalität eine Einstandspflicht des Beklagten gegeben ist. Hätte er sich vertragsgemäû verhalten , so hätte er - da die Treuhandauflagen der Klägerin nicht voll erfüllt waren - die Bürgschaftsurkunden nicht an die A. herausgegeben; es hätte mithin nicht zu einer Inanspruchnahme der Klägerin aus diesen Bürgschaften kommen können. Daraus ergibt sich zugleich, daû einer Schadensersatzpflicht des
Beklagten auch nicht der Gesichtspunkt des sogenannten rechtmäûigen Alternativverhaltens (vgl. BGHZ 96, 157, 172 f; Senatsurteil BGHZ 143, 362, 365 f; Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. Vorbem. vor § 249 Rn. 105) entgegenstehen kann.

II.


Das Berufungsgericht begründet die Abweisung der Klage damit, daû der Schaden, dessen Ersatz die Klägerin von dem Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit verlangt, nicht vom Schutzzweck der Pflichten erfaût werde, die der Beklagte gegenüber der Klägerin in dem Treuhandvertrag vom 14./15. Juli 1997 übernommen habe. Die Treuhandauflage zu b) habe nämlich nur den Sinn gehabt, sicherzustellen, daû der Betrag von knapp 1,8 Mio. DM von der SAL an die B. -GmbH floû. Nicht hingegen habe die Treuhandauflage die Klägerin davor schützen sollen, aus den gegenüber der A. übernommenen Bürgschaften seitens dieser Firma in Anspruch genommen zu werden. Letzteres ergebe sich schon daraus, daû der Klägerin nach ihren eigenen Ausführungen durch die Transaktion zwischen der SAL und der B. -GmbH keinerlei Sicherheit für etwaige Rückgriffansprüche gegen die letztgenannte Firma hätten verschafft werden sollen. Damit fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen der von der Klägerin geltend gemachten Pflichtverletzung des Beklagten und dem durch Inanspruchnahme der Bürgschaften bei ihr eingetretenen Schaden. Dieser Schaden sei letztlich nur deshalb eingetreten, weil die B. -GmbH entgegen der mit der SAL getroffenen Vereinbarung nicht in deren Pflichten gegenüber der A. eingetreten sei, dieser die Gebrauchtwagen gegen Zahlung des für den Rückkauf vorgesehenen Preises abzunehmen. Aus der Sicht des Beklagten habe es sich hier um einen Kausalverlauf gehandelt , der auûerhalb seines Pflichtenkreises gestanden habe und von ihm nicht mehr habe beeinfluût werden können. Zumindest fehle der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang insoweit, als die Klägerin über den im Vorprozeû eingeklagten Betrag von 100.000 DM hinaus den Ersatz weiterer Schäden begehre. Die Zahlungen der SAL hätten den in der Treuhandauflage ge-
nannten Betrag letztlich nur um 100.000 DM unterschritten. Nachdem der Differenzbetrag Gegenstand des Vorprozesses gewesen und inzwischen vom Beklagten an die Klägerin gezahlt worden sei, stehe sich die Klägerin wirtschaftlich nicht schlechter als sie stünde, wenn im Jahre 1997 der volle Betrag nach der Treuhandauflage an die B. -GmbH gezahlt worden wäre. Hätte der Beklagte damals die fehlenden 100.000 DM aus eigener Tasche an die B. -GmbH gezahlt, dann wäre die Klägerin ebenso wie tatsächlich geschehen in Anspruch genommen worden und hätte gegebenenfalls ihrerseits Rückgriffansprüche gegen die B. -GmbH.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die tatrichterlichen Erwägungen des Berufungsgerichts über den Sinn und Zweck der dem Beklagten erteilten Treuhandauflagen beruhen auf einer fehlerhaften Wertung.
1. Richtig ist, daû nach der vom Bundesgerichtshof grundsätzlich für Schadensersatzansprüche aller Art anerkannten Schutzzwecklehre eine Schadensersatzpflicht nur besteht, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm oder Pflicht fällt. Bei Vertragsverletzungen muû es sich also um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte vertragliche Pflicht übernommen worden ist (Palandt/Heinrichs aaO Rn. 62 mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).
2. Mit Recht rügt jedoch die Revision den Standpunkt des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft, die hier verletzte Treuhandauflage habe nicht die Klägerin davor schützen sollen, aus den gegenüber der A. übernommenen
Bürgschaften seitens dieses Unternehmens in Anspruch genommen zu werden. Das Berufungsgericht stellt maûgeblich auf die Zwecke des Geschäfts ab, dem (auch) die vorliegende Treuhandabrede diente und auf das die Treuhandauflagen abgestimmt waren ("Hintergrund der gesamten Transaktion"). Es berücksichtigt aber nicht, daû in der treuhänderischen Hingabe der Bürgschaften mit der Ermächtigung zur Weitergabe - nur - unter bestimmten Bedingungen wesensgemäû zugleich eine Sicherung für die Klägerin (Treugeberin) lag.

a) Die Rechtsbeziehungen der Partner eines (wie hier: unentgeltlichen) Treuhandvertrages richten sich grundsätzlich nach dem Recht des Auftrags (§§ 662 ff BGB). Nach den dafür geltenden Vorschriften muû dann, wenn das vereinbarte Geschäft bestimmungsgemäû dazu geführt hat, daû der Auftragnehmer vom Auftraggeber zur Ausführung des Auftrags etwas erhalten hat, der Auftragnehmer dem Auftraggeber das Erhaltene (wieder) herausgeben, soweit er es nicht entsprechend der getroffenen Abrede verwendet oder verbraucht hat (§ 667 BGB). Ist der Auftraggeber zur Herausgabe nicht mehr in der Lage, ohne sich insoweit entlasten zu können (vgl. Palandt/Sprau aaO § 667 Rn. 10), so haftet er auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Bei einem Treuhandauftrag mit dem Inhalt, daû der Beauftragte (Treuhänder) unter bestimmten Bedingungen ermächtigt sein soll, über einen ihm vom Auftraggeber (Treugeber ) übergebenen Gegenstand zu verfügen, kommt eine Herausgabepflicht des Beauftragten gemäû § 667 BGB bis zum Eintritt der maûgeblichen - aufschiebenden - Bedingung grundsätzlich immer in Betracht, denn ein solcher Auftrag ist seiner Art nach bis dahin jederzeit widerruflich (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1959 - III ZR 180/58 - VersR 1960, 231, 234; BGH, Urteile vom 19. März 1987 - IX ZR 166/86 - NJW 1987, 3201 f und vom 8. Februar 1990 - IX ZR 63/89 - DNotZ 1990, 661, 663 ff m. Anm. Tönnies). Folgerichtig hat der
Bundesgerichtshof für den Fall des Treuhandauftrags einer Bank an einen Notar ausgesprochen, Zweck der den Notar durch den Treuhandauftrag treffenden Pflichten sei es (auch), den Treugeber dagegen zu schützen, daû der Notar den noch zulässigen Widerruf des Treuhandauftrags und die Rückerstattung des Treuguts vereitelt (Urteil vom 8. Februar 1990 aaO); das begründete die Rechtsfolge, daû der Notar die Bank so stellen muûte, als hätte er pflichtgemäû nicht über das Treugut verfügt.
Es gibt keinen Grund, bei einer vergleichbaren Treuhandabrede einer Bank mit einem Rechtsanwalt die vertraglichen Pflichten und deren Schutzzweck - abgesehen von der Einordnung eines solchen Geschäfts ins Privatrecht statt ins öffentliche Recht wie beim Notar - grundsätzlich anders zu beurteilen. Es gibt darüber hinaus auch keine Veranlassung, die im Streitfall erfolgte Hinterlegung "der Bürgschaften" anders zu behandeln als die treuhänderische Hingabe einer Sache. Zwar hatte die Übergabe der Bürgschaftsurkunden sachenrechtlich nicht dieselbe Bedeutung wie die Übergabe eines Gegenstandes (vgl. § 952 BGB). Wirtschaftlich bedeutete die Einräumung der "Verfügungs" -Befugnis über die Bürgschaften aber nichts anderes als die Übergabe einer Sache: Der Beklagte konnte durch Weitergabe der Urkunden an die A. befugtermaûen die "Erteilung" der Bürgschaften an die Gläubigerin im Rechtssinne bewirken und dadurch die Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin auslösen.

b) Wenn aber nach dem typischen Sinn und Zweck eines derartigen Treuhandauftrages der dem Treuhänder zu treuen Händen übergebene Gegenstand für den Treugeber verfügbar bleiben muû - auch im Streitfall hat das Berufungsgericht eine gegenteilige Einigung der Parteien nicht festgestellt -, so
kommt es für die haftungsrechtliche Reichweite des Schutzes der Treuhandabsprache auf die sonstigen mit den Treuhandauflagen verfolgten wirtschaftlichen Zwecke nicht entscheidend an. Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Treuhänders und dem eingetretenen Schaden des Treugebers kann mithin auch unter wertenden Gesichtspunkten grundsätzlich nicht verneint werden. Der Treuhänder hat den Treugeber so zu stellen , als hätte er sich pflichtgemäû nach dem Treuhandvertrag verhalten (BGH, Urteil vom 8. Februar 1990 aaO).

c) Damit verbieten sich auch die weiteren Überlegungen des Berufungsgerichts im Sinne der Verneinung oder einer Begrenzung der Schadensersatzpflicht des Beklagten unter dem Gesichtspunkt, daû den Schaden "letztlich" die B. -GmbH verursacht habe und daû die Klägerin heute wirtschaftlich nicht anders dastünde als sie jetzt dasteht, wenn die offengebliebene Treuhandauflage erfüllt worden und erst dann die Freigabe der Bürgschaften durch den Beklagten erfolgt wäre. Es ist - entgegen der Revisionserwiderung - für den Fall des Verstoûes gegen schriftlich klar und eindeutig festgelegte Treuhandauflagen auch kein Raum für die Anwendung des Grundsatzes, daû ein Auftraggeber unter Umständen gegen Treu und Glauben verstöût, wenn er eine weisungswidrige Ausführung eines Auftrags nicht als Erfüllung gelten lassen will, obwohl die Abweichung sein Interesse überhaupt nicht verletzt hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. Februar 1980 - II ZR 119/79 - WM 1980, 587, 588).

III.


Da der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz nicht entscheidungsreif ist, muû die Sache für die erforderliche weitere tatrichterliche Beurteilung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 ZPO a.F.).
Es bleibt dem Berufungsgericht auch überlassen, für den Fall, daû ein weiterer Schadensersatzanspruch der Klägerin in Betracht kommen sollte, zu prüfen, inwieweit sich Rückgriffsansprüche der Klägerin gegen die B. -GmbH auf ihren Anspruch gegen den Beklagten auswirken. Grundsätzlich wird ein Vermögensschaden nicht durch die Möglichkeit eines anderweitigen Ausgleichs ausgeschlossen. Denkbar ist aber - als Ausdruck des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots - ein Zurückbehaltungsrecht des Schädigers, mit dem die Abtretung einer anderweitigen Ausgleichsforderung nach § 255 BGB geltend gemacht wird, wobei die Möglichkeit eines solchen Anspruchs genügt (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 - IX ZR 214/95 - NJW 1997, 1008, 1012).
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr
19
Den genannten Entscheidungen lagen jedoch jeweils Fälle zugrunde, in denen unter der Geltung des alten Verjährungsrechts, insbesondere vor Einführung des § 203 BGB, über einen mehr oder weniger langen Zeitraum verhandelt oder sogar ein teilweises Anerkenntnis erzielt worden war. Die kurze Frist wurde von dem Zeitpunkt der als solcher erkennbaren endgültigen Leistungsverweigerung an berechnet. Im Zeitpunkt des Abbruchs von Vergleichsverhandlungen sind den betroffenen Gläubigern die vermeintlich oder wirklich anspruchsbegründenden Umstände längst bekannt, und die gegenseitigen Standpunkte sind ausgetauscht worden. Das war hier jedoch nicht der Fall. Im November 2010 war den Klägern, wie sich aus einem Schreiben des Klägers zu 1 vom 29. November 2010 ergibt, lediglich mitgeteilt worden, dass der Einspruch versehentlich nicht abgesandt worden war. Erst auf Nachfragen ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten gemäß Schreiben vom 23. Februar 2011 erfuhren sie, dass die Beklagte zu 1 bereits seit dem 11. August 2003 von dem unterbliebenen Einspruch wusste. Erst diese Information ermöglichte ihnen, das Verhalten der Beklagten als arglistig zu bewerten und den an sich verjährten Einspruch mit Aussicht auf Erfolg einzuklagen. Das betreffende Schreiben der Beklagten datiert vom 8. April 2011 und ging am 12. April 2011 bei den Anwälten der Kläger ein.
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aa) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung: Nur eine Vermögensminderung , die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, WM 2012, 1359 Rn. 42).
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Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung , die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; Beschluss vom 7. Februar 2013 - IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671 Rn. 10). Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Dabei ist zu beachten, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hin- weggedacht, nicht aber weitere Umstände hinzugedacht werden dürfen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 35). Die sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964 Rn. 12).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 206/01 Verkündet am:
6. Juni 2002
F i t t e r e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 249 (Ba), 662
Gibt ein Rechtsanwalt, der von einer Bank den Treuhandauftrag hat, über
ihm ausgehändigte Bürgschaftserklärungen nur unter bestimmten Bedingungen
zu "verfügen", die Bürgschaften pflichtwidrig vorzeitig weiter und kommt
es zu einer Inanspruchnahme der Bank, so muß er die Bank im Wege des
Schadensersatzes so stellen, als wäre diese keine Bürgschaftsverpflichtung
eingegangen; die Schadensersatzpflicht läßt sich nicht im Hinblick auf den
Zweck des Treuhandgeschäfts und der einzelnen Treuhandauflagen einschränken.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - III ZR 206/01 - OLG Köln
LG Bonn
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Juni 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die klagende Bank nimmt den Beklagten, einen Rechtsanwalt, wegen Verletzung eines Treuhandvertrages in Anspruch.
Der Beklagte vertrat die Interessen der SAL A. N. GmbH (im folgenden: SAL). SAL stand in Geschäftsbeziehungen zur Autovermietung A. , der sie im Rahmen eines sog. "Buy-back-Systems" Neuwagen lieferte und verpflichtet war, die Fahrzeuge nach einer gewissen Zeit zu festgelegten Preisen zurückzukaufen. Im Juni 1997 vereinbarte SAL mit der Kfz-B. -
GmbH (im folgenden: B. -GmbH), daû letztere die Abwicklung des Geschäftes mit der A. übernehmen und künftig sämtliche von SAL zurückzunehmenden Fahrzeuge selbst ankaufen und bezahlen sollte. Zur Absicherung der Verbindlichkeiten der SAL gegenüber A. , die bisher durch Bürgschaften der C. -Bank erfolgt war, sollte die B. -GmbH neue Bankbürgschaften stellen.
Unter dem 14. Juli 1997 übersandte die Klägerin, die Hausbank der B. -GmbH, dem Beklagten sieben Bankbürgschaften zum Gesamtbetrag von 1,5 Mio. DM mit einem - vom Beklagten am 15. Juli 1997 unterzeichneten - Treuhandauftrag, wonach der Beklagte über die Unterlagen nur verfügen durfte , wenn sichergestellt war, daû u.a. folgende Bedingungen erfüllt wurden:
"a) Rückgabe sämtlicher bei A. für die ... SAL bestehende(n) Bankbürgschaften an die C. -Bank ...
b) Zahlung eines Betrag(s) in Höhe von DM 1.776.100,36 gemäû Schreiben der SAL vom 10.6.1997 an die ... B. - GmbH auf das bei uns bestehende Konto ...
c) Zustimmung der SAL zur Übernahme der Bürgschaften durch uns und Freistellung der C. -Bank ..." Zu b) war bis dahin ein Betrag von 1.600.000 DM gezahlt. Der Geschäftsführer der B. -GmbH, der dem Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 14. Juli 1997 im Rahmen einer Besprechung vom 15. Juli 1997 übergab , erklärte, den Restbetrag von gut 176.000 DM stunde sein Unternehmen. Daraufhin gab der Beklagte die Bürgschaften an die A. weiter.
In der Folgezeit zahlte die SAL an die B. -GmbH weitere 76.100,36 DM. Der Restbetrag von 100.000 DM blieb offen. SAL geriet in Vermögensverfall. Da SAL auch die Verträge mit A. nicht mehr erfüllte, nahm diese die Klägerin aus den Bürgschaften in Anspruch. Die Klägerin zahlte an A. insgesamt 792.695,46 DM.
Nachdem sie in einem Vorprozeû den Beklagten zunächst auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 100.000 DM verklagt und im Berufungsrechtszug ein Anerkenntnisurteil erstritten hatte, hat die Klägerin den Beklagten auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 692.695,46 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen, und zwar in erster Instanz Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgriffsansprüche der Klägerin gegen die B. -GmbH, im Berufungsverfahren hilfsweise mit einem solchen Zug-um-Zug-Vorbehalt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Ausgangspunkt ist, daû nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt der Beklagte (schuldhaft) seine - schriftlich klar und deutlich niedergelegten - Pflichten aus dem Treuhandvertrag vom 14. Juli 1997 verletzt hat. Er hat über die ihm zu treuen Händen übergebenen Bürgschaftsurkunden "verfügt", nämlich sie weitergegeben und dadurch den Rechtsakt der Erteilung der Bürgschaftserklärungen der Klägerin an die A. (§ 766 Satz 1 BGB) vollendet, obwohl die Bedingung zu b) (Zahlung von 1.776.100,36 DM durch die SAL an die B. -GmbH) im Hinblick auf noch offene 176.100,36 DM nicht voll erfüllt war.
Soweit die Revisionserwiderung dem entgegenhält, der Beklagte hätte den Umständen nach annehmen dürfen, die Klägerin sei mit der betreffenden Abweichung von der Treuhandauflage einverstanden gewesen (vgl. § 665 BGB), handelt es sich um einen Einwand des Beklagten, mit dem das Berufungsgericht sich nicht befaût hat und den, da es insoweit einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung bedürfte, der Senat als Revisionsgericht nicht abschlieûend beurteilen kann. Für die Revisionsinstanz muû daher unterstellt werden, daû der Beklagte nicht berechtigt war, in dem hier in Rede stehenden Punkt von den schriftlichen Treuhandauflagen der Klägerin abzuweichen.
Ausgehend hiervon steht (im Revisionsverfahren) auch auûer Frage, daû nach den Regeln der haftungsausfüllenden Kausalität eine Einstandspflicht des Beklagten gegeben ist. Hätte er sich vertragsgemäû verhalten , so hätte er - da die Treuhandauflagen der Klägerin nicht voll erfüllt waren - die Bürgschaftsurkunden nicht an die A. herausgegeben; es hätte mithin nicht zu einer Inanspruchnahme der Klägerin aus diesen Bürgschaften kommen können. Daraus ergibt sich zugleich, daû einer Schadensersatzpflicht des
Beklagten auch nicht der Gesichtspunkt des sogenannten rechtmäûigen Alternativverhaltens (vgl. BGHZ 96, 157, 172 f; Senatsurteil BGHZ 143, 362, 365 f; Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. Vorbem. vor § 249 Rn. 105) entgegenstehen kann.

II.


Das Berufungsgericht begründet die Abweisung der Klage damit, daû der Schaden, dessen Ersatz die Klägerin von dem Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit verlangt, nicht vom Schutzzweck der Pflichten erfaût werde, die der Beklagte gegenüber der Klägerin in dem Treuhandvertrag vom 14./15. Juli 1997 übernommen habe. Die Treuhandauflage zu b) habe nämlich nur den Sinn gehabt, sicherzustellen, daû der Betrag von knapp 1,8 Mio. DM von der SAL an die B. -GmbH floû. Nicht hingegen habe die Treuhandauflage die Klägerin davor schützen sollen, aus den gegenüber der A. übernommenen Bürgschaften seitens dieser Firma in Anspruch genommen zu werden. Letzteres ergebe sich schon daraus, daû der Klägerin nach ihren eigenen Ausführungen durch die Transaktion zwischen der SAL und der B. -GmbH keinerlei Sicherheit für etwaige Rückgriffansprüche gegen die letztgenannte Firma hätten verschafft werden sollen. Damit fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen der von der Klägerin geltend gemachten Pflichtverletzung des Beklagten und dem durch Inanspruchnahme der Bürgschaften bei ihr eingetretenen Schaden. Dieser Schaden sei letztlich nur deshalb eingetreten, weil die B. -GmbH entgegen der mit der SAL getroffenen Vereinbarung nicht in deren Pflichten gegenüber der A. eingetreten sei, dieser die Gebrauchtwagen gegen Zahlung des für den Rückkauf vorgesehenen Preises abzunehmen. Aus der Sicht des Beklagten habe es sich hier um einen Kausalverlauf gehandelt , der auûerhalb seines Pflichtenkreises gestanden habe und von ihm nicht mehr habe beeinfluût werden können. Zumindest fehle der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang insoweit, als die Klägerin über den im Vorprozeû eingeklagten Betrag von 100.000 DM hinaus den Ersatz weiterer Schäden begehre. Die Zahlungen der SAL hätten den in der Treuhandauflage ge-
nannten Betrag letztlich nur um 100.000 DM unterschritten. Nachdem der Differenzbetrag Gegenstand des Vorprozesses gewesen und inzwischen vom Beklagten an die Klägerin gezahlt worden sei, stehe sich die Klägerin wirtschaftlich nicht schlechter als sie stünde, wenn im Jahre 1997 der volle Betrag nach der Treuhandauflage an die B. -GmbH gezahlt worden wäre. Hätte der Beklagte damals die fehlenden 100.000 DM aus eigener Tasche an die B. -GmbH gezahlt, dann wäre die Klägerin ebenso wie tatsächlich geschehen in Anspruch genommen worden und hätte gegebenenfalls ihrerseits Rückgriffansprüche gegen die B. -GmbH.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die tatrichterlichen Erwägungen des Berufungsgerichts über den Sinn und Zweck der dem Beklagten erteilten Treuhandauflagen beruhen auf einer fehlerhaften Wertung.
1. Richtig ist, daû nach der vom Bundesgerichtshof grundsätzlich für Schadensersatzansprüche aller Art anerkannten Schutzzwecklehre eine Schadensersatzpflicht nur besteht, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm oder Pflicht fällt. Bei Vertragsverletzungen muû es sich also um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte vertragliche Pflicht übernommen worden ist (Palandt/Heinrichs aaO Rn. 62 mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).
2. Mit Recht rügt jedoch die Revision den Standpunkt des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft, die hier verletzte Treuhandauflage habe nicht die Klägerin davor schützen sollen, aus den gegenüber der A. übernommenen
Bürgschaften seitens dieses Unternehmens in Anspruch genommen zu werden. Das Berufungsgericht stellt maûgeblich auf die Zwecke des Geschäfts ab, dem (auch) die vorliegende Treuhandabrede diente und auf das die Treuhandauflagen abgestimmt waren ("Hintergrund der gesamten Transaktion"). Es berücksichtigt aber nicht, daû in der treuhänderischen Hingabe der Bürgschaften mit der Ermächtigung zur Weitergabe - nur - unter bestimmten Bedingungen wesensgemäû zugleich eine Sicherung für die Klägerin (Treugeberin) lag.

a) Die Rechtsbeziehungen der Partner eines (wie hier: unentgeltlichen) Treuhandvertrages richten sich grundsätzlich nach dem Recht des Auftrags (§§ 662 ff BGB). Nach den dafür geltenden Vorschriften muû dann, wenn das vereinbarte Geschäft bestimmungsgemäû dazu geführt hat, daû der Auftragnehmer vom Auftraggeber zur Ausführung des Auftrags etwas erhalten hat, der Auftragnehmer dem Auftraggeber das Erhaltene (wieder) herausgeben, soweit er es nicht entsprechend der getroffenen Abrede verwendet oder verbraucht hat (§ 667 BGB). Ist der Auftraggeber zur Herausgabe nicht mehr in der Lage, ohne sich insoweit entlasten zu können (vgl. Palandt/Sprau aaO § 667 Rn. 10), so haftet er auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Bei einem Treuhandauftrag mit dem Inhalt, daû der Beauftragte (Treuhänder) unter bestimmten Bedingungen ermächtigt sein soll, über einen ihm vom Auftraggeber (Treugeber ) übergebenen Gegenstand zu verfügen, kommt eine Herausgabepflicht des Beauftragten gemäû § 667 BGB bis zum Eintritt der maûgeblichen - aufschiebenden - Bedingung grundsätzlich immer in Betracht, denn ein solcher Auftrag ist seiner Art nach bis dahin jederzeit widerruflich (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1959 - III ZR 180/58 - VersR 1960, 231, 234; BGH, Urteile vom 19. März 1987 - IX ZR 166/86 - NJW 1987, 3201 f und vom 8. Februar 1990 - IX ZR 63/89 - DNotZ 1990, 661, 663 ff m. Anm. Tönnies). Folgerichtig hat der
Bundesgerichtshof für den Fall des Treuhandauftrags einer Bank an einen Notar ausgesprochen, Zweck der den Notar durch den Treuhandauftrag treffenden Pflichten sei es (auch), den Treugeber dagegen zu schützen, daû der Notar den noch zulässigen Widerruf des Treuhandauftrags und die Rückerstattung des Treuguts vereitelt (Urteil vom 8. Februar 1990 aaO); das begründete die Rechtsfolge, daû der Notar die Bank so stellen muûte, als hätte er pflichtgemäû nicht über das Treugut verfügt.
Es gibt keinen Grund, bei einer vergleichbaren Treuhandabrede einer Bank mit einem Rechtsanwalt die vertraglichen Pflichten und deren Schutzzweck - abgesehen von der Einordnung eines solchen Geschäfts ins Privatrecht statt ins öffentliche Recht wie beim Notar - grundsätzlich anders zu beurteilen. Es gibt darüber hinaus auch keine Veranlassung, die im Streitfall erfolgte Hinterlegung "der Bürgschaften" anders zu behandeln als die treuhänderische Hingabe einer Sache. Zwar hatte die Übergabe der Bürgschaftsurkunden sachenrechtlich nicht dieselbe Bedeutung wie die Übergabe eines Gegenstandes (vgl. § 952 BGB). Wirtschaftlich bedeutete die Einräumung der "Verfügungs" -Befugnis über die Bürgschaften aber nichts anderes als die Übergabe einer Sache: Der Beklagte konnte durch Weitergabe der Urkunden an die A. befugtermaûen die "Erteilung" der Bürgschaften an die Gläubigerin im Rechtssinne bewirken und dadurch die Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin auslösen.

b) Wenn aber nach dem typischen Sinn und Zweck eines derartigen Treuhandauftrages der dem Treuhänder zu treuen Händen übergebene Gegenstand für den Treugeber verfügbar bleiben muû - auch im Streitfall hat das Berufungsgericht eine gegenteilige Einigung der Parteien nicht festgestellt -, so
kommt es für die haftungsrechtliche Reichweite des Schutzes der Treuhandabsprache auf die sonstigen mit den Treuhandauflagen verfolgten wirtschaftlichen Zwecke nicht entscheidend an. Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Treuhänders und dem eingetretenen Schaden des Treugebers kann mithin auch unter wertenden Gesichtspunkten grundsätzlich nicht verneint werden. Der Treuhänder hat den Treugeber so zu stellen , als hätte er sich pflichtgemäû nach dem Treuhandvertrag verhalten (BGH, Urteil vom 8. Februar 1990 aaO).

c) Damit verbieten sich auch die weiteren Überlegungen des Berufungsgerichts im Sinne der Verneinung oder einer Begrenzung der Schadensersatzpflicht des Beklagten unter dem Gesichtspunkt, daû den Schaden "letztlich" die B. -GmbH verursacht habe und daû die Klägerin heute wirtschaftlich nicht anders dastünde als sie jetzt dasteht, wenn die offengebliebene Treuhandauflage erfüllt worden und erst dann die Freigabe der Bürgschaften durch den Beklagten erfolgt wäre. Es ist - entgegen der Revisionserwiderung - für den Fall des Verstoûes gegen schriftlich klar und eindeutig festgelegte Treuhandauflagen auch kein Raum für die Anwendung des Grundsatzes, daû ein Auftraggeber unter Umständen gegen Treu und Glauben verstöût, wenn er eine weisungswidrige Ausführung eines Auftrags nicht als Erfüllung gelten lassen will, obwohl die Abweichung sein Interesse überhaupt nicht verletzt hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. Februar 1980 - II ZR 119/79 - WM 1980, 587, 588).

III.


Da der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz nicht entscheidungsreif ist, muû die Sache für die erforderliche weitere tatrichterliche Beurteilung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 ZPO a.F.).
Es bleibt dem Berufungsgericht auch überlassen, für den Fall, daû ein weiterer Schadensersatzanspruch der Klägerin in Betracht kommen sollte, zu prüfen, inwieweit sich Rückgriffsansprüche der Klägerin gegen die B. -GmbH auf ihren Anspruch gegen den Beklagten auswirken. Grundsätzlich wird ein Vermögensschaden nicht durch die Möglichkeit eines anderweitigen Ausgleichs ausgeschlossen. Denkbar ist aber - als Ausdruck des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots - ein Zurückbehaltungsrecht des Schädigers, mit dem die Abtretung einer anderweitigen Ausgleichsforderung nach § 255 BGB geltend gemacht wird, wobei die Möglichkeit eines solchen Anspruchs genügt (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 - IX ZR 214/95 - NJW 1997, 1008, 1012).
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 163/02 Verkündet am:
11. Januar 2005
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 651 g Abs. 1

a) Für eine Reisemängelrüge gemäß § 651 g Abs. 1 BGB reicht es aus, daß
der Reisende erklärt, den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen zu wollen,
und dabei die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen
so konkret beschreibt, daß der Reiseveranstalter die zur Aufklärung
des Sachverhalts gebotenen Maßnahmen zur Wahrung seiner Interessen
ergreifen kann.

b) Die Ausschlußfrist von einem Monat nach § 651 g Abs. 1 BGB ist jedenfalls
gewahrt, wenn der Reisende seine Mängelrüge bei dem Reisebüro, über
das er die Reise gebucht hat, abgibt und sie von diesem innerhalb der Monatsfrist
an den Reiseveranstalter weitergeleitet wird.
BGH, Urt. v. 11. Januar 2005 - X ZR 163/02 - OLG Celle
LG Hannover
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das am 19. Mai 2002 verkündete Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und die Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen einer Verletzung, die sie auf der Rückreise von einem bei der Beklagten gebuchten Pauschalurlaub erlitten hat.
Für den Zeitraum vom 15. bis 29. Juli 2000 buchte die Klägerin für sich und ihre damals 17 Jahre alte Tochter bei der Beklagten eine Pauschalreise nach G. mit Rückflug nach M. . Am Rückreisetag
wurde der Klägerin am Abfertigungsschalter für den vorgesehenen Flug in der Abflughalle des Flughafens mitgeteilt, daß in dieser Maschine nur noch ein freier Platz zur Verfügung stehe. Es könne daher nur entweder die Klägerin oder ihre Tochter zurück nach M. fliegen; die nächste verfügbare Flugmöglichkeit für zwei Personen zu diesem Flughafen sei erst 24 Stunden später. Die Klägerin war nur bereit, mit ihrer Tochter zu fliegen. Ein Schalterangestellter teilte ihr daraufhin mit, daß in Kürze ein Flug einer anderen Fluggesellschaft nach P. starte, auf dem noch Plätze für die Klägerin und ihre Tochter frei seien. Die Klägerin war mit dieser Alternative einverstanden. Der Schalterangestellte mahnte zur Eile, da der Flug nach P. nur noch wenige Minuten für weitere Reisende geöffnet sei. Er lief im Dauerlauf zu dem Abfertigungsschalter für den Flug nach P. auf der anderen Seite der Abflughalle voraus. Die Klägerin und ihre Tochter folgten ihm, jeweils mit ihrem Gepäck. Während des Laufens rutschte die Klägerin aus. Als Folge wurden bei ihr ein Gelenkerguß, eine Zerrung des rechten Kniegelenks mit Teilruptur des vorderen Kreuzbandes und ein unfallbedingter Knorpeldefekt an der medialen Condyle festgestellt.
Die Klägerin ist auch nach einer Operation nicht endgültig genesen und weiterhin zu 100 % arbeitsunfähig. Im Laufe des Berufungsverfahrens verlor die Klägerin, die vor dem Unfall als Altenpflegerin tätig gewesen ist, ihren Arbeitsplatz durch Kündigung des Arbeitgebers wegen Krankheit.
Am 2. August 2000 gab die Klägerin in dem Reisebüro, bei dem sie die Reise mit der Beklagten gebucht hatte, ein handschriftliches Schreiben ab, in dem das Geschehen bei ihrem Rückflug unter Nennung von Zeit und Ort geschildert sowie die zum damaligen Zeitpunkt eingetretenen Unfallfolgen mit
Angabe des behandelnden Arztes aufgeführt waren. Es schließt mit dem Satz: "Durch diese Situation sind wir nicht bereit, dieses Verhalten auf sich beruhen zu lassen."
Das Reisebüro leitete das Schreiben der Klägerin noch am 2. August 2000 an die Beklagte weiter.
Die Klägerin meint, die Beklagte hafte für ihren Unfall auf dem Flughafen von G. , weil sie zuvor vertragswidrig die Klägerin und ihre Tochter nicht mit dem geschuldeten Flug nach M. transportiert habe. Die Klägerin begehrt deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,-- DM, bezifferten Ersatz verschiedener materieller Schäden und die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus ihrer Unfallverletzung zu ersetzen.
Die Beklagte ist der Auffassung, daß die Klägerin ihre Ansprüche nicht rechtzeitig gemäß § 651 g BGB geltend gemacht habe, so daß sie damit ausgeschlossen sei. Außerdem hafte sie für den Unfall der Klägerin nicht, weil sich insoweit deren allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Verletzungsschaden der Klägerin sei der Beklagten nicht adäquat zurechenbar; vielmehr habe sich nur das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung bestätigt, soweit die Klägerin Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes begehrt hat. Im übrigen hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Beklagte dem Grunde nach ver-
pflichtet sei, der Klägerin alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Verletzung am 29. Juli 2000 entstanden seien.
Mit der Revision beantragt die Beklagte, das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben, soweit es zu ihrem Nachteil ergangen ist. Die Klägerin tritt diesem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsurteil hat Bestand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, die Ausschlußfrist für die Anmeldung reisevertraglicher Ansprüche (§ 651 g Abs. 1 BGB) sei gewahrt.

a) Regelungszweck dieser Bestimmung ist, dem Reiseveranstalter alsbald Kenntnis davon zu geben, daß von einem seiner Reisenden Ansprüche geltend gemacht und worauf diese gestützt werden. Dadurch wird dem Reiseveranstalter ermöglicht, unverzüglich am Urlaubsort Recherchen über die behaupteten Reisemängel anzustellen, etwaige Regreßansprüche gegen seine Leistungsträger geltend zu machen und gegebenenfalls seinen Versicherer zu benachrichtigen (vgl. BGHZ 90, 363, 367 f.; 102, 80; Tempel, NJW 1987, 2841). Es ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, daß der Reisende deutlich macht, Forderungen gegen den Reiseveranstalter stellen zu wollen
und die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen so konkret beschreibt, daß der Reiseveranstalter Maßnahmen der geschilderten Art zur Wahrung seiner Interessen ergreifen kann. Nicht erforderlich ist dagegen die rechtliche Einordnung oder eine Bezifferung der erhobenen Ansprüche.

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 2. August 2000 innerhalb der Monatsfrist des § 651 g Abs. 1 BGB erhalten. Dieses Schreiben enthält unter Nennung von Zeit und Ort eine Schilderung des Geschehens am Flughafen, das zu dem Unfall der Klägerin führte, und teilt die zum damaligen Zeitpunkt eingetretenen Unfallfolgen unter Angabe des behandelnden Arztes mit. Das Schreiben endet mit dem Satz: "Durch diese Situation sind wir nicht bereit, dieses Verhalten auf sich beruhen zu lassen." Damit wurde der Sachverhalt dem Reiseveranstalter so konkret vorgetragen, daß er in eine Sachprüfung eintreten konnte. Er mußte den Schlußsatz des klägerischen Schreibens auch dahingehend verstehen, daß von der Klägerin Ansprüche geltend gemacht wurden. Denn wenn der Reiseveranstalter nach Reiseende ein Schreiben des Reisenden erhält, in dem erhebliche Mängel oder im Zusammenhang mit der Reise eingetretene gravierende Schäden konkret geschildert werden, ist dies nach der Lebenserfahrung jedenfalls dann im Sinne einer Forderung nach finanzieller Entschädigung auszulegen , wenn der Reisende wie hier unmißverständlich erklärt, den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen zu wollen. Es ist dem Reiseveranstalter zumutbar und von ihm zu erwarten, insoweit etwa bestehende Zweifel durch Rückfrage beim Reisenden zu beseitigen (vgl. Tempel, aaO, 2847).
2. Die Beklagte ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gemäß § 651 f BGB zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die der Kläge-
rin entstanden sind, weil die Beklagte die Rückflugleistung nicht vertragsgemäß erbracht hat. Da die Fluggesellschaft ihr Erfüllungsgehilfe bei der Erbringung reisevertraglicher Leistungen ist, muß die Beklagte insoweit für sie einstehen. Die Beklagte hat den ihr zum Ausschluß ihrer Haftung obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Der eingeklagte Verletzungsschaden ist auch noch zurechenbar durch die mangelhafte Rückflugleistung verursacht, so daß die Ersatzpflicht der Beklagten festzustellen war.

a) Die Beklagte hat die Verletzung der Klägerin äquivalent verursacht. Denn bei vertragsgemäßer Leistung der Beklagten hätte die Klägerin sich nicht mit Gepäck durch die Abflughalle zu einem anderen Schalter bewegen müssen und hätte sich dabei auch nicht verletzen können. Um eine unerträgliche Ausweitung der Schadensersatzpflicht zu vermeiden, hat sie die Rechtsprechung allerdings schon seit langem durch weitere Zurechnungskriterien eingeschränkt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind als solche Kriterien die Adäquanz des Kausalverlaufs und der Schutzzweck der Norm anerkannt (vgl. nur BGH, Urt. v. 11.11.1999 - III ZR 98/99, NJW 2000, 947).

b) Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen (vgl. nur BGH, Urt .v. 04.07.1994 - II ZR 126/94, NJW 1995, 126, 127; BGHZ 57, 137, 141; st. Rspr.). Adäquanz kann fehlen, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt (BGH, Urt. v. 07.01.1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589). Mit diesem
Inhalt wirkt die Adäquanzlehre nur als recht grober Filter zur Beschränkung der Zurechenbarkeit.
Bei Anwendung dieses Maßstabes liegt es noch nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, daß nach Wegfall einer vereinbarten Rückflugmöglichkeit die Fluggesellschaft nach einem Ersatzflug sucht, für einen solchen die Zeit knapp wird und der betroffene Fluggast dann infolge von Hektik oder Unachtsamkeit stürzt. Die Reaktion der Klägerin war nicht derart ungewöhnlich oder unsachgemäß, daß sie den Zurechnungszusammenhang zur Pflichtverletzung der Beklagten nach der Adäquanzlehre unterbrochen hätte.

c) Eine vertragliche Haftung besteht schließlich nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Diese Haftungsbegrenzung aufgrund des Schutzzwecks der Norm erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie die deliktische Haftung (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1994 - IX ZR 116/93, NJW 1995, 449; Urt. v. 04.07.1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126; BGHZ 116, 209; Urt. v. 30.01.1990 - XI ZR 63/89, NJW 1990, 2057). Zweck vertraglicher und damit auch reisevertraglicher Haftung ist nicht, den Ersatzberechtigten von seinem allgemeinen Lebensrisiko zu entlasten. Für Schäden, die aufgrund des allgemeinen Lebensrisikos eintreten, wird deshalb auch dann nicht gehaftet, wenn sie im Zusammenhang mit einem haftungsbegründenden Ereignis eintreten (vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.07.1971 - VI ZR 165/69, NJW 1971, 1982, 1983).
Das Berufungsgericht erkennt zutreffend, daß Sturzschäden grundsätzlich dem normalen Lebensrisiko zuzuordnen sind. Es meint jedoch, die Mitar-
beiter der Fluggesellschaft hätten als Erfüllungsgehilfen der Beklagten durch Nichtgewährung der ursprünglich versprochenen Flugmöglichkeit ein Verhalten der Klägerin herausgefordert, durch das sie in eine gesteigerte Gefahrenlage geraten sei; nachdem die Beklagte so ein vergrößertes Risiko geschaffen habe , sei sie auch für diejenigen Folgeschäden verantwortlich, die die Klägerin bei dem so veranlaßten Verhalten im Rahmen des normalen Lebensrisikos erlitten habe. Dazu gehören nach Auffassung des Berufungsgerichts auch die materiellen Schäden aus dem Sturz. Diese Ausführungen halten zwar nicht in allen Elementen der Begründung, wohl aber im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

d) Der Lauf durch die Abflughalle war ein willentliches, selbstgefährdendes Handeln der Klägerin, das ein deutlich erhöhtes Sturzrisiko bewirkte. Für den Bereich der unerlaubten Handlung hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung in den sogenannten Herausforderungs- und Verfolgungsfällen klargestellt, daß eine deliktische Haftung besteht, wenn das selbstgefährdende Verhalten durch vorwerfbares Tun herausgefordert wurde und der geltend gemachte Schaden infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden ist (BGHZ 132, 164; BGH, Urt. v. 04.05.1993 - VI ZR 283/92, NJW 1993, 2234). Diese zur Abgrenzung von Haftung und allgemeinem Lebensrisiko im Deliktsrecht entwickelten Grundsätze gelten ebenso bei der Anwendung der Schutzzwecklehre im Vertragsrecht.

e) Die Klägerin hat sich in einer gesteigerten Gefahrenlage verletzt, die auf vorwerfbares Tun der Erfüllungsgehilfen der Beklagten zurückzuführen war. Mangels Entlastungsbeweises vorwerfbar war der Beklagten zwar zunächst nur die fehlende Bereitstellung der vertragsgemäßen Rückflugleistung. Durch die-
se Pflichtwidrigkeit ist für die Klägerin noch kein gesteigertes Risiko eines Sturzes bei einem Lauf mit Gepäck durch die Abflughalle geschaffen worden. Die Mitteilung der Fluggesellschaft, daß der gebuchte Flug nicht angetreten werden kann, veranlaßt einen Reisenden nicht zu einem Lauf durch die Abflughalle mit Gepäck.
Die Klägerin wurde zu dem risikobehafteten Lauf vielmehr veranlaßt, weil sie von dem Mitarbeiter der Fluggesellschaft auf die kurzfristige anderweitige Flugmöglichkeit nach P. hingewiesen wurde. Dieser Hinweis auf anderweitige Flugmöglichkeiten war zwar im Interesse der Klägerin geboten, die deutlich gemacht hatte, nicht auf den nächsten Flug nach M. warten zu wollen. Die Klägerin hätte gegenüber der Beklagten die Verletzung einer vertraglichen Sorgfaltspflicht geltend machen können, wenn der Hinweis auf die andere Flugmöglichkeit unterblieben wäre.
Die Klägerin und ihre Tochter sollten den angebotenen Flug nach P. allerdings anstelle des geschuldeten Fluges nach M . als Erfüllung der vertraglichen Rückflugleistung annehmen. Damit hat die Beklagte durch ihre Erfüllungsgehilfen eine Leistung an Erfüllung statt angeboten. Dabei hat sie dieselben Sorgfaltsmaßstäbe zu beachten wie bei der ursprünglich geschuldeten Leistung. Sie mußte den Alternativflug insbesondere so anbieten , daß die Klägerin dadurch nicht in eine gesteigerte Gefahrenlage geriet. Die Beklagte hatte der Klägerin vielmehr durch angemessene Hilfe zu ermöglichen , den anderen Flug gefahrlos zu erreichen. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt wurde diese Hilfe nicht gewährt. Das die Klägerin zum Nachlaufen animierende Vorauslaufen des Mitarbeiters der Fluggesellschaft setzte die Klägerin vielmehr einem erhöhten Sturzrisiko aus. Es ist nicht
ersichtlich, daß die Erfüllungsgehilfen der Beklagten die ihnen zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätten, um der Klägerin ein problemloses Erreichen des Ausweichfluges zu ermöglichen. Unter diesen Umständen haftet die Beklagte für die materiellen Schäden der Klägerin infolge ihres Sturzes. Diese Haftung ergibt sich aus der Beklagten vorwerfbarem Verhalten bei der Bereitstellung des Ausweichfluges, nicht jedoch, wie das Berufungsgericht meint, schon aus der Nichtgewährung der vereinbarten Flugmöglichkeit.

f) Auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts hat das Berufungsgericht auch ein Mitverschulden der Klägerin rechtsfehlerfrei verneint. Das ist von der Revision nicht beanstandet worden.
3. Die gegen die Tenorierung des Berufungsurteils erhobene Rüge greift ebenfalls nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann über eine unbezifferte Feststellungsklage zwar nicht durch Grundurteil entschieden werden (BGH, Urt. v. 04.10.2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 m.w.N.). Die Auslegung des Berufungsurteils ergibt aber, daß es als Feststellungsurteil zu verstehen ist. Die Worte "dem Grunde nach" im Feststellungsausspruch sind bedeutungslos.
4. Das angefochtene Urteil hat somit Bestand. Die Revision ist zurückzuweisen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 206/01 Verkündet am:
6. Juni 2002
F i t t e r e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 249 (Ba), 662
Gibt ein Rechtsanwalt, der von einer Bank den Treuhandauftrag hat, über
ihm ausgehändigte Bürgschaftserklärungen nur unter bestimmten Bedingungen
zu "verfügen", die Bürgschaften pflichtwidrig vorzeitig weiter und kommt
es zu einer Inanspruchnahme der Bank, so muß er die Bank im Wege des
Schadensersatzes so stellen, als wäre diese keine Bürgschaftsverpflichtung
eingegangen; die Schadensersatzpflicht läßt sich nicht im Hinblick auf den
Zweck des Treuhandgeschäfts und der einzelnen Treuhandauflagen einschränken.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - III ZR 206/01 - OLG Köln
LG Bonn
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Juni 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die klagende Bank nimmt den Beklagten, einen Rechtsanwalt, wegen Verletzung eines Treuhandvertrages in Anspruch.
Der Beklagte vertrat die Interessen der SAL A. N. GmbH (im folgenden: SAL). SAL stand in Geschäftsbeziehungen zur Autovermietung A. , der sie im Rahmen eines sog. "Buy-back-Systems" Neuwagen lieferte und verpflichtet war, die Fahrzeuge nach einer gewissen Zeit zu festgelegten Preisen zurückzukaufen. Im Juni 1997 vereinbarte SAL mit der Kfz-B. -
GmbH (im folgenden: B. -GmbH), daû letztere die Abwicklung des Geschäftes mit der A. übernehmen und künftig sämtliche von SAL zurückzunehmenden Fahrzeuge selbst ankaufen und bezahlen sollte. Zur Absicherung der Verbindlichkeiten der SAL gegenüber A. , die bisher durch Bürgschaften der C. -Bank erfolgt war, sollte die B. -GmbH neue Bankbürgschaften stellen.
Unter dem 14. Juli 1997 übersandte die Klägerin, die Hausbank der B. -GmbH, dem Beklagten sieben Bankbürgschaften zum Gesamtbetrag von 1,5 Mio. DM mit einem - vom Beklagten am 15. Juli 1997 unterzeichneten - Treuhandauftrag, wonach der Beklagte über die Unterlagen nur verfügen durfte , wenn sichergestellt war, daû u.a. folgende Bedingungen erfüllt wurden:
"a) Rückgabe sämtlicher bei A. für die ... SAL bestehende(n) Bankbürgschaften an die C. -Bank ...
b) Zahlung eines Betrag(s) in Höhe von DM 1.776.100,36 gemäû Schreiben der SAL vom 10.6.1997 an die ... B. - GmbH auf das bei uns bestehende Konto ...
c) Zustimmung der SAL zur Übernahme der Bürgschaften durch uns und Freistellung der C. -Bank ..." Zu b) war bis dahin ein Betrag von 1.600.000 DM gezahlt. Der Geschäftsführer der B. -GmbH, der dem Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 14. Juli 1997 im Rahmen einer Besprechung vom 15. Juli 1997 übergab , erklärte, den Restbetrag von gut 176.000 DM stunde sein Unternehmen. Daraufhin gab der Beklagte die Bürgschaften an die A. weiter.
In der Folgezeit zahlte die SAL an die B. -GmbH weitere 76.100,36 DM. Der Restbetrag von 100.000 DM blieb offen. SAL geriet in Vermögensverfall. Da SAL auch die Verträge mit A. nicht mehr erfüllte, nahm diese die Klägerin aus den Bürgschaften in Anspruch. Die Klägerin zahlte an A. insgesamt 792.695,46 DM.
Nachdem sie in einem Vorprozeû den Beklagten zunächst auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 100.000 DM verklagt und im Berufungsrechtszug ein Anerkenntnisurteil erstritten hatte, hat die Klägerin den Beklagten auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 692.695,46 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen, und zwar in erster Instanz Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgriffsansprüche der Klägerin gegen die B. -GmbH, im Berufungsverfahren hilfsweise mit einem solchen Zug-um-Zug-Vorbehalt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Ausgangspunkt ist, daû nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt der Beklagte (schuldhaft) seine - schriftlich klar und deutlich niedergelegten - Pflichten aus dem Treuhandvertrag vom 14. Juli 1997 verletzt hat. Er hat über die ihm zu treuen Händen übergebenen Bürgschaftsurkunden "verfügt", nämlich sie weitergegeben und dadurch den Rechtsakt der Erteilung der Bürgschaftserklärungen der Klägerin an die A. (§ 766 Satz 1 BGB) vollendet, obwohl die Bedingung zu b) (Zahlung von 1.776.100,36 DM durch die SAL an die B. -GmbH) im Hinblick auf noch offene 176.100,36 DM nicht voll erfüllt war.
Soweit die Revisionserwiderung dem entgegenhält, der Beklagte hätte den Umständen nach annehmen dürfen, die Klägerin sei mit der betreffenden Abweichung von der Treuhandauflage einverstanden gewesen (vgl. § 665 BGB), handelt es sich um einen Einwand des Beklagten, mit dem das Berufungsgericht sich nicht befaût hat und den, da es insoweit einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung bedürfte, der Senat als Revisionsgericht nicht abschlieûend beurteilen kann. Für die Revisionsinstanz muû daher unterstellt werden, daû der Beklagte nicht berechtigt war, in dem hier in Rede stehenden Punkt von den schriftlichen Treuhandauflagen der Klägerin abzuweichen.
Ausgehend hiervon steht (im Revisionsverfahren) auch auûer Frage, daû nach den Regeln der haftungsausfüllenden Kausalität eine Einstandspflicht des Beklagten gegeben ist. Hätte er sich vertragsgemäû verhalten , so hätte er - da die Treuhandauflagen der Klägerin nicht voll erfüllt waren - die Bürgschaftsurkunden nicht an die A. herausgegeben; es hätte mithin nicht zu einer Inanspruchnahme der Klägerin aus diesen Bürgschaften kommen können. Daraus ergibt sich zugleich, daû einer Schadensersatzpflicht des
Beklagten auch nicht der Gesichtspunkt des sogenannten rechtmäûigen Alternativverhaltens (vgl. BGHZ 96, 157, 172 f; Senatsurteil BGHZ 143, 362, 365 f; Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. Vorbem. vor § 249 Rn. 105) entgegenstehen kann.

II.


Das Berufungsgericht begründet die Abweisung der Klage damit, daû der Schaden, dessen Ersatz die Klägerin von dem Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit verlangt, nicht vom Schutzzweck der Pflichten erfaût werde, die der Beklagte gegenüber der Klägerin in dem Treuhandvertrag vom 14./15. Juli 1997 übernommen habe. Die Treuhandauflage zu b) habe nämlich nur den Sinn gehabt, sicherzustellen, daû der Betrag von knapp 1,8 Mio. DM von der SAL an die B. -GmbH floû. Nicht hingegen habe die Treuhandauflage die Klägerin davor schützen sollen, aus den gegenüber der A. übernommenen Bürgschaften seitens dieser Firma in Anspruch genommen zu werden. Letzteres ergebe sich schon daraus, daû der Klägerin nach ihren eigenen Ausführungen durch die Transaktion zwischen der SAL und der B. -GmbH keinerlei Sicherheit für etwaige Rückgriffansprüche gegen die letztgenannte Firma hätten verschafft werden sollen. Damit fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen der von der Klägerin geltend gemachten Pflichtverletzung des Beklagten und dem durch Inanspruchnahme der Bürgschaften bei ihr eingetretenen Schaden. Dieser Schaden sei letztlich nur deshalb eingetreten, weil die B. -GmbH entgegen der mit der SAL getroffenen Vereinbarung nicht in deren Pflichten gegenüber der A. eingetreten sei, dieser die Gebrauchtwagen gegen Zahlung des für den Rückkauf vorgesehenen Preises abzunehmen. Aus der Sicht des Beklagten habe es sich hier um einen Kausalverlauf gehandelt , der auûerhalb seines Pflichtenkreises gestanden habe und von ihm nicht mehr habe beeinfluût werden können. Zumindest fehle der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang insoweit, als die Klägerin über den im Vorprozeû eingeklagten Betrag von 100.000 DM hinaus den Ersatz weiterer Schäden begehre. Die Zahlungen der SAL hätten den in der Treuhandauflage ge-
nannten Betrag letztlich nur um 100.000 DM unterschritten. Nachdem der Differenzbetrag Gegenstand des Vorprozesses gewesen und inzwischen vom Beklagten an die Klägerin gezahlt worden sei, stehe sich die Klägerin wirtschaftlich nicht schlechter als sie stünde, wenn im Jahre 1997 der volle Betrag nach der Treuhandauflage an die B. -GmbH gezahlt worden wäre. Hätte der Beklagte damals die fehlenden 100.000 DM aus eigener Tasche an die B. -GmbH gezahlt, dann wäre die Klägerin ebenso wie tatsächlich geschehen in Anspruch genommen worden und hätte gegebenenfalls ihrerseits Rückgriffansprüche gegen die B. -GmbH.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die tatrichterlichen Erwägungen des Berufungsgerichts über den Sinn und Zweck der dem Beklagten erteilten Treuhandauflagen beruhen auf einer fehlerhaften Wertung.
1. Richtig ist, daû nach der vom Bundesgerichtshof grundsätzlich für Schadensersatzansprüche aller Art anerkannten Schutzzwecklehre eine Schadensersatzpflicht nur besteht, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm oder Pflicht fällt. Bei Vertragsverletzungen muû es sich also um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte vertragliche Pflicht übernommen worden ist (Palandt/Heinrichs aaO Rn. 62 mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).
2. Mit Recht rügt jedoch die Revision den Standpunkt des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft, die hier verletzte Treuhandauflage habe nicht die Klägerin davor schützen sollen, aus den gegenüber der A. übernommenen
Bürgschaften seitens dieses Unternehmens in Anspruch genommen zu werden. Das Berufungsgericht stellt maûgeblich auf die Zwecke des Geschäfts ab, dem (auch) die vorliegende Treuhandabrede diente und auf das die Treuhandauflagen abgestimmt waren ("Hintergrund der gesamten Transaktion"). Es berücksichtigt aber nicht, daû in der treuhänderischen Hingabe der Bürgschaften mit der Ermächtigung zur Weitergabe - nur - unter bestimmten Bedingungen wesensgemäû zugleich eine Sicherung für die Klägerin (Treugeberin) lag.

a) Die Rechtsbeziehungen der Partner eines (wie hier: unentgeltlichen) Treuhandvertrages richten sich grundsätzlich nach dem Recht des Auftrags (§§ 662 ff BGB). Nach den dafür geltenden Vorschriften muû dann, wenn das vereinbarte Geschäft bestimmungsgemäû dazu geführt hat, daû der Auftragnehmer vom Auftraggeber zur Ausführung des Auftrags etwas erhalten hat, der Auftragnehmer dem Auftraggeber das Erhaltene (wieder) herausgeben, soweit er es nicht entsprechend der getroffenen Abrede verwendet oder verbraucht hat (§ 667 BGB). Ist der Auftraggeber zur Herausgabe nicht mehr in der Lage, ohne sich insoweit entlasten zu können (vgl. Palandt/Sprau aaO § 667 Rn. 10), so haftet er auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Bei einem Treuhandauftrag mit dem Inhalt, daû der Beauftragte (Treuhänder) unter bestimmten Bedingungen ermächtigt sein soll, über einen ihm vom Auftraggeber (Treugeber ) übergebenen Gegenstand zu verfügen, kommt eine Herausgabepflicht des Beauftragten gemäû § 667 BGB bis zum Eintritt der maûgeblichen - aufschiebenden - Bedingung grundsätzlich immer in Betracht, denn ein solcher Auftrag ist seiner Art nach bis dahin jederzeit widerruflich (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1959 - III ZR 180/58 - VersR 1960, 231, 234; BGH, Urteile vom 19. März 1987 - IX ZR 166/86 - NJW 1987, 3201 f und vom 8. Februar 1990 - IX ZR 63/89 - DNotZ 1990, 661, 663 ff m. Anm. Tönnies). Folgerichtig hat der
Bundesgerichtshof für den Fall des Treuhandauftrags einer Bank an einen Notar ausgesprochen, Zweck der den Notar durch den Treuhandauftrag treffenden Pflichten sei es (auch), den Treugeber dagegen zu schützen, daû der Notar den noch zulässigen Widerruf des Treuhandauftrags und die Rückerstattung des Treuguts vereitelt (Urteil vom 8. Februar 1990 aaO); das begründete die Rechtsfolge, daû der Notar die Bank so stellen muûte, als hätte er pflichtgemäû nicht über das Treugut verfügt.
Es gibt keinen Grund, bei einer vergleichbaren Treuhandabrede einer Bank mit einem Rechtsanwalt die vertraglichen Pflichten und deren Schutzzweck - abgesehen von der Einordnung eines solchen Geschäfts ins Privatrecht statt ins öffentliche Recht wie beim Notar - grundsätzlich anders zu beurteilen. Es gibt darüber hinaus auch keine Veranlassung, die im Streitfall erfolgte Hinterlegung "der Bürgschaften" anders zu behandeln als die treuhänderische Hingabe einer Sache. Zwar hatte die Übergabe der Bürgschaftsurkunden sachenrechtlich nicht dieselbe Bedeutung wie die Übergabe eines Gegenstandes (vgl. § 952 BGB). Wirtschaftlich bedeutete die Einräumung der "Verfügungs" -Befugnis über die Bürgschaften aber nichts anderes als die Übergabe einer Sache: Der Beklagte konnte durch Weitergabe der Urkunden an die A. befugtermaûen die "Erteilung" der Bürgschaften an die Gläubigerin im Rechtssinne bewirken und dadurch die Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin auslösen.

b) Wenn aber nach dem typischen Sinn und Zweck eines derartigen Treuhandauftrages der dem Treuhänder zu treuen Händen übergebene Gegenstand für den Treugeber verfügbar bleiben muû - auch im Streitfall hat das Berufungsgericht eine gegenteilige Einigung der Parteien nicht festgestellt -, so
kommt es für die haftungsrechtliche Reichweite des Schutzes der Treuhandabsprache auf die sonstigen mit den Treuhandauflagen verfolgten wirtschaftlichen Zwecke nicht entscheidend an. Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Treuhänders und dem eingetretenen Schaden des Treugebers kann mithin auch unter wertenden Gesichtspunkten grundsätzlich nicht verneint werden. Der Treuhänder hat den Treugeber so zu stellen , als hätte er sich pflichtgemäû nach dem Treuhandvertrag verhalten (BGH, Urteil vom 8. Februar 1990 aaO).

c) Damit verbieten sich auch die weiteren Überlegungen des Berufungsgerichts im Sinne der Verneinung oder einer Begrenzung der Schadensersatzpflicht des Beklagten unter dem Gesichtspunkt, daû den Schaden "letztlich" die B. -GmbH verursacht habe und daû die Klägerin heute wirtschaftlich nicht anders dastünde als sie jetzt dasteht, wenn die offengebliebene Treuhandauflage erfüllt worden und erst dann die Freigabe der Bürgschaften durch den Beklagten erfolgt wäre. Es ist - entgegen der Revisionserwiderung - für den Fall des Verstoûes gegen schriftlich klar und eindeutig festgelegte Treuhandauflagen auch kein Raum für die Anwendung des Grundsatzes, daû ein Auftraggeber unter Umständen gegen Treu und Glauben verstöût, wenn er eine weisungswidrige Ausführung eines Auftrags nicht als Erfüllung gelten lassen will, obwohl die Abweichung sein Interesse überhaupt nicht verletzt hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. Februar 1980 - II ZR 119/79 - WM 1980, 587, 588).

III.


Da der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz nicht entscheidungsreif ist, muû die Sache für die erforderliche weitere tatrichterliche Beurteilung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 ZPO a.F.).
Es bleibt dem Berufungsgericht auch überlassen, für den Fall, daû ein weiterer Schadensersatzanspruch der Klägerin in Betracht kommen sollte, zu prüfen, inwieweit sich Rückgriffsansprüche der Klägerin gegen die B. -GmbH auf ihren Anspruch gegen den Beklagten auswirken. Grundsätzlich wird ein Vermögensschaden nicht durch die Möglichkeit eines anderweitigen Ausgleichs ausgeschlossen. Denkbar ist aber - als Ausdruck des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots - ein Zurückbehaltungsrecht des Schädigers, mit dem die Abtretung einer anderweitigen Ausgleichsforderung nach § 255 BGB geltend gemacht wird, wobei die Möglichkeit eines solchen Anspruchs genügt (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 - IX ZR 214/95 - NJW 1997, 1008, 1012).
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr
19
Den genannten Entscheidungen lagen jedoch jeweils Fälle zugrunde, in denen unter der Geltung des alten Verjährungsrechts, insbesondere vor Einführung des § 203 BGB, über einen mehr oder weniger langen Zeitraum verhandelt oder sogar ein teilweises Anerkenntnis erzielt worden war. Die kurze Frist wurde von dem Zeitpunkt der als solcher erkennbaren endgültigen Leistungsverweigerung an berechnet. Im Zeitpunkt des Abbruchs von Vergleichsverhandlungen sind den betroffenen Gläubigern die vermeintlich oder wirklich anspruchsbegründenden Umstände längst bekannt, und die gegenseitigen Standpunkte sind ausgetauscht worden. Das war hier jedoch nicht der Fall. Im November 2010 war den Klägern, wie sich aus einem Schreiben des Klägers zu 1 vom 29. November 2010 ergibt, lediglich mitgeteilt worden, dass der Einspruch versehentlich nicht abgesandt worden war. Erst auf Nachfragen ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten gemäß Schreiben vom 23. Februar 2011 erfuhren sie, dass die Beklagte zu 1 bereits seit dem 11. August 2003 von dem unterbliebenen Einspruch wusste. Erst diese Information ermöglichte ihnen, das Verhalten der Beklagten als arglistig zu bewerten und den an sich verjährten Einspruch mit Aussicht auf Erfolg einzuklagen. Das betreffende Schreiben der Beklagten datiert vom 8. April 2011 und ging am 12. April 2011 bei den Anwälten der Kläger ein.
13
aa) Grundsätzlich besteht ein Schaden im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB in der Differenz zwischen der Vermögenslage des Betroffenen infolge des schädigenden Ereignisses und dem Vermögensstand, der ohne dieses Ereignis bestünde. Ob und in welchem Umfang ein Schaden eingetreten ist, ist also durch einen rechnerischen Vergleich zu ermitteln, dessen Ergebnis allerdings einer normativen Wertung zu unterziehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 198/99 Verkündet am:
6. Juli 2000
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
---------------------------------
BGB § 675; DDR-GesO § 7 Abs. 3; ZPO § 720 a

a) Ein Rechtsanwalt, der einen Gläubiger wegen der Vollstreckung aus einem
vorläufig vollstreckbaren Urteil berät, muß diesen über das Risiko mangelnder
Insolvenzfestigkeit der Sicherungsvollstreckung belehren, wenn er weiß
oder wissen muß, daß der Schuldner in angespannten finanziellen Verhältnissen
lebt und seinen Sitz in den neuen Bundesländern hat oder ihn dorthin
verlegen will.

b) Wenn im Haftpflichtprozeß die Frage, ob dem Anspruchsteller durch die
schuldhafte Pflichtverletzung des Rechtsanwalts ein Schaden entstanden
ist, vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängt, muß das Regreßgericht
selbst prüfen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden (gewesen
) wäre. Dies gilt auch dann, wenn das andere Verfahren unterbrochen
ist und noch fortgesetzt werden kann.
BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 - IX ZR 198/99 - OLG Köln
LG Köln
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Kreft,
Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juli 2000

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Mai 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 86.000 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes M. S., vormals F. (nachfolgend: Zedent), den Beklagten auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrags in Anspruch.
Der Zedent erwirkte, vertreten durch den Beklagten, am 3. Februar 1994 ein rechtskräftig gewordenes Urteil des Landgerichts Köln (83 O 124/93), mit dem die H. E. H. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) zur Zahlung einer Ge-
schäftsführervergütung in Höhe von 20.645,16 DM nebst Zinsen verurteilt wurde. Das Urteil war gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 23.000 DM vorläufig vollstreckbar. Wegen weiterer gleichartiger Ansprüche gegen die Schuldnerin erwirkte der Zedent, wiederum vertreten durch den Beklagten, ein Urteil des Landgerichts Köln (91 O 13/94) vom 15. Juni 1994 auf Zahlung von 84.056,64 DM nebst Zinsen. Es war gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 93.000 DM vorläufig vollstreckbar. Dagegen haben beide Seiten Berufung eingelegt (OLG Köln - 12 U 180/94).
Wegen der Forderungen aus den Urteilen ließ der Beklagte für seinen Mandanten im April und August 1994 die Ansprüche der Schuldnerin aus einer Kontobeziehung mit ihrer Bank gemäß § 720 a ZPO pfänden. Die Bank bestätigte die "Separierung" der Pfändungsbeträge von 23.000 DM und 86.000 DM (insgesamt 109.000 DM) auf Unterkonten.
Die Schuldnerin verlegte ihren Sitz nach Sachsen-Anhalt. Dort wurde durch Beschluß vom 30. November 1994 über das Vermögen der Schuldnerin die Gesamtvollstreckung eröffnet. Seither ist das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Köln - 12 U 180/94 - unterbrochen. Auf entsprechende Aufforderung durch den Gesamtvollstreckungsverwalter überließ die Bank die für den Zedenten "separierten" Beträge der Masse.
Die Klägerin hat deswegen gegen den Beklagten Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 109.000 DM nebst Zinsen erhoben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Verurteilung hinsichtlich des Betrages von 23.000 DM mit der Maßgabe bestätigt, daß dieser nur Zug um Zug gegen Übergabe einer Abtretungserklärung des Zedenten
bezüglich der durch das Urteil vom 3. Februar 1994 titulierten Ansprüche zu zahlen sei. Wegen des Betrages von 86.000 DM hat es die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Die Anschlußrevision des Beklagten, mit der dieser die vollständige Klageabweisung erstrebte, hat der Senat nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel der Klägerin führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.


Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
Der Beklagte habe die ihm aus dem Anwaltsvertrag obliegenden Verpflichtungen gegenüber dem Zedenten schuldhaft verletzt. Er habe diesen nicht ausreichend über die mit einer bloßen Sicherungsvollstreckung nach § 720 a ZPO im Falle der Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens verbundenen Risiken belehrt und ihm nicht zu einer gesamtvollstreckungsfesten Zwangsvollstreckung durch Pfändung und Überweisung geraten. Dazu sei er verpflichtet gewesen, weil er mit dem Eintritt einer Insolvenz der Schuldnerin und der Anwendbarkeit der Gesamtvollstreckungsordnung habe rechnen müs-
sen. Die fehlgeschlagene Sicherungsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 15. Juni 1994 habe aber noch nicht zu einem Schaden des Zedenten geführt. Solange dieses Urteil nicht in Rechtskraft erwachsen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, daß der der Klägerin abgetretene Anspruch bestehe. Der Ausgang des derzeit unterbrochenen Rechtsstreits des Zedenten mit der Schuldnerin sei nicht absehbar.

II.


Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , der Beklagte habe seine anwaltlichen Pflichten gegenüber dem Zedenten schuldhaft verletzt. Die Feststellungen des Berufungsgerichts, der Beklagte , dem die rechtliche Problematik des § 7 Abs. 3 Satz 1 GesO nach seinen eigenen Angaben bekannt war, habe den Zedenten nicht über das Risiko mangelnder Insolvenzfestigkeit der Sicherungsvollstreckung belehrt, obwohl er die desolate wirtschaftliche Situation der Schuldnerin und deren Absicht, den Firmensitz in die neuen Bundesländer zu verlegen, rechtzeitig erkannt habe, werden in der Revisionsinstanz nicht angegriffen und sind somit für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO).
Der Beklagte meint, das Risiko mangelnder Insolvenzfestigkeit habe überhaupt nicht bestanden. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Beklagte ver-
kennt nicht, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats vor Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens im Wege der Zwangsvollstrekkung begründete Sicherungsrechte ihre Wirksamkeit nach § 7 Abs. 3 Satz 1 GesO verlieren (BGHZ 128, 365 ff). Er hält diese Grundsätze im vorliegenden Fall aber nicht für anwendbar. Dieser weise die Besonderheit auf, daß die Sicherungspfandrechte des Zedenten allesamt vor Wirksamwerden der Sitzverlegung der Schuldnerin in den Geltungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung begründet worden seien. Eine solche einseitige Maßnahme der Schuldnerin könne die Pfandrechte des Zedenten, die im Geltungsbereich der Konkursordnung konkursfest gewesen wären, nicht entwerten.
Damit kann der Beklagte nicht durchdringen. Es ist schon fraglich, ob die Sicherungspfandrechte des Zedenten vor dem Zeitpunkt entstanden sind, der für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts - und damit der Anwendung entweder der Konkursordnung oder der Gesamtvollstrekkungsordnung (BGHZ 138, 40, 42) - maßgeblich war. Es kommt weder allein auf den satzungsändernden Beschluß (v. 26. November 1993) an, mit dem die Sitzverlegung beschlossen wurde, noch auf die Eintragung der Sitzverlegung in das Handelsregister (am 20. September 1994), sondern auf den tatsächlichen Mittelpunkt der wirtschaftlichen Betätigung (Kilger/Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 71 KO Anm. 3, § 1 GesO Anm. 4; Haarmeyer/Wutzke/ Förster, GesO 4. Aufl. § 1 Rdnr. 297). Ab wann die Schuldnerin von SachsenAnhalt aus ihre Geschäfte betrieben hat, steht nicht fest.
Selbst wenn dies erst nach den von dem Zedenten ausgebrachten Pfändungen geschehen sein sollte, wären diese durch die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens entwertet worden. Die Aussicht des Zedenten, im
Falle einer späteren Konkurseröffnung durch seine Pfändungspfandrechte absonderungsberechtigt zu sein, stellte kein “wohlerworbenes” und durch einseitige Maßnahmen der Schuldnerin nicht mehr zu beeinträchtigendes Recht dar. Absonderungsrechte entstehen erst mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Ob nach materiellem Recht Absonderungsrechte begründet werden, hängt – solange im Inland zwei Insolvenzordnungen nebeneinander gelten – unter anderem davon ab, in welchem Teil Deutschlands das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Das Recht des Schuldners, dessen Insolvenz noch nicht unmittelbar bevorsteht, auf freie Wahl seines Unternehmenssitzes kann nicht deshalb eingeschränkt werden, weil die Rechte seiner Gläubiger in den verschiedenen Insolvenzordnungen unterschiedlich ausgebildet sind (vgl. BGHZ 132, 195, 197; 138, 40, 45 f).
2. Demgegenüber halten die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht hinsichtlich des Betrages von 86.000 DM den Eintritt eines Schadens verneint hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Ob und in welchem Umfang ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Schaden vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach einem rechnerischen Vergleich der durch das schädigende Ereignis bewirkten Vermögenslage mit derjenigen , die ohne jenen Umstand eingetreten wäre (BGHZ 98, 212, 217; 99, 182, 196; 123, 96, 99; BGH, Urt. v. 18. November 1999 - IX ZR 153/98, NJW 2000, 734). Der haftpflichtige Rechtsanwalt hat den Mandanten vermögensmäßig so zu stellen, wie dieser bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters stünde (BGH, Urt. v. 28. Juni 1990 - IX ZR 209/89, NJW-RR 1990, 1241, 1244; v. 20. Oktober 1994 - IX ZR 116/93, NJW 1995, 449, 451).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, daß der Zedent durch die Vorgehensweise des Beklagten einen Schaden erlitten hat. Hätte der Beklagte rechtzeitig die Forderung der Schuldnerin pfänden und dem Zedenten zur Einziehung überweisen lassen, wäre dieser zur Einziehung befugt gewesen (§ 836 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Zedent von dieser Befugnis rechtzeitig Gebrauch gemacht hätte und auf diese Weise befriedigt worden wäre. Dann wäre seine Rechtsposition durch die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin nicht mehr beeinträchtigt worden. Tatsächlich hat der Zedent nichts erlangt, weil der von den Beklagten eingeschlagene Weg der Sicherungsvollstreckung unter den gegebenen Umständen untauglich war.

b) Das nach der Differenzmethode rein rechnerisch gewonnene Ergebnis bedarf einer normativen, am Schutzzweck der Haftung sowie an Funktion und Ziel des Schadensersatzes ausgerichteten Kontrolle (BGHZ 98, 212, 217 f; BGH, Urt. v. 31. Mai 1994, - VI ZR 12/94, NJW 1994, 2357, 2359; v. 26. September 1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 304).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Geschädigte im Wege des Schadensersatzes grundsätzlich nicht mehr erhalten als das, was er nach der materiellen Rechtslage verlangen kann (BGHZ 124, 86, 95; 125, 27, 34; BGH, Urt. v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 49; v. 28. September 1995 - IX ZR 158/94, NJW 1995, 3248, 3249).
Im vorliegenden Fall steht noch nicht rechtskräftig fest, ob der Zedent den Betrag, der ihm durch das Verschulden des Beklagten entgangen ist, ma-
teriell-rechtlich verlangen kann. Die Klägerin kann nicht darauf verwiesen werden , den Ausgang des bereits seit sechs Jahren unterbrochenen Verfahrens in der Sache 91 O 13/94 abzuwarten.
Wenn im Haftpflichtprozeß die Frage, ob dem Anspruchsteller durch die schuldhafte Pflichtverletzung des Anwalts ein Schaden entstanden ist, vom Ausgang eines anderen Prozesses, des sogenannten Inzidenzverfahrens, abhängt , muß das Regreßgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren - falls es abgeschlossen ist - richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre (st. Rechtspr., vgl. BGHZ 124, 86, 96; 133, 110, 111) oder - falls es nicht abgeschlossen ist - richtigerweise zu entscheiden wäre. Daß im zuletzt genannten Fall die Gefahr divergierender Entscheidungen besteht, ändert daran nichts. Ihr kann zum Beispiel durch eine Streitverkündung vorgebeugt werden.
Diese materiell-rechtliche Prüfung hat das Berufungsgericht unterlassen. Es hat gemeint, der Ausgang des Verfahrens 91 O 13/94 sei "nicht absehbar". Es sei denkbar, daß das Oberlandesgericht Köln im Berufungsverfahren die Wirksamkeit der von der Schuldnerin ausgesprochenen fristlosen Kündigung anders beurteile oder daß die Schuldnerin mit ihren Gegenansprüchen in weiterem Umfang als bisher noch die Aufrechnung erkläre. Zu beiden Punkten hätte sich das Berufungsgericht jedoch eine eigene Meinung bilden müssen. Der Beklagte hat dahingehend vorgetragen und sich - zulässigerweise - alle Einwendungen zu eigen gemacht, welche die Schuldnerin als Beklagte des Verfahrens 91 O 13/94 geltend gemacht hatte.
In Ermangelung entsprechender Feststellungen kann der Senat nicht überprüfen, ob dem Zedenten der im Vorprozeß geltend gemachte Anspruch von Rechts wegen zusteht.

III.


Die Abweisung der Klage auf Ersatz des in Höhe von 86.000 DM eingetretenen Schadens erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend (§ 563 ZPO).
1. Die Pflichtverletzung (s.o. II 1) war für den geltend gemachten Schaden ursächlich.

a) Zwar findet sich im Berufungsurteil die Bemerkung, vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Ansprüche des Zedenten gegen die Schuldnerin stehe nicht fest, ob und inwieweit das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten für einen Schaden ursächlich geworden sei. Damit hat das Berufungsgericht aber - richtig verstanden - nicht die Ursächlichkeit, sondern bereits den Schadenseintritt verneinen wollen. Dazu wird auf die Ausführungen oben zu II 2 verwiesen.

b) Das Berufungsgericht hat aufgrund der von ihm erhobenen Beweise die Überzeugung gewonnen, daß der Zedent im Jahre 1994 die Sicherheiten, die er benötigte (§ 709 ZPO), wenn er sich die gepfändeten Forderungen überweisen lassen wollte, hätte beschaffen können. Dagegen sind durchgreifende Bedenken nicht ersichtlich.
aa) Auch der Beklagte geht davon aus, daß der Zedent befriedigt worden wäre, wenn im August 1994 nicht nur ein Pfändungs-, sondern auch ein Überweisungsbeschluß ergangen wäre. Er beanstandet lediglich, das Beru-
fungsgericht habe nicht geprüft, ob der Zedent bis zu diesem Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, die ihm obliegende Sicherheitsleistung zu erbringen und gegenüber dem Vollstreckungsgericht nachzuweisen. Indes hat das Berufungsgericht aufgrund der von ihm erhobenen Beweise die Überzeugung gewonnen , daß der Zedent "im Jahre 1994" die erforderlichen Sicherheiten hätte stellen können. Diese Feststellung ist, weil das Berufungsgericht den Zeitraum nicht näher eingegrenzt hat, auf das gesamte Jahr 1994 – also auch auf die Zeit vor August 1994 – zu beziehen.
bb) Die dagegen erhobenen prozessualen Rügen des Beklagten greifen nicht durch.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Hausbank des Zedenten, die K. K., ihm mit Bürgschaften die Zwangsvollstreckung ermöglicht hätte. Zwar hätte sie dies davon abhängig gemacht, daß der Zedent ihr seinerseits Sicherheiten stellte. Indes habe der Zedent Guthaben auf Bankkonten und andere Vermögenswerte gehabt. Als Sicherheit sei auch die Verpfändung der Forderungen , derentwegen der Zedent nunmehr die Zwangsvollstreckung habe durchführen wollen, in Betracht gekommen. Dagegen wird in der Revisionsinstanz nichts Stichhaltiges vorgebracht.
cc) Der Beklagte vermißt ferner eine Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit dem Einwand, der Zedent sei jedenfalls nicht gewillt gewesen , die erforderlichen Sicherheiten zu leisten. Ob er einem Rat, wegen der mit der Sitzverlegung in den Geltungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung verbundenen Gefahren aus den zu seinen Gunsten vorliegenden Titeln nicht lediglich die Sicherungsvollstreckung zu betreiben, gefolgt wäre, sei offen. Da
es im vorliegenden Fall nicht nur eine Möglichkeit gegeben habe, sachgerecht zu reagieren, scheide die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (vgl. dazu BGHZ 123, 311, 315 f.; Fischer, in: Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung 1999 Rdnr. 1053 ff.) aus.
Diese Argumentation bleibt erfolglos. Allerdings hat der Zedent – jedenfalls nach dem Vorbringen des Beklagten – darauf vertraut, die Schuldnerin werde keinen Insolvenzantrag stellen. Darüber hinaus mag er davon ausgegangen sein, er werde auch ohne Zwangsvollstreckung zu seinem Geld kommen. Indes ergibt sich daraus allenfalls ein mangelhaftes Problembewußtsein des Zedenten, der sich in einer trügerischen Sicherheit wiegte. Daß er sich nach einer Aufklärung über die mit § 7 Abs. 3 GesO verbundenen Gefahren einem Rat des Beklagten, Sicherheit zu leisten und einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zu erwirken, verschlossen hätte, wird dadurch nicht nahegelegt.

c) Den Einwand des Beklagten, es fehle an der Kausalität, weil die Schuldnerin bei einem Antrag des Zedenten auf Pfändung und Überweisung die Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung erreicht hätte (§ 712 ZPO), hat das Berufungsgericht nicht gelten lassen. Es sei nicht ersichtlich, daß die Schuldnerin damals noch in der Lage gewesen wäre, Sicherheit zu leisten. Das wird in der Revisionsinstanz nicht gerügt (§ 561 Abs. 2 ZPO).
2. Ein dem Zedenten anzulastendes Mitverschulden hat das Berufungsgericht verneint. Das nimmt die Revisionserwiderung hin und läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

IV.


Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben, soweit es um den Schadensersatz in Höhe von 86.000 DM geht (§ 564 Abs. 1 ZPO). Insofern hat eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht zu erfolgen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil die Sache noch nicht entscheidungsreif ist. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob dem Zedenten der vom Landgericht Köln zugesprochene Anspruch zusteht. Richter am Bundesgerichtshof Kirchhof ist wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit verhindert , seine Unterschrift beizufügen. Kreft Kreft Fischer Richter am Bundesgerichtshof Dr. Zugehör ist wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Kreft Ganter
28
aa) Ein Geschädigter soll grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil. Durch eine fiktive Entscheidung, die gerade mit diesem Inhalt nicht hätte erge- hen dürfen, wird kein schutzwürdiger Besitzstand begründet (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 34/04, WM 2008, 41 Rn. 21). Bei wertender Betrachtung kann nämlich der Verlust eines Rechtsstreits nicht als Schaden im Rechtssinne angesehen werden, wenn sich im Anwaltshaftungsprozess herausstellt , dass die unterlegene Partei den Vorprozess materiell-rechtlich zu Recht verloren hat, dieser also nach Auffassung des mit dem Anwaltshaftungsprozess befassten Gerichts im Ergebnis richtig entschieden worden ist. Der Umstand, dass die Partei bei sachgerechter Vertretung durch ihren Anwalt den Vorprozess gewonnen hätte, rechtfertigt es nicht, der Partei im Regressprozess gegen ihren Prozessbevollmächtigten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf den sie nach materiellem Recht keinen Anspruch hatte. Auf diesen Fall trifft die Regel nicht zu, dass ein Schaden bereits dann bejaht werden kann, wenn die Partei einen Prozess verloren hat, den sie bei sachgemäßer Vertretung gewonnen hätte (BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 - IX ZR 94/86, ZIP 1987, 1393, 1395 f).
32
Allerdings darf grundsätzlich einem Geschädigten im Wege des Schadensersatzes nichts zugesprochen werden, was der Rechtsordnung widerspricht. Doch widerspricht eine ständige - allseits für rechtmäßig gehaltene - Verwaltungspraxis der Rechtsordnung jedenfalls dann nicht, wenn die Behörden nicht einen Vorteil gewährt haben, der nach dem Gesetz schlechterdings nicht gewährt werden durfte. Denn ein Mandant, der sich an einer allseits für rechtmäßig gehaltenen ständigen Verwaltungspraxis orientiert, ist genauso schutzwürdig wie derjenige, der sich auf eine feste, später jedoch aufgegebene Rechtsprechung stützen kann. In diesem Fall hat der Regressrichter bei der Prüfung der Frage, ob ein Schaden entstanden ist, die Rechtslage unter Einschluss der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde zu legen, die zum Zeitpunkt der hypothetischen Entscheidung im Ausgangsverfahren bestand (BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 6/99, BGHZ 145, 256, 263 f). Nichts anderes kann grundsätzlich für einen Mandanten gelten, der im maßgeblichen Zeitpunkt auf eine ständige Verwaltungspraxis vertrauen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1981, aaO; vom 28. September 1995, aaO; Ganter, NJW 1996, 1310, 1313).
5
b) Das Berufungsgericht hat zutreffend den inländischen Steueraufwand nach der Differenzhypothese nur als Einzelposten der Schadensberechnung angesehen, dem die bei einer pflichtgemäßen Anmeldung der Einkünfte im Ausland anfallenden dortigen Steuern und Kosten gegenüberzustellen sind. Ein Vermögensschaden ist nach der Differenzmethode durch einen rechnerischen Vergleich der durch das schädigende Ereignis eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen zu ermitteln, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte (vgl. BGHZ 98, 212, 217). Ein entgangener Steuervorteil kann grundsätzlich nur als Schaden im Rechtssinne geltend gemacht werden, wenn er rechtmäßig und nicht unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten hätte erlangt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 26. Oktober 1983 - III ZR 40/83, WM 1984, 95, 96; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung 3. Aufl. Rn. 569). Es unterliegt deshalb keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht bei der Schadensberechnung auf ein rechtmäßiges Verhalten auch bei der Erfüllung etwaiger ausländischer Steuerpflichten abgestellt hat.
8
3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ob die Beklagte überhaupt, bezogen auf den der Klage zugrunde liegenden Zeitraum, eine ihr der Klägerin gegenüber obliegende Pflicht verletzt hat, kann dahinstehen. Jedenfalls ist dieser dadurch, dass die Beklagte sie nicht auf die Steuerbefreiung bei Lieferungen und sonstigen Leistungen gemäß § 4 Nr. 23 UStG hingewiesen und die Befreiung bei ihrer umsatzsteuerrechtlichen Betreuung berücksichtigt hat, kein Schaden entstanden. Das folgt aus dem normativen Schadensbegriff: Der Geschädigte soll im Wege des Schadensersatzes grundsätzlich nicht mehr erhalten als das, was er nach der materiellen Rechtslage verlangen kann. Der Verlust oder die Vorenthaltung einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die nach der Rechtsordnung kein Anspruch besteht, stellt keinen ersatzfähigen Nachteil dar (BGHZ 124, 86, 95; 125, 27, 34; Zugehör /Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 1095). Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 23 UStG. Nach dieser Vorschrift ist steuerfrei die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufnehmen, soweit die Leistung an die Jugendlichen oder an die bei ihrer Erziehung , Ausbildung, Fortbildung oder Pflege tätigen Personen ausgeführt wird. Jugendliche im Sinne dieser Vorschrift sind alle Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres.
32
Allerdings darf grundsätzlich einem Geschädigten im Wege des Schadensersatzes nichts zugesprochen werden, was der Rechtsordnung widerspricht. Doch widerspricht eine ständige - allseits für rechtmäßig gehaltene - Verwaltungspraxis der Rechtsordnung jedenfalls dann nicht, wenn die Behörden nicht einen Vorteil gewährt haben, der nach dem Gesetz schlechterdings nicht gewährt werden durfte. Denn ein Mandant, der sich an einer allseits für rechtmäßig gehaltenen ständigen Verwaltungspraxis orientiert, ist genauso schutzwürdig wie derjenige, der sich auf eine feste, später jedoch aufgegebene Rechtsprechung stützen kann. In diesem Fall hat der Regressrichter bei der Prüfung der Frage, ob ein Schaden entstanden ist, die Rechtslage unter Einschluss der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde zu legen, die zum Zeitpunkt der hypothetischen Entscheidung im Ausgangsverfahren bestand (BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 6/99, BGHZ 145, 256, 263 f). Nichts anderes kann grundsätzlich für einen Mandanten gelten, der im maßgeblichen Zeitpunkt auf eine ständige Verwaltungspraxis vertrauen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1981, aaO; vom 28. September 1995, aaO; Ganter, NJW 1996, 1310, 1313).

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. § 370 Abs. 4 bis 7 gilt entsprechend.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. § 371 Absatz 4 gilt entsprechend.

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1. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für die Beraterhaftung anerkannt, dass ein Anspruch des Mandanten auf Erstattung einer gegen ihn festgesetzten Geldbuße oder Geldstrafe in Betracht kommen kann (RGZ 169, http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=STGB&p=258 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=BGB&p=840 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=BGB&p=426 - 5 - 267, 269 f; BGHZ 23, 222, 225; BGH, Urt. v. 14. November 1996 - IX ZR 215/95, WM 1997, 328, 329).

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.