Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2007 - IV ZR 46/06

bei uns veröffentlicht am28.02.2007
vorgehend
Landgericht Saarbrücken, 12 O 47/03, 22.12.2004
Landgericht Saarbrücken, 5 U 28/05, 25.01.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 46/06 Verkündetam:
28.Februar2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ) § 5
Der Versicherer kann sich nach Treu und Glauben nicht auf eine mit dem Versicherungsnehmer
geschlossene Vereinbarung berufen, durch die gegen befristete Leistungen
der für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt
hinausgeschoben wird, wenn es an einer Aufklärung des Versicherungsnehmers über
die damit für ihn verbundenen Nachteile fehlt (Fortführung des Senatsurteils vom
7. Februar 2007 - IV ZR 244/03 - zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - IV ZR 46/06 - Saarländisches OLG
LG Saarbrücken
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25. Januar 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Klägerin Die macht Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend, die sie im Jahre 1995 mit der Beklagten abgeschlossen hat. Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Bedingungen (im Folgenden: B-BUZ) entsprechen, soweit hier von Interesse , im Wesentlichen dem bei Prölss/Martin (VVG 27. Aufl. S. 1985 ff.) abgedruckten Text.
2
Im September 1999 stellte die Klägerin, eine Versicherungsfachwirtin , einen Leistungsantrag, der sich auf Zahlung der vereinbarten Monatsrente , Überschussbeteiligung sowie Beitragsfreistellung seit Juli 1999 richtete und mit chronischer Depression, Erschöpfung mit Angstzu- ständen, Schlafstörungen, Magen- und Darmproblemen, Kopfschmerzen und Migräne begründet wurde. Sie sei seit 28. Juni 1999 arbeitsunfähig und könne ihre berufliche Tätigkeit als Sachbearbeiterin und stellvertretende Abteilungsleiterin in einem Unternehmen mit dem Aufgabenbereich Altersversorgung von industriellen Führungskräften wegen ihrer Erkrankung nicht mehr wahrnehmen. Im Mai 2000 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde ab 30. Juli 2000 auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren und wolle etwa halbtags arbeiten. Zur Vermeidung einer langwierigen , aufwendigen Begutachtung der Klägerin schlug die Beklagte den Abschluss einer von ihr formulierten, "Außervertraglichen Vereinbarung" zum Versicherungsvertrag vor. Darin erklärte sie sich bereit, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die Berufsunfähigkeitsrenten für die Zeit von Januar bis Juli 2000 als einmaligen Kapitalbetrag zu zahlen und in diesem Zeitraum auf Beitragszahlungen zu verzichten. Weiter heißt es u.a.: Die [Beklagte] einerseits und [die Klägerin] andererseits sind sich einig, dass damit ein Leistungsanerkenntnis der [Beklagten] nicht gegeben ist. … Sofern sich der Gesundheitszustand [der Klägerin] bis zum 01.08.2000 nicht bessern wird, kann [die Klägerin] jederzeit einen neuen Antrag auf weitere Leistungen aus der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung einreichen. Die [Beklagte] wird dann ihre Leistungsprüfung unverzüglich wieder aufnehmen.
3
Die Klägerin stimmte dieser Vereinbarung im Juni 2000 zu. Sie übte ihre ursprüngliche berufliche Tätigkeit ab dem 30. Juli 2000 im zeitlichen Umfang von vier Stunden täglich aus; vom 1. Oktober 2000 an arbeitete sie in vollem Umfang, ab 1. Januar 2001 schränkte sie die Arbeit jedoch wieder auf eine Halbtagstätigkeit ein. Zum 30. September 2001 schied sie aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die Klägerin beantragte im Anschluss an die erste Außervertragliche Vereinbarung eine Verlänge- rung des Leistungszeitraums und schloss mit der Beklagten entsprechende weitere Vereinbarungen zunächst für die Zeit bis Oktober 2000 und dann bis Dezember 2001.
4
Im September 2001 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Die Beklagte nahm die Leistungsprüfung auf und erfuhr, dass die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden: BfA) eine stufenweise Wiedereingliederung der Klägerin in den Arbeitsprozess plante und dazu ein Gutachten einholte. Um die Kosten und den Zeitaufwand für ein weiteres Gutachten zu sparen, kamen die Parteien überein, eine vierte Außervertragliche Vereinbarung nach dem Muster der drei vorhergehenden für die Zeit von Januar bis Juli 2002 zu schließen, die noch einmal für Juli und August 2002 verlängert wurde. In dieser letzten, fünften Vereinbarung finden sich u.a. noch folgende Sätze: Zwischen den betroffenen Parteien besteht außerdem Einigkeit darüber, dass die Leistungsprüfung bislang noch nicht abgeschlossen ist. Die [Beklagte] behält sich in diesem Zusammenhang sowohl die abschließende Prüfung einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit als auch die Prüfung einer Verweisung vor. Hierzu sind jedoch noch weitere Informationen erforderlich. Nach Erhalt dieser wird sich die [Beklagte] bezüglich weitergehender Leistungen, über den 01.09.2002, äußern.
5
Mit Schreiben vom 8. August 2002 lehnte die Beklagte unter Berufung auf das von der BfA eingeholte Gutachten Leistungen ab, da es an einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit von mindestens 50% fehle; sie verzichtete auf die Rückzahlung bereits erbrachter Leistungen, zog aber ab September 2002 wieder die fälligen Beiträge ein.
6
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die vertraglich zugesagten Leistungen für die Zeit von Juli bis Dezember 1999, also vor Erhalt von Zahlungen aufgrund der mit der Beklagten geschlossenen Außervertraglichen Vereinbarungen, sowie für die Zeit ab September 2002.
7
Das Landgericht hat die Beklagte wegen der für das Jahr 1999 begehrten Leistungen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden; auf die Anschlussberufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage auch in Höhe des vom Landgericht zugesprochenen Teils abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
I. Das Berufungsgericht nimmt an, die Klägerin habe nicht bewiesen , dass sie berufsunfähig sei. Nach dem überzeugenden Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen leide sie zwar phasenweise an einer Störung der Fähigkeit zur Anpassung an belastende Lebensereignisse. Das habe in den Jahren 1997 bis 2000 zu zahlreichen Beschwerden geführt , sich seither aber wesentlich gebessert. Es könne offen bleiben, ob die Klägerin je infolge Krankheit außerstande gewesen sei, ihren zuletzt ausgeübten beruflichen Verpflichtungen nicht zu wenigstens etwas mehr als der Hälfte nachzukommen. Da ihre Erkrankung in einzelnen Episoden verlaufe, könne jedenfalls nicht festgestellt werden, dass sie je "voraus- sichtlich dauernd" oder länger als sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen sei, mehr als halbschichtig in ihrem Beruf zu arbeiten.
10
Entgegen der Ansicht der Klägerin könne den Außervertraglichen Vereinbarungen der Parteien keine Bindungswirkung wie einem Anerkenntnis nach § 5 Abs. 1 B-BUZ mit der Folge beigemessen werden, dass die Beklagte zur Einstellung ihrer Rentenzahlungen erst aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 7 B-BUZ berechtigt gewesen wäre. Vielmehr müssten die hier aufgrund der Vertragsfreiheit abweichend von der Regelungssystematik der Bedingungen vereinbarten Außervertraglichen Vereinbarungen von einem einseitig nach § 5 Abs. 1 B-BUZ erteilten Leistungsanerkenntnis, dessen Befristung unzulässig sei, unterschieden werden. Bei streitigen Diagnosen oder eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen wie hier liege es im beiderseitigen Interesse, bis zu einer abschließenden Klärung zunächst nur zeitlich begrenzte, vorläufige Regelungen zu treffen. Solche Abreden könnten zwar im Einzelfall gegen § 138 BGB verstoßen; davon könne hier aber nicht die Rede sein. Darüber hinaus dürfe der Versicherer seine überlegene Sachund Rechtskenntnis wegen der existenziellen Bedeutung seiner Leistungen für den Versicherten und der für diesen schwer zu durchschauenden Systematik der Versicherungsbedingungen nicht zu dessen Nachteil nutzen , sondern müsse gemäß § 242 BGB lauter und vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeiten.
11
Diesen Anforderungen würden die ersten drei der hier geschlossenen Außervertraglichen Vereinbarungen gerecht. Die Klägerin habe bis zum September 2001 Arbeitseinkünfte erzielt, sich bis zu diesem Zeitpunkt also nicht in einer wirtschaftlichen Notlage befunden. Aufgrund ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit sei sie versicherungstechnisch nicht unerfahren. Aus den Vereinbarungen sei klar zu erkennen, dass sich die Beklagte nur aus Kulanz zu zeitlich begrenzten Zahlungen verpflichtet habe. Zugleich habe es dem rechtlich nicht zu beanstandenden Sinn und Zweck der Außervertraglichen Vereinbarungen entsprochen, dass es für die Prüfung, ob Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen vorliege, auf die Zeit nach Ablauf der Außervertraglichen Vereinbarungen, also auf den Beginn des Jahres 2002, habe ankommen sollen. Auf eine Inanspruchnahme der Beklagten wegen Berufsunfähigkeit für die nach Antragstellung in Betracht kommenden wenigen Monate des Jahres 1999 habe die Klägerin verzichtet.
12
Erst als die Klägerin im September 2001 die Verschlechterung ihres Gesundheitszustands mitgeteilt habe, hätte es der vertraglich gebotenen Rücksicht auf die Interessen der Klägerin entsprochen, von einer Fortsetzung der Außervertraglichen Vereinbarungen abzusehen. Nach rund zwei Jahren befristet gewährter Leistungen habe sich die Beklagte bewusst sein müssen, dass ungeachtet der von der BfA geplanten stufenweisen Wiedereingliederung der Klägerin in den Arbeitsprozess mit einer alsbaldigen Besserung ihres Gesundheitszustands nicht zu rechnen sei. Außerdem habe die Klägerin nach Beendung ihres Arbeitsverhältnisses um ihren Lebensunterhalt besorgt sein müssen. Für ein weiteres Aufschieben der abschließenden Leistungsprüfung hätten daher nur noch die Interessen der Beklagten gesprochen. Deshalb könne sie sich auf die im Dezember 2001 und Juni 2002 geschlossenen letzten beiden Außervertraglichen Vereinbarungen nicht berufen. Dennoch könne nicht von einem zeitlich unbegrenzten Anerkenntnis der Leistungspflicht durch die Beklagte ausgegangen werden.
13
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
14
1. Allerdings ist der Anspruch der Klägerin nicht schon - wie die Revision meint - aus einem den Außervertraglichen Vereinbarungen zu entnehmenden Anerkenntnis begründet. Aus deren insoweit unmissverständlichem Wortlaut musste der Klägerin vielmehr deutlich werden, dass sich die Beklagte rechtlich hinsichtlich des Vorliegens von Berufsunfähigkeit gerade nicht binden wollte, und zwar auch nicht in Gestalt eines etwa unzulässig befristeten Anerkenntnisses (zu letzterem vgl. BGHZ 121, 284, 290; Senatsurteile vom 12. Juni 1996 - IV ZR 106/95 - VersR 1996, 958 unter 2 a; vom 12. November 2003 - IV ZR 173/02 - VersR 2004, 96 unter II 1 a). Dass die Klägerin gleichwohl die Zahlung der für den Fall der Berufsunfähigkeit vereinbarten Leistungen über einen Zeitraum von insgesamt mehr als zweieinhalb Jahren hinweg nur dahin habe verstehen können, dass die Beklagte auch ohne formelles Anerkenntnis tatsächlich von einer ihre vertragliche Leistungspflicht begründenden Berufsunfähigkeit der Klägerin ausgehe, lässt sich mit Wortlaut und Sinn der den Zahlungen jeweils zugrunde liegenden Außervertraglichen Vereinbarungen nicht vereinbaren. Darin hat sich die Beklagte eine abschließende Leistungsprüfung immer wieder vorbehalten. Der Klägerin konnte danach nicht verborgen bleiben, dass sie Leistungen von der Beklagten nur erhielt, wenn es zum Abschluss der jeweils für bestimmte Zeitabschnitte geltenden, bezeichnenderweise ausdrücklich als "außervertraglich" charakterisierten Vereinbarungen kam. Sie wären überflüssig gewesen, wenn ihr schon nach dem Versicherungsvertrag ein Leistungsanspruch zugestanden hätte.
15
2. Dennoch ist dem Berufungsgericht nicht in seiner Beurteilung der Außervertraglichen Vereinbarungen zu folgen. Die Beklagte kann sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, dass es für die Prüfung des Eintritts von Berufsunfähigkeit auch nach den vom Berufungsgericht nicht beanstandeten ersten drei der hier getroffenen Vereinbarungen auf den Zeitpunkt eines "neuen", nach Ablauf der jeweiligen Vereinbarung zu stellenden Antrags der Klägerin ankommen soll.
16
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist es den Parteien einer Berufsunfähigkeitsversicherung auf der Grundlage der Vertragsfreiheit nicht verwehrt, die Leistungspflicht einvernehmlich zu regeln. Über insoweit bestehende Schranken des allgemeinen Zivilrechts hinaus ist der Versicherer aber wegen der speziellen Ausgestaltung der Berufsunfähigkeitsversicherung nach Treu und Glauben in besonderer Weise gehalten, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunutzen. Für diesen hat die Berufsunfähigkeitsversicherung häufig existenzielle Bedeutung. Die dem Versicherer geläufige Regelung der §§ 5-7 B-BUZ über die Erklärung eines Leistungsanerkenntnisses , dessen Reichweite und das Nachprüfungsverfahren ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nur schwer durchschaubar. Deshalb setzt eine beiderseits interessengerechte Vereinbarung über die Leistungspflicht ein lauteres und vertrauensvolles Zusammenwirken der Vertragspartner voraus, das auf Ergebnisse abzielt, die den Tatsachen und der Rechtslage entsprechen (Senatsurteil vom 12. November 2003 aaO unter II 1 b). Ein starkes Indiz für einen Verstoß gegen Treu und Glauben ist regelmäßig anzunehmen, wenn die nach dem Vertrag bestehende Rechtslage durch die Vereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers geändert und seine Rechtsposition dadurch ins Gewicht fallend verschlechtert wird. Der Versicherer handelt u.a. dann objektiv treuwidrig, wenn er bei nahe liegender Berufsunfähigkeit die ernsthafte Prüfung seiner Leistungspflicht durch das Angebot einer befristeten Ku- lanzleistung hinausschiebt und so das nach Sachlage gebotene Anerkenntnis unterläuft. Vereinbarungen, die derartige Nachteile für den Versicherungsnehmer zur Folge haben, sind ohne Rechtsmissbrauch nur in engen Grenzen möglich: Sie setzen eine - aus verständiger Sicht - noch unklare Sach- und Rechtslage voraus. Sie erfordern vor ihrem Abschluss klare, unmissverständliche und konkrete Hinweise des Versicherers darauf , wie sich die vertragliche Rechtsposition des Versicherungsnehmers darstellt und in welcher Weise diese durch den Abschluss der Vereinbarung verändert oder eingeschränkt wird (Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - IV ZR 244/03 - zur Veröffentlichung bestimmt - unter II 1). Daran hält der Senat fest.
17
b) Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin im September 1999 geltend gemacht, bedingungsgemäß berufsunfähig zu sein, und Leistungen ab Juli 1999 verlangt. Vertragsgemäßem Vorgehen der Beklagten hätte es danach entsprochen, den Eintritt eines Versicherungsfalles zu dem von der Klägerin behaupteten Zeitpunkt zu prüfen und sich zu erklären, ob und von welchem Zeitpunkt an sie eine Leistungspflicht anerkenne (§ 5 Abs. 1 B-BUZ). Die von der Beklagten verwendeten Bedingungen sehen - abgesehen von einer hier nicht in Rede stehenden Verweisung (§ 5 Abs. 2 B-BUZ) - nur die Möglichkeit vor, Berufsunfähigkeit zu verneinen oder zu bejahen. Liegt Berufsunfähigkeit vor, hat der Versicherer seine Leistungspflicht anzuerkennen; davon kann er sich nur im Wege des Nachprüfungsverfahrens (§ 7 B-BUZ) wieder lösen.
18
war Hier bei Abschluss der Außervertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien ungeklärt, ob Berufsunfähigkeit - wie von der Klägerin behauptet - eingetreten war. Der in den Bedingungen zugesagten Entscheidung dieser Frage hat sich die Beklagte durch den Abschluss der Außervertraglichen Vereinbarungen entzogen, die sie zur Prüfung der Gesundheitsverhältnisse erst auf einen neuen Antrag und auf der Grundlage der dann gegebenen Sachlage verpflichteten. Die Beklagte hat sich damit eine Rechtsposition wie bei einer Leistungsablehnung verschafft. Der Klägerin war damit verwehrt, sich auf das Vorliegen von Berufsunfähigkeit schon zu dem von ihr behaupteten Zeitpunkt im September 1999 und den daraus folgenden Anspruch auf ein Anerkenntnis zu berufen, von dem sich die Beklagte erst bei Änderung der Gesundheitsverhältnisse - nach bis dahin fortbestehender Leistungspflicht - im Nachprüfungsverfahren hätte lösen können.
19
Die vereinbarte Verschiebung der Prüfung des Eintritts eines Versicherungsfalles auf einen Zeitpunkt nach Ablauf der jeweils befristet geschlossenen Vereinbarungen stellt sich für die Klägerin - unabhängig von den ihr zwischenzeitlich zugute kommenden Kulanzleistungen der Beklagten - für den Fall als nachteilig dar, dass sie den Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 2 Abs. 1 oder 3 B-BUZ zu dem von ihr behaupteten Zeitpunkt hätte nachweisen können. Während es in einem solchen Fall nach den Bedingungen Sache der Beklagten gewesen wäre, ihre Leistungspflicht anzuerkennen mit der Folge, dass sie eine zum Wegfall der Berufsunfähigkeit führende Veränderung der für ihr Anerkenntnis maßgebenden Gesundheitsverhältnisse im Nachprüfungsverfahren hätte beweisen müssen, wurde der Klägerin mit Hilfe der Außervertraglichen Vereinbarungen das Risiko aufgebürdet, den vollen Beweis eines Eintritts des Versicherungsfalles für einen Zeitpunkt nach dem Ende der zugesagten Kulanzleistungen zu führen. Die mit den Außervertraglichen Vereinbarungen bezweckten Abweichungen von der Rechtslage nach den Versicherungsbedingungen bringen mithin für die Klägerin erhebliche Nachteile mit sich.

20
c) Diese werden im Wortlaut der Außervertraglichen Vereinbarungen nicht aufgedeckt oder auch nur angesprochen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin, mag sie auch über Kenntnisse und Erfahrungen im Versicherungsrecht verfügt haben, diese Auswirkungen durchschaut hätte oder sie ihr hinreichend erläutert worden wären. Im Gegenteil dürften Überlegungen in Richtung auf die weiteren Folgen der Außervertraglichen Vereinbarungen bei einem Fortbestehen der gesundheitlichen Störungen der Klägerin eher fern gelegen haben, weil die eingeleiteten Therapien sie zu der Hoffnung ermutigten, sie werde ihre psychischen Probleme und Ängste gänzlich bewältigen können.
21
Hinzu kommt, dass im Sommer 2000, nachdem die Klägerin schon etwa ein Jahr lang wegen ihrer Krankheit nicht hatte arbeiten können, ein Eingreifen der Vermutung des § 2 Abs. 3 B-BUZ für die Dauerhaftigkeit einer Berufsunfähigkeit der Klägerin nahe lag. Zwar mögen im Hinblick auf die Art der gesundheitlichen Störungen und die halbschichtige Wiederaufnahme der Berufstätigkeit ab August 2000 Zweifel bestanden haben , die eine Abklärung durch Einholung weiterer Gutachten erforderlich erscheinen lassen konnten. Die befristeten Zahlungen der Beklagten wiegen aber den Nachteil nicht auf, der sich aus der Verlagerung des für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitraums durch die Außervertraglichen Vereinbarungen für die Klägerin ergab. Denn sie trug das Risiko, dass aufgrund einer Besserung der aktuellen Krankheitssymptome eine Berufsunfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr nachweisbar war, obwohl die Ursachen ihrer Erkrankung unverändert fortbestanden und daher mit einem erneuten Auftreten der Symptome gerechnet werden musste.
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d) Mithin kann sich die Beklagte hier nach Treu und Glauben auf die Außervertraglichen Vereinbarungen insoweit nicht darauf berufen, als bei Prüfung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit die Gesundheitsverhältnisse der Klägerin im Zeitpunkt eines neuen Antrags maßgebend sein sollen. Ebenso wenig kann von einem Verzicht der Klägerin auf Leistungen für das Jahr 1999 ausgegangen werden. Die mit Hilfe schon der ersten Außervertraglichen Vereinbarungen mittelbar erstrebte Erledigung des Leistungsantrags der Klägerin vom September 1999 entsprach in ihrem Ergebnis nicht den Tatsachen und der Rechtslage, wie sie sich bei lauterer, die Interessen der kranken Versicherungsnehmerin nicht vernachlässigender Betrachtung darstellten. Nichts anderes gilt für die nachfolgenden Vereinbarungen, von denen das Berufungsgericht die letzten beiden mit Recht auch aus weiteren Gründen beanstandet hat. Vielmehr bleibt der Leistungsanspruch der Klägerin nach den in der Zeit ihrer ersten Antragstellung maßgebenden Verhältnissen zu beurteilen. Das ändert nichts daran, dass sie die von der Beklagten auf der Grundlage der Außervertraglichen Vereinbarungen geleisteten Zahlungen behalten darf.
23
3. Das Berufungsgericht hat ungeachtet seiner Auffassung, wegen der Wirksamkeit der drei ersten Außervertraglichen Vereinbarungen komme es für die Prüfung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit auf die Zeit vor dem Jahre 2002 nicht mehr an, auch im Hinblick auf die Zeit der Antragstellung im Jahr 1999 das Vorliegen von Berufsunfähigkeit geprüft. Dabei hat es offen gelassen, ob die Klägerin überhaupt infolge Krankheit außerstande war, ihren Beruf mehr als halbschichtig auszuüben; davon ist im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin auszugehen. Das Berufungsgericht ist aber zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich nicht feststellen , dass die Klägerin "je" voraussichtlich dauernd oder mehr als sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen wäre, mehr als halbschichtig in ihrem Beruf zu arbeiten. Das Berufungsgericht stützt sich insoweit auf den gerichtlichen Sachverständigen, der schon in seinem ersten Gutachten vom 13. November 2003 darauf hingewiesen habe , dass die psychische Erkrankung der Klägerin in einzelnen Episoden verlaufe und die Klägerin "phasenweise" "bis zu" 50% berufsunfähig gewesen sei. Diese Einschätzung habe der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung, auf die das Berufungsurteil ergangen ist, dahin erläutert , dass die Klägerin bei einem "gesunden Mix" ihrer Aufgaben an jedem Tag die Hälfte der Arbeitszeit habe bewältigen können.
24
Diese a) Feststellungen des Berufungsgerichts werden von den schriftlichen Gutachten und den in den Gerichtsprotokollen festgehaltenen mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen nicht getragen. Die Revision rügt mit Recht, dass in dem ersten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen an der vom Berufungsgericht zitierten Stelle nicht etwa zu lesen ist, die Klägerin sei in der Zeit von 1997 bis ca. 2002 phasenweise bis zu 50% "berufsunfähig" gewesen, sondern vielmehr, sie sei auch während des akuten Beschwerdebildes ihrer Erkrankung sicherlich phasenweise bis zu 50% "berufstätig" gewesen. Es kann sich insoweit auch nicht um einen Schreibfehler handeln, wie die Beklagte meint. Denn der Sachverständige hat seine Einschätzung, die Klägerin sei in dem genannten Zeitraum durchschnittlich zu 50% berufsunfähig gewesen, in seinen beiden schriftlichen Ergänzungsgutachten bestätigt. Vor dem Landgericht hat er bekundet, jedenfalls bis zum Jahre 2000 sei eine Besserung der "Berufsfähigkeit" über 50% hinaus nicht anzunehmen. Deshalb ist das Landgericht in seinem Urteil von einer Berufsunfähigkeit zu wenigstens 50% in der Zeit von Mitte 1997 bis höchstens Ende 2000 ausgegangen, die sich erst danach auf 30% reduziert habe. Auch in sei- ner Anhörung vor dem Berufungsgericht hat der Sachverständige angegeben , nach seiner Einschätzung sei die Klägerin in der Zeit von Mitte /Ende 1997 bis 2000 zu 50% berufsunfähig gewesen, aber im Zeitpunkt seiner Untersuchung im Jahre 2003 nur noch zu allenfalls 20%. Soweit der Sachverständige von einer "phasenweise auftretenden Anpassungsstörung" ausgegangen ist, hat er dies dahin erläutert, es könne sich um wenige Tage bis maximal mehrere Monate handeln. Auch wenn er die Klägerin bereits in den Jahren 1997/1998 untersucht hätte, würde er eine relativ günstige Prognose gestellt haben, nämlich dass sie nach einem halben Jahr oder längstens 9 Monaten wieder vollschichtig in ihrem Beruf würde arbeiten können. Bei dieser Prognose setzte der Sachverständige allerdings voraus, dass sich die Klägerin auf die von ihm für Erfolg versprechend gehaltene Art der Therapie eingelassen und in dieser Zeit lebenswichtige Entscheidungen (wie etwa die Heirat im Jahre 1998) vermieden hätte.
25
Danach b) ist bisher nicht festzustellen, dass die Klägerin - abweichend von den Feststellungen des Landgerichts - seit der krankheitsbedingten Einstellung ihrer Berufstätigkeit ab 28. Juni 1999 etwa nicht ununterbrochen zumindest sechs Monate lang zu wenigstens 50% berufsunfähig gewesen sei, und zwar ohne dass dieser Zustand Ende 1999 schon beendet gewesen wäre. Er dauerte vielmehr trotz längerer Behandlungen der Klägerin im Jahr 2000 an. Auch die halbschichtige Tätigkeit , die die Klägerin ab August 2000 aufgenommen hat, belegt nicht, dass sie etwa zu mehr als 50% berufsfähig und damit nicht mehr zu mindestens 50% berufsunfähig gewesen wäre. Dass sich gleichwohl für eine fernere Zukunft, d.h. eine Zeit, die über den Zeitraum einer sechs Monate ununterbrochen bestehenden und danach für absehbare Zeit weiter fortdauernden Berufsunfähigkeit hinausgeht, möglicherweise eine güns- tige Prognose hätte ergeben können, wie sie der gerichtliche Sachverständige annimmt, steht der Annahme von Berufsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 3 B-BUZ nicht entgegen. Es kommt auch nicht darauf an, ob ein Sachverständiger wie hier nachträglich die Meinung vertritt, die bisherigen Behandlungsansätze hätten die Auslösesituation verkannt und deshalb ihr Ziel verfehlt; mit anderer Therapie hätte es schon gar nicht zu einer mehr als sechs Monate dauernden Berufsunfähigkeit in der Zeit ab Juli 1999 kommen müssen. Die Fiktion des § 2 Abs. 3 B-BUZ soll den Versicherungsnehmer gerade vor Nachteilen schützen, die daraus entstehen , dass sich die für § 2 Abs. 1 B-BUZ erforderliche Prognose einer voraussichtlichen Dauerhaftigkeit in angemessener Zeit nach Antragstellung noch nicht stellen lässt; deshalb hat der Versicherer mit § 2 Abs. 3 B-BUZ zugesagt, dass von einer ungünstigen Prognose schon dann auszugehen ist, wenn lediglich feststeht, dass die versicherte Person seit sechs Monaten gesundheitsbedingt ganz oder teilweise außerstande ist, die in § 2 Abs. 1 umschriebenen Tätigkeiten auszuüben, und dieser Zustand andauert (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 1989 - IVa ZR 74/88 - VersR 1989, 903 unter 3 c; vom 11. Oktober 2006 - IV ZR 66/05 - r+s 2007, 31 unter II 1 b).
26
Die Revisionserwiderung meint, aus den Hinweisen des Sachverständigen auf das nur "phasenweise" Auftreten der Anpassungsstörung und den daraus "durchschnittlich" abzuleitenden Grad der Berufsunfähigkeit von 50% sei zu entnehmen, dass die Beeinträchtigung der Klägerin nie ununterbrochen bestanden habe. Dem steht jedoch entgegen, dass der Sachverständige vor dem Berufungsgericht bekundet hat, wenn er von "Phasen" spreche, könne es sich auch um Zeiträume von maximal mehreren Monaten handeln. Selbst wenn es nur um kurzfristige Phasen von jeweils wenigen Tagen gegangen sein sollte, können solche krank- heitsbedingten Beeinträchtigungen, insbesondere wenn sie häufiger und unvorhersehbar auftreten, die Berufsfähigkeit mangels Verlässlichkeit dauerhaft in Frage stellen.
27
c) Da das Berufungsgericht eigene Sachkunde nicht darlegt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1995 - VI ZR 106/94 - NJW 1995, 1619 unter II), kann sein Urteil nicht bestehen bleiben. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
28
4. Sollte sich das Berufungsgericht dabei hinsichtlich der schon im Jahre 1999 bestehenden gesundheitlichen Störungen nicht mehr die für den Beweis der Berufsunfähigkeit erforderliche Gewissheit verschaffen können, ist in Betracht zu ziehen, ob dies auf Beweisschwierigkeiten beruht , zu denen es nicht gekommen wäre, wenn die Beklagte nicht wegen des Aufwands und der Kosten von der ihr bereits nach Antragstellung bedingungsgemäß obliegende Aufklärung (§ 4 Abs. 2 B-BUZ) abgesehen und die Klägerin mit Hilfe der Außervertraglichen Vereinbarungen davon abgehalten hätte, den erhobenen Anspruch zu einem früheren Zeitpunkt gerichtlich geltend zu machen. Ist der Klägerin dadurch der Beweis der Berufsunfähigkeit unmöglich gemacht oder erschwert worden, kann dies zu Lasten der Beklagten gehen (vgl. BGH, Urteile vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05 - NJW 2006, 434 unter II 1 b bb; vom 23. September 2003 - XI ZR 380/00 - NJW 2004, 222 unter II 1 a, jeweils m.w.N.).
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 22.12.2004 - 12 O 47/03 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 25.01.2006 - 5 U 28/05-3 -

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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 66/05 Verkündetam:
11.Oktober2006
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Richter
Seiffert als Vorsitzenden und die Richter Dr. Schlichting, Wendt, die
Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche
Verhandlung vom 11. Oktober 2006

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 26. Januar 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger, von Beruf Betonmaurer, nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer bei ihr gehaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung in Anspruch, der ihre Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) zugrunde liegen.
2
21. Dezember Am 2001 verletzte sich der Kläger bei einem Arbeitsunfall am rechten Fuß und ist seitdem arbeitsunfähig krank geschrieben. Er erlitt eine so genannte Maisonneuve-Fraktur, die komplizierte Sonderform einer Sprunggelenkfraktur. Diese inzwischen unstreitige Diagnose wurde jedoch erst im April 2002 gestellt. Die Verletzung wurde konservativ behandelt. Einen Arbeitsversuch am 27. Juni 2002 musste der Kläger wegen anhaltender Schmerzen beim Gehen und Schwellneigung im Sprunggelenk abbrechen. Während der behandelnde Arzt noch Ende Mai 2002 einen Termin für die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht abzuschätzen vermochte, stellte er nach dem fehlgeschlagenen Arbeitsversuch Anfang Juli 2002 einen deutlich diskrepanten Unterschied zwischen dem objektiv erhobenen Befund und den subjektiven Beschwerden des Klägers fest. Die Beklagte erkannte ihre Leistungspflicht mit Schreiben vom 14. Januar 2003 an und gewährte dem Kläger rückwirkend ab dem 1. Juli 2002 eine monatliche Rente sowie die vertraglich vereinbarte Beitragsbefreiung. Der Kläger ist der Ansicht, er sei bereits am Tag des Unfalls bedingungsgemäß berufsunfähig geworden , und begehrt von der Beklagten auch für die ersten sechs Monate seit dem Unfallereignis die Zahlung einer Rente sowie die Erstattung geleisteter Beiträge.
3
Landgericht Das hat seine Klage auf Zahlung von insgesamt 6.586,80 € abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision hat keinen Erfolg.
5
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
6
Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er bereits ab Unfalleintritt berufsunfähig gewesen sei. Vollständige Berufsunfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BUZ setze voraus, dass der Versicherungsnehmer infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen seien, voraussichtlich dauernd außer Stande sei, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden könne und seiner bisherigen Lebensstellung entspreche. Entscheidend sei daher der Zeitpunkt, zu dem erstmals die Prognose gestellt werden könne, dass der Zustand des Versicherten nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft keine Erwartungen auf eine Besserung mehr rechtfertige. Dieser Zeitpunkt sei rückschauend zu ermitteln. Dabei sei weder auf frühere Prognosen der den Versicherungsnehmer behandelnden Ärzte abzustellen noch auf den Zustand des Versicherungsnehmers zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Vielmehr sei maßgebend, wann nach sachverständiger Einschätzung ein gut ausgebildeter, wohl informierter und sorgfältig handelnder Arzt nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft erstmals einen Zustand des Versicherungsnehmers als gegeben ansehe, der keine Besserung mehr erwarten lasse.
7
Die Formulierung"voraussichtlich dauernd" in § 2 Abs. 1 BUZ sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahin auszulegen, dass es darauf ankomme, ob mit einer Wiedereingliederung des Versicherungsnehmers in das Arbeitsleben zu mehr als der Hälfte seiner Arbeitskraft binnen sechs Monaten zu rechnen sei. Vielmehr komme es schon unter Berücksichtigung des Wortlauts der Klausel darauf an, ob eine Veränderung des aktuellen, die Berufsunfähigkeit begründenden Zustands nicht absehbar sei. Zu Unrecht stütze sich der Kläger für seine Ansicht auf ei- nen Umkehrschluss aus der in § 2 Abs. 3 BUZ enthaltenen Fiktion, wonach die Fortdauer eines Zustandes im Sinne des § 2 Abs. 1 BUZ über einen Zeitraum von sechs Monaten als (vollständige oder teilweise) Berufsunfähigkeit gelte. Die Fiktion des § 2 Abs. 3 BUZ mache im Gegenteil deutlich, dass "an sich" auch nach sechsmonatiger Berufsunfähigkeit grundsätzlich noch nicht von ihrer Dauerhaftigkeit ausgegangen werden könne.
8
Der Sachverständige habe in seinem Gutachten vom 22. November 2003 und in seiner schriftlichen Stellungnahme zur Nachfrage des Senats überzeugend dargelegt, dass erstmals nach dem gescheiterten Arbeitsversuch des Klägers am 27. Juni 2002 davon ausgegangen werden konnte, dieser würde auf absehbare Zeit nicht wieder in seinem Beruf arbeiten können. Zwar ergebe sich aus dem Gutachten, dass dem Kläger, wäre das Ausmaß seiner Verletzung von Anfang an zutreffend erkannt worden, zu einem operativen Eingriff geraten worden wäre, dem dieser sich entgegen seinem früheren Sachvortrag auch unterzogen hätte. Gleichwohl hätte bis zum 27. Juni 2002 sowohl bei Durchführung einer Operation als auch einer konservativen Behandlung die Möglichkeit einer vollständigen Genesung bestanden. Selbst bei einer Operation im April 2002 hätte die Heilungschance noch 40% betragen. Ausgehend vom Stand der Wissenschaft zum jeweiligen Untersuchungszeitpunkt hätte daher vor Durchführung des Arbeitsversuchs kein Mediziner die Prognose bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit gestellt.
9
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BUZ beim Kläger für die ersten sechs Monate seit dem Unfallereignis im Ergebnis zutreffend verneint.
10
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit weder allein die zu diesem Zustand führende Krankheit maßgebend noch die mit dem Krankheitsprozess verbundene Unfähigkeit zur Berufsausübung. Damit diese Beeinträchtigungen zu bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit werden, muss der körperlich-geistige Gesamtzustand des Versicherten derart beschaffen sein, dass eine günstige Prognose für die Wiederherstellung der verloren gegangenen Fähigkeiten in einem überschaubaren Zeitraum nicht gestellt werden kann; es muss demnach ein Zustand erreicht sein, dessen Besserung zumindest bis zur Wiederherstellung der halben Arbeitskraft nicht mehr zu erwarten ist (Senatsurteile vom 22. Februar 1984 - IVa ZR 63/82 - VersR 1984, 630 unter III; vom 21. März 1990 - IV ZR 39/89 - VersR 1990, 729 unter I 1). Wann erstmals ein solcher Zustand gegeben war, der nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft keine Erwartungen mehr auf eine Besserung rechtfertigte, ist danach rückschauend festzustellen bzw. zu ermitteln (Senatsurteile vom 22. Februar 1984 und vom 21. März 1990, jeweils aaO; Senatsurteil vom 27. September 1995 - IV ZR 319/94 - VersR 1995, 1431 unter 2 a). Der hier in der Rechtsprechung des Senats verwendete Begriff der rückschauenden Feststellung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Versicherungsnehmer den Vollbeweis dafür führen muss, dass und wann die nach § 2 Abs. 1 BUZ erforderliche ärztliche Prognose möglich war und er diesen Beweis regelmäßig nur mit Hilfe eines medizinischen Sachverständigen führen kann (Senatsurteil vom 14. Juni 1989 - IVa ZR 74/88 - VersR 1989, 903 unter 3 c; vgl. auch Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG VVG 27. Aufl. § 2 BUZ Rdn. 57). Der Sachverständige aber wird auch als Mediziner des einschlägigen Fachgebietes meist erst in nachträglicher Auswertung der jeweiligen Krankengeschichte feststellen können, ab wann bei dem Versicherungsnehmer ein nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg therapierbarer Zustand mit Krankheitswert eingetreten war, dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die Medizin in ständiger Fortentwicklung begriffen ist und neue Heilmethoden gefunden werden (Senatsurteil vom 27. September 1995 aaO unter 2 b). Damit betrifft der Gesichtspunkt der rückschauenden Feststellung bzw. Ermittlung, der das Berufungsgericht zur Zulassung der Revision veranlasst hat, nicht die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs auf die Versicherungsleistung in der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung, sondern, wie die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung zutreffend hervorgehoben hat, allein die Frage, ob und ab welchem Zeitpunkt der Versicherungsnehmer das Vorliegen der Voraussetzungen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit hat nachweisen können.
11
a) Das Berufungsgericht hat daher den Ausführungen des Sachverständigen zutreffend die nach der Senatsrechtsprechung erforderliche rückschauende Feststellung entnommen, wonach beim Kläger erstmals nach dem gescheiterten Versuch der Arbeitsaufnahme am 27. Juni 2002 von einem Zustand ausgegangen werden konnte, der eine Wiederherstellung seiner Arbeitskraft zu mindestens 50% in absehbarer Zeit nicht mehr erwarten ließ. Denn in dem davor liegenden Zeitraum seit dem Unfallereignis bestand nach Einschätzung des Sachverständigen bei einer - im Fall der Maisonneuve-Fraktur vorzugswürdigen - operativen Therapie je nach Zeitpunkt der Durchführung eine Heilungschance von 90% bis 40%; wäre die Verletzung unmittelbar nach dem Unfall erkannt wor- den, hätte der Kläger bei komplikationslosem Verlauf einer langfristigen konservativen Gipsbehandlung nach etwa vier bis fünf Monaten in seinem Beruf wieder arbeiten können. Schon deshalb ist dem Kläger der Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit für den Zeitraum zwischen seinem Unfall und dem gescheiterten Arbeitsversuch misslungen. Der Rückgriff des Berufungsgerichts auf die Beurteilung des betreffenden Zeitpunktes durch einen gut informierten, sorgfältigen, wohl ausgebildeten Arzt kann in Fällen der vorliegenden Art neben den oben näher dargelegten Gesichtspunkten keine eigenständige Bedeutung erlangen. Ebenso unerheblich sind die Einschätzung sowie die Erkenntnisse der zum damaligen Zeitpunkt behandelnden Ärzte, die durchgeführten Therapien oder der Befund zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 1984 aaO). Den Eintritt des Versicherungsfalles bestimmt - auch unabhängig vom jeweiligen Kenntnisstand des Versicherungsnehmers - allein der oben näher dargelegte Zeitpunkt. Dass die Ausführungen des Sachverständigen dazu dem Stand der medizinischen Wissenschaft im vorliegenden Fall nicht entsprochen haben, hat der Kläger hier nicht gerügt.
12
b) Der Auffassung des Klägers, bei der nach § 2 Abs. 1 BUZ zu treffenden Prognoseentscheidung ("voraussichtlich dauernd") sei unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 3 BUZ enthaltenen Fiktion lediglich darauf abzustellen, ob mit einer Wiedereingliederung in das Arbeitsleben zu mehr als der Hälfte der Arbeitskraft binnen sechs Monaten zu rechnen sei, ist das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt. In den erwähnten Entscheidungen hat der Senat ausgesprochen, die Voraussetzung "voraussichtlich dauernd" sei jedenfalls dann erfüllt, wenn eine günstige Prognose für die Wiederherstellung der verloren gegangenen Fähigkei- ten in einem überschaubaren Zeitraum bzw. in absehbarer Zeit nicht gestellt werden könne. Eine genaue Eingrenzung dieses Zeitraums kann im vorliegenden Fall dahinstehen (vgl. dazu OLG Hamm VersR 1995, 84 sowie 1995, 1039). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, lässt sich der Standpunkt des Klägers weder im Wege der Auslegung des § 2 Abs. 1 BUZ begründen noch aus Absatz 3 der Klausel herleiten, der den Versicherungsnehmer auf Dauer vor Nachteilen schützen soll, die daraus entstehen, dass sich die für § 2 Abs. 1 BUZ erforderliche Prognose gerade nicht stellen lässt (vgl. dazu Voit/Knappmann, aaO Rdn. 63 m.w.N.).

13
2. Die Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet.
Seiffert Dr. Schlichting Wendt
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 19.05.2004 - 12 O 133/03 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 26.01.2005 - 5 U 356/04-42- -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 380/00 Verkündet am:
23. September 2003
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Gestaltet jemand seine Unterschriften bewußt in einer so großen Vielfalt
und Variationsbreite, daß der Fälschungseinwand mit Hilfe eines Schriftsachverständigengutachtens
nicht widerlegt werden kann, und um die Möglichkeit
zu haben, sich jederzeit auf die angebliche Unechtheit seiner Unterschrift
berufen zu können, liegt eine vorsätzliche Beweisvereitelung vor.
BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR 380/00 - Kammergericht
LG Berlin
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 23. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, die Richterin Mayen und
den Richter Dr. Appl

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 18. August 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung von Geldbeträgen , die er ihm im Hinblick auf eine geplante gemeinsame geschäftliche Tätigkeit gegeben haben will.
Der Beklagte ist Geschäftsführer einer GmbH, die unter anderem eine Kraftfahrzeugwerkstatt betreibt. Der Kläger ist Kraftfahrzeugmeister. Am 22. Juli 1996 unterzeichneten die Parteien einen Gesellschaftsvertrag , mit dem sie sich für die Dauer von vorerst drei Monaten zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenschlossen. Zweck der Gesellschaft war der Betrieb eines Geschäfts zum Ankauf von Unfallautos, deren Reparatur und Aufarbeitung und der anschließende Verkauf. Nach Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages sollte jede der Parteien in den gemeinschaftlichen Betrieb 200.000 DM einbringen.
Im Oktober 1996 übergab der Kläger dem Beklagten einen Verrechnungsscheck über 240.000 DM, der am 24. Oktober 1996 einem Konto der GmbH gutgeschrieben wurde. Im November 1996 erhielt der Beklagte vom Kläger weitere Scheckzahlungen über 16.000 DM sowie 2.000 DM.
Mit der Klage begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 533.500 DM zuzüglich Zinsen. Er behauptet, er habe dem Beklagten in der Zeit von Juli bis November 1996 - einschließlich der unstreitigen Zahlungen - Geldbeträge in Höhe von insgesamt 533.500 DM übergeben. Über den Erhalt von 500.000 DM habe der Beklagte am 22. Oktober 1996 eine Quittung unterzeichnet. Den Erhalt von insgesamt 533.500 DM habe der Beklagte durch seine Unterschrift auf der "Schuldscheinbestätigung" vom 4. Dezember 1996 bestätigt, mit der die berufliche Zusammenarbeit der Parteien endgültig beendet worden sei.
Der Beklagte hat die Echtheit seiner Unterschrift auf der Quittung vom 22. Oktober und der "Schuldscheinbestätigung" vom 4. Dezember 1996 bestritten und vorgetragen, den Betrag von 240.000 DM am 25. Oktober 1996 an den Kläger zurückgezahlt zu haben, was dieser auch quittiert habe. Die Scheckzahlungen über 16.000 DM und 2.000 DM seien zur Tilgung von bestehenden Schulden des Klägers erfolgt. Den Erhalt weiterer Zahlungen hat der Beklagte in Abrede genommen.
Dieser hat wegen angeblich dem Kläger gewährter Darlehen Widerklage über 1.220.000 DM erhoben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Die Revision des Beklagten hat der Senat nicht angenommen. Mit der angenommenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Die Klage lasse sich weder auf § 781 BGB noch auf § 607 BGB oder § 812 BGB stützen. Aus der Schuldscheinbestätigung vom 4. Dezember 1996 über 533.500 DM lasse sich ein Zahlungsanspruch des Klägers nicht herleiten, da ihm der Beweis für die Echtheit der Unterschrift des Beklagten auf dieser Urkunde nicht gelungen sei. Wenn auch verschiedene Umstände für die Echtheit der Unterschrift des Beklagten sprächen, so blieben nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. und dem vom Beklagten beigebrachten Privatgutachten des Sachverständigen Dipl.-Psych. G. letztlich doch nicht unerhebliche Zweifel. Diese bestünden auch deshalb, weil der Beklagte eine Vielfalt und Variationsbreite seiner - verkürzten - Unterschrift einsetze. Der Senat sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zwar davon überzeugt, daß das geschehe, um die Feststellungen zur Authentizität von vornherein zu erschweren. Selbst in Kenntnis dieses Umstandes sei es dem Senat in freier Beweiswürdigung aber nicht möglich, an der Urheberschaft des Beklagten jeden vernünftigen Zweifel auszuschließen.
Hinsichtlich des unstreitig gezahlten Betrages von 240.000 DM habe der Kläger die Rückzahlung dieses Betrages am 25. Oktober 1996 quittiert. Für seine Behauptung, diese Quittung sei ohne eine entsprechende Zahlung nur zum Schein erstellt worden, habe der Kläger keinen Beweis angetreten. Die unbestrittenen Scheckzahlungen von 16.000 DM und 2.000 DM könnten angesichts der Behauptung des Beklagten, der Kläger habe hiermit bestehende Schulden getilgt, nicht zu einem Rückzahlungsanspruch des Klägers führen. Für die Echtheit der Unterschrift des Beklagten auf der Quittung vom 22. Oktober 1996 über 500.000 DM habe der Kläger keinen Beweis angetreten.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
1. Zu Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob hier auf seiten des Beklagten eine Beweisvereitelung vorliegt, und welche Konsequenzen hieraus zu ziehen sind. Dazu bestand Anlaß, da das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangt ist, der Beklagte gestalte seine Unterschriftsleistungen bewußt so, daß der Einwand der Fälschung mit Gutachten eines Schriftsachverständigen nicht widerlegt werden kann.

a) Eine Beweisvereitelung liegt vor, wenn jemand seinem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden. Eine Beweisvereitelung kann aber auch in einem fahrlässigen Unterlassen einer Aufklärung bei bereits eingetretenem Schadensereignis liegen, wenn damit die Schaffung von Beweismitteln verhindert wird, obwohl die spätere Notwendigkeit einer Beweisführung dem Aufklärungspflichtigen bereits erkennbar sein mußte (BGH, Urteil vom 15. November 1984 - IX ZR 157/83, WM 1985, 138, 139 m.w.Nachw.). Der Bundesgerichtshof läßt in solchen Fällen Beweiserleichterungen zu, die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können (BGH, Urteil vom 17. Juni 1997 - X ZR 119/94, WM 1998, 204, 206 m.w.Nachw.).

Der subjektive Tatbestand der Beweisvereitelung verlangt einen doppelten Schuldvorwurf: Das Verschulden muß sich sowohl auf die Zerstörung bzw. Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen, also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozeß nachteilig zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 24. Juni 1975 - VI ZR 72/74, VersR 1975, 952, 954; BGH, Urteil vom 1. Februar 1994 - VI ZR 65/93, NJW 1994, 1594, 1595; Musielak/Foerste, ZPO 3. Aufl. § 286 Rdn. 65; MünchKomm/ Prütting, ZPO 2. Aufl. § 286 Rdn. 81; Baumgärtel, Festschrift W. Kralik S. 63, 70).

b) Die vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sprechen für eine vorsätzliche Beweisvereitelung durch den Beklagten. Danach gestaltet der Beklagte seine Unterschriften bewußt in einer so großen Vielfalt und Variationsbreite, daß der Fälschungseinwand mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens nicht widerlegt werden kann. Dem Beklagten, von dem eine Vielzahl mit seiner Person in Zusammenhang gebrachter Urkundenfälschungen nach der rechtsfehlerfrei gewonnenen Überzeugung des Berufungsgerichts das Bild eines planmäßig vorgehenden Fälschers und Betrügers zeichnen, kommt es also darauf an, seiner Unterschrift den Beweiswert zu nehmen bzw. diesen nachhaltig zu reduzieren. Die vom Beklagten bewußt geschaffene Möglichkeit , sich jederzeit auf die angebliche Unechtheit seiner Unterschrift berufen zu können, ist darauf gerichtet, die Beweisführung des Gegners unmöglich zu machen bzw. erheblich zu erschweren. Es liegt damit eine vorsätzliche Beweisvereitelung vor, die das Berufungsgericht hätte zum
Anlaß nehmen müssen, sich mit der Frage zu befassen, ob und in welchem Umfang dem Kläger Beweiserleichterungen zugute kommen.
2. Verfahrensfehlerhaft ist - wie die Revision zu Recht rügt - auch, daß das Berufungsgericht über die Echtheit der Unterschrift des Beklagten auf der Quittung vom 22. Oktober 1996 über 500.000 DM keinen Beweis erhoben hat. Es trifft nicht zu, daß der Kläger insoweit keinen Beweis angetreten hätte. Vielmehr hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2000 ausweislich des Protokolls das Original der Quittung vom 22. Oktober 1996 überreicht und sich zum Beweis dafür, daß die Quittung von dem Beklagten stamme, auf ein Schriftgutachten bezogen. Diesen Beweisantritt hat das Berufungsgericht übergangen.
3. Von Rechtsirrtum beeinflußt ist schließlich auch die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die unbestrittenen Scheckzahlungen an den Beklagten über 2.000 DM und 16.000 DM deshalb nicht zu einem Rückzahlungsanspruch führen könnten, weil der Kläger hiermit nach Behauptung des Beklagten bestehende Schulden getilgt habe. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 30. März 1993 - XI ZR 95/92, NJW-RR 1993, 1015) muß ein Gläubiger, der die Leistung auf eine andere Forderung anrechnen will, deren Existenz darlegen und beweisen. Ein substantiierter Vortrag und ein Beweisantritt des Beklagten, daß und aus welchem Grunde er gegen den Kläger noch eine Forderung in Höhe von 18.000 DM gehabt habe, liegen jedoch nicht vor.
4. Die übrigen von der Revision vorgebrachten Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 565 a ZPO a.F.).

III.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist (§ 564 ZPO a.F.); insoweit war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Das Berufungsgericht wird in erster Linie zu prüfen haben, ob und welche Beweiserleichterungen dem Kläger angesichts der nach seinen Feststellungen vorliegenden Beweisvereitelung bezüglich der Unterschrift des Beklagten zugute kommen. Dabei wird bei Zugrundelegung einer bewußten Beweisvereitelung auch in Betracht zu ziehen sein, der Klage ohne weitere Beweisaufnahme stattzugeben.
Im übrigen wird das Berufungsgericht zu beachten haben, daß eine Verwertung der vom Kläger heimlich und ohne Einwilligung des Beklagten gefertigten Tonbandaufzeichnungen von den geführten Gesprächen
diesen in seinem grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und deshalb nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 2003 - XI ZR 165/02, NJW 2003, 1727, 1728).
Nobbe Müller Wassermann
Mayen Appl