Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2007 - IV ZR 102/03
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten Versicherungsleistungen wegen eines Brandes vom 15. August 1994 in ihren Geschäftsräumen in der N. straße 57 in F. . Sie betrieben dort unter der Firma C. K. E. im dritten Obergeschoss einen Pelzgroßhandel mit Lager. Sie unterhielten bei der Beklagten eine Rauchwaren-Einheitsversicherung, eine Geschäfts- und Betriebsversicherung sowie eine Betriebsunterbrechungsversicherung.
- 2
- Am 15. August 1994 brach kurz vor 4.00 Uhr in dem Gebäude an mehreren Stellen infolge vorsätzlicher Brandstiftung unter Verwendung brennbarer Flüssigkeiten Feuer aus, und zwar in den Treppenräumen vom dritten bis zum sechsten Obergeschoss, im Pelzlager eines anderen Unternehmens im vierten Obergeschoss und in den Geschäftsräumen der Klägerinnen im dritten Obergeschoss. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Zeuge W. in den Geschäftsräumen der Klägerinnen. Er ist der Vater der damals 19 Jahre alten Klägerin zu 2 und nach Behauptung der Beklagten der Lebensgefährte der Klägerin zu 1.
- 3
- DieBeklagteberuft sich auf Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Brandstiftung durch den Zeugen W. nach § 61 VVG und entsprechenden Bestimmungen in den vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Dessen Verhalten müssten sich die Klägerinnen zurechnen lassen, da er als deren Repräsentant anzusehen sei. Er sei faktisch alleiniger Geschäftsführer gewesen und habe insbesondere alle Versicherungsangelegenheiten mit der Beklagten vor und nach dem Brand in eigener Verantwortung erledigt.
- 4
- Die Klägerinnen machen mit der Klage einen Schaden an den Waren , an der Geschäftseinrichtung und durch Betriebsunterbrechung von etwa 350.000 € gelten. Die darauf gerichteten, in den Vorinstanzen abgewiesenen Anträge verfolgen sie mit der Revision weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision der Klägerinnen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 6
- Das I. Oberlandesgericht nimmt an, die Beklagte sei nach § 61 VVG in Verbindung mit entsprechenden Bestimmungen in den AVB von der Leistungspflicht frei, weil der als Repräsentant der Klägerinnen anzusehende Zeuge W. den Brand vorsätzlich gelegt habe. Repräsentanteneigenschaft könne nicht nur bei Übertragung der Risikoverwaltung , sondern auch dann vorliegen, wenn jemand aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich ausübe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Zeuge W. in eigener Verantwortung die Verwaltung des Versicherungsvertrages ausgeübt habe. Auf die Frage, ob er außerdem faktisch Geschäftsführer des Unternehmens der Klägerinnen gewesen sei, komme es daher nicht an.
- 7
- II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die vorsätzliche Brandstiftung durch einen Dritten, der nur für die Verwaltung des Versicherungsvertrages als Repräsentant anzusehen ist, braucht sich der Versicherungsnehmer nicht zurechnen zu lassen. Die Annahme einer vorsätzlichen Brandstiftung durch den Zeugen W. beruht auf einem Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht der Klägerinnen aus Art. 103 Abs. 1 GG.
- 8
- 1. a) Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Versicherungsnehmer für das - selbst vorsätzliche - Verhalten seines Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen (vgl. Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 287/95 - VersR 1996, 1229 unter 2 b m.w.N. insbesondere auf das Urteil vom 20. Mai 1981 - IVa ZR 86/80 - VersR 1981, 822). Der Grund der Haftungszurechnung liegt darin, dass es dem Versicherungsnehmer nicht freistehen darf, den Versicherer dadurch schlechter und sich besser zu stellen, dass er einen Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Dieser Zurechnungsgrund greift nicht nur dort, wo es im Rahmen der übertragenen Gefahrverwaltung (Risikoverwaltung im engeren Sinne) um die Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Repräsentanten geht. Ihm ist vielmehr auch dann Rechnung zu tragen, wenn das vertraglich oder gesetzlich geschützte Interesse des Versicherers an der Einhaltung von Obliegenheiten gerade deshalb durch einen Dritten verletzt werden kann, weil der Versicherungsnehmer den Dritten in die Lage versetzt hat, insoweit selbständig und in nicht unbedeutendem Umfang für ihn zu handeln, er ihm also insoweit die eigenverantwortliche Verwaltung des Versicherungsvertrages übertragen hat. Repräsentation kraft Vertragsverwaltung ist nicht erst nach Eintritt des Versicherungsfalles möglich (a.A. Bruck/Möller/Johannsen, VVG 8. Aufl. Bd. 3 G 49; unklar Knappmann, VersR 1997, 261, 262 f., 267). Den Versicherungsnehmer treffen auch vor Eintritt des Versicherungsfalles Anzeige- und sonstige Obliegenheiten, deren Verletzung zur Leistungsfreiheit führen kann. Davon kann er sich zu Lasten des Versicherers nicht dadurch befreien, dass er diese Obliegenheiten einem Dritten zur selbständigen Wahrnehmung überträgt.
- 9
- b) Aus dem tragenden Grund dafür, dass der Versicherungsnehmer für das Verhalten seines Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen hat, ergibt sich zugleich die Grenze der Zurechnung. Der Versicherungsnehmer muss sich Repräsentantenverhalten nur insoweit zurechnen lassen, als er den Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Überträgt er dem Dritten die selbständige Wahrnehmung seiner Befugnisse nur in einem bestimmten abgrenzbaren Geschäftsbereich, ist die Zurechnung darauf beschränkt und kann nicht auf andere Tätigkeitsbereiche ausgedehnt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1986 - IVa ZR 182/84 - VersR 1986, 541 unter 3). Eine auf einen bestimmten Bereich bezogene Repräsentantenstellung kommt insbesondere bei Geschäftsund Betriebsversicherungen in Betracht (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1992 - IV ZR 17/91 - VersR 1992, 865 unter 2 und vom 14. April 1971 - IV ZR 17/70 - VersR 1971, 538 unter 3). Für die Übertragung der Vertragsverwaltung folgt daraus, dass der Versicherungsnehmer sich ein Fehlverhalten des Repräsentanten nur in Vertragsangelegenheiten zurechnen lassen muss. Das betrifft Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles , z.B. Mitteilungen zur Begrenzung des subjektiven Risikos (§§ 11 VGB 62, 9 Abs. 1 AFB 87), die Anzeige von Gefahrerhöhungen (§§ 23 Abs. 2, 27 Abs. 2 VVG) und Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles i.S. von § 6 Abs. 3 VVG. Dagegen braucht er sich ein Verhalten des Vertragsverwalters, das zum Eintritt des Versicherungsfalles führt, nicht zurechnen zu lassen, sofern ihm nicht auch die Gefahrverwaltung übertragen ist (so im Ergebnis auch Johannsen, aaO; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 6 Rdn. 58 a.E.; Knappmann, VersR 1997, 262 f.; Versicherungsrechts-Handbuch/Looschelders, § 17 Rdn. 45; ders. VersR 1999, 666, 671).
- 10
- c) Nach diesen Grundsätzen ist die vom Berufungsgericht angenommene vorsätzliche Brandstiftung des Zeugen W. den Klägerinnen nicht nach § 61 VVG zuzurechnen. Das Berufungsgericht hat nur festgestellt, dass er deren Repräsentant im Bereich der Vertragsverwaltung war. Ob ihm als faktischem Geschäftsführer auch die Gefahrverwaltung übertragen war, wie die Beklagte behauptet, hat es offen gelassen.
- 11
- 2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Die Revisionserwiderung macht unter Hinweis auf §§ 14 Nr. 2, 17 AFB 87 geltend, die Beklagte sei von der Leistungspflicht frei, weil der Zeuge W. versucht habe, sie arglistig über seine Beteiligung an der Brandstiftung zu täuschen und dieses Verhalten seiner Stellung als Vertragsverwalter zuzuordnen sei.
- 12
- a) Dem ist zu folgen, soweit das Berufungsgericht den Zeugen W. als Repräsentant im Bereich der Verwaltung des Versicherungsvertrages angesehen hat. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht hierzu ausreichende Feststellungen getroffen. Danach sind die Verhandlungen mit den Vertretern der Beklagten fast ausschließlich von dem Zeugen geführt worden. Soweit die Klägerin zu 1 in geringem Umfang daran beteiligt war, hat sie keine Entscheidungen getroffen , sondern dies dem Zeugen überlassen. Daraus hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung der gesamten Umstände des Falles (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2003 - IV ZR 166/02 - r+s 2003, 367 unter II 2 a) rechtsfehlerfrei geschlossen, der Zeuge habe in eigener Verantwortung die Verwaltung des Versicherungsvertrages ausgeübt.
- 13
- und Ob in welchem Umfang der Zeuge der Beklagten Angaben über das Brandgeschehen gemacht hat, wird nach der Zurückverweisung zu klären sein. Die Schadensanzeige erweckt jedenfalls den Eindruck, dass sie von ihm ausgefüllt und zweimal unterschrieben worden ist.
- 14
- b) Dagegen hat das Berufungsgericht eine vorsätzliche Brandstiftung durch den Zeugen W. nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt. Es hat den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör in mehreren Punkten verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW-RR 2002, 68, 69 m.w.N.). Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung auf dem Gehörsverstoß beruht.
- 15
- aa) Die Klägerinnen hatten vorgetragen, der Zeuge habe den mit erheblichem zügigem Treppensteigen über mehrere Stockwerke verbundenen Tathergang aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes unmöglich ausführen können. Zum Beweis dafür haben sie sich auf dessen Zeugnis, Zeugnis des Hausarztes und ein ärztliches Sachverständigengutachten berufen. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag nur im Tatbestand kurz erwähnt. In den Entscheidungsgründen hat es dazu und zu den Beweisangeboten nichts ausgeführt, den Vortrag also ersichtlich nicht in seine Erwägungen einbezogen.
- 16
- bb) An der Kleidung des Zeugen wurde kein Benzingeruch festgestellt. Zur Tatausführung wurde aus mehreren Kanistern Benzin verschüttet. Die Klägerinnen hatten dazu unter Bezugnahme auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen und des von ihnen beauftragten Privatgutachters vorgetragen, das Fehlen von Benzingeruch an der Kleidung und am Körper des Zeugen schließe seine Täterschaft zwingend aus. Hätte der Zeuge das Benzin verschüttet, wäre noch Stunden danach Benzingeruch an der Kleidung und den freien Hautoberflächen wahrzunehmen gewesen.
- 17
- Die Frage des Benzingeruchs hat das Berufungsgericht im Tatbestand erwähnt und in den Entscheidungsgründen allein mit den Sätzen beschieden, das Fehlen von entsprechendem Geruch schließe eine Täterschaft nicht aus, es habe unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Zeit die Möglichkeit bestanden, Geruchsanhaftungen an der Kleidung zu vermeiden. Wie das konkret hätte vermieden werden können oder von dem Zeugen vermieden worden ist, führt das Berufungsgericht nicht aus. Es geht insbesondere nicht darauf ein, dass der gerichtliche Sachverständige und seine Mitarbeiter, die bei ihrem Versuch sicherlich sorgfältig mit dem Benzin umgegangen sind, starke Benzinanhaftungen an der Kleidung nicht vermeiden konnten. Die Frage des Benzingeruchs an den freien Hautoberflächen übergeht das Berufungsgericht völlig. Seine Begründung erschöpft sich damit in einer bloßen Leerformel, die nicht erkennen lässt, dass es den Vortrag der Klägerinnen erwogen hat.
- 18
- cc) Die Klägerinnen hatten weiter vorgetragen und mit dem Privatgutachten belegt, dass der Zeuge W. bei der Brandstiftung zwangsläufig Brandverletzungen hätte erleiden müssen. Dazu hat das Berufungsgericht nur ausgeführt, der Umstand, dass das Vorgehen des Brandstifters mit einer gewissen Selbstgefährdung verbunden gewesen sei, wie der Gutachter im Einzelnen erläutert habe, führe ebenfalls nicht dazu, eine Täterschaft des Zeugen ausgeschlossen erscheinen zu lassen. Auch dies ist eine bloße Leerformel, die nichts dazu besagt, weshalb die auch nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen durchaus mögliche erhebliche Selbstgefährdung die Täterschaft des Zeugen nicht als ausgeschlossen erscheinen lässt.
- 19
- dd) Der Senat verkennt nicht, dass erhebliche Verdachtsmomente für die Täterschaft des Zeugen sprechen und die Revisionserwiderung den Rügen der Revision mit einer nachvollziehbaren, aber revisionsrechtlich unbeachtlichen Würdigung entgegentritt. Die Beweiswürdigung ist nicht Sache des Revisionsgerichts, sondern des Tatrichters, der sich dieser Aufgabe erneut zu unterziehen hat.
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 16.12.1999 - 24 O 412/96 -
OLG Köln, Entscheidung vom 18.03.2003 - 9 U 13/00 -
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(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.
(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.
(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.
(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.
(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren.
(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
(1) Der Versicherungsnehmer darf nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten.
(2) Erkennt der Versicherungsnehmer nachträglich, dass er ohne Einwilligung des Versicherers eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder gestattet hat, hat er die Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen.
(3) Tritt nach Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers eine Gefahrerhöhung unabhängig von seinem Willen ein, hat er die Gefahrerhöhung, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen.
(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.
(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.
(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.
(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.
(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren.
(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem eine Gaststätte und ein Getränkeladen betrieben wurden, bis das Gebäude in der Nacht zum 4. Mai 1998 durch einen Brand zerstört wurde. Sie fordert aus der bei der Beklagten unterhaltenen Gebäudeversicherung Deckung für den Brandschaden in Höhe von 366.371,31 DM). Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88) zugrunde.Die Beklagte hält sich für leistungsfrei. Sie behauptet, der Ehemann der Klägerin, die im Zeitpunkt des Brandes unstreitig seit mehreren Wochen im Krankenhaus lag, habe das Gebäude vorsätzlich in Brand ge-
setzt. Die Klägerin müsse sich dieses Verhalten ihres Ehemannes zurechnen lassen, da er ihr Repräsentant gewesen sei. Denn er habe die Gaststätte in eigener Verantwortung geführt. Damit sei ihm die ganz überwiegende Nutzung des Gebäudes übertragen gewesen; er habe deshalb auch die Obhut über das Gebäude allein innegehabt.
Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann, dessen Täterschaft sie im übrigen bestreitet, sei lediglich als ihr Angestellter in der Gaststätte beschäftigt gewesen und habe als solcher keine eigenständigen Entscheidungsbefugnisse für den Geschäftsbetrieb gehabt.
Das gegen den Ehemann der Klägerin geführte Ermittlungsverfahren ist nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Das Landgericht hat der in erster Instanz erhobenen Teilklage auf Zahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von 133.333,33 DM stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die nunmehr auf den eingangs genannten Betrag erweiterte Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts besteht ein Anspruch der Klägerin auf Versicherungsleistungen nicht. Die Beklagte sei gemäß § 9 Nr. 1a VGB 88 leistungsfrei, weil der Schaden von einem Repräsentanten der Klägerin vorsätzlich herbeigeführt worden sei.
Das Berufungsgericht hat sich nach der Beweisaufnahme zunächst davon überzeugt, daß der Ehemann der Klägerin das Gaststättengebäude vorsätzlich in Brand gesetzt hat.
Weiter hat es festgestellt, daß zwar die Klägerin Konzessionsträgerin für die Gaststätte geblieben sei, jedoch bis zu ihrem Krankenhausaufenthalt anderweitig vollbeschäftigt gewesen sei und daneben den Getränkehandel betrieben habe. Demgegenüber habe der Ehemann seit Jahren die Gaststätte selbständig geführt, was sich auch daran zeige, daß er sich Dritten gegenüber als Gastwirt oder Gaststätteninhaber bezeichnet, Hausverbote ausgesprochen und Vertragsverhandlungen mit Geschäftspartnern der Gaststätte geführt habe. Wirtschaftlich habe das Interesse an einer gewinnbringenden Nutzung des Gaststättengrundstücks von vornherein beim Ehemann gelegen, was sich vor allem an der für den Scheidungs - oder Trennungsfall notariell vereinbarten Verpflichtung der Klägerin zeige, ihrem Ehemann das Gaststättengrundstück nebst Inventar ohne Gegenleistung zu übertragen. Hinzu komme, daß sich die Klägerin ihrer Verantwortlichkeit für die versicherte Sache auch vollständig begeben habe. Daran ändere nichts, daß innerhalb des Gaststättengebäudes ein 13,5 qm großer Raum vom Sohn des Ehemannes als privater Wohnraum und weitere Nebenräume für den von der Klägerin geführten Getränkemarkt genutzt worden seien, denn die Gaststätte habe den ganz überwiegenden Teil des Gebäudes eingenommen.
Bei dieser Sachlage müsse sich die Klägerin die Herbeiführung des Versicherungsfalls durch ihren Ehemann zurechnen lassen, denn er sei hier ihr Repräsentant. Das folge nicht aus der Ehegattenstellung als sol-
cher, sondern allein daraus, daß der Ehemann nach den Feststellungen mit dem Betrieb der Gaststätte zugleich auch die selbständige Verwaltung des gesamten Gebäudes innegehabt habe.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Verfahrensrügen, die sich gegen die Feststellung richten, der Ehemann der Klägerin habe das Gaststättengebäude in Brand gesetzt, verhelfen der Revision nicht zum Erfolg; von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO n.F.).
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Verhalten des Ehemannes sei der Klägerin nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung zuzurechnen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
a) Nach ständiger Rechtsprechung hat der Versicherungsnehmer weder im Rahmen des § 6 VVG noch im Rahmen des § 61 VVG (und vergleichbarer vertraglicher Regelungen, hier des § 9 Nr. 1a VGB 88) für das Verschulden Dritter nach § 278 BGB einzustehen (BGHZ 107, 229, 232, 233; vgl. schon RGZ 83, 43, 44; 117, 327, 329; 135, 370, 371; BGHZ 11, 120, 122). Aus Billigkeitsgründen steht es dem Versicherungsnehmer aber nicht frei, die Lage des Versicherers dadurch wesentlich zu verschlechtern , daß er die versicherten Sachen aus der Hand gibt und sich der Obhut über sie mit der Folge entäußert, daß der Versicherer für den Schaden eintreten muß, der durch das Verhalten des Sachwalters des Versicherten - seines Repräsentanten - entsteht (vgl. BGHZ 107 aaO m.w.N.). Das Ver-
halten des Repräsentanten muß sich der Versicherungsnehmer deshalb zurechnen lassen.
Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 287/95 - VersR 1996, 1229 unter 2 b, aa; BGHZ 107, 229, 230, 231 m.w.N.; BGHZ 122, 250, 253). Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht nicht aus, um ein solches Repräsentantenverhältnis anzunehmen (BGHZ aaO; BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 - IV ZR 48/89 - VersR 1990, 736 unter 1 b). Ebensowenig begründen - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - allein die Ehe oder eine Lebensgemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer (BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 aaO m.w.N.; Urteil vom 4. Juli 1990 - IV ZR 158/89 - NJW-RR 1990, 1305 unter II 1) oder ein Miet- oder Pachtverhältnis über die versicherte Sache (BGHZ 107, 229, 231 f. m.w.N.) die Repräsentantenstellung.
Repräsentant kann vielmehr nur sein, wer bei Würdigung der Gesamtumstände (BGH, Urteil vom 4. Juli 1990 aaO unter II) befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Es braucht nicht noch hinzuzutreten, daß der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 aaO; BGHZ 122 aaO).
Die Frage, ob ein Versicherungsnehmer die Risikoverwaltung einer versicherten Sache in dem geschilderten Maße auf einen Dritten übertra-
gen hat, ist in erster Linie eine Frage tatrichterlicher Bewertung der ge- samten Umstände eines Falles.
b) Gemessen daran ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Ehemann sei hier Repräsentant der Klägerin, jedenfalls im Ergebnis zutreffend.
Anders als das Berufungsgericht möglicherweise meint, kommt es allerdings nicht darauf an, in welchem Umfang das Gaststättengebäude dem Ehemann zur Nutzung überlassen war und ob sich die Nutzung gemessen an der gesamten Nutz- und Wohnfläche des Gebäudes auf dessen überwiegenden Teil erstreckte. Denn durch die bloße Überlassung der Obhut über eine versicherte Sache oder durch ein Nutzungsverhältnis (etwa Miete oder Pacht) wird die Repräsentantenstellung ohnehin nicht begründet (BGHZ 107, 229, 232; BGHZ 122 aaO). Ob die vom Berufungsgericht vorgenommene und von der Revision angegriffene Flächenberechnung zutrifft, kann deshalb offen bleiben.
Entscheidend ist vielmehr, daß hier eine Gesamtschau der weiteren Umstände ergibt, daß dem Ehemann die Risikoverwaltung für das gesamte Grundstück einschließlich des Gaststättengebäudes übertragen war. Dafür ist vor allem bedeutsam, daß - wie die notarielle Vereinbarung der Eheleute für den Scheidungs- oder Trennungsfall belegt - der Ehemann der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das wirtschaftliche Interesse an der Erhaltung des gesamten Gaststättengrundstücks hatte. Daß möglicherweise auch die Klägerin durch die Aufnahme von Darlehen zur Grundstücksfinanzierung beigetragen hatte, steht dieser Feststellung nicht entgegen. Es tritt hinzu, daß dem Ehemann
auch faktisch die beherrschende Stellung über das gesamte Grundstück übertragen war. Die von ihm betriebene Gaststätte gab der Nutzung des gesamten Anwesens das Gepräge und führte dazu, daß der Ehemann der Klägerin insoweit nicht nur geschäftlich, sondern auch ansonsten die bestimmende Rolle einnahm. Daß die Klägerin selbst zur Zeit des Brandes durch ihre Erkrankung (Verdacht auf Querschnittslähmung) auf unabsehbare Zeit gehindert war, sich persönlich um das Gaststättengrundstück zu kümmern, hat die Verantwortung ihres Ehemannes für das gesamte Anwesen noch verstärkt. Dadurch, daß sein Sohn einen Raum des Gebäudes bewohnte, wurde seine Stellung als alleiniger Risikoverwalter für das gesamte Anwesen ersichtlich nicht berührt. Wenn das Berufungsgericht nach allem den Schluß gezogen hat, der Ehemann habe die selbständige Verwaltung des gesamten Gebäudes innegehabt, ist dies nicht zu beanstanden.
c) Es stellt sich dann allerdings nicht mehr die Frage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat. Denn mit der Zulassung wollte es klären lassen, ob es mit einer Repräsentantenstellung vereinbar sei, wenn nicht das gesamte versicherte Gebäude, sondern nur dessen wesentlicher Teil selbständig "verwaltet" werde. Das vermengt schon die Kriterien der Nutzung und der Risikoverwaltung und steht mithin im Widerspruch zu der vorgenannten Feststellung, der Ehemann der Klägerin habe das gesamte Gebäude verwaltet. Einer Repräsentantenstellung des Ehemannes steht im übrigen auch nicht entgegen, daß die Rechtsprechung mehrfach gefordert hat, einem Repräsentanten müsse die alleinige Verantwortlichkeit (BGHZ 107, 229, 235) für die versicherte Sache vollständig (BGH, Urteil vom 4. Juli 1990 aaO unter II 1; Urteil vom 2. Mai 1990 aaO unter 1 b) übertragen sein. Auch das zielt nicht auf
die Frage, ob die versicherte Sache von dem Repräsentanten allein genutzt wird, sondern meint lediglich, daß der Versicherungsnehmer - wie hier die Klägerin - die davon zu unterscheidende Risikoverwaltung über die versicherte Sache ohne wesentliche Einschränkung und Vorbehalte an den Repräsentanten abgegeben haben muß.
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch