Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2016 - 4 StR 512/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:050716B4STR512.15.0
bei uns veröffentlicht am05.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 512/15
vom
5. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:050716B4STR512.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 5. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 2. Juli 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen (besonders) schwerer Brandstiftung und wegen versuchten Betruges zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen kam die Angeklagte, die sich zusammen mit ihren drei ein bis vier Jahre alten, in den Kinderzimmern schlafenden Töchtern in der Wohnung der Familie aufhielt, in den frühen Morgenstunden des 16. August 2014 spontan auf die Idee, in der Wohnung Feuer zu legen, um zumindest den entstehenden Hausratsschaden bei der Hausratsversicherung geltend machen zu können. Sie vergewisserte sich zunächst in den beiden Kinderzimmern, die durch eine Verbindungstür getrennt sind und von denen nur das Zimmer der ältesten Tochter eine Tür zum Flur hat, dass die drei Kinder schliefen, und schloss die Kinderzimmertür zum Wohnungsflur. Anschließend nahm sie in der Wohnung verschiedene Veränderungen vor, um den Aufenthalt unbekannter Personen in der Wohnung und eine Brandlegung durch diese vorzutäuschen. Sodann verteilte die Angeklagte auf der Couch im Wohnzimmer und in dem lediglich 1,24 Meter breiten Flur im Bereich der Küchentür großflächig den zuvor in der Küche vorgefundenen Brandbeschleuniger, zündete die Couch mit einem Feuerzeug an und schloss sich selbst im Schlafzimmer ein, wobei sie den Zimmerschlüssel in die Tasche einer im Kleiderschrank hängenden Jacke steckte.
3
Während die Angeklagte im Schlafzimmer auf der Bettseite ihres Ehemannes sitzend wartete, entwickelte sich in der gesamten Wohnung eine erhebliche Menge an giftigen Rauchgasen. Aufgrund der hohen Temperaturen von 300 bis 400 Grad Celsius wurden auch die Fensterrahmen des Wohnzimmerfensters durch Brandzehrungen beschädigt. Gleichzeitig zerbrach eine der beiden Sicherheitsglasscheiben im Wohnzimmer mit einem lauten Knall. Durch diesen Knall realisierte die Angeklagte, dass sie die Feuerentwicklung nicht zu beherrschen vermochte, und rief die Polizei, der gegenüber sie angab, in ihrer Wohnung seien Einbrecher und es rieche verbrannt. Im Anschluss öffnete sie das Fenster im Schlafzimmer und rief laut um Hilfe.
4
Durch die Hilferufe wurden zwei Nachbarn auf das Geschehen aufmerksam. Einem Helfer gelang es, nach Eintreten der Wohnungseingangstür und einem Sprühstoß mit einem Feuerlöscher die vierjährige Tochter der Angeklagten , die zwischenzeitlich die Kinderzimmertür zum Flur geöffnet hatte und nicht mehr ansprechbar war, aus der Wohnung zu tragen. Währenddessen war die Angeklagte mit Hilfe des anderen Nachbarn aus dem Schlafzimmerfenster ge- klettert und zur Wohnungstür gelaufen, um die Helfer darauf aufmerksam zu machen, dass sich noch zwei weitere Kinder in der Wohnung befanden. Auch diese konnten durch das Fenster des Kinderzimmers ins Freie gebracht werden. Während die älteste Tochter eine leichte Rauchgasvergiftung erlitt, blieben die beiden anderen Kinder unverletzt. Beim Eintreffen der Feuerwehr wenige Minuten später war der Brand mangels Sauerstoffs bereits vollständig erloschen. Durch den Brand entstand ein Gebäudeschaden von ca. 31.000 € und ein geschätzter Sachschaden an der Wohnungseinrichtung in Höhe von 14.000 €.
5
Nachdem die Angeklagte bereits zwei Tage zuvor aus dem Brandschaden resultierende Ansprüche auf Versicherungsleistungen telefonisch geltend gemacht hatte, meldete der Ehemann als Versicherungsnehmer den Brandschaden mit Schreiben vom 20. August 2014 bei der Versicherung. Die Angeklagte wollte von der Versicherung eine Gesamtentschädigung für das zerstörte Inventar erhalten.

II.

6
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil enthält sowohl hinsichtlich der Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB als auch wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Betruges durchgreifende Rechtsfehler.
7
1. Die Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter hinsichtlich des Eintritts der Todesgefahr vorsätzlich handelt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 - 4 StR 185/99, BGHR StGB § 306b Vorsatz 1). Die Strafkammer hat einen bedingten Vorsatz der Angeklagten bezüglich der Todesgefahr für ihre drei Kinder bei Tatbegehung bejaht und dies damit begründet, dass sie im Zeitpunkt der Brandlegung erkannt habe, weder die Intensität des Brandes noch dessen Folgen für ihre Kinder beherrschen zu können, und damit die Gefahr , dass ihre Kinder sterben könnten, in Kauf genommen habe. Diese Annahme steht in einem für das Revisionsgericht nicht auflösbaren Widerspruch zu der getroffenen Feststellung, wonach die Angeklagte erst durch den Knall, der durch das hitzebedingte Zerbersten des Wohnzimmerfensters ausgelöst worden war, realisierte, dass sie die Feuerentwicklung nicht zu beherrschen vermochte, und sich deshalb veranlasst sah, die Polizei zu informieren und um Hilfe zu rufen.
8
Darüber hinaus erweist sich die den Erwägungen zum Gefährdungsvorsatz zugrunde liegende Beweiswürdigung als lückenhaft, weil sich das Landgericht nicht mit der nach den festgestellten Gesamtumständen jedenfalls nicht fernliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt hat, dass die Angeklagte zunächst fälschlicherweise davon ausging, die Auswirkungen des Brandgeschehens beherrschen zu können. Die in der Beweiswürdigung für die Annahme eines bedingten Gefährdungsvorsatzes angeführten Umstände lassen sich sämtlich auch mit dieser möglichen Geschehensvariante in Einklang bringen.
9
2. Die Feststellungen ergeben ferner nicht, dass die Brandlegung im Sinne des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB von der Absicht getragen war, betrügerisch unberechtigte Versicherungsleistungen zu erlangen.
10
Nach den Feststellungen war der Ehemann der Angeklagten, der selbst nicht in das Tatgeschehen involviert war, Versicherungsnehmer der Hausratsversicherung. Da sich aus den Urteilsgründen keine Umstände ergeben, die eine Stellung der Angeklagten als Repräsentantin ihres Ehemannes im versicherungsrechtlichen Sinne belegen (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2007 - IV ZR 102/03, BGHZ 171, 304 f.), muss sich der Ehemann die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Angeklagte nicht nach § 81 Abs. 1 VVG zurechnen lassen. Die bloße Ehegatteneigenschaft reicht ebenso wenig wie die Überlassung der Mitobhut über die gemeinsame Wohnung zur Begründung einer Repräsentantenstellung im versicherungsrechtlichen Sinne aus (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2007 - 3 StR 454/06, NStZ 2007, 640, 641; Urteile vom 4. Mai 1994 - IV ZR 298/93, NJW-RR 1994, 988; vom 8. Februar 1965 - II ZR 171/62, VersR 1965, 425, 429; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 28 Rn. 128 mwN). Soweit die Angeklagte hinsichtlich in ihrem Alleinoder Miteigentum stehender Hausratsgegenstände als Versicherte im Rahmen einer Versicherung für fremde Rechnung anzusehen ist, führt die Vorschrift des § 47 Abs. 1 VVG i.V.m. § 81 Abs. 1 VVG nur insoweit zur Leistungsfreiheit des Versicherers, als das Interesse der Angeklagten betroffen ist. Die Ansprüche des Ehemanns als Versicherungsnehmer aus der Versicherung seines eigenen Interesses bleiben dagegen unberührt (vgl. OLG Hamm, VersR 1994, 1464; OLG Karlsruhe, Recht und Schaden 2013, 121, 122 f.; Muschner in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl., § 47 Rn. 7 ff.; Rixecker in Römer/Langheid/Rixecker, VVG, 4. Aufl., § 47 Rn. 8; Brand in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 47 Rn. 31 f.). Infolge der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Angeklagte sind die Ansprüche aus der Hausratsversicherung somit nur insoweit entfallen, als sie Schäden betreffen, die an Hausratsgegenständen im Allein- oder Miteigentum der Angeklagten entstanden sind. Zu den Einzelheiten der von der Angeklagten geplanten Inanspruchnahme der Hausratsversicherung verhalten sich die Urteilsgründe nicht. So bleibt insbesondere offen, ob die Angeklagte bei der Brandlegung beabsichtigte, über ihren Ehemann gegenüber der Hausratsversicherung zumindest auch tatsächlich nicht bestehende Versicherungsansprüche für Schäden an in ihrem Eigentum stehenden Hausratsgegenständen geltend zu machen. Eine Betrugsabsicht ist daher nicht hinreichend belegt.
11
3. Aus den gleichen Gründen kann schließlich die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Betruges nicht bestehen bleiben. Denn den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, ob mit der Schadensmeldung des Ehemannes vom 20. August 2014 Versicherungsleistungen für Schäden an Gegenständen der Angeklagten geltend gemacht wurden. Sost-Scheible Cierniak Franke Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 81 Herbeiführung des Versicherungsfalles


(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt. (2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, sein

Strafgesetzbuch - StGB | § 306b Besonders schwere Brandstiftung


(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 47 Kenntnis und Verhalten des Versicherten


(1) Soweit die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, sind bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten zu berücksichtigen. (2) Die Kenntnis des Versichert

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2007 - IV ZR 102/03

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a

1.
einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt,
2.
in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder
3.
das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 102/03 Verkündetam:
14.März2007
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
1. Hat der Versicherungsnehmer die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Rechte
und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag einem Dritten übertragen, ist dieser
insoweit sein Repräsentant.
2. Überträgt der Versicherungsnehmer dem Dritten die selbständige Wahrnehmung
seiner Befugnisse nur in einem bestimmten, abgrenzbaren Geschäftsbereich - hier:
Vertragsverwaltung -, ist die Zurechnung des Repräsentantenverhaltens darauf
beschränkt und kann nicht auf andere Tätigkeitsbereiche ausgedehnt werden.
BGH, Urteil vom 14. März 2007 - IV ZR 102/03 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 14. März 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 18. März 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten Versicherungsleistungen wegen eines Brandes vom 15. August 1994 in ihren Geschäftsräumen in der N. straße 57 in F. . Sie betrieben dort unter der Firma C. K. E. im dritten Obergeschoss einen Pelzgroßhandel mit Lager. Sie unterhielten bei der Beklagten eine Rauchwaren-Einheitsversicherung, eine Geschäfts- und Betriebsversicherung sowie eine Betriebsunterbrechungsversicherung.
2
Am 15. August 1994 brach kurz vor 4.00 Uhr in dem Gebäude an mehreren Stellen infolge vorsätzlicher Brandstiftung unter Verwendung brennbarer Flüssigkeiten Feuer aus, und zwar in den Treppenräumen vom dritten bis zum sechsten Obergeschoss, im Pelzlager eines anderen Unternehmens im vierten Obergeschoss und in den Geschäftsräumen der Klägerinnen im dritten Obergeschoss. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Zeuge W. in den Geschäftsräumen der Klägerinnen. Er ist der Vater der damals 19 Jahre alten Klägerin zu 2 und nach Behauptung der Beklagten der Lebensgefährte der Klägerin zu 1.
3
DieBeklagteberuft sich auf Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Brandstiftung durch den Zeugen W. nach § 61 VVG und entsprechenden Bestimmungen in den vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Dessen Verhalten müssten sich die Klägerinnen zurechnen lassen, da er als deren Repräsentant anzusehen sei. Er sei faktisch alleiniger Geschäftsführer gewesen und habe insbesondere alle Versicherungsangelegenheiten mit der Beklagten vor und nach dem Brand in eigener Verantwortung erledigt.
4
Die Klägerinnen machen mit der Klage einen Schaden an den Waren , an der Geschäftseinrichtung und durch Betriebsunterbrechung von etwa 350.000 € gelten. Die darauf gerichteten, in den Vorinstanzen abgewiesenen Anträge verfolgen sie mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision der Klägerinnen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
Das I. Oberlandesgericht nimmt an, die Beklagte sei nach § 61 VVG in Verbindung mit entsprechenden Bestimmungen in den AVB von der Leistungspflicht frei, weil der als Repräsentant der Klägerinnen anzusehende Zeuge W. den Brand vorsätzlich gelegt habe. Repräsentanteneigenschaft könne nicht nur bei Übertragung der Risikoverwaltung , sondern auch dann vorliegen, wenn jemand aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich ausübe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Zeuge W. in eigener Verantwortung die Verwaltung des Versicherungsvertrages ausgeübt habe. Auf die Frage, ob er außerdem faktisch Geschäftsführer des Unternehmens der Klägerinnen gewesen sei, komme es daher nicht an.
7
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die vorsätzliche Brandstiftung durch einen Dritten, der nur für die Verwaltung des Versicherungsvertrages als Repräsentant anzusehen ist, braucht sich der Versicherungsnehmer nicht zurechnen zu lassen. Die Annahme einer vorsätzlichen Brandstiftung durch den Zeugen W. beruht auf einem Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht der Klägerinnen aus Art. 103 Abs. 1 GG.
8
1. a) Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Versicherungsnehmer für das - selbst vorsätzliche - Verhalten seines Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen (vgl. Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 287/95 - VersR 1996, 1229 unter 2 b m.w.N. insbesondere auf das Urteil vom 20. Mai 1981 - IVa ZR 86/80 - VersR 1981, 822). Der Grund der Haftungszurechnung liegt darin, dass es dem Versicherungsnehmer nicht freistehen darf, den Versicherer dadurch schlechter und sich besser zu stellen, dass er einen Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Dieser Zurechnungsgrund greift nicht nur dort, wo es im Rahmen der übertragenen Gefahrverwaltung (Risikoverwaltung im engeren Sinne) um die Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Repräsentanten geht. Ihm ist vielmehr auch dann Rechnung zu tragen, wenn das vertraglich oder gesetzlich geschützte Interesse des Versicherers an der Einhaltung von Obliegenheiten gerade deshalb durch einen Dritten verletzt werden kann, weil der Versicherungsnehmer den Dritten in die Lage versetzt hat, insoweit selbständig und in nicht unbedeutendem Umfang für ihn zu handeln, er ihm also insoweit die eigenverantwortliche Verwaltung des Versicherungsvertrages übertragen hat. Repräsentation kraft Vertragsverwaltung ist nicht erst nach Eintritt des Versicherungsfalles möglich (a.A. Bruck/Möller/Johannsen, VVG 8. Aufl. Bd. 3 G 49; unklar Knappmann, VersR 1997, 261, 262 f., 267). Den Versicherungsnehmer treffen auch vor Eintritt des Versicherungsfalles Anzeige- und sonstige Obliegenheiten, deren Verletzung zur Leistungsfreiheit führen kann. Davon kann er sich zu Lasten des Versicherers nicht dadurch befreien, dass er diese Obliegenheiten einem Dritten zur selbständigen Wahrnehmung überträgt.
9
b) Aus dem tragenden Grund dafür, dass der Versicherungsnehmer für das Verhalten seines Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen hat, ergibt sich zugleich die Grenze der Zurechnung. Der Versicherungsnehmer muss sich Repräsentantenverhalten nur insoweit zurechnen lassen, als er den Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Überträgt er dem Dritten die selbständige Wahrnehmung seiner Befugnisse nur in einem bestimmten abgrenzbaren Geschäftsbereich, ist die Zurechnung darauf beschränkt und kann nicht auf andere Tätigkeitsbereiche ausgedehnt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1986 - IVa ZR 182/84 - VersR 1986, 541 unter 3). Eine auf einen bestimmten Bereich bezogene Repräsentantenstellung kommt insbesondere bei Geschäftsund Betriebsversicherungen in Betracht (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1992 - IV ZR 17/91 - VersR 1992, 865 unter 2 und vom 14. April 1971 - IV ZR 17/70 - VersR 1971, 538 unter 3). Für die Übertragung der Vertragsverwaltung folgt daraus, dass der Versicherungsnehmer sich ein Fehlverhalten des Repräsentanten nur in Vertragsangelegenheiten zurechnen lassen muss. Das betrifft Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles , z.B. Mitteilungen zur Begrenzung des subjektiven Risikos (§§ 11 VGB 62, 9 Abs. 1 AFB 87), die Anzeige von Gefahrerhöhungen (§§ 23 Abs. 2, 27 Abs. 2 VVG) und Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles i.S. von § 6 Abs. 3 VVG. Dagegen braucht er sich ein Verhalten des Vertragsverwalters, das zum Eintritt des Versicherungsfalles führt, nicht zurechnen zu lassen, sofern ihm nicht auch die Gefahrverwaltung übertragen ist (so im Ergebnis auch Johannsen, aaO; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 6 Rdn. 58 a.E.; Knappmann, VersR 1997, 262 f.; Versicherungsrechts-Handbuch/Looschelders, § 17 Rdn. 45; ders. VersR 1999, 666, 671).
10
c) Nach diesen Grundsätzen ist die vom Berufungsgericht angenommene vorsätzliche Brandstiftung des Zeugen W. den Klägerinnen nicht nach § 61 VVG zuzurechnen. Das Berufungsgericht hat nur festgestellt, dass er deren Repräsentant im Bereich der Vertragsverwaltung war. Ob ihm als faktischem Geschäftsführer auch die Gefahrverwaltung übertragen war, wie die Beklagte behauptet, hat es offen gelassen.
11
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Die Revisionserwiderung macht unter Hinweis auf §§ 14 Nr. 2, 17 AFB 87 geltend, die Beklagte sei von der Leistungspflicht frei, weil der Zeuge W. versucht habe, sie arglistig über seine Beteiligung an der Brandstiftung zu täuschen und dieses Verhalten seiner Stellung als Vertragsverwalter zuzuordnen sei.
12
a) Dem ist zu folgen, soweit das Berufungsgericht den Zeugen W. als Repräsentant im Bereich der Verwaltung des Versicherungsvertrages angesehen hat. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht hierzu ausreichende Feststellungen getroffen. Danach sind die Verhandlungen mit den Vertretern der Beklagten fast ausschließlich von dem Zeugen geführt worden. Soweit die Klägerin zu 1 in geringem Umfang daran beteiligt war, hat sie keine Entscheidungen getroffen , sondern dies dem Zeugen überlassen. Daraus hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung der gesamten Umstände des Falles (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2003 - IV ZR 166/02 - r+s 2003, 367 unter II 2 a) rechtsfehlerfrei geschlossen, der Zeuge habe in eigener Verantwortung die Verwaltung des Versicherungsvertrages ausgeübt.
13
und Ob in welchem Umfang der Zeuge der Beklagten Angaben über das Brandgeschehen gemacht hat, wird nach der Zurückverweisung zu klären sein. Die Schadensanzeige erweckt jedenfalls den Eindruck, dass sie von ihm ausgefüllt und zweimal unterschrieben worden ist.

14
b) Dagegen hat das Berufungsgericht eine vorsätzliche Brandstiftung durch den Zeugen W. nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt. Es hat den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör in mehreren Punkten verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW-RR 2002, 68, 69 m.w.N.). Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung auf dem Gehörsverstoß beruht.
15
aa) Die Klägerinnen hatten vorgetragen, der Zeuge habe den mit erheblichem zügigem Treppensteigen über mehrere Stockwerke verbundenen Tathergang aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes unmöglich ausführen können. Zum Beweis dafür haben sie sich auf dessen Zeugnis, Zeugnis des Hausarztes und ein ärztliches Sachverständigengutachten berufen. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag nur im Tatbestand kurz erwähnt. In den Entscheidungsgründen hat es dazu und zu den Beweisangeboten nichts ausgeführt, den Vortrag also ersichtlich nicht in seine Erwägungen einbezogen.
16
bb) An der Kleidung des Zeugen wurde kein Benzingeruch festgestellt. Zur Tatausführung wurde aus mehreren Kanistern Benzin verschüttet. Die Klägerinnen hatten dazu unter Bezugnahme auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen und des von ihnen beauftragten Privatgutachters vorgetragen, das Fehlen von Benzingeruch an der Kleidung und am Körper des Zeugen schließe seine Täterschaft zwingend aus. Hätte der Zeuge das Benzin verschüttet, wäre noch Stunden danach Benzingeruch an der Kleidung und den freien Hautoberflächen wahrzunehmen gewesen.
17
Die Frage des Benzingeruchs hat das Berufungsgericht im Tatbestand erwähnt und in den Entscheidungsgründen allein mit den Sätzen beschieden, das Fehlen von entsprechendem Geruch schließe eine Täterschaft nicht aus, es habe unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Zeit die Möglichkeit bestanden, Geruchsanhaftungen an der Kleidung zu vermeiden. Wie das konkret hätte vermieden werden können oder von dem Zeugen vermieden worden ist, führt das Berufungsgericht nicht aus. Es geht insbesondere nicht darauf ein, dass der gerichtliche Sachverständige und seine Mitarbeiter, die bei ihrem Versuch sicherlich sorgfältig mit dem Benzin umgegangen sind, starke Benzinanhaftungen an der Kleidung nicht vermeiden konnten. Die Frage des Benzingeruchs an den freien Hautoberflächen übergeht das Berufungsgericht völlig. Seine Begründung erschöpft sich damit in einer bloßen Leerformel, die nicht erkennen lässt, dass es den Vortrag der Klägerinnen erwogen hat.
18
cc) Die Klägerinnen hatten weiter vorgetragen und mit dem Privatgutachten belegt, dass der Zeuge W. bei der Brandstiftung zwangsläufig Brandverletzungen hätte erleiden müssen. Dazu hat das Berufungsgericht nur ausgeführt, der Umstand, dass das Vorgehen des Brandstifters mit einer gewissen Selbstgefährdung verbunden gewesen sei, wie der Gutachter im Einzelnen erläutert habe, führe ebenfalls nicht dazu, eine Täterschaft des Zeugen ausgeschlossen erscheinen zu lassen. Auch dies ist eine bloße Leerformel, die nichts dazu besagt, weshalb die auch nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen durchaus mögliche erhebliche Selbstgefährdung die Täterschaft des Zeugen nicht als ausgeschlossen erscheinen lässt.
19
dd) Der Senat verkennt nicht, dass erhebliche Verdachtsmomente für die Täterschaft des Zeugen sprechen und die Revisionserwiderung den Rügen der Revision mit einer nachvollziehbaren, aber revisionsrechtlich unbeachtlichen Würdigung entgegentritt. Die Beweiswürdigung ist nicht Sache des Revisionsgerichts, sondern des Tatrichters, der sich dieser Aufgabe erneut zu unterziehen hat.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 16.12.1999 - 24 O 412/96 -
OLG Köln, Entscheidung vom 18.03.2003 - 9 U 13/00 -

(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.

(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

(1) Soweit die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, sind bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten zu berücksichtigen.

(2) Die Kenntnis des Versicherten ist nicht zu berücksichtigen, wenn der Vertrag ohne sein Wissen geschlossen worden ist oder ihm eine rechtzeitige Benachrichtigung des Versicherungsnehmers nicht möglich oder nicht zumutbar war. Der Versicherer braucht den Einwand, dass der Vertrag ohne Wissen des Versicherten geschlossen worden ist, nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten geschlossen und bei Vertragsschluss dem Versicherer nicht angezeigt hat, dass er den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten schließt.

(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.

(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.