Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2008 - IV ZR 10/07

bei uns veröffentlicht am23.01.2008
vorgehend
Landgericht Bückeburg, 2 O 74/02, 24.03.2006
Oberlandesgericht Celle, 8 U 104/06, 21.12.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 10/07 Verkündetam:
23.Januar2008
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Berufsunfähigkeits-Zusatzvers. § 2 Abs. 1
Der vom Tatrichter beauftragte medizinische Sachverständige, der sich dazu äußern
soll, ob der Versicherungsnehmer gesundheitlich in der Lage ist, einen Verweisungsberuf
auszuüben, muss wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizinischen
Sachverhalt er zugrunde zulegen hat, also insbesondere welche Merkmale
- Arbeitsbedingungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten, erforderliche
Tätigkeiten und körperliche Kräfte, Einsatz von Hilfsmitteln - die Verweisungstätigkeit
prägen.
BGH, Urteil vom 23. Januar 2008 - IV ZR 10/07 - OLG Celle
LG Bückeburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2008

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Kläger, Der von Beruf Kraftfahrer, begehrt Leistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sowie Schadensersatz wegen Regulierungsverzuges. Dem Versicherungsvertrag liegen die Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung nach dem Tarif BUZn (im Folgenden: BZB) zugrunde.
2
Der Kläger war zuletzt ab Mai 1992 als selbständiger LKW-Fahrer im Fernverkehr tätig. Am 12. April 2001 erlitt er eine Oberschenkelvenenthrombose und gab daraufhin seinen Beruf auf. Seinen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab April 2001 lehnte die Beklagte ab, da der Kläger in seinem zuletzt ausgeübten Beruf nicht zu mindestens 50% berufsunfähig sei; jedenfalls könne er auf Alternativtätigkeiten verwiesen werden.
3
Das Landgericht hat die Klage, gerichtet auf die Zahlung rückständiger Rentenleistungen sowie auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Rente, Gewährung von Beitragsfreiheit sowie auf Schadensersatz wegen Regulierungsverzuges, abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revision verfolgt er seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
I.DasBerufungsgericht meint, dass der Kläger zwar infolge eines postthrombotischen Syndroms nicht mehr in der Lage sei, als selbständiger LKW-Fahrer im Fernverkehr zu arbeiten. Die Beklagte habe jedoch den Vergleichsberuf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr aufgezeigt, den der Kläger nach Ausbildung und Erfahrung ausüben könne und der seiner bisherigen Lebensstellung entspreche (§ 2 Abs. 1 BZB). Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige, der Orthopäde Dr. H. , der unter anderem die von dem Gefäßchirurgen Dr. K. beim Kläger erhobenen Untersuchungsbefunde ausgewertet habe, habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger aus medizinischer Sicht in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne häufiges schweres Heben und Tragen im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig auszuführen. Nach den Ausführungen der vom Landgericht gehörten berufskundlichen Sachverständigen Ho. sei die Arbeit als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr allenfalls als mittelschwer einzuordnen, da die im Güternahverkehr auszuliefernden Frachtstücke regelmäßig nicht schwerer seien als 10 kg. Die vom Kläger geltend gemachte Verschlechterung seines medizinischen Befundes - variköse Ekzeme und Unterschenkelgeschwüre - rechtfertige keine abweichende Beurteilung der gesundheitlichen Zumutbarkeit, wie der Sachverständige Dr. H. in seinem Ergänzungsgutachten überzeugend ausgeführt habe.
6
Zwar sei es, so das Berufungsgericht weiter, zu der vom Kläger beantragten persönlichen Anhörung des Dr. H. zur Erläuterung seiner Begutachtung in der mündlichen Verhandlung wegen dessen Verhinderung nicht gekommen. Der Gutachter habe jedoch auf Ersuchen des Landgerichts zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten schriftlich Stellung genommen. Aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich nicht, dass der Kläger seinen Antrag auf mündliche Anhörung danach aufrechterhalten habe.
7
Das vom Kläger vorgelegte internistisch-angiologische Gutachten von Prof. Dr. B. , das dieser in einem sozialgerichtlichen Verfahren erstattet habe, sowie das Protokoll über das in jenem Verfahren mündlich erstattete berufskundliche Gutachten des Sachverständigen Ku. zwängen nicht zu einer weiteren Beweiserhebung, etwa in Form einer (erneuten) Anhörung der Sachverständigen Dr. H. und Ho. . Den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. B. sei zu entnehmen, dass dieser Gutachter lediglich die subjektiven Empfindun- gen des Klägers übernommen habe, ohne sie anhand eines objektiven Befundes zu überprüfen. Auch sei ein erheblicher sozialer Abstieg, der der Verweisung auf den Beruf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr entgegenstehen könnte, mit dem Wechsel aus dem Beruf des selbständigen LKW-Fahrers im Güterfernverkehr entgegen der Ansicht des Klägers nicht verbunden. Der soziale Status beider Berufsbilder werde in der Öffentlichkeit nicht wesentlich unterschiedlich bewertet. Die Verweisung auf die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr sei dem Kläger auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zumutbar.
8
Die II. Annahme des Berufungsgerichts, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liege nicht vor, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
1. Gemäß § 2 Abs. 1 BZB liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls , die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich länger als sechs Monate außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben , die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Will der Versicherer den Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung im Streit um dessen Berufsunfähigkeit auf eine andere berufliche Tätigkeit verweisen, so muss er deren prägende Merkmale - erforderliche Vorbildung, übliche Arbeitsbedingungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten sowie übliche Entlohnung, erforderliche Fähigkeiten oder körperliche Kräfte, Einsatz technischer Hilfsmittel - substantiiert darlegen und konkretisieren (Senatsurteile vom 29. Juni 1994 - IV ZR 120/93 - VersR 1994, 1095 unter 2 b und vom 28. September 1994 - IV ZR 226/93 - NJW-RR 1995, 20 unter 2 a; vgl. auch OLG Saarbrücken VersR 2004, 1165). Hält der Tatrichter nach Bewertung des beiderseitigen Parteivortrags eine Beweisaufnahme für geboten, muss der medizinische Sachverständige, der sich zu der Frage äußern soll, ob der Versicherungsnehmer gesundheitlich in der Lage ist, den Verweisungsberuf auszuüben , wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizinischen Sachverhalt er zugrunde zu legen hat (BGHZ 119, 263, 266 f.).
10
2. a) Schon das Verfahren des Landgerichts genügte diesen Vorgaben nicht. Dabei kann auf sich beruhen, ob das Vorbringen der Beklagten zu den zahlreichen von ihr benannten Verweisungsberufen in jedem Fall den Anforderungen an eine hinreichende Substantiierung der dem Kläger angesonnenen anderen Tätigkeiten genügte. Jedenfalls was die berufliche Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr anlangt , fehlte es vor der Einholung des ersten Gutachtens des medizinischen Sachverständigen an jedweder Substantiierung; der Beweisbeschluss des Landgerichts, der sich auf die Frage beschränkt, ob der Kläger seit dem 1. April 2001 berufsunfähig sei, verhält sich zu den Anforderungen von etwaigen Verweisungsberufen ebenso nicht. Demgemäß entbehren schon die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen Dr. H. vom 9. Juli 2003 - soweit sie sich auf andere in der Akte vorgeschlagene Verweisungstätigkeiten beziehen - mit Blick auf die Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage.
11
b) Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Beklagte für den Verweisungsberuf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr die Ausführungen der berufskundlichen Sachverständigen Ho. zur Darstellung dieser Tätigkeit zu Eigen gemacht hat, hätte sie ihrer Vortragslast nur dann genügt, wenn sich aus den Angaben der Sachverständigen die prägenden Merkmale dieser Tätigkeit ausreichend entnehmen ließen. Das ist indessen nicht der Fall. In ihrem schriftlichen Gutachten beschränkt sich die Sachverständige Ho. vielmehr auf die abstrakte Beschreibung denkbarer Einsatzmöglichkeiten eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr, ohne auf die konkreten Verhältnisse am Arbeitsplatz wie etwa die Arbeitsbelastung, die Arbeitsabläufe sowie die Arbeitszeiten einzugehen. Angesichts der denkbaren Bandbreite der beruflichen Einsatzmöglichkeiten war auch danach für einen medizinischen Sachverständigen eine Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger die verschiedenen beruflichen Tätigkeiten gesundheitlich bewältigen kann, nicht möglich. Das Ergänzungsgutachten dieser Sachverständigen führte nicht zu der gebotenen Konkretisierung des Tätigkeitsbildes, es bemühte sich vielmehr seinerseits darum, die Äußerungen des medizinischen Sachverständigen mit dem - nach wie vor unvollständigen - Berufsbild der Verweisungstätigkeit abzugleichen. Daraus folgt im Ergebnis, dass es auch den weiteren vom Landgericht eingeholten Stellungnahmen des medizinischen Sachverständigen an ausreichenden Vorgaben zum außermedizinischen Sachverhalt fehlte, wie die Auseinandersetzung um die bei Ausübung der Tätigkeit (welcher konkreten?) zu bewältigenden Gewichte nachhaltig verdeutlicht.
12
3. Es kommt hinzu:
13
Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen.
14
a) Dies gilt zum einen für die vom Kläger bereits im ersten Rechtszug beantragte, letztlich aber unterbliebene Anhörung des medizinischen Sachverständigen Dr. H. .
15
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben die Parteien zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs einen Anspruch darauf, dass sie einem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich halten, in mündlicher Anhörung stellen können (§§ 397, 402 ZPO). Dieses Antragsrecht der Parteien besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 182/05 - VersR 2006, 950 Tz. 6 m.w.N.). Hat das Landgericht einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung nicht entsprochen, so muss das Berufungsgericht dem im zweiten Rechtszug wiederholten Antrag stattgeben (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 - VI ZR 13/95 - VersR 1996, 211 f.).
16
Danach bb) begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht, das den Sachverständigen Dr. H. zunächst zur mündlichen Verhandlung geladen hatte, wegen dessen Verhinderung auf die Anhörung verzichtete und sich mit einer erneuten schriftlichen Stellungnahme dieses Sachverständigen begnügte. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen - und sei es auch nur stillschweigend - verzichtet hätte (vgl. dazu auch BGH aaO). Ein solcher Verzicht lag im vorliegenden Fall auch deshalb fern, weil der Sachverständige Dr. H. nach dem Vortrag des Klägers zu dem Gutachten des für die Beklagte tätig gewordenen Gefäßchirurgen Dr. K. Stellung nehmen und sich zu seiner Sachkunde äußern sollte. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die (weitere) schriftliche Stellungnahme die beantragte Anhörung des Dr. H. nicht ersetzen konnte, da dieser sich darin auf die Bemerkung beschränkt hatte, er wolle die Ausführungen des Gefäßchirurgen Dr. K. zur Berufsfähigkeit des Klägers nicht kommentieren. Angesichts des Umstandes, dass die bis dahin erfolgten gutachterlichen Stellungnahmen des Dr. H. lediglich auf der Auswertung von Befunden und nicht auf persönlichen Untersuchungen des Klägers beruhten, wäre dessen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht umso mehr geboten gewesen. Das Berufungsgericht hätte deshalb dem Antrag des Klägers auf Anhörung des Sachverständigen stattgeben müssen. Ein solcher Antrag ist hier jedenfalls der ausführlich begründeten Rüge des Klägers zu entnehmen, seinem erstinstanzlich gestellten Antrag sei verfahrensrechtswidrig nicht entsprochen worden.
17
b) Zu Recht beanstandet die Revision ferner, dass sich das Berufungsurteil nur unzureichend mit den Ausführungen in dem vom Kläger vorgelegten - in einem sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten - internistisch -angiologischen Gutachten des Prof. Dr. B. auseinander setzt, das dem Ergebnis des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. H. zur Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers widerspricht. Das verletzt das dem Tatrichter bei Erhebung des Sachverständigenbeweises eingeräumte Ermessen und den Grundsatz freier tatrichterlicher Beweiswürdigung (§§ 412, 286 ZPO) und lässt besorgen , das Berufungsgericht habe auch insoweit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.
18
aa) Legt eine Partei ein solches medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachver- ständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (Senatsurteil vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03 - VersR 2005, 676 unter II 2 b aa m.w.N.).
19
Die bb) Auffassung des Berufungsgerichts, Prof. Dr. B. habe für seine Beurteilung, der Kläger müsse nach zwei Stunden Arbeitszeit bestimmte nicht unerhebliche Pausenzeiten einhalten, lediglich die subjektiven Empfindungen des Klägers in sein Gutachten übernommen , ohne sie an Hand eines objektiven Befundes zu überprüfen, weshalb das Gutachten Dr. H. insoweit nicht erschüttert werde, erweist sich im Gesamtzusammenhang der Ausführungen in dem genannten Gutachten als nicht nachvollziehbar. Lediglich auf Seite 7 seines Gutachtens referiert der Sachverständige die Angaben des Klägers und eines anderen Gutachters, kommt in seinen darauf folgenden Ausführungen jedoch zu einer eingehenden, von den Angaben des Klägers unabhängigen Einschätzung seiner beruflichen Belastbarkeit aufgrund eigener Untersuchung und Urteilsbildung. Danach ist es aus Sicht dieses Sachverständigen notwendig, dem Kläger nach jeweils maximal zwei Stunden körperlich aktiver Arbeitszeit eine mindestens dreißigminütige Pause, wenn nötig auch eine Pause von einer Stunde Dauer zu ermöglichen, es sei denn, der Kläger kann über einen längeren Zeitraum in sitzender Position mit hoch gelagertem Bein arbeiten; sollte ihm letzteres jederzeit möglich sein, seien nicht mehr Pausen als üblich einzulegen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei rechtsfehlerfreier Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B.
die Frage der Verweisbarkeit des Klägers auf den Beruf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr anders beurteilt hätte. Nach dem Vortrag des Klägers hat der im sozialgerichtlichen Verfahren gehörte berufskundliche Sachverständige Ku. ausgeführt, die Einschränkungen, denen der Kläger - dem Gutachten Prof. Dr. B. zufolge - bei einer möglichen beruflichen Tätigkeit unterliege, ließen es fraglich erscheinen, ob er überhaupt eine Arbeitsstelle finden werde. Zwar hat das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend darauf abgestellt, dass bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit die Lage auf dem Arbeitsmarkt unberücksichtigt bleiben muss (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. November 1985 - IVa ZR 23/84 - NJW-RR 1986, 451 unter II 5). Dabei wird aber vorausgesetzt, dass es die dem Versicherungsnehmer angesonnene Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt überhaupt und nicht nur in unbedeutendem Umfang gibt, ein Arbeitsmarkt also überhaupt existiert (Senatsurteil vom 23. Juni 1999 aaO unter 3 b). Danach scheiden Verweisungen auf Tätigkeiten, die nur in Einzelfällen nach den besonderen Anforderungen eines bestimmten Betriebes geschaffen oder auf die speziellen Bedürfnisse eines einzelnen Arbeitnehmers zugeschnitten sind (Nischenarbeitsplätze), grundsätzlich ebenso aus wie Verweisungen auf Tätigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt nur in so geringer Zahl bereit stehen, dass von einem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr die Rede sein kann (Senatsurteil aaO).
20
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Bückeburg, Entscheidung vom 24.03.2006 - 2 O 74/02 -
OLG Celle, Entscheidung vom 21.12.2006 - 8 U 104/06 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2008 - IV ZR 10/07

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2008 - IV ZR 10/07

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2008 - IV ZR 10/07 zitiert 7 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 412 Neues Gutachten


(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. (2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein S

Zivilprozessordnung - ZPO | § 411 Schriftliches Gutachten


(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat. (2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverst

Zivilprozessordnung - ZPO | § 402 Anwendbarkeit der Vorschriften für Zeugen


Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 397 Fragerecht der Parteien


(1) Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten. (2) Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten und hat ihren Anwälten auf

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2008 - IV ZR 10/07 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2008 - IV ZR 10/07 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2006 - IV ZR 182/05

bei uns veröffentlicht am 15.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 182/05 vom 15. März 2006 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno und die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und Dr. Franke am 15. März 2006 b
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2008 - IV ZR 10/07.

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juni 2019 - IV ZR 19/18

bei uns veröffentlicht am 26.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 19/18 Verkündet am: 26. Juni 2019 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja A

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05

bei uns veröffentlicht am 13.05.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 211/05 Verkündetam: 13.Mai2009 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Nov. 2011 - IV ZR 49/11

bei uns veröffentlicht am 23.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 49/11 vom 23. November 2011 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und

Oberlandesgericht Nürnberg Urteil, 26. Feb. 2015 - 8 U 266/13

bei uns veröffentlicht am 26.02.2015

Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 17.12.2012, Az. 11 O 405/11, abgeändert. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.792,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Proze

Referenzen

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten.

(2) Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten.

(3) Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht.

Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.

(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 182/05
vom
15. März 2006
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno und die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt
und Dr. Franke
am 15. März 2006

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 8. Juli 2005 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 36.959,65 €

Gründe:


1
I. 1. Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Er ist der Auffassung, wegen ver- schiedener gesundheitlicher Beeinträchtigungen liege bei ihm eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit von mindestens 50% vor.
2
Das a) Landgericht hat dazu durch Einholung mehrerer schriftlicher Sachverständigengutachten Beweis erhoben. Schriftliche Gutachten haben der Orthopäde Prof. Dr. S. , der Neurologe Prof. Dr. K. (unter Einschluss eines neurophysiologischen Zusatzgutachtens) sowie der Neurochirurg Prof. Dr. E. erstattet. Sämtliche Gutachten kamen zu dem Ergebnis, beim Kläger liege bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht vor. Bei dieser Beurteilung blieben die Sachverständigen auch in vom Landgericht auf entsprechende Einwände des Klägers eingeholten ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen. Der Kläger beantragte , die Sachverständigen zu laden, damit sie in der mündlichen Verhandlung von ihm befragt werden könnten. Ferner lehnte er den Sachverständigen Prof. Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit ab, blieb damit jedoch erfolglos. Auf seine Anregung hin wurde vom Landgericht ergänzend ein berufs- bzw. arbeitsmedizinisches Gutachten des Dr. K. eingeholt, das ebenfalls zu einer sicher unter 50% liegenden Berufsunfähigkeit gelangte. Das Landgericht wies die Klage daraufhin als unbegründet ab, ohne die Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung persönlich anzuhören. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er in dem von ihm ausgeübten Beruf zu mindestens 50% berufsunfähig sei.
3
b) Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein und beanstandete insbesondere, das Landgericht habe entgegen seinen Anträgen die Sachverständigen nicht zur mündlichen Verhandlung geladen, so dass er sie zu ihrem Gutachten nicht habe befragen können. Nach Be- weisaufnahme durch Anhörung des arbeitsmedizinischen Sachverständigen Dr. K. hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel zurückgewiesen , da der Eintritt bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht bewiesen sei. Dies habe auch der Sachverständige Dr. K. in seinem schriftlichen Gutachten sowie in seiner Anhörung vor dem Senat in Übereinstimmung mit den anderen Gutachten bestätigt. Konkrete Anhaltspunkte , die Anlass geben könnten, an der Richtigkeit der anderen Gutachten zu zweifeln, sei nicht vorhanden.
4
2. Mit seiner Beschwerde beanstandet der Kläger unter anderem die unterbliebene Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. S. , Prof. Dr. K. sowie Prof. Dr. E. und rügt insoweit die Verletzung seines Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Mit den Anträgen auf Anhörung der Sachverständigen habe er jeweils konkrete Fragen an diese verbunden. Zwar habe das Landgericht , statt diesen Anträgen nachzugehen, ein berufs- und arbeitsmedizinisches Gutachten von Dr. K. eingeholt. Damit habe sich jedoch allenfalls sein Antrag auf Vernehmung von Prof. Dr. K. erledigt, weil das arbeitsmedizinische Gutachten dem Gericht die Kenntnisse vermitteln sollte, die Prof. Dr. K. nicht hatte. Für alle anderen Anhörungsanträge gelte dies nicht. Da der Kläger in der Berufungsinstanz das Übergehen seiner Anhörungsanträge gerügt und diese allesamt wiederholt habe, hätte das Berufungsgericht ihnen auch nachgehen müssen. Entscheidungserheblich sei insbesondere der Antrag auf Anhörung des orthopädischen Gutachters Prof. Dr. S. gewesen.

5
II. Die zulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend , dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft von einer mündlichen Anhörung von Sachverständigen abgesehen hat. Es hat damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
6
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Frage, ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des von ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, nicht darauf an, ob das Gericht noch Erläuterungsbedarf sieht oder ob gar zu erwarten ist, dass der Gutachter seine Auffassung ändert. Die Parteien haben zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich halten, in mündlichen Anhörung stellen können. Dieses Antragsrecht der Parteien besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 - VI ZR 245/04 - VersR 2005, 1555 unter 2 a m.w.N.; BGHZ 6, 398, 400 f.; 24, 9, 14 und ständig). Hat das Landgericht einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung nicht entsprochen, so muss das Berufungsgericht dem im zweiten Rechtszug wiederholten Antrag stattgeben (BGH, Urteil vom 24 Oktober 1995 - VI ZR 13/95 - VersR 1996, 211 f.). Dabei kann von der Partei, die einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, dass sie die Fragen, die sie an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt, im Voraus konkret formuliert. Es genügt, wenn sie allgemein angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht (BGHZ 24, 9, 14).

7
2. Danach begegnet es schon in Bezug auf den orthopädischen Sachverständigen Prof. Dr. S. durchgreifenden rechtlichen Bedenken , dass das Berufungsgericht von dessen persönlicher Anhörung in der mündlichen Verhandlung abgesehen hat.
8
Der Kläger hatte im ersten Rechtszug rechtzeitig die Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens vom 13. September 1999 beantragt; dieser Antrag war auch nach Eingang der ergänzenden Stellungnahme dieses Sachverständigen vom 21. Februar 2000 nicht schon dadurch erledigt, dass der Kläger diesen Sachverständigen in der Zwischenzeit wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte. Da also schon das Landgericht den Sachverständigen hätte laden müssen, das Verfahren in erster Instanz mithin fehlerhaft war, war das Berufungsgericht an die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil nicht gebunden und hätte seinerseits den Sachverständigen laden müssen. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO hätte es die aufgrund des Gutachtens getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zu Grunde legen dürfen. Der Auffassung der Beschwerdeerwiderung, nach - wenn auch erfolgloser - Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. S. durch den Kläger habe das Berufungsgericht nicht mehr davon ausgehen müssen, dass er die ihm obliegende Beweisführung weiterhin auf ein Gutachten dieses Sachverständigen habe stützen wollen, kann nicht gefolgt werden. Zwar kann in einem bestimmten Prozessverhalten einer Partei nach den Umständen des Falles auch eine stillschweigende Erklärung gesehen werden, sich - nunmehr - in Bezug auf ein Sachverständigengutachten mit einer schriftlichen Erläuterung zufrieden geben zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 aaO). Im vorliegenden Fall hatte der Kläger jedoch im Berufungsrechtszug hatte der Kläger jedoch im Berufungsrechtszug nicht nur die unterbliebene Anhörung des Sachverständigen im ersten Rechtszug gerügt, sondern seine dahingehenden Anträge ausdrücklich wiederholt. Da das Gutachten wegen der erfolglos gebliebenen Ablehnung des Sachverständigen auch Grundlage für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit des Klägers geblieben war, musste diesem um so mehr daran gelegen sein, das für ihn ungünstige Ergebnis des Gutachtens durch eine Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zu erschüttern.
9
3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Klärung zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sach- verständigen Prof. Dr. S. erwägen müssen, ob ergänzend auch eine persönliche Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. K. und Prof. Dr. E. geboten ist.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Trier, Entscheidung vom 09.03.2004 - 11 O 428/97 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 08.07.2005 - 10 U 440/04 -

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.