Oberlandesgericht Nürnberg Urteil, 26. Feb. 2015 - 8 U 266/13

bei uns veröffentlicht am26.02.2015
vorgehend
Landgericht Weiden, 11 O 405/11, 17.12.2012

Gericht

Oberlandesgericht Nürnberg

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 17.12.2012, Az. 11 O 405/11, abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.792,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 529,84 € seit 02.09.2009, aus weiteren 1589,52 € seit 02.10.2009, aus weiteren 1589,52 € seit 02.01.2010, aus weiteren 1589,52 € seit 02.04.2010, aus weiteren 1589,52 € seit 02.07.2010, aus weiteren 1589,52 € seit 02.10.2010, aus weiteren 1589,52 € seit 02.01.2011, aus weiteren 1589,52 € seit 02.04.2011, aus weiteren 1589,52 € seit 02.07.2011, aus weiteren 1589,52 € seit 02.10.2011, aus weiteren 1589,52 € seit 02.01.2012 und aus weiteren 1.452,57 € seit 03.02.2012 zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber aus dem Versicherungsvertragsverhältnis zur Versicherungsschein-Nummer … die vereinbarten Leistungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Zahlung einer vierteljährlichen Rente, Beitragsbefreiung) ab dem 01. April 2012, längstens bis zum Vertragsende, zu erbringen hat.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 38.342,34 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten unter Versicherungsschein-Nummer … eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (nachfolgend: BUZ), Vertragsbeginn war der 01.11.1987, als Ablaufzeitpunkt der Versicherung ist der 01.11.2031 vereinbart. Hinsichtlich der Versicherungsleistung und der Versicherungsbedingungen wird auf den Versicherungsschein vom 10.11.1987 und die vereinbarten Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung … der Beklagten (nachfolgend: BB-BUZ) Bezug genommen (Anlagenkonvolut der Klägerin, hier zum Schriftsatz vom 24.05.2013). Leistungspflicht aus der Zusatzversicherung besteht nach § 1 Abs. 1 S. 1 BB-BUZ bei mindestens 50%-iger Berufsunfähigkeit, die wiederum in § 2 Abs. 1 BB-BUZ dahin definiert ist, dass die Klägerin außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.

Die Klägerin machte am 14.09.2009 bei der Beklagten Leistungen aus der BUZ geltend, die versicherte Berufsunfähigkeitsrente belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 1.589,52 € vierteljährlich bei einem Monatsbeitrag für Hauptversicherung und Zusatzversicherungen von 81,76 €. Die Klägerin zahlte auch nach dem Leistungsantrag die Beiträge fort, die sich ab 01.11.2009 auf 85,03 € und ab 01.11.2011 auf 88,43 € erhöhten.

Die Klägerin war in gesunden Tagen als Arzthelferin tätig im Umfang einer geringfügigen Beschäftigung i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV an zwei Arbeitstagen mit je 5 Stunden, wobei sie zum Arbeitsplatz in... eine Wegstrecke von 13 km hatte. In diesem Beruf ist sie wegen einer psychischen Erkrankung, in deren Folge sie eine panische Angst vor Ansteckung mit Hepatitis oder dem HI-Virus entwickelte, seit 28.12.2006 zu mindestens 50% berufsunfähig, die Arbeitsstelle wurde zeitnah aufgegeben.

Die Beklagte verwies die Klägerin auf eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen oder Kliniken.

Die Klägerin trägt vor, dass sie für die Verweisungstätigkeit nicht ausreichend qualifiziert sei, es bestehe in der Region ihres Wohnorts kein Arbeitsmarkt für diesen Beruf bei Zugrundelegung einer Teilzeittätigkeit von 10 Wochenstunden als geringfügig Beschäftigte, ein Arbeitsplatz in weiterer Entfernung, etwa 50 km, sei ihr im Hinblick auf die anfallenden Fahrtkosten in Relation zum Verdienst nicht zumutbar, außerdem sei sie auch hinsichtlich der Verweisungstätigkeit berufsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen, da ihre Leistungsfähigkeit auch hinsichtlich des Telefonierens sowie für PC-Tätigkeit im medizinischen Kontext eingeschränkt sei. Insoweit würden Ängste vor Falschauskünften und Falscheingaben bestehen.

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin sei aufgrund ihrer Ausbildung als Arzthelferin für die vorgeschlagene Tätigkeit jedenfalls nach zumutbarer Einarbeitung hinreichend qualifiziert, ein entsprechender Arbeitsmarkt sei auch im zumutbaren Umkreis vorhanden. Eine Berufsunfähigkeit bezüglich der Verweisungstätigkeit werde bestritten.

Wegen des Parteivorbringens in 1. Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 17.12.2012 Bezug genommen.

Das Landgericht hat im Termin vom 03.02.2012 (Protokoll Bl. 54 ff d. A.) die Klägerin persönlich angehört und den Arzt Dr. C. als sachverständigen Zeugen zu leidensbedingten Einschränkungen der Klägerin beim Telefonieren und bei PC-Arbeiten im medizinischen Kontext vernommen. Mit Beschluss vom 30.03.2012 hat das Landgericht ein berufskundliches Gutachten des Dipl.-Verwaltungswirts D. zu der Frage erholt, ob die Klägerin die Zugangsvoraussetzungen für die von der Beklagten aufgezeigte Verweisungstätigkeit einer Verwaltungsangestellten bei Krankenkassen oder in Krankenhäusern und Kliniken besitzt, das am 13.08.2012 beim Landgericht einging (Bl. 81 ff d. A.). Im Termin am 17.12.2012 (Protokoll Bl. 119 ff d. A.) wurde der Sachverständige D. ergänzend angehört.

Mit Endurteil vom gleichen Tag hat das Landgericht Weiden i. d. OPf. die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass sich die Parteien lediglich darüber stritten, ob die Ausbildung und Erfahrung der Klägerin zur Ausübung der Verweisungstätigkeit ausreiche, ihre gesundheitliche Fähigkeit zur Ausübung der Verweisungstätigkeit sei nicht streitig. Das Landgericht hat sich in vollem Umfang dem Gutachten des Sachverständigen D. angeschlossen, der ausgeführt habe, dass die Klägerin als gelernte Arzthelferin aus berufskundlicher Sicht eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen, Krankenhäusern und Kliniken ausüben könne. Die Arbeitsmarktlage - so das Gericht - sei bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit schlechthin nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin hat gegen das am 10.01.2013 zugestellte Endurteil mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.02.2013, am selben Tag beim Oberlandesgericht Nürnberg eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 10.04.2013, eingegangen am selben Tag, begründet.

Die Klägerin rügt, das Landgericht habe die Arbeitsmarktsituation zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Für die Verweisungstätigkeit gebe es in Teilzeit zu je 5 Stunden an zwei Tagen die Woche im zumutbaren Umkreis keine Stellen und damit keinen entsprechenden Arbeitsmarkt. Der Sachverständige habe sich nur allgemein zu Teilzeitbeschäftigungen geäußert. Außerdem habe die Beklagte schon gar nicht entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung das Anforderungsprofil der Verweisungstätigkeit vorgetragen. Damit fehle den erholten Gutachten die Grundlage. Sie könne auch die Verweisungstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben, weil sie panische Angst habe, Fehler zu machen. Dem Beweisangebot eines medizinischen Sachverständigengutachtens sei das Landgericht nicht nachgegangen. Die Klägerin verfüge auch nicht über die notwendige Vorbildung für die Verweisungstätigkeit. Die Einarbeitungszeit würde deshalb wegen der geringen wöchentlichen Arbeitszeit bis zu 1 Jahr betragen und sei damit unzumutbar lang. Bei der Verweisungstätigkeit handle es sich um einen Anlernberuf, der vom Ansehen her nicht mit ihrem Ausbildungsberuf als Arzthelferin vergleichbar sei.

Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz zuletzt:

1. Das Urteil des Landgerichtes Weiden vom 17. Dezember 2012 zum Az. 11 O 405/11 wird - samt dem ihm zugrunde liegenden Verfahren - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Weiden zurückverwiesen.

2. Im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichtes wird beantragt:

2.1. Das Urteil des Landgerichtes Weiden vom 17. Dezember 2012 zum Az. 11 O 405/11 wird aufgehoben.

2.2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat September 2009 eine Rente i. H. v. 529,84 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02. September 2009 zu bezahlen.

2.3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückwirkend ab dem 01. Oktober 2009 bis einschließlich 31. März 2012 eine vierteljährliche Rente, vierteljährlich im Voraus, von (3 x 529,84 € =) 1589,52 €, insgesamt (10 Quartale a 1589,52 € =) 15.895,20 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten aus 1589,52 € seit dem 02. Oktober 2009, aus 1589,52 € seit dem 02. Januar 2010, aus 1589,52 € seit dem 02. April 2010, aus 1589,52 € seit dem 02. Juli 2010, aus 1589,52 € seit dem 02. Oktober 2010, aus 1589,52 € seit dem 02. Januar 2011, aus 1589,52 € seit dem 02. April 2011, aus 1589,52 € seit dem 02. Juli 2011, aus 1589,52 € seit dem 02. Oktober 2011 und aus 1589,52 € seit dem 02. Januar 2012 zu bezahlen.

2.4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 163,52 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit aus 2 x 81,76 €, 850,30 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit aus 12 x 85,03 € und 353,72 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit aus 4 x 88,43 € zu bezahlen.

2.5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber aus dem Versicherungsvertragsverhältnis zur Versicherungsscheinnummer … die vereinbarten Leistungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Zahlung einer monatlichen Rente, Beitragsbefreiung) ab dem 01. April 2012, längstens bis zum Vertragsende, zu erbringen hat.

Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil als richtig. Der Sachverständige D. habe bestätigt, dass es Arbeitsplätze als Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen und in Krankenhäusern und Kliniken in allen denkbaren Varianten gebe. Es gebe Teilzeitarbeitsplätze mit 10 Wochenstunden im Verweisungsberuf auch im räumlichen Mobilitätsbereich der Klägerin. Ob entsprechende Arbeitsplätze frei seien und konkret angeboten würden, sei unerheblich. Die Klägerin sei gesundheitlich in der Lage, den Verweisungsberuf auszuüben. Es werde weiter bestritten, dass sich ihre gesundheitlichen Einschränkungen auf Telefongespräche und PC-Arbeiten auswirken würden. Die Verweisungstätigkeit sei sowohl vom Ansehen als auch vom Verdienst her vergleichbar. Der Sachverständige habe das Anforderungsprofil des Verweisungsberufs, das je nach Arbeitgeber variiere, dargelegt. Bei der Einarbeitungszeit von 3 Monaten habe er Teilzeitbeschäftigung zugrunde gelegt.

Hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze und die vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat am 15.07.2013 mündlich verhandelt, am 02.12.2013 den Sachverständigen D. angehört und mit Beschluss vom 19.02.2014 eine ergänzende schriftliche Stellungnahme zu Einwänden der Klägerin gegen sein Gutachten beauftragt, die der Sachverständige unter dem 11.04.2014 erstellte. Nach weiteren Einwendungen der Klägerin gegen die Stellungnahme des Sachverständigen ist er am 31.07.2014 erneut angehört worden. Mit Beschluss vom 18.08.2014 hat der Senat ein ergänzendes schriftliches Gutachten des Sachverständigen D. beauftragt, das der Sachverständige unter dem 20.10.2014 erstellte und nach Hinweis auf den Umfang des Beweisthemas unter dem 10.11.2014 ergänzte. Am 26.01.2015 hat der Senat zur Arbeitsmarktsituation die Zeugen E., F., G., H., I. und K. vernommen. Insoweit wird auf die Sitzungsprotokolle vom 15.07.2013, 02.12.2013, 31.07.2014 und 26.01.2015 sowie auf die berufskundlichen Stellungnahmen des Sachverständigen D. vom 11.04.2014, 20.10.2014 und 10.11.2014 verwiesen.

II.

Die zulässige (§§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 517, 519 Abs. 1 u. 2, 520 Abs. 1 - 3 ZPO) Berufung hat in der Sache Erfolg.

Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag ab September 2009 die für den Fall bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit vereinbarten Leistungen zu erbringen.

1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin „ihren Beruf“ i. S. v. § 2 Abs. 1 BB-BUZ, d. h. ihre letzte berufliche Tätigkeit in gesunden Tagen (BGH, Urteil v. 03.041996, IV ZR 344/94, juris; Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl., § 172, Rn. 7; Lücke in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., BU § 2, Rn. 17), hier als Arzthelferin in Form einer Teilzeitbeschäftigung mit ca. 10 Wochenstunden als geringfügig Beschäftigte i. S. v. § 8 SGB IV, mindestens zu 50% nicht mehr ausüben kann.

2. Nach der Beweisaufnahme durch den Senat besteht auch kein Zweifel daran, dass die Klägerin - infolge Fehlens eines entsprechenden Arbeitsmarkts - außerstande ist, eine Verweisungstätigkeit i. S. v. § 2 Abs. 1 BB-BUZ auszuüben, d. h. eine andere Tätigkeit, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.

2.1. Lässt der Vertrag wie vorliegend eine abstrakte Verweisung zu, muss der Versicherungsnehmer vortragen und beweisen, dass er nicht auf eine andere Tätigkeit, die er noch nicht ausübt, verwiesen werden darf. Diesen Negativbeweis kann er jedoch nur dann ordnungsgemäß antreten, wenn der Versicherer den von ihm beanspruchten Vergleichs-/Verweisungsberuf bezüglich der ihn jeweils prägenden Merkmale (insbesondere erforderliche Vorbildung, übliche Arbeitsbedingungen, z. B. Arbeitsplatzverhältnisse, Arbeitszeiten, ferner übliche Entlohnung, etwa erforderliche Fähigkeiten oder körperliche Kräfte, Einsatz technischer Hilfsmittel) näher konkretisiert. Nur dann kann der beweisbelastete Versicherungsnehmer insoweit das Bestreiten von Berufsunfähigkeit mit substantiierten Beweisangeboten bekämpfen, die nicht als Ausforschungsversuch zu werten sind, denen vielmehr nachgegangen werden muss (BGH, Urteil v. 29.06.1994, IV ZR 120/93, juris, Rn. 12; Rixecker, a. a. O., Rn. 45; Lücke, a. a. O., Rn. 86; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung,3. Aufl., H. XI., Rn. 224).

Dieser Aufzeigelast ist die Beklagte nachgekommen, indem sie die Klägerin auf eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen, Krankenhäusern, Kliniken verwiesen hat.

2.2. Die Berufsunfähigkeitsversicherung schützt nicht vor den Unwägbarkeiten des Arbeitsmarktes. Die in den Versicherungsbedingungen gewählte Merkmalsbeschreibung gibt nämlich keinen Anhalt, dass Arbeitslosigkeit ein mitversichertes Risiko ist. Damit muss die Lage auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich unberücksichtigt bleiben (BGH, Urteil v. 05.04.1989, IVa ZR 35/88, juris, Rn. 19; Rixecker, a. a. O., Rn. 58; Lücke, a. a. O., Rn. 72).

Insoweit ist aber vorauszusetzen, dass es die dem Versicherten angesonnene Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt überhaupt und nicht nur in unbedeutendem Umfange gibt, ein Arbeitsmarkt also überhaupt existiert. Denn anderenfalls fehlt für den Versicherten schon von vornherein - und ohne dass es auf die Frage nach freien Stellen noch ankommen könnte - die Aussicht darauf, der ihm aufgezeigten beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Demgemäß scheiden Verweisungen auf Tätigkeiten, die nur in Einzelfällen nach den besonderen Anforderungen eines bestimmten Betriebes geschaffen oder auf spezielle Bedürfnisse eines bestimmten Mitarbeiters zugeschnitten worden sind („Nischenarbeitsplätze“), grundsätzlich ebenso aus wie Verweisungen auf Tätigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt nur in so geringer Zahl bereit stehen, dass von einem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr die Rede sein kann (BGH, Urteil vom 23.06.1999, IV ZR 211/98, juris, Rn. 18; Urteil vom 23.01.2008, IV ZR 10/07, juris, Rn. 19; Rixecker, a. a. O., Rn. 59; Lücke, a. a. O., Rn. 78; Neuhaus, a. a. O., H. VII., Rn. 181).

2.3. Bei der Prüfung, ob ein Arbeitsmarkt für die Verweisungstätigkeit überhaupt besteht, ist sowohl in geographischer Sicht - Aspekt der Mobilität - als auch unter dem Gesichtspunkt der zu berücksichtigenden Stellen - zeitlicher Umfang der Tätigkeit und sozialversicherungsrechtliche Einordnung - darauf abzustellen, was dem Versicherungsnehmer zumutbar ist. Dies ergibt sich aus der Auslegung von § 2 Abs. 1 BB-BUZ - seiner bisherigen Lebensstellung entspricht - und dem Grundsatz von Treu und Glauben (OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.01.2001, 5 U 720/99, juris, Rn. 35; Rüther, Berücksichtigung der Arbeitsmarktverhältnisse bei Verweisungen in der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung?, NVersZ 1999, 497, 498; Lücke in Prölss/Martin, VVG, § 172, Rn. 106; Neuhaus, a. a. O., H., VII., Rn. 179). Dem Versicherungsnehmer ist vertraglich für die von ihm aufgewandten Prämien eine Leistung im Versicherungsfall versprochen worden, auf deren Einlösung er sich, wenn er sich selbst verständig verhält, verlassen darf (Rixecker, a. a. O., Rn. 57).

2.3.1. Bei der Bestimmung des für eine Verweisung in Betracht kommenden geographischen Gebiets ist zunächst festzuhalten, dass eine ausdrückliche Regelung hierzu in den Versicherungsbedingungen fehlt. Die allgemeine Überlegung, heutzutage sei berufliche Mobilität gefragt und auch weitestgehend üblich, ist für sich allein kein taugliches Entscheidungskriterium. Maßgebend unter dem Gesichtspunkt der Formulierung in den Versicherungsbedingungen „seiner bisherigen Lebensstellung entspricht“ ist vielmehr, ob und in welchem Umfang dem Versicherten ein Pendeln vom Wohnort zum Arbeitsplatz oder gar ein Umzug in eine andere Stadt zumutbar ist. Dies hängt zum einen ab von der Mobilität, die er in seinem bisherigen Berufsleben bereits gezeigt hat und die auch im bisherigen Beruf oder einer zu berücksichtigenden Verweisungstätigkeit üblicherweise erwartet wird. Darüber hinaus wird man aber auch nicht außer Acht lassen dürfen, ob und inwieweit soziale und sonstige schützenswerte Bindungen (z. B. familiäre Verhältnisse; berufliche Situation des Lebenspartners; Vorhandensein von Wohneigentum, etc.) zum derzeitigen Wohnort bestehen, die einen berufsbedingten Umzug unzumutbar machen. In der Regel gilt daher: Ein zur Ausübung einer Verweisungstätigkeit erforderlicher Wohnortwechsel ist unzumutbar. Zumutbar ist jedoch ein Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort, wie es viele Arbeitnehmer handhaben. Dies führt zu einer regelmäßigen Begrenzung des Verweisungsgebiets auf berufliche Einsatzorte, die der Versicherte von seiner Wohnung aus täglich in zumutbarer Entfernung erreichen kann (Rüther, a. a. O., NVersZ 1999, 497, 499; OLG Saarbrücken, VersR 1994, 969, 970; Neuhaus, a. a. O., H. VII., Rn. 187 f; Lücke, a. a. O.; Rixecker, a. a. O.).

Nach diesen Kriterien ist der Klägerin eine räumliche Mobilität von maximal 40 km Fahrstrecke ab ihrem Wohnort zumutbar.

Ein Umzug scheidet wegen der familiären Bindungen am Wohnort und der Teilzeittätigkeit an zwei Tagen offensichtlich aus. Bei der arbeitstäglichen Mobilität ist von der wöchentlichen Arbeitszeit in gesunden Tagen von 10 Stunden, die wegen § 3 ArbzG nicht an einem Tag gearbeitet werden dürfen, auszugehen, so dass an mindestens zwei Tagen gependelt werden muss. Die Klägerin ist bislang 13 km nach … gependelt. Wenn man diese Entfernung verdreifacht, liegt man bei 39 km. Auch darf der nach den Ausführungen des Sachverständigen D. (Anhörung vom 02.12.2013, Bl. 212 d. A.; Stellungnahme vom 11.04.2014, Bl. 242 d. A.) erzielbare Stundenlohn von ca. 10,50 € und die sich daraus ergebende Gesamtentlohnung im Bereich von 450,- € nicht unberücksichtigt bleiben. Legt man zur Schätzung der erforderlichen Fahrtkosten die Kostenerstattung nach § 5 JVEG von 0,25 € je gefahrenen Kilometer zugrunde, so musste die Klägerin in gesunden Tagen ca. 15% ihres Verdienstes (6,50 € bei zuletzt etwa 44,- € Tagesverdienst) für Fahrtkosten aufwenden, bei einer Entfernung von 39 km steigt dieser Wert auf 37% (19,50 € bei einem möglichen Tagesverdienst in der Verweisungstätigkeit von 52,50 €). Bei einer weiteren Entfernung würde die Klägerin anders ausgedrückt 2 von 5 Stunden pro Tag alleine für die Fahrtkosten arbeiten. Fahrtkostenerstattungen durch den Arbeitgeber sind nach den Ausführungen des Sachverständigen D. (Anhörung vom 02.12.2013, Bl. 214 d. A.) nicht üblich. Bei solchen wirtschaftlichen Gegebenheiten nimmt auch in ländlichen Regionen keine verständig handelnde (vgl. Rixecker, a. a. O., Rn. 57) Arzthelferin oder im Verweisungsberuf Beschäftigte längere Anfahrtswege als 40 km bei einer Teilzeittätigkeit im Bereich von 10 Wochenstunden auf sich.

2.3.2. Im Bereich der zu berücksichtigenden Stellen fokussiert sich die Zumutbarkeitsprüfung auf die Frage, ob der Klägerin nur eine geringfügige Beschäftigung i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV zumutbar ist oder auch eine moderate Erhöhung der Arbeitszeit in einem nach allgemeinen Kriterien sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.

Nach dieser Prüfung ist der Klägerin nur eine geringfügige Beschäftigung i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV zumutbar.

Bei der diesbezüglichen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in gesunden Tagen über einen Zeitraum von 5 Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit geringfügig beschäftigt i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV war (vgl. Anlagen zum klägerischen Schriftsatz vom 09.07.2014, Bl. 270 d. A.). Ergänzend hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 31.07.2014 erklärt, dass sie in der Vergangenheit nach Absprache mit der Arbeitgeberseite ihre Arbeitszeit reduziert hat, wenn etwa durch Erhöhungen des Stundenlohns die Grenze für die geringfügige Beschäftigung (bis 31.12.2012 400,- €; seitdem 450,- €) überschritten wurde. Damit hat das Merkmal der geringfügigen Beschäftigung die konkrete Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit der Klägerin geprägt. Sie hat ihren Lohn steuerfrei (Pauschalversteuerung durch Arbeitgeber) und ohne Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen erhalten (vgl. Anlagen zum klägerischen Schriftsatz vom 09.07.2014, Bl. 270 d. A.). Bei Überschreiten der Grenze nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV von derzeit 450,- € ist der Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig, was den Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen von derzeit mindestens 19% bei Zugrundelegung des Mindestbeitrags in der Krankenversicherung auslöst. Hinzu kommt die Steuerpflicht des Entgelts. Führt man entsprechend der Formel des Sachverständigen D. (Stellungnahme vom 11.04.2014, Bl. 242 d. A.) eine Vergleichsberechnung mit 15 Wochenstunden durch, würde sich ein Monatseinkommen von 681,98 € brutto errechnen. Hieraus ergibt sich ein Nettoeinkommen bei lebensnaher Zugrundelegung der Steuerklasse 5 (Abzug ca. 9%) im Bereich von 490,- €. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die Klägerin von 5 Mehrstunden pro Woche 4 Stunden für die Steuer- und Abgabenlast arbeiten würde. Eine solche Umgestaltung des Arbeitsvertrages nimmt auch bei verständigem Verhalten üblicherweise kein Beschäftigter auf sich.

2.4. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass in dem der Klägerin regional zumutbaren Gebiet (Entfernung von 40 km um ihren Wohnort) ein Arbeitsmarkt für eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen, Krankenhäusern und Kliniken in Form einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nicht besteht.

2.4.1. Der Sachverständige D. hat in seinem berufskundlichen Gutachten in erster Instanz vom 06.08.2012 (dort S. 6, Bl. 86 d. A.) ausgeführt, dass aus berufskundlicher Sicht für die von der Beklagten aufgezeigten Verweisungstätigkeiten sowohl Vollzeitkräfte wie auch Teilzeitkräfte in allen denkbaren Varianten anzutreffen seien. Von 400,- €-Kräften bis zu Teilzeitkräften, die bis zu 30 Stunden pro Woche arbeiten, seien alle Varianten möglich.

Diese Aussage hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 17.12.2012 (Bl. 121 d. A.) dahin eingeschränkt, dass sein Gutachtensauftrag eine regionale Einschränkung z. B. auf 20 Kilometer im Umkreis des Wohnsitzes der Klägerin nicht enthalten habe, und er deshalb diesen Arbeitsmarkt auch nicht untersucht habe.

Mit Terminsverfügung vom 11.10.2013 wurde der Sachverständige D. zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens unter der Fragestellung, ob in dem von der Beklagten aufgezeigten Verweisungsberuf in einem Umkreis von 20 km, hilfsweise 50 km, um den Wohnort der Klägerin in den vergangenen zwei Jahren oder aktuell konkrete Arbeitsplätze in Teilzeit mit 10 Stunden Wochenarbeitszeit angeboten wurden oder werden, geladen. Dies hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 02.12.2003 dahin beantwortet, dass er aktuell im vorgegebenen Stundenumfang im Umkreis von 20 km um den Wohnort der Klägerin keine freie Teilzeitstelle gefunden habe, in … - 55 km entfernt - eine Teilzeitstelle als Arztsekretärin in einem Krankenhaus sowie in … - 59 km entfernt - zwei Stellen als medizinische Fachangestellte, früher als Arzthelferin bezeichnet. Von der AOK in … habe er die Auskunft erhalten, dass dort Arzthelferinnen in Teilzeit, z. B. im Abrechnungsbereich, beschäftigt seien. Generell könne er aus seiner Erfahrung sagen, dass durchaus Stellen als Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen und Kliniken im Teilzeitbereich ausgeschrieben werden, im ländlichen Bereich natürlich deutlich weniger als in einer Stadt wie Nürnberg. Nach seiner Kenntnis seien die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt für dieses Berufsbild in den vergangenen Jahren nicht anders gewesen.

Nach weiteren Einwendungen der Klägerin gegen das Gutachten unter Hinweis auf ihre vormalige geringfügige Beschäftigung mit 2 x 5 Wochenstunden wurde der Sachverständige D. seitens des Senats um ergänzende Stellungnahme unter Würdigung der Wochenarbeitszeit von 10 Stunden gebeten. Der Sachverständige hat hierzu unter dem 11.04.2014 (Bl. 241 ff d. A.) dahin Stellung genommen, dass 10 Wochenstunden nach dem erzielbaren Stundenlohn von 10,50 € über der Geringfügigkeitsgrenze (450,- € ab 2013, vorher 400,- €) liegen würden, Teilzeitkräfte nach Recherchen bei drei Krankenkassen beschäftigt würden, in der Regel mit 20 Wochenstunden. Einstellungen mit 10 Wochenstunden müssten nach der Recherche im Einzelfall geprüft werden, seien nicht üblich und würden so nicht ausgeschrieben werden.

Nach erneutem Vortrag zu gescheiterten Blindbewerbungen der Klägerin per Mail wurde der Sachverständige zur Erläuterung des Ergänzungsgutachtens vom 11.04.2014 geladen. Im Termin vom 31.07.2014 räumte der Sachverständige ein, dass er bislang keine ausdrücklichen Feststellungen zu geringfügig Beschäftigen i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV getroffen habe. Er wurde deshalb mit Beweisbeschluss vom 18.08.2014 mit der Erstellung eines ergänzenden schriftlichen Gutachtens zur Arbeitsmarktsituation seit September 2009 im Gebiet 40 km um den Wohnsitz der Klägerin für Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen und Kliniken in geringfügiger Beschäftigung i. S. v. § 8 SGB IV beauftragt.

In seiner berufskundlichen Stellungnahme vom 20.10.2014 (Bl. 291 ff d. A.) führte der Sachverständige D. aus, dass er sieben in Betracht kommende Kliniken ermittelt habe, davon würden sechs derzeit keine Mitarbeiter auf Geringfügigkeitsbasis im Verwaltungsbereich beschäftigen, die Augenklinik … beschäftige auch 5 Mitarbeiterinnen auf Geringfügigkeitsbasis mit um die 10 Wochenstunden, allerdings seien Augenfachkundekenntnisse erforderlich, für Fachfremde sei die Einarbeitung zu komplex und langwierig. Zur Situation bei den Krankenkassen sei mit vier Krankenkassen telefoniert worden. Dort seien keine Mitarbeiter auf Geringfügigkeitsbasis beschäftigt.

Auf Hinweis, dass sich der Beweisbeschluss auch auf die Vergangenheit seit 2009 beziehe, ergänzte der Sachverständige seine Stellungnahme unter dem 10.11.2014 dahin, dass die Kliniken … AG in der Verwaltung noch nie Mitarbeiter auf Geringfügigkeitsbasis beschäftigt hätten, also auch nicht in 2009. Die Klinik … habe auch in 2009 keine geringfügig Beschäftigten im Verwaltungsbereich beschäftigt, die AOK … und die Geschäftstelle der BKK … in … ebenfalls noch nie. Dies lasse aus berufskundlicher Sicht den Schluss zu, dass die in der Stellungnahme vom 20.10.2014 gemachten Aussagen auch für die zurückliegende Zeit bis 2009 gelten.

2.4.2. Der Senat hat die tatsächliche Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen D. durch die Einvernahme weiterer benannter Zeugen aus dem Bereich der Kliniken und Krankenkassen in der vorgegebenen Region von 40 Entfernungskilometern um den Wohnort der Klägerin in … erweitert.

Die Zeugen E. und F. haben für die Klinik … (vormals Krankenhaus …) bestätigt, dass seit September 2009 bis heute keine geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse im Verwaltungsbereich bestanden haben und auch nicht ausgeschrieben worden seien. Eine Mitarbeiterin arbeite im Verwaltungsbereich derzeit nur mit 10 Wochenstunden, dies sei aber nach Erziehungsurlaub und Sonderurlaub eine befristete Vereinbarung wegen des Rückkehranspruchs der Mitarbeiterin. Diese sei außerdem nicht als geringfügig Beschäftigte i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV angestellt, sondern in einem sozialversicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis.

Die Zeugin H. für das Bezirkskrankenhaus … und der Zeuge G. für das Servicezentrum der … - das Einzige dieser Krankenkasse in der vorgegebenen Region - gaben an, dass es dort seit September 2009 bis heute keine geringfügig Beschäftigten gibt und solche Stellen auch nicht ausgeschrieben wurden.

Der Zeuge I. bestätigte für die AOK-Geschäftsstellen im vorgegebenen Gebiet, dass es dort seit September 2009 keine geringfügig Beschäftigten i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV gebe, wohl aber Rückkehrerinnen nach Elternzeit, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt seien mit reduzierten Stunden.

Schließlich gab der Zeuge K. für die Kliniken … an, dass er eine auf Daten gestützte Aussage nur für den Zeitraum ab 2012 machen könne. In dieser Zeit gab es vier Stellen für geringfügig Beschäftigte als Dolmetscher für russisch, außerdem wird seit 2012 eine vormalige Vollzeitkraft in der Elternzeit geringfügig weiterbeschäftigt. Weitere Stellen in diesem Sinne seien weder besetzt gewesen noch ausgeschrieben worden. Aufgrund einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat müssten Stellen im Übrigen zunächst intern ausgeschrieben werden, diese Vereinbarung habe es auch bereits im September 2009 gegeben. Es spreche alles dafür, dass seine Angaben auch für den Zeitraum ab September 2009 gelten würden, nach seiner Erinnerung habe es in diesem Zeitraum mit Ausnahme der Dolmetscher weder besetzte noch ausgeschriebene Stellen im Verwaltungsbereich für geringfügig Beschäftigte gegeben.

2.4.3. Des Weiteren haben die … (Bl. 360 d. A.), die … (Bl. 318 d. A.) und die … (Bl. 315 d. A.) schriftlich erklärt, im Zeitraum ab September 2009 in den Geschäftsstellen im vorgegebenen Bereich keine Mitarbeiter auf Geringfügigkeitsbasis beschäftigt zu haben.

2.4.4. In der Gesamtschau der aus den berufskundlichen Stellungnahmen des Sachverständigen D. vom 20.10.2014 und 10.11.2014, den unter Ziffer 2.4.2. dargestellten Zeugenaussagen und den in Ziffer 2.4.3. wiedergegebenen schriftlichen Erklärungen zu gewinnenden Erkenntnisse hat der Senat keinen Zweifel, dass es in einer Entfernung von 40 km um den Wohnort der Klägerin keinen allgemein zugänglichen Arbeitsmarkt für Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen, Krankenhäusern und Kliniken in Form einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV gibt und seit September 2009 gegeben hat.

Der Sachverständige D. hat in diesem Bereich sieben Kliniken und Krankenhäuser ermittelt. Soweit die Augenklinik … Verwaltungsmitarbeiterinnen auf Geringfügigkeitsbasis beschäftigt, muss diese Klinik bei der Prüfung eines Arbeitsmarkts unberücksichtigt bleiben, da die Klägerin - sie arbeitete in einer frauenärztlichen Praxis - über die erforderlichen Augenfachkundekenntnisse nicht verfügt und diese nach der berufskundlichen Stellungnahme Klug auch nicht in einer zumutbaren Einarbeitungszeit erlangen kann. Konkret zu diesem Punkt wurde von der Beklagten Gegenteiliges weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt (vgl. Lücke in Prölss/Martin, VVG, BU § 2, Rn. 47; Neuhaus, a. a. O., H. XI., Rn. 233). Gleiches gilt für die ausnahmsweise bei den Kliniken … und der Klinik … geschaffenen Stellen. Diese stellen Sonderregelungen für in Elternzeit befindliche Mitarbeiterinnen oder Rückkehrerinnen aus der Elternzeit dar, die nicht allgemein zugänglich sind und deshalb als „Nischenarbeitsplätze“ nicht zum allgemeinen Arbeitsmarkt gehören. Die Stellen für Dolmetscher bleiben schon von der Sache her außer Betracht.

Auch für den Bereich der Krankenkassen ergibt sich durch die vorliegenden Auskünfte und Zeugenaussagen in Ergänzung der Erhebung des Sachverständigen D., dass mit Ausnahme von Sonderregelungen im Zusammenhang mit Rückkehrerinnen aus der Elternzeit - „Nischenarbeitsplätze“ - keine dem allgemeinen Arbeitsmarkt offenstehende Stellen existieren oder im Zeitraum ab September 2009 existierten.

Es ist damit der auch vom Sachverständigen D. gezogene Schluss tragfähig, dass sich die Arbeitsmarktsituation für den Zeitraum ab September 2009 identisch mit der aktuellen Arbeitsmarktsituation für Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen, Krankenhäusern und Kliniken in Form einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der vorgegebenen Region darstellt. Einen solchen regionalen Arbeitsmarkt gab es nach den dargestellten Grundlagen weder zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls im September 2009 (vgl. BGH, Urteil v. 07.07.2007, IV ZR 232/03, juris; Rixecker, a. a. O., Rn. 44) noch in der Zeit bis heute, so dass vom dauerhaften Fehlen dieses regionalen Arbeitsmarktes ab September 2009 auszugehen ist.

3. Nach dem Versicherungsvertrag stehen der Klägerin ab Beginn des Monats der Meldung des Versicherungsfalls (§ 1 Abs. 2 S. 2 BB-BUZ) - hier erfolgt am 14.09.2009 - die vereinbarten Leistungen zu, also eine vierteljährliche Berufsunfähigkeitsrente von 1.589,52 €, für September 2009 anteilig 529,84 € (§ 1 Abs. 1 S. 1 b) BB-BUZ), sowie volle Befreiung von der Beitragszahlungspflicht für die Hauptversicherung und die eingeschlossenen Zusatzversicherungen (§ 1 Abs. 1 S. 1 a) BB-BUZ).

Hieraus errechnet sich für den bezifferten Zeitraum bis 31.03.2012 ein Rentenanspruch von 16.425,04 € sowie ein geltend gemachter (§ 308 Abs. 1 ZPO) Rückzahlungsanspruch (§ 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB) für nach Eintritt des Versicherungsfalls nicht mehr geschuldete Beiträge von 1.367,54 €.

Für den Zeitraum ab 01.04.2012 war die bedingungsgemäße Leistungspflicht der Beklagten, längstens bis zum Vertragsende festzustellen (zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags vgl. BGH, Urteil v. 16.02.2005, IV ZR 18/04, juris, Rn. 23).

4. Der Ausspruch zu den Zinsen beruht hinsichtlich der Verzinsung der Berufsunfähigkeitsrente auf §§ 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB, hinsichtlich der Verzinsung des Rückzahlungsanspruchs der ab September 2009 geleisteten Beiträge auf §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 3 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung in Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingungen unter Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Der Streitwert errechnet sich aus der Summe der bezifferten rückständigen Renten von 16.425,04 €, dem bezifferten Rückzahlungsanspruch für ab September 2009 geleistete Beiträge von 1.367,54 € sowie gem. §§ 48 Abs. 1 GKG, 9 ZPO dem 42-fachen Betrag der monatlichen Rentenleistung (529,84 €) und der Beitragsbefreiung (81,76 €) abzüglich eines Abschlags von 20%, da lediglich ein Feststellungsantrag gestellt wurde, damit 20.549,76 € (vgl. Neuhaus, a. a. O., R. XIV., Rn. 162 ff m. w. N.). Dies ergibt insgesamt 38.342,34 €.

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derGeschäftsstelle
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BGHZ: nein
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Berufsunfähigkeits-Zusatzvers. § 2 Abs. 1
Der vom Tatrichter beauftragte medizinische Sachverständige, der sich dazu äußern
soll, ob der Versicherungsnehmer gesundheitlich in der Lage ist, einen Verweisungsberuf
auszuüben, muss wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizinischen
Sachverhalt er zugrunde zulegen hat, also insbesondere welche Merkmale
- Arbeitsbedingungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten, erforderliche
Tätigkeiten und körperliche Kräfte, Einsatz von Hilfsmitteln - die Verweisungstätigkeit
prägen.
BGH, Urteil vom 23. Januar 2008 - IV ZR 10/07 - OLG Celle
LG Bückeburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2008

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Kläger, Der von Beruf Kraftfahrer, begehrt Leistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sowie Schadensersatz wegen Regulierungsverzuges. Dem Versicherungsvertrag liegen die Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung nach dem Tarif BUZn (im Folgenden: BZB) zugrunde.
2
Der Kläger war zuletzt ab Mai 1992 als selbständiger LKW-Fahrer im Fernverkehr tätig. Am 12. April 2001 erlitt er eine Oberschenkelvenenthrombose und gab daraufhin seinen Beruf auf. Seinen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab April 2001 lehnte die Beklagte ab, da der Kläger in seinem zuletzt ausgeübten Beruf nicht zu mindestens 50% berufsunfähig sei; jedenfalls könne er auf Alternativtätigkeiten verwiesen werden.
3
Das Landgericht hat die Klage, gerichtet auf die Zahlung rückständiger Rentenleistungen sowie auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Rente, Gewährung von Beitragsfreiheit sowie auf Schadensersatz wegen Regulierungsverzuges, abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revision verfolgt er seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
I.DasBerufungsgericht meint, dass der Kläger zwar infolge eines postthrombotischen Syndroms nicht mehr in der Lage sei, als selbständiger LKW-Fahrer im Fernverkehr zu arbeiten. Die Beklagte habe jedoch den Vergleichsberuf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr aufgezeigt, den der Kläger nach Ausbildung und Erfahrung ausüben könne und der seiner bisherigen Lebensstellung entspreche (§ 2 Abs. 1 BZB). Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige, der Orthopäde Dr. H. , der unter anderem die von dem Gefäßchirurgen Dr. K. beim Kläger erhobenen Untersuchungsbefunde ausgewertet habe, habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger aus medizinischer Sicht in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne häufiges schweres Heben und Tragen im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig auszuführen. Nach den Ausführungen der vom Landgericht gehörten berufskundlichen Sachverständigen Ho. sei die Arbeit als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr allenfalls als mittelschwer einzuordnen, da die im Güternahverkehr auszuliefernden Frachtstücke regelmäßig nicht schwerer seien als 10 kg. Die vom Kläger geltend gemachte Verschlechterung seines medizinischen Befundes - variköse Ekzeme und Unterschenkelgeschwüre - rechtfertige keine abweichende Beurteilung der gesundheitlichen Zumutbarkeit, wie der Sachverständige Dr. H. in seinem Ergänzungsgutachten überzeugend ausgeführt habe.
6
Zwar sei es, so das Berufungsgericht weiter, zu der vom Kläger beantragten persönlichen Anhörung des Dr. H. zur Erläuterung seiner Begutachtung in der mündlichen Verhandlung wegen dessen Verhinderung nicht gekommen. Der Gutachter habe jedoch auf Ersuchen des Landgerichts zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten schriftlich Stellung genommen. Aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich nicht, dass der Kläger seinen Antrag auf mündliche Anhörung danach aufrechterhalten habe.
7
Das vom Kläger vorgelegte internistisch-angiologische Gutachten von Prof. Dr. B. , das dieser in einem sozialgerichtlichen Verfahren erstattet habe, sowie das Protokoll über das in jenem Verfahren mündlich erstattete berufskundliche Gutachten des Sachverständigen Ku. zwängen nicht zu einer weiteren Beweiserhebung, etwa in Form einer (erneuten) Anhörung der Sachverständigen Dr. H. und Ho. . Den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. B. sei zu entnehmen, dass dieser Gutachter lediglich die subjektiven Empfindun- gen des Klägers übernommen habe, ohne sie anhand eines objektiven Befundes zu überprüfen. Auch sei ein erheblicher sozialer Abstieg, der der Verweisung auf den Beruf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr entgegenstehen könnte, mit dem Wechsel aus dem Beruf des selbständigen LKW-Fahrers im Güterfernverkehr entgegen der Ansicht des Klägers nicht verbunden. Der soziale Status beider Berufsbilder werde in der Öffentlichkeit nicht wesentlich unterschiedlich bewertet. Die Verweisung auf die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr sei dem Kläger auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zumutbar.
8
Die II. Annahme des Berufungsgerichts, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liege nicht vor, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
1. Gemäß § 2 Abs. 1 BZB liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls , die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich länger als sechs Monate außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben , die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Will der Versicherer den Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung im Streit um dessen Berufsunfähigkeit auf eine andere berufliche Tätigkeit verweisen, so muss er deren prägende Merkmale - erforderliche Vorbildung, übliche Arbeitsbedingungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten sowie übliche Entlohnung, erforderliche Fähigkeiten oder körperliche Kräfte, Einsatz technischer Hilfsmittel - substantiiert darlegen und konkretisieren (Senatsurteile vom 29. Juni 1994 - IV ZR 120/93 - VersR 1994, 1095 unter 2 b und vom 28. September 1994 - IV ZR 226/93 - NJW-RR 1995, 20 unter 2 a; vgl. auch OLG Saarbrücken VersR 2004, 1165). Hält der Tatrichter nach Bewertung des beiderseitigen Parteivortrags eine Beweisaufnahme für geboten, muss der medizinische Sachverständige, der sich zu der Frage äußern soll, ob der Versicherungsnehmer gesundheitlich in der Lage ist, den Verweisungsberuf auszuüben , wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizinischen Sachverhalt er zugrunde zu legen hat (BGHZ 119, 263, 266 f.).
10
2. a) Schon das Verfahren des Landgerichts genügte diesen Vorgaben nicht. Dabei kann auf sich beruhen, ob das Vorbringen der Beklagten zu den zahlreichen von ihr benannten Verweisungsberufen in jedem Fall den Anforderungen an eine hinreichende Substantiierung der dem Kläger angesonnenen anderen Tätigkeiten genügte. Jedenfalls was die berufliche Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr anlangt , fehlte es vor der Einholung des ersten Gutachtens des medizinischen Sachverständigen an jedweder Substantiierung; der Beweisbeschluss des Landgerichts, der sich auf die Frage beschränkt, ob der Kläger seit dem 1. April 2001 berufsunfähig sei, verhält sich zu den Anforderungen von etwaigen Verweisungsberufen ebenso nicht. Demgemäß entbehren schon die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen Dr. H. vom 9. Juli 2003 - soweit sie sich auf andere in der Akte vorgeschlagene Verweisungstätigkeiten beziehen - mit Blick auf die Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage.
11
b) Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Beklagte für den Verweisungsberuf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr die Ausführungen der berufskundlichen Sachverständigen Ho. zur Darstellung dieser Tätigkeit zu Eigen gemacht hat, hätte sie ihrer Vortragslast nur dann genügt, wenn sich aus den Angaben der Sachverständigen die prägenden Merkmale dieser Tätigkeit ausreichend entnehmen ließen. Das ist indessen nicht der Fall. In ihrem schriftlichen Gutachten beschränkt sich die Sachverständige Ho. vielmehr auf die abstrakte Beschreibung denkbarer Einsatzmöglichkeiten eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr, ohne auf die konkreten Verhältnisse am Arbeitsplatz wie etwa die Arbeitsbelastung, die Arbeitsabläufe sowie die Arbeitszeiten einzugehen. Angesichts der denkbaren Bandbreite der beruflichen Einsatzmöglichkeiten war auch danach für einen medizinischen Sachverständigen eine Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger die verschiedenen beruflichen Tätigkeiten gesundheitlich bewältigen kann, nicht möglich. Das Ergänzungsgutachten dieser Sachverständigen führte nicht zu der gebotenen Konkretisierung des Tätigkeitsbildes, es bemühte sich vielmehr seinerseits darum, die Äußerungen des medizinischen Sachverständigen mit dem - nach wie vor unvollständigen - Berufsbild der Verweisungstätigkeit abzugleichen. Daraus folgt im Ergebnis, dass es auch den weiteren vom Landgericht eingeholten Stellungnahmen des medizinischen Sachverständigen an ausreichenden Vorgaben zum außermedizinischen Sachverhalt fehlte, wie die Auseinandersetzung um die bei Ausübung der Tätigkeit (welcher konkreten?) zu bewältigenden Gewichte nachhaltig verdeutlicht.
12
3. Es kommt hinzu:
13
Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen.
14
a) Dies gilt zum einen für die vom Kläger bereits im ersten Rechtszug beantragte, letztlich aber unterbliebene Anhörung des medizinischen Sachverständigen Dr. H. .
15
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben die Parteien zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs einen Anspruch darauf, dass sie einem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich halten, in mündlicher Anhörung stellen können (§§ 397, 402 ZPO). Dieses Antragsrecht der Parteien besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 182/05 - VersR 2006, 950 Tz. 6 m.w.N.). Hat das Landgericht einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung nicht entsprochen, so muss das Berufungsgericht dem im zweiten Rechtszug wiederholten Antrag stattgeben (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 - VI ZR 13/95 - VersR 1996, 211 f.).
16
Danach bb) begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht, das den Sachverständigen Dr. H. zunächst zur mündlichen Verhandlung geladen hatte, wegen dessen Verhinderung auf die Anhörung verzichtete und sich mit einer erneuten schriftlichen Stellungnahme dieses Sachverständigen begnügte. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen - und sei es auch nur stillschweigend - verzichtet hätte (vgl. dazu auch BGH aaO). Ein solcher Verzicht lag im vorliegenden Fall auch deshalb fern, weil der Sachverständige Dr. H. nach dem Vortrag des Klägers zu dem Gutachten des für die Beklagte tätig gewordenen Gefäßchirurgen Dr. K. Stellung nehmen und sich zu seiner Sachkunde äußern sollte. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die (weitere) schriftliche Stellungnahme die beantragte Anhörung des Dr. H. nicht ersetzen konnte, da dieser sich darin auf die Bemerkung beschränkt hatte, er wolle die Ausführungen des Gefäßchirurgen Dr. K. zur Berufsfähigkeit des Klägers nicht kommentieren. Angesichts des Umstandes, dass die bis dahin erfolgten gutachterlichen Stellungnahmen des Dr. H. lediglich auf der Auswertung von Befunden und nicht auf persönlichen Untersuchungen des Klägers beruhten, wäre dessen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht umso mehr geboten gewesen. Das Berufungsgericht hätte deshalb dem Antrag des Klägers auf Anhörung des Sachverständigen stattgeben müssen. Ein solcher Antrag ist hier jedenfalls der ausführlich begründeten Rüge des Klägers zu entnehmen, seinem erstinstanzlich gestellten Antrag sei verfahrensrechtswidrig nicht entsprochen worden.
17
b) Zu Recht beanstandet die Revision ferner, dass sich das Berufungsurteil nur unzureichend mit den Ausführungen in dem vom Kläger vorgelegten - in einem sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten - internistisch -angiologischen Gutachten des Prof. Dr. B. auseinander setzt, das dem Ergebnis des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. H. zur Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers widerspricht. Das verletzt das dem Tatrichter bei Erhebung des Sachverständigenbeweises eingeräumte Ermessen und den Grundsatz freier tatrichterlicher Beweiswürdigung (§§ 412, 286 ZPO) und lässt besorgen , das Berufungsgericht habe auch insoweit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.
18
aa) Legt eine Partei ein solches medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachver- ständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (Senatsurteil vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03 - VersR 2005, 676 unter II 2 b aa m.w.N.).
19
Die bb) Auffassung des Berufungsgerichts, Prof. Dr. B. habe für seine Beurteilung, der Kläger müsse nach zwei Stunden Arbeitszeit bestimmte nicht unerhebliche Pausenzeiten einhalten, lediglich die subjektiven Empfindungen des Klägers in sein Gutachten übernommen , ohne sie an Hand eines objektiven Befundes zu überprüfen, weshalb das Gutachten Dr. H. insoweit nicht erschüttert werde, erweist sich im Gesamtzusammenhang der Ausführungen in dem genannten Gutachten als nicht nachvollziehbar. Lediglich auf Seite 7 seines Gutachtens referiert der Sachverständige die Angaben des Klägers und eines anderen Gutachters, kommt in seinen darauf folgenden Ausführungen jedoch zu einer eingehenden, von den Angaben des Klägers unabhängigen Einschätzung seiner beruflichen Belastbarkeit aufgrund eigener Untersuchung und Urteilsbildung. Danach ist es aus Sicht dieses Sachverständigen notwendig, dem Kläger nach jeweils maximal zwei Stunden körperlich aktiver Arbeitszeit eine mindestens dreißigminütige Pause, wenn nötig auch eine Pause von einer Stunde Dauer zu ermöglichen, es sei denn, der Kläger kann über einen längeren Zeitraum in sitzender Position mit hoch gelagertem Bein arbeiten; sollte ihm letzteres jederzeit möglich sein, seien nicht mehr Pausen als üblich einzulegen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei rechtsfehlerfreier Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B.
die Frage der Verweisbarkeit des Klägers auf den Beruf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr anders beurteilt hätte. Nach dem Vortrag des Klägers hat der im sozialgerichtlichen Verfahren gehörte berufskundliche Sachverständige Ku. ausgeführt, die Einschränkungen, denen der Kläger - dem Gutachten Prof. Dr. B. zufolge - bei einer möglichen beruflichen Tätigkeit unterliege, ließen es fraglich erscheinen, ob er überhaupt eine Arbeitsstelle finden werde. Zwar hat das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend darauf abgestellt, dass bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit die Lage auf dem Arbeitsmarkt unberücksichtigt bleiben muss (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. November 1985 - IVa ZR 23/84 - NJW-RR 1986, 451 unter II 5). Dabei wird aber vorausgesetzt, dass es die dem Versicherungsnehmer angesonnene Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt überhaupt und nicht nur in unbedeutendem Umfang gibt, ein Arbeitsmarkt also überhaupt existiert (Senatsurteil vom 23. Juni 1999 aaO unter 3 b). Danach scheiden Verweisungen auf Tätigkeiten, die nur in Einzelfällen nach den besonderen Anforderungen eines bestimmten Betriebes geschaffen oder auf die speziellen Bedürfnisse eines einzelnen Arbeitnehmers zugeschnitten sind (Nischenarbeitsplätze), grundsätzlich ebenso aus wie Verweisungen auf Tätigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt nur in so geringer Zahl bereit stehen, dass von einem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr die Rede sein kann (Senatsurteil aaO).
20
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Bückeburg, Entscheidung vom 24.03.2006 - 2 O 74/02 -
OLG Celle, Entscheidung vom 21.12.2006 - 8 U 104/06 -

Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

(1) Bei Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln werden die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt.

(2) Bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs werden

1.
dem Zeugen oder dem Dritten (§ 23) zur Abgeltung der Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,35 Euro,
2.
den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Anspruchsberechtigten zur Abgeltung der Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,42 Euro
für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Bei der Benutzung durch mehrere Personen kann die Pauschale nur einmal geltend gemacht werden. Bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs, das nicht zu den Fahrzeugen nach Absatz 1 oder Satz 1 zählt, werden die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der in Satz 1 genannten Fahrtkosten ersetzt; zusätzlich werden die durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise angefallenen regelmäßigen baren Auslagen, insbesondere die Parkentgelte, ersetzt, soweit sie der Berechtigte zu tragen hat.

(3) Höhere als die in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichneten Fahrtkosten werden ersetzt, soweit dadurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden oder höhere Fahrtkosten wegen besonderer Umstände notwendig sind.

(4) Für Reisen während der Terminsdauer werden die Fahrtkosten nur insoweit ersetzt, als dadurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden, die beim Verbleiben an der Terminsstelle gewährt werden müssten.

(5) Wird die Reise zum Ort des Termins von einem anderen als dem in der Ladung oder Terminsmitteilung bezeichneten oder der zuständigen Stelle unverzüglich angezeigten Ort angetreten oder wird zu einem anderen als zu diesem Ort zurückgefahren, werden Mehrkosten nach billigem Ermessen nur dann ersetzt, wenn der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt war.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 232/03 Verkündetam:
7.Februar2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Berufsunfähigkeits-Zusatzvers. (BB-BUZ) § 2
Bei einem Versicherten, der im Zeitpunkt der behaupteten Berufsunfähigkeit zur
Ausübung der bisherigen Tätigkeit nicht in der Lage, aber auf einen Vergleichsberuf
verweisbar ist, tritt bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht allein dadurch
ein, dass ihm bei unverändertem Gesundheitszustand die zur Ausübung des Vergleichsberufs
erforderlichen Fähigkeiten abhanden kommen oder diese hinter der
Entwicklung zurückbleiben; ob er den Vergleichsberuf ausgeübt hat, ist unerheblich.
BGH, Urteil vom 7. Februar 2007 - IV ZR 232/03 - OLG Bamberg
LG Aschaffenburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Februar 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 4. September 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung. Anspruch darauf besteht nach § 1 Abs. 1 der dem Vertrag zugrunde liegenden Besonderen Bedingungen (BB-BUZ), wenn der Versicherte zu mindestens 50% berufsunfähig wird. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt nach § 2 Abs. 1 BB-BUZ vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
2
Der 1962 geborene Kläger legte 1986 die Meisterprüfung im Straßenbauhandwerk ab und war bis 1992 im elterlichen Familienunternehmen tätig. Anschließend studierte er an der Fachhochschule Bauingenieurwesen und ist seit 1996 Diplom-Ingenieur (FH). Nach dem Tod des Vaters Mitte 1996 führte er den Betrieb weiter, seit Anfang 1997 allein unter gelegentlichem Einsatz von Aushilfskräften. Er beschäftigt sich im Wesentlichen mit Pflasterarbeiten.
3
Am 2. März 1998 erlitt er bei einem Skiunfall unter anderem eine Brustwirbelknochenfraktur und eine Tibiafraktur links. Der Kläger behauptet er sei seit dem 2. September 1998 aufgrund seiner Verletzungen auf Dauer nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als selbstständiger Straßenbaumeister auszuüben. Trotz erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen habe er den Betrieb in eingeschränktem Umfang fortgeführt , um die wirtschaftliche Existenz seiner Familie zu sichern. Auf die Tätigkeit als angestellter Bauleiter könne er nicht verwiesen werden, weil er auch dazu wegen der körperlichen Beeinträchtigungen und zudem wegen fehlender Kenntnisse und mangels Erfahrung in diesem Beruf nicht in der Lage sei. Nach einer operativ und strahlentherapeutisch behandelten Krebserkrankung im Jahre 1999 leide er an zunehmenden psychischen Beschwerden, die sich zu einer im Frühjahr 2002 festgestellten Depression verstärkt hätten. Auch deshalb sei er dem Beruf eines Bauleiters gesundheitlich nicht gewachsen. Mit der im März 1999 eingereichten Klage verlangt er die vereinbarte Rente (bis dahin aufgelaufene Rückstände in Höhe von 5.796,55 € und Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung der laufenden Rente von jährlich etwa 10.500 €) sowie Befreiung von der Pflicht zur Beitragszahlung (Rückzahlung von 5.149,90 € und Freistellung für die Zukunft).
4
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht deren Leistungspflicht ab dem 1. Januar 2003 festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte erstrebt mit der Revision die vollständige Klagabweisung, der Kläger mit der Anschlussrevision die Zurückweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe:


5
Die Rechtsmittel der Parteien führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
I. Das Oberlandesgericht nimmt an, die Beklagte sei erst ab dem 1. Januar 2003 zur Leistung verpflichtet. Der Kläger sei aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zwar bereits seit 2. September 1998 zu mindestens 50% außerstande, seinen Beruf als selbstständiger Straßenbaumeister auszuüben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei er jedoch trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen vom 2. September 1998 bis zum 31. Dezember 2002 in der Lage gewesen, den von der Beklagten aufgezeigten Vergleichsberuf eines Bauleiters auszuüben, den er aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung habe ausüben können und der seiner bisherigen Lebensstellung entsprochen habe.
7
Straßenbaumeister Als und Bauingenieur habe er im September 1998 die von Arbeitgebern an Bauleiter gestellten fachlichen Anforderungen uneingeschränkt erfüllt. Erst mit zunehmendem Abstand zum Studienende und den wachsenden Anforderungen der Arbeitgeber aufgrund der schlechten Arbeitsmarktsituation habe der Kläger den Anschluss an die neue Entwicklung verloren. Ihm fehlten insbesondere Kenntnisse in EDV und CAD. Die Trendwende sei zwischen 2002 und 2003 erfolgt. Von September 1998 bis zum 31. Dezember 2002 habe er über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, danach nicht mehr. Für die Verweisbarkeit sei auf die zum Zeitpunkt der Geltendmachung bzw. der Annahme der Berufsunfähigkeit tatsächlich vorhandenen Kenntnisse abzustellen. Die Berufsfähigkeit könne jedoch aufgrund bestimmter Umstände , wie z.B. durch den Wegfall der Verweisungsmöglichkeit auf einen anderen Beruf, nachträglich entfallen mit der Folge der Leistungspflicht des Versicherers.
8
gesundheitlichen Die Beeinträchtigungen des Klägers hätten der Tätigkeit als Bauleiter nicht entgegengestanden. Nach den Ausführungen des vom Landgericht hinzugezogenen medizinischen Sachverständigen Prof. T. habe der Kläger leichte Arbeiten im Wechselrhythmus von Sitzen und Stehen und ohne ausgesprochene Wirbelsäulenzwangshaltung und ohne ständiges Über-Kopf-Arbeiten vollschichtig, mittelschwere Arbeiten mit den genannten Einschränkungen halbschichtig bis zu vier Stunden und schwere Arbeiten nicht ausführen können. Die psychische Beeinträchtigung habe der Sachverständige als gering eingeschätzt. Aufgrund dieser Feststellungen sei die in zweiter Instanz gehörte berufskundliche Sachverständige L. davon ausgegangen, der Kläger könne den Beruf eines Bauleiters gesundheitsbedingt ausüben. Soweit der Kläger geltend mache, seine gesundheitliche Beeinträchtigung im psychischen Bereich habe sich verstärkt, insbesondere lägen seit 1. April 2002 Leistungseinschränkungen aufgrund einer Depression vor, sei dieser Vortrag wegen Verspätung und im Übrigen als nicht sachdienliche Klageänderung nicht zu berücksichtigen.
9
Das II. Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
1. Die Revision wendet sich zu Recht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts , die Beklagte sei ab dem 1. Januar 2003 zur Leistung verpflichtet , weil die im September 1998 gegebene Verweisbarkeit des Klägers auf die Tätigkeit als Bauleiter nachträglich entfallen sei. Die Bedenken der Revision gegen die Zulässigkeit der Feststellungsanträge sind dagegen nicht begründet.
11
a) Kann der Versicherte seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, stehen bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 BB-BUZ und damit der Eintritt des Versicherungsfalls noch nicht fest. Der Versicherte muss weiter aus gesundheitlichen Gründen außerstande sein, eine andere Tätigkeit auszuüben , die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats der (behauptete) Eintritt der Berufsunfähigkeit im bisher ausgeübten Beruf (Urteile vom 12. Januar 2000 - IV ZR 85/99 - VersR 2000, 349 unter 2 a und 3; vom 23. Juni 1999 - IV ZR 211/98 - VersR 1999, 1134 unter 2 b; vom 30. November 1994 - IV ZR 300/93 - VersR 1995, 159 unter 3 a und vom 13. Mai 1987 - IVa ZR 8/86 - VersR 1987, 753 unter I 3 c; ebenso Versicherungsrechts-Handbuch/Rixecker, § 46 Rdn. 121, 123; Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 2 BUZ Rdn. 28).
12
der Ist Versicherte im maßgeblichen Zeitpunkt imstande, einen Vergleichsberuf auszuüben, so ist er nicht bedingungsgemäß berufsunfähig und der Versicherungsfall damit nicht eingetreten. Der Versicherungsfall kann allerdings später eintreten, und zwar unabhängig davon, ob der Versicherte den Vergleichsberuf ausübt oder - aus welchen Gründen auch immer - nicht ausübt. Das ist bedingungsgemäß aber nur dann der Fall, wenn er zur Ausübung des Vergleichsberufs (und auch eines anderen Vergleichsberufs) ausschließlich gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 1993 - IV ZR 47/92 - VersR 1993, 1220 unter 2). Der Wegfall der erforderlichen beruflichen Kenntnisse oder deren Zurückbleiben hinter der Entwicklung und die allein dadurch verursachte Unfähigkeit zu beruflicher Tätigkeit begründet weder im ursprünglich ausgeübten noch im (ausgeübten oder nicht ausgeübten ) Vergleichsberuf bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit. Der Versicherte, der im maßgeblichen Zeitpunkt verweisbar ist, eine Tätigkeit im Vergleichsberuf aber nicht aufnimmt, hätte es dann in der Hand, die Berufsunfähigkeit durch Zeitablauf herbeizuführen. Auch wenn er wegen der allgemeinen Lage auf dem Arbeitsmarkt keine Stelle findet, führt dies nicht zu einer vom Leistungsversprechen des Versicherers gedeckten Berufsunfähigkeit (vgl. Senatsurteile vom 3. November 1999 - IV ZR 155/98 - VersR 2000, 171 unter I 3 b und vom 23. Juni 1999 aaO unter 3 b; Rixecker, aaO Rdn. 159 f.; a.A. Voit, Berufsunfähigkeitsversicherung Rdn. 406).
13
b) Danach ist der Kläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht seit dem 1. Januar 2003 bedingungsgemäß berufsunfähig geworden, weil er den Anschluss an die berufliche Entwicklung verloren hatte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte der Kläger im September 1998 aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung die fachlichen Anforderungen an den Beruf eines Bauleiters uneingeschränkt, war gesundheitlich in der Lage, diese Tätigkeit auszuüben und auf dem Arbeitsmarkt nicht chancenlos. Um eine Stelle als Bauleiter hatte er sich allerdings gar nicht erst bemüht, weil er seine bisherige Tätigkeit fortsetzen wollte.
14
2. Die Anschlussrevision wendet sich zu Recht, insbesondere mit Verfahrensrügen, gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe überhaupt auf die Tätigkeit als Bauleiter verwiesen werden können.
15
a) Insoweit ist das Berufungsurteil einschließlich des Verfahrens schon deshalb nach § 562 ZPO aufzuheben, weil wesentliche Ausführungen der Sachverständigen L. unter Verstoß gegen §§ 160 Abs. 3 Nr. 4, 161 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht in das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2003 aufgenommen worden sind. Ausweislich des Protokolls hat die Sachverständige im Termin drei schriftliche, als Protokollanlagen bezeichnete Stellungnahmen zu möglichen Verweisungsberufen übergeben, unter anderem zum Beruf des Bauleiters. Alle drei Anlagen sind weder dem Protokoll beigefügt noch sonst in den Akten auffindbar. Der Inhalt der schriftlichen Stellungnahme ist auch weder im Tatbestand noch - getrennt von der Beweiswürdigung - in den Entscheidungsgründen wiedergegeben. Eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Beweiswürdigung ist daher nicht möglich. Ein solcher Verfahrensfehler nötigt zur Aufhebung des Berufungsurteils (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - VI ZR 309/02 - NJW 2003, 3057 unter 2 und Urteile vom 11. Juli 2001 - VIII ZR 215/00 - NJW 2001, 3269 unter II 1 b; vom 21. April 1993 - XII ZR 126/91 - NJW-RR 1993, 1034 unter 2 bis 4; vom 24. Februar 1987 - VI ZR 295/85 - NJW-RR 1987, 1197 unter II 2 und vom 18. September 1986 - I ZR 179/84 - NJW 1987, 1200 unter 2; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 161 Rdn. 5).
16
Unbegründet ist dagegen die Rüge, der Sachverständigen sei der Schriftsatz des Klägers vom 26. Juni 2003 nicht vorgelegt worden. Auf dem Schriftsatz ist vermerkt, dass am 1. Juli 2003 eine Kopie an sie abgesandt worden ist.
17
Davon b) abgesehen beruht die Feststellung des Berufungsgerichts , der Kläger sei von September 1998 bis Ende 2002 gesundheitlich in der Lage gewesen, die Tätigkeit eines Bauleiters auszuüben, auf einem weiteren gerügten Verfahrensfehler. Das Berufungsgericht stützt sich ebenso wie die berufskundliche Sachverständige L. , eine Sachbearbeiterin des Landesarbeitsamts, auf die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Prof. T. in erster Instanz. Dessen gutachtliche Äußerungen befassen sich aber nicht mit der Frage, ob der Kläger gesundheitsbedingt als Bauleiter arbeiten kann und naturgemäß erst recht nicht mit der erst im Berufungsverfahren durch Parteivortrag und das berufskundliche Gutachten dargelegten konkreten Ausgestaltung dieses Berufs. Das Gutachten von Prof. T. bietet deshalb keine tragfähige Grundlage für die Annahme, der Kläger sei dem Beruf des Bauleiters gesundheitlich gewachsen gewesen. Das Berufungsgericht hätte deshalb unter Vorgabe des konkreten außermedizinischen Sachverhalts ein ergänzendes Gutachten dazu einholen müssen (vgl. Senatsurteile vom 12. Juni 1996 - IV ZR 118/95 - VersR 1996, 1090 unter II 2 und - IV ZR 116/95 - VersR 1996, 959 unter II sowie BGHZ 119, 263, 266 f.). Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass dies wegen eigener Sachkun- de des Berufungsgerichts und der berufskundlichen Sachverständigen entbehrlich war.
18
c) Durchgreifend ist ferner die Rüge, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO das unter Beweis gestellte Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen, auch aufgrund einer seit April 2002 bestehenden Depression habe er dem Beruf eines Bauleiters nicht nachgehen können.
19
Zurückweisung Die wegen Verspätung nach §§ 523, 528 Abs. 2, 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO a.F. ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie nicht nachvollziehbar begründet ist. § 528 Abs. 2 ZPO a.F. betrifft verspätetes Vorbringen im ersten Rechtszug, kann also den Vortrag des Klägers zu der erst während des Berufungsverfahrens festgestellten Depression nicht betreffen. Zu welchem erheblich früheren Zeitpunkt der Kläger dies im Berufungsverfahren hätte geltend machen müssen und weshalb ihn der Vorwurf grober Nachlässigkeit trifft, legt das Berufungsgericht nicht dar.
20
Auch eine - nicht sachdienliche - Klageänderung liegt nicht vor. Der Kläger hatte bereits in erster Instanz behauptet, seine Berufsfähigkeit sei auch aufgrund psychischer Beschwerden beeinträchtigt.
21
3. Zu einer abschließenden Entscheidung ist der Senat nicht in der Lage, weil es hierzu an ausreichenden Feststellungen fehlt.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Vorinstanzen:
LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 28.07.2000 - 1 O 152/99 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 04.09.2003 - 1 U 131/00 -

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 18/04 Verkündet am:
16. Februar 2005
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
_____________________
Ob der Versicherer ausnahmsweise rechtsmißbräuchlich handelt, wenn er sich auf
den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG beruft, hat der Tatrichter aufgrund einer
umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Diese Entscheidung
kann das Revisionsgericht nur darauf hin überprüfen, ob sie auf einer
tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt
und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder
von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht.
BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 - IV ZR 18/04 - OLG Celle
LG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 18. Dezember 2003 wird auf Kosten des Beklagten zu 2), der auch die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten des Streithelfers trägt, zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger erhebt gegen den Beklagten zu 2), einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Leistungsansprüche wegen des Diebstahls seiner Yacht "……….." (……………………………..).
Er hatte die 1998 zum Preise von 346.240 DM erworb ene Yacht unter Vermittlung der E. der ehemaligen , Beklagten z u 1), mit Vertrag vom 3. Mai 2000 beim Beklagten zu 2) mit einer Versicherungssumme von 295.000 DM bei einer Selbstbeteiligung von 2.000 DM kaskoversichert. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen (AVB Wassersportfahrzeuge 1993)

zugrunde. Auf der ersten Seite des Versicherungsscheins sind oben rechts allein die frühere Beklagte zu 1) und darunter die Büroanschrift des betreuenden Versicherungsmaklers genannt. Im unteren Teil des Deckblatts befindet sich vor der Unterschrift des Versicherers der folgende Text:
"In Vollmacht des Versicherers

V.

E.

" Am 27. März 2001 wurde die Yacht durch Personal de s Sportboothafens (………) B. B. /Italien von einem Landliegeplatz im Hafengelände zu Wasser gelassen. Am darauf folgenden Tag sollte das Boot zu dem vom Kläger gemieteten Liegeplatz gebracht werden. Während die beiden Sicherheitsschlüssel für die Zugangstür zum Salon der Yacht außerhalb des Bootes verwahrt wurden, verblieben die Zündschlüssel (in jeweils zweifacher Ausfertigung) für die beiden Motoren in einer unverschlossenen, abgedeckten Ablage unterhalb des Fahrstandes an Bord. Ebenso blieben drei Bordnetzschlüssel für die drei Hauptschalter der elektrischen Anlage in den Schalterschlössern stecken.
In der Nacht vom 27. auf den 28. März 2001 wurde d ie Yacht von unbekannten Tätern entwendet. Der Kläger meldete den Schadensfall der Beklagten zu 1), die im Einverständnis und mit Vollmacht des Beklagten zu 2) zunächst auch die Verhandlungen über die Schadensregulierung führte. Der Kläger wurde dabei von dem Streithelfer anwaltlich vertreten. Auf dessen erste schriftliche Aufforderung zur Auszahlung der

Versicherungssumme erwiderte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 23. Juli 2001, nach Rücksprache mit dem "führenden Versicherer", dem (namentlich genannten) Beklagten zu 2), müsse sie mitteilen, man könne der Zahlungsaufforderung derzeit nicht nachkommen. Auf die zweite, ebenfalls an die Beklagte zu 1) gerichtete Zahlungsaufforderung des Streithelfers vom 25. Oktober 2001 meldete sich Rechtsanwalt Dr. F. aus F. . Unter dem Betreff "V. /Fr. " teilte er dem Streithelfer mit S chreiben vom 8. November 2001 mit, daß er "die Interessen des Kasko-Versicherers" anwaltlich wahrnehme, und kündigte eine weitere Rücksprache an.
Mit einem an RechtsanwaltDr. F. gerichtet en Schreiben vom 20. November 2001 kündigte der Streithelfer die Erhebung einer Klage gegen die Beklagte zu 1) an, die er sodann - eingehend am 29. November 2001 - bei Gericht einreichte. Die auf Feststellung der Leistungspflicht aus der Kaskoversicherung gerichtete Klage wurde der Beklagten zu 1) am 17. Dezember 2001 zugestellt.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2001 wandte sich Re chtsanwalt Dr. F. unter dem Betreff "V. /Fr. " an den Streithelfer und teilte ihm unter Bezugnahme auf seine beiden vorangegangenen Schreiben mit, nach Rücksprache mit "dem Kaskoversicherer" lehne dieser den erhobenen Anspruch ab und werde keine Leistung erbringen, weil der Versicherungsfall auf grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers zurückzuführen sei. Das Schreiben schließt mit den Worten: "Wie Ihnen selbstverständlich bekannt ist, wird der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf Leistung nicht innerhalb von sechs Mo-

naten gerichtlich geltend gemacht wird (§ 12 Abs. 3 VVG)." In dem vom Kläger zunächst gegen die Beklagte zu 1 ) geführten Rechtsstreit rügte diese mit Schriftsatz vom 25. Juni 2002 ihre fehlende Passivlegitimation. Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2002 stellte der Streithelfer für den Kläger daraufhin den Antrag, daß die Klage sich im weiteren gegen den Beklagten zu 2) richten solle. Dieser hält sich schon wegen Versäumung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG für leistungsfrei und ist weiter der Auffassung, die erhobene Klage auf Feststellung der Leistungspflicht sei unzulässig, weil der Kläger Leistungsklage hätte erheben können. Im übrigen entfalle die Leistungspflicht auch deshalb, weil der Kläger sämtliche Motoren- und Netzschlüssel an Bord gelassen und damit den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
Der Kläger meint, der Beklagte zu 2) könne sich an gesichts der besonderen Umstände des Falles nicht auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen, sondern müsse sich die fristgemäße Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 1) zurechnen lassen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Beru fungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte zu 2) weiterhin die Klagabweisung.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht führt aus:
1. Der Antrag auf Feststellung, der Beklagte zu 2) sei verpflichtet, dem Kläger den um den vereinbarten Selbstbehalt verminderten Schaden aus dem Diebstahl der Motoryacht vom 27./28. März 2001 zu ersetzen , sei zulässig. Das Feststellungsinteresse entfalle nicht dadurch, daß der Kläger - wie mit einem im Berufungsverfahren hilfsweise gestellten Antrag geschehen - auch Leistungsklage habe erheben können. Denn von dem Beklagten zu 2), einem großen Versicherungsunternehmen, könne erwartet werden, daß er seiner Verpflichtung zum Schadensersatz aus einem rechtskräftigen Feststellungsurteil freiwillig nachkomme, ohne daß es zusätzlich eines auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfe.
2. Anders als das Landgericht ist das Berufungsger icht weiter der Auffassung, der Beklagte zu 2) könne sich nicht auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen, denn das stelle sich hier als rechtsmißbräuchlich dar.
Die Besonderheit des Falles liege - anders als in dem vom Oberlandesgericht Saarbrücken entschiedenen Fall (VersR 1997, 435) - darin, daß die Klage gegen die nicht passiv legitimierte Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der vom Beklagten zu 2) unter Fristsetzung nach § 12 Abs. 3 VVG erklärten Leistungsablehnung bereits erhoben gewesen sei. Dabei müsse sich der Beklagte zu 2) das Wissen der mit der Schadensregulierung beauftragten Beklagten zu 1) um die Klagerhebung zurechnen lassen. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, der das Versicherungs-

verhältnis in besonderem Maße präge, sei der Beklagte zu 2) wegen des Wissens um die fehlerhafte Klagerhebung und angesichts der gesamten Umstände des Falles gegenüber der Beklagten zu 1) verpflichtet gewesen , im Leistungsablehnungsschreiben ausdrücklich klarzustellen, daß nur er der zuständige Versicherer sei. Durch einen solchen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, den erforderlichen Parteiwechsel im bereits laufenden Rechtsstreit noch innerhalb der Sechsmonatsfrist herbeizuführen. Demgegenüber verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn der Beklagte zu 2), der sich zudem von demselben Prozeßbevollmächtigten habe vertreten lassen wie die Beklagte zu 1), zunächst den Ablauf der Sechsmonatsfrist abgewartet habe, um sich sodann erstmals nach dem Parteiwechsel im laufenden Rechtsstreit darauf zu berufen.
Der Zweck des § 12 Abs. 3 VVG, eine Verzögerung de r Klärung zweifelhafter Ansprüche im Interesse zeitnaher Sachaufklärung zu verhindern und dem Versicherer die Übersicht über den Stand seines Vermögens zu wahren, sei bereits erfüllt gewesen, als das Leistungsablehnungsschreiben vom 21. Dezember 2001 abgefaßt worden sei. Denn schon zu diesem Zeitpunkt sei für den Beklagten zu 2) ersichtlich gewesen , daß der Kläger seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen und sich mit der außergerichtlichen Ablehnung nicht zufrieden geben wolle.
Der Kläger sei in den dem Rechtsstreit vorangegang enen Regulierungsverhandlungen auch nicht mit solcher Deutlichkeit auf die Person des zuständigen Versicherers hingewiesen worden, daß er nicht schutzwürdig erscheine. Im Versicherungsschein sei mehrfach von einem "führenden Versicherer" die Rede, obwohl keine Mehrzahl von Versicherern am Vertrag beteiligt gewesen sei. Daß insbesondere die Beklagte zu 1)

nicht Mitversicherer, sondern lediglich Versicherungsagentin oder -maklerin gewesen sei, komme im Versicherungsvertrag trotz des Hinweises, sie handle "in Vollmacht des Versicherers", nur schwer verständlich zum Ausdruck, zumal sie selbst mit dem Zusatz "Wassersport-Versicherungen" firmiere und in Ziffer 15 der Besonderen Bedingungen zur Wassersport-Kasko-Versicherung eine Halbierung der Selbstbeteiligung für den Fall in Aussicht gestellt werde, daß das Wasserfahrzeug fünf Jahre bei der Beklagten zu 1 schadensfrei versichert sei.
Schließlich habe auch der Rechtsanwalt des Beklagt en zu 2) in der vorgerichtlichen Korrespondenz abgesehen von der Verwendung des Kurzrubrums "V. /Fr. " nicht ausdrücklich klargestellt, daß allein der Beklagte zu 2) Versicherer sei.
3. Der Beklagte zu 2) sei auch nicht nach § 61 VVG von der Leistung frei. Zwar liege es nahe, den - nach Auffassung des Berufungsgerichts vom Kläger persönlich zu verantwortenden - Verbleib von Motorund Bordnetzschlüsseln an Bord der Yacht als grob fahrlässig anzusehen , doch habe der Beklagte zu 2) nicht nachgewiesen, daß die Yacht unter Zuhilfenahme der Schlüssel gestohlen worden sei. Es könne vielmehr nicht ausgeschlossen werden, daß die Yacht mit Hilfe eines anderen Bootes auf See geschleppt worden sei.
Der Verbleib der Schlüssel an Bord stelle schließl ich auch keine Gefahrerhöhung im Sinne der §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG dar, weil es an der Dauerhaftigkeit des veränderten Zustandes fehle.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in allen Punk ten stand.
1. Der vom Kläger vorrangig verfolgte Feststellung santrag ist hier zulässig, obwohl der Kläger sein Klageziel auch mit einer bezifferten Leistungsklage hätte verfolgen können, wie der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag zeigt. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse , wenn ein Kläger dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen kann, jedoch besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr bleibt die Feststellungsklage dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten läßt (BGH, Urteile vom 4. Dezember 1986 - III ZR 205/85 - BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 2; vom 5. Februar 1987 - III ZR 16/86 - BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 4, jeweils m.w.N.; vom 21. Februar 1996 - IV ZR 297/94 - NJW-RR 1996, 641 unter I). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne daß es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf (BGH, Urteil vom 28. September 1999 - VI ZR 195/98 - VersR 1999, 1555 unter II 1 b, cc; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Juni 1994 - V ZR 34/92 - NJW-RR 1994, 1272 unter II 2 b). Das hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach angenommen, wenn es sich bei der beklagten Partei um eine Bank (BGH, Urteile vom 30. April 1991 - XI ZR 223/90 - NJW 1991, 1889 unter 1; vom 30. Mai 1995 - XI ZR 78/94 - NJW 1995, 2219 unter A II 1 - insofern in BGHZ 130, 59, 63 nicht abgedruckt -; vom 5. Dezember 1995 - XI ZR 70/95 - NJW 1996, 918 unter II 1), eine Behörde (BGH, Urteil vom 9. Juni 1983

- III ZR 74/82 - NJW 1984, 1118 unter 3 c) oder - wie hier - um ein großes Versicherungsunternehmen (BGH, Urteil vom 28. September 1999 aaO unter II 1 b, cc) handelt. Umstände, die die genannte Erwartung vorliegend erschüttern könnten, zeigt die Revision nicht auf.
2. Die Annahme des Tatrichters, der Beklagte zu 2) dürfe sich im vorliegenden Fall nach Treu und Glauben nicht auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu un d Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung (Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. § 242 Rdn. 38 m.w.N.). Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine erworbene Rechtsposition rechtsmißbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden. Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (vgl. dazu BGHZ 122, 308, 314; 146, 217, 223; BGH, Urteile vom 6. Dezember 1988 - XI ZR 19/88 - NJW-RR 1989, 818 unter 3; vom 13. März 1996 - VIII ZR 99/94 - NJW-RR 1996, 949 unter II 3; vom 8. Mai 2003 - VII ZR 216/02 - NJW 2003, 2448 unter III 2).

b) Solche Rechtsfehler deckt die Revision nicht au f.

Daß eine Berufung auf die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG dem Versicherer im Einzelfall nach § 242 BGB versagt sein kann, ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1966 - II ZR 66/64 - VersR 1966, 723 unter V; weitere Rechtsprechungsnachweise bei Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 12 Rdn. 52 und 59, ferner bei Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rdn. 87).
Dem Zusammenhang der Urteilsgründe des Berufungsur teils kann sicher entnommen werden, daß das Berufungsgericht es dem Beklagten zu 2) nicht allein deshalb verwehrt hat, sich auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG zu berufen, weil die Leistungsablehnung hier zu einem Zeitpunkt erfolgte, in welchem die Beklagte zu 2) bereits zurechenbare Kenntnis davon hatte, daß der Kläger irrtümlich Klage gegen die Beklagte zu 1) eingereicht hatte, obwohl diese nicht Versicherer war. Vielmehr hat der Tatrichter auf der Grundlage einer zutreffenden Auslegung des § 12 Abs. 3 VVG erkennbar nicht nur auf den zeitlichen Ablauf, sondern auch auf die Gestaltung des Versicherungsscheins, den Inhalt der Versicherungsbedingungen , die Firmenbezeichnung der Beklagten zu 1), die im Rahmen der Schadensregulierung geführte Korrespondenz und das Prozeßverhalten der Beteiligten abgestellt. Daß daneben wesentliche Gesichtspunkte übersehen oder von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen worden wäre, wird von der Revision nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.

c) Die Revision bemüht sich unter Hinweis auf mehr ere tatrichterliche Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte lediglich darum, eine ihr günstigere, abweichende Bewertung der vom Berufungsgericht umfassend gewürdigten Fallumstände herbeizuführen. Damit kann sie kei-

nen Erfolg haben. Das Berufungsurteil steht insbesondere nicht in Divergenz zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 10. Januar 1996 (VersR 1997, 435). Zwar hatte das Oberlandesgericht es dort abgelehnt, dem Versicherer die Geltendmachung der Leistungsfreiheit nach § 12 Abs. 3 VVG zu versagen und zur Begründung ausgeführt , es reiche zur Wahrung der Frist nicht aus, wenn der Versicherer irgendwie davon Kenntnis erhalte, daß der Versicherungsnehmer einen anderen Versicherer verklagt habe. Den Entscheidungsgründen ist jedoch zu entnehmen, daß es sich auch dort um eine von den besonderen Umständen des Falles getragene Einzelfallentscheidung handelt, die einer Verallgemeinerung nicht fähig ist.

d) So liegt der Fall auch hier. Soweit sich das Be rufungsgericht mit der Zulassung der Revision eine allgemeine Klärung der Frage erwartet hat, ob den Versicherer nach bereits erfolgter Klage des Versicherungsnehmers gegen einen falschen Versicherer im Rahmen des § 12 Abs. 3 VVG stets eine gesonderte Hinweispflicht treffe, verkennt diese Fragestellung die revisionsrechtlichen Grenzen der Überprüfung einer nach § 242 BGB getroffenen Einzelfallentscheidung. Ein Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO war deshalb hier nicht gegeben.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 2) habe den ihm im Rahmen des § 61 VVG obliegenden Nachweis dafür, daß die an Bord befindlichen Schlüssel für die Motoren und das elektrische Bordnetz mitursächlich für den Diebstahl geworden sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Juli 1986 - IVa ZR 22/85 - VersR 1986, 962 unter II), nicht geführt. Die Gegenrüge, mit welcher der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe zu Un-

recht angenommen, er selbst - und nicht das mit der Verlegung der Yacht beauftragte Hafenpersonal (das keine Repräsentantenstellung eingenommen habe) - sei dafür verantwortlich, daß Schlüssel an Bord geblieben seien, kann deshalb auf sich beruhen.
Soweit die Revision geltend macht, es sei hier sch on nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, daß das Belassen der genannten Schlüssel an Bord mitursächlich für den Diebstahl geworden sei, kann sie damit nicht durchdringen. Voraussetzung für jede Anwendung eines Anscheinsbeweises ist, daß ein typischer Geschehensablauf vorliegt, und keine Umstände gegeben sind, welche es als ernsthaft möglich erscheinen lassen, daß das Geschehen im konkreten Fall anders abgelaufen ist als von einer Anscheinsregel als typisch vorausgesetzt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Juli 1990 - VI ZR 239/89 - NJW 1991, 230 unter II 2 und 3). An beidem fehlt es hier. Der Diebstahl einer großen Motoryacht zählt nicht zu denjenigen Lebensvorgängen, die nach einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten Muster abzulaufen pflegen (vgl. dazu Greger in Zöller, ZPO 25. Aufl. vor § 284 Rdn. 29). Hinzu kommt, daß vorliegend gewichtige Umstände dafür sprechen , daß das Boot des Klägers zumindest nicht mit eigener Motorkraft das im Winter versandete Hafenbecken verlassen konnte und stattdessen aus dem Hafen geschleppt werden mußte, weil es im Motorbetrieb zu großen Tiefgang hatte. Soweit die Revision geltend macht, der Kläger habe diesen Vortrag in der Berufungsinstanz nicht aufrechterhalten, trifft das nicht zu. Dazu, ob die Yacht später auf See mit eigener Motorkraft Fahrt aufnahm oder weiterhin geschleppt wurde, ist nichts bekannt. Auch hierzu scheidet ein Anscheinsbeweis wegen der Besonderheiten des Einzelfalles aus.

4. Auch eine Leistungsfreiheit der Beklagten zu 2) wegen Gefahrerhöhung (§§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG) hat das Berufungsgericht mit rechtlich zutreffender Begründung abgelehnt. Soweit die Revision geltend macht, die vom Berufungsgericht vermißte Dauerhaftigkeit des Zustandes erhöhter Gefahrverwirklichung ergebe sich daraus, daß die Motor - und Netzschlüssel ständig, das heißt nicht nur am Tage vor dem Diebstahl, sondern auch während der Winterliegezeit der Yacht an Land und auch bereits davor an Bord verwahrt worden seien, findet dies in den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Stütze. Eine Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.