Bundesgerichtshof Urteil, 18. Apr. 2019 - III ZR 67/18

bei uns veröffentlicht am18.04.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 67/18
Verkündet am:
18. April 2019
P e l l o w s k i
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
MRK Art. 5 Abs. 5

a) Passivlegitimiert bei einem Schadensersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 MRK ist
der Hoheitsträger, dessen Hoheitsgewalt bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung
ausgeübt wurde; dies ist bei einer auf richterlicher Anordnung beruhenden
Freiheitsentziehung regelmäßig nur der Hoheitsträger, in dessen Dienst
der Richter steht.

b) Für die Frage, ob eine Freiheitsentziehung konventionswidrig ist, kommt es auf
den objektiven Verstoß gegen die Konvention an, nicht dagegen - wie im Amtshaftungsrecht
für bestimmte richterliche Maßnahmen außerhalb des Spruchrichterprivilegs
- auf die Vertretbarkeit der richterlichen Haftanordnung.

c) Art. 5 Abs. 5 MRK betrifft nur die Freiheitsentziehung als solche, nicht den Haftvollzug
beziehungsweise die Modalitäten der Haft; daher ergeben sich aus
Art. 5 Abs. 5 MRK keine Rechte von inhaftierten Personen in Bezug auf ihre
Behandlung in der Haft. Ein Verstoß gegen das sogenannte Trennungsgebot im
Rahmen des Vollzugs der Abschiebehaft nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie
2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (ABl. EU Nr. L 348/98) betrifft in diesem
Sinn nur den Vollzug.
BGH, Urteil vom 18. April 2019 - III ZR 67/18 - OLG München
LG München I
ECLI:DE:BGH:2019:180419UIIIZR67.18.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, den Richter Seiters sowie die Richterinnen Dr. Liebert, Dr. Arend und Dr. Böttcher

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. März 2018 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird die vorbenannte Entscheidung insoweit abgeändert, als auf die Berufung des Beklagten zu 1 das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 20. September 2017 mit der Maßgabe abgeändert wird, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf immaterielle Entschädigung nach Art. 5 Abs. 5 EMRK geltend.
2
Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste zusammen mit seiner Frau und seiner damals 1½ jährigen Tochter mit dem Zug aus Österreich kommend am 2. Oktober 2013 in das Bundesgebiet ein. Bei der Grenzkontrolle in Passau konnte er keine aufenthaltslegitimierenden Ausweispapiere vorlegen. Er gab an, bereits in der Slowakei einen Asylantrag gestellt zu haben. Er wolle aber in Deutschland bleiben. Eine Abfrage im EURODAC-System ergab, dass der Kläger und seine Ehefrau in der Slowakischen Republik am 25. August 2013 einen Asylantrag gestellt hatten. Die Bundespolizei verfügte daher die Zurückschiebung des Klägers nach der Dublin-II-Verordnung (EG-Verordnung Nr. 343/2003, ABl. EG Nr. L 50/01). Ferner beantragte die Bundespolizei Haft zur Sicherung der Zurückschiebung. Mit Beschluss vom 3. Oktober 2013 ordnete das Amtsgericht Passau die vorläufige Freiheitsentziehung an. Der Kläger wurde daraufhin in die gesonderte Abteilung für Abschiebegefangene der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim gebracht. Die Ehefrau des Klägers sowie seine Tochter wurden in einer Gemeinschaftsunterkunft in Passau untergebracht.
3
In der Folgezeit wurde über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Wiederaufnahme des Klägers durch die Slowakische Republik betrieben. Am 8. Oktober 2013 beantragte die Bundespolizei Zurückschiebungshaft bis längstens zum 15. November 2013. Mit Beschluss vom 16. Oktober 2013 ordnete das Amtsgericht München unter Aufhebung der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts Passau Abschiebehaft von 44 Tagen an (beginnend rückwirkend am 3. Oktober 2013, längstens bis zum 15. November 2013). Auf die Beschwerde des Klägers setzte das Landgericht München I am 30. Oktober 2013 die Vollziehung unter Auflagen - Aufenthaltnahme bei Ehefrau und Tochter in der Gemeinschaftsunterkunft in Passau; tägliche Erreichbarkeit dort um 10.00 Uhr und um 20.00 Uhr - aus und hob mit weiterem Beschluss vom 7. November 2013 die Haftentscheidung des Amtsgerichts München vom 16. Oktober 2013 auf. Gleichzeitig stellte das Landgericht fest, dass die Freiheitsentziehung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Eine Entziehungsabsicht sei nicht erkennbar , jedenfalls reichten die gemachten Auflagen aus. Zwischenzeitlich hatte die Slowakische Republik der Rücknahme des Klägers und seiner Familie zugestimmt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verfügte daraufhin die Abschiebung. Nachdem der Kläger erfolglos versucht hatte, dagegen verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, entzog er sich der Zurückschiebung , indem er mit seiner Familie die Zeit bis zum Ablauf der Zurückschiebefrist nach der Dublin-II-Verordnung im sogenannten Kirchenasyl verbrachte. Im Rahmen des deshalb in Deutschland durchgeführten nationalen Asylverfahrens wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
4
Der Kläger hat die Beklagten auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung für die Zeit seiner Abschiebehaft ab 3. Oktober 2013 in Höhe von 100 € je Hafttag - insgesamt 2.700 € - in Anspruch genommen. Das Landgericht hat das beklagte Land - unter Abweisung der weitergehenden Klage - zur Zahlung von 810 € (27 Tage à 30 €) verurteilt und die Klage gegen die beklagte Bundesrepublik insgesamt abgewiesen. Die Berufungen des Klägers und des beklagten Landes haben keinen Erfolg gehabt. Hiergegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen des Klägers und des beklagten Landes.

Entscheidungsgründe


5
Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die zulässige Revision des beklagten Landes führt unter Abänderung der instanzgerichtlichen Entscheidungen zur vollständigen Abweisung der Klage.

I.


6
Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen das beklagte Land ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus Art. 5 Abs. 5 EMRK zustehe. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 7. November 2013, in dem die Feststellung getroffen worden sei, dass die gegen den Kläger verhängte Haft von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, entfalte Bindungswirkung für den nachfolgenden Schadensersatzprozess. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes komme es deshalb nicht darauf an, ob die Haftentscheidungen der Amtsgerichte Passau und München, was das Landgericht München I nicht geprüft habe, zumindest vertretbar gewesen seien. Dem Kläger stehe jedoch nicht mehr als der vom Landgericht zugesprochene Betrag von 30 € pro Tag erlittener Freiheitsentziehung zu.
7
Die Klage gegen die beklagte Bundesrepublik sei unbegründet. Bezüglich eines Anspruchs aus Art. 5 Abs. 5 EMRK sei die Beklagte zu 2 nicht passivlegitimiert. Denn die Haft beruhe auf Entscheidungen der Gerichte des beklagten Landes. Diese könnten der Beklagten zu 2 nicht allein deshalb zugerechnet werden, weil die Bundespolizei entsprechende Anträge gestellt habe. Soweit der Kläger nicht in einer speziellen Haftanstalt nur für Abschiebehäftlinge untergebracht worden sei, betreffe dies den Haftvollzug, der grundsätzlich nicht unter Art. 5 Abs. 5 EMRK falle. Etwaige Amtshaftungsansprüche scheiterten insoweit auch am Verschulden, da bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Juli 2014 (NVwZ 2014, 1217) die Unterbringung in normalen Justizvollzugsanstalten getrennt von Strafgefangenen im Rahmen des § 62a Abs. 1 Satz 2 AufenthG a.F. durchaus üblich gewesen sei.

II.


Revision des Klägers
8
1. Die Instanzgerichte sind zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte zu 2 kein Schadensersatzanspruch zusteht.
9
a) Für einen Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK fehlt es an der Passivlegitimation. Art. 5 EMRK bestimmt, soweit hier einschlägig, Folgendes: "(1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden: …
f) Rechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist. … (5) Jede Person, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, hat Anspruch auf Schadensersatz."
10
Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt insoweit einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeeinträchtigung durch staatliche Organe, der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (z.B. Senat, Urteile vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12, BGHZ 198, 1 Rn. 28 und vom 19. September 2013 - III ZR 405/12, NJW 2014, 67 Rn. 13, jeweils mwN).

11
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die beklagte Bundesrepublik Deutschland nicht passivlegitimiert. Zwar ist im Verfahren der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK die Bundesrepublik als Vertragspartei Beschwerdegegnerin; dementsprechend trifft sie eine etwaige vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Art. 41 EMRK zugesprochene Entschädigung. Im Rahmen der innerstaatlichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 EMRK ist jedoch die Frage nach der Person des Verpflichteten durch Anwendung des Art. 34 GG zu klären. Danach ist der Hoheitsträger (Bund, Land oder sonstige Gebietskörperschaft) verantwortlich, dessen Hoheitsgewalt bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung ausgeübt wurde (z.B. Senat, Urteil vom 19. September 2013, aaO Rn. 24 mwN). Der Eingriff in das Freiheitsrecht des Klägers in der Zeit vom 3. bis zum 30. Oktober 2013 beruhte auf den Haftentscheidungen der Amtsgerichte Passau und München. Über die Zulässigkeit und Fortdauer eines Freiheitsentzugs hat in Deutschland grundsätzlich nur der Richter zu entscheiden (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG). Bei einer auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung wird mithin die Hoheitsgewalt des Richters beziehungsweise des Hoheitsträgers ausgeübt, in deren Dienst dieser steht. Letzteres war hier das beklagte Land und nicht die Bundesrepublik.
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Hieran ändert - entgegen der Auffassung des Klägers - der Umstand nichts, dass die Bundespolizei unter dem 2. Oktober 2013 einen "Antrag auf einstweilige Anordnung und Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung" und unter dem 8. Oktober 2013 einen "Antrag auf Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung" gestellt hat, und dass es ohne die Anträge nicht zur Haft gekommen wäre. Diese Kau- salitätsbetrachtung ist im Rahmen des Art. 5 Abs. 5 EMRK nicht maßgeblich. Denn die Antragstellung ändert nichts daran, dass bei den anschließend nach jeweiliger Anhörung des Klägers und eigenverantwortlich von den Amtsgerichten getroffenen Haftentscheidungen nur Hoheitsgewalt des beklagten Landes und nicht der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt worden ist.
13
Soweit die Revision darauf verweist, dass nach § 422 Abs. 3 FamFG der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen wird und dies hier die Bundespolizei gewesen sei, ändert auch dies nichts. Der - im Übrigen in einer Anstalt des Landes vollzogene - Freiheitsentzug findet seine Grundlage allein in der richterlichen Haftanordnung. Die Zuständigkeit nach § 422 Abs. 3 FamFG ist insoweit kein eigenständiger Anknüpfungspunkt für eine Passivlegitimation der Bundesrepublik Deutschland. Art. 5 Abs. 5 EMRK bezieht sich grundsätzlich auch nur auf die Haft als solche, nicht dagegen den Vollzug beziehungsweise die Haftbedingungen (vgl. Senat, Urteile vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 270 und vom 4. Juli 2013, aaO Rn. 30; siehe dazu näher Nr. 2c bb zur Revision des Beklagten zu 1). Dass - worauf der Kläger verweist - die zuständige Verwaltungsbehörde verpflichtet ist, von sich aus eine Beendigung der Haft zu veranlassen, wenn Umstände auftreten, die einer ursprünglich rechtmäßig angeordneten Haft nachträglich ihre Grundlage entziehen, spielt in diesem Zusammenhang schon deshalb keine Rolle, weil ein solcher Fall hier unstreitig nicht vorliegt.
14
b) Soweit das Berufungsgericht Ansprüche aus Amtshaftung verneint hat, wendet sich hiergegen der Kläger mit seiner Revision zu Recht nicht.
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2. Die Rügen der Revision zur Höhe der dem Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1 zuerkannten Entschädigung bleiben bereits deshalb ohne Erfolg, weil dem Kläger schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Schadensersatz zusteht (siehe nachfolgend zur Revision des Beklagten zu 1). Revision des Beklagten zu 1
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1. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass es bei der Prüfung einer Haftung des Beklagten zu 1 an die Entscheidung des Landgerichts München I vom 7. November 2013 gebunden sei.
17
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen der Verwaltungsgerichte im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung (§ 121 VwGO) gebunden. Die Bindungswirkung erfasst in persönlicher Hinsicht die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 63 VwGO) - bei Behörden deren Rechtsträger - und ihre Rechtsnachfolger und ist sachlich auf den Streitgegenstand beschränkt (z.B. Senat, Urteile vom 7. Februar 2008 - III ZR 76/07, BGHZ 175, 221 Rn. 10 und vom 12. Juni 2008 - III ZR 38/07, VersR 2010, 529 Rn. 15, jeweilsmwN). Eine solche Bindungswirkung für den Amtshaftungsprozess hat der Senat auch für rechtskräftige Entscheidungen eines Zivil- oder Strafsenats in Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG (Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, MDR 1994, 773, 774), für Beschwerdeentscheidungen nach §§ 23, 31 BadWürttPolG (Urteil vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3696) und für rechtskräftige Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern im Verfahren nach Art. 109 StVollzG angenommen (Urteil vom 4. November 2004 - III ZR 361/03, BGHZ 161, 33, 34). Diese für den Amtshaftungsprozess entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für einen Schadensersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK und insoweit auch für entsprechende Feststellungen der Rechts- widrigkeit einer Haftanordnung im Abschiebehaftbeschwerdeverfahren (Senat, Urteil vom 18. Mai 2006 - III ZR 183/05, DÖV 2006, 830 Rn. 7).
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b) Im vorliegenden Fall greift die Bindungswirkung der Entscheidung des Landgerichts München I allerdings nicht zum Nachteil des beklagten Landes. Das beklagte Land gehörte nicht zu den Verfahrensbeteiligten (§ 418 Abs. 1 FamFG). Vielmehr war die Bundespolizei und damit eine Behörde der beklagten Bundesrepublik neben dem Kläger an dem zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebehaft führenden Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht München I beteiligt. Dessen Entscheidung kann deshalb nicht zu Lasten des beklagten Landes, das insoweit in diesem Verfahren kein rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hatte, Bindungswirkung in einem späteren Schadensersatzprozess entfalten. Da rechtliches Gehör vom Gericht den Parteien zu gewähren ist, spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass - worauf der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - die Richter am Landgericht München I Richter des beklagten Landes sind. Es kann auch keine Rede davon sein, dass ohne eine solche Bindungswirkung § 62 FamFG "seinen wesentlichen Zweck, die Grundlage für Entschädigungsansprüche des Betroffenen zu schaffen" verliert, wie es der Kläger in seiner Revisionsbegründung geltend gemacht hat. Nach § 62 Abs. 1 FamFG spricht das Beschwerdegericht , wenn sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt hat, auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn dieser ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Ein solches ist gegeben, wenn schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder eine Wiederholung konkret zu erwarten ist (§ 62 Abs. 2 FamFG). Insoweit geht es aber nicht um das Interesse des Beschwerdeführers, durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Maßnahme die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs vorzubereiten (vgl. nur Keidel /Budde, FamFG, 19. Aufl., § 62 Rn. 19; OLG Hamm FGPrax 2010, 79; OLG München FGPrax 2014, 51, 52; siehe zum Feststellungsinteresse bei Abschiebehaft auch BVerfGE 104, 220, 232 ff). Jedenfalls kann einem solchen Interesse in den Fällen, in denen ein Entschädigungsanspruch gegen eine am Vorprozess nicht beteiligte Partei geltend gemacht wird, kein Vorrang vor Art. 103 Abs. 1 GG eingeräumt werden.
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2. Mangels Bindungswirkung der Entscheidung des Landgerichts München I kommt es damit darauf an, ob die durch die Amtsgerichte Passau und München angeordnete Freiheitsentziehung konventionswidrig im Sinne des Art. 5 Abs. 5 EMRK war. Dies ist nicht der Fall.
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a) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 5 Abs. 5 EMRK allerdings nicht erst dann als rechtswidrig anzusehen , wenn sie nach Amtshaftungsgrundsätzen (§ 839 BGB) als unvertretbar zu bewerten wäre.
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aa) Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im Amtshaftungsprozess bestimmte richterliche Maßnahmen außerhalb des Richterspruchprivilegs (§ 839 Abs. 2 Satz 1 BGB) nicht auf ihre sachliche Richtigkeit , sondern nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen sind (vgl. zur Untersuchungshaft Urteil vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 271; zur einstweiligen Anordnung in Unterbringungssachen Urteil vom 3. Juli 2003 - III ZR 326/03, BGHZ 155, 306, 310; zur Streitwertfestsetzung Urteil vom 21. Juli 2005 - III ZR 21/05, NJOZ 2005, 3987, 3988 f; zur Prozessführung in Zivilsachen Urteil vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und zur richterlichen Beschlagnahmeanordnung Urteil vom 15. Dezember 2016 - III ZR 387/14, BGHZ 213, 200 Rn. 14). Die Vertretbarkeit darf nur verneint werden , wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege die Entscheidung nicht mehr verständlich ist (vgl. nur Urteile vom 4. November 2010 und vom 15. Dezember 2016, jeweils aaO). Erweist sich eine Entscheidung des Richters insoweit als vertretbar, wirkt sich dies bereits auf der Tatbestands- und nicht erst auf der Verschuldensebene des Amtshaftungsanspruchs aus. Denn die Haftungseinschränkung begrenzt den objektiven Umfang der wahrzunehmenden Pflichten. Dementsprechend ist bereits eine Amtspflichtverletzung zu verneinen und ist die richterliche Maßnahme oder Entscheidung im amtshaftungsrechtlichen Sinn als rechtmäßig anzusehen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Dezember 2016, aaO Rn. 17). Ebenso scheidet im Rahmen eines enteignungsgleichen Eingriffs die Annahme eines entschädigungspflichtigen Sonderopfers aus, wenn die richterliche Maßnahme vertretbar war (vgl. Senat, Urteile vom 15. Mai 1997 - III ZR 46/96, WM 1997, 1755, 1756 und vom 15. Dezember 2016, aaO Rn. 21; jeweils zu einer Beschlagnahmeanordnung

).


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bb) Ob diese Grundsätze auch für Ansprüche aus Art. 5 Abs. 5 EMRK gelten, hat der Senat bisher nicht eindeutig geklärt. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 29. April 1993 (aaO), in dem er einen Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK im Ergebnis bejaht hat, auch die Rechtsprechung zur Vertretbarkeit im Amtshaftungsprozess angesprochen (aaO S. 270 f), entscheidend dann aber darauf abgestellt, dass die Inhaftierung wegen objektiver Erkennbarkeit ihrer Unverhältnismäßigkeit rechtswidrig gewesen sei, und im Folgenden angemerkt (aaO S. 280), dass bereits die objektiv konventionswidrige Freiheitsentziehung Schadensersatzansprüche begründe. In späteren Entscheidungen hat der Senat nur die Frage der Rechtmäßigkeit thematisiert, ohne dabei den Vertretbar- keitsmaßstab anzusprechen (vgl. etwa Urteil vom 19. September 2013 - III ZR 405/12, NJW 2014, 67 Rn. 14 ff).
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cc) Die Frage, ob bei richterlichen Handlungen ein Konventionsverstoß erst dann vorliegt, wenn das Verhalten des Richters nicht mehr verständlich und deshalb unvertretbar war, ist zu verneinen. Die zum Amtshaftungsrecht entwickelte Rechtsprechung kann auf eine Haftung des Staates nach Art. 5 Abs. 5 EMRK wegen der unterschiedlichen Struktur der Tatbestände nicht einfach übertragen werden.
24
§ 839 BGB knüpft an die persönliche Verantwortung des Staatsdieners an. Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Über Art. 34 GG wird die Haftung auf den Staat übergeleitet. Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht (Art. 34 Satz 1 GG). Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten (Art. 34 Satz 2 GG). Auch bei richterlichen Maßnahmen knüpft § 839 BGB grundsätzlich an die persönliche Verantwortlichkeit des Richters an. Diese ist gesetzlich nach § 839 Abs. 2 BGB lediglich insoweit eingeschränkt, als bei einem Urteil in einer Rechtssache der Richter für den aus einer Amtspflichtverletzung resultierenden Schaden nur verantwortlich ist, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Soweit der Senat für richterliche Maßnahmen außerhalb dieses Richterspruchprivilegs die Haftung begrenzt hat, knüpfte auch diese Rechtsprechung im Ausgangspunkt an die persönliche Verantwortlichkeit des Richters an. Ein Schuldvorwurf könne dem Richter in diesem Bereich nur bei besonders groben Verstößen gemacht werden (z.B. Senat, Beschlüsse vom 26. April 1990 - III ZR 182/89, Jurion RS 1990 Nr. 15083 Rn. 3 und vom 19. Dezember 1991 - III ZR 9/91, BGHRZ Nr. 10710), was auf eine Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit hinauslaufe (Senat, Urteil vom 3. Juli 2003 - III ZR 326/02, BGHZ 155, 306, 310). In neueren Entscheidungen hat der Senat dann in diesem Zusammenhang nur noch auf den Begriff der Vertretbarkeit abgestellt , die nur verneint werden dürfe, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege die Entscheidung nicht mehr verständlich sei (vgl. Urteile vom 4. November 2010, aaO Rn. 14 und vom 15. Dezember 2016, aaO Rn. 14).
25
Anders als bei der Amtshaftung (§ 839 BGB) geht es bei Art. 5 Abs. 5 EMRK aber nicht um die Frage einer persönlichen Pflichtwidrigkeit, die über Art. 34 GG haftungsrechtlich auf den Staat übergeleitet wird. Vielmehr handelt es sich bei Art. 5 Abs. 5 EMRK um eine verschuldensunabhängige Haftung für einen konventionswidrigen Freiheitsentzug (z.B. Senat, Urteile vom 18. Mai

2006

- III ZR 183/05, MDR 2006, 1284, 1285 und vom 12. November 2015 - III ZR 204/15, BGHZ 207, 365 Rn. 15). Die Vorschrift spricht weder von einem bestimmten Hoheitsträger noch einem sonst Verantwortlichen und erwähnt nicht deren Vorgehen, Verhalten oder Entscheidung, sondern knüpft die Rechtsfolge allein an die Tatsache des "Betroffenwerdens" durch eine "entgegen den Bestimmungen dieses Artikels" erfolgte Freiheitsentziehung (Senat, Urteil vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 65). Die richterliche Maßnahme ist insoweit auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen. Bereits der objektive Verstoß gegen die Konvention reicht aus. Ob den Richter persönlich ein Vorwurf trifft, seine Entscheidung im amtshaftungsrechtlichen Sinn als Pflichtverletzung anzusehen ist, spielt hierfür keine Rolle. Dementsprechend haben weder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (z.B. Urteil vom 17. Dezember
2009, NJW 2010, 2495) noch der Senat (z.B. Urteil vom 19. September 2013 - III ZR 405/12, NJW 2014, 67) bei ihren Entscheidungen zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung die Beschlüsse der Vollstreckungsgerichte im Rahmen des Art. 5 EMRK unter Vertretbarkeitsgesichtspunkten gewürdigt, obwohl die richterlichen Entscheidungen unzweifelhaft vertretbar waren, da sie der damaligen, vom Bundesverfassungsgericht ursprünglich (BVerfGE 109, 133; anders später BVerfGE 128, 326) ausdrücklich bestätigten Gesetzeslage entsprachen. Es ist deshalb auch im vorliegenden Fall ausschließlich darauf abzustellen, ob die Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 5 Abs. 5 EMRK konventionswidrig war oder nicht.
26
b) Bezüglich dieser Prüfung ist zu beachten, dass die Begriffe "rechtmäßig" und "auf gesetzlich vorgeschriebene Weise" in Art. 5 Abs. 1 EMRK auf das innerstaatliche Recht verweisen und die Verpflichtung begründen, dessen materielle und prozessuale Regeln einzuhalten (vgl. nur Senat, Urteil vom 18. Mai 2006 - III ZR 183/05, DÖV 2006, 830 Rn. 9 mwN; dort auch zu Besonderheiten bei Freiheitsentziehungen aufgrund rechtskräftiger Strafurteile). Rechtswidrig in diesem Sinne kann eine Freiheitsentziehung zum Beispiel dann sein, wenn der Richter in entscheidungserheblicher Weise von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen ist oder die Bedeutung von Rechtsbegriffen verkannt hat. Hängt die Anordnung einer Freiheitsentziehung von einer prognostischen Beurteilung tatsächlicher Umstände ab - wie etwa der Frage, ob Fluchtgefahr besteht beziehungsweise ob dieser auch durch ein milderes Mittel als der Haft ausreichend entgegengewirkt werden kann -, ist allerdings zu beachten, dass sich in solchen Fällen aus der Natur der Sache nicht nur eine einzige richtige Entscheidung ergibt und alle anderen Bewertungen rechtswidrig sind. Insbesondere geht es nicht an, dass der Richter im Entschädigungsprozess seine eigene Prognose einfach an die Stelle der des Haftrichters setzt. Vielmehr kann im Rahmen der Prognosen eigenen Bewertungsspielräume auch eine andere Würdigung nachvollziehbar, tragfähig und insoweit im Rahmen des Art. 5 EMRK rechtmäßig sein.
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c) Ausgehend von diesem Maßstab kann die von den Amtsgerichten Passau und München angeordnete Haft nicht als konventionswidrig im Sinne des Art. 5 Abs. 5 EMRK beanstandet werden.
28
aa) Die Amtsgerichte sind - nach jeweiliger Anhörung des Klägers - davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Nr. 1, 5 AufenthG vorliegen und der Zweck der Abschiebehaft nicht durch ein milderes, ebenfalls ausreichendes anderes Mittel erreicht werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Die den Haftentscheidungen insoweit zugrundeliegende Prognose ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat bei seinen Anhörungen angegeben, mit seiner Familie in Deutschland bleiben und nicht in die Slowakei zurück zu wollen. Gegenüber der Bundespolizei hatte er dies zuvor unter anderem damit begründet, dass die Situation in der Slowakei "schlimm" beziehungsweise "wie ein Gefängnis" sei und man "dort nicht leben kann". Wenn die Amtsgerichte unter anderem vor diesem Hintergrund davon ausgegangen sind, es bestehe die Gefahr, dass der Kläger sich nicht freiwillig der Zurückschiebung in die Slowakei stellen werde, sodass zur Sicherung Abschiebehaft nötig sei, ist diese seinerzeit angestellte Prognose nicht als rechtswidrig zu bewerten. Unabhängig hiervon ist das Landgericht München I fehlerhaft davon ausgegangen, das Ziel des Klägers, sich mit seiner Familie in Deutschland aufhalten zu können, sei nur durch ein dauerhaftes Untertauchen zu erreichen gewesen.
29
bb) Eine Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 5 Abs. 5 EMRK folgt auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen das sogenannte Trennungsgebot im Rahmen des Vollzugs der Abschiebehaft.
30
aaa) Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. EU Nr. L 348/98, im Folgenden Richtlinie 2008/115/EG) bestimmt : "Die Inhaftierung erfolgt grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen. Sind in einem Mitgliedstaat solche speziellen Hafteinrichtungen nicht vorhanden und muss die Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten erfolgen, so werden in Haft genommene Drittstaatsangehörige gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht."
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§ 62a Abs. 1 AufenthG in der zur Zeit der Haft des Klägers geltenden Fassung vom 22. November 2011 (BGBl. I 2258, 2262) regelte insoweit: "Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Land nicht vorhanden, kann sie in diesem Land in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. …"
32
Mit Urteil vom 17. Juli 2014 (C-473/13, C-514/13, NVwZ 2014, 1217) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat auch dann verpflichtet ist, illegal aufhältige Drittstaatsangehörige grundsätzlich in einer speziellen Hafteinrichtung dieses Staates in Abschiebehaft zu nehmen, wenn er föderal strukturiert ist und die nach nationalem Recht für die Anordnung und Vollziehung einer solchen Haft zuständige föderale Untergliederung über keine solche Hafteinrichtung verfügt. Dies bedeutet nicht, dass in jeder föderalen Untergliederung spezielle Hafteinrichtungen zu errichten sind. Es muss jedoch insbesondere durch Vereinbarungen über die Verwaltungszusammenarbeit sichergestellt werden, dass die zuständigen Behörden einer föderativen Untergliederung , die nicht über solche Hafteinrichtungen verfügen, die abzuschiebenden Drittstaatsangehörigen in speziellen Hafteinrichtungen in anderen föderativen Untergliederungen unterbringen können (EuGH aaO Rn. 31). Anderenfalls steht die Unterbringung nicht im Einklang mit der Richtlinie (vgl. auch EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014, C-474/13, NVwZ 2014, 1218 Rn. 21). Daraufhin ist § 62a Abs. 1 AufenthG durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386, 1395) geändert worden.
33
bbb) Hierauf lässt sich ein Schadensersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK für die vom 3. bis 30. Oktober 2013 in einer gesonderten Abteilung der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim vollzogene Abschiebehaft aber nicht stützen.
34
Nach der Senatsrechtsprechung betrifft Art. 5 Abs. 5 EMRK die Freiheitsentziehung als solche, nicht den Haftvollzug beziehungsweise die Modalitäten der Haft; daher ergeben sich aus Art. 5 Abs. 5 EMRK keine Rechte von inhaftierten Personen in Bezug auf ihre Behandlung in der Haft (z.B. Urteile vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 270 und vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12, BGHZ 198, 1, Rn. 30 ff). Die Behandlung in der Haft darf zwar nicht "unmenschlich" oder "erniedrigend" sein. Entsprechende Verstöße gegen Art. 3 EMRK fallen aber nicht unter Art. 5 EMRK, sondern können nur, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, nicht anders als andere Verstöße gegen Regelungen zur Ausgestaltung der Haft einen Amtshaftungsanspruch begründen. Ausnahmsweise können die Umstände der Haft im Rahmen des Art. 5 EMRK dann von Bedeutung sein, wenn sie im Hinblick auf den gesundheitlichen Zustand des Betroffenen zu dessen Vollzugsuntauglichkeit führen (vgl. Senat, Urteil vom 29. April 1993, aaO S. 270 ff). Reichen die im Vollzug - einschließlich der etwaigen Unterbringung in einem Anstalts- oder in einem externen Krankenhaus - zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht aus, um von der Haft ausgehende schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahren abzuwenden, kann die Vollzugstauglichkeit zur Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Haft werden und können insoweit die Umstände der Haft ausnahmsweise auf die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 5 Abs. 5 EMRK durchschlagen. Denn in einem solchen Fall ist die Haft generell nicht vollziehbar. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen lediglich die konkreten Haftbedingungen unzulässig sind. So wird etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 EMRK im Fall menschenunwürdiger Haftbedingungen nicht berührt, selbst wenn die Haft unzulässig und der Betroffene in letzter Konsequenz zu entlassen wäre, weil und solange die Vollzugsanstalt auch unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten menschenwürdige Haftbedingungen nicht schaffen kann (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 2013, aaO Rn. 32).
35
Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG beziehungsweise § 62a AufenthG betreffen im Sinne dieser Differenzierung lediglich den Vollzug der Haft. Zwar muss nach der Rechtsprechung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (z.B. Beschluss vom 25. Juli 2014 - V ZB 137/14, InfAuslR 2014, 441) im Hinblick auf das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Unionsrechts (effet utile) der Haftrichter bereits die Anordnung von Sicherungshaft ablehnen , wenn absehbar ist, dass der Betroffene unionsrechtswidrig untergebracht wird. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich, soweit die nach § 62 AufenthaltG angeordnete Abschiebehaft - wie hier im Zeitraum vom 3. bis 30. Oktober 2013 - in einer allgemeinen Justizvollzugsanstalt in einem von Untersuchungs - und Strafgefangenen getrennten Bereich vollzogen wird, im Sinne der Systematik der autonom auszulegenden Europäischen Menschenrechtskonvention und der Senatsrechtsprechung um keinen Fall des Art. 5 Abs. 5 EMRK handelt. Anders als bei fehlender Vollzugstauglichkeit war die Haft nicht grundsätzlich unzulässig, sondern hätte in einer speziellen Einrichtung, die es damals an diversen Stellen im Bundesgebiet gab, vollzogen werden können. Jedenfalls im Sinne des Art. 5 Abs. 5 EMRK begründen unzulässige Vollzugsbedingungen aber nur im ersteren Fall einen schadensersatzpflichtigen Konventionsverstoß (Senat aaO).
36
3. Amtshaftungsansprüche gegen das beklagte Land macht der Kläger zu Recht nicht geltend.
Herrmann Seiters Liebert
Arend Böttcher
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 20.09.2017 - 15 O 21372/16 -
OLG München, Entscheidung vom 15.03.2018 - 1 U 3473/17 -

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(1) Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Bundesgebiet nicht vorhanden oder geht von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, kann sie in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Werden mehrere Angehörige einer Familie inhaftiert, so sind diese getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.

(2) Den Abschiebungsgefangenen wird gestattet, mit Rechtsvertretern, Familienangehörigen, den zuständigen Konsularbehörden und einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen Kontakt aufzunehmen.

(3) Bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen sind unter Beachtung der Maßgaben in Artikel 17 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) alterstypische Belange zu berücksichtigen. Der Situation schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

(4) Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene zu besuchen.

(5) Abschiebungsgefangene sind über ihre Rechte und Pflichten und über die in der Einrichtung geltenden Regeln zu informieren.

28
a) Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand (vgl. nur Senat, Urteil vom 10. Januar 1966 - III ZR 70/64, BGHZ 45, 46, 49 ff), der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist (vgl. nur Senat, Urteil vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 65 ff) und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (vgl. nur Senat, Urteil vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 279 ff). Dabei ist bei innerstaatlicher Rechtswidrigkeit der Inhaftierung der Freiheitsentzug auch dann (mittelbar) konventionswidrig, wenn die Anforderungen der Konvention an die Voraussetzungen, unter denen (Untersuchungs-)Haft angeordnet werden kann, geringer sind als die der deutschen Strafprozessordnung (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 1971 - III ZR 181/69, BGHZ 57, 33, 38; Urteil vom 29. April 1993 aaO S. 270).
13
a) Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand (vgl. nur Senat, Urteile vom 10. Januar 1966 - III ZR 70/64, BGHZ 45, 46, 49 ff und vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12, juris Rn. 28, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist (vgl. nur Senat, Urteile vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 65 ff und vom 4. Juli 2013 aaO) und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (vgl. nur Senat, Urteile vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 279 ff und vom 4. Juli 2013 aaO).

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird mit Rechtskraft wirksam.

(2) Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit

1.
dem Betroffenen, der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben werden oder
2.
der Geschäftsstelle des Gerichts zum Zweck der Bekanntgabe übergeben werden.
Der Zeitpunkt der sofortigen Wirksamkeit ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(3) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen.

(4) Wird Zurückweisungshaft (§ 15 des Aufenthaltsgesetzes) oder Abschiebungshaft (§ 62 des Aufenthaltsgesetzes) im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen, gelten die §§ 171, 173 bis 175 und 178 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend, soweit in § 62a des Aufenthaltsgesetzes für die Abschiebungshaft nichts Abweichendes bestimmt ist.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Beteiligte am Verfahren sind

1.
der Kläger,
2.
der Beklagte,
3.
der Beigeladene (§ 65),
4.
der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht oder der Vertreter des öffentlichen Interesses, falls er von seiner Beteiligungsbefugnis Gebrauch macht.

10
1. a) Nach ständiger, seit langem bestehender Rechtsprechung des Senats sind die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung (§ 121 VwGO) gebunden (vgl. nur BGHZ 9, 329, 330 ff ; 103, 242, 244 f; 119, 365, 368; 134, 268, 273; 146, 153, 156; 161, 305, 309). Die Bindungswirkung erfasst in persönlicher Hinsicht die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 63 VwGO) und ihre Rechtsnachfolger und ist sachlich auf dessen Streitgegenstand beschränkt. In diesem Rahmen folgt die Bindung der Zivilgerichte aus der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Gerichtszweige.
15
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung (§ 121 VwGO) gebunden (vgl. nur BGHZ 146, 153, 156; 161, 305, 309; zuletzt Urteil vom 7. Februar 2008 - III ZR 76/07 - WM 2008, 660, 661 Rn. 10 m.w.N.; für BGHZ vorgesehen). Die Bindungswirkung erfasst in persönlicher Hinsicht die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 63 VwGO) und ihre Rechtsnachfolger und ist sachlich auf den Streitgegenstand beschränkt. Bei Verpflichtungsklagen erstreckt sie sich, soweit keine Veränderung der entscheidungserheblichen Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen ist, auch auf die Beurteilung der Verwaltungsgerichte , dass die ablehnenden Bescheide rechtswidrig gewesen seien (Senatsurteile BGHZ 119, 365, 368 und vom 7. Februar 2008 aaO Rn. 11).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 9/03
Verkündet am:
23. Oktober 2003
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) BGB § 839 (Fi)
Zur Amtspflichtwidrigkeit eines Haftbefehlsantrags, wenn die Staatsanwaltschaft
dem zuständigen Richter nicht alle für die Beurteilung des
Tatverdachts des Beschuldigten erheblichen Beweisergebnisse vorlegt.

b) BGB § 839 (Fg), (G); PolG BW § 23 Abs. 2 Satz 1
Eine auf Antrag der Polizei vom Amtsgericht getroffene Anordnung
über den Einsatz verdeckter technischer Mittel zur Datenerhebung in
oder aus Wohnungen ist kein "Urteil in einer Rechtssache" i.S.d. § 839
Abs. 2 Satz 1 BGB.

c) BGB § 839 (Fg), (J); PolG BW §§ 23 Abs. 2, 31 Abs. 5
Eine auf Antrag der Polizei vom Amtsgericht getroffene Anordnung
über den Einsatz verdeckter technischer Mittel zur Datenerhebung in
oder aus Wohnungen, die nicht nach ihrer Bekanntgabe an den Betroffenen
im Beschwerdewege einer Sachprüfung unterworfen wurde,
sondern (formell) rechtskräftig geworden ist, kann im Amtshaftungsprozeß
auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden.

Hat die Polizei pflichtwidrig die gerichtliche Anordnung von verdeckten
Abhörmaßnahmen in oder aus einer Wohnung beantragt, ohne daß die
polizeirechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Eingriff gegeben
sind, und führt sie anschließend solche Maßnahmen auf die Dauer von
20 Monaten durch, so kann eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts
des Betroffenen vorliegen, die die Zahlung einer
Geldentschädigung erfordert.

e) BGB § 839 (J), (K); FGG § 13a Abs. 1
Die in einem Verfahren nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit
getroffene Kostenentscheidung schließt nicht einen weitergehenden
materiellen Kostenersatzanspruch eines Beteiligten - etwa unter
dem Gesichtspunkt eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB
i.V.m. Art. 34 GG - aus, soweit nicht die Frage einer solchen materiellen
Kostenerstattungspflicht bereits Gegenstand der Prüfung des FGGGerichts
war.
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03 - OLG Karlsruhe
LG Freiburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 13. Zivilsenat in Freiburg - vom 11. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Kläger zu 2 ist zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des I. - Hofes in H. , auf dem auch der Kläger zu 1, ihr Sohn, lebt. In der Zeit zwischen dem 7. Januar 1992 und dem 20. November 1995 kam es in H. zu Bränden, von denen neben vier weiteren Höfen vor allem auch der I. -Hof betroffen war. Am 27. November 1992, 14. Januar 1994 und 20. November 1995 wurde jedesmal der Ökonomietrakt dieses Hofes zerstört, wodurch jeweils Sachschäden in Millionenhöhe entstanden. In einem Zwischenbericht vom 21. Juli 1994 an die Staatsanwaltschaft F. vertrat die Kriminalpolizei die
Auffassung, daß u.a. wegen "vorliegender Zeugenaussagen über den Brandverlauf" möglicherweise davon auszugehen sei, "daß der Brand von außen - und zwar an der Holzverschalung an der Gebäuderückseite - gelegt wurde". Am Ende des Zwischenberichts hieß es, tatsächliche Erkenntnisse, daß es sich um Eigenbrandstiftung handeln könnte, hätten sich nicht gewinnen lassen.
Nach dem weiteren Brand am 20. November 1995 richteten sich die Ermittlungen gegen den Kläger zu 1. Am 21. Oktober 1997 beantragte die Staatsanwaltschaft F. gegen ihn auf der Grundlage des Berichts der Polizeidirektion F. vom 15. Oktober 1997 den Erlaß eines Haftbefehls wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung in drei Fällen (27. November 1992, 14. Januar 1994 und 20. November 1995). Grundlage des Antrags war die These, daß die betreffenden Brände nicht von einem Außenstehenden gelegt worden sein könnten. Der mit dem Antrag vorgelegte Aktenauszug enthielt zwar auch den polizeilichen Zwischenbericht vom 21. Juli 1994, nicht jedoch die Protokolle über die Vernehmung der Feuerwehrleute zum Brand vom 14. Januar 1994. Das Amtsgericht F. erließ am 27. Oktober 1997 den Haftbefehl, und der Kläger zu 1 wurde am 5. November 1997 in Untersuchungshaft genommen. Seine Beschwerde blieb zunächst erfolglos. Auf die weitere Beschwerde hob das Landgericht F. mit Abhilfebeschluß vom 16. Dezember 1997 den Haftbefehl mit der Begründung auf, ungeachtet der weiterhin bestehenden Verdachtsmomente könne derzeit nicht mehr von einem dringenden Tatverdacht im Sinne einer hohen Wahrscheinlichkeit der Täterschaft des Klägers zu 1 ausgegangen werden, da die bisher nach Aktenlage gerechtfertigte Annahme, die dem Haftbefehl zugrundegelegten Brände könnten nur von einem Mitglied der den I. -Hof bewohnenden Familie der Kläger und damit nur von dem Kläger zu 1 gelegt worden sein, bei vorläufiger Bewer-
tung durch die - der Beschwerdekammer erstmals im Abhilfeverfahren zugäng- lich gemachten - Angaben des Zeugen H. L. zum Brand vom 14. Januar 1994 erschüttert worden sei: In der betreffenden polizeilichen Vernehmung vom 19. Januar 1994 hatte der Feuerwehrmann L. einen ca. 30 cm breiten Spalt in der Holzverschalung der Westseite des Ökonomietraktes beschrieben, durch den er einen Feuerschein bemerkt habe; auf die Frage, ob er Gegenstände unterhalb der Öffnung habe wahrnehmen können, die als Aufstieghilfen hätten dienen können, hatte er ausgessagt, er habe in der Verlängerung des Kälberstalls zwei Zwillingsreifen vom Jauchefaß an der Betonwand lehnend gesehen. Anlaß für die polizeiliche Vernehmung des Zeugen L. war ein Aktenvermerk vom 18. Januar 1994 gewesen, in dem von einem Hinweis des Klägers zu 2 berichtet worden war, daß er eine Mitteilung des Feuerwehrmannes erhalten habe, diesem sei aufgefallen, daß im Bereich der vermuteten Brandausbruchstelle ein Brett der Außenverkleidung weggestanden habe. Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den den Haftbefehl aufhebenden Beschluß des Landgerichts F. wurde vom Oberlandesgericht Karlsruhe als unbegründet verworfen.
Im Verlauf des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger zu 1 ordnete das Amtsgericht F. auf Antrag der Kriminalpolizei vom 19. März 1996 gemäß § 23 PolG BW den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Erhebung personenbezogener Daten in der Wohnung des Klägers zu 2, befristet für drei Monate, an (Beschluß vom 21. März 1996) und verlängerte die Abhörmaßnahme antragsgemäß mehrfach, zuletzt durch Beschluß vom 19. September 1997. Nach dem Umzug des Klägers zu 1 aus dem elterlichen Haus in das Leibgedinghaus auf dem I. -Hof wurden auf Antrag der Kriminalpolizei am 21. März 1997, 20. Juni 1997 und 19. September 1997 auch für diese Woh-
nung entsprechende Abhörmaßnahmen angeordnet. Diese wurden am 24. November 1997 beendet und anschließend den Klägern bekanntgegeben. Auf die Beschwerden der Kläger stellte das Landgericht F. - unter Verwerfung der Beschwerden gegen die Folgebeschlüsse als unzulässig - fest, daß die Beschlüsse des Amtsgerichts F. vom 21. März 1996 und 21. März 1997 betreffend die Anordnung von Maßnahmen gemäß § 23 PolG rechtswidrig waren. Die hiergegen gerichteten weiteren Beschwerden wies das Oberlandesgericht Karlsruhe zurück.
Die Staatsanwaltschaft erhob 1998 Anklage gegen den Kläger zu 1 unter anderem wegen der ihm zur Last gelegten Brandstiftungen. Die Strafkammer lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens insoweit mangels hinreichenden Tatverdachts ab und ordnete an, daß der Kläger zu 1 für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen sei.
Die Kläger nehmen das beklagte Land auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen der Staatsanwaltschaft bzw. der Kriminalpolizei im Zusammenhang mit der Erwirkung des Haftbefehls gegen den Kläger zu 1 und der Beantragung und Durchführung der Abhörmaßnahmen gegen beide Kläger in Anspruch. Der Kläger zu 1 begehrt als materiellen Ersatz die Bezahlung der ihm aufgrund einer Honorarvereinbarung berechneten Verteidigervergütungen abzüglich der von der Staatskasse erstatteten Kosten. Beide Kläger verlangen Ersatz ihrer immateriellen Schäden wegen der Abhörmaßnahmen, der Kläger zu 1 darüber hinaus wegen rechtswidriger Freiheitsentziehung (Untersuchungshaft vom 5. November bis 16. Dezember 1997).
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klageansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision erstrebt das beklagte Land weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist mangels einer eindeutigen Einschränkung des Ausspruchs des Berufungsgerichts über die Zulassung als unbeschränkt zugelassen zu behandeln.
Sie ist jedoch unbegründet.

I.


Die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht hätte kein Grundurteil (§ 304 ZPO) erlassen dürfen, erachtet der Senat für nicht durchgreifend; er sieht insofern von einer Begründung ab (§ 564 ZPO).

II.


Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine (schuldhafte) Amtspflichtverletzung der Ermittlungsbeamten des beklagten Landes - sei es des ermittelnden Staatsanwalts, sei es der seinen Antrag als Hilfsbeamte der
Staatsanwaltschaftschaft vorbereitenden Polizeibeamten - darin gesehen, daß diese im Oktober 1997 gegen den Kläger zu 1 einen richterlichen Haftbefehl unter Bejahung des dringenden Tatverdachts der Brandstiftung in drei Fällen erwirkt haben, ohne dem zuständigen Richter alle in die Prüfung einzubeziehenden Beweismittel vorzulegen.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats sind bestimmte Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, zu denen auch der Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls gehört , im Amtshaftungsprozeß nicht auf ihre "Richtigkeit", sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie - bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege - vertretbar sind (vgl. nur Senatsurteile vom 21. April 1988 – III ZR 255/86 - NJW 1989, 96, 29. April 1993 - III ZR 3/92 - NJW 1993, 2927, 2928 und 18. Mai 2000 - III ZR 180/99 - NJW 2000, 2672, 2673). Bei der haftungsrechtlichen Beurteilung eines Haftbefehlsantrags kann aus dem Umstand, daß der Erlaß eines Haftbefehls mangels hinreichenden Tatverdachts abgelehnt oder - wie im Streitfall geschehen - ein erlassener Haftbefehl aufgehoben worden ist, nicht ohne weiteres auf ein pflichtwidriges Verhalten der antragstellenden Staatsanwaltschaft geschlossen werden; pflichtwidriges Handeln ist ihr nur anzulasten, wenn sie bei einer sachgerechten Würdigung des zur Beurteilung stehenden Sachverhalts nicht der Annahme sein durfte, die beantragte Maßnahme - der Erlaß des Haftbefehls - könne gerechtfertigt sein (BGHZ 27, 338, 350 f; Beschluß vom 22. Februar 1989 - III ZR 51/89 - in juris dokumentiert).
2. Ausgehend von diesem rechtlichen Ansatz hält das Berufungsgericht die Annahme des Staatsanwalts, der Kläger zu 1 sei seinerzeit der Brandstiftung dringend verdächtig gewesen, für unvertretbar. Für die von den Ermittlungsbe-
hörden gegen den Kläger zu 1 aufgebaute Indizienkette sei ganz entscheidend gewesen, daß eine Brandstiftung von außen bei jeder der fraglichen Brandstiftungen ausgeschlossen werden konnte, da sich angesichts der vorliegenden , wenig zwingenden Einzelindizien nur so die große Wahrscheinlichkeit für eine Eigenbrandstiftung aus der Familie heraus und damit der Tatverdacht gegen den Kläger zu 1 habe begründen lassen. Von besonderer Bedeutung seien deshalb alle Anhaltspunkte aus den Ermittlungsakten gewesen, die darauf schliessen ließen, daß einer der Brände von außen gelegt worden sein konnte. Ein derartiger Anhaltspunkt sei die Vernehmung des Zeugen L. vom 19. Januar 1994 gewesen. Im Hinblick auf seine Aussage habe nicht mehr von einer lediglich theoretischen Möglichkeit gesprochen werden können, ein Außenstehender habe die Lattenverkleidung im Obergeschoß des Ökonomietraktes gewaltsam geöffnet und einen Brandsatz hineingelegt. Dieser Umstand sei, so das Berufungsgericht weiter, geeignet gewesen, das ganze für die Begründung des dringenden Tatverdachts konstruierte Indiziengerüst zu Fall zu bringen. Die Ermittlungsbeamten hätten schuldhaft ihre Pflicht zur unvoreingenommenen und objektiven Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls vorliegen, verletzt, als sie bei Beantragung des Haftbefehls weder die Aussage des Zeugen L. vom 19. Januar 1994 noch den Aktenvermerk vom 18. Januar 1994 erwähnt hätten. Bei dem Haftrichter sei dadurch ein unrichtiges Bild des Tatverdachts erzeugt worden.
Diese Würdigung, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob der Tatrichter den Begriff der Vertretbarkeit verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (Senatsurteile vom 19. Januar 1989 - III ZR 243/87 - VersR 1989, 367 f; vom 16. Oktober 1997, aaO; vom 18. Mai
2000, aaO), hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Durchgreifende Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Soweit sie einen Verstoß gegen Denkgesetze rügt, setzt sie in revisionsrechtlich unzulässiger Weise ihre eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts.

a) Die Staatsanwaltschaft durfte den Haftbefehl gegen den Kläger zu 1 nur beantragen (§ 125 Abs. 1 StPO), wenn er der ihm vorgeworfenen Tat dringend verdächtig und ein Haftgrund gegeben war (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dringender Tatverdacht besteht, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist (BVerfG NJW 1996, 1049 f; BGH, NJW 1992, 1975 f; KK-Boujong, StPO, § 112 Rn. 3; Hilger in Löwe /Rosenberg, StPO 25. Aufl. 4. Lieferung, § 112 Rn. 16 ff; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. 2003, § 112 Rn. 5). Die Prüfung erfolgt auf der Grundlage des gegenwärtigen Standes der Ermittlungen. Maßgebend ist das aus den Akten ersichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme.

b) Vorliegend kommt es für die Beurteilung, ob der Haftbefehlsantrag gegen den Kläger "vertretbar" war, nicht entscheidend darauf an, ob die Kriminalpolizei bzw. die Staatsanwaltschaft nach dem damaligen Stand der Ermittlungen aufgrund einer umfassenden Prüfung des gesamten Beweismaterials in vertretbarer Weise zu einer Bejahung des dringenden Tatverdachts gelangen durften.
Der entscheidende Vorwurf an den das Ermittlungsverfahren lenkenden Staatsanwalt bzw. die Kriminalpolizei als das Ermittlungsorgan der Staatsanwaltschaft (§ 161 StPO, § 152 GVG) geht hier dahin, daß im Zusammenhang
mit dem Haftbefehlsantrag gegen den Kläger zu 1 dem Haftrichter die Ermittlungsergebnisse nicht vollständig vorgelegt wurden.
aa) Allerdings ist die Ermittlungsbehörde - worauf die Revision im Ansatz zutreffend hinweist - befugt, vor der Vorlage an den Haftrichter Zeugenaussagen und die sonstigen erarbeiteten Ermittlungsergebnisse zu sichten und zu gewichten, auch Nebensächliches auszusondern. Es kann insoweit auch die Vorlage eines Aktenauszuges genügen. Was die Auswahl des Materials angeht , so mag - wie die Revision geltend macht - der Ermittlungsbehörde auch ein gewisser, gerichtlich nicht nachprüfbarer, Beurteilungsspielraum zustehen. Für eine Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung der Art und Weise der Zusammenstellung des Aktenmaterials für den Haftrichter im Amtshaftunsprozeß auf bloße "Vertretbarkeit" gibt es jedoch - anders als bei der Beurteilung der vom Staatsanwalt auf der Grundlage des gesamten Prüfungsstoffs jeweils zu treffenden Entscheidung - keinen Grund.
Das vorgelegte Aktenmaterial muß jedenfalls so beschaffen sein, daß der Haftrichter sich ein vollständiges Bild über das Ermittlungsergebnis zu der Straftat, zum Tatverdacht gegen den Beschuldigten und über das Vorliegen eines Haftgrundes (§ 112 Abs. 1, 2 StPO) machen kann. Die im Zeitpunkt der Haftentscheidung vorliegenden und in den Akten ausgewiesenen gerichtsverwertbaren Ermittlungsergebnisse sind Beurteilungsgrundlage für den Haftrichter. Dieser hat wegen der einschneidenden Folgen eines Haftbefehls die Akten trotz aller etwa gebotenen Eile sorgfältig und genau durchzuarbeiten, ehe er sich entschließen darf, einen Haftbefehl zu erlassen (BGHZ 27, 338, 348 f). Bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts tritt er in eine freie Beweiswürdigung (§ 261 StPO) des von der Ermittlungsbehörde zusammengetragenen Tatsa-
chenmaterials ein und entscheidet hiernach, ob der Beschuldigte mit großer Wahrscheinlichkeit die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat (KK-Boujong aaO, § 112 Rn. 5, 7; Hilger aaO, § 112 Rn. 21). Es liegt auf der Hand, daß auch der Staatsanwalt und die ihn unterstützende Kriminalpolizei bei der Auswahl des Verfahrensstoffs im Zusammenhang mit einem Haftbefehlsantrag Belastung und Entlastung des Beschuldigten gleichermaßen zu berücksichtigen haben (vgl. Meyer-Goßner aaO, vor § 141 GVG Rn. 8), damit der Haftrichter seine eigene verantwortliche Entscheidung treffen kann.
bb) Die mit dem Haftbefehlsantrag im Oktober 1997 nicht vorgelegte Aussage des Zeugen L. vom 19. Januar 1994 wäre nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts geeignet gewesen, die Annahme, der Brandstifter sei allein in der Familie der Kläger zu suchen, zu erschüttern. Mithin konnte der Haftrichter ohne Kenntnis dieser Aussage bei der Beurteilung des Haftantrags vom 21. Oktober 1997 den Sachverhalt - einschließlich des Zwischenberichts der Polizei vom 21. April 1994 - nicht umfassend würdigen und kein vollständiges Bild vom Tatverdacht gegen den Kläger zu 1 gewinnen. Eine derartige (einseitige) Beschränkung des für den Erlaß eines Haftbefehls maßgeblichen Prüfungsstoffs durch die Ermittlungsbehörden - mochten diese auch, wie die Revision anführt, bei der Zusammenstellung des Ermittlungsergebnisses die Aussage des Zeugen L. als "unbeachtlich" angesehen haben - hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als pflichtwidrig eingestuft.
3. Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Rahmen des § 839 BGB gilt, ist insoweit auch von einem Verschulden der handelnden Ermittlungsbeamten auszugehen Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts werden von der Revision nicht angegriffen.

4. Unangegriffen geblieben - und auch nicht zu beanstanden - ist auch die weitere Feststellung des Berufungsgerichts (zur haftungsausfüllenden Kausalität der Amtspflichtverletzung), daß im Falle der Erwähnung des weggelassenen Komplexes im Haftbefehlsantrag der Haftrichter bzw. die Beschwerdekammer des Gerichts den dringenden Tatverdacht des Klägers zu 1 nicht bejaht und keinen Haftbefehl gegen ihn erlassen hätten.

III.


Das Berufungsgericht führt aus, eine weitere, die Haftung des beklagten Landes begründende (schuldhafte) Amtspflichtverletzung liege darin, daß die Kriminalpolizei F. die Anordnung von Abhörmaßnahmen gegenüber beiden Klägern beantragt und durchgeführt habe, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür ("unmittelbar bevorstehende Gefahr") erkennbar nicht vorgelegen hätten; durch diesen rechtswidrigen Eingriff sei die Privatsphäre der Kläger als Ausfluß des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzt worden. Das für Entscheidungen des Staatsanwalts im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geltende Haftungsprivileg komme für diesen polizeilichen Eingriff nicht in Betracht.
Auch diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
1. Die Revision meint, den auf die Abhörmaßnahmen gestützten Amtshaftungsanprüchen der Kläger stehe § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB (das sogenannte Spruchrichterprivileg) entgegen, weil die betreffenden Maßnahmen ihre Grundlage nicht in einem Handeln der Polizei, sondern in gerichtlichen Entscheidungen gehabt hätten. Darin kann ihr nicht gefolgt werden.

a) Allerdings steht der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen nach § 23 Abs. 2 Satz 1 des Polizeigesetzes für Baden-Württemberg (im Folgenden: PolG) unter Richtervorbehalt. Erst auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung wird die Abhörmaßnahme zulässig. Das steht einer Amtshaftung der Polizei jedoch nicht entgegen. Unbeschadet der Notwendigkeit der richterlichen Anordnung bleibt die Beantragung und
die Durchführung des Einsatzes technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen eine polizeiliche Maßnahme in der eigenen Verantwortung der Polizeibeamten. Die Polizei wird durch die richterliche Entscheidung nicht verpflichtet , die Maßnahme zu vollziehen, sondern kann nach ihrem Ermessen davon absehen, wenn sie sie nicht mehr für erforderlich hält. Sie muß davon absehen, wenn nach der richterlichen Entscheidung durch eine Änderung der Sachlage die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchsuchung entfallen sind. Einer Aufhebung der richterlichen Entscheidung bedarf es hierfür nicht (Belz/ Mußmann, PolG BW 6. Aufl. § 23 Rn. 5 i.V.m. § 31 Rn. 21)

b) Im übrigen handelt es sich bei dem gerichtlichen Anordnungsbeschluß nach § 23 Abs. 2 Satz 1 PolG nicht um ein "Urteil in einer Rechtssache" i.S.d. § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats sind "Urteile" im Sinne des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB auch alle diejenigen in Beschlußform ergehenden Entscheidungen, die "urteilsvertretende Erkenntnisse" darstellen (vgl. nur BGHZ 36, 379, 384 und zuletzt Urteil vom 3. Juli 2003 - III ZR 326/02 - NJW 2003, 3052). Für das gerichtliche Anordnungsverfahren für den Einsatz verdeckter technischer Mittel zur Datenerhebung gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 23 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 31 Abs. 5 Satz 2 PolG). Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind "urteilsvertretende" Beschlüsse möglich, die einem Urteil in einer Rechtssache gleichgestellt werden müssen und dementsprechend in den Anwendungsbereich des Richterprivilegs fallen (vgl. Senat, BGHZ 36, 379, 384 f; Urteil vom 3. Juli 2003 aaO). Die Gleichstellung hängt insbesondere davon
ab, ob das der betreffenden Entscheidung zugrundeliegende gerichtliche Verfahren ein "Erkenntnisverfahren" ist, das sich nach bestimmten prozessualen Regeln richtet und dessen Ziel im wesentlichen die Anwendung materieller Rechtsnormen auf einen konkreten Fall ist. Dazu gehören insbesondere die Wahrung des rechtlichen Gehörs, die Ausschöpfung der in Betracht kommenden Beweismittel und die Begründung des Spruchs. Für die Beurteilung, ob ein urteilsvertretender Beschluß vorliegt, sind stets der materielle Gehalt des Streitgegenstandes und die materielle Bedeutung der Entscheidung maßgeblich. Eine urteilsvertretende Entscheidung ist anzunehmen, wenn nach Sinn und Zweck der Regelung eine jederzeitige Befassung des Gerichts (von Amts wegen oder auf Antrag) mit der formell rechtskräftig entschiedenen Sache ausgeschlossen ist, die Entscheidung vielmehr eine Sperrwirkung in dem Sinne entfaltet, daß eine erneute Befassung nur unter entsprechenden Voraussetzungen in Betracht kommt wie bei einer rechtskräftig durch Urteil abgeschlossenen Sache (d.h. wenn die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen), oder wenn eine wesentliche Veränderung des Sachverhalts eintritt, die nach besonderer gesetzlicher Vorschrift eine erneute Entscheidung rechtfertigt (Senat, Urteil vom 3. Juli 2003 aaO).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der die polizeiliche Maßnahme nach § 23 Abs. 2 PolG anordnende richterliche Beschluß kein "urteilsvertretendes Erkenntnis". Ihm fehlt das wesentliche Element der (vorherigen) Gewährung rechtlichen Gehörs. Bei dem Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen handelt es sich nur um eine vorläufige, zu befristende (§ 23 Abs. 2 Satz 2 PolG) - einseitige - Maßnahme.
2. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß die Beantragung und Durchführung der Abhörmaßnahmen rechtswidrig, nämlich mangels Vorliegens einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr nicht durch § 23 PolG gedeckt , war.

a) Das folgt hinsichtlich der (erstmaligen) gerichtlichen Abhöranordnungen vom 21. März 1996 und vom 21. März 1997 schon daraus, daß in den nachträglichen Beschwerdeverfahren rechtskräftig deren Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist (zuletzt: OLG Karlsruhe VBlBW 1999, 234). Im Amtshaftungsprozeß ist das Gericht an verwaltungsgerichtliche, aber auch an andere der materiellen Rechtskraft fähige gerichtliche Entscheidungen gebunden, die die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Maßnahme rechtskräftig feststellen (Senat BGHZ 113, 17, 20; BGHZ 95, 28, 35; Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93 - NJW 1994, 1950 zur Bindungswirkung des Feststellungsausspruchs eines OLG-Strafsenats im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG; Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. 2002, § 839 Rn. 439 ff, 442 m.w.N.). Das folgt aus der materiellen Rechtskraft einer solchen Entscheidung, deren Sinn gerade darin liegt, diesen Streitgegenstand zwischen den Beteiligten endgültig gerichtlich zu klären. Diese Bindungswirkung kommt vorliegend auch dem nach sachlicher Prüfung getroffenen rechtskräftigen Feststellungsausspruch des Beschwerdegerichts im (FGG-)Verfahren nach §§ 23, 31 PolG zu.

b) Nicht anders fällt im Ergebnis die Beurteilung der weiteren von der Polziei erwirkten (Folge-)Anordnungen des Amtsgerichts über Abhörmaßnahmen aus, die mangels rechtzeitiger Rechtsmitteleinlegung seitens der Kläger formell rechtskräftig geworden waren.

aa) Entgegen der Ansicht der Revision sind derartige, sachlich nicht ab- schließend "beurteilte" gerichtliche Anordnungen - nicht anders als Verwaltungsakte , die ohne Überprüfung in einem gerichtlichen Verfahren bestandskräftig geworden sind (vgl. dazu Senat BGHZ 113, 17; 127, 223, 225) - nicht der Nachprüfung im Amtshaftungsprozeß entzogen.
bb) Die Rüge der Revision, es fehle an einer konkreten Prüfung und Würdigung der Rechtmäßigkeit der einzelnen Verlängerungsbeschlüsse des Amtsgerichts durch das Berufungsgericht, ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen sowie durch seine Bezugnahme auf die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts im Beschwerdeverfahren ersichtlich die erstmaligen Abhöranordnungen wie auch die Fortsetzungsanordnungen des Amtsgerichts beanstandet. Dies durfte hier durch eine pauschale Bezugnahme auf die - allerdings unmittelbar nur die erstmaligen Anordnungen betreffende - Begründung der Entscheidungen in dem vorausgegangenen Beschwerdeverfahren geschehen, denn die sachliche Berechtigung der Anordnung der Fortsetzung der Abhörung "stand und fiel" im Streitfall jeweils mit der Berechtigung der erstmaligen Anordnung. Daß im weiteren Verlauf des damaligen Geschehens eine bedeutsame Änderung (Verschlimmerung) der Gefahrensituation eingetreten wäre, die die Abhörmaßnahmen unabhängig von der ursprünglichen Ausgangslage - jedenfalls von da ab - gerechtfertigt hätte, macht die Revision selbst nicht geltend.
cc) Die Beurteilung sämtlicher Abhöranordnungen als rechtswidrig ist auch in der Sache - soweit nicht schon eine Bindung an die betreffenden Vor-
entscheidungen im Beschwerdeverfahren besteht (oben zu aa) - nicht zu beanstanden.
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 PolG ist der verdeckte Einsatz technischer Mittel, zu welchem das im Streitfall angeordnete Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger gehört, nur zulässig, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Soweit als Adressat der Maßnahme unbeteiligte Dritte in Betracht kommen, müssen zusätzlich die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes gemäß § 9 PolG BW gegeben sein. Hiernach sind Maßnahmen nur zulässig, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann (§ 9 Abs. 1 PolG BW).
Hieran fehlte es im Streitfall.
Eine "Gefahr" liegt nach allgemeiner Ansicht vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird (BVerwGE 45, 51, 57). Da der verdeckte Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen einen erheblichen Grundrechtseingriff darstellt und dementsprechend nur aus gewichtigen Gründen verfassungsgemäß ist, ist für ihn eine - gegenüber Maßnahmen der polizeilichen Generalermächtigung - gesteigerte Gefahr erforderlich. Die Maßnahme muß zur Abwehr einer "unmittelbar bevorstehenden Gefahr" erforderlich sein. Diese zeichnet sich durch eine be-
sondere zeitliche Nähe und ein gesteigertes Maß der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts aus: Der Schaden muß in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten (Belz/Mußmann aaO, § 23 Rn. 9, § 9 Rn. 3; Wolf/Stephan, PolG BW 5. Aufl. 1999 § 23 Rn. 6; BVerwGE 45, 51, 58; VGH BW NVwZ 1987, 237, 238 zu § 9 Abs. 1 PolG BW; VGH BW NVwZ-RR 1994, 52 zu § 2 Abs. 1 Satz 1 FeuerwehrG BW). Soweit hingegen in der jeweils überschaubaren Zukunft kein Schadenseintritt zu erwarten ist, sind polizeirechtliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr weder geboten noch gerechtfertigt (vgl. Röhrig, DVBl. 2000, 1658, 1660). Eine in unbestimmter Zeit erst erwartete Gefahr, die sich - wie im Streitfall - noch "entwickeln" muß, genügt für Abhörmaßnahmen nach § 23 PolG nicht (König, Eingriffsrecht, Maßnahmen der Polizei nach der Strafprozeßordnung und dem Polizeigesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2001, S. 169 Rn. 141).
3. Das Berufungsgericht hat insoweit auch rechtsfehlerfrei ein Verschulden der handelnden Polizeibeamten bejaht.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach aufgrund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Auch wenn es um eine Rechtsfrage geht, zu der es noch keine Rechtsprechung und noch keine Stellungnahme im Schrifttum gibt, kann ein Fahrlässigkeitsvorwurf begründet sein, wenn sich Auslegung und Anwendung so weit von Wortlaut und Sinn des Gesetzes entfernen, daß das gewonnene Ergebnis nicht mehr als vertretbar angesehen werden kann (Staudinger/Wurm aaO, § 839 Rn. 205 f, 209 ff). Dagegen
fehlt es am Verschulden bei einer zwar unrichtigen, aber nach gewissenhafter Prüfung der zu Gebote stehenden Hilfsmittel auf vernünftige Überlegungen gestützten Auslegung bei solchen Gesetzesbestimmungen, die für die Auslegung Zweifel in sich tragen, namentlich dann, wenn die Gesetzesbestimmung neu ist und die auftauchenden Auslegungsfragen noch nicht ausgetragen sind. Daß seine nach sorgfältiger Prüfung erlangte und vertretbare Rechtsauffassung später von den Gerichten mißbilligt wird, kann dem Beamten nicht rückschauend als Verschulden angelastet werden (Staudinger/Wurm aaO, § 839 Rn. 209 m.w.N.).

b) Das beklagte Land hat geltend gemacht, bei der Eingriffsnorm des § 23 PolG handele es sich um ein aus dem Jahre 1991 stammendes Gesetz, das in der polizeilichen Praxis bis 1996 praktisch keine Bedeutung gehabt habe. Im vorliegenden Fall sei erstmals mit den in dem angesprochenen Beschwerdeverfahren ergangenenen Beschlüssen des OLG Karlsruhe vom 5. März 1999 (VBlBW 1999, 234) eine obergerichtliche Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 23 PolG ergangen. Dieser Einwand ist unbegründet.
Die Begriffe der "unmittelbar bevorstehenden Gefahr" waren schon im Jahre 1996 hinreichend durch Rechtsprechung und Schrifttum präzisiert. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Jahre 1974 (BVerwGE 45, 51, 58) unter Hinweis auf zahlreiche Veröffentlichungen in Rechtsprechung und Literatur besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt. Entsprechende Regelungen waren vor Einführung des § 23 PolG vorhanden (siehe schon § 15 Preuß PVG und die in BVerwGE 45, 51, 57 zitierten weiteren Gesetze). Für § 9 Abs. 1 PolG ist seit jeher anerkannt, daß trotz des unterschiedlichen Wortlauts ("unmittelbar bevor-
stehende oder bereits eingetretene Störung") die Vorschrift dahingehend zu interpretieren ist, daß die Gefahr sich verwirklicht hat oder unmittelbar vor ihrer Verwirklichung steht (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, § 22 Anm. 2a, S. 332 f). Ein dieser herkömmlichen und allgemein anerkannten Sicht widersprechendes Rechtsverständnis war daher unvertretbar. Davon abgesehen läßt sich dem Revisionsvorbringen auch nicht mit der genügenden Substanz entnehmen, daß die Polizeibeamten ihre Rechtsmeinung aufgrund sorgfältiger Prüfung unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur gewonnen haben, so daß bereits unter diesem Gesichtspunkt ein Schuldvorwurf begründet ist (vgl. Senat BGHZ 119, 365, 369 ff).
Angesichts der Eindeutigkeit - für Fachkundige - der damaligen polizeirechtlichen Rechtslage läßt auch der Umstand, daß (auch) der die Maßnahmen anordnende Amtsrichter die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 PolG verkannt hat, das Verschulden der Polizeibeamten des beklagten Landes nicht entfallen.

IV.


1. Es hält einer rechtlichen Nachprüfung auch stand, daß das Berufungsgericht dem Kläger zu 1 wegen der von den Bediensteten des beklagten Landes amtspflichtwidrig erwirkten Untersuchungshaft (oben zu II) und beiden Klägern wegen der von der Polizei ebenfalls amtspflichtwidrig beantragten und durchgeführten Abhörmaßnahmen (oben zu III) dem Grunde nach immateriellen Schadensersatz (Schmerzensgeld) wegen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzungen zugebilligt hat.


a) Nach der Rechtsprechung des Senats können durch schuldhafte Amtspflichtsverletzungen verursachte Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Geldentschädigung begründen (BGHZ 78, 274, 280; Urteil vom 10. Januar 1972 - III ZR 202/66 - VersR 1972, 368, 369; Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93 - NJW 1994, 1950, 1952; Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 246). Ein solcher Anspruch kommt allerdings nur in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (Senatsurteile BGHZ 78, 274, 280; vom 10. Januar 1972, aaO S. 369; vom 17. März 1994, aaO S. 1952 m.w.N.). Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, ist aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und hängt insbesondere von der Bedeutung und der Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (Senat, Urteil vom 17. März 1994, aaO S. 1953).
Die Beurteilung nach diesen Kriterien, ob ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht so schwer wiegt, daß er die Verhängung eines Schmerzensgeldes verlangt, ist in erster Linie Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob die Wertungsgrenzen erkannt, der Prüfungsstoff als Wertungsgrundlage ausgeschöpft und die Denk- und Erfahrungssätze beachtet worden sind (Senat, Urteil vom 17. März 1994, aaO S. 1953). Schwere Verletzungen sind in der Rechtsprechung des Senats vor allem dann angenommen worden, wenn durch Veröffentlichung in der Presse die Allgemeinheit oder wenigstens ein weiter, nicht abgegrenzter Personenkreis von dem verletzenden Tatbestand
Kenntnis erhalten hat (z.B. Urteile vom 10. Januar 1972 - III ZR 202/66 - VersR 1972, 368, 368; vom 25. September 1980 - III ZR 74/78 - NJW 1981, 675, 676 ff). Auf das Vorliegen einer solchen "Breitenwirkung" kann es allerdings - entgegen der Revision - bei dem in Rede stehenden "Lauschangriff" der Poli- zei angesichts der ganz anderen Qualität desselben nicht entscheidend ankommen : Dieser Eingriff wird gerade dadurch gekennzeichnet, daß die Obrigkeit "heimlich" in private Intimspähren eindringt, die für ein menschenwürdiges Dasein unverzichtbar sind - nicht durch die Veröffentlichung von Abhörergebnissen , zu der es typischwerweise nicht kommt.

b) Die Würdigung des Tatrichters, daß es sich bei der Untersuchungshaft und dem Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen um schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Kläger handelte und daß diese - durch schuldhafte Amtspflichtsverletzungen verursachten - Beeinträchtigungen nach ihrer Art und ihrem Umfang (Untersuchungshaft von über einem Monat; Abhörmaßnahmen auf die Dauer von über 20 Monaten) im Streitfall nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Untersuchungshaft enthält einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG). Die Abhörmaßnahmen stellen einen Eingriff in das Grundrecht der Wohnungsfreiheit (Art. 13 GG; vgl. König, S. 168 Rn. 140; Wolf/Stephan, § 23 Rn. 1) und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Privatsphäre sowie der Rechte am eigenen Wort und auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. KK-Nack, § 100c Rn. 7). Was die Abhörmaßnahmen angeht, so bedarf es angesichts der Schwere des Eingriffs, die
sich hier jedenfalls aus der Dauer von über 20 Monaten ergibt, keiner weiteren Ausführungen dazu, daß - anders als die Revison meint - die nachträgliche gerichtliche Nachprüfbarkeit der Anordnungsbeschlüsse (§§ 23 Abs. 2 Satz 3, 31 Abs. 2 und 3 PolG i.V.m. § 22 FGG) keinen angemessenen Ausgleich bietet.
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch die Ersatzpflicht des beklagten Landes hinsichtlich der vom Kläger zu 1 wegen beider Amtspflichtverletzungen (oben II. und III.) geltend gemachten materiellen Schäden dem Grunde nach bejaht.

a) Derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung nach § 839 BGB schadensersatzpflichtig geworden ist, hat den Schaden einschließlich der durch die schädigende Handlung verursachten Aufwendungen zu ersetzen. Zu diesen Aufwendungen kann auch das sich aus einer anwaltlichen Honorarvereinbarung ergebende Honorar gehören (Senat, Urteil vom 14. Mai 1962 - III ZR 39/61 - LM § 839 (D) BGB Nr. 18 Blatt 2; Urteil vom 12. Januar 1959 - III ZR 197/57 - LM § 839 (Fe) Nr. 18 unter 4.).

b) Die Revision macht geltend, eine haftungsrechtliche Ersatzpflicht wegen durch die Abhörmaßnahmen verursachter Anwaltskosten sei im Hinblick auf die spezialgesetzliche Regelung des § 13a FGG durch die Entscheidungen in dem diesbezüglichen Beschwerdeverfahren, die eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht vorsehen, ausgeschlossen. Das trifft nicht zu.
aa) Nach § 13a FGG, der nach §§ 23 Abs. 2 Satz 3, 31 Abs. 5 Satz 2 PolG auf das gerichtliche Verfahren betreffend polizeiliche Abhörmaßnahmen
Anwendung findet, hat das angerufene Gericht über die Kostenerstattungspflicht nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden. Die Vorschrift betrifft die prozessuale Kostenerstattungspflicht. Eine etwaige Erstattungspflicht auf sachlich -rechtlicher Grundlage bildet demgegenüber einen andersartigen, die Verteilung von Kostenlasten in der außerprozessualen Rechtsbeziehung der Parteien zueinander betreffenden und von anderen Voraussetzungen abhängigen sowie gegebenenfalls eigenständige Rechtsfolgen mit sich bringenden Streitgegenstand (BGHZ 111, 168, 170 f m.w.N.). Daher können die Beteiligten nach Abschluß des Verfahrens regelmäßig materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche geltend machen. Die Vorschrift des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG (früher § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG), auf die die Revision sich für ihre Gegenansicht beruft , enthält eine auf ihren Regelungsbereich beschränkte Ausnahme. Es handelt sich um eine aus sozialer Rücksichtnahme geschaffene Regelung, deren besonderer Schutzzweck durch eine unbeschränkte Kostenhaftung aus materiellem Recht beeinrächtigt werden würde (vgl. BAGE 10, 39 = AP Nr. 3 zu § 61 ArbGG 1953, Kosten; Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung bei der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche, 1985, S. 194 ff).
Allerdings ist das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit - anders als das Prozeßgericht im Rahmen einer Kostenentscheidung nach §§ 91 ff ZPO - nicht gehindert, in seine Ermessensentscheidung nach § 13a Abs. 1 FGG das Bestehen eines materiellen Erstattungsanspruchs mit einbeziehen; in der Regel wird die gerichtliche Kostenverteilung nur dann billigem Ermessen entsprechen , wenn sie auch einer im Verfahren zutage getretenen materiellen Erstattungspflicht Rechnung trägt. Hat andererseits der Richter in seine Kostenentscheidung eine sachlich-rechtliche Erstattungspflicht erkennbar mit einbezogen , so verbietet die Rechtskraft dieser Entscheidung, dieselbe Frage in einem
anderen Verfahren unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten abweichend zu prüfen (Loritz, Die Konkurrenz materiellrechtlicher und prozessualer Kostenerstattung , 1981, 83 ff; zu § 47 WEG: Staudinger/Wenzel, WEG, 12. Aufl. 1997, § 47 Rn. 8 unter Hinweis auf BGHZ 45, 251, 257; KG OLGZ 1989, 174, 178 f; BayObLGZ 1988, 287, 293; 1975, 369, 371; a.A. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl. 2000, § 47 Rn. 11: kein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch nach rechtskräftiger Kostenentscheidung).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch der Kläger aus § 839 Abs. 1 BGB nicht durch die Kostenentscheidungen in den vorausgegangenen Beschwerdeverfahren ausgeschlossen , denn die Beschwerdegerichte haben dort über die Kosten nur nach den allgemein im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Regeln - nämlich, daß in erster Instanz regelmäßig jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Auslagen selbst trägt und in zweiter Instanz der unterlegene Beteiligte die durch ein unbegründetes Rechtsmittel veranlaßten Kosten zu tragen hat - entschieden, ohne die Frage einer materiellen Erstattungspflicht mit einzubeziehen.
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 361/03
Verkündet am:
4. November 2004
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Strafgefangenen ein Anspruch
auf Entschädigung in Geld wegen menschenunwürdiger Unterbringung
in der Justizvollzugsanstalt zustehen kann.
BGH, Urteil vom 4. November 2004 - III ZR 361/03 - OLG Celle
LG Hannover
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger verbüßte eine Freiheitsstrafe in der JVA Am berg. Am 3. Juli 2002 wurde er für eine Besuchszusammenführung in die JVA Bielefeld-Brackwede 1 verlegt. Vom 10. bis 12. Juli 2002 befand er sich als sogenannter Durchgangsgefangener in der Transportabteilung der JVA Hannover. Er war in einem 16 qm großen Haftraum mit vier weiteren Gefangenen untergebracht. Der Raum war mit einem Etagenbett, drei Einzelbetten, fünf Stühlen, zwei Tischen und zwei Spinden ausgestattet. Ein Waschbecken und eine Toilette waren mit einem Sichtschutz abgetrennt. Die Inhaftierten durften den Haftraum täglich für eine Stunde zum Hofgang verlassen.

Auf Antrag des Klägers stellte die Strafvollstreckungskamme r des Landgerichts Hannover mit Beschluß vom 16. September 2002 die Rechtswidrigkeit der Unterbringung fest. Die gemeinsame Unterbringung von fünf Gefangenen in einem nachts verschlossenen, 16 qm großen Haftraum bei Abtrennung der Toilette nur mit einem Sichtschutz sei unzulässig und verstoße gegen das Gebot menschenwürdiger Unterbringung.
Im vorliegenden Amtshaftungsprozeß nimmt der Kläger da s beklagte Land auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung (mindestens 200 €) in Anspruch. Das Landgericht (StV 2003, 568 mit Anm. Lesting) hat ihm 200 € nebst Zinsen zugesprochen; das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist nicht begründet.
1. Beide Vorinstanzen haben festgestellt, daß die Unterbringung des Klägers gemeinsam mit vier weiteren Gefangenen in dem viel zu kleinen Haftraum rechtswidrig gewesen ist sowie gegen das Gebot der menschenwürdigen Behandlung Strafgefangener verstieß und daß die zuständigen Amtsträger des beklagten Landes dadurch eine schuldhafte Amtspflichtverletzung gegenüber dem Kläger begangen haben.

a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß di e rechtskräftige Entscheidung der Strafvollstreckungskammer im Verfahren nach § 109 StVollzG, die die Rechtswidrigkeit der Unterbringung des Klägers festgestellt hat, auch für den jetzigen Amtshaftungsprozeß Bindungswirkung entfaltet. Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze, die der Senat für die Bindungswirkung einer im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG ergangenen Entscheidung des Strafsenats eines Oberlandesgerichts entwickelt hat (Senatsurteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93 = NJW 1994, 1950; s. auch Staudinger/Wurm, BGB 13. Bearb. [2002] § 839 Rn. 439, 440).

b) Die tatrichterliche Würdigung, daß durch die Art u nd Weise der Unterbringung die Menschenwürde der betreffenden Strafgefangenen verletzt wurde, läßt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revisionserwiderung des beklagten Landes nicht angegriffen.

c) Ebenso ist den Vorinstanzen darin zu folgen, daß die Amtsträger des beklagten Landes auch ein Verschulden trifft. Dabei ist nicht nur auf die an Ort und Stelle zuständigen Justizbediensteten abzustellen, sondern auch darauf, daß das beklagte Land sich nach seinem Sachvortrag in einer Notsituation befand , weil die Transportabteilung der Justizvollzugsanstalt in dem hier interessierenden Zeitraum mit mehr als 90 Gefangenen belegt war, obwohl sie nur über 47 Einzelhafträume (inkl. vier Sicherheitszellen) und zehn Gemeinschaftshafträume verfügte. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß der danach bestehende erhebliche Mangel an Einzelhaftplätzen keinen hinreichenden Grund dafür darstellt, geltendes Recht zu unterlaufen. Insoweit ist zumindest der Vorwurf eines Organisationsverschuldens begründet, das dem beklagten Land auch dann zuzurechnen ist, wenn die tätig gewordenen Beamten selbst subjektiv nach
Beamten selbst subjektiv nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben (Staudinger/Wurm aaO Rn. 228).
2. Das Berufungsgericht läßt jedoch - im Gegensatz zum Landgericht - den hieraus hergeleiteten Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) daran scheitern, daß unter den hier vorliegenden besonderen Umständen des Falles die Zuerkennung einer Entschädigung für die zweitägige Unterbringung in dem gemeinschaftlichen Haftraum aus Gründen der Billigkeit weder unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichs- noch der Genugtuungsfunktion geboten sei. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

a) Der geltend gemachte Schaden des Klägers ist einersei ts kein Vermögensschaden , andererseits jedoch auch kein (bloßes) Schmerzensgeld im Sinne des hier noch anwendbaren § 847 BGB a.F. Es geht vielmehr um den Ausgleich einer Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) und des aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Für die Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist anerkannt, daß es sich im eigentlichen Sinne nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 BGB a.F. (jetzt: § 253 Abs. 2 BGB n.F.) handelt, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht auf dem Gedanken, daß ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, daß der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeits-
rechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund (BGHZ 128, 1, 15 m.w.N.; BVerfG NJW 2000, 2187 f).

b) Die Revision rügt, das Berufungsgericht verkenne mit se inen Erwägungen , daß die von Verfassungs wegen unantastbare Menschenwürde einer Abwägung mit anderen Interessen oder Verfassungswerten nicht zugänglich sei. Die Würde des Menschen sei nach Art. 1 Abs. 1 GG unantastbar und absolut geschützt. Die Berücksichtigung der Dauer und der Intensität des Eingriffs in Art. 1 Abs. 1 GG führe im Ergebnis zur Aufgabe des Grundrechtsschutzes und zur Preisgabe der Würde des Menschen. Sie würde bedeuten, daß kurze, wenig intensive Eingriffe zulässig seien.
Damit verkennt die Revision, daß zwischen der Feststellung einer Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG einerseits und der Zuerkennung einer Geldentschädigung andererseits kein zwingendes Junktim besteht.
aa) Zwar trifft es zu, daß dem Recht auf Achtung der M enschenwürde in der Verfassung ein Höchstwert zukommt; es ist das tragende Konstitutionsprinzip im System der Grundrechte. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, daß dann, wenn das Recht eines Strafgefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde durch menschenunwürdige Unterbringung verletzt wird, die Zulässigkeit eines Rechtsschutzbegehrens auf nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Unterbringung nicht davon abhängen kann, ob dies nur vorübergehend geschehen war (BVerfG NJW 2002, 2699 f; 2002, 2700 f; 1993, 3190 f). Dem Gefangenen muß das Recht zustehen, diese Rechtsverletzungen mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehel-
fen des Strafvollzugsgesetzes (§§ 108 ff) anzugreifen. Diesen Weg hat der Kläger hier auch erfolgreich beschritten.
bb) Die solchermaßen festgestellte Menschenrechtsverletzung fordert indessen nicht in jedem Fall eine zusätzliche Wiedergutmachung durch Geldentschädigung. Der Senat sieht vielmehr keine durchgreifenden Bedenken dagegen , einen Anspruch auf Geldentschädigung von dem weiteren Erfordernis abhängig zu machen, daß die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Dies hängt - insoweit nicht anders als beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht, auch wenn die Erheblichkeitsschwelle bei Verletzungen der Menschenwürde generell niedriger anzusetzen ist - insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (BGHZ 128, 1, 12).
cc) Auch im Anwendungsbereich der Konvention zum Schutze de r Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ist anerkannt, daß eine - eine Wiedergutmachung durch Geldersatz nach Art. 41 EMRK fordernde - unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK nur und erst vorliegt, wenn sie ein Mindestmaß an Schwere erreicht. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, wie beispielsweise der Dauer der Behandlung, ihren physischen oder psychischen Folgen oder von Geschlecht, Alter oder Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, Urteil vom 16. Dezember 1997 [Raninen ./. Finnland], ÖIM Newsletter [NL] 1998/1/7; Urteil vom 19. April 2001 [Peers ./. Griechenland], Nr. 28524/95 Slg. 2001 Sec. III, 277 f, 294 ff Rn. 67-79; vgl. auch EKMR in der Sache Brincat ./. Italien, Beschwerde Nr. 13867/88; mitgeteilt von Strasser, EuGRZ 1993, 425, 426). Im
übrigen kann auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein dem Anliegen des Rechtsmittelführers Rechnung tragendes Urteil selbst eine ausreichend gerechte Entschädigung darstellen, so daß eine weitergehende Entschädigung in Geld für den erlittenen immateriellen Schaden nicht mehr geboten ist (vgl. Nikolova ./. Bulgarien, Urteil vom 25. März 1999, NL 1999/2/8).

c) Das Berufungsgericht führt aus, die räumlichen Verhäl tnisse, unter denen der Kläger untergebracht gewesen sei, seien zwar menschenunwürdig (Art. 1 GG) gewesen. Jedoch mache der Kläger selbst nicht geltend, daß der - nur zwei Tage andauernde - rechtswidrige Zustand ihn seelisch oder körperlich nachhaltig belastet habe. Vielmehr habe der Kläger über die mit den räumlichen Verhältnissen unvermeidlich verbundenen Belästigungen und Unannehmlichkeiten hinaus keine Beeinträchtigungen seines körperlichen oder seelischen Wohles erlitten. Dem Mißstand habe zudem keine schikanöse Absicht, sondern eine akute, aus der Überbelegung resultierende Zwangslage zugrunde gelegen. Eingriffsintensität und Verschulden seien insgesamt als gering zu bewerten. Zudem habe der Kläger bereits durch die von der Strafvollstreckungskammer getroffene Feststellung der Rechtswidrigkeit Schutz und Genugtuung erfahren.

d) Diese Feststellungen sind weder nach ihrem Inhalt no ch nach den ihnen zugrundeliegenden Beurteilungskriterien - in die das Berufungsgericht auch das Organisationsverschulden des beklagten Landes (s.o. 1. b) einbezogen hat - revisionsrechtlich zu beanstanden. Die Revision setzt bei ihrer abwei-
chenden Beurteilung lediglich in unzulässiger Weise ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts, ohne Verfahrens- oder materielle Rechtsfehler aufzeigen zu können.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke
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3. Dass die Anordnung der Abschiebungshaft rechtswidrig war, steht aufgrund der Rechtskraft des im Beschwerdeverfahren aufgrund des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen ergangenen Beschlusses des Landgerichts Stuttgart mit Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren fest. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze, die der Senat im Amtshaftungsprozess für die Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung einer Strafvollstreckungskammer im Verfahren nach § 109 StVollzG (Senatsurteil BGHZ 161, 33, 34) und für diejenige einer im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG ergangenen Entscheidung des Strafsenats eines Oberlandesgerichts (Senatsurteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93 = NJW 1994, 1950) entwickelt hat. Darüber hinaus steht die sachliche Richtigkeit der Beschwerdeentschei- dung des Landgerichts unter den Parteien außer Streit. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft lagen zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht vor. Die Anordnung der Abschiebungshaft in Form der Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 des seinerzeit geltenden Ausländergesetzes (s. jetzt § 62 Abs. 2 AufenthG) setzte neben der Gefahr der Vereitelung der Abschiebung voraus, dass der betroffene Ausländer ausreisepflichtig war. Die Ausreisepflicht entfällt insbesondere auch durch die gesetzliche Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG). Danach ist einem Ausländer, der (erstmalig) um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet. Die Aufenthaltsgestattung erlischt allerdings nach § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG insbesondere, wenn die Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag unanfechtbar geworden ist. Die Ausreisepflichtigkeit, insbesondere das Vorliegen der Aufenthaltsgestattung und ihr etwaiges Erlöschen, hat der Haftrichter von Amts wegen zu prüfen und festzustellen. Die gesetzliche Aufenthaltsgestattung stellt insoweit nicht nur ein (allein im Ausweisungsverfahren zu überprüfendes) Abschiebungshindernis, sondern auch ein Abschiebungshafthindernis dar (BayObLG NVwZ 1993, 102; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812; OLG Naumburg FGPrax 2000, 211), das folglich im Abschiebungshaftverfahren zu prüfen ist und dessen Vorliegen die Abschiebungshaft rechtswidrig macht. Im vorliegenden Fall war die Aufenthaltsgestattung nicht gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG erloschen. Denn der Bescheid des Bundesamtes über die Ablehnung seines Asylantrags war mangels ordnungsgemäßer Zustellung noch nicht bestandskräftig geworden.

(1) Zu beteiligen sind die Person, der die Freiheit entzogen werden soll (Betroffener), und die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat.

(2) Der Verfahrenspfleger wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen.

(3) Beteiligt werden können im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatte oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern und Kinder, wenn der Betroffene bei diesen lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat, die Pflegeeltern sowie
2.
eine von ihm benannte Person seines Vertrauens.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 21/05
Verkündet am:
21. Juli 2005
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin ist ein Unternehmen, das im Bereich audi ovisueller Medien der Sparten Informationstechnologie, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik tätig ist. Sie produziert insbesondere auch Geräte zum Empfang und zur Verarbeitung von Fernsehsignalen. Im Jahre 1998 erhob sie vor dem Landgericht Mainz gegen die damalige Beklagte zu 1, die Zugangshardware für den Bereich des digital und verschlüsselt ausgestrahlten Fernsehens herstellt und Inhaberin der Rechte an der "d-box"-Technologie sowie an dem zugehörigen Verschlüsselungssystem ist, sowie gegen die Deutsche Telekom AG als Beklagte zu 2 Klage mit den Anträgen, festzustellen, daß die Beklagten gesamt-
schuldnerisch verpflichtet seien, ihr eine Lizenz zur Herstellung der "d-box" zu den üblichen Preisen und Konditionen der Beklagten - die auch anderen Lizenznehmern gewährt würden - zu erteilen, sowie mit weiteren gestaffelten Haupt- und Hilfsanträgen auf Feststellung von Schadensersatz- und Unterlassungspflichten. Das Landgericht gab der Klage gegen die Beklagte zu 1 zum geringeren Teile statt, wies sie jedoch weit überwiegend ab. Dementsprechend wurde die Klägerin mit dem größten Teil der Kosten belastet. Das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Koblenz endete durch Rechtsmittelrücknahme , nachdem die Parteien sich außergerichtlich verglichen hatten.
Bereits vor der ersten mündlichen Verhandlung hatte da s Landgericht durch Beschluß vom 20. Mai 1999 den Gebührenstreitwert auf 20 Mio. DM festgesetzt. Hiergegen erhob die Klägerin Streitwertbeschwerde, mit der sie eine Herabsetzung auf den - auch in der Klageschrift angegebenen - Wert von 5 Mio. DM begehrte. Dieses Rechtsmittel wurde durch Beschluß des für die Hauptsache zuständigen Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz zurückgewiesen ; auch zwei spätere "Wiederaufnahmeanträge und Gegenvorstellungen" blieben erfolglos.
Die Klägerin nimmt nunmehr das beklagte Land auf Scha densersatz wegen Amtspflichtverletzungen der an den Entscheidungen über den Streitwert beteiligten Richter des Landgerichts Mainz und des Oberlandesgerichts Koblenz in Anspruch. Sie macht geltend, die Wertfestsetzung auf 20 Mio. DM sei bei weitem überhöht; der Wert hätte nach den objektiv angemessenen Lizenzgebühren zuzüglich eines "Sicherheitszuschlages" auf höchstens 5 Mio. DM festgesetzt werden dürfen. Ihren auf 194.789,42 € bezifferten Schaden erblickt
sie in der Kostenmehrbelastung, die sie aufgrund der Streitwertfestsetzung auf 20 Mio. DM gegenüber einer solchen auf 5 Mio. DM getroffen hatte.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht de r geltend gemachte Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) gegen das beklagte Land nicht zu.
1. Beide Vorinstanzen gehen zutreffend davon aus, daß die in dem hier in Rede stehenden (Gebühren-)Streitwertfestsetzungsverfahren ergangenen gerichtlichen Beschlüsse keine "urteilsvertretenden Erkenntnisse" waren und dementsprechend nicht dem Spruchrichterprivileg (Richterspruchprivileg) des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB unterfallen (vgl. Senatsurteil BGHZ 36, 144, 146; Staudinger/Wurm, BGB 13. Bearb. [2002] § 839 Rn. 333 m.w.N.). Dies hat die Konsequenz, daß vom rechtlichen Ansatzpunkt her für eine Amtshaftung wegen Pflichtverletzungen der beteiligten Richter nicht nur unter den engen Voraussetzungen des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB Raum ist.
2. Das Landgericht hat es - ohne sich indessen insoweit abschließend festzulegen - für möglich und naheliegend gehalten, daß die seinerzeitige Wert-
festsetzung auf 20 Mio. DM - objektiv - überhöht gewesen sei. Das Berufungsgericht hat diese Frage zugunsten des beklagten Landes restriktiver beurteilt, sie jedoch im Ergebnis ebenfalls offengelassen. Sie bedarf hier in der Tat keiner Entscheidung.
3. Denn nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Senats ist bei richterlichen Amtspflichtverletzungen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB der Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu beachten (vgl. zu den sich daraus ergebenden haftungsrechtlichen Folgerungen: Senatsurteil BGHZ 155, 306, 309 f m.w.N.). Eine Haftung der beteiligten Richter, sei es in erster oder zweiter Instanz, wegen der hier in Rede stehenden Streitwertfestsetzung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sich nicht feststellen läßt, daß diese unvertretbar gewesen wäre.
Die Wertfestsetzung unterlag dem freiem Ermessen des Ger ichts (§ 3 Halbs. 1 ZPO). Bei der Ausübung dieses Ermessens hatte sich das Landgericht an dem von der Klägerin in deren Klageschrift mitgeteilten Zahlenwerk orientiert, daraus das mit der Klage geltend gemachte Interesse geschätzt und dies in den Gründen des Beschlusses ausführlich erläutert. Diese Sachbehandlung läßt bereits objektiv keine Pflichtverletzung erkennen. Das Landgericht und sodann das Beschwerdegericht hatten sich von den hiergegen gerichteten Angriffen der Klägerin nicht überzeugen lassen, sondern an dieser Berechnung festgehalten. Das Beschwerdegericht hat sich in den Gründen seiner Entscheidung mit dem Vorbringen der Klägerin sachlich auseinandergesetzt. Anhaltspunkte dafür, daß beide Gerichte die Grenzen der ihnen durch den Vertretbarkeitsmaßstab eingeräumten erweiterten Beurteilungsspielraums nicht
eingehalten
haben, sind nicht erkennbar. Erst eine Überschreitung dieser Grenzen hätte eine amtshaftungsrechtliche Verantwortlichkeit begründen können (vgl. Senatsurteil BGHZ 155, 306, 311).
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke
14
Aber bb) auch im Übrigen - außerhalb des Anwendungsbereichs von § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB - erlangt der verfassungsrechtliche Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit seine Bedeutung. Der gegenteiligen Meinung des Klägers , der in seiner Revisionserwiderung die Auffassung vertritt, aus der Verpflichtung zur Entscheidung in angemessener Zeit (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 6 Abs. 1 EMRK) folge, dass das Gericht die Prozessführung nach dem Zeitfaktor auszurichten, das heißt bei verschiedenen Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung zugunsten der das Verfahren schneller abschließenden Alternative zu entscheiden habe, wobei Art. 97 Abs. 1 GG insoweit ohne Bedeutung sei, folgt der Senat nicht. Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck. Vielmehr verlangt gerade das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitge- genstands durch das dazu berufene Gericht (BVerfGE 54, 277, 291; 85, 337, 345; BVerfG NJW 1997, 2811, 2812; NJW 1999, 2582, 2583). Insoweit ist die sachgerechte Führung eines Prozesses - abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben - in das Ermessen der verantwortlichen Richter gestellt (vgl. BVerfGE 55, 349, 369 zur Terminierung der mündlichen Verhandlung; siehe auch BVerfG EuGRZ 1982, 75). Hierbei kann die Verfahrensführung - im Ergebnis nicht anders als es der Senat in ständiger Rechtsprechung in anderem Zusammenhang bereits für bestimmte staatsanwaltschaftliche Handlungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum des Entscheidungsträgers besteht (vgl. Urteil vom 21. April 1988 - III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 97; Beschluss vom 27. September 1990 - III ZR 314/89, BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Staatsanwalt 3; Urteile vom 16. Oktober 1997 - III ZR 23/96, NJW 1998, 751, 752; und 18. Mai 2000 - III ZR 180/99, VersR 2001, 586, 587), aber auch für bestimmte richterliche Maßnahmen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. Urteile vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 271; und 21. Juli 2005 - III ZR 21/05, BeckRS 2005, 09404; Beschluss vom 21. Dezember 2005 - III ZA 5/05, juris Rn. 12) entschieden hat - im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft werden. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (Senat, Urteil vom 21. April 1988, aaO; Beschluss vom 27. September 1990 aaO). Bei der insoweit anzustellenden Bewertung darf der Zeitfaktor - zumal sich bei zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (vgl. nur BVerfG NJW 2001, 214, 215; NJW 2004, 3320; NJW 2005, 739; NJW 2008, 503, 504) - selbstverständlich nicht ausgeblendet werden; er ist aber nicht der allein entscheidende Maßstab.
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a) Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass staatsanwaltschaftliche Handlungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum des Entscheidungsträgers besteht (z.B. Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, Erhebung der öffentlichen Klage, Beantragung eines Haftbefehls oder einer Durchsuchungs - und Beschlagnahmeanordnung) im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen sind. Diese Grundsätze sind auch auf den Richter anwendbar, der - außerhalb des Richterspruchprivilegs (§ 839 Abs. 2 Satz 1 BGB) - über entsprechende Maßnahmen zu entscheiden hat. Der der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zustehende Beurteilungsspielraum, der sich daraus ergibt, dass Erfahrungssätze zu verwerten und unter Einbeziehung wertender Gesichtspunkte bestimmte tatsächliche Umstände zu würdigen sind, ist dadurch gekennzeichnet, dass es bei der Subsumtion eines Sachverhalts unter den Tatbestand einer Norm keine eindeutige Antwort gibt. Vielmehr kann es mehr als nur eine richtige Entscheidung geben, das heißt verschiedene Betrachter können, ohne pflichtwidrig zu handeln, zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Die Vertretbarkeit darf deshalb nur dann verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die betreffende Entscheidung nicht mehr verständlich ist (vgl. nur Senatsurteile vom 21. April 1988 - III 255/86, NJW 1989, 96, 97; vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 270 f; vom 15. Mai 1997 - III ZR 46/96, VersR 1997, 1363, 1364; vom 16. Oktober 1997 - III ZR 23/96, NJW 1998, 751, 752; vom 18. Mai 2000 - III ZR 180/99, WM 2000, 1588, 1589 und vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 158, 160, 668 [Stand: 1. Juli 2016]; jeweils mwN). Dabei ist die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Vertretbarkeit Aufgabe des Tatrichters und kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob er diesen Rechtsbegriff verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (s. nur Senatsurteile vom 16. Oktober 1997 und 18. Mai 2000 jeweils aaO). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein staatsanwaltschaftliches oder richterliches Handeln unvertretbar und insoweit amtspflichtwidrig war, trägt grundsätzlich derjenige, der einen Amtshaftungsanspruch geltend macht (Senatsurteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 15). Allerdings können dem Anspruchsteller Erleichterungen in Form der sekundären Darlegungslast zugute kommen (BVerfG, NJW 2013, 3630 Rn. 40).
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a) Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand (vgl. nur Senat, Urteile vom 10. Januar 1966 - III ZR 70/64, BGHZ 45, 46, 49 ff und vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12, juris Rn. 28, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist (vgl. nur Senat, Urteile vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 65 ff und vom 4. Juli 2013 aaO) und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (vgl. nur Senat, Urteile vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 279 ff und vom 4. Juli 2013 aaO).

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 326/02
Verkündet am:
3. Juli 2003
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 839 G; FGG § 70 h

a) Eine einstweilige Anordnung, betreffend eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme
, ist kein "Urteil in einer Rechtssache" im Sinne des § 839
Abs. 2 Satz 1 BGB.

b) Bei richterlichen Amtspflichtverletzungen außerhalb des Anwendungsbereichs
des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Verfassungsgrundsatz der
richterlichen Unabhängigkeit zu beachten. Soweit in solchen Fällen im
Amtshaftungsprozeß darüber zu befinden ist, ob ein Richter bei der
Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung schuldhaft amtspflichtwidrig
gehandelt hat, kann dem Richter in diesem Bereich ein Schuldvorwurf nur
bei besonders groben Verstößen gemacht werden; inhaltlich läuft das auf
eine Haftung für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit hinaus.

c) Einstweilige Anordnungen im Unterbringungsverfahren sind im Amtshaftungsprozeß
nicht uneingeschränkt auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern
nur daraufhin zu überprüfen, ob sie vertretbar sind.
BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - III ZR 326/02 - OLG Jena
LG Erfurt
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Schlick, Dr. Kapsa und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 3. September 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Auf Antrag des Sozialpsychiatrischen Dienstes am Gesundheitsamt des I. -Kreises ordnete das Amtsgericht Gotha durch mit sofortiger Wirksamkeit versehenen Beschluß vom 2. April 2000 die einstweilige Unterbringung der Klägerin in einer geschlossenen Krankenabteilung des Landesfachkrankenhauses M. bis zu einer Dauer von sechs Wochen an. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wurde dieser Beschluß am 19. April 2000 durch das Landgericht Erfurt mit der Begründung aufgehoben, daß eine jene Unterbringungsmaßnahme rechtfertigende Gefahrenlage nicht feststellbar sei.
Die Klägerin hält den Beschluß des Amtsgerichts vom 2. April 2000 für rechtswidrig und nimmt den beklagten Freistaat wegen Amtspflichtverletzung auf Ersatz des ihr durch den zeitweisen Freiheitsentzug entstandenen materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
Die Vorinstanzen haben die Amtshaftungsklage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist nicht begründet.
1. Beide Vorinstanzen lassen den Amtshaftungsanspruch bereits daran scheitern, daß der Beschluß des Amtsgerichts ein "Urteil in einer Rechtssache" im Sinne des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB gewesen sei und somit dem Spruchrichterprivileg (Richterspruchprivileg) unterfalle. Darin vermag der Senat ihnen nicht beizutreten.

a) Das Verfahren der hier in Rede stehenden vorläufigen Unterbringungsmaßnahme richtete sich nach § 7 des Thüringer Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung psychisch Kranker (ThürPsychKG) vom 2. Februar 1994 (GVBl. S. 81) in Verbindung mit den Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG; § 7 Abs. 1 Satz 2 ThürPsychKG).

b) Es trifft zu, daß auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit urteilsvertretende Beschlüsse möglich sind, die einem "Urteil in einer Rechtssache" gleichgestellt werden müssen und dementsprechend in den Anwendungsbereich des "Richterprivilegs" fallen (s. dazu insbesondere Senatsurteil BGHZ 36, 379, 384 f). Die Gleichstellung hängt insbesondere davon ab, ob das der betreffenden Entscheidung zugrundeliegende gerichtliche Verfahren ein "Erkenntnisverfahren" ist, das sich nach bestimmten prozessualen Regeln richtet und dessen Ziel im wesentlichen die Anwendung materieller Rechtsnormen auf einen konkreten Fall ist. Dazu gehören insbesondere die Wahrung des rechtlichen Gehörs, die Ausschöpfung der in Betracht kommenden Beweismittel und die Begründung des Spruchs (Senatsurteil BGHZ 36, 379, 382/383). Für die Beurteilung, ob ein urteilsvertretender Beschluß vorliegt, sind stets der materielle Gehalt des Streitgegenstands und die materielle Bedeutung der Entscheidung maßgeblich. Eine urteilsvertretende Entscheidung ist anzunehmen, wenn nach Sinn und Zweck der Regelung eine jederzeitige erneute Befassung des Gerichts (von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten) mit der formell rechtskräftig entschiedenen Sache ausgeschlossen ist, die Entscheidung vielmehr eine Sperrwirkung in dem Sinne entfaltet, daß eine erneute Befassung nur unter entsprechenden Voraussetzungen in Betracht kommt wie bei einer rechtskräftig durch Urteil abgeschlossenen Sache (d.h. wenn die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen), oder wenn eine wesentliche Veränderung des Sachverhalts eintritt, die nach besonderer gesetzlicher Vorschrift eine erneute Entscheidung rechtfertigt (Staudinger/Wurm, BGB 13. Bearb. [2002] § 839 Rn. 332).

c) Im vorliegenden Fall geht es um eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme , die durch einstweilige Anordnung auf Grundlage der §§ 70h, 69f Abs. 1
FGG getroffen worden war. Dieses Verfahren ist auf solche Fallgestaltungen zugeschnitten, bei denen dringende Gründe für die Annahme bestehen, daß die Voraussetzungen für eine endgültige Unterbringungsmaßnahme gegeben sind und bei denen mit dem Aufschub der Maßnahme Gefahr verbunden ist, d.h. für den Betroffenen selbst oder im Falle der öffentlich-rechtlichen Unterbringung für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eine Gefahr besteht, deren Abwendung keinen Aufschub duldet (Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Kommentar zum FGG, 15. Aufl. 2003 § 70h Rn. 4, 5 m.w.N.). Eine derartige Verfahrensgestaltung hat - anders als etwa das frühere Entmündigungsverfahren nach § 645 ZPO a.F. (dazu Senatsurteil BGHZ 46, 106) - notwendig einen summarischen Charakter, was sich auch darin widerspiegelt , daß bei Gefahr im Verzug die einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen erlassen werden kann (§ 69f Abs. 1 Satz 4 FGG). Deswegen kann nicht angenommen werden, daß das hier in Rede stehende Verfahren einem "Erkenntnisverfahren" im vorbezeichneten Sinne gleichsteht und daß die darauf beruhende Entscheidung die für ein Urteil zu fordernde Richtigkeitsgewähr bietet. Eher bestehen - trotz der vom Berufungsgericht zutreffend aufgezeigten Unterschiede im Verfahren - Ähnlichkeiten mit der einstweiligen Unterbringung im Strafprozeß nach § 126a StPO, die in ihrem Anwendungsbereich dem ThürPsychKG vorgeht (§ 7 Abs. 4) und bei der anerkannt ist, daß der Unterbringungsbefehl kein "Urteil" im Sinne des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ist (Staudinger/Wurm Rn. 334 m.w.N.). Keiner Klärung bedürfen die Fragen, ob Beschlüsse der freiwilligen Gerichtsbarkeit von vornherein nur insoweit dem Richterprivileg unterfallen können, als sie "Streitsachen" betreffen (in diesem Sinne: Palandt/Thomas, BGB 62. Aufl. 2003 § 839 Rn. 69), und ob gegebenenfalls die Hauptsacheentscheidung im Unterbringungsverfahren
eine solche in einer "Streitsache" ist (verneinend Schmidt in Kei- del/Kuntze/Winkler aaO § 12 Rn. 233 m.w.N.).
2. Gleichwohl ist die Amtshaftungsklage im Ergebnis mit Recht abgewiesen worden.

a) Bei richterlichen Amtspflichtverletzungen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nämlich der Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu beachten. Soweit in solchen Fällen im Amtshaftungsprozeß darüber zu befinden ist, ob ein Richter bei der Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung schuldhaft amtspflichtwidrig gehandelt hat, kann dem Richter in diesem Bereich ein Schuldvorwurf nur bei besonders groben Verstößen gemacht werden (Senatsbeschluß vom 19. Dezember 1991 - III ZR 9/91 = BGHR BGB § 839 Abs. 2 Richter 1 m.w.N.); inhaltlich läuft das auf eine Haftung für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit hinaus (OLG Frankfurt NJW 2001, 3270; Staudinger/Wurm Rn. 316).

b) Darüber hinaus hat der Senat keine durchgreifenden Bedenken, auch bei der hier in Rede stehende einstweilige Anordnung im Unterbringungsverfahren dieselben Grundsätze anzuwenden, die für den Richter gelten, der über die Anordnung oder Fortdauer von Untersuchungshaft zu entscheiden hat: Danach sind derartige Entscheidungen im Amtshaftungsprozeß nicht uneingeschränkt auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie - bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege - vertretbar sind (vgl. Senatsurteil BGHZ 122, 268, 270/271; Se-
natsurteil vom 18. Mai 2000 - III ZR 180/99 = VersR 2001, 586, 587; Staudinger /Wurm Rn. 630 i.V.m. 632).

c) Insoweit weist die Revisionserwiderung zutreffend auf folgende Ge- sichtspunkte hin: Die Voraussetzungen des § 70h Abs. 1 i.V.m. § 69f Abs. 1 FGG lagen im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsrichters vor. Der Richter durfte davon ausgehen, daß die Angaben des Sozialpsychiatrischen Dienstes zutrafen, wonach die Klägerin psychisch krank sei und mit einem Luftgewehr mehrfach in einen Hof geschossen habe, wo Kinder spielten. Somit durfte er dringende Gründe dafür annehmen, daß die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 ThürPsychKG gegeben seien und mit einem Aufschub Gefahr verbunden wäre (§ 69f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGG). Ein vom Vortag, dem 1. April 2000, datierendes ärztliches Zeugnis über den Zustand der Klägerin lag ebenfalls vor. Ein besonderes fachpsychiatrisches Gutachten war nicht zwingend erforderlich (§ 7 Abs. 2 Satz 2 ThürPsychKG).

d) Die Revisionserwiderung zieht nach alledem mit gutem Grund in Zweifel, ob überhaupt die Tatbestandsvoraussetzungen einer einfachen Amtspflichtverletzung vorgelegen haben. Erst recht sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß den entscheidenden Richter der Vorwurf einer groben Pflichtverletzung im vorbezeichneten Sinne getroffen hat und daß die Grenzen des erweiterten Beurteilungsspielraums nicht eingehalten worden sind, deren Überschreitung eine amtshaftungsrechtliche Verantwortlichkeit überhaupt erst hätte begründen können. Abweichendes läßt sich insbesondere auch nicht aus der den Beschluß des Amtsgerichts aufhebenden Beschwerde-
entscheidung des Landgerichts entnehmen, die auf den zwischenzeitlich durchgeführten Ermittlungen und somit auf einer geänderten Beurteilungsgrundlage beruhte.
Rinne Wurm Schlick Kapsa Galke

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

7
3. Dass die Anordnung der Abschiebungshaft rechtswidrig war, steht aufgrund der Rechtskraft des im Beschwerdeverfahren aufgrund des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen ergangenen Beschlusses des Landgerichts Stuttgart mit Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren fest. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze, die der Senat im Amtshaftungsprozess für die Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung einer Strafvollstreckungskammer im Verfahren nach § 109 StVollzG (Senatsurteil BGHZ 161, 33, 34) und für diejenige einer im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG ergangenen Entscheidung des Strafsenats eines Oberlandesgerichts (Senatsurteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93 = NJW 1994, 1950) entwickelt hat. Darüber hinaus steht die sachliche Richtigkeit der Beschwerdeentschei- dung des Landgerichts unter den Parteien außer Streit. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft lagen zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht vor. Die Anordnung der Abschiebungshaft in Form der Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 des seinerzeit geltenden Ausländergesetzes (s. jetzt § 62 Abs. 2 AufenthG) setzte neben der Gefahr der Vereitelung der Abschiebung voraus, dass der betroffene Ausländer ausreisepflichtig war. Die Ausreisepflicht entfällt insbesondere auch durch die gesetzliche Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG). Danach ist einem Ausländer, der (erstmalig) um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet. Die Aufenthaltsgestattung erlischt allerdings nach § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG insbesondere, wenn die Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag unanfechtbar geworden ist. Die Ausreisepflichtigkeit, insbesondere das Vorliegen der Aufenthaltsgestattung und ihr etwaiges Erlöschen, hat der Haftrichter von Amts wegen zu prüfen und festzustellen. Die gesetzliche Aufenthaltsgestattung stellt insoweit nicht nur ein (allein im Ausweisungsverfahren zu überprüfendes) Abschiebungshindernis, sondern auch ein Abschiebungshafthindernis dar (BayObLG NVwZ 1993, 102; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812; OLG Naumburg FGPrax 2000, 211), das folglich im Abschiebungshaftverfahren zu prüfen ist und dessen Vorliegen die Abschiebungshaft rechtswidrig macht. Im vorliegenden Fall war die Aufenthaltsgestattung nicht gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG erloschen. Denn der Bescheid des Bundesamtes über die Ablehnung seines Asylantrags war mangels ordnungsgemäßer Zustellung noch nicht bestandskräftig geworden.
15
Der Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK ist verschuldensunabhängig; es handelt sich um einen Fall der Gefährdungshaftung für konventionswidriges Verhalten (vgl. nur Senat, Urteile vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 65 ff; vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 279 und vom 18. Mai 2006 - III ZR 183/95, MDR 2006, 1284, 1285).
13
a) Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand (vgl. nur Senat, Urteile vom 10. Januar 1966 - III ZR 70/64, BGHZ 45, 46, 49 ff und vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12, juris Rn. 28, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist (vgl. nur Senat, Urteile vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 65 ff und vom 4. Juli 2013 aaO) und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (vgl. nur Senat, Urteile vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 279 ff und vom 4. Juli 2013 aaO).
7
3. Dass die Anordnung der Abschiebungshaft rechtswidrig war, steht aufgrund der Rechtskraft des im Beschwerdeverfahren aufgrund des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen ergangenen Beschlusses des Landgerichts Stuttgart mit Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren fest. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze, die der Senat im Amtshaftungsprozess für die Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung einer Strafvollstreckungskammer im Verfahren nach § 109 StVollzG (Senatsurteil BGHZ 161, 33, 34) und für diejenige einer im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG ergangenen Entscheidung des Strafsenats eines Oberlandesgerichts (Senatsurteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93 = NJW 1994, 1950) entwickelt hat. Darüber hinaus steht die sachliche Richtigkeit der Beschwerdeentschei- dung des Landgerichts unter den Parteien außer Streit. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft lagen zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht vor. Die Anordnung der Abschiebungshaft in Form der Sicherungshaft nach § 57 Abs. 2 des seinerzeit geltenden Ausländergesetzes (s. jetzt § 62 Abs. 2 AufenthG) setzte neben der Gefahr der Vereitelung der Abschiebung voraus, dass der betroffene Ausländer ausreisepflichtig war. Die Ausreisepflicht entfällt insbesondere auch durch die gesetzliche Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG). Danach ist einem Ausländer, der (erstmalig) um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet. Die Aufenthaltsgestattung erlischt allerdings nach § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG insbesondere, wenn die Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag unanfechtbar geworden ist. Die Ausreisepflichtigkeit, insbesondere das Vorliegen der Aufenthaltsgestattung und ihr etwaiges Erlöschen, hat der Haftrichter von Amts wegen zu prüfen und festzustellen. Die gesetzliche Aufenthaltsgestattung stellt insoweit nicht nur ein (allein im Ausweisungsverfahren zu überprüfendes) Abschiebungshindernis, sondern auch ein Abschiebungshafthindernis dar (BayObLG NVwZ 1993, 102; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812; OLG Naumburg FGPrax 2000, 211), das folglich im Abschiebungshaftverfahren zu prüfen ist und dessen Vorliegen die Abschiebungshaft rechtswidrig macht. Im vorliegenden Fall war die Aufenthaltsgestattung nicht gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG erloschen. Denn der Bescheid des Bundesamtes über die Ablehnung seines Asylantrags war mangels ordnungsgemäßer Zustellung noch nicht bestandskräftig geworden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Bundesgebiet nicht vorhanden oder geht von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, kann sie in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Werden mehrere Angehörige einer Familie inhaftiert, so sind diese getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.

(2) Den Abschiebungsgefangenen wird gestattet, mit Rechtsvertretern, Familienangehörigen, den zuständigen Konsularbehörden und einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen Kontakt aufzunehmen.

(3) Bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen sind unter Beachtung der Maßgaben in Artikel 17 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) alterstypische Belange zu berücksichtigen. Der Situation schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

(4) Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene zu besuchen.

(5) Abschiebungsgefangene sind über ihre Rechte und Pflichten und über die in der Einrichtung geltenden Regeln zu informieren.

28
a) Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand (vgl. nur Senat, Urteil vom 10. Januar 1966 - III ZR 70/64, BGHZ 45, 46, 49 ff), der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist (vgl. nur Senat, Urteil vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 65 ff) und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (vgl. nur Senat, Urteil vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 279 ff). Dabei ist bei innerstaatlicher Rechtswidrigkeit der Inhaftierung der Freiheitsentzug auch dann (mittelbar) konventionswidrig, wenn die Anforderungen der Konvention an die Voraussetzungen, unter denen (Untersuchungs-)Haft angeordnet werden kann, geringer sind als die der deutschen Strafprozessordnung (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 1971 - III ZR 181/69, BGHZ 57, 33, 38; Urteil vom 29. April 1993 aaO S. 270).

(1) Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Bundesgebiet nicht vorhanden oder geht von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, kann sie in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Werden mehrere Angehörige einer Familie inhaftiert, so sind diese getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.

(2) Den Abschiebungsgefangenen wird gestattet, mit Rechtsvertretern, Familienangehörigen, den zuständigen Konsularbehörden und einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen Kontakt aufzunehmen.

(3) Bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen sind unter Beachtung der Maßgaben in Artikel 17 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) alterstypische Belange zu berücksichtigen. Der Situation schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

(4) Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene zu besuchen.

(5) Abschiebungsgefangene sind über ihre Rechte und Pflichten und über die in der Einrichtung geltenden Regeln zu informieren.

Tenor

Die Vollziehung der mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 8. Mai 2014 gegen den Betroffenen angeordneten und durch Beschluss der 39. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27. Juni 2014 aufrecht erhaltenen Sicherungshaft wird einstweilen ausgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Betroffene ist türkischer Staatsbürger und reiste am 27. April 2014 ohne Ausweis- oder Aufenthaltspapiere mit Hilfe eines Schleppers nach Deutschland ein. Am 7. Mai 2014 wurde er in Köln bei dem Versuch festgenommen, sich unter Vorlage einer gefälschten bulgarischen Identitätskarte anzumelden. Mit Verfügung vom gleichen Tag drohte ihm die beteiligte Behörde die Abschiebung an. Auf ihren Antrag hat das Amtsgericht am 8. Mai 2014 gegen den Betroffenen Haft bis zum 6. August 2014 angeordnet. Die Haft wird in einem gesonderten Gebäude auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Büren vollzogen. Am 6. Juni 2014 hat der Betroffene aus der Haft heraus einen Asylantrag gestellt. Auf die gegen die Haftanordnung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. Juni 2014 die Rechtswidrigkeit der Haft für den Zeitraum vom 8. Mai 2014 bis zum 27. Juni 2014 festgestellt und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt.

2

Einen ersten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angeordneten Haft hat der Senat mit Beschluss vom 3. Juli 2014 zurückgewiesen. Mit dem vorliegenden zweiten Aussetzungsantrag macht der Betroffene geltend, der Vollzug der Haft in der Justizvollzugsanstalt Büren widerspreche dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17. Juli 2014 (Rs. 473/13 und 514/13 - Bero und Bouzalmate, ECLI:EU:C:2014:2095).

II.

3

Der Aussetzungsantrag hat Erfolg.

4

1. Er ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (Senat, Beschluss vom 21. Januar 2010 - V ZB 14/10, FGPrax 2010, 97 Rn. 3). Seiner Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass der Senat den ersten Aussetzungsantrag des Betroffenen abgelehnt hat. Der Zurückweisungsbeschluss erwächst nicht in Rechtskraft. Deshalb kann eine Aussetzung bei Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen auch angeordnet werden, wenn ein vorausgegangener Aussetzungsantrag zurückgewiesen worden ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. März 2009 - AnwZ (B) 78/08, juris Rn. 3). Ein Rechtsschutzbedürfnis für den erneuten Antrag besteht jedenfalls deshalb, weil der Betroffene unter Hinweis auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union nunmehr erstmals die rechtswidrige Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt Büren rügt.

5

2. Der Antrag ist auch begründet, weil die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nach der gebotenen summarischen Prüfung erfolgreich sein wird. Im Hinblick auf das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Rechts der Union (effet utile) muss der Haftrichter die Anordnung von Sicherungshaft ablehnen, wenn absehbar ist, dass der Betroffene entgegen den Vorgaben des Unionsrechts untergebracht werden wird (Senat, Vorlagebeschluss vom 11. Juli 2013 - V ZB 40/11, NVwZ 2014, 166, Rn. 20). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

6

a) Die Unterbringung des Betroffenen in der Justizvollzugsanstalt Büren widerspricht den unionsrechtlichen Vorgaben.

7

aa) Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG erfolgt die Inhaftierung von Betroffenen zur Sicherung der Ab- oder Zurückschiebung grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen. Zwar dürfen Betroffene nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie in „gewöhnlichen Haftanstalten“ untergebracht werden, wenn in einem Mitgliedstaat solche speziellen Hafteinrichtungen nicht vorhanden sind. Diese Ausnahme trifft aber nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union für Deutschland nicht zu, weil in mehreren deutschen Bundesländern spezielle Einrichtungen vorhanden sind (EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - C 473/13 und C 514/13 - Bero und Bouzalmate, ECLI:EU:C:2014: 2095 Rn. 30 f.).

8

§ 62a Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist in diesem Sinne richtlinienkonform einschränkend auszulegen. Dem steht nicht entgegen, dass die Vorschrift nach ihrem Wortlaut auf die Verhältnisse in dem betroffenen Bundesland und nicht auf die Verhältnisse in Deutschland insgesamt abstellt. Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift ausweislich der Entwurfsbegründung Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie ohne Abstriche umsetzen wollen (BT-Drucks. 17/5470 S. 25). Er hat dabei ein - wie sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergibt - fehlerhaftes Verständnis der Richtlinie zugrunde gelegt, was aber an dem Willen zur richtlinienkonformen Anpassung des nationalen deutschen Rechts nichts ändert. Einem solchen Versehen ist mit einer richtlinienkonformen - hier einschränkenden - Auslegung Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 26; Senat, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, InfAuslR 2014, 148 Rn. 9-11).

9

bb) Nach dem erwähnten Urteil des Gerichtshofs kann die Unterbringung eines Betroffenen in einem gesonderten Gebäude auf dem Gelände einer Justizvollzugsanstalt, anders als die beteiligte Behörde meint, auch nicht als Unterbringung in einer speziellen Hafteinrichtung angesehen werden, wie sie von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie verlangt wird. Wenn Betroffene in einem Mitgliedstaat überhaupt in gewöhnlichen Haftanstalten untergebracht werden dürfen, dürfte dies nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG nur „gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen“ geschehen. In einem weiteren Urteil vom 17. Juli 2014 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich aus dem Wortlaut dieser Norm die unbedingte Verpflichtung ergibt, die illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen von den gewöhnlichen Strafgefangenen zu trennen, wenn ein Mitgliedstaat sie nicht in speziellen Hafteinrichtungen unterbringen kann (Rs. C-474/13 - Pham, ECLI:EU:C:2014:2096 Rn. 17, 21). Daraus folgt, dass eine solche gesonderte Unterbringung von Betroffenen auf dem Gelände einer gewöhnlichen Haftanstalt keine Unterbringung in einer speziellen Hafteinrichtung sein kann. Sie ist - unabhängig von ihrer Ausgestaltung im Einzelnen - eine Unterbringung in einer gewöhnlichen Haftanstalt, die in Deutschland, wie ausgeführt, generell nicht zulässig ist.

10

cc) Die Justizvollzugsanstalt Büren dient nach Teil 4 des geltenden Vollstreckungsplans für das Land Nordrhein-Westfalen (Allgemeinverfügung des Justizministeriums vom 16. September 2003 - 4431 - IV B. 28) dem Vollzug der Abschiebungshaft, der Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten und der Ersatzfreiheitsstrafe. Es handelt sich deshalb um eine gewöhnliche Haftanstalt, in der auch von einer Ab- oder Zurückschiebung Betroffene untergebracht sind. Diese Art der Unterbringung widerspricht dem Unionsrecht.

11

b) Daran gemessen ist jedenfalls der weitere Vollzug der Haft rechtswidrig, weil der Betroffene derzeit unter Verstoß gegen die Vorgaben des Unionsrechts untergebracht ist und die Behörde eine Änderung der Unterbringung abgelehnt hat.

Schmidt-Räntsch                      Roth                    Brückner

                          Weinland                 Kazele