Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juli 2014 - III ZR 550/13

bei uns veröffentlicht am24.07.2014
vorgehend
Landgericht Hechingen, 1 O 71/13, 26.07.2013
Oberlandesgericht Stuttgart, 4 U 188/13, 18.12.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 550/13
Verkündet am:
24. Juli 2014
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 839 (Ca, Fe); StrG BW § 9 Abs. 1, § 59
Zur Verkehrssicherungspflicht bei der Gestaltung einer Parkbucht.
BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 - III ZR 550/13 - OLG Stuttgart
LG Hechingen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Juli 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Wöstmann, Tombrink, Dr. Remmert und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger macht gegen die beklagte Stadt Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht geltend. Er ist Eigentümer eines Fahrzeugs Typ Audi A 5 Sportback. Das Fahrzeug ist 4,63 m lang und tiefergelegt. Es hat eine unterdurchschnittliche Bodenfreiheit von lediglich 10,1 cm.
2
Am 28. September 2012 fuhr der Kläger in eine Parktasche des öffentlichen Parkplatzes "Am S. " in S. . Es war am Abend und dunkel. Die Parkbucht war 5 m lang und 3,5 m breit. Er kam mit dem vorderen Karosserieteil seines Fahrzeuges über den stirnseitig angebrachten, min- destens 20 cm hohen Randstein des Parkplatzes hinaus und beschädigte dabei die Verkleidung des vorderen Stoßfängers.
3
Es gab keine Hinweise auf die Höhe des Bordsteins. Diese war so gewählt , da geplant war, den Bereich hinter dem Bordstein zu bepflanzen. Die vorgesehene Beleuchtungsanlage war noch nicht fertig installiert, so dass der Parkplatz zum Unfallzeitpunkt unbeleuchtet war.
4
Die Reparaturkosten betrugen 835,06 €.
5
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger 602,04 € zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten zu zahlen.
6
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolgreich gewesen. Sie hat zur vollständigen Klageabweisung geführt.
7
Der Kläger möchte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erreichen.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.


9
Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen, da dem Kläger kein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG aus dem streitgegenständlichen Vorfall zustehe. Die Beklagte habe ihre Straßenverkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Der Umfang der Straßenverkehrssicherungspflicht werde von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Grundsätzlich müsse der Straßenbenutzer sich allerdings den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbiete. Im vorliegenden Fall sei von einer für den durchschnittlich aufmerksamen Kraftfahrer und auch für den Kläger erkennbaren und auch vermeidbaren Gefahr auszugehen. Die Begrenzung habe beim Heranfahren aus einiger Entfernung ohne weiteres wahrgenommen werden können. Der auf dem Parkplatz und in eine Parkbucht fahrende Kraftfahrer könne zwar aus seinem Fahrzeug die genaue Höhe der Randsteine nicht zuverlässig schätzen; bei gehöriger Aufmerksamkeit müsse ihm aber gewahr werden, dass die Parkplatzbegrenzung jedenfalls eine Höhe aufweisen könne, die für sein Fahrzeug gefährlich werden könne, wenn er sie überfahre. Erst recht müsse dies für den Führer eines Fahrzeugs gelten, das - wie der Pkw des Klägers - nicht die serienmäßige Bodenfreiheit aufweise, sondern tiefergelegt sei und eine unterdurchschnittliche Bodenfreiheit von lediglich 10,1 cm aufweise.
10
Auch eine fehlende Beleuchtung des Bordsteins und des Parkplatzes führe nicht zu einer Haftung der Beklagten. Für Kraftfahrer sei auch bei Dunkelheit die Abgrenzung im Lichtkegel der Scheinwerfer der jeweils einparkenden Fahrzeuge sichtbar gewesen.
11
Ein objektiv verkehrswidriger Zustand lasse sich auch nicht daraus herleiten , dass die Parkbucht (lediglich) eine Länge von 5 m aufgewiesen habe; es bestehe kein Rechtsanspruch darauf, dass markierte Parkflächen auch für "raumfordernde" Fahrzeuge ausreichend dimensioniert seien. Im Übrigen habe die Länge der Parkbucht den Vorgaben der von der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (Arbeitsgruppe Straßenentwurf) herausgegebenen Empfehlung für Anlagen des ruhenden Verkehrs (Ausgabe 2005) entsprochen. Die gewählte Bordsteinhöhe von 20 cm widerspreche auch nicht den anerkannten Regeln zur Unfallverhütung und den anerkannten Regeln zur Erstellung von Parkflächen.
12
Ein objektiv verkehrswidriger Zustand könne auch nicht daraus abgeleitet werden, dass es nach der Behauptung des Klägers schon vor dem Unfallereignis zu vergleichbaren Vorfällen gekommen sei.

II.


13
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.
14
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG im Hinblick auf eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten zu.
15
1. Die Beklagte ist verkehrssicherungspflichtig für die Parkbucht, in der das Unfallereignis stattgefunden hat. Die Beklagte ist gemäß § 44 StrG BW Träger der Straßenbaulast für Gemeindestraßen. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StrG BW gehören zur öffentlichen Straße beziehungsweise zum Straßenkörper auch Parkplätze. Die mit der Überwachung der Verkehrssicherheit der öffentlichen Straßen zusammenhängenden Pflichten obliegen den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften und Behörden nach § 59 StrG BW als Amtspflichten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Die Beklagte hat gemäß § 9 Abs. 1, § 44 StrG BW die Aufgabe, die Verkehrssicherheit der Gemeindestraßen zu gewährleisten. Die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen steht selbständig neben den sonstigen diese Straßen betreffenden Pflichten. Es handelt sich bei ihr nur um einen Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht , die auf dem Gedanken beruht, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle oder einen gefahrdrohenden Zustand schafft oder andauern lässt, die Pflicht hat, alle ihm zumutbaren Maßnahmen oder Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 21. November 2013 - III ZR 113/13, NVwZ-RR 2014, 252 Rn. 13 mwN). Ein Verkehrssicherungspflichtiger hat in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 5. Juli 2012 - III ZR 240/11, NVwZ-RR 2012, 831 Rn. 11 mwN).
16
Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich (auch) bei Parkplätzen nicht nur auf die Beschaffenheit der Verkehrseinrichtung selbst, sondern ganz allgemein auf die Abwehr derjenigen Gefahren, die den Verkehrsteilnehmern aus ihrer Benutzung drohen. Sie umfasst den gesamten Parkplatz bis zu der Stelle, die dem Verkehrsteilnehmer als Grenze äußerlich erkennbar ist. Der Träger der Verkehrssicherungspflicht ist deshalb gehalten, die Gefahren auszuräumen, die der Zustand oder die konkrete Besonderheit des Parkplatzes bei seiner Benut- zung für den Verkehrsteilnehmer in sich bergen, die dieser nicht ohne weiteres erkennen kann und auf die er sich nicht ohne weiteres einzustellen und einzurichten vermag (Senat, Urteil vom 14. Februar 1966 - III ZR 126/64, VersR 1966, 562, sowie Beschluss vom 27. April 1989 - III ZR 193/88, BGHR BGB § 823 Abs. 1 Verkehrssicherungspflicht 23). Dabei kann der Verkehrssicherungspflichtige auch gehalten sein, ein nahe liegendes Fehlverhalten von Benutzern zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 24. Januar 2002 - III ZR 103/01, NJW 2002, 1265 f; Senatsurteil vom 12. November 1982 - III ZR 159/81, VersR 1982, 854 zur Verkehrssicherungspflicht bei Treppen).
17
2. Ausgehend von diesem Maßstab hat das Berufungsgericht zutreffend eine Haftung der Beklagten verneint.
18
Der Parkplatz ist entsprechend den technischen Regelungen eingerichtet und hergestellt worden. Randsteine dienen der Begrenzung der eigentlichen Parkfläche. Sie sind - was jeder Verkehrsteilnehmer weiß oder wissen muss - schon entsprechend ihrer Begrenzungsfunktion nicht ohne Weiteres stets zum "Darüber-Fahren" oder auch nur zum "Überhangparken" mit den vorderen Fahrzeugkarosserieteilen durch Anfahren der Fahrzeuge mit den Rädern bis zur Bordsteinkante geeignet beziehungsweise konzipiert. Demgemäß bestehen auch keine generellen Amtspflichten der verkehrssicherungspflichtigen Körperschaft , für ein gefahrloses "Überhangparken" Sorge zu tragen oder vor Gefahren beim freigabewidrigen Überhangparken zu warnen (a. A. wohl OLG Hamm, NZV 2008, 405: Bordsteine von 18-23 cm Höhe stellen eine "abhilfebedürftige Gefahrenquelle" dar).
19
Vorliegend ist die stirnseitige Begrenzung der Parkbuchten durch das Anbringen der 20 cm hohen Randsteine und die Bepflanzung soausgestaltet, dass ein "Überhangparken" ersichtlich nicht stattfinden kann beziehungsweise nicht stattfinden soll. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren die mit der Höhe der Randsteine verbundenen Gefahren und Risiken für einen durchschnittlich aufmerksamen Kraftfahrer ungeachtet der zum Unfallzeitpunkt noch fehlenden Bepflanzung ohne weiteres erkennbar und beherrschbar. Dies war nach der Würdigung des Berufungsgerichts trotz der ebenfalls noch nicht funktionsfähigen Beleuchtungseinrichtungen auch bei Dunkelheit der Fall, wenn ein Fahrer sein Fahrverhalten - wie geboten - den herrschenden Lichtverhältnissen anpasste.
20
Ob trotz dieser - revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden - Bewertung der Gefahrenlage durch das Berufungsgericht (jedenfalls) bis zur Fertigstellung des Pflanzstreifens vorliegend besondere Warnpflichten bestanden, weil es - was das Berufungsgericht als unstreitigen Sachvortrag des Klägers gewertet hat - vor dem streitgegenständlichen Schadensereignis bereits zu vergleichbaren Unfällen mit vergleichbaren Schädigungen gekommen ist, kann offenbleiben. Ein Schadensersatzanspruch stünde dem Kläger gleichwohl nicht zu, denn ihn träfe ein so überwiegendes Mitverschulden, dass daneben der Haftungsanteil der Beklagten zu vernachlässigen wäre: Der Kläger wusste, dass er ein tiefergelegtes Fahrzeug mit einer Bodenfreiheit von nur ca. 10 cm hatte. Bei dieser Sachlage musste er (wie das Berufungsgericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Erkennbarkeit der Gefahrenquelle zutreffend ausgeführt hat) der Höhe der vorhandenen Randsteine sein ganz besonderes Augenmerk widmen. Sein Fahrzeug konnte auch ohne ein Überhangparken in der fünf Meter langen Parkbucht abgestellt werden. Die erforderliche Abwägung (§ 254 BGB) kann der Senat, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, selbst vornehmen.
Schlick Wöstmann Tombrink
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Hechingen, Entscheidung vom 26.07.2013 - 1 O 71/13 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.12.2013 - 4 U 188/13 -

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 34


Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder g

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(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

13
2. Die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen steht selbständig neben den sonstigen diese Straßen betreffenden Pflichten. Es handelt sich bei ihr nur um einen Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, die auf dem Gedanken beruht, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle oder einen Gefahr drohenden Zustand schafft oder andauern lässt, die Pflicht hat, alle ihm zumutbaren Maßnahmen oder Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern (vgl. Senatsurteile vom 13. Juni 1996 aaO und vom 17. März 1983 aaO S. 640). Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich dabei nicht nur auf die Straße im engeren Sinn des Wortes, das heißt auf die eigentliche Verkehrsfläche, die Fahrbahn der Bundesstraße , sondern auch auf Gräben und Entwässerungsanlagen, die nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 FStrG als Teile des Straßenkörpers zur Straße gehören (Senatsurteil vom 17. März 1983 aaO). Die dem Straßenverkehrssicherungspflichtigen obliegende Amtspflicht, die Bundesstraße einschließlich der zur Straße gehörenden Entwässerungsanlagen in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten, beschränkt sich nicht auf die Abwendung von Gefahren, die den Straßenbenutzern drohen. Es ist vielmehr auch der Sicherheit der Anlieger vor den Gefahren der Straßenentwässerung Rechnung zu tragen (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 aaO).
11
bb) Zum anderen ist es zwar zutreffend, dass ein Verkehrssicherungspflichtiger nach der von der Revision in Bezug genommenen Senatsrechtsprechung in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen muss, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. nur Urteile vom 21. Juni 1979 - III ZR 58/78, VersR 1979, 1055, vom 12. Juli 1979 - III ZR 102/78, NJW 1979, 2043, 2044, vom 10. Juli 1980 - III ZR 58/79, NJW 1980, 2194, 2195 und vom 13. Juli 1989 - III ZR 122/88, BGHZ 108, 273, 275). Der Beklagte erfasst den Aussagegehalt dieser Definition jedoch nicht vollständig, wenn er lediglich isoliert den Gesichtspunkt der Erkennbarkeit anspricht. Darüber hinaus ist vielmehr notwendig, dass sich der Benutzer auf die Gefahr einstellen kann, was beispielsweise dann in Betracht kommt, wenn er einer auf einem Gehweg vorhandenen und gut erkennbaren Gefahrenstelle unproblematisch auszuweichen vermag. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts befand sich aber der ganze Überweg in einem so desolaten Zustand, dass selbst ein umsichtiger Fußgänger der Gefahr nicht ausweichen konnte, vielmehr bei jedweder Benutzung des Wegs gezwungen war, Teile zu begehen, die sich in schlechtem Zustand befanden, sodass eine gefahrlose Benutzung nicht möglich war.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 103/01
Verkündet am:
24. Januar 2002
Fitterer,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Verkehrssicherungspflicht für eine Treppe, die zu einer Fußgängerunterführung
gehört.
BGH, Urteil vom 24. Januar 2002 - III ZR 103/01 - OLG Koblenz
LG Bad Kreuznach
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. März 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Am 13. April 1994 gegen 11.00 Uhr vormittags beging der Kläger bei Regenwetter in B. K., der beklagten Stadt, eine zum Gehweg der M.straße gehörende Treppe, um die W.straße (B 48) zu unterqueren. Beim Hinabsteigen stürzte er und erlitt schwere Verletzungen. Mit der Behauptung, die Treppenstufen seien wegen freiliegender Metallkanten nicht rutschsicher gewesen und an der von ihm benutzten rechten Treppenseite habe ein Handlauf gefehlt,
verlangt er von der Beklagten Schadensersatz einschlieûlich Schmerzensgeld wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
Die Beklagte hält die Treppe für hinreichend sicher und bestreitet den Unfallhergang mit Nichtwissen.
Das Landgericht hat dem Kläger 57.958,59 DM materiellen Schadensersatz und 25.000 DM Schmerzensgeld zugesprochen sowie die Feststellung getroffen , daû die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger allen aus dem Unfall vom 13. April 1994 entstehenden zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Ansprüche wegen einer möglichen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für die hier in Rede stehende Treppenanlage beurteilen sich nach Amtshaftungsgrundsätzen (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Die Straûenverkehrssicherungspflicht ist in Rheinland-Pfalz hoheitlich ausgestaltet (§ 48 Abs. 2 Landesstraûengesetz in der Fassung vom 1. August 1977, BS 91-1); haftende
Körperschaft ist die Beklagte. Die Bundesrepublik Deutschland, der der Kläger den Streit verkündet hat und die der Beklagten im ersten Rechtszug beigetreten ist, hat in ihrer Klageerwiderung dazu folgendes ausgeführt: Nach § 13 Abs. 2 FStrG hat bei höhenungleichen Kreuzungen, wie hier bei einer Unterführung , der Baulastträger der Bundesfernstraûe das Kreuzungsbauwerk zu unterhalten, während die übrigen Teile der Kreuzungsanlage von dem Baulastträger der Straûe zu unterhalten sind, zu der sie gehören. Der Treppenabgang im vorliegenden Fall gehört nicht zu dem Kreuzungsbauwerk, das der Baulastträger der Bundesfernstraûe zu unterhalten hat. Dieses umfaût nach § 2 der Verordnung über Kreuzungsanlagen im Zuge von Bundesfernstraûen in der Fassung vom 2. Dezember 1975 (BGBl. I S. 2984) nur die Widerlager mit Flügelmauern, die Pfeiler, den Überbau mit Geländern, Brüstungen und Auffangvorrichtungen. Die Unterhaltungslast des Baulastträgers der Bundesfernstraûe ist also auf das Kreuzungsbauwerk selbst beschränkt, während die Rampen, Treppen, Fahrbahnbeläge und dergleichen von dem Baulastträger der Straûe zu unterhalten sind, zu der sie gehören. Vorliegend gehören die Treppenabgänge zu dem unterführenden Gehweg, der gemäû § 5 Abs. 3 FStrG in der Unterhaltungslast der Stadt B. K. steht. Mithin hat die Beklagte auch den Treppenabgang der Fuûgängerunterführung zu unterhalten, so daû ihr auch die Verkehrssicherungspflicht für diesen Teil der Kreuzungsanlage obliegt.
Dies wird von der Revisionserwiderung nicht in Frage gestellt und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Treppenanlage sei zum Unfallzeitpunkt ausreichend trittsicher gewesen, greift die von der Revision erhobene Verfahrensrüge durch.

a) Zu Recht weist die Revision darauf hin, daû die an den Vorderkanten der Stufen befindlichen freiliegenden Metallschienen ursprünglich mit dem gleichen rauhen Oberflächenbelag aus Quarzsand überzogen gewesen waren, wie er auf den Betonflächen der Stufen, den eigentlichen Auftrittsflächen, noch heute vorhanden ist. Daraus zieht die Revision die zutreffende Folgerung, daû schon die Beklagte selbst bei der Herstellung der Treppe diese Sicherung auf den Schienen für erforderlich gehalten hatte. Ob durch die "Riffelung", die in der Fotodokumentation des vom Kläger eingeschalteten Privatgutachters auf einzelnen Bildern bei den Schienen schwach erkennbar ist, eine nennenswerte Rutschsicherheit gewährleistet werden konnte, erscheint dem Senat zweifelhaft. Diese Frage läût sich jedenfalls nicht schon allein anhand der Fotos beurteilen , sondern bedarf gegebenenfalls der Aufklärung durch Sachverständigengutachten.

b) Der Privatgutachter hat festgestellt, daû auf der Treppenanlage sogar bei trockener Witterung und bei Benutzung strapazierfähigen, derben Schuhwerks Rutschgefahr bestand. Zwar hatte die Beklagte der Verwertung dieses Gutachtens widersprochen; gleichwohl war es als substantiierter Parteivortrag zu beachten und zu würdigen (st. Rspr.; vgl. z.B. Senatsurteil BGHZ 98, 32, 40; BGH, Urteile vom 14. April 1981 - VI ZR 264/79 = VersR 1981, 576; vom 27. Mai 1982 - III ZR 201/80 = NJW 1982, 2874, 2875; vom 5. November 1990 - V ZR 108/89 = BGHR ZPO § 402 Privatgutachten 1; vom 10. Dezember 1991 - VI ZR 234/90 = BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Sachverständigenbeweis 9). Über
dieses, noch dazu durch Gutachten eines weiteren Sachverständigen und durch sachverständiges Zeugnis des Privatgutachters unter Beweis gestellte Vorbringen des Klägers durfte sich das Berufungsgericht nicht mit der Begründung hinwegsetzen, schon aus der Fotodokumentation sei ohne weiteres erkennbar , daû eine Rutschgefahr nicht bestanden habe. Im vorliegenden Fall hat das Vorbringen des Klägers, an der Unfallstelle habe eine über das Normalmaû hinausgehende Gefahr des Ausrutschens bestanden, jedenfalls so viel Substanz, daû ihm und den darauf bezogenen Beweisantritten hätte nachgegangen werden müssen. Dies gilt auch bei voller Würdigung des vom Berufungsgericht - an sich zutreffend - hervorgehobenen Grundsatzes, daû Treppen nicht schlechthin gefahrlos und nicht frei von allen Mängeln sein müssen und daû der Verkehrssicherungspflichtige in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen hat, die für den Benutzer, der seinerseits die erforderliche Sorgfalt walten läût, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Die Eigenverantwortung der Treppenbenutzer, auf die das Berufungsgericht maûgeblich abhebt, darf indessen nicht den Blick dafür verstellen, daû vor allem diejenigen Personen, die eine Treppe hinabsteigen, durch einen Sturz bedroht sind. Insoweit muû der Verkehrssicherungspflichtige auch ein naheliegendes Fehlverhalten von Benutzern berücksichtigen (Senatsbeschluû vom 14. Juni 1982 - III ZR 129/81 = VersR 1982, 854). Von dem vom Berufungsgericht als vergleichbar angesehenen Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 1965 (VI ZR 213/63 = VersR 1965, 520) zugrunde gelegen hatte, unterscheidet sich der hier zu beurteilende in dem wesentlichen Punkt, daû hier die besondere Gefahrenlage durch das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten experimentell bestätigt worden ist.

3. a) Unstreitig ist die in Rede stehende Treppenanlage nur an der in Gehrichtung des Klägers gesehen linken Seite mit einem Handlauf versehen. Das Berufungsgericht läût offen, ob unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht auch an der anderen Seite ein zweiter Handlauf erforderlich gewesen war. Dieses Erfordernis lieû sich in der Tat nicht unmittelbar aus § 30 Abs. 7 LBauO-RhPf in der seinerzeit gültigen Fassung herleiten. Diese Bestimmung besagte lediglich, daû bei besonders breiten Treppen Handläufe auf beiden Seiten und Zwischenhandläufe gefordert werden konnten. Sie bildete also eine Ermächtigungsgrundlage für die Bauaufsichtsbehörde, eine derartige bauliche Maûnahme anzuordnen. Solange dies nicht geschah, bestand eine unmittelbare baurechtliche Notwendigkeit für einen zweiten Handlauf nicht. Dies schlieût es aber - wie schon das Landgericht mit Recht ausgeführt hat - nicht aus, daû die Beklagte aus allgemeinen Gesichtspunkten der Verkehrssicherungspflicht je nach den Umständen des Einzelfalles gleichwohl gehalten gewesen sein konnte, eine derartige Vorsichtsmaûregel zu treffen. Das Berufungsgericht hat dies nicht im einzelnen aufgeklärt; nach dem der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrundeliegenden Vorbringen des Klägers ist somit zu seinen Gunsten von dieser Notwendigkeit auszugehen.

b) Das Berufungsgericht hat sich auûerstande gesehen, festzustellen , daû das Nichtvorhandensein des rechten Handlaufs für die Schädigung des Klägers ursächlich geworden sei. Es hat gemeint, der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, ob er sich in einem Bereich befunden habe, in welchem ein Handlauf den Sturz hätte verhindern oder jedenfalls abmildern können. Auch hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Das Berufungsgericht hat insoweit die Darlegungslast des Klägers überspannt. Der Kläger hatte angege-
ben, er sei auf der rechten Treppenseite gegangen. Die Glaubhaftigkeit dieser Angabe wird - wie die Revision zutreffend hervorhebt - auch vom Berufungsgericht ersichtlich nicht in Zweifel gezogen. Die Treppenbreite beträgt nach den von keiner der Parteien angezweifelten Feststellungen des Privatgutachters 2,25 m zwischen den Beton-Brüstungs-Wangen. Dies hat, wie die Revision aufzeigt , die Konsequenz, daû eine "Treppenseite" jeweils 1,125 m miût, so daû ein in der Mitte der rechten "Treppenseite" gehender Mann bereits bei einer Armlänge von 60 cm einen vorhandenen Handlauf unschwer hätte ergreifen können. Falls das Berufungsgericht im übrigen trotz der Angaben des Klägers eine weitere Aufklärung des Hergangs des Sturzes für erforderlich gehalten hätte, hätte es jedenfalls eine nochmalige persönliche Anhörung des Klägers anordnen müssen.
4. Das Berufungsurteil kann nach alledem keinen Bestand haben. Sollte das Berufungsgericht aufgrund der neuen Verhandlung eine objektive Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte feststellen, würde ein Amtshaftungsanspruch nicht bereits deswegen am fehlenden Verschulden der handelnden Amtsträger scheitern können, weil das Berufungsgericht als mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht im ersten Berufungsurteil eine objektive Pflichtverletzung verneint hat. Die "Kollegialgerichts-Richtlinie" kann der Beklagten hier nicht zugute kommen. Sie findet nämlich keine Anwen-
dung, wenn der Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt worden ist (Senatsurteil BGHZ 115, 141, 150; Senatsurteil vom 19. Januar 1989 - III ZR 243/87 = BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Verschulden 11).
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(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.