Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juli 2018 - II ZR 305/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher, die Richter Wöstmann, Sunder, Dr. Bernau und die Richterin B. Grüneberg
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung seiner 2004 in Höhe von 100.000 € und 30.000 € gezeichneten Beteiligungen an zwei geschlossenen Schiffsfonds, deren Gründungskommanditistin die Beklagte zu 2 ist. Diese bediente sich zum Vertrieb der Beteiligungen der Beklagten zu 1. Kontakte fanden im Vorfeld der Beitrittserklärungen ausschließlich schriftlich sowie telefonisch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1 statt.
- 2
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat hinsichtlich der Klageabweisung bezüglich der Beklagten zu 2 zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts hinsichtlich der Beklagten zu 2 zurückgewiesen worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 4
- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 5
- Eine Haftung der Beklagten zu 2 als Gründungskommanditistin für ein Aufklärungsverschulden der Beklagten zu 1, derer sie sich für den Vertrieb der Beteiligungen bedient habe, komme nicht in Betracht, da eine ihr gemäß § 278 BGB zurechenbare Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 nicht feststehe. Auch ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2 für eigenes Aufklärungsverschulden bestehe nicht. Dem Kläger habe es dafür oblegen, eine unterlassene oder falsche Risikoaufklärung darzulegen und zu beweisen. Dazu hätte er entweder die Prospekte vor seinen Anlageentscheidungen selbst gelesen oder diese der Beklagten zu 1, derer sich die Beklagte zu 2 für den Vertrieb ihrer Anlagen bedient habe, als Grundlage für die Gespräche vor den Beitrittserklärungen gedient haben müssen. Letzteres habe der Kläger nicht schlüssig dargelegt, ersteres habe er nicht behauptet, da er die Prospekte vor den Anlageentscheidungen nicht erhalten haben wolle.
- 6
- II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers kann nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossen werden.
- 7
- 1. Die Beklagte zu 2 schuldete als Gründungskommanditistin dem Kläger vor seinem jeweiligen Beitritt zu den Schiffsfonds eine sachlich richtige und vollständige Aufklärung über die Nachteile und Risiken der Beteiligung.
- 8
- Demjenigen, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, obliegen Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet , § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB. Abgesehen etwa von dem Sonderfall des § 311 Abs. 3 BGB, in dem auch ein Dritter haften kann, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will. Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon zuvor beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen (BGH, Urteil vom 17. April 2018 - II ZR 265/16, ZIP 2018, 1130 Rn. 17; Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 8 mwN; Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 344/15, ZIP 2017, 1267 Rn. 15, jeweils mwN).
- 9
- Den Altgesellschafter trifft danach die Pflicht, einem Beitrittsinteressenten für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 9 mwN; Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 344/15, ZIP 2017, 1267 Rn. 17 mwN). Es ist dabei in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass es als Mittel der Aufklärung genügen kann, wenn dem Anlageinteressenten statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 389/12, NJW-RR 2014, 1075 Rn. 9; Urteil vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118 Rn. 24; Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, WM 2005, 833, 837, jeweils mwN). Vermittelt der Prospekt hinreichende Aufklärung, ist dies allerdings selbstverständlich kein Freibrief für den Berater oder Vermittler, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidung des Anlegers mindert (BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 389/12, NJW-RR 2014, 1075 Rn. 23; Urteil vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118 Rn. 24, jeweils mwN). Der aufklärungspflichtige Altgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines von der Komplementärin der Fondsgesellschaft eingeschalteten Vertriebs bedient und daher diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die von ihm geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet dabei über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen (BGH, Urteil vom 17. April 2018 - II ZR 265/16, ZIP 2018, 1130 Rn. 30; Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 10 mwN; Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 37; Urteil vom 14. Mai 2012 - II ZR 69/12, ZIP 2012, 1289 Rn. 11).
- 10
- 2. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Kläger habe eine unterlassene oder falsche Risikoaufklärung durch die Beklagte zu 2 nicht dargelegt.
- 11
- a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt derjenige , der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, dafür die Darlegungs- und Beweislast. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten beziehungsweise aufgeklärt worden sein soll, und dem Anspruchsteller sodann der Nachweis obliegt, dass diese Darstellung nicht zutrifft. Diese Grundsätze gelten auch für behauptete Aufklärungs- und Beratungsmängel im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage (st. Rspr., BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 - III ZR 565/16, ZIP 2017, 2304 Rn. 21 f.; Urteil vom 5. Mai 2011 - III ZR 84/10, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 320/04, BGHZ 166, 56 Rn. 15, jeweils mwN).
- 12
- b) Der Kläger hat vorgetragen, er sei durch die Beklagte zu 1 nicht über die Risiken und die Funktionsweise der Beteiligungen aufgeklärt worden, was sich die Beklagte zu 2 zurechnen lassen müsse. Damit hat er seiner Darlegungslast genügt und es oblag der eine fehlerhafte Aufklärung des Klägers durch die Beklagte zu 1 bestreitenden Beklagten zu 2, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast konkret darzulegen, wie sie als Gründungskommanditistin den Kläger über die Nachteile und Risiken der jeweiligen Beteiligung aufgeklärt hat.
- 13
- aa) Eine Aufklärung des Klägers durch die Übergabe des jeweiligen Emissionsprospekts vor seinem entsprechenden Beitritt ist nicht festgestellt. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Kläger die Prospekte nicht vor der Zeichnung der Beteiligungen erhalten habe, was der Kläger als für sich günstig hinnimmt.
- 14
- bb) Auch eine mündliche Aufklärung des Klägers über die Nachteile und Risiken der Beteiligungen durch den Geschäftsführer der Beklagten zu 1 in den Telefonaten vor dem jeweiligen Beitritt hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, der Kläger habe nicht schlüssig vorgetragen, im Vorfeld seiner jeweiligen Anlageentscheidung zumindest mittelbar in den Telefonaten mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1 mit dem Inhalt der Emissionsprospekte in Berührung gekommen zu seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet ein Prospekt auch dann Verwendung, wenn er entsprechend dem Vertriebskonzept der Fondsgesellschaft von den Anlagevermittlern oder -beratern als Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche verwendet wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - III ZR 70/12, juris Rn. 11 mwN; Urteil vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 16 mwN). Daran fehlt es aber, wenn der Anleger vor seinem Beitritt nicht aufgeklärt worden ist, wovon hier mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist. Wenn ein Prospekt nicht übergeben worden ist, kommt es erst, wenn auf seiner Grundlage ein Beratungsgespräch stattgefunden hat, auf den Prospektinhalt an.
- 15
- 3. Der angefochtene Beschluss stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger auf eine Aufklärung über die Nachteile und Risiken der jeweiligen Beteiligung wirksam verzichtet hat. Die Darlegungs- und Beweislast für einen solchen Verzicht hat die aufklärungspflichtige Beklagte zu 2 (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2016 - I ZR 147/14, BGHZ 209, 256 Rn. 37).
- 16
- III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bernau B. Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Aurich, Entscheidung vom 30.09.2014 - 5 O 650/13 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 17.10.2016 - 8 U 154/14 -
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Annotations
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Verletzt der Schuldner eine Pflicht nach § 241 Abs. 2, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn ihm die Leistung durch den Schuldner nicht mehr zuzumuten ist.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.