Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2002 - I ZR 250/00

bei uns veröffentlicht am25.04.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 250/00 Verkündet am:
25. April 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Elektroarbeiten
UWG § 1; BayGO Art. 87

a) Ein Verstoß gegen die Vorschrift des Art. 87 BayGO, die der erwerbswirtschaftlichen
Tätigkeit der Gemeinden Grenzen setzt, ist nicht zugleich
sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

b) Es ist nicht Sinn des § 1 UWG, den Anspruchsberechtigten zu ermöglichen
, Wettbewerber unter Berufung darauf, daß ein Gesetz ihren
Marktzutritt verbiete, vom Markt fernzuhalten, wenn das betreffende Gesetz
den Marktzutritt nur aus Gründen verhindern will, die den Schutz des lauteren
Wettbewerbs nicht berühren.

c) Die Vorschrift des § 1 UWG bezweckt nicht den Erhalt bestimmter Marktstrukturen.
Auch in den Fällen, in denen aus ihr Ansprüche zum Schutz des
Bestandes des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt hergeleitet werden
können, geht es nicht darum, bestimmte Marktstrukturen zu erhalten,
sondern darum, wettbewerbliche Verhaltensweisen zu unterbinden, die
nach den Gesamtumständen unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen
auf die Marktstruktur gerade auch als Wettbewerbsmaßnahmen unlauter
sind.
BGB § 823 Abs. 2 Bf; BayGO Art. 87
Die Vorschrift des Art. 87 BayGO ist kein Schutzgesetz im Sinne des § 823
Abs. 2 BGB.
BGH, Urteil vom 25. April 2002 - I ZR 250/00 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher
und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. April 2000 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I, 1. Kammer für Handelssachen, vom 19. Mai 1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die beklagten Stadtwerke wurden am 3. September 1998 aus einem Eigenbetrieb der Landeshauptstadt M. in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt, deren Alleingesellschafterin die Landeshauptstadt M. ist. Seitdem führt die Beklagte auch für private Auftraggeber Elektroarbeiten aus, darunter auch das Aufstellen und das Entfernen von Verteilerschränken und Anschluûsäulen für die "fliegenden Bauten" auf der Auer Dult und auf dem Oktoberfest.
Die Klägerin betreibt in M. das Elektrikerhandwerk. Sie hat seit Jahren im Bereich der Landeshauptstadt M. für Marktkaufleute auf den Messen, Märkten und Festveranstaltungen Elektroarbeiten ausgeführt. Nach ihrer Umwandlung in eine GmbH erreichte die Beklagte binnen kurzer Zeit, daû eine Vielzahl von Kunden der Klägerin zu ihr überwechselten.
Die Klägerin ist der Ansicht, daû die Beklagte durch die Übernahme von Aufträgen privater Unternehmen für Elektroarbeiten gegen die Vorschriften der Bayer. Gemeindeordnung verstoûe, die zur Beschränkung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinden erlassen worden seien, und damit zugleich wettbewerbswidrig handele. Die Beklagte habe ihr nur deshalb so viele Kunden abwerben können, weil diese auf das Wohlwollen der Stadt angewiesen seien. Die Beklagte könne die Preise ihrer Wettbewerber nur unterbieten, weil sie nach wie vor die Unterlagen für die Ausschreibungen erstelle, auch wenn diese nunmehr vom Hochbaureferat der Landeshauptstadt M. durchgeführt würden.

Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, elektrische Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung, Umwandlung und Abgabe der elektrischen Energie privaten oder gewerblichen Auftraggebern anzubieten und/oder in deren Auftrag herzustellen, insbesondere Stromanschlüsse und sonstige Einrichtungen auf Messen , Dulten und gleichartigen Veranstaltungen mit fliegenden Bauten für private oder gewerbliche Auftraggeber zu installieren sowie Arbeiten zu deren Instandhaltung, Reparatur, Auswechslung oder Neuerrichtung privaten oder gewerblichen Auftraggebern anzubieten und/oder in deren Auftrag auszuführen sowie für derartige handwerkliche Dienstleistungen zu werben. Die Beklagte hat einen Verstoû gegen die Vorschriften der Bayer. Gemeindeordnung ebenso in Abrede gestellt wie einen Miûbrauch amtlicher Autorität oder eine wettbewerbswidrige Ausnutzung amtlicher Beziehungen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG München I GewArch 1999, 413).
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG München GewArch 2000, 279 = OLGR München 2000, 221).
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daû der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG begründet sei. Die Beklagte handele wettbewerbswidrig, wenn sie die Grenzen, die Art. 87 Abs. 1 BayGO der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden ziehe, überschreite und für private Auftraggeber die in dem Antrag genannten Elektroarbeiten ausführe. Auch nach ihrer Privatisierung unterliege die Beklagte als gemeindliches Unternehmen im Alleinbesitz der Landeshauptstadt M. den Schranken des Art. 87 BayGO.
Die beanstandeten Elektroarbeiten dienten nicht der Daseinsvorsorge zur Versorgung der Bevölkerung mit Strom, sondern seien Handwerksleistungen für private Auftraggeber, die ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt werden könnten.
Die Vorschrift des Art. 87 BayGO sei zwar kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Bei einem planmäûigen, auf Dauer ausgerichteten Handeln, wie es hier gegeben sei, stehe dem Verletzten aber ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG zu. Dies ergebe sich aus dem Zweck des Art. 87 BayGO, wie er aus der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift hervorgehe.
Aus anderen Gründen sei der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch dagegen nicht gegeben:
Ob die Beklagte bei ihrer Tätigkeit amtliche Informationen ausnutze, die sie dadurch erlangt habe, daû sie vor ihrer Umwandlung in eine GmbH die städtischen Ausschreibungen durchgeführt habe, könne ohne nähere Aufklärung nicht festgestellt werden. Diese Möglichkeit sei ohnehin allenfalls vorübergehend gegeben. Auch ein wettbewerbswidriger Miûbrauch amtlicher Autorität könne nicht allein damit begründet werden, daû jeder, der auf das Wohlwollen der Landeshauptstadt M. angewiesen oder um dieses bemüht sei, die Beklagte gegenüber anderen Handwerksbetrieben bevorzugen werde, weil sie im Alleinbesitz der Stadt sei. Andernfalls wäre jedes Gemeindeunternehmen in einer Rechtsform des Privatrechts von vornherein aus wettbewerbsrechtlichen Gründen am Tätigwerden gehindert.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Revisionsangriffe haben Erfolg.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt die Beklagte auch dann nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn sie selbst oder die Landeshauptstadt M. bei der Übernahme von Aufträgen privater Unternehmen gegen die Schranken verstoûen sollten, die sich aus Art. 87 BayGO für die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit von Gemeinden ergeben.
Ein Verstoû einer Gemeinde gegen die Vorschrift des Art. 87 BayGO ist nicht zugleich sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Daran ändert auch der Umstand nichts, daû eine Gemeinde nicht als Wettbewerberin auf dem Markt auftreten darf, soweit ihr eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 87 BayGO untersagt ist. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte wegen einer Verletzung des Art. 87 BayGO scheidet daher auch dann
aus, wenn die beanstandete Tätigkeit der Beklagten mit dieser Vorschrift nicht vereinbar sein sollte, ohne daû es noch auf die Frage ankäme, ob die Beklagte als privatrechtliches Unternehmen im Alleinbesitz der Landeshauptstadt M. selbst den Beschränkungen des Art. 87 BayGO unterliegt oder ihre Störerhaftung in Betracht käme.

a) Zweck des § 1 UWG ist es, dem unmittelbar betroffenen Wettbewerber einen Anspruch zu geben, damit dieser selbst gegen unlautere Mittel und Methoden des Wettbewerbs vorgehen kann und damit zugleich in die Lage versetzt wird, sich gegen Schädigungen zur Wehr zu setzen, die er durch Wettbewerbsverzerrungen infolge unlauteren Wettbewerbs erleidet oder befürchten muû. Die Anspruchsnorm ist so die Grundlage für einen deliktsrechtlichen Individualschutz (BGHZ 144, 255, 264 - Abgasemissionen; BGH, Urt. v. 5.10.2000 - I ZR 224/98, GRUR 2001, 354, 356 = WRP 2001, 255 - Verbandsklage gegen Vielfachabmahner; Urt. v. 6.12.2001 - I ZR 284/00, GRUR 2002, 360, 362 = WRP 2002, 434 - "H.I.V. POSITIVE" II, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen ). Im Hinblick auf die Zielsetzung des § 1 UWG, die Lauterkeit des Wettbewerbs im Interesse der Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zu schützen , ist der darin enthaltene Begriff der Sittenwidrigkeit wettbewerbsbezogen auszulegen (vgl. BGHZ 144, 255, 265 - Abgasemissionen; 147, 296, 303 - Gewinn -Zertifikat; BGH GRUR 2002, 360, 362 - "H.I.V. POSITIVE" II, m.w.N.).
Gemäû seiner beschränkten Zielsetzung ist § 1 UWG auch dann, wenn ein beanstandetes Verhalten gegen ein Gesetz verstöût, nur anwendbar, wenn von diesem Gesetzesverstoû zugleich eine unlautere Störung des Wettbewerbs auf dem Markt ausgeht. Es genügt nicht, daû bei einer Wettbewerbshandlung ein Gesetzesverstoû lediglich mitverwirklicht wird. Der Gesetzesver-
stoû muû die Handlung vielmehr in der Weise prägen, daû diese gerade auch als Wettbewerbsverhalten sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist (vgl. BGH GRUR 2001, 354, 356 - Verbandsklage gegen Vielfachabmahner).

b) Für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Verstöûen gegen Vorschriften , die den Zutritt zum Markt regeln, gilt nichts anderes. Ein Anspruch aus § 1 UWG ist nicht immer schon dann gegeben, wenn ein Wettbewerber Vorschriften verletzt, bei deren Einhaltung er aus dem Markt ausscheiden müûte. Als Grundlage deliktsrechtlicher Ansprüche von Wettbewerbern bezweckt § 1 UWG nur den Schutz vor unlauterem Wettbewerb. Es ist nicht Sinn des § 1 UWG, den Anspruchsberechtigten zu ermöglichen, Wettbewerber unter Berufung darauf, daû ein Gesetz ihren Marktzutritt verbiete, vom Markt fernzuhalten , wenn das betreffende Gesetz den Marktzutritt nur aus Gründen verhindern will, die den Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht berühren. Unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts, zu dessen Zielen der Schutz der Freiheit des Wettbewerbs gehört, ist vielmehr jede Belebung des Wettbewerbs, wie sie unter Umständen auch vom Marktzutritt der öffentlichen Hand ausgehen kann, grundsätzlich erwünscht (vgl. dazu auch BVerwG NJW 1995, 2938, 2939; Köhler, WRP 1999, 1205, 1209 und GRUR 2001, 777, 780). Auch bei einem Verstoû gegen Vorschriften über den Marktzutritt muû daher anhand einer - am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtenden - Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens geprüft werden, ob es durch den Gesetzesverstoû das Gepräge eines wettbewerbsrechtlich unlauteren Verhaltens erhält. Der Gesetzesverstoû kann dazu allein nicht genügen, wenn die verletzte Norm nicht zumindest eine sekundäre wettbewerbsbezogene, d.h. - entsprechend dem Normzweck des § 1 UWG - eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene , Schutzfunktion hat (vgl. BGHZ 144, 255, 267 - Abgasemissionen). Ei-
ne solche Schutzfunktion besitzen z.B. Vorschriften, die als Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten - etwa ärztlicher Behandlungen - im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit den Nachweis besonderer fachlicher Fähigkeiten fordern (vgl. dazu auch Köhler, GRUR 2001, 777, 781). Eine Schutzfunktion dieser Art fehlt jedoch Art. 87 BayGO.

c) Wie in der Gesetzesbegründung zu Art. 87 BayGO (Begründung zu § 1 Nr. 9 des Gesetzentwurfs zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts und anderer kommunalrechtlicher Vorschriften, LT-Drucks. 13/10828 S. 19), auf die sich das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung des Normzwecks dieser Vorschrift gestützt hat, näher dargelegt ist, hat Art. 87 BayGO den Zweck, die Kommunen vor den Gefahren überdehnter unternehmerischer Tätigkeit zu schützen und zugleich einer "ungezügelten Erwerbstätigkeit der öffentlichen Hand zu Lasten der Privatwirtschaft" vorzubeugen (vgl. dazu auch BayVGH BayVBl. 1976, 628, 629; Widtmann/Grasser/Glaser, Bayer. Gemeindeordnung, Art. 87 Rdn. 3). Zweck der Schranken für die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden ist danach nicht die Kontrolle der Lauterkeit des Marktverhaltens , sondern die Einfluûnahme auf das unternehmerische Verhalten der Gemeinden und gegebenenfalls der Schutz der Privatwirtschaft vor einem Wettbewerb durch die öffentliche Hand.
Erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten, die einer Gemeinde nach Art. 87 BayGO untersagt sein können, sind als solche nicht unlauter, und zwar auch dann nicht, wenn sie von einer Gemeinde ausgeübt werden. Derartige wirtschaftliche Tätigkeiten sind vielmehr innerhalb der Grenzen des Art. 87 BayGO grundsätzlich auch den Gemeinden erlaubt. Als Wettbewerbsverhalten ist die betreffende Tätigkeit dementsprechend auch bei Berücksichtigung des Zwecks
des Art. 87 BayGO nicht schon dann unlauter, wenn die Gemeinde dabei die ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit gezogenen Schranken nicht einhält (vgl. dazu auch Tomerius, LKV 2000, 41, 46 f.; a.A. Gröning, WRP 2002, 17, 26). Die Unlauterkeit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit einer Gemeinde kann sich zwar gerade auch aus ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaft und der damit verbundenen besonderen Stellung gegenüber den anderen Marktteilnehmern, insbesondere den Verbrauchern, ergeben - etwa wenn öffentlich-rechtliche Aufgaben mit der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit verquickt werden (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.1998 - I ZR 173/96, GRUR 1999, 594, 597 = WRP 1999, 650 - Holsteiner Pferd), die amtliche Autorität oder das Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Amtsführung miûbraucht wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2001 - I ZR 193/99, Umdruck S. 8 - Elternbriefe) oder der Bestand des Wettbewerbs auf dem einschlägigen Markt gefährdet wird (vgl. BGHZ 82, 375, 395 ff. - Brillen-Selbstabgabestellen; 123, 157, 160 ff. - Abrechnungs-Software für Zahnärzte; BGH, Urt. v. 19.6.1986 - I ZR 54/84, GRUR 1987, 116, 118 f. = WRP 1987, 22 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I; Urt. v. 12.7.1990 - I ZR 62/89, GRUR 1991, 53, 55 f. = WRP 1991, 102 - Kreishandwerkerschaft I). Auf derartige Umstände stellt Art. 87 BayGO aber nicht ab.

d) An der Beurteilung, daû eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit einer Gemeinde nicht deshalb sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist, weil sie gegen Art. 87 BayGO verstöût, ändert auch der Umstand nichts, daû es - wie dargelegt - zu den Zwecken des Art. 87 BayGO gehört, die Privatwirtschaft vor dem Marktzutritt von Gemeinden zu schützen, wenn die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, ob Art. 87 BayGO ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs.
2 BGB ist (vgl. dazu unter II. 2.). Soweit es zu den Zielen des Art. 87 BayGO gehört, die Privatwirtschaft vor einem Wettbewerb durch Gemeinden zu schützen , geht es nicht um die Lauterkeit des Wettbewerbs, sondern allenfalls um die Erhaltung einer Marktstruktur, die von privaten Unternehmen geprägt ist. Es ist jedoch nicht Sinn des § 1 UWG, Wettbewerbern kommunaler Unternehmen, Ansprüche zur Verwirklichung dieses Schutzzwecks des Art. 87 BayGO zu gewähren , die nach öffentlichem Recht etwa gegebene Ansprüche (vgl. dazu BVerwG NJW 1995, 2938, 2939; Tettinger, NJW 1998, 3473, 3474; Frenz, DÖV 2000, 802, 808) ergänzen könnten oder nach öffentlichem Recht bestehende Schutzlücken ausfüllen (vgl. dazu auch Henneke, NdsVBl. 1999, 1, 6 ff.; Pagenkopf, GewArch 2000, 177, 184 f.; Köhler, GRUR 2001, 777, 781; a.A. Cosson, DVBl. 1999, 891, 896; Otting, DÖV 1999, 549, 552 ff.; David, NVwZ 2000, 738 ff.). Die Vorschrift des § 1 UWG bezweckt nicht den Erhalt bestimmter Marktstrukturen. Auch in den Fällen, in denen aus ihr Ansprüche zum Schutz des Bestandes des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt hergeleitet werden können (vgl. BGHZ 82, 375, 395 ff. - Brillen-Selbstabgabestellen; 123, 157, 160 f. - Abrechnungs-Software für Zahnärzte), geht es nicht darum, bestimmte Marktstrukturen zu erhalten, sondern darum, wettbewerbliche Verhaltensweisen zu unterbinden, die nach den Gesamtumständen unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Marktstruktur gerade auch als Wettbewerbsmaûnahmen unlauter sind.

e) Ohne Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoû einer Gemeinde gegen Art. 87 BayGO ihre erwerbswirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 1 UWG sittenwidrig macht, ist es auch, ob dieser Verstoû vorsätzlich oder planmäûig begangen wird und ob das Vorgehen der Gemeinde bereits durch ihre Aufsichtsbehörden beanstandet worden ist. Da der Gesetzesverstoû
die wettbewerbsrechtliche Lauterkeit der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit als solche nicht berührt, kann es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung auch nicht darauf ankommen, ob der Verstoû bewuût und gegebenenfalls hartnäckig begangen wird. Soweit der Entscheidung des Senats "Blockeis II" (Urt. v. 12.2.1965 - Ib ZR 42/63, GRUR 1965, 373, 374 = WRP 1965, 139; vgl. dazu auch - für diese Entscheidung allerdings nicht tragend - BGH, Urt. v. 26.4.1974 - I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 734 = WRP 1974, 397 - Schilderverkauf) etwas anderes entnommen werden kann, wird daran nicht festgehalten.

f) Das Ergebnis, daû ein Verstoû gegen Art. 87 BayGO für sich genommen keinen Anspruch aus § 1 UWG begründet, trägt dem Umstand Rechnung, daû dem Recht gegen unlauteren Wettbewerb bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Marktzutritts der öffentlichen Hand nur eine auf die Schutzfunktion seiner Anspruchsnormen begrenzte Kontrollfunktion zukommt. Bereits in seiner Entscheidung "Schilderverkauf" (BGH GRUR 1974, 733, 734; vgl. weiter BGH, Urt. v. 19.1.1995 - I ZR 41/93, GRUR 1996, 213, 216 = WRP 1995, 475 - Sterbegeldversicherung, m.w.N.) hat der Senat - zu niedersächsischen Vorschriften zur Beschränkung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit kommunaler Gebietskörperschaften - dargelegt, daû sich die wettbewerbsrechtliche Beurteilung nur auf die Art und Weise der Beteiligung der öffentlichen Hand am Wettbewerb beziehen kann. Davon ist - wie in der Entscheidung weiter ausgeführt ist - die allgemeinpolitische und wirtschaftspolitische Frage zu unterscheiden, ob sich die öffentliche Hand überhaupt erwerbswirtschaftlich betätigen darf und welche Grenzen ihr insoweit gesetzt sind oder gesetzt werden sollen. Die Lösung dieser Frage ist Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung sowie der parlamentarischen Kontrolle und für die Gemeinden und Landkreise gegebenenfalls der Kommunalaufsicht, nicht aber der ordentlichen
Gerichte bei der ihnen zustehenden Beurteilung von Wettbewerbshandlungen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Dies gilt auch dann, wenn besondere Vorschriften zur Einschränkung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand erlassen worden sind. Denn auch diese regeln nur den Zugang zum Wettbewerb und sagen nichts darüber aus, wie er auszuüben ist (vgl. dazu weiter BGH, GRUR 1987, 116, 118 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I; BGH, GRUR 1991, 53, 56 - Kreishandwerkerschaft I; BGH, Urt. v. 1.12.1994 - I ZR 128/92, GRUR 1995, 127, 128 = WRP 1995, 304 - Schornsteinaufsätze; BGH GRUR 1996, 213, 216 - Sterbegeldversicherung ; vgl. auch Piper, GRUR 1986, 574, 578; Pagenkopf, GewArch 2000, 177, 184 f.).
Aus der Entscheidung "Sterbegeldversicherung" (BGH GRUR 1996, 213, 216) ergibt sich nichts anderes. Diese betraf einen Fall, in dem der Marktzutritt einer öffentlich-rechtlichen Krankenkasse gegen ein Gesetz verstieû , das im Interesse der privaten Versicherungen ein ganz bestimmtes Handeln auf dem Markt (den Abschluû von Sterbegeldversicherungsverträgen) untersagte und ein Zuwiderhandeln nach seinem Normzweck zugleich als unlauteres Wettbewerbsverhalten kennzeichnete.
2. Der Klageantrag ist auch nicht als quasinegatorischer Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 1004 BGB analog i.V. mit § 823 Abs. 2 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1996 - V ZR 3/96, NJW-RR 1997, 16, 17) begründet, da Art. 87 BayGO, gegen den die Beklagte nach Ansicht der Klägerin verstöût, kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (ebenso Bauer/Böhle/Masson/Samper, Bayer. Kommunalgesetze, 4. Aufl., Art. 87 GO Rdn. 7; Hölzl/Hien, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschafts-
ordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern, 1999, Art. 87 GO Anm. 4; Köhler, WRP 1999, 1205, 1208; vgl. auch Widtmann/Grasser/Glaser aaO Art. 87 GO Rdn. 3; Tomerius, LKV 2000, 41, 46 m.w.N.; vgl. weiter BGH, Urt. v. 26.5.1961 - I ZR 177/60, GRUR 1962, 159, 162 - Blockeis I).
Eine Vorschrift ist nicht schon dann ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie nach ihrem Inhalt und Zweck die Belange eines anderen fördert. Erforderlich ist vielmehr, daû sie in der Weise einem gezielten Individualschutz gegen eine näher bestimmte Art der Schädigung dienen soll, daû an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des Verletzers geknüpft wird (vgl. BGHZ 66, 388, 390; 84, 312, 314; 100, 13, 14; 122, 1, 3). Bei Art. 87 BayGO läût sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der für sie im Gesetzgebungsverfahren gegebenen Begründung (vgl. dazu vorstehend unter II. 1. c)) ein Anhaltspunkt für einen solchen Schutzzweck entnehmen. Die Vorschrift beschränkt zwar die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden auch deshalb, weil sich diese zu Lasten der Privatwirtschaft auswirken kann. Sie hat aber nicht den Zweck, die einzelnen Unternehmen dadurch vor einem Wettbewerb durch gemeindliche Unternehmen zu schützen, daû ein Verstoû Individualansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung begründen kann.
3. Der sehr weit gefaûte Klageantrag kann auch nicht darauf gestützt werden, daû die beanstandete Tätigkeit der Beklagten aus anderen Gründen wettbewerbsrechtlich unlauter sei.
Es ist weder mit konkretem Tatsachenvorbringen dargetan noch sonst ersichtlich, daû die angegriffene erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Beklagten stets oder auch nur im Regelfall mit einer miûbräuchlichen Ausnutzung ihrer Stellung als Unternehmen der Landeshauptstadt M. verbunden ist. Eine so weitgehende Annahme ist auch nicht insoweit gerechtfertigt, als es um Aufträge von Kunden geht, die an Messen, Dulten und ähnlichen Veranstaltungen teilnehmen wollen und dazu Genehmigungen der Stadt benötigen.
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Beklagte bei ihrer Tätigkeit gegenwärtig amtlich erlangte Informationen ausnutze, offengelassen und dargelegt , daû dies jedenfalls zukünftig nicht der Fall sein werde. Die Revisionserwiderung hat demgegenüber nicht auf hinreichend substantiierten Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen Bezug nehmen können.
Sollte die Beklagte im Einzelfall ihre Stellung als Unternehmen der Landeshauptstadt M. in wettbewerbswidriger Weise ausnutzen, könnte die Klägerin dagegen mit entsprechend konkret gefaûten wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen vorgehen.
III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben. Auf ihre Berufung war das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Tenor 1. Die Klagen werden abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit neuer Wahltarife der Beklagten, die diese seit dem 01.04.2007 eingeführt und später um weitere Tari

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(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 224/98 Verkündet am:
5. Oktober 2000
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Verbandsklage gegen Vielfachabmahner
Die Abmahnung von Wettbewerbsverstößen kann einem Gewerbetreibenden
nicht schon deshalb allgemein als wettbewerbswidrige Behinderung der abgemahnten
Mitbewerber untersagt werden, weil die Abmahntätigkeit in keinem
vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zum Umfang seiner eigenen gewerblichen
Tätigkeit steht.
Ein Rechtsanwalt, der gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO verstößt, handelt damit
nicht zugleich wettbewerbswidrig, auch wenn diese Vorschrift eine sog. wertbezogene
Norm ist.
BGH, Urt. v. 5. Oktober 2000 - I ZR 224/98 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Prof. Dr. Bornkamm
und Pokrant

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 30. Juli 1998 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Kläger ist der DSW Deutscher Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e.V., zu dessen satzungsgemäßen Zwecken die Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 UWG gehört. Dem Kläger gehören zahlreiche Industrie- und Handelskammern, der Deutsche Industrie- und Handelstag und der Deutsche Handwerkskammertag an. Alle in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Makler sind Mitglied einer Industrie- und Handelskammer.
Der Beklagte ist als Rechtsanwalt in München zugelassen. Im Jahr 1997 hat er nach eigenem Sachvortrag etwa 150 Abmahnungen gegen Unternehmen
der Immobilienbranche ausgesprochen. Von diesen sind sieben Abmahnungen, die in der Zeit zwischen dem 6. Juni und dem 15. Juli 1997 versandt wurden (Anlage K 5), Grundlage des vorliegenden Rechtsstreits. Sie richteten sich gegen Anbieter von Immobilien in Berlin, Leipzig, Chemnitz und anderen Orten in den neuen Bundesländern, weil von ihnen veröffentlichte Zeitungsanzeigen wettbewerbswidrig seien. Gerügt wurden dabei Verstöße gegen die Preisangabenverordnung und irreführende Werbeangaben. Die Abmahnungen waren jeweils mit der Forderung verbunden, Anwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 930,12 DM zu erstatten.
Am 9. Oktober 1997 wurde dem Beklagten gemäß § 34c GewO die Erlaubnis erteilt, gewerbsmäßig Bauvorhaben als Bauherr in eigenem Namen für eigene oder fremde Rechnung vorzubereiten oder durchzuführen und dazu Vermögenswerte von Erwerbern, Mietern, Pächtern oder sonstigen Nutzungsberechtigten oder von Bewerbern um Erwerbs- oder Nutzungsrechte zu verwenden.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte sei nicht in der Immobilienbranche tätig oder - wenn doch - nur zu dem Zweck, bei Abmahnungen als Wettbewerber auftreten zu können. Er habe deshalb zu Unrecht gegenüber den abgemahnten Unternehmen die einem Wettbewerber zustehende Klagebefugnis in Anspruch genommen. Mit seinen Abmahnungen handele der Beklagte jedenfalls mißbräuchlich. Er mahne massenhaft einfach festzustellende Bagatellverstöße ab, vorwiegend in der Absicht, als Rechtsanwalt Abmahngebühren zu erzielen. Sein Verhalten sei zugleich eine wettbewerbswidrige Behinderung der abgemahnten Unternehmen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß der Beklagte bei den Abmahnungen als Rechtsanwalt unzulässig in Angelegenheiten
tätig werde, mit denen er zuvor schon in seinem angeblichen Zweitberuf als Bauträger und Altbausanierer befaßt gewesen sei.
Der Kläger hat - hilfsweise neben einem vom Landgericht rechtskräftig abgewiesenen Hauptantrag - beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Unternehmen, die den Erwerb von bebauten Grundstücken und/oder Wohneigentum anbieten und/oder die Vermittlung von unbebauten Grundstücken bzw. Wohneigentum anbieten, im eigenen Namen als Bauträger/ Altbausanierer abzumahnen wie in den Anlagen K 5 und/oder gegen diese gerichtlich vorzugehen.
Daneben hat der Kläger den Ersatz der Kosten seiner Abmahnung in Höhe von 294,25 DM nebst 4 % Zinsen verlangt.
Der Beklagte hat ein wettbewerbswidriges Verhalten in Abrede gestellt. Er stehe zu den abgemahnten Unternehmen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Mit einem Partner habe er in Berlin mehrere Altbauten erworben, um sie nach ihrer Sanierung und Aufteilung in Eigentumswohnungen zu verkaufen. Dies sei während des Rechtsstreits auch weitgehend geschehen. Die Abmahnungen seien notwendige Abwehrmaßnahmen gegen Wettbewerbsverstöße, durch die Wettbewerber eine hohe Anlockwirkung für ihre Angebote erzielen könnten.
Das Landgericht hat - unter Abweisung des Hauptantrags - dem Hilfsantrag des Klägers stattgegeben.
Gegen diese Verurteilung hat der Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß in der Verurteilung (als Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers) das Wort "unbebauten" durch "bebauten" ersetzt werde.
Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils auch hinsichtlich des Hilfsantrags abgewiesen (OLG München OLG-Rep. 1999, 213).
Mit seiner (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Antrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Klageanspruch nach § 1 UWG begründet wäre, wenn der Beklagte systematisch mißbräuchlich im Sinne des § 13 Abs. 5 UWG abgemahnt haben sollte. Von einer derartigen Abmahntätigkeit könne nicht ausgegangen werden. Es sei bereits nicht dargelegt , daß die sieben dem Rechtsstreit zugrunde gelegten Abmahnungen miß-
bräuchlich gewesen seien. Der Beklagte sei auf dem Immobilienmarkt in Berlin gewerblich tätig. Er habe dort zusammen mit einem Partner mehrere Altbauten erworben, die nach Aufteilung in Eigentumswohnungen an Erwerber veräußert würden. Mit den Abmahnungen seien - soweit ersichtlich zu Recht - irreführende Werbeangaben beanstandet worden. Zur Geltendmachung der entsprechenden Unterlassungsansprüche sei der Beklagte zumindest nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG befugt gewesen. Ob die beanstandeten Wettbewerbsverstöße - auch die Verstöße gegen die Preisangabenverordnung - durchweg geeignet gewesen seien, den Wettbewerb auf dem Immobilienmarkt wesentlich zu beeinträchtigen , könne dahinstehen. Der Beklagte vertrete seine Ansicht dazu jedenfalls mit nachvollziehbaren Argumenten und handele nicht mißbräuchlich, wenn er diese Frage gegebenenfalls einer gerichtlichen Klärung zuführe.
Die sonstigen Umstände könnten den Vorwurf einer mißbräuchlichen Abmahntätigkeit nicht begründen. Die Zahl von sieben Abmahnungen sei dafür eine zu schmale Basis. Darauf, daß der Beklagte im Jahr 1997 unstreitig etwa 140 weitere Abmahnungen ausgesprochen habe, könne nicht entscheidend abgestellt werden, weil über deren Inhalt und Gegenstand nichts vorgetragen sei. Die Gebührenforderungen des Beklagten seien nicht überhöht. Der Kläger habe auch nicht schlüssig vorgetragen, daß sich der Beklagte auf die Abmahnung klarer und einfacher Wettbewerbsverstöße beschränke. Der Beklagte mahne im übrigen auch andere Handlungen als Verstöße gegen die Preisangabenverordnung ab.
Das begehrte Verbot könne auch nicht darauf gestützt werden, daß der Beklagte bei seinen Abmahnungen gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO verstoße.
Nach dieser Vorschrift dürfe ein Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er in derselben Angelegenheit außerhalb seiner Anwaltstätigkeit bereits beruflich tätig gewesen sei. Ein solcher Sachverhalt liege hier jedoch nicht vor. Der Beklagte überprüfe den Immobilienteil von Tageszeitungen auf wettbewerbswidrige Anzeigen für Kapitalanleger und verfasse Abmahnungen, wenn es ihm angezeigt erscheine. Dieser einheitliche Vorgang könne nicht in eine Vorbefassung als Immobilienkaufmann und eine Nachbefassung als Rechtsanwalt aufgespalten werden. Dazu komme, daß der Beklagte zur Abwehr wettbewerbswidriger Werbung und damit ausschließlich im eigenen Interesse tätig werde. In einem solchen Fall verbiete § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO ausweislich seiner Entstehungsgeschichte eine anwaltliche Tätigkeit nicht.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Entgegen der Ansicht der Revision behindert der Beklagte seine Mitbewerber nicht wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn er Anbieter oder Vermittler von bebauten Grundstücken oder von Wohnungseigentum in gleicher Weise wie in den aus der Anlage K 5 ersichtlichen Fällen wegen Wettbewerbsverstößen abmahnt.

a) Der Kläger hat die mit dem Klageantrag beanstandete Art und Weise der Abmahnungen durch Bezugnahme auf die in der Anlage K 5 zusammengefaßten Abmahnschreiben konkretisiert. Der Klageantrag ist - auch unter Heranziehung der Klagebegründung - so auszulegen, daß es nicht darauf ankommen soll, ob sich die Abmahnung gegen wettbewerbswidriges oder wettbewerbskonformes Verhalten richtet und ob es um einen leichten oder um einen
schwerwiegenden Wettbewerbsverstoß geht. Wäre dies anders, wäre der Klageantrag unbestimmt und damit als unzulässig abzuweisen, weil die Frage, ob ein abgemahntes Verhalten wettbewerbswidrig und dies gegebenenfalls auch in schwerwiegender Art und Weise ist, nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden darf.

b) Der Klageantrag zielt, soweit er auf eine behauptete rechtswidrige Behinderung von Mitbewerbern gestützt ist, darauf ab, dem Beklagten ein Abmahnen im Immobilienbereich allgemein zu untersagen, weil er, falls er überhaupt Wettbewerber sei, seine Klagebefugnis jedenfalls mißbrauche. Der Antrag ist insoweit damit begründet, daß der Beklagte im Jahr 1997 etwa 150 Abmahnungen versandt und damit eine Abmahntätigkeit entfaltet hat, die insgesamt in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zum Umfang seiner eigenen gewerblichen Tätigkeit steht. Mit dieser Erwägung kann der Klageantrag jedoch schon deshalb nicht zugesprochen werden, weil sie in Widerspruch zu dem § 13 Abs. 5 UWG zugrunde liegenden Rechtsgedanken steht, daß die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs nur jeweils im Einzelfall und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände als mißbräuchlich angesehen werden kann (vgl. im übrigen auch Deutsch, WRP 1999, 25, 29).

c) Abmahnungen, wie sie mit dem Klageantrag beanstandet werden, können nicht als wettbewerbswidrige Behinderung der Mitbewerber angesehen werden. Eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist selbst dann, wenn das beanstandete Verhalten rechtmäßig ist, nur ausnahmsweise wettbewerbswidrig (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1963 - Ib ZR 132/61, WRP 1965, 97, 99 - Kaugummikugeln ; Urt. v. 13.12.1984 - I ZR 107/82, GRUR 1985, 571, 573 = WRP 1985, 212 - Feststellungsinteresse; Urt. v. 30.6.1994 - I ZR 40/92, GRUR 1994, 841,
843 = WRP 1994, 739 - Suchwort; Köhler in Köhler/Piper, UWG, § 1 Rdn. 166 ff.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 41 Rdn. 75 ff.). Dies gilt um so mehr, wenn - wie hier - sogar davon auszugehen ist, daß das abgemahnte Verhalten rechtswidrig ist. Daran ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn der Abmahnende nicht klagebefugt ist oder anzunehmen ist, daß die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs unter Berücksichtigung der gesamten Umstände im Sinne des § 13 Abs. 5 UWG mißbräuchlich ist. Ein Verlangen, ein rechtswidriges Verhalten zu unterlassen, kann nicht als wettbewerbswidrige Behinderung des abgemahnten Wettbewerbers behandelt werden, weil dieser das beanstandete Verhalten ohnehin nicht wiederholen dürfte. Allerdings stellt die Abmahnung eines dazu nicht Berechtigten (mit der zugleich erhobenen Forderung von Anwaltsgebühren) bereits als solche eine Beeinträchtigung des laufenden Geschäftsbetriebs dar, die unterblieben wäre, wenn der Abmahnende nicht zu Unrecht einen eigenen Unterlassungsanspruch geltend gemacht hätte. Eine solche unbefugte Rechtsverfolgung muß aber - jedenfalls wenn tatsächlich ein Wettbewerbsverstoß vorliegt - grundsätzlich ebenso hingenommen werden wie auch sonst unbegründete Ansprüche von Wettbewerbern (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 16.4.1969 - I ZR 5960 /67, GRUR 1969, 479, 481 = WRP 1969, 280 - Colle de Cologne). Dies gilt in gleicher Weise für die gerichtliche Geltendmachung des mit der Abmahnung behaupteten Anspruchs.
Der Wettbewerber kann im übrigen, wenn er erkennt, daß es an der Sachbefugnis des Abmahnenden fehlt, das Abmahnschreiben als solches unbeachtet lassen. Es steht ihm zudem frei, sich gegen die Abmahnung mit einer negativen Feststellungsklage zur Wehr zu setzen.

d) Ein Anspruch des Klägers aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 1 UWG scheitert im übrigen auch daran, daß die Abmahnung wettbewerbswidriger Handlungen nicht als eine wesentliche Beeinträchtigung des lauteren Wettbewerbs behandelt werden kann.
2. Der Kläger verlangt von dem Beklagten weiterhin Unterlassung der Abmahnung von Anbietern und Vermittlern von bebauten Grundstücken und Wohneigentum mit der Begründung, daß dieser bei den Abmahnungen gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO verstoße und deshalb zugleich wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG handele. Dem Beklagten sei es nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO untersagt, in Angelegenheiten, mit denen er außerhalb seiner Anwaltstätigkeit bereits als Bauträger und Altbausanierer befaßt gewesen sei, als Rechtsanwalt durch Abmahnungen tätig zu werden.
Entgegen der Ansicht der Revision steht dem Kläger auch ein solcher Anspruch gegen den Beklagten nicht zu. Für die Entscheidung kann dabei offenbleiben , ob der behauptete Verstoß gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO vorliegt. Der geltend gemachte Anspruch ist schon deshalb unbegründet, weil das mit ihm angegriffene Verhalten selbst dann, wenn es zugleich gegen die Bundesrechtsanwaltsordnung verstoßen sollte, jedenfalls kein nach § 1 UWG sittenwidriges Handeln wäre. Auf die Frage, ob der Beklagte bei seinen Abmahnungen gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO verstoßen hat, kommt es danach nicht mehr an (vgl. dazu - zum vorliegenden Fall - AnwG München AnwBl. 1999, 285, diesem zustimmend Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl., § 45 Rdn. 6).

a) Zweck des § 1 UWG ist es, dem unmittelbar betroffenen Wettbewerber einen Anspruch zu geben, damit dieser selbst gegen unlautere Mittel und
Methoden des Wettbewerbs vorgehen kann und damit zugleich in die Lage versetzt wird, sich gegen Schädigungen zur Wehr zu setzen, die er durch Wettbewerbsverzerrungen infolge unlauteren Wettbewerbs erleidet oder befürchten muß. Die Anspruchsnorm ist so die Grundlage für einen deliktsrechtlichen Individualschutz. Diesen Grundcharakter verliert der Anspruch des unmittelbar betroffenen Wettbewerbers nicht dadurch, daß die Durchsetzung von Ansprüchen aus § 1 UWG auch den Interessen der anderen Wettbewerber und sonstigen Marktbeteiligten, insbesondere der selbst nicht anspruchsberechtigten Verbraucher, und dem Allgemeininteresse an einem lauteren Wettbewerb dienen soll und durch § 13 UWG der Kreis der Anspruchsberechtigten - wegen des betroffenen Interesses der Allgemeinheit - auf bestimmte andere Wettbewerber , Verbände und Kammern erweitert ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.2000 - I ZR 28/98, WRP 2000, 1116, 1119 - Abgasemissionen [zum Abdruck in BGHZ vorgesehen], m.w.N.). Im Hinblick auf die Zielsetzung des § 1 UWG, in der dargelegten Weise die Lauterkeit des Wettbewerbs im Interesse der Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zu schützen, ist der darin enthaltene Begriff der Sittenwidrigkeit wettbewerbsbezogen auszulegen (vgl. BGHZ 140, 134, 138 f. - Hormonpräparate; BGH, Urt. v. 6.10.1999 - I ZR 46/97, GRUR 2000, 237, 238 = WRP 2000, 170 - Giftnotruf-Box; BGH WRP 2000, 1116, 1119 - Abgasemissionen, m.w.N.).

b) Die Beurteilung, ob ein beanstandetes Wettbewerbsverhalten sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist, erfordert regelmäßig eine - am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtende - Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens nach seinem konkreten Anlaß, seinem Zweck, den eingesetzten Mitteln, seinen Begleitumständen und Auswirkungen.
Wenn das zu überprüfende Wettbewerbsverhalten zugleich gegen ein Gesetz verstößt, das - wie z.B. die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes - dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter wie dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dient, indiziert die Verletzung einer derartigen wertbezogenen Norm grundsätzlich die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit mit der Folge, daß es regelmäßig nicht der Feststellung weiterer Unlauterkeitsumstände bedarf. Dies hat seinen Grund darin, daß es auch dann, wenn die verletzte Norm keinen unmittelbar wettbewerbsbezogenen Zweck verfolgt, in der Zielsetzung des § 1 UWG liegt zu verhindern, daß Wettbewerb unter Mißachtung gewichtiger Interessen der Allgemeinheit betrieben wird (vgl. BGHZ 140, 134, 138 f. - Hormonpräparate ; BGH GRUR 2000, 237, 238 - Giftnotruf-Box; BGH WRP 2000, 1116, 1120 - Abgasemissionen).

c) Die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO ist eine sog. wertbezogene Norm. Sie verfolgt den Zweck, die Gefahr von Interessenkollisionen bei der anwaltlichen Tätigkeit einzudämmen. Sie soll damit die Unabhängigkeit und Integrität der Anwälte und das Vertrauen in die Rechtspflege stärken (vgl. Henssler/ Prütting, BRAO, § 45 Rdn. 3 f.; Kleine-Cosack, BRAO, 3. Aufl., § 45 Rdn. 1).
Ein Rechtsanwalt, der gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO verstößt, handelt damit jedoch nicht zugleich wettbewerbswidrig. Ein solcher Verstoß hat nur insofern einen Bezug zum Wettbewerbsgeschehen, als der Anwalt andernfalls in der betreffenden Sache nicht tätig werden könnte; er fällt deshalb mit dem Auftreten des Rechtsanwalts im Wettbewerb zusammen. Ein derartiger bei der Wettbewerbshandlung lediglich mitverwirklichter Gesetzesverstoß begründet nicht ohne weiteres die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens. Daran ändert
auch der Umstand nichts, daß die verletzte Gesetzesvorschrift eine wertbezogene Norm ist.
Die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO hat als solche keinen Bezug zum Wettbewerb. Ihr kommt weder primär noch sekundär die Funktion zu, die Gegebenheiten eines bestimmten Marktes zu regeln. Soweit sie einen Rechtsanwalt im Einzelfall vom Tätigwerden ausschließt und damit insoweit auch als Wettbewerber, ist dies nur ein Reflex ihrer beabsichtigten andersartigen Wirkung. Ein Gesetzesverstoß, der mit einem Tätigwerden unter Verletzung des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO begangen wird, strahlt nicht in der Weise auf die Handlung aus, daß diese gerade auch als Wettbewerbsverhalten gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstößt. Das Interesse der Allgemeinheit daran, daß die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO eingehalten wird, gilt nicht der Lauterkeit des Wettbewerbs, sondern ausschließlich der Wahrung einer geordneten Rechtspflege und der Aufrechterhaltung der Integrität der Anwaltschaft.
Die ihrem Grundcharakter nach deliktsrechtlichen wettbewerbsrechtlichen Ansprüche geben danach keine Grundlage dafür, Verstöße gegen § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO zu unterbinden. Diese Ansprüche sind den Wettbewerbern und den gegebenenfalls in ihrem Interesse tätigen Verbänden im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht gegeben, damit diese zur Reinhaltung ihres jeweiligen Berufsstandes beitragen können. Noch weniger ist dazu ein Verband wie der Kläger berufen, der nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG darauf beschränkt ist, bei der Rechtsverfolgung die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wahrzunehmen. Die Bundesrechtsanwaltsordnung sieht vielmehr für die Bewahrung der Integrität des Berufsstandes eigene Rechtsbehelfe und Verfahren vor, de-
nen nicht ohne einen Zusammenhang mit dem Wettbewerbsgeschehen durch wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklagen vorgegriffen werden darf.
III. Die Revision des Klägers gegen das Berufungsurteil war danach auf seine Kosten zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Bornkamm Pokrant

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 284/00 Verkündet am:
6. Dezember 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
"H.I.V. POSITIVE" II

a) Die Vorschrift des § 1 UWG greift trotz der gebotenen wettbewerbsbezogenen
Auslegung des Begriffs der Sittenwidrigkeit nicht nur dann ein, wenn
es um den unmittelbaren Schutz der Wettbewerber geht. Auf der Grundlage
dieser Vorschrift können auch Ansprüche auf Unterlassung grob anstößiger
Werbemethoden gegeben sein, die geeignet sind, die Verhältnisse, unter
denen der Wettbewerb stattfindet, zum Schaden eines an der Leistung orientierten
Wettbewerbs nicht unerheblich zu belasten.

b) Der Schutz des lauteren Wettbewerbs durch § 1 UWG als allgemeines Gesetz
im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG kann Einschränkungen der Freiheit, im
Wettbewerb die eigene Meinung zu äußern, notwendig machen, die außerhalb
des Bereichs des Wettbewerbs nicht oder nicht in diesem Umfang gelten.
Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern oder andere unmittelbare
Beeinträchtigungen des Leistungswettbewerbs sind dazu keine Voraussetzung.

c) Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung einer Wettbewerbshandlung
nach § 1 UWG als sittenwidrig kommt es nicht auf die Meinung einer besonders
streng urteilenden Minderheit an. Die rechtliche Wertung hat jedoch im
Tatsächlichen darauf aufzubauen, wie - gegebenenfalls auch wie unterschiedlich
- die Werbemaßnahme in den angesprochenen Verkehrskreisen
aufgefaßt werden kann.

d) Zur Wettbewerbswidrigkeit einer Anzeige (hier: "H.I.V. POSITIVE"), die
schweres Leid von Menschen als Werbethema benutzt, um - auch durch die
Thematisierung gerade in der Wirtschaftswerbung eines Unternehmens
- Emotionen aufzurühren, auf diese Weise das Unternehmen zum Gegenstand
öffentlicher Aufmerksamkeit zu machen und so den Verkauf der eigenen
Waren zu fördern.

e) Zur Frage, ob eine derartige Anzeige geeignet ist, den Wettbewerb wesentlich
zu beeinträchtigen.
BGH, Urt. v. 6. Dezember 2001 - I ZR 284/00 - LG Frankfurt am Main
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant und
Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juli 1994 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Das Unternehmen Benetton S.p.A. (im folgenden: Benetton), das weltweit Textilien vertreibt, veröffentlichte 1993 in der Zeitschrift "s.", deren Herausgeberin die Beklagte ist, eine Werbeanzeige. Diese zeigt - eine Doppelseite füllend - den oberen Teil eines menschlichen Gesäûes, dem rechts in breiter blauer Schrift der Stempel "H.I.V." mit dem schräg versetzten Zusatz "POSITIVE" aufgedrückt ist. Etwas abgesetzt von diesem Stempelaufdruck befinden sich - mit einem rechteckigen grünen Feld unterlegt - die in weiûer Schrift gesetzten Worte "UNITED COLORS OF BENETTON.". In der linken unteren Ecke der Anzeige steht der Satz: "COLORS, ein Magazin über den Rest der Welt, in Benetton Filialen und ausgewählten Zeitungsläden erhältlich."
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., hat diese Werbeanzeige als wettbewerbswidrig beanstandet. Die Beklagte habe durch deren Abdruck in der Zeitschrift "s." gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoûen. Benetton benutze mit dieser Anzeige zynisch die existentielle und bedrückende Not Aids-Kranker, um den eigenen Warenabsatz zu steigern. Das Unternehmen wolle die angesprochenen Verbraucher schokkieren und eine Vielzahl unterschiedlicher Gefühle - wie Entsetzen und Mitleid - auslösen. Durch diese Aufmerksamkeitswerbung solle der Betrachter extrem provoziert und so veranlaût werden, mit anderen über seine Empfindungen und damit über die Anzeige zu sprechen. Dadurch solle erreicht werden, daû der Name des Unternehmens "in aller Munde" sei. Eine solche Anzeige sei geeignet , die Mitbewerber zu veranlassen, im Wettbewerb immer anstöûiger zu werben.
Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der in Anlage K 1 zur Klageschrift abgebildeten Werbung (abgedruckt in der Zeitschrift "s.", Ausgabe) für die Firma Benetton S.p.A. zu werben.
Die Beklagte hat sich gegenüber diesem Unterlassungsantrag auf die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit (Art. 5 GG) berufen. Als Presseunternehmen könne sie jedenfalls nach den Grundsätzen der eingeschränkten Pressehaftung nicht für die Werbeanzeige verantwortlich gemacht werden, weil diese - wie die gegensätzliche Diskussion hierzu in Literatur und Rechtsprechung zeige - zumindest nicht grob und eindeutig wettbewerbswidrig sei. Die Anzeige weise zwar in allegorischer Form auf die Situation Aids-Kranker als "gebrandmarkt" hin, enthalte sich jedoch jeglicher Wertung.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Die (Sprung-)Revision der Beklagten hat der Senat zurückgewiesen (Urt. v. 6.7.1995 - I ZR 180/94, GRUR 1995, 600 = WRP 1995, 686 - "H.I.V. POSITIVE" I).
Auf die Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung durch Urteil vom 12. Dezember 2000 (1 BvR 1762 und 1787/95, BVerfGE 102, 347 = GRUR 2001, 170 = WRP 2001, 129 - Benetton-Werbung) wegen eines Verstoûes gegen Art. 5 Abs. 1 GG aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
Die Beklagte verfolgt im erneuten Revisionsverfahren ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Die Klägerin ist für den erhobenen Anspruch prozeûführungsbefugt (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG; vgl. BGH, Urt. v. 6.2.1997 - I ZR 234/94, GRUR 1997, 758, 759 = WRP 1997, 946 - Selbsternannter Sachverständiger, m.w.N.).
II. Das Landgericht hat den auf § 1 UWG gestützten Unterlassungsanspruch zuerkannt. Es hat dazu ausgeführt, mit der angegriffenen Werbeanzeige werde zu Wettbewerbszwecken in einer Weise Aufmerksamkeit für das Unternehmen Benetton und dessen Produkte erregt, die sittenwidrig sei. Das Motiv der Anzeige stehe in keinerlei Zusammenhang mit den Produkten und dem Unternehmen Benetton. Die Anzeige suche den Betrachter mit dem Leid der Aids-Kranken zu schockieren, um unter bedenkenloser Ausnutzung der Gefühle des umworbenen Publikums diesem das Unternehmen oder dessen Produkte einzuprägen. Durch Anspielung auf die Häftlingsnummern der Opfer des Holocaust lege die Anzeige nahe, Aids-Kranke seien heute in gleicher Weise wie Juden und Regimegegner zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur stigmatisiert, gesellschaftlich ausgegrenzt und verfolgt. Dadurch sollten die Betrachter emotional zutiefst bewegt werden, so daû sich ihnen die Werbeanzeige einpräge. Diesen Vorgang nutze Benetton aus, um dem Betrachter mit Hilfe des grünen Feldes mit den Worten "UNITED COLORS OF BENETTON." seine Unternehmensbezeichnung und den damit verbundenen Hinweis auf seine Produkte unterzuschieben, um so - ohne Bezug zu eigenen tatsächlichen
Leistungsergebnissen - Vorteile im Wettbewerb zu erlangen und Umsatzsteigerungen zu erzielen. Der Unterlassungsanspruch richte sich auch gegen die Beklagte , weil diese in der nicht nur untergeordneten Nebenabsicht, fremden Wettbewerb zu fördern, unter Verstoû gegen die ihr obliegenden Prüfungspflichten eine Anzeige veröffentlicht habe, die grob und eindeutig sittenwidrig sei.
III. Die Revisionsangriffe gegen diese Entscheidung bleiben ohne Erfolg. Die Beklagte hat durch die Veröffentlichung der Werbeanzeige "H.I.V. POSITIVE" von Benetton wettbewerbswidrig gehandelt (§ 1 UWG).
1. Grundlage für diese Beurteilung ist die - vom Bundesverfassungsgericht dem Senat auch aufgegebene - Auseinandersetzung mit dem Aussagegehalt der Anzeige und den Möglichkeiten ihrer Deutung.
Die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" macht in plakativer Form die persönliche Situation Aids-Kranker zum Gegenstand einer Unternehmenswerbung.

a) Das für die Werbeanzeige benutzte Farbfoto zeigt im Ausschnitt einen Teil des nackten Gesäûes eines Menschen, auf das der blaue Stempel "H.I.V. POSITIVE" aufgedrückt ist. Das Foto kann als gestellt oder - in eher naiver Sicht - als Abbildung dieses Körperteils eines Aids-Infizierten, dessen Haut noch gesund wirkt, gesehen werden. Der Stempelaufdruck auf der bloûen Haut kennzeichnet den Betroffenen als HIV-infiziert; er erinnert - wie im Verfügungsverfahren angesprochen - im Aussehen an tierärztliche Kontrollstempel in Schlachthöfen und Metzgereien.
Das Foto wirkt als unverstellter Nahblick auf einen Teil des körperlichen Intimbereichs, als Einblick in die persönliche Sphäre eines Menschen und als Offenlegung der Tatsache, daû dieser von der Krankheit Aids betroffen ist. Die Abbildung kann die Betrachter, auch wenn sie von einem gestellten Bild ausgehen , sehr stark berühren und von ihnen als Schock empfunden werden. Alles , was der Betrachter mit der Krankheit Aids verbindet, wird, gerade dann, wenn er unvermutet mit dem benutzten Foto konfrontiert wird, mit starker Reizwirkung angesprochen. Da jede Erläuterung fehlt, wird der Betrachter ganz seinen eigenen Assoziationen, Gedanken und Empfindungen überlassen. Diese können vielfältigster Art sein, ohne sich gegenseitig auszuschlieûen. Es können etwa Gefühle des Mitleids, der Furcht oder der Angst, des Abgestoûenseins , der Trauer, der Bestürzung oder einer tiefgreifenden Verunsicherung sein. Kaum jemand wird das Foto betrachten, ohne dabei in seinem Eindruck maûgeblich von seiner persönlichen Lebenssituation beeinfluût zu sein. Wer sich selbst und diejenigen, die ihm nahestehen, als nicht von Aids bedroht fühlt, wird es mit anderen Augen sehen als Menschen, die selbst erkrankt oder von der Krankheit bedroht sind oder Angehörige in dieser Lage wissen.
Der abgebildete Mensch, dessen Verborgenes offengelegt ist, kann als "abgestempelt", "gebrandmarkt" und aus der menschlichen Gesellschaft ausgegrenzt erscheinen, als ein durch eine unheilbare Krankheit zu einem qualvollen Tod Verurteilter. Es kann das damit verbundene Schicksal mitgefühlt oder vor allem die Ansteckungsgefahr empfunden werden, die von Infizierten für Gesunde ausgehen kann. Ebenso kann die Erinnerung an Vorschläge wachgerufen werden, Aids-Infizierte durch Tätowierung zu kennzeichnen. In seinem Bezug auf die Intimsphäre, die Gegenwart einer unsichtbaren, aber lebensbedrohlichen Krankheit und eine als wirklich dargestellte grausame Ausgrenzungsreaktion der Umwelt verdichtet das Foto die Aids-Problematik in
einem einzigen Bild, das tief beeindrucken kann, ohne aber eine eigene konkrete Aussage zu machen oder eine eigene Wertung abzugeben. Es ist ein sprechendes Bild mit meinungsbildendem Inhalt, ohne selbst die Richtung der Meinungsbildung zu weisen.
Die Offenheit des Bildes als Anknüpfungspunkt für Gedanken und Gefühle läût es geeignet erscheinen, mit ganz unterschiedlicher Zielsetzung in der Öffentlichkeit verwendet zu werden. Das Foto könnte z.B. als Kunstwerk ausgestellt werden, der Werbung für einen Aids-Kongreû dienen oder der Aufklärung über die Gefahr der Ansteckung mit Aids. Es könnte aber auch dazu eingesetzt werden, im Internet auf einer Webseite die menschenverachtende Forderung zu veranschaulichen, Aids-Infizierte zum Schutz Gesunder vor Ansteckung mit einem äuûeren Erkennungszeichen zu "brandmarken".

b) Das Unternehmen Benetton hat in der Zeitschrift "s." nicht lediglich das Foto veröffentlicht, sondern eine Werbeanzeige. In dieser weist Benetton nicht nur - mit den Worten "UNITED COLORS OF BENETTON." - auf seine Unternehmensbezeichnung hin, sondern ausdrücklich auch auf sein Magazin "COLORS", das in Benetton-Filialen und ausgewählten Zeitungsläden erhältlich sei. Die Verwendung des Fotos zur Gestaltung einer Werbeanzeige mit der blickfangartigen Wiedergabe des Unternehmenskennzeichens von Benetton stellt dieses in einen bestimmten Zusammenhang.
(1) Als Bestandteil der Anzeige wird das Bild dem Unternehmen Benetton , das auf diese Weise für sich und seine Produkte wirbt, als Veröffentlichung zugerechnet. Eine eigene bestimmte Aussage kann aber der Anzeige nicht entnommen werden, da sie selbst dafür keinen Anhaltspunkt gibt. Ebensowenig ist der Anzeige ein konkreter Hinweis auf die mit ihr verfolgte Absicht zu ent-
nehmen; ein solcher ergibt sich auch nicht aus ihrer Funktion als Unternehmenswerbung. Die Anzeige enthält sich vielmehr jeder Wertung. Wie die Beklagte selbst treffend dargelegt hat, ist eine Wertung, ob positiv, negativ, indifferent , immer die des Betrachters. Die Anzeige selbst vergegenwärtigt nur eine grausame Wirklichkeit durch ein Bild.
Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wurde demgegenüber auf eine öffentliche Stellungnahme des Fotografen Toscani, welche Absicht er und das Unternehmen Benetton mit der Anzeige verfolgt hätten, hingewiesen. Wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, ist diese Äuûerung jedoch im Revisionsverfahren, insbesondere im Verfahren der Sprungrevision (§ 566a Abs. 3 Satz 2 ZPO), nicht verwertbar, weil sie erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht veröffentlicht worden ist. Eine solche Stellungnahme, die nicht zum unmittelbaren Kontext der Anzeige gehört, wäre im übrigen kaum geeignet, das Verständnis des Aussagegehalts der Anzeige in der breiteren Öffentlichkeit, auf deren Sicht es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung ankommt, maûgeblich zu beeinflussen, weil sie nur unter ganz besonderen Umständen ausreichend bekannt werden könnte.
(2) Die Anzeige enthält zwar keine konkrete Aussage, ist aber geeignet, in der Öffentlichkeit bestimmte Annahmen über die mit ihr verfolgten Absichten zu begründen. Sie wird, auch wenn ihr Gegenstand eine tödliche Krankheit sowie der Umgang der Gesellschaft mit Infizierten ist, von jedem Betrachter auch als Unternehmenswerbung gesehen.
In der Öffentlichkeit wird der Anzeige teilweise die Absicht entnommen werden, die öffentliche Aufmerksamkeit kritisch auf eine tatsächlich anzutreffende Diskriminierung und Ausgrenzung Aids-Kranker zu richten. Diese Vor-
stellung von der Absicht, die Benetton mit der Anzeige verfolgt, kann sich zwar nicht auf die Anzeige selbst stützen, durch die allgemeine Lebenserfahrung wird aber nahegelegt, daû ein Unternehmen, das für sich in der Öffentlichkeit wirbt, ein positives Image von sich begründen oder verstärken will. Es kann deshalb angenommen werden, daû das werbende Unternehmen - schon wegen seiner wirtschaftlichen Interessen - kaum mit Tendenzen, Aids-Kranke auszugrenzen und zu stigmatisieren, in Verbindung gebracht werden will. Für jeden, der von dieser Einschätzung als selbstverständlich ausgeht oder sich das mutmaûliche Unternehmensinteresse bewuût macht, ist danach die Annahme einer kritischen Tendenz der Anzeige naheliegend.
Der weit überwiegende Teil der angesprochenen Öffentlichkeit wird die Anzeige allerdings in erster Linie oder sogar ausschlieûlich als Aufmerksamkeitswerbung verstehen. Aus dieser Sicht verfolgt das Unternehmen Benetton vor allem sein wirtschaftliches Interesse, ohne damit mehr als eine nachrangige eigene gesellschaftskritische Tendenz zu verbinden. Sein Mittel dazu ist es, durch die Werbung zu schockieren, aufzureizen und zu irritieren, um das Interesse der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen und sich ins Gespräch zu bringen. Dieses Verständnis drängt sich, auch angesichts der offensichtlichen wirtschaftlichen Interessen, die ein Unternehmen im allgemeinen mit einer aufwendigen gewerblichen Anzeige verbindet, schon deshalb den Betrachtern auf, weil die Anzeige jeden Hinweis vermissen läût, der die Meinungsbildung im Sinne einer kritischen und anprangernden Tendenz lenken könnte.
Die Annahme einer kritischen Tendenz und die Annahme, es gehe hier um eine Aufmerksamkeitswerbung, schlieûen sich nicht aus. Weite Teile der Öffentlichkeit werden bei dem Unternehmen Benetton beide Absichten vermu-
ten und - je nach eigenem Standpunkt - die eine oder andere Absicht als überwiegend ansehen.
Schlieûlich ist die Werbung - mangels eines konkreten Anhalts für die verfolgte Absicht in der Anzeige selbst - geeignet, auch diejenigen Verbraucher anzusprechen, die Maûnahmen mit dem Ziel der Ausgrenzung und Stigmatisierung von Aids-Infizierten mehr oder weniger bewuût und offen für richtig halten. Für eine darauf zielende Absicht von Benetton fehlt jedoch bereits jedes mit dem wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens vereinbare Motiv.
(3) Die Wirkung der Anzeige auf die Betrachter kann entsprechend dem unterschiedlichen Verständnis von der Anzeige selbst, den unterschiedlichen Annahmen über die mit der Anzeige verfolgten Absichten des werbenden Unternehmens und abhängig von dem eigenen Standpunkt und der Lebenssituation des Betrachters sehr verschieden sein. Dabei kommt es nicht wesentlich darauf an, ob das verwendete Foto als gestellt oder als dokumentarisch verstanden wird (vgl. dazu auch Henning-Bodewig, GRUR 1997, 180, 187).
Entscheidend hängt die Wirkung der Anzeige davon ab, wie stark ihr Charakter als Unternehmenswerbung mit gesehen und empfunden wird. Besonders der Umstand, daû es hier um Werbung geht und die Anzeige zumindest auch den Umsatz des werbenden Unternehmens steigern soll, ist ein Grund für ihre ungewöhnliche, vielfach aufwühlende Wirkung in der Öffentlichkeit , die das benutzte Foto trotz der starken Reizwirkung, die von ihm ausgeht, als solches allein nicht erreichen könnte. Schon der angesprochene Problemkreis ist geeignet, Menschen in tiefen Gefühlsschichten zu berühren. Die Verbindung eines Fotos, das diese Gefühlsschichten in besonders intensiver Weise ansprechen kann, mit der unübersehbaren Verfolgung eigener wirtschaftli-
cher Interessen wird bei den meisten Betrachtern - abhängig von ihrer Lebenssituation und ihren persönlichen Einstellungen - Gedanken eigener Art und starke, häufig heftige Reaktionen hervorrufen. Gerade darauf beruht auch die Eignung der Anzeige als Unternehmenswerbung, eine an sie anknüpfende und auf sie Bezug nehmende öffentliche Auseinandersetzung anzustoûen und so zugleich der Öffentlichkeit den Namen des Unternehmens einzuprägen.
Die Anzeige ist gleichwohl geeignet, auf diejenigen, die sie persönlich unbelastet von der Gefahr, die von Aids ausgeht, und deshalb unbefangen betrachten , vor allem als anprangernde, aufrüttelnde Aussage mit kritischer Tendenz zu wirken. Das Verständnis als Werbeanzeige kann dabei zurücktreten, dies unter Umständen so weit, daû die Anzeige wie ein Kunstwerk gesehen wird.
Weit stärker ist jedoch die Eignung der Anzeige, ihrer offensichtlichen Natur entsprechend, in erster Linie als Werbemaûnahme gesehen zu werden. Denn in der Anzeige wird kein anderer Grund dafür angeboten, warum das verantwortliche Unternehmen, dessen Geschäftsgegenstand die Herstellung und der Vertrieb von Waren für den täglichen Bedarf ist, die Öffentlichkeit mit einer solchen Problematik konfrontiert. Aus dieser Sicht, die jedenfalls weiteste Kreise der angesprochenen Öffentlichkeit teilen werden, beutet die Anzeige, auch soweit ihr daneben eine gesellschaftskritische Tendenz zugestanden wird, das Reizthema Aids vor allem zu wirtschaftlichem Eigennutzen durch eine Aufmerksamkeitswerbung aus, deren Intensität sich kaum jemand entziehen kann und die das Unternehmen zum Gesprächsthema machen soll. Die tiefe existentielle Not Aids-Infizierter und ihrer Angehörigen, ihre Furcht vor dem Fortschreiten eines schrecklichen Schicksals und davor, als Folge der anstekkenden Krankheit in der Gesellschaft ausgegrenzt und diskriminiert zu werden,
werden aus dieser Sicht - ebenso wie die quälende Angst vieler vor Anstekkung - nur als Mittel zum Erreichen des Werbeerfolgs benutzt. Die Betroffenen selbst werden so als Gruppe mit ihrem Schicksal zu einem Objekt, mit dem Wirtschaftswerbung zur Gewinnerzielung getrieben werden kann. Vor allem zu diesem Zweck wird aus dieser Sicht ein Anzeigenbild eingesetzt, in dem ein Aids-Infizierter in seiner intimen Körperlichkeit den Blicken preisgegeben und als ein Stück Fleisch gezeigt wird, von dem die Gefahr der Ansteckung mit einer todbringenden Krankheit ausgeht und das deshalb "amtlich" wie mit einem Schlachtfleisch-Stempel als ansteckend und gefährlich markiert ist. Wer betroffen ist und die Anzeige so sieht - und das wird die weit überwiegende Zahl der Betroffenen sein - wird diese Werbeanzeige als zynisch empfinden und sich durch sie in seiner Würde als Mensch gleichen Ranges und Wertes wie ein Gesunder herabgesetzt fühlen. Es kann als verletzend empfunden werden, als Betroffener im Interesse einer Wirtschaftswerbung dem bildhaften Ausdruck des eigenen Schicksals - möglicherweise ganz unvorbereitet - durch eine gewerbliche Anzeige in einer Zeitschrift oder im öffentlichen Raum auf Plakatwänden ausgesetzt zu werden. Sehr viele, die sich beim Anblick der Anzeige in die Lage Betroffener versetzen, werden diese Gefühle mitvollziehen. Dies schlieût nicht aus, daû auch Betroffene die Anzeige anders verstehen und empfinden können, so vor allem als Beitrag zur Aufrüttelung der Gesellschaft und damit als Beitrag zur Verbesserung ihrer Lage.
2. Die beanstandete Anzeige des Unternehmens Benetton verstöût gegen die guten Sitten im Wettbewerb.

a) Zweck des § 1 UWG ist es, dem unmittelbar betroffenen Wettbewerber einen Anspruch zu geben, damit dieser selbst gegen unlautere Mittel und Methoden des Wettbewerbs vorgehen kann und damit zugleich in die Lage
versetzt wird, sich gegen Schädigungen zur Wehr zu setzen, die er durch Wettbewerbsverzerrungen infolge unlauteren Wettbewerbs erleidet oder befürchten muû. Die Anspruchsnorm ist so die Grundlage für einen deliktsrechtlichen Individualschutz (BGHZ 144, 255, 264 - Abgasemissionen). Schon aus diesem Grund richtet sich die Vorschrift des § 1 UWG nicht schlechthin gegen anstöûiges Verhalten von Gewerbetreibenden. Ebensowenig darf sich das Sittenwidrigkeitsurteil des § 1 UWG an allgemeinen ethischen Moralvorstellungen oder Anforderungen an den guten Geschmack orientieren (vgl. BGHZ 130, 5, 7 f. - Busengrapscher). Der in § 1 UWG enthaltene Begriff der Sittenwidrigkeit ist vielmehr wettbewerbsbezogen auszulegen (vgl. BGHZ 140, 134, 138 f. - Hormonpräparate; 144, 255, 265 - Abgasemissionen; BGH, Urt. v. 5.10.2000 - I ZR 224/98, GRUR 2001, 354, 356 = WRP 2001, 255 - Verbandsklage gegen Vielfachabmahner; Urt. v. 6.10.1999 - I ZR 46/97, GRUR 2000, 237, 238 = WRP 2000, 170 - Giftnotruf-Box; Urt. v. 26.4.2001 - I ZR 314/98, GRUR 2001, 1178, 1180 = WRP 2001, 1073 - Gewinn-Zertifikat, m.w.N. [zum Abdruck für BGHZ 147, 296 vorgesehen]).
Die wettbewerbsbezogene Auslegung des Begriffs der Sittenwidrigkeit bedeutet jedoch nicht, daû § 1 UWG nur dann eingreift, wenn es um den unmittelbaren Schutz der Wettbewerber geht. Es liegt auch in der Zielsetzung dieser Vorschrift zu verhindern, daû Wettbewerb unter Miûachtung gewichtiger Interessen der Allgemeinheit betrieben wird (vgl. BGHZ 140, 134, 138 f. - Hormonpräparate; 144, 255, 266 - Abgasemissionen; BGH GRUR 2000, 237, 238 - Giftnotruf-Box). Darin liegt kein Widerspruch zum deliktsrechtlichen und individualrechtlichen Charakter des § 1 UWG. Die insoweit geschützten Interessen der anderen Marktbeteiligten und der Allgemeinheit sind vielmehr auch Interessen der Gewerbetreibenden selbst, weil es sich dabei um die Bekämp-
fung von Auswüchsen des Wettbewerbs handelt, die dazu beitragen können, den Wettbewerb zu vergiften, und einen an der Leistung orientierten Wettbewerb gefährden. Es kann daher ein eigenes - auch wirtschaftlich begründetes - Anliegen der Gewerbetreibenden sein, nicht zusehen zu müssen, wie andere mit grob anstöûigen Methoden den Markterfolg suchen, oder nicht vor die Entscheidung gestellt zu werden, ob sie selbst in gleicher Form Wettbewerb betreiben sollen, um nicht im Wettbewerb zurückzufallen (vgl. BGHZ 130, 5, 12 - Busengrapscher; vgl. dazu weiter BVerfGE 32, 311, 316 = GRUR 1972, 358, 359 f.; BVerfGE 102, 347, 360 - Benetton-Werbung).

b) Die Beurteilung, ob ein beanstandetes Wettbewerbsverhalten sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist, erfordert regelmäûig eine - am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtende - Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens nach seinem konkreten Anlaû, seinem Zweck, den eingesetzten Mitteln, seinen Begleitumständen und Auswirkungen. Die Bedeutung der Grundrechte ist dabei schon bei der Prüfung, ob das angegriffene Verhalten sittenwidrig ist, mit abzuwägen (vgl. BVerfG GRUR 2001, 1058, 1060; BGHZ 130, 5, 8, 11 - Busengrapscher). Dies kann - je nach Lage des Falles - dazu führen, daû ein Wettbewerbsverstoû zu bejahen oder zu verneinen ist (vgl. Baumbach/Hefermehl , Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rdn. 92 f.).
Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, daû Meinungsäuûerungen, die wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Fragen zum Gegenstand haben , in besonderem Maûe den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG genieûen (BVerfGE 102, 347, 362 f. - Benetton-Werbung). Der Schutz des lauteren Wettbewerbs durch § 1 UWG als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 102, 347, 360 - Benetton-Werbung; BVerfG GRUR 2001, 1058, 1059) kann jedoch Einschränkungen der Freiheit, im Wettbewerb
die eigene Meinung zu äuûern, notwendig machen, die auûerhalb des Bereichs des Wettbewerbs nicht oder nicht in diesem Umfang gelten. Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern oder andere unmittelbare Beeinträchtigungen des Leistungswettbewerbs sind dazu keine Voraussetzung. Dies wird durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem vorliegenden Verfahren bestätigt (BVerfGE 102, 347, 363 ff. - Benetton-Werbung; vgl. dazu auch Möllers WuB V B. § 1 UWG 3.01). Denn nach dieser Entscheidung kann die Meinungsfreiheit unter Umständen auch dann eingeschränkt werden, wenn in der Werbung ekelerregende, furchteinflöûende oder jugendgefährdende Bilder gezeigt werden. Eine Einschränkung von Grundrechtspositionen eines Werbungtreibenden ist weiterhin nicht ausgeschlossen, wenn eine bestimmte Werbung die Verrohungs- oder Abstumpfungstendenzen in unserer Gesellschaft fördert und einer Kultur der Mitmenschlichkeit im Umgang mit Leid abträglich ist, oder wenn mit ihr eine nicht mehr hinnehmbare Belästigung des Publikums verbunden ist. In gleicher Weise erfordert es der Schutz des lauteren Wettbewerbs zu verhindern, daû in der Wirtschaftswerbung die Menschenwürde verletzt und Minderheiten diskriminiert oder herabgesetzt werden (vgl. BVerfGE 102, 347, 366 f. - Benetton-Werbung; vgl. dazu auch Fezer, JZ 1998, 265 ff.; ders., WRP 2001, 989, 1017 f.) oder des Werbeeffekts wegen ein Spiel mit dem getrieben wird, was vielen heilig ist (vgl. dazu auch Henning-Bodewig, GRUR 1997, 180, 190; Wünnenberg, Schockierende Werbung - Verstoû gegen § 1 UWG?, 1996, S. 121 ff., 138 f., 150 ff.).
Danach kann im Wettbewerb verboten sein, was auûerhalb des Wettbewerbs ohne weiteres zulässig, vielleicht sogar als meinungsbildender Beitrag erwünscht oder zumindest hinnehmbar ist (etwa ekelerregende Bilddarstellungen ). Dies gilt nicht nur, weil Äuûerungen, die auch oder nur im wirtschaftlichen
Interesse gemacht werden, verletzender und abstoûender wirken können als Meinungsäuûerungen, die nur einen Beitrag zum öffentlichen Meinungsaustausch leisten sollen, sondern auch deshalb, weil eine Werbung der hier erörterten Art geeignet sein kann, die Verhältnisse, unter denen der Wettbewerb stattfindet, zum Schaden eines an der Leistung orientierten Wettbewerbs erheblich zu belasten.
Dementsprechend ist es in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt und in der Werbepraxis selbstverständlich, daû es wettbewerbswidrig ist, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ohne besondere Gründe die rein persönlichen Verhältnisse eines Wettbewerbers anzusprechen, wie z.B. seine Ausländereigenschaft, seine religiösen und politischen Überzeugungen oder körperlichen Besonderheiten. Dies gilt selbst dann, wenn diese Angaben wahr sind und der Gewerbetreibende unwiderlegbar vorbringt, er habe nicht auf Vorurteile des Publikums spekuliert, sondern nur zur Aufklärung der Öffentlichkeit über tatsächlich gegebene Sachverhalte beitragen wollen (vgl. dazu näher Baumbach/Hefermehl aaO Einl. UWG Rdn. 432 ff. m.w.N.). Andernfalls könnten Gewerbetreibende unter Berufung auf die Meinungsäuûerungsfreiheit und naheliegende andere Deutungsmöglichkeiten ihrer Werbung Tiefschläge persönlicher Art gegen Mitbewerber austeilen.

c) Enthält eine Wirtschaftswerbung eine Meinungsäuûerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG, muû als Grundlage für die Abwägung, ob die Werbemaûnahme im Sinne des § 1 UWG sittenwidrig ist, der Sinn der Äuûerung zutreffend erfaût werden. Bei Äuûerungen, die mehrere Deutungen zulassen, darf sich das Gericht nicht für den zur Verurteilung führenden Sinn entscheiden, ohne zuvor die Alternativen mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen zu haben. Dabei darf eine Äuûerung nicht aus ihrem auch für die Rezipienten wahr-
nehmbaren Zusammenhang gerissen werden, sofern dieser ihren Sinn mitbestimmt (vgl. BVerfGE 94, 1, 9 = NJW 1996, 1529, 1530; BVerfGE 102, 347, 367 - Benetton-Werbung; BVerfG NJW 2000, 3413, 3414; BVerfG NJW 2001, 594, 595).
Daraus ergibt sich aber auch, daû derjenige, der im Wettbewerb mit anderen die Marktteilnehmer durch Werbung beeinflussen will, seine Werbemaûnahmen an ihrer Eignung, auf die Angesprochenen zu wirken, messen lassen muû. Bei einer Anzeige ist deshalb grundsätzlich nur maûgeblich, welche Absicht aus dieser selbst spricht. Der Werbende kann sich nicht auf innere Absichten berufen, wenn diese den Angesprochenen nicht zugleich mit der Anzeige erkennbar werden oder als bekannt vorausgesetzt werden können (allg. M.; vgl. nur Baumbach/Hefermehl aaO Einl. UWG Rdn. 250; v. Gamm, Wettbewerbsrecht , 5. Aufl., Kap. 7 Rdn. 4).
Nicht entscheidend ist auch, ob Werbeäuûerungen von allen Teilen der angesprochenen Öffentlichkeit in gleicher Weise verstanden und empfunden werden. Es ist zu unterscheiden zwischen der rechtlichen Wertung einer Wettbewerbshandlung als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG und den tatsächlichen Umständen, auf denen diese Wertung beruht. Bei der rechtlichen Beurteilung kommt es nicht auf die Meinung einer besonders streng urteilenden Minderheit an (vgl. v. Gamm aaO Kap. 18 Rdn. 10, m.w.N.). Die Beurteilung hat jedoch im Tatsächlichen darauf aufzubauen, wie - gegebenenfalls auch wie unterschiedlich - die Werbemaûnahme in den angesprochenen Verkehrskreisen aufgefaût werden kann (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 8.7.1955 - I ZR 52/54, GRUR 1955, 541, 542 = WRP 1955, 206 - Bestattungswerbung).
Der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts, daû auch ekelerregende Bilder in der Werbung wettbewerbswidrig sein können, macht diesen Unterschied zwischen rechtlicher Beurteilung und deren tatsächlicher Grundlage deutlich. Was bei weiten Teilen der Bevölkerung heftige Ekelgefühle hervorruft, kann von anderen als allenfalls geschmacklos angesehen werden. Tief verwurzelte religiöse Überzeugungen und Riten einer Minderheit können für viele andere , vielleicht sogar die weit überwiegende Bevölkerungsmehrheit, bedeutungslos , schwer nachvollziehbar oder gar Anlaû zum Spott sein. Wenn Gewerbetreibende derartige Umstände zum Aufhänger ihrer Werbung um Kunden machen, wird gleichwohl Unterlassungsansprüchen zum Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs in aller Regel stattzugeben sein.
Für den Schutz der Menschenwürde gegen ihre Verletzung durch Werbemaûnahmen gilt nichts anderes. Es ist sittenwidrig, im Wettbewerb den eigenen wirtschaftlichen Vorteil mit Werbeaussagen zu suchen ohne Rücksicht darauf, ob diese bei einem naheliegenden Verständnis die Menschenwürde anderer verletzen. Die Menschenwürde ist zumindest gegen solche Werbeanzeigen zu schützen, die sie bei einem sich handgreiflich aufdrängenden Verständnis ihres Aussagegehalts verletzen, auch wenn die Anzeige so gestaltet ist, daû sie von anderen Teilen der Öffentlichkeit als unverfänglich oder sogar als eine Meinungsäuûerung in guter Absicht aufgefaût werden kann.
Der im deutschen und europäischen Recht im Interesse der Lauterkeit des Wettbewerbs allgemein geltende Rechtsgedanke, daû eine Werbemaûnahme als wettbewerbswidrig beurteilt werden kann (§§ 1, 3 UWG), auch wenn sie nicht von allen Angesprochenen in gleicher Weise verstanden und empfunden wird, ist der Sache nach in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als verfassungsrechtlich unbedenklich anerkannt. So ist ein allgemei-
nes Verbot, nach einem Todesfall Hinterbliebene unaufgefordert aufzusuchen, um Grabsteinaufträge zu erhalten, als verfassungsrechtlich zulässig angesehen worden (BVerfGE 32, 311, 316), obwohl der mit dem Verbot bezweckte Schutz der Intimsphäre Hinterbliebener nur von einem Teil der Betroffenen wirklich benötigt oder gewollt wird.

d) Die angegriffene Anzeige "H.I.V. POSITIVE" ist trotz ihres Charakters als Meinungsäuûerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG und selbst dann, wenn sie als Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG angesehen wird, gemäû § 1 UWG als sittenwidrig zu bewerten, weil sie die Menschenwürde Aids-Kranker verletzt (Art. 1 Abs. 1 GG; in der Literatur - jedenfalls im Ergebnis - ebenso Baumbach /Hefermehl aaO § 1 UWG Rdn. 188; Ring, DZWir 1995, 474, 475, 476; Bülow, ZIP 1995, 1289, 1290; Ahrens, JZ 1995, 1096, 1099; Reichold, EWiR 1995, 813, 814; Wehlau, DZWir 1996, 144; Kort, WRP 1997, 526, 531; Koppensteiner in Festschrift Mayer-Maly, 1996, S. 311, 320; Bamberger in Festschrift Piper, 1996, S. 41, 54 ff., 59; Henning-Bodewig, GRUR 1997, 180, 190; a.A. Hoffmann-Riem, ZUM 1996, 1, 10 ff.; Gärtner, Zum Einfluû der Meinungsfreiheit auf § 1 UWG am Beispiel der Problemwerbung, 1998, S. 209 ff.; Sevecke, Wettbewerbsrecht und Kommunikationsgrundrechte, 1997, S. 143 f.; Fezer, JZ 1998, 265, 274; vgl. weiter die zusammenfassende Darstellung der im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abgegebenen Stellungnahmen BVerfGE 102, 347, 355 ff. - Benetton-Werbung; vgl. auch - zur Entscheidungspraxis im Ausland - Ohly, GRUR Int. 1993, 730, 737 [bei Fn. 76]; Kur, GRUR Int. 1996, 255, 256; Hartwig, BB 1999, 1775 f., 1777).
(1) Achtung und Schutz der unantastbaren Würde des Menschen ist nach Art. 1 Abs. 1 GG Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt auch bei der Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche in Anwendung des § 1 UWG
(vgl. BVerfGE 102, 347, 366 f. - Benetton-Werbung). Mit der durch Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Menschenwürde ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloûen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Geschützt ist nicht nur die individuelle Würde einzelner konkreter Personen, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen (vgl. BVerfGE 87, 209, 228 = NJW 1993, 1457; BVerfG NJW 2001, 61, 63). Dementsprechend kann auch die Darstellung fiktiver Vorgänge das Gebot zur Achtung der Würde des Menschen verletzen (vgl. BVerfGE 87, 209, 228 f.). Auch Angriffen auf den Achtungsanspruch und die Menschenwürde einer Gruppe von Menschen muû entgegengetreten werden (vgl. BVerfGE 90, 241, 252 f. = NJW 1994, 1779). Nicht nur Handlungen in menschenverachtender Tendenz können die Menschenwürde verletzen (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl., Art. 1 Rdn. 8; a.A. - zum vorliegenden Fall - Hoffmann -Riem, ZUM 1996, 1, 12). Eine "gute Absicht" kann eine objektiv gegebene Verletzung der Menschenwürde nicht "heilen" (vgl. Sachs/Höfling, GG, 2. Aufl., Art. 1 Rdn. 15); auch gute Zwecke dürfen nicht in dieser Weise verfolgt werden. Selbst der Versuch, anderen durch eine öffentliche Meinungsäuûerung zu helfen, muû deren Menschenwürde wahren. Noch mehr muû die Menschenwürde gegen Eingriffe durch Werbung geschützt werden. Niemand hat das Recht, mit solchen Mitteln seine Waren oder Dienstleistungen abzusetzen.
Wenn eine Äuûerung die Menschenwürde antastet, müssen Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit zurücktreten. Denn die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte ist mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig (vgl. BVerfGE 87, 209, 228; 93, 266, 293 = NJW 1995, 3303; BVerfG NJW 2001, 61, 62; BVerfG NJW 2001, 594, 595).
(2) Der Senat ist nicht durch bindende Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) gehindert zu entscheiden, daû die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" gegen die Menschenwürde verstöût. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung beanstandet, daû der Senat in seinem ersten Urteil die Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige damit begründet habe , daû diese den Aids-Kranken in seinem Leid stigmatisiere und gesellschaftlich ausgrenze; es dränge sich nicht auf, daû die Anzeige den skandalösen, aber nicht realitätsfernen Befund einer gesellschaftlichen Diskriminierung und Ausgrenzung HIV-Infizierter bekräftige, verstärke oder auch nur verharmlose. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, daû für den Betrachter die Deutung der Anzeige als kritischer Aufruf wesentlich naheliegender sei und auch der Werbekontext diese Deutungsmöglichkeit nicht in Frage stelle. Eigener Feststellungen zu dem Aussagegehalt der Anzeige selbst hat sich das Bundesverfassungsgericht jedoch enthalten (vgl. BVerfGE 102, 347, 367 - Benetton -Werbung).
Der Senat geht bei seiner Entscheidung von der - durch das Bundesverfassungsgericht nicht ausgeschlossenen - Beurteilung aus, daû die Anzeige selbst überhaupt keine bestimmte Aussage macht. Die Gestaltung der Anzeige "H.I.V. POSITIVE" schlieût es demgemäû aus, mit einer bestimmten Auslegung ihres Inhalts einen Wettbewerbsverstoû zu begründen oder zu verneinen. Die Anzeige ist nicht in dem Sinn mehrdeutig, daû ihr durch Auslegung verschiedene Meinungen entnommen werden könnten. Es mag zwar für einen Betrachter , der Überlegungen über die mit der Anzeige verfolgte Absicht anstellt, naheliegend sein, sie als kritischen Aufruf zu verstehen. Die Anzeige selbst enthält sich aber - objektiv gesehen - eines eigenen als Meinung im allgemeinen Sprachgebrauch ausdeutbaren Beitrags. Sie ist - wie dargelegt - vielschichtig in dem, was sie durch ein Foto als Wirklichkeit darstellt. Auch bei
Einbeziehung des Umstands, daû es sich um eine Unternehmenswerbung handelt, ist keine irgendwie durch äuûere Umstände belegbare Meinung oder Absicht zu erkennen. Es gelten hier ebenfalls die bereits angeführten Worte der Beklagten selbst: "Die Wertung, ob positiv, negativ, indifferent, ist immer die des Betrachters".
Eine bestimmte Meinung zu äuûern oder eine Absicht deutlich genug erkennbar werden zu lassen, ist - wie aus den Umständen hervorgeht - auch nicht der Zweck der Anzeige. Es gibt bei ihr keine "richtige" oder "falsche" Auslegung. Sie ist - objektiv gesehen - ausschlieûlich Reizobjekt mit starker Wirkung. Soweit die Anzeige Wirtschaftswerbung ist, geht ihr Zweck dahin, intensive Reaktionen in der Öffentlichkeit hervorzurufen, damit möglichst viel über die Anzeige und ihren Gegenstand und damit auch über das werbende Unternehmen, das mit einem Unternehmenskennzeichen sich selbst in den Blickfang der Anzeige gesetzt hat, gesprochen wird. Da die Verständnisoffenheit der Anzeige gewollt ist, muû sich Benetton auch objektiv voraussehbare, naheliegende Möglichkeiten des Verständnisses seiner Werbemaûnahme zurechnen lassen. Das Problem, daû die Freiheit der Meinungsäuûerung beschränkt würde, wenn der sich Äuûernde befürchten müûte, daû seiner Äuû erung durch "Auslegung" ein bestimmter, von ihm nicht gemeinter Sinn untergeschoben wird (vgl. BVerfGE 43, 130, 136 = NJW 1977, 799), stellt sich hier deshalb nicht (a.A. die oben - unter III. 2. d - angeführten Stellungnahmen in der Literatur, die im vorliegenden Fall die Menschenwürde nicht als verletzt ansehen).
(3) Die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" verletzt die Menschenwürde AidsKranker nicht durch einen konkret faûbaren Aussagegehalt, sondern deshalb, weil sie die Darstellung der Not von Aids-Kranken in einer Unternehmenswer-
bung als Reizobjekt miûbraucht, um zu kommerziellen Zwecken die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das werbende Unternehmen zu lenken.
Die Anzeige stellt einen Menschen dar, der als Aids-infiziert "abgestempelt" ist. Sie kann - wie bereits dargelegt - ohne weiteres als Ausdruck der Solidarität mit Aids-Kranken empfunden werden, als aufrüttelnder Hinweis auf das Leid der Angehörigen einer Gruppe, die nicht nur von einer todbringenden Krankheit betroffen sind, sondern wegen der Ansteckungsgefahr in der Gesellschaft teilweise stigmatisiert und ausgegrenzt werden oder zumindest einer solchen Bedrohung ausgesetzt sind. Die Anzeige wäre deshalb wettbewerbsrechtlich unbedenklich, wenn sie nur in dieser Weise aufgefaût würde oder ihr Charakter als Wirtschaftswerbung ihre Wirkung und ihr Verständnis allenfalls bei unerheblichen Teilen der angesprochenen Öffentlichkeit beeinflussen könnte, weil er nicht oder kaum als solcher wahrgenommen würde. Das ist jedoch nicht der Fall.
Weit überwiegend wird die Anzeige, auch wenn sie zugleich als Aufruf zur Solidarität verstanden wird, als Aufmerksamkeitswerbung für das in der Anzeige genannte Unternehmen wahrgenommen werden. Sie wirkt deshalb nicht nur - in einer wirklich oder angeblich vorhandenen guten Absicht - auf die öffentliche Meinungsbildung ein, sondern benutzt gleichzeitig schweres Leid von Menschen als Werbethema, um - auch durch die Thematisierung gerade in der Wirtschaftswerbung eines Unternehmens - Emotionen aufzurühren, auf diese Weise das Unternehmen zum Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit zu machen und so den Verkauf der eigenen Waren - vor allem von Bekleidungsstükken - zu fördern. Selbst wenn eine Solidarisierung mit Aids-Kranken angenommen wird, wirkt die Anzeige, soweit ihr Charakter als Wirtschaftswerbung von den Betrachtern nicht übersehen oder nur beiläufig wahrgenommen wird, zu-
mindest maûgeblich auch als ein Mittel zum wirtschaftlichen Zweck, das die Gruppe der Aids-Kranken, ihre tiefe Not und ihre Stigmatisierung in der Gesellschaft zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausbeutet. Ein Aufruf zur Solidarität mit Menschen in Not ist zynisch und verletzt ihren Anspruch auf Achtung und mitmenschliche Solidarität um ihrer selbst willen, wenn er mit dem Geschäftsinteresse verbunden wird, die eigenen Unternehmensumsätze in einem ganz anderen Bereich zu steigern. Dieser Zynismus wird noch mehr von denjenigen empfunden werden, die nach ihrer Lebenserfahrung davon ausgehen, daû Wirtschaftswerbung nicht bezweckt, in allgemeinen Lebensfragen zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen, sondern die Kunden zu beeinflussen, um sie bereit zu machen, Waren oder Dienstleistungen abzunehmen, und die deshalb ernsthaft an der Aufrichtigkeit eines etwa angenommenen Aufrufs zur Solidarität mit Aids-Kranken zweifeln.
Noch stärker ist die Wirkung der Anzeige "H.I.V. POSITIVE" als Verletzung der Menschenwürde, soweit sie in der Öffentlichkeit - mangels jeder eigenen auch nur angedeuteten Stellungnahme zur aufgerissenen Problematik - ausschlieûlich oder in erster Linie als Aufmerksamkeitswerbung gesehen wird. Von diesen Teilen der Öffentlichkeit wird die Verletzung der Menschenwürde Betroffener in erheblichem Umfang sogar als bewuûtes Werbemittel durch Abzielen auf einen "Aufschrei der Empörung" in der Gesellschaft über eine derartige Form der Werbung verstanden werden (vgl. dazu im übrigen auch Kassebohm , Grenzen schockierender Werbung, 1995, S. 113 f.).
(4) Tatsächliche Ermittlungen dazu, wie groû der Anteil derjenigen ist, von denen die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" maûgeblich (auch) als Aufmerksamkeitswerbung aufgefaût wird, sind nicht erforderlich (vgl. dazu auch BVerfGE 32, 311, 317 f.). Die Beurteilung, daû die Anzeige sittenwidrig im Sinne des § 1
UWG ist, kann sich bereits auf den tatsächlichen Umstand stützen, daû sich ihr Verständnis als Aufmerksamkeitswerbung handgreiflich aufdrängt. Dies ergibt sich nicht nur aus den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, sondern kann - wie auch die weiteren entscheidungserheblichen Tatsachen - aufgrund der vorliegenden Anzeige und der allgemeinen Lebenserfahrung vom Senat selbst beurteilt werden (vgl. dazu z.B. auch BGH, Urt. v. 5.10.1989 - I ZR 56/89, GRUR 1990, 282, 286 = WRP 1990, 255 - Wettbewerbsverein IV). Welcher genaue Anteil der Bevölkerung dieses Verständnis teilt, kann danach letztlich dahinstehen. Die Menschenwürde wird verletzt, weil hier wirtschaftlicher Eigennutzen durch Abzielen auf den Aufmerksamkeitseffekt verfolgt wird, der zumindest bei nicht unerheblichen Teilen der Öffentlichkeit mit dem aufreiûerischen Bild zur Situation von Aids-Kranken als Reizobjekt erreicht werden kann. Diese Wertung selbst ist eine Rechtsfrage.
Es kommt danach nicht mehr darauf an, daû nach der Überzeugung des Senats, die sich auch auf die Stellungnahmen in der Literatur zum vorliegenden Fall stützen kann (vgl. dazu oben III. 2. d; vgl. auch Callies, AfP 2000, 248, 252), die weit überwiegende Mehrheit der angesprochenen Öffentlichkeit die Anzeige nicht als unverfänglichen Aufruf eines Unternehmens zur Solidarität mit Aids-Kranken verstehen wird, sondern als Maûnahme, die in erster Linie dem eigenen wirtschaftlichen Vorteil dienen soll und bei dieser Motivation in besonders grober Weise die Menschenwürde verletzt.
(5) Da die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" jedenfalls deshalb sittenwidrig ist, weil sie die Menschenwürde verletzt, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, daû noch weitere Umstände vorliegen, die zur Sittenwidrigkeit der Anzeige als Werbemaûnahme beitragen. Die - zumindest maûgeblich auch aus eigennützigen wirtschaftlichen Motiven geschaltete - Anzeige ist auch deshalb wett-
bewerbswidrig, weil sie geeignet ist, bei einem nicht unerheblichen Teil der Betrachter Gefühle der Angst vor der Bedrohung durch Aids auszulösen sowie die durch Aids Betroffenen und ihre Angehörigen in unzumutbarer Weise gerade in der Form der Werbung mit ihrem Elend zu konfrontieren. Ob die Anzeige - wie die Revisionserwiderung meint - auch für die nicht selbst betroffene Öffentlichkeit als Schockwerbung das Maû dessen überschreitet, was ihr in der Wirtschaftswerbung als Belästigung zumutbar ist (vgl. dazu BVerfGE 102, 347, 363 f. - Benetton-Werbung), kann danach offenbleiben.
3. Die Revision wendet sich weiter ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Landgerichts, daû die Beklagte als Presseunternehmen durch den Abdruck der Anzeige "H.I.V. POSITIVE" auch selbst sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt hat.

a) Die Beklagte hat bei der Veröffentlichung der Anzeige in Wettbewerbsabsicht gehandelt und zwar nicht nur zum Zweck der Förderung der eigenen Wettbewerbsposition, sondern auch zur Förderung der wettbewerblichen Stellung des werbenden Unternehmens Benetton. Eine solche Wettbewerbsabsicht ist im Anzeigengeschäft der Presse ohnehin zu vermuten (BGH, Urt. v. 26.4.1990 - I ZR 127/88, GRUR 1990, 1012, 1013 = WRP 1991, 19 - Pressehaftung I; Urt. v. 19.3.1992 - I ZR 166/90, GRUR 1993, 53, 54 - Ausländischer Inserent; Urt. v. 30.6.1994 - I ZR 40/92, GRUR 1994, 841, 842 f. = WRP 1994, 739 - Suchwort); Besonderheiten, die dagegen sprechen, liegen hier nicht vor.

b) Die Beklagte hat bei der Veröffentlichung der Anzeige die ihr wettbewerbsrechtlich obliegenden Prüfungspflichten verletzt.
Der Schutz der Pressefreiheit gemäû Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schlieût auch das Anzeigengeschäft ein (BVerfGE 21, 271, 278; 102, 347, 359 - Benetton-Werbung). Im Hinblick auf die Besonderheiten des Anzeigengeschäfts kann ein Presseunternehmen demgemäû nur eingeschränkt für wettbewerbswidrige Anzeigen seiner Inserenten verantwortlich gemacht werden. Um die tägliche Arbeit nicht über Gebühr zu erschweren und die Verantwortlichen nicht zu überfordern, gelten bei Anzeigen keine umfassenden Prüfungspflichten. Ein Presseunternehmen haftet vielmehr wettbewerbsrechtlich für die Veröffentlichung einer Anzeige nur dann, wenn diese grob und unschwer erkennbar wettbewerbswidrig ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2000 - I ZR 167/98, GRUR 2001, 529, 531 = WRP 2001, 531 - Herz-Kreislauf-Studie, m.w.N.). Das ist hier jedoch der Fall.
Die Benetton-Anzeige "H.I.V. POSITIVE" ist doppelseitig, farbig und entsprechend aufwendig; sie fällt nach ihrem ungewöhnlichen Gegenstand schon auf den ersten Blick ganz aus dem Rahmen der herkömmlichen Werbung. Der Abdruck einer derartigen Anzeige ist kein Massengeschäft, sondern erfordert eine sorgfältigere Prüfung. Bei einer solchen Prüfung drängt sich hier die Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige auf. Es geht nicht etwa um einen Verstoû gegen Nebengesetze, deren Kenntnis und fehlerfreie Anwendung in einer Anzeigenredaktion nicht selbstverständlich sein muû. Die Anzeige ist sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, weil sie gegen die Menschenwürde verstöût. Um dies zu erkennen, waren keine Rechtskenntnisse erforderlich; es genügte eine unbefangene Betrachtung der Anzeige selbst. Es mag sein, daû die Beklagte die Anzeige selbst in erster Linie als Aufruf zur Solidarität mit Aids-Kranken aufgefaût hat. Aber auch dann war für sie unschwer erkennbar, daû die Anzeige ebenso weit überwiegend oder ausschlieûlich als Unternehmenswerbung gesehen werden kann und aus dieser Sicht eine aufreiûerische Aufmerksam-
keitswerbung darstellt, die zynisch eigene wirtschaftliche Interessen unter Ausbeutung der Not Betroffener verfolgt und damit deren Menschenwürde verletzt.
Der Gang des gerichtlichen Verfahrens spricht nicht gegen diese Beurteilung. Die Anzeige ist bereits in zwei Instanzen als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG angesehen worden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Anzeige nicht als rechtlich unbedenklich eingestuft, sondern die erste in dieser Sache ergangene Senatsentscheidung aufgehoben, weil es deren Begründung aus verfassungsrechtlicher Sicht als unzureichend angesehen hat. Eine eigene abschlieûende Bestimmung des Aussagegehalts der Anzeige hat das Bundesverfassungsgericht - wie dargelegt (oben III. 2. d (2)) - allein deshalb nicht vorgenommen , weil dies nicht seine Aufgabe sei (BVerfGE 102, 347, 367 - Benetton -Werbung). Die Ausführungen in dem ersten Senatsurteil zur wettbewerbsrechtlichen Verantwortlichkeit der Beklagten hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet. Hätten insoweit Bedenken bestanden, wäre es naheliegend gewesen, die aufhebende Entscheidung auch auf diese zu stützen.

c) Der Wettbewerbsverstoû der Beklagten begründet die Wiederholungsgefahr.
Eine Begehungsgefahr besteht im übrigen auch nach den Grundsätzen der Erstbegehungsgefahr. Eine Erstbegehungsgefahr begründet, wer sich des Rechts berühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen. Das gilt hier auch für die Berühmung der Beklagten im Rahmen ihrer Rechtsverteidigung (vgl. dazu auch BVerfGE 102, 347, 361 f. - Benetton-Werbung; BGH, Urt. v. 31.5.2001 - I ZR 106/99, GRUR 2001, 1174, 1175 = WRP 2001, 1076 - Berühmungsaufgabe , m.w.N.). Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat das im vorliegenden Hauptsacheverfahren beantragte Unterlassungsgebot bereits
durch Beschluû vom 3. März 1994 im Wege der einstweiligen Verfügung ausgesprochen und dies damit begründet, daû die Anzeige "H.I.V. POSITIVE" grob und eindeutig im Sinne des § 1 UWG sittenwidrig sei und die Menschenwürde Aids-Kranker verletze. Nach dieser Entscheidung konnte sich die Beklagte nicht mehr darauf berufen, daû sie bei der Veröffentlichung von Anzeigen nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht habe. Die Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige muûte sich ihr nunmehr verstärkt aufdrängen. Wenn sie sich trotzdem vorbehaltlos allein damit verteidigte, daû die abgedruckte Anzeige nicht oder jedenfalls nicht grob und leicht erkennbar wettbewerbswidrig sei, ohne zugleich deutlich zu machen, daû sie damit nur ihre Rechte im anhängigen Rechtsstreit wahren wolle, begründete sie die ernsthafte und greifbare Besorgnis, daû sie bei nächster Gelegenheit das beanstandete Inserat erneut oder andere von dem Unterlassungsgebot erfaûte Inserate dieser Art veröffentlichen werde.
4. Der Wettbewerbsverstoû der Beklagten ist auch geeignet, den Wettbewerb ganz erheblich zu beeinträchtigen (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Betroffen sind nicht nur die Märkte für Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen sowie für Bekleidungsstücke, sondern der gesamte Wettbewerb im Inland, soweit um Endverbraucher als Kunden geworben wird. Dies ergibt sich hier ohne weiteres aus den im Revisionsverfahren feststehenden Umständen.
Das Merkmal der Eignung einer Handlung, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen, ist im Hinblick auf die Zielsetzung des Gesetzes auszulegen (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2000 - I ZR 210/98, GRUR 2001, 258, 259 = WRP 2001, 146 - Immobilienpreisangaben, m.w.N.). Maûgebend ist danach die - unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilende - Eignung der Handlung, entgegen dem Schutzzweck des Gesetzes auf das Marktgeschehen einzuwirken.

Die Anzeige ist - zumindest auch - darauf angelegt und geeignet, durch Ausbeutung eines Reizthemas auf Kosten der dadurch betroffenen Gruppe einen ganz erheblichen Aufmerksamkeitseffekt zu erzielen und so das Interesse der Öffentlichkeit auf das werbende Unternehmen zu ziehen. Unabhängig davon , ob auf diese Weise tatsächlich - wie angestrebt - ein wirtschaftlicher Erfolg erreicht werden konnte, ist eine solche Werbemaûnahme - wenn sie nicht unterbunden werden kann - ihrer Art nach geeignet, in weitem Umfang Nachahmer zu finden. Es ist allerdings unwahrscheinlich, daû dasselbe Thema - die Situation Aids-Kranker - wieder Gegenstand einer ähnlichen Anzeige werden könnte. Die Wirkung der konkreten Anzeige beruht gerade auf dem überraschenden und neuartigen Aufgreifen dieses Reizthemas. Es besteht aber die konkrete Gefahr, daû die bei der Anzeige "H.I.V. POSITIVE" angewandte Methode um sich greift, durch Ausbeuten von Reizthemen und Tabus als Gegenstand oder Aufhänger von Werbung Aufmerksamkeitseffekte zu erzielen. Eine Anzeige wie "H.I.V. POSITIVE", die Werbung unter Miûachtung der Menschenwürde anderer betreibt, ist geeignet, Werbungtreibende zu ähnlichen Grenzüberschreitungen zu veranlassen, bei denen die Probleme, Besonderheiten und Überzeugungen anderer als Werbethema benutzt und diese damit herabgewürdigt werden (vgl. dazu auch Kassebohm aaO S. 139, 154). Unternehmen können so ermutigt werden, herabsetzende und diskriminierende Werbung auf Kosten der Würde der Frau, von Behinderten, ethnischen und politischen Minderheiten, Ausländern oder religiösen Gruppen einzusetzen. Nur selten werden derartige Werbeäuûerungen nicht gut kaschiert sein und nicht auch eine naheliegende harmlose Deutung ermöglichen. An der Eignung solcher - mehr oder weniger unterschwellig manipulierender - Werbemaûnahmen , gefühlsverrohend und minderheitenfeindlich zu wirken, ändert dies nichts. Mit einem Umsichgreifen von Formen der Werbung in der Art der Anzeige
"H.I.V. POSITIVE" wäre deshalb die Gefahr einer Verwilderung und Verrohung der Wettbewerbssitten verbunden.
Eine solche Entwicklung zu unlauterem Wettbewerb würde die Belange der Wettbewerber erheblich beeinträchtigen, auch wenn nicht mit einer gröûeren Zahl von Nachahmern gerechnet werden müûte. Sie würde auch den Leistungswettbewerb gefährden, auf dessen Schutz sich der Zweck des Wettbewerbsrechts allerdings nicht beschränkt (vgl. dazu näher Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 5. Aufl., S. 44 f.; GroûKomm/Schünemann, UWG Einl. Rdn. D 81 ff.; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 6. Aufl., S. 36 f.; ders. in Festschrift für Kraft, 1998, S. 519, 526 ff.; Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung, 1995, S. 76 ff.; Ohly, Richterrecht und Generalklausel im Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1997, S. 219 ff.; Wünnenberg aaO S. 98 ff., 105 f.). Die Voraussetzungen, unter denen sich Leistungswettbewerb entfalten kann, würden in den davon betroffenen Bereichen des Wettbewerbs wesentlich beeinträchtigt, wenn Werbungtreibende vermehrt dazu übergingen, den Kampf um die Aufmerksamkeit der Verbraucher in der Art der Anzeige "H.I.V. POSITIVE" zu führen und so ihren Vorteil auf Kosten derjenigen Wettbewerber zu suchen, die das im Wettbewerb unabdingbare Maû an Achtung vor anderen und ihren verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern bewahren.
IV. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Büscher

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 193/99 Verkündet am:
18. Oktober 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Elternbriefe

a) Bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses macht es grundsätzlich keinen
Unterschied, ob der Tatrichter seine Sachkunde und Lebenserfahrung
zur Bejahung oder zur Verneinung einer Irreführungsgefahr einsetzen
möchte.

b) In der Verwendung amtlich erlangter Informationen zu dem Zweck, unter
Ausnutzung amtlicher Autorität eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern
, kann eine nach § 1 UWG unlautere Randnutzung einer öffentlichen
Einrichtung liegen (hier: gemeinsame Versendung sog. Elternbriefe einer
staatlichen Stelle und Werbematerial einer Landesbausparkasse gegen
Übernahme der Portokosten).
BGH, Urt. v. 18. Oktober 2001 - I ZR 193/99 - OLG Bremen
LG Bremen
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 24. Juni 1999 aufgehoben.
II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bremen vom 8. Oktober 1998 abgeändert: 1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, es zu unterlassen, Werbematerial ihres Unternehmensbereiches Landesbausparkasse Bremen, insbesondere solches, welches schlagwortartig mit der Bezeichnung "Elterninfo" überschrieben ist, zusammen mit "Elternbriefen" der Beklagten zu 2 durch diese und/oder durch von dieser eingeschaltete Dritte in Briefumschlägen versenden zu lassen, welche mit der Absenderangabe des Amtes für Soziale Dienste der Freien Hansestadt Bremen versehen sind.
2. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, es zu unterlassen, das unter vorstehender Ziffer 1 bezeichnete Werbematerial zusammen mit ihren "Elternbriefen" in Briefumschlägen zu versenden und/oder versenden zu lassen, welche eine Absenderangabe nach vorstehender Ziffer 1 aufweisen.
3. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM angedroht.
4. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin über den Umfang von Handlungen gemäß vorstehenden Ziffern 1 und 2 Auskunft zu erteilen.
5. Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die ihr aus den Handlungen gemäß vorstehenden Ziffern 1 und 2 entstanden sind und künftig entstehen werden.
III.Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte zu 2, die Freie Hansestadt Bremen, versendet seit Juni 1971 durch ihr Amt für Soziale Dienste sogenannte Elternbriefe an die Eltern in Bremen lebender Kinder. Diese während der ersten acht Lebensjahre der Kin-
der in regelmäûigen Zeitabständen übersandten Schriften behandeln pädagogische Probleme, die in dem jeweiligen Lebensalter des Kindes auftreten können. Seit Mai 1982 legt die Beklagte zu 2 den Elternbriefen sogenannte Elterninfos der Beklagten zu 1, der Sparkasse in Bremen, bei, mit denen diese für die Leistungen ihres Unternehmensbereichs Landesbausparkasse Bremen wirbt. Als Gegenleistung erstattet die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 die Portokosten der Sendungen. Als deren Absender geht aus dem Freistempleraufdruck auf den Briefumschlägen das Amt für Soziale Dienste hervor.
Die Klägerin, eine Bausparkasse, die mit der Beklagten zu 1 in Wettbewerb steht, hält diese Form der Werbung für wettbewerbswidrig und irreführend. Sie ist der Auffassung, die Beklagte zu 1 nutze die besondere staatliche Funktion der Beklagten zu 2 in unzulässiger Weise aus. Aufgrund der Absenderangabe auf den Briefumschlägen würden die Sendungen als Behördenpost durchweg geöffnet und ihr Inhalt zur Kenntnis genommen. Dadurch erfahre auch die Werbebeilage der Beklagten zu 1 im Unterschied zu gewöhnlichen Werbebriefen, die groûenteils ungelesen weggeworfen würden, eine besondere Aufmerksamkeit, weil der Behördenpostempfänger zunächst einmal erkennen müsse, was staatliche oder private Information sei. Durch die Verwendung der Überschrift "Elterninfo" und die Erwähnung der "Landesbausparkasse" stelle die Beklagte zu 1 eine Verbindung zum "Elternbrief" der Beklagten zu 2 und zum Staat her, zumal Sparkassen grundsätzlich öffentlich-rechtlich organisiert seien. Die gemeinsame Versendung der Elterninfos mit den Elternbriefen und die Anlehnung an die staatliche Autorität täusche den Verkehr zugleich über Inhalt und Herkunft der Sendung.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu 1 unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen , es zu unterlassen, Werbematerial ihres Unternehmensbereiches Landesbausparkasse Bremen, insbesondere solches, welches schlagwortartig mit der Bezeichnung "Elterninfo" überschrieben ist, durch die Beklagte zu 2 und/oder durch von der Beklagten zu 2 eingeschaltete Dritte in Briefumschlägen versenden zu lassen, welche mit der Absenderangabe des Amtes für Soziale Dienste der Freien Hansestadt Bremen versehen sind; 2. die Beklagte zu 2 unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen , es zu unterlassen, das unter vorstehender Ziffer 1. bezeichnete Werbematerial in Briefumschlägen zu versenden und/ oder versenden zu lassen, welche eine Absenderangabe nach vorstehender Ziffer 1. aufweisen; 3. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang von Handlungen gemäû vorstehenden Ziffern 1. und 2.; 4. festzustellen, daû die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die ihr aus den Handlungen gemäû vorstehenden Ziffern 1. und 2. entstanden sind und künftig entstehen werden. Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie haben die Auffassung vertreten, es liege keine Ausnutzung staatlicher Autorität und auch keine unsachliche Einfluûnahme auf die Empfänger der Briefsendungen vor. Diese seien daran gewöhnt, daû staatliche Stellen sich zur Einsparung von Haushaltsmitteln der Unterstützung privater Unternehmen bedienten und dafür deren Werbung als Randnutzung öffentlicher Einrichtungen zulieûen. Sie unterschieden deshalb ohne weiteres zwischen der staatlichen Information und der gestatteten Werbung Dritter und hielten diese nicht für eine staatliche Empfehlung. Die Beklagte zu 2 hat darüber hinaus geltend gemacht, sie handele nicht in der Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern, sondern wolle ausschlieûlich
die weitere Versendung der Elternbriefe sicherstellen, die ohne die finanzielle Unterstützung der Beklagten zu 1 wegen fehlender Haushaltsmittel eingestellt werden müûte.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Bremen WRP 1999, 945).
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat gemeint, das Verhalten der Beklagten verstoûe weder gegen § 1 UWG noch gegen § 3 UWG. Dazu hat es ausgeführt:
Ein Miûbrauch des der öffentlichen Verwaltung im allgemeinen entgegengebrachten Vertrauens durch das Empfehlen der Leistungen der Beklagten zu 1 seitens der Beklagten zu 2 liege nicht vor. Daû den Elternbriefen über Jahre hinweg kommentarlos die Werbebeilage beigefügt werde, erwecke nicht den Eindruck einer Empfehlung, weil für den Empfänger offenkundig sei, daû es in den Elternbriefen der Beklagten zu 2 um die Erörterung und Lösung pädagogischer Probleme gehe, während die Werbebeilage der Beklagten zu 1 das rein kommerzielle Interesse erkennen lasse, Kunden für die Landesbausparkasse anzuwerben. Erst recht liege unter diesen Umständen kein Miûbrauch staatlicher Autorität dahingehend vor, daû die Wahrnehmung des Angebots
eines privaten Leistungsanbieters im Interesse amtlich vertretener Belange erwünscht sei.
Die Randnutzung öffentlicher Einrichtungen für eigene erwerbswirtschaftliche Zwecke durch die Gestattung von Werbung privater Unternehmen zur Erzielung von Einnahmen und Entlastung der öffentlichen Haushalte sei wettbewerbsrechtlich zulässig, wenn dabei - wie im Streitfall - der Bereich öffentlicher und privater Tätigkeit deutlich getrennt und der Eindruck vermieden werde, daû eine erwerbswirtschaftliche Betätigung zugleich der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben diene. Die mittelbare Nutzung des bei der Beklagten zu 2 vorhandenen Datenmaterials und der erhöhten Aufmerksamkeit, die behördlichen Briefsendungen von ihren Empfängern allgemein entgegengebracht werde , sei danach als unbedenklich anzusehen.
Der Umstand, daû die Werbebeilage der Beklagten zu 1 sich in einem Umschlag befinde, der als Absender die Beklagte zu 2 angebe, führe einen verständigen, durchschnittlich aufmerksamen und informierten Empfänger der Sendung nicht zu der Annahme, daû auch die Werbebeilage selbst von der Beklagten zu 2 stamme; denn nach Inhalt und Aufmachung der Beilage sei klar erkennbar, daû es sich um eine Werbung der Beklagten zu 1 handele.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Zwar hat das Berufungsgericht mit Recht eine amtliche Empfehlung verneint (1.). Auch einen Autoritätsmiûbrauch hat es zutreffend abgelehnt (2.). Das Verhalten der Beklagten ist jedoch deswegen als nach § 1 UWG wettbewerbswidrig anzusehen, weil in der mittelbaren Nutzung des amtlichen Datenmaterials für kommerzielle Zwecke eine unzulässige Randnutzung einer öffent-
lichen Einrichtung zu sehen ist (3.). Die Revision führt daher zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Verurteilung der beiden Beklagten gemäû den Klageanträgen.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daû kein Miûbrauch des der öffentlichen Verwaltung im allgemeinen entgegengebrachten Vertrauens durch Empfehlung der Leistungen der Beklagten zu 1 seitens der Beklagten zu 2 vorliegt.
Das Empfehlen der Leistungen eines privaten Unternehmens durch eine staatliche Stelle verstöût gegen § 1 UWG, wenn dadurch das der öffentlichen Verwaltung entgegengebrachte Vertrauen in die Objektivität und Neutralität ihrer Amtsführung miûbraucht wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Empfehlung nicht das Ergebnis einer sachlichen und unparteiischen Wertung ist, sondern von geschäftlichen Interessen bestimmt wird und die Gleichbehandlung von Mitbewerbern beeinträchtigt (vgl. BGHZ 19, 299, 304 ff. - Bad Ems; BGH, Urt. v. 30.10.1963 - Ib ZR 72/62, GRUR 1964, 210, 213 = WRP 1964, 85 - Landwirtschaftsausstellung; Urt. v. 4.4.1984 - I ZR 9/82, GRUR 1984, 665, 667 = WRP 1984, 399 - Werbung in Schulen; Urt. v. 19.6.1986 - I ZR 53/84, GRUR 1987, 119, 121 f. = WRP 1987, 25 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb II; Urt. v. 24.2.1994 - I ZR 59/92, GRUR 1994, 516, 517 = WRP 1994, 506 - Auskunft über Notdienste).
Das beanstandete Verhalten der Beklagten ist unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt jedoch schon deshalb nicht als wettbewerbswidrig anzusehen, weil es nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht den Eindruck einer Empfehlung erweckt. Die Revision rügt ohne Erfolg, es sei
verfahrensfehlerhaft, daû das Berufungsgericht den empfehlenden Charakter der jahrelangen gemeinsamen Versendung von Elternbrief und Elterninfo verneint habe, ohne das von der Klägerin zum Beweis einer abweichenden Verkehrsauffassung beantragte demoskopische Gutachten einzuholen.

a) Anders als die Revision meint, ist das Berufungsgericht nicht davon ausgegangen, daû die von ihm festgestellte Verkehrsauffassung wegen Offenkundigkeit im Sinne von § 291 ZPO nicht beweisbedürftig sei. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es sei für den Empfänger offenkundig, daû es bei den Elternbriefen der Beklagten zu 2 um die Erörterung und Lösung von pädagogischen Problemen gehe, während die Werbebeilage der Beklagten zu 1 lediglich das rein kommerzielle Interesse erkennen lasse, Kunden für die Landesbausparkasse anzuwerben. Demnach hat das Berufungsgericht lediglich angenommen , es sei für den Empfänger der Briefsendung offenkundig im sprachlichen Sinne, inwiefern Elternbriefe und Werbebeilagen sich voneinander unterschieden ; dagegen hat es nicht gemeint, es sei im Sinne des § 291 ZPO offenkundig , wie der Empfänger der Briefsendung diese verstehe.

b) Da andere Feststellungsgrundlagen nicht ersichtlich sind, ist davon auszugehen, daû das Berufungsgericht seine Feststellungen - unausgesprochen - aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung getroffen hat. Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht sei nicht in der Lage gewesen, die Anschauungen der angesprochenen Personenkreise aufgrund eigener Sachkunde wiederzugeben, weil es nur einen Teil der angesprochenen Verkehrskreise repräsentiere.
Die Briefsendungen sind an die Eltern in Bremen lebender Kinder bis zum achten Lebensjahr gerichtet. Daû sie von diesen Eltern anders als von anderen Personen verstanden werden könnten, macht die Revision nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Die Briefe sind daher nicht anders zu beurteilen als Schreiben, die sich an die Allgemeinheit wenden. Zur Feststellung der Verkehrsauffassung der Allgemeinheit ist der Tatrichter als Teil dieser Allgemeinheit regelmäûig ohne weiteres in der Lage. Dies bedurfte - anders als die Revision meint - keiner näheren Darlegungen im Berufungsurteil.

c) Entgegen der Ansicht der Revision sind an die Feststellung der Verkehrsauffassung kraft eigener Sachkunde und Lebenserfahrung nicht deshalb höhere Anforderungen zu stellen, weil das Berufungsgericht den empfehlenden Charakter des Verhaltens der Beklagten verneint hat. Es gelten grundsätzlich keine unterschiedlichen Anforderungen einerseits für die Bejahung und andererseits für die Verneinung einer bestimmten Verkehrsauffassung.
Der Senat hat allerdings in früheren Entscheidungen, in denen zu prüfen war, ob nach der Verkehrsauffassung eine Irreführungsgefahr bestand, ausgesprochen , daû eine Feststellung aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu dem angesprochenen Verkehrskreis eher in Betracht komme, wenn es um die Bejahung einer Irreführungsgefahr gehe, als dann, wenn diese verneint werden solle (BGH, Urt. v. 20.2.1992 - I ZR 32/90, GRUR 1992, 406, 407 = WRP 1992, 469 - Beschädigte Verpakkung I, m.w.N.). Er hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, daû hinsichtlich der Vorstellungen einer Minderheit, auf die es für die Bejahung einer Irreführungsgefahr ankommt, weil dafür die Feststellung ausreicht, daû ein nicht ganz unerheblicher Teil des Verkehrs irregeführt werden kann, verläûli-
che Feststellungen aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung eher getroffen werden können als hinsichtlich der Anschauungen einer Mehrheit, auf die bei der Verneinung der Irreführungsgefahr abzustellen ist; denn diese Verneinung erfordert die Feststellung, daû ein weit überwiegender Teil des Verkehrs nicht irregeführt werden kann.
Diese Erwägung beruhte ihrerseits auf der Annahme, daû die Verkehrsauffassung - insbesondere wenn der angesprochene Verkehr aus einem weitgespannten und vielschichtigen Personenkreis besteht (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1962 - I ZR 43/61, GRUR 1963, 270, 273 = WRP 1962, 404 - Bärenfang; Urt. v. 7.7.1978 - I ZR 38/77, GRUR 1978, 652, 653 = WRP 1978, 656 - miniPreis ) - uneinheitlich ist, weil sie davon abhängt, wie aufmerksam, informiert und verständig die einzelnen Verbraucher sind. Unter dieser Voraussetzung besagte die Verneinung der Irreführungsgefahr durch den Richter nicht stets, daû auch für eine nicht ganz unerhebliche Minderheit von Verbrauchern keine Irreführungsgefahr bestand.
Der Senat geht in seiner neueren Rechtsprechung jedoch davon aus, daû bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses auf einen situationsadäquat durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Verbraucher abzustellen ist (BGH, Urt. v. 20.10.1999 - I ZR 167/97, GRUR 2000, 619, 621 = WRP 2000, 517 - Orient-Teppichmuster; Urt. v. 17.2.2000 - I ZR 239/97, GRUR 2000, 820, 821 = WRP 2000, 724 - Space Fidelity PeepShow ; Urt. v. 5.7.2001 - I ZR 104/99, Umdruck S. 10 - Fernflugpreise). Ist aber die Vorstellung eines situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers maûgeblich und kommt es demnach nicht auf die möglicherweise hiervon abweichenden Anschauungen einer Minderheit von Verbrauchern an, so macht
es grundsätzlich keinen Unterschied, ob der Tatrichter seine Sachkunde und Lebenserfahrung zur Bejahung oder zur Verneinung einer Irreführungsgefahr einsetzen möchte (vgl. Bornkamm, WRP 2000, 830, 832 f., 834).

d) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe die Verkehrsauffassung auch deshalb nicht aufgrund eigener Sachkunde ohne Einholung des beantragten demoskopischen Gutachtens feststellen dürfen, weil - was das Berufungsgericht auûer acht gelassen habe - verschiedene gewichtige Indizien dafür sprächen, daû die beteiligten Verkehrskreise in der Beifügung der Werbebeilage der Beklagten zu 1 eine Empfehlung durch die Beklagte zu 2 sähen.
Die Beurteilung, ob die Feststellung der Verkehrsauffassung kraft eigener richterlicher Sachkunde möglich ist oder eine Beweisaufnahme erfordert, ist tatrichterlicher Natur. Sie ist daher in der Revisionsinstanz nur darauf zu überprüfen, ob die Vorinstanz den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft und ihre Beurteilung frei von Widersprüchen mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen vorgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.1990 - I ZR 164/88, GRUR 1990, 1053, 1054 = WRP 1991, 100 - Versäumte Meinungsumfrage). Eine Beweiserhebung kann danach insbesondere dann geboten sein, wenn Umstände vorliegen, die eine bestimmte Auffassung als bedenklich erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 10.2.1982 - I ZR 65/80, GRUR 1982, 491, 492 = WRP 1982, 409 - Möbel-Haus, m.w.N.). Ein entsprechender Rechtsfehler ist im Berufungsurteil jedoch nicht zu erkennen.
Das Berufungsgericht hat die nach der Ansicht der Revision auûer acht gelassenen Gesichtspunkte durchaus berücksichtigt. Es hat in seine Erwägungen einbezogen, daû die Beklagte zu 2 über viele Jahre hinweg regelmäûig ausschlieûlich Werbematerial der Beklagten zu 1 ohne Hinweis auf die ihr dafür geleistete finanzielle Unterstützung beigefügt hat, und hat sich ferner hinreichend damit auseinandergesetzt, daû zwischen den Elterninfos der Beklagten zu 1 und den Elternbriefen der Beklagten zu 2 in Titel, Stil, Aufmachung, Gestaltung und Inhalt gewisse Übereinstimmungen oder jedenfalls Ähnlichkeiten bestanden.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die beteiligten Verkehrskreise sähen unter Berücksichtigung dieser Umstände in der Beifügung der Werbebeilage der Beklagten zu 1 gleichwohl keine Empfehlung durch die Beklagte zu 2, widerspricht auch nicht der Lebenserfahrung. Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, die über Jahre hinweg erfolgende kommentarlose Beifügung der Werbebeilage erwecke nicht den Eindruck einer Empfehlung, weil für den Empfänger offenkundig sei, daû es bei den Elternbriefen der Beklagten zu 2 um die Erörterung und Lösung von pädagogischen Problemen gehe, während die Werbebeilage der Beklagten zu 1 allein das rein kommerzielle Interesse der Kundenwerbung erkennen lasse, ist dies ebensowenig erfahrungswidrig wie seine Annahme, die Beklagte zu 1 habe durch die Bezeichnung "Elterninfo" und die Anrede "Liebe Eltern" keine inhaltliche Beziehung zu den durch die Elternbriefe vermittelten pädagogischen Anliegen hergestellt, sondern lediglich eine persönlich gehaltene Ansprache gewählt, die den Blick auf den kommerziellen Charakter der Werbebeilage nicht verstellt habe (vgl. OLG Köln GRUR 1995, 433, 434 zu einer Fallgestaltung, bei der eine Werbebeilage nicht nur beigefügt, sondern auf sie ausdrücklich Bezug genommen wurde). Angesichts
der rechtsfehlerfrei festgestellten deutlichen Unterschiede zwischen den Elternbriefen und der Werbebeilage brauchte das Berufungsgericht demnach auch mit Blick auf die von der Revision hervorgehobenen Umstände keine Zweifel daran zu hegen, daû die Empfänger der Briefsendung nicht annahmen, die Beklagte zu 2 empfehle die in der Werbebeilage genannten Leistungen der Beklagten zu 1.
2. Das Berufungsgericht hat auch ohne Rechtsverstoû einen Autoritätsmiûbrauch im Sinne der bisher ergangenen Rechtsprechung verneint.
Allerdings ist nach den vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen davon auszugehen, daû behördlichen Briefsendungen von ihren Empfängern im allgemeinen eine erhöhte Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Da sich die Werbebeilage der Beklagten zu 1 in einem Briefumschlag befindet, dessen Freistempleraufdruck das Amt für Soziale Dienste der Beklagten zu 2 als Absender ausweist, wird ihr demnach besondere Aufmerksamkeit zuteil.
Entgegen der Ansicht der Revision ist jedoch allein in dem bloûen Erwecken von Aufmerksamkeit kein Miûbrauch amtlicher Autorität zu sehen. Ein solcher Miûbrauch kann zwar anzunehmen sein, wenn eine psychische Zwangslage herbeigeführt oder sonst ein sachwidriger Druck ausgeübt wird, um auf eine bestimmte Entscheidung hinzuwirken (vgl. BGH, Urt. v. 22.9.1972 - I ZR 73/71, GRUR 1973, 530, 531 - Crailsheimer Stadtblatt; Urt. v. 3.11.1978 - I ZR 90/77, GRUR 1979, 157, 158 = WRP 1979, 117 - Kindergarten-Malwettbewerb ; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 467). Davon kann aber - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - unter den im Streitfall gegebe-
nen Umständen, nach denen das gemeinsame Versenden von Elternbrief und Elterninfo von den Empfängern der Briefsendungen noch nicht einmal als Empfehlung aufgefaût wird, nicht ausgegangen werden.
3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch in der mittelbaren Nutzung des bei der Beklagten zu 2 vorhandenen Datenmaterials und in der erhöhten Aufmerksamkeit, die behördlichen Briefsendungen von ihren Empfängern allgemein entgegengebracht wird, eine unbedenkliche Randnutzung einer öffentlichen Einrichtung gesehen. Die Ausnutzung der amtlich erlangten Informationen über Namen und Adressen aller Eltern von Kindern unter acht Jahren in Bremen unter gleichzeitiger Ausnutzung staatlicher Autorität durch die gemeinsame Versendung von Elternbrief und Elterninfo in Briefumschlägen, die mit der Absenderangabe des Amtes für Soziale Dienste versehen sind, ist wettbewerbswidrig.
Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daû die Randnutzung öffentlicher Einrichtungen für eigene erwerbswirtschaftliche Zwecke wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig ist, wenn die öffentliche Tätigkeit deutlich von der privaten getrennt und der Eindruck vermieden wird, die erwerbswirtschaftliche Betätigung sei noch Teil der hoheitlichen Aufgabenerfüllung (vgl. GroûKomm.UWG/Köhler, § 1 Rdn. E 43; Köhler/Piper aaO § 1 Rdn. 472 m.w.N.). Unter diesen Voraussetzungen ist es als zulässig angesehen worden, daû die öffentliche Hand Werbung privater Unternehmen zuläût (H. Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb, 2. Aufl. 1987, S. 187 f. und 224, m.w.N.) und beispielsweise amtliche Veröffentlichungen durch die entgeltliche Aufnahme privater Werbeanzeigen wirtschaftlich ausnutzt, um die so erzielten Mittel für die Erfüllung öffentli-
cher Aufgaben zu verwenden (BGH, Urt. v. 4.12.1970 - I ZR 96/69, GRUR 1971, 168, 170 = WRP 1971, 219 - Ärztekammer; BGH GRUR 1973, 530, 531 - Crailsheimer Stadtblatt). In gleicher Weise ist auch die Randnutzung amtlich erlangter Informationen oder Beziehungen im Wettbewerb regelmäûig nicht bereits deshalb unlauter, weil die Verwaltung damit von Möglichkeiten Gebrauch macht, über die sie nur aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung verfügt.
Die Unlauterkeit einer Nutzung solcher Mittel kann sich jedoch aus dem Verwendungszweck ergeben. So ist es als unlauter anzusehen, wenn die öffentliche Hand amtlich erlangte Informationen oder Beziehungen dazu ausnutzt , sich oder Dritten einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor Mitbewerbern zu verschaffen, denen diese Informationen und Beziehungen nicht ohne weiteres in gleicher Weise zugänglich sind (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.1974 - I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 735 = WRP 1974, 397 - Schilderverkauf; Urt. v. 19.6.1986 - I ZR 54/84, GRUR 1987, 116, 118 = WRP 1987, 22 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I; Urt. v. 11.5.1989 - I ZR 91/87, GRUR 1989, 603, 604 = WRP 1989, 587 - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb III; OLG Hamm NJW-RR 1992, 1071 f.; OLG Köln WRP 1991, 259, 262 f.; H. Schricker aaO S. 204 f., m.w.N.; GroûKomm.UWG/Köhler § 1 Rdn. E 40; Köhler/Piper aaO § 1 Rdn. 470). Das Verhalten der Beklagten ist unter diesem Gesichtspunkt allerdings nicht zu beanstanden. Weder hat die Klägerin geltend gemacht noch ist sonst ersichtlich, daû sich die Beklagte zu 2 geweigert hätte, interessierten Mitbewerbern in gleicher Weise wie der Beklagten zu 1 die Nutzung der Daten zu ermöglichen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte zu 2 der Klägerin vielmehr angeboten, sich mit ihr
"zwecks Vereinbarung einer eventuellen wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Form eines Werbeengagements in Verbindung zu setzen", weil ihr "nicht an der einseitigen Bevorzugung eines Kreditinstitutes bzw. einer Bausparkasse gelegen sei".
Als unlauter ist es aber auch zu erachten, wenn amtlich erlangte Informationen dazu verwendet werden, um unter Ausnutzung amtlicher Autorität eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern. So liegt es im Streitfall. Dadurch , daû das Elterninfo der Beklagten zu 1 zusammen mit dem Elternbrief der Beklagten zu 2 in einem das Amt für Soziale Dienste als Absender ausweisenden Briefumschlag versandt wird, wird der Werbebeilage nach der allgemeinen Lebenserfahrung die durch die amtliche Briefsendung geweckte Erwartung besonderer Seriosität zuteil. Die Empfänger der Briefsendung werden erfahrungsgemäû annehmen, daû eine staatliche Behörde ihren amtlichen Briefen jedenfalls keine Werbung für unseriöse Produkte beifügt. Diese durch die gemeinsame Versendung beider Schreiben bewirkte Anlehnung an die staatliche Autorität mag für sich genommen nicht ohne weiteres zu beanstanden sein. Sie gewinnt im Streitfall aber deshalb den Charakter einer wettbewerbswidrigen Ausnutzung amtlicher Autorität, weil die von den Beklagten mit den Schreiben jeweils verfolgten Interessen - mögen diese auch, wie das Berufungsgericht angenommen hat, klar voneinander unterscheidbar bleiben - dieselbe Zielrichtung haben. Dadurch, daû die Elterninfos der Beklagten zu 1 sich jedenfalls insofern inhaltlich an die Elternbriefe der Beklagten zu 2 anhängen , als sie ebenso wie diese an die Verantwortung der angeschriebenen Eltern für die Zukunft ihrer Kinder appellieren, nutzen sie unter Verwendung amtlichen Datenmaterials die Autorität der Beklagten zu 2 in unzulässiger Weise für die Absatzwerbung der Beklagten zu 1 aus. In dieser Verknüpfung staatli-
cher Autorität mit einer mittelbaren Nutzung der amtlich erlangten Informationen für kommerzielle Zwecke ist hier eine unlautere Randnutzung einer öffentlichen Einrichtung zu sehen.
4. Für diesen Wettbewerbsverstoû sind beide Beklagte in gleicher Weise verantwortlich. Die Beklagte zu 2 bedient sich der amtlich erlangten Anschriften , um das Elterninfo zusammen mit dem Elternbrief in einem mit der Absenderangabe des Amtes für Soziale Dienste versehenen Briefumschlag an alle Eltern von Kindern unter acht Jahren in Bremen zu versenden. Die Beklagte zu 1 wirkt hierauf durch den Abschluû der Vereinbarung hin, nach der sie für das Beifügen der Werbebeilage die Portokosten der Beklagen zu 2 übernimmt. Sie macht sich das zu beanstandende Verhalten darüber hinaus für eigene Wettbewerbszwecke zunutze. Für den schuldhaft begangenen Wettbewerbsverstoû haften beide Beklagte der Klägerin daher als Mittäter auf Unterlassung , Auskunftserteilung und Schadensersatz.
5. Die Beklagte zu 2 wendet ohne Erfolg ein, sie handele nicht in der Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern, sondern wolle ausschlieûlich die weitere Versendung der Elternbriefe sicherstellen, die ohne die finanzielle Unterstützung der Beklagten zu 1 wegen fehlender Haushaltsmittel eingestellt werden müûte.
Allerdings besteht bei Kommunalgemeinden, soweit sie - wie im Streitfall - auûerhalb des erwerbswirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs handeln, anders als bei Gewerbetreibenden und Wirtschaftsverbänden, keine auf entsprechender Lebenserfahrung beruhende tatsächliche Vermutung, daû eine objektiv den Wettbewerb eines anderen fördernde Handlung auch in Wettbewerbsabsicht
erfolgt sei. Handlungen von Gemeindeverwaltungen auûerhalb des erwerbswirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs verfolgen im allgemeinen nicht das Ziel, fremden Wettbewerb zu fördern, sondern dienen regelmäûig der Wahrnehmung der diesen im öffentlichen Interesse übertragenen Aufgaben. Das schlieût jedoch das Bestehen einer Wettbewerbsabsicht im Einzelfall nicht aus. Diese kann insbesondere dann gegeben sein, wenn eine Gemeinde an dem wirtschaftlichen Erfolg eines Gewerbetreibenden, dessen Wettbewerb zu fördern ihr Handeln geeignet ist, ein Interesse hat, weil sie davon aufgrund vertraglicher oder sonstiger Beziehungen profitiert (BGH, Urt. v. 21.9.1989 - I ZR 27/88, GRUR 1990, 463, 464 = WRP 1990, 254 - Firmenrufnummer, m.w.N.). So liegt es im Streitfall.
Die Beklagte zu 1 übernimmt für das Beifügen der Werbebeilage die Portokosten der Beklagten zu 2. Die Förderung des Wettbewerbs der Beklagten zu 1 liegt damit zugleich im eigenen wirtschaftlichen Interesse der Beklagten zu 2. Der Annahme eines Handelns mit Wettbewerbsförderungsabsicht steht nicht entgegen, daû die Beklagte zu 2 die damit erzielten finanziellen Mittel für die Versendung der Elternbriefe und damit zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe verwendet. Es genügt, wenn die Verfolgung des Wettbewerbszweckes nur das Mittel für die Erreichung des darüber hinaus verfolgten Endzweckes ist, sofern - wie im Streitfall - die Wettbewerbsabsicht nicht völlig hinter dem anderen Beweggrund zurücktritt (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.1990 - I ZR 78/88, GRUR 1990, 611, 613 = WRP 1990, 626 - Werbung im Programm, insoweit nicht in BGHZ 110, 278 abgedruckt; GRUR 1964, 210, 212 - Landwirtschaftsausstellung ; Urt. v. 7.3.1969 - I ZR 116/67, GRUR 1969, 418, 419 f. - Standesbeamte).
6. Die Revisionserwiderung der Beklagten zu 2 macht ohne Erfolg geltend , einer Verfolgung der behaupteten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche stehe jedenfalls der Einwand der Verwirkung entgegen; denn die Klägerin sei, nachdem die Beklagte zu 1 ihre Ansprüche bereits mit Schreiben vom 18. Januar 1995 zurückgewiesen habe, erst mit Schreiben vom 9. Dezember 1997 an die Beklagten mit der Aufforderung herangetreten, entsprechende Unterlassungs - und Verpflichtungserklärungen abzugeben, und habe so durch ihr fast drei Jahre währendes Zuwarten in zurechenbarer Weise einen Duldungsanschein erweckt. Ansprüche, deren Durchsetzung auch im Allgemeininteresse liegt, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich unverwirkbar (BGH, Urt. v. 14.3.1985 - I ZR 66/83, GRUR 1985, 930, 931 - JUSSteuerberatungsgesellschaft , m.w.N.). Im Streitfall kommt eine Verwirkung demnach schon deshalb nicht in Betracht, weil die Durchsetzung der Ansprüche dem Schutz der Allgemeinheit vor einer Ausnutzung amtlich erlangter Informationen und amtlicher Autorität dient.
III. Der Klage war danach den Klageanträgen entsprechend stattzugeben. Die Klageanträge zu den Ziffern 1 und 2 gehen entgegen dem Vorbringen der Beklagten zu 2 in der mündlichen Revisionsverhandlung nicht zu weit. Aus der Klagebegründung, die zur Auslegung der Klageanträge und des Urteilsausspruchs heranzuziehen ist, ergibt sich zweifelsfrei, daû den Beklagten lediglich untersagt sein soll, zusammen mit den "Elternbriefen" der Beklagten zu 2 Werbematerial, insbesondere "Elterninfos" der Beklagten zu 1 in Briefumschlägen zu versenden, die mit der Absenderangabe des Amtes für Soziale Dienste versehen sind. Zur Klarstellung war der Urteilsausspruch entsprechend zu fassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Bornkamm Schaffert

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.