Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2013 - I ZR 201/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten zu 2 wird das Urteil des Landgerichts München I, 7. Zivilkammer, vom 2. August 2007 weitergehend abgeändert.
Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Der Kläger und die Beklagte zu 1 sind Verlage, in denen Briefmarkenkataloge für Briefmarkensammler, Händler und Auktionshäuser erscheinen. Sie verwenden in ihren Katalogen jeweils ein Nummernsystem, das es den Sammlern ermöglicht, die einzelnen Briefmarken allein anhand einer individuellen Nummer zuzuordnen. Im Verlag des Klägers erscheinen die sehr bekannten und weit verbreiteten Briefmarkenkataloge „M“.
- 2
- Der Beklagte zu 2 (nachfolgend: der Beklagte) ist im Unternehmen der Beklagten zu 1 für den Vertrieb der Kataloge verantwortlich. Zuvor war er einer der beiden Gesellschafter der P. GbR (nachfolgend : P. GbR). Der damalige anwaltliche Vertreter der P. GbR unterzeichnete am 20. August 1998 in deren Namen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung , in der es unter anderem heißt: Hiermit verpflichtet sich der P. GbR, …, es zugunsten der Firma S. GmbH, …, zu geschäftlichen Zwecken zu unterlassen, die Briefmarken-Katalognummern der M.-Kataloge, insbesondere der Briefmarken der BRD, zu verwenden oder Werke, die diese Briefmarken -Katalognummern enthalten, in Verkehr zu bringen oder zu vertreiben. …
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- Im Juli 2006 veröffentlichte die Beklagte zu 1 in erster Auflage ihren "Markenheftchen-Spezial-Katalog BUND 2006". In diesem Katalog findet sich hinter einer Klassifizierungsnummer für das jeweilige Markenheftchen die in Klammern gesetzte Markenheftchennummer aus dem im Frühsommer 2006 erstmals vom Kläger veröffentlichten "M. Handbuch-Katalog Markenheftchen Bundesrepublik und Berlin 2006/2007". Für die in den Markenheftchen enthaltenen Briefmarken gibt die Beklagte zu 1 nach ihrer Klassifizierungsnummer ebenfalls jeweils die Nummer des Klägers an.
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- Der Kläger hat die Klammerzusätze mit seinen Nummern im Markenheftchen -Katalog der Beklagten zu 1 für urheber- und wettbewerbsrechtlich unzulässig gehalten. Er hat beide Beklagte auf Unterlassung der Verwendung seiner Briefmarken-Nummerierung, auf Erstattung von Abmahnkosten und den Beklagten darüber hinaus im Wege der Stufenklage auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der zu erteilenden Auskunft sowie Schadensersatz in Anspruch genommen.
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- Das Landgericht hat durch Teil- und Endurteil den Unterlassungsanspruch unter Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform zuerkannt, den Auskunftsanspruch auf die Angabe gewerblicher Empfänger beschränkt und die Abmahnkosten zugesprochen. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Beklagten hat der Senat das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 158/08, GRUR 2011, 79 = WRP 2011, 55 - Markenheftchen I).
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- Das Berufungsgericht hat daraufhin die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen und die Verurteilung des Beklagten hinsichtlich Unterlassung und Auskunftserteilung bestätigt.
- 7
- Mit der vom Senat zugelassenen Revision des Beklagten verfolgt dieser seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
- 8
- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung hinsichtlich des Beklagten wie folgt begründet:
- 9
- Der Beklagte sei aufgrund der Unterlassungsverpflichtungserklärung der P. GbR vom 20. August 1998 unmittelbar in eigener Person verpflichtet, die Verwendung der Briefmarken- und Markenheftchen-Nummern des Klägers zu unterlassen. Die von der P. GbR übernommene Verpflichtung sei dahin auszulegen, dass sie auch die Markenheftchen-Nummern umfasse, weil diese im Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungserklärung noch in den allgemeinen Katalogen des Klägers enthalten gewesen und damit als BriefmarkenKatalognummern im Sinne der Erklärung anzusehen seien. Da der Beklagte zur Zeit der Unterzeichnung der Unterwerfungserklärung Gesellschafter der P. GbR gewesen sei, sei er durch die von Rechtsanwalt P. alsVertreter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterzeichnete Unterwerfungserklärung unmittelbar in eigener Person verpflichtet worden. Als verantwortlicher Vertriebsleiter der Beklagten zu 1 habe der Beklagte an der Verbreitung des vom Kläger angegriffenen Katalogs mitgewirkt und dadurch gegen die Unterlassungserklärung verstoßen. Daher sei auch der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung gegen den Beklagten begründet.
- 10
- II. Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen , dass der Beklagte unabhängig von seiner Stellung als Gesellschafter der P. GbR auch persönlich an die Unterlassungserklärung gebunden ist.
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- 1. Die Unterlassungserklärung wurde ausschließlich im Namen der P. GbR abgegeben. Soweit der Beklagte für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft auch persönlich haftet, ist der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld analog § 128 HGB also auch für seine persönliche Haftung maßgebend (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 358). Er haftete daher für die Verbindlichkeiten der P. GbR in deren jeweiligem Bestand grundsätzlich unbeschränkt und persönlich (vgl. Schöne in Bamber- ger/Roth, Beck‘scher Online-Kommentar BGB, Stand 1.2.2013, § 714 Rn. 24; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 128 Rn. 5). Allerdings hat die Unterlassung durch einen Gesellschafter zwangsläufig einen an- deren Inhalt als diejenige der Gesellschaft. Eine mit der Gesellschaft deckungsgleiche Verpflichtung der Gesellschafter kann bei Unterlassungspflichten nicht bestehen (vgl. Steitz in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, HGB § 128 Rn. 28). Der Gesellschafter persönlich kann daher grundsätzlich nicht unmittelbar für eine strafbewehrte Verpflichtung der Gesellschaft in Anspruch genommen werden, die darauf gerichtet ist, eine Handlung zu unterlassen. Er haftet vielmehr im Regelfall allein auf das Interesse des Gläubigers, falls die Gesellschaft das Unterlassungsgebot verletzt (vgl. Hillmann in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn aaO Rn. 29).
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- Danach hatte der Beklagte im Rahmen seiner Haftung als Gesellschafter dafür einzustehen, dass die P. GbR ihre Unterlassungsverpflichtung einhielt. Eine von dieser unabhängige Verpflichtung in eigener Person hat der Beklagte aber nicht übernommen. Die Gesellschaftsgläubiger können die Gesellschafter nur für die von der Gesellschaft geschuldete Leistung in Anspruch nehmen. Demgegenüber treffen die Haftungsfolgen bei individuellem Auftreten einzelner Gesellschafter nach außen in eigenem Namen jeweils nur den Handelnden , der Vertragspartner oder Deliktsschuldner wird (vgl. MünchKomm.BGB /Schäfer, 6. Aufl., § 714 Rn. 11). Ein solches individuelles Auftreten des Beklagten liegt vor, wenn er - wie im Streitfall - unabhängig von der P. GbR in ein Anstellungsverhältnis bei der Beklagten zu 1 eintritt und in dessen Rahmen bestimmte Handlungen vornimmt.
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- 2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist eine von dieser Rechtslage abweichende Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung mit der Folge einer persönlichen Verpflichtung des Beklagten nicht deshalb geboten, weil die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sich erst im Jahr 2001 der Akzessorietätstheorie angeschlossen hat.
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- Schon bei Unterzeichnung der Erklärung im Jahr 1998 unterschied die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwischen der Verpflichtung der Gesellschaft als Gesamthand und der persönlichen Haftung ihrer Gesellschafter (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15. Dezember 1980 - II ZR 52/80, BGHZ 79, 374, 378 f.; MünchKomm.BGB/Ulmer, 3. Aufl., § 714 Rn. 3 f. mwN). Jedenfalls seit Ende 1991 hat der Bundesgerichtshof auch angenommen, dass die (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Teilnehmer am Rechtsverkehr grundsätzlich jede Rechtsposition einnehmen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 1991 - II ZB 10/91, BGHZ 116, 86, 88). Um die persönliche Haftung der Gesellschafter zu begründen, war nach damals herrschender Auffassung ein besonderer Verpflichtungsgrund erforderlich. Beim rechtsgeschäftlichen Handeln der Geschäftsführer namens der Gesellschaft wurde dieser häufig in der Mitverpflichtung der Gesellschafter kraft gewillkürter Vertretungsmacht gesehen (sogenannte Theorie der Doppelverpflichtung, vgl. MünchKomm.BGB /Ulmer aaO § 714 Rn. 31; § 718 Rn. 38 f.). Grundsätzlich konnte der Gläubiger danach zwar von allen Gesellschaftern persönlich Erfüllung verlangen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wurde aber insbesondere für Unterlassungsverpflichtungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts angenommen , die von vornherein nur durch die Gesellschaft erfüllbar sind, weil ihre Erfüllung durch einen Gesellschafter persönlich nicht ohne Änderung des Schuldinhalts möglich ist (vgl. MünchKomm.BGB/Ulmer aaO § 714 Rn. 52; Soergel/ Hadding, BGB, 11. Aufl., § 714 Rn. 35; H. P. Westermann in Erman, BGB, 9. Aufl., § 714 Rn. 16; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Bd., 1. Teil, 1977, S. 306, 327). Da die personenbezogenen Unterlassungspflichten der Gesellschaft nur von dieser erfüllt werden konnten, hafteten die Gesellschafter auch nach damaliger Auffassung bei Verstößen der Gesellschaft gegen die Unterlassungspflicht nur auf das Gläubigerinteresse. Dementsprechend wurde zwischen dem Tun oder Unterlassen des Gesellschafters und der von der Gesellschaft zu erbringenden Leistung unterschieden, so dass zur persönli- chen Verpflichtung der Gesellschafter ein besonderer Rechtsgrund für erforderlich gehalten wurde (vgl. Flume aaO S. 306, 327).
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- 3. Auch die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebieten keine Erstreckung der Unterlassungsverpflichtungserklärung auf den Beklagten persönlich. Ein Rückgriff auf § 242 BGB zur Begründung eigenständiger Hauptleistungspflichten kann von vornherein nur zurückhaltend erwogen werden. Im Streitfall kommt er nicht in Betracht. Dem Kläger waren die Rechtsform der P. GbR und ihre Gesellschafter bekannt. Gleichwohl hat sie nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts abgemahnt und nicht auch ihre Gesellschafter. Dementsprechend ist die Unterlassungserklärung auf die P. GbR beschränkt. Unter diesen Umständen kann es nicht als treuwidrig angesehen werden , wenn sich der Beklagte darauf beruft, dass durch die Unterlassungspflicht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts für ihn persönlich - außerhalb des Handelns für diese Gesellschaft - keine entsprechende vertragliche Unterlassungspflicht begründet worden ist.
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- 4. Da der Beklagte gegen keine Unterlassungspflicht verstoßen hat, schuldet er dem Kläger auch weder Auskunft noch Schadensersatz. Weil damit auch den weiteren, im Rahmen der Stufenklage geltend gemachten Ansprüchen auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Schadenersatz (Klageanträge zu II 2 und 3) die Grundlage entzogen ist, kann das Rechtsmittelgericht die Klage in vollem Umfang abweisen (BGH, Urteil vom 8. Mai 1985 - IVa ZR 138/83, BGHZ 94, 268, 275).
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- III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.08.2007 - 7 O 19314/06 -
OLG München, Entscheidung vom 20.10.2011 - 29 U 4480/07 -
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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.