Bundesgerichtshof Urteil, 09. Sept. 2010 - I ZR 152/09

bei uns veröffentlicht am09.09.2010
vorgehend
Landgericht Köln, 83 O 52/08, 21.08.2008
Oberlandesgericht Köln, 3 U 153/08, 08.09.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 152/09 Verkündet am:
9. September 2010
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
CMR Art. 11 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1

a) Ein Carnet TIR zählt nicht zu den "notwendigen Urkunden" im Sinne von
Art. 11 Abs. 1 CMR, die der Absender dem Frachtführer für die Durchführung
der Beförderung zur Verfügung zu stellen hat.

b) Wird in Verlust geratenes Transportgut nach Ablauf der in Art. 20 Abs. 1
CMR genannten Fristen wieder aufgefunden, so kann sich der Ersatzberechtigte
gleichwohl auf die Verlustfiktion gemäß Art. 20 Abs. 1 CMR berufen
und Schadensersatz verlangen.
BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 152/09 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. September 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. September 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, ein Speditionsunternehmen, nimmt die Beklagte, ein Transportunternehmen mit Sitz in Deutschland, wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die S. AG in Berlin (im Weiteren: Versicherungsnehmerin) beauftragte die Klägerin im Februar 2006 mit der Besorgung des Transports pharmazeutischer Artikel zur S. Ltd. in Istanbul/Türkei. Die Durchführung des Transports per Lkw übertrug die Klägerin zu festen Kosten auf die Beklagte, die ihrerseits ihre Streithelferin F. (im Weiteren F.) beauftragte. Ein Fahrer der F. übernahm das Gut am 8. Februar 2006 auf dem Gelände der R. AG (Streithelferin der Klägerin, im Weiteren R.) in Velten bei Berlin, auf dem die Versicherungsnehmerin ein Lager unterhielt. Die Verladung des Gutes wurde anhand einer Ladeliste der Versicherungsnehmerin von Mitarbeitern der R. vor- genommen. Anschließend erstellte die Versicherungsnehmerin die Speditionsaufträge und übergab diese zusammen mit den Rechnungen an den Fahrer der F., der sich daraufhin in das auf demselben Gelände gelegene Büro der R. begab , wo er sich gegen Zahlung von 35 € den Frachtbrief und ein Carnet TIR ausstellen ließ. In beiden Dokumenten wurden nicht alle in den Speditionsaufträgen aufgeführten und zum Transport bereitstehenden Sendungen eingetragen. Dies fiel bei der Zollabfertigung am Zollamt Velten auf. Daraufhin wurden im Büro der R. zwei Positionen nachgetragen, nicht jedoch die erste im Speditionsauftrag aufgeführte Position, die 390 Kartons mit einem Röntgenkontrastmittel umfasste und ein Bruttogewicht von 10.038,66 Kilogramm hatte.
3
An der bulgarisch-türkischen Grenze wurde das Transportfahrzeug festgesetzt , weil die Frachtpapiere nicht mit der tatsächlichen Ladung übereinstimmten. Die das Röntgenkontrastmittel enthaltende Sendung wurde vom türkischen Zoll beschlagnahmt. Eine Auslieferung des Gutes an die Empfängerin in Istanbul erfolgte nicht mehr. Der Transportversicherer der Versicherungsnehmerin regulierte deren Schaden und nahm anschließend die Klägerin in Regress. Nach einer Einigung auf eine Entschädigungssumme in Höhe der CMRGrundhaftung (Art. 23 Abs. 3 CMR) zahlte die Klägerin an den Transportversicherer der Versicherungsnehmerin 91.013,30 €. Die Erstattung dieses Betrags ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
4
Die Klägerin und ihre Streithelferin R. haben die Ansicht vertreten, die fehlerhaften Eintragungen im Frachtbrief und in dem Carnet TIR seien der Beklagten zuzurechnen. Der Fahrer der Unterfrachtführerin habe alle für den Transport erforderlichen Lieferpapiere und -rechnungen erhalten. Er habe jedoch nicht sämtliche Dokumente für die Ausstellung des Frachtbriefs und des Carnet TIR im Büro der Streithelferin R. der Klägerin vorgelegt.
5
Die Klägerin und ihre Streithelferin R. haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 91.013,30 € nebst Zinsen sowie 4.499,80 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
6
Die Beklagte und ihre Streithelferin F. sind der Klage entgegengetreten. Sie haben geltend gemacht, die Klägerin müsse sich das Fehlverhalten der R. bei der Ausstellung des Frachtbriefs und des Carnet TIR zurechnen lassen. Der Fahrer habe die erhaltenen Lieferunterlagen und Rechnungen im Büro der R. für die Erstellung der Frachtpapiere komplett vorgelegt.
7
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 90.347,94 € nebst Zinsen sowie weitere 1.680,10 € zu zahlen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
8
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht eine Schadensersatzhaftung der Beklagten in Höhe von 90.347,94 € aus Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 und 3 CMR angenommen. Zur Begründung hat es ausgeführt :
10
Die Beklagte hafte nach Art. 17 Abs. 1 CMR, da sie die am 8. Februar 2006 übernommenen pharmazeutischen Artikel nicht bei der bestimmungsgemäßen Empfängerin in Istanbul abgeliefert habe. Gemäß Art. 20 Abs. 1 CMR sei von einem Verlust des Gutes auszugehen, weil es nicht binnen sechzig Tagen nach der Übernahme durch den Frachtführer abgeliefert worden sei.
11
Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf eine Haftungsbefreiung gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR berufen, weil der Verlust nicht durch ein Verschulden des Absenders oder durch Umstände verursacht worden sei, die die Beklagte nicht habe vermeiden oder deren Folgen sie nicht habe abwenden können. Zum Verlust der Ware sei es gekommen, weil das Carnet TIR nicht mit der tatsächlichen Ladung übereingestimmt habe. R., die Streithelferin der Klägerin, habe das Carnet TIR fehlerhaft ausgefüllt. Dies müsse sich die Beklagte zurechnen lassen, da sich ihre Streithelferin F. beim Ausfüllen des Carnet TIR der R. als Erfüllungsgehilfin bedient habe. R. habe weder als Erfüllungsgehilfin der Versicherungsnehmerin noch als solche der Klägerin gehandelt. Die Klägerin sei im Verhältnis zur Beklagten nicht gemäß Art. 11 Abs. 1 CMR zur Ausstellung des Carnet TIR verpflichtet gewesen, da es sich bei diesem Dokument nicht um eine notwendige, sondern um eine die Beförderung beschleunigende Urkunde handele, für deren Ausstellung der Frachtführer grundsätzlich selbst sorgen müsse. Die von der Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 und 3 CMR geschuldete Entschädigung belaufe sich unstreitig auf 90.347,94 €.
12
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
13
1. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass die Beklagte für den Verlust des Röntgenkontrastmittels gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR schadensersatzpflichtig ist.

14
Nach dieser Vorschrift haftet die Beklagte als Frachtführerin grundsätzlich für den zwischen der Übernahme des Gutes und seiner Ablieferung eingetretenen Verlust. Die von der Beklagten beauftragte Unterfrachtführerin hat das Gut am 8. Februar 2006 auf dem Gelände der R. übernommen. Eine Ablieferung bei der bestimmungsgemäßen Empfängerin ist nicht erfolgt. Gemäß Art. 20 Abs. 1 CMR kann der Verfügungsberechtigte das Gut, ohne weitere Beweise erbringen zu müssen, als verloren betrachten, wenn es nicht binnen sechzig Tagen nach der Übernahme durch den Frachtführer abgeliefert worden ist. Es handelt sich insoweit um eine unwiderlegbare Vermutung (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 - I ZR 187/99, TranspR 2002, 198, 199 = VersR 2002, 1580; Koller, Transportrecht, 7. Aufl., Art. 20 CMR Rn. 1; MünchKomm.HGB /Jesser-Huß, 2. Aufl., Art. 20 CMR Rn. 4; Boesche in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., Art. 20 CMR Rn. 2). Der Anspruchsberechtigte soll nach dem festgelegten Zeitpunkt disponieren können, ohne Gefahr zu laufen, das Gut später doch annehmen zu müssen (Herber/Piper, CMR, Art. 20 Rn. 3). Er kann daher auch aufgrund der bloßen Verlustfiktion den im Verlustfall allgemein vorgesehenen Schadensersatzanspruch geltend machen (BGH, TranspR 2002, 198, 199).
15
Dem Schadensersatzverlangen der Klägerin steht - wie das Berufungsgericht ebenfalls mit Recht angenommen hat - nicht entgegen, dass das Transportfahrzeug samt Ladung am 14. April 2006 vom türkischen Zoll an F. zurückgegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Ablieferungsfrist von sechzig Tagen bereits abgelaufen. Wird das Gut nach Ablauf der Frist des Art. 20 Abs. 1 CMR, so kann sich der Ersatzberechtigte gleichwohl auf die Verlustfiktion gemäß Art. 20 Abs. 1 CMR berufen (BGH, TranspR 2002, 198, 199; Herber/Piper aaO Art. 20 Rn. 3; Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO Art. 20 CMR Rn. 2; Thume/Demuth, CMR-Kommentar, 2. Aufl., Art. 20 Rn. 4). Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
16
2. Von der Obhutshaftung gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR ist der Frachtführer dann befreit, wenn die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss nach Art. 17 Abs. 2 CMR vorliegen. Das Berufungsgericht hat eine Haftungsbefreiung der Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR verneint. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
17
a) Die Haftungsbefreiung nach Art. 17 Abs. 2 CMR erfordert, dass der Verlust des Gutes durch ein Verschulden des Verfügungsberechtigten, durch eine nicht vom Frachtführer verschuldete Weisung des Verfügungsberechtigten, durch besondere Mängel des Gutes oder durch Umstände verursacht wurde, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. Im Streitfall kommt allein ein Verschulden der Versicherungsnehmerin oder der Klägerin, die im Verhältnis zur Beklagten als Absenderin fungierte, in Betracht. Das Verschulden im Sinne von Art. 17 Abs. 2 CMR setzt nicht voraus, dass der Verfügungsberechtigte gegen echte Vertragspflichten verstößt. Es genügt vielmehr, dass er in vorwerfbarer Weise eine Obliegenheit zur Schadensverhinderung verletzt, das heißt die verkehrserforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat. Das dem Verfügungsberechtigten anzulastende Verhalten muss zudem kausal geworden sein und kann sowohl den Eintritt als auch die Höhe des Schadens betreffen (Koller aaO Art. 17 CMR Rn. 31a; Boesche in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn aaO Art. 17 CMR Rn. 22; MünchKomm.HGB/Jesser-Huß aaO Art. 17 CMR Rn. 30 f.).
18
b) Die Revision rügt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht nicht darauf eingegangen, dass die das Röntgenkontrastmittel enthaltende Sendung auch auf dem Frachtbrief nicht vermerkt worden sei. Der Frachtbrief sei von der R.
ausgestellt worden, deren Mitarbeiter auch die Verladung des Gutes vorgenommen hätten. Es liege daher nahe, dass R. den Frachtbrief für diejenige Vertragspartei ausgestellt habe, die im Verhältnis der Parteien des Frachtvertrags Absender sei. Dies sei die Klägerin, die damit für alle aus der unrichtigen Angabe entstandenen Schäden haften müsse.
19
Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde das Transportfahrzeug mit dem streitgegenständlichen Gut an der bulgarisch-türkischen Grenze angehalten und die Ladung beschlagnahmt, weil die Angaben im Carnet TIR nicht mit der tatsächlichen Ladung übereinstimmten. Ursache für die Beschlagnahme des Gutes war mithin das unvollständige Ausfüllen des Carnet TIR. Die Revisionserwiderung weist daher mit Recht darauf hin, dass die fehlerhafte Ausstellung des Frachtbriefs für den eingetretenen Verlust nicht kausal war. Somit kommt es nicht darauf an, ob - wie die Revision meint - R. bei der Ausstellung des Frachtbriefs für die Klägerin als Absenderin gehandelt hat.
20
c) Die Revision rügt des Weiteren, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe selbst für die Ausstellung des Carnet TIR sorgen müssen, weil es sich bei diesem Dokument nicht um ein Begleitpapier im Sinne von Art. 11 Abs. 1 CMR handele. Die Besorgung von Dokumenten - egal, ob diese erforderlich oder nur nützlich seien - gehöre zu den Aufgaben des Spediteurs, hier also der Klägerin. Das Berufungsgericht hätte daher, so die Revision, berücksichtigen müssen, dass der Fahrer der F. - wenn tatsächlich er die Ausstellung des Carnet TIR in Auftrag gegeben haben sollte - atypische Pflichten übernommen hätte. Es liege vielmehr nahe, dass der Fahrer der Streithelferin F. der Beklagten Frachtbrief und Carnet TIR nur entgegengenommen habe. Auch dies lasse nur den Schluss zu, dass das Carnet TIR für die Klägerin, die die Besorgung der Versendung des Gutes übernommen habe, sowie für die Versicherungsnehmerin ausgestellt worden sei. Zudem habe das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft außer Acht gelassen, dass das Carnet TIR im Frachtbrief unter den Dokumenten aufgeführt werde, die dem Frachtführer übergeben worden seien.
21
Mit diesem Vorbringen vermag die Revision ebenfalls nicht durchzudringen. Die Ausstellung des Carnet TIR oblag weder der Klägerin noch der Versicherungsnehmerin , sondern der Beklagten oder der von ihr beauftragten Unterfrachtführerin.
22
Gemäß Art. 11 Abs. 1 CMR hat der Absender dem Frachtführer diejenigen Urkunden zur Verfügung zu stellen, die für die vor der Ablieferung des Gutes zu erledigende Zoll- oder sonstige amtliche Behandlung notwendig sind. Damit sind sämtliche Urkunden gemeint, die die beteiligten Hoheitsträger bei einem grenzüberschreitenden Transport zur Voraussetzung des Grenzübertritts gemacht haben (Thume/Temme aaO Art. 11 Rn. 3). Dokumente, die lediglich die Abwicklung von Verwaltungsverfahren begünstigen oder den Grenzübertritt beschleunigen können, werden vom Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 CMR nicht erfasst (Koller aaO Art. 11 CMR Rn. 2; Thume/Temme aaO Art. 11 Rn. 8; Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO Art. 11 CMR Rn. 2; Herber/ Piper aaO Art. 11 Rn. 1). Dementsprechend ordnet Art. 11 Abs. 2 Satz 2 CMR eine verschuldensunabhängige (vgl. Koller aaO Art. 11 CMR Rn. 3; Helm, Frachtrecht II: CMR, 2. Aufl., Art. 11 Rn. 4; MünchKomm.HGB/Jesser-Huß aaO Art. 11 CMR Rn. 4) Haftung des Absenders für alle Schäden an, die aus dem Fehlen, der Unvollständigkeit oder der Unrichtigkeit der nach Art. 11 Abs. 1 CMR erforderlichen Urkunden entstanden sind.
23
Bei einem Carnet TIR handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision nicht um eine "notwendige Urkunde" im Sinne von Art. 11 Abs. 1 CMR.
Nach der Präambel des Zollübereinkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR (TIR-Übereinkommen von 1975) basiert das Übereinkommen auf dem Wunsch der Vertragsparteien, den internationalen Warentransport mit Straßenfahrzeugen zu erleichtern. Dementsprechend müssen gemäß Art. 4 des Übereinkommens für Waren, die im TIR-Verfahren befördert werden, keine Eingangs- und Ausgangsabgaben bei den Durchgangszollstellen entrichtet oder hinterlegt werden. Für Waren, die im TIR-Verfahren unter Zollverschluss mit Straßenfahrzeugen, Lastzügen oder Behältern befördert werden, wird nach Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens grundsätzlich keine Beschau bei den Durchgangszollstellen vorgenommen, wodurch sich der Aufenthalt an den Grenzen im Allgemeinen erheblich verkürzt. Eine Beschau erfolgt lediglich stichprobenartig in Ausnahmefällen. Die Ausstellung eines Carnet TIR liegt danach in der Regel im Interesse des Frachtführers, weil dadurch die Abwicklung der Beförderung vereinfacht und beschleunigt wird. Eine gesetzliche Bestimmung , die die Ausstellung des Carnet TIR durch den Absender vorschreibt, gibt es nicht. Das schließt es zwar nicht aus, dass sich der Absender gegenüber dem Frachtführer vertraglich verpflichten kann, für die Beschaffung eines Carnet TIR zu sorgen. Die Übernahme einer derartigen Verpflichtung hat die Beklagte jedoch nicht dargetan. Der Umstand, dass die Streithelferin F. der Beklagten für die Ausstellung des Frachtbriefs und des Carnet TIR an die Streithelferin R. der Klägerin 35 € gezahlt hat, spricht vielmehr für die Annahme, dass es Sache der Streithelferin F. der Beklagten war, diese Dokumente zu besorgen.
24
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, hat F. sämtliche Papiere (Speditionsaufträge und Rechnungen), die für die von F. veranlasste Erstellung des Frachtbriefs und des Carnet TIR erforderlich waren, von der Klägerin bzw. der Versicherungsnehmerin erhalten. Die der F. übergebenen Papiere waren zu- dem inhaltlich richtig. Ein Verschulden der Klägerin oder der Versicherungsnehmerin ergibt sich daher auch nicht aus einem Sorgfaltsverstoß bei der Erfüllung ihrer Pflichten aus Art. 11 Abs. 1 CMR. Somit kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf eine Haftungsbefreiung nach Art. 17 Abs. 2 CMR berufen. Es verbleibt vielmehr bei ihrer verschuldensunabhängigen Obhutshaftung gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR.
25
3. Der Umfang der Haftung der Beklagten ergibt sich - da die Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 CMR nicht erfüllt sind - aus Art. 23 Abs. 1 und 3 CMR. Nach den Feststellungen des Landgerichts beträgt die von der Beklagten geschuldete Entschädigung 90.347,94 €. Die Revision hat gegen den vom Landgericht festgestellten Haftungsumfang nichts erinnert.

26
III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Bergmann Koch
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 21.08.2008 - 83 O 52/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 08.09.2009 - 3 U 153/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2001 - I ZR 187/99

bei uns veröffentlicht am 25.10.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 187/99 Verkündet am: 25. Oktober 2001 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 07. Dez. 2016 - 3 U 108/16

bei uns veröffentlicht am 07.12.2016

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten und der Nebenintervenientin wird das Urteil des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 18.04.2016 abgeändert, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Kla

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 187/99 Verkündet am:
25. Oktober 2001
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
CMR Art. 20, 23 Abs. 2;
Bei der Berechnung des im Falle der Nichteinhaltung der Lieferfrist des Art. 20
Abs. 1 CMR zu leistenden Schadensersatzes ist der Umstand, daß das Transportgut
seinen Adressaten letztlich doch noch erreicht hat, auch dann nicht im
Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen, wenn es sich bei dem
Transportgut zwar nicht um Handelsware, sondern um gespendete Hilfsgüter
gehandelt hat, der Absender aber sein Wahlrecht nach Art. 20 Abs. 2 CMR
nicht dahin ausgeübt hat, die Sendung im Fall ihres Wiederauffindens zurückzuerhalten.
BGH, Urt. v. 25. Oktober 2001 - I ZR 187/99 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 1999 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der T. T. e.V. - TT. (im folgenden: TT.) beschafft medizinische Geräte, um sie als humanitäre Hilfe an medizinische Einrichtungen in der Dritten Welt weiterzugeben.
Im Dezember 1996 erteilte der TT. der T. GmbH D. (im folgenden: T. ) den Auftrag, medizinische Geräte und andere Hilfsgüter, die er gegen Übernahme der Demontagekosten als karitative Spende erhalten hatte, nach Bosnien und Herzegowina zu transportieren. Die T. übertrug die Durchführung des Transports ihrerseits auf die Beklagte. Diese
übernahm die Güter am 9. Juli 1997, konnte sie aber nicht innerhalb von 60 Tagen bei den Empfängern abliefern, weil die Sendung unterwegs verlorengegangen war. Der TT. nahm daraufhin die T. auf Schadensersatz in Anspruch. Die N. Versicherungs-Gesellschaft zahlte als CMR-Versicherer der T. am 15. September 1997 an den TT. den von diesem wegen des Verlusts der Güter geforderten Betrag von 82.668 DM.
Ende September 1997 wurde die Sendung aufgrund einer vom Speditionsversicherer der Beklagten veranlaßten Suchaktion in einem Zollager in Slowenien aufgefunden und im November 1997 an die Empfänger in Bosnien und Herzegowina ausgehändigt.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der N. VersicherungsGesellschaft. Sie nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Ersatz der an den TT. gezahlten Entschädigung in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 82.668 DM nebst Zinsen verurteilt.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat einen zunächst gemäß § 67 VVG auf den Transportversicherer der T. und anschließend im Wege der Rechtsnachfolge auf die Klägerin übergegangenen Anspruch der T. gegen die Beklagte aus Art. 37 CMR oder aus Art. 17, 27 CMR - je nachdem, ob diese nachfolgende Frachtführerin oder Unterfrachtführerin war - bejaht. Dazu hat es ausgeführt:
Die T. sei, da die Hilfsgüter nicht binnen 60 Tagen abgeliefert worden seien und daher ihr Verlust gemäß Art. 20 Abs. 1 CMR unwiderlegbar vermutet worden sei, dem TT. zum Schadensersatz verpflichtet gewesen. Für die Höhe dieses Anspruchs sei gemäß Art. 23 CMR der gemeine Wert der Hilfsgüter maßgebend gewesen, der, wie zwischen den Parteien mittlerweile unstreitig sei, 82.668 DM betragen habe.
Für den Schadensersatzanspruch des TT. sei es unerheblich gewesen, daß dieser die Hilfsgüter unentgeltlich erhalten habe und sie habe verschenken wollen. Ebensowenig ändere der Umstand, daß die Hilfsgüter letztendlich doch noch die im Frachtvertrag vorgesehenen Empfänger erreicht hätten, etwas daran, daß dem TT. i.S. der §§ 249 ff. BGB ein Schaden entstanden sei. Der wirtschaftliche Eintritt des Vertragserfolges aus dem Transportauftrag dürfe nicht berücksichtigt werden, weil er nicht auf einer Ablieferung im Sinne der CMR beruht habe und der Verlust der Transportgüter gemäß Art. 20 CMR gerade unwiderlegbar vermutet werde.
Eine Vorteilsausgleichung scheide aus, weil weder der Wert des Transportgutes vor dem Erhalt der Entschädigung gemäû der CMR wieder in das Vermögen des Absenders noch der Empfänger vor dem Erlöschen seiner Empfangsberechtigung aus dem Transportvertrag auch ohne eine Ablieferung im Sinne der CMR in den Besitz des Transportgutes gelangt sei. Der wirtschaftliche Erfolg des Transportauftrages sei allenfalls bei den Empfängern der Hilfsgüter eingetreten, nicht dagegen beim TT., der den Empfängern gegenüber nicht von einer Verbindlichkeit befreit worden sei.
Die T. habe durch die nachträgliche Lieferung ebenfalls keinen auf den klagegegenständlichen Regreûanspruch anrechenbaren Vermögensvorteil erlangt ; denn sie könne ihre Schadensersatzleistung an den TT. nicht wegen späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes gemäû § 812 BGB zurückverlangen. Der Absender handele angesichts des ihm in Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 CMR eingeräumten Wahlrechts grundsätzlich nicht treuwidrig, wenn er sich für den Schadensersatzanspruch entscheide. Im konkreten Fall seien auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die insoweit zu einer anderen Beurteilung führen könnten.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand. Der Klägerin steht der zunächst gemäû § 67 VVG auf den Transportversicherer der T. und anschlieûend im Wege der Rechtsnachfolge auf sie übergegangene Anspruch der T. gegen die Beklagte aus Art. 37 CMR oder aus Art. 17, 27 CMR zu. Der Umstand, daû das zunächst unterwegs verlorengegangene Transportgut wiederaufgefunden und dann - nach dem Ablauf der Frist des § 20 Abs. 1 CMR - doch noch an die Empfänger in Bosnien und Herzegowina ausgehändigt worden ist, ist demgegenüber unerheblich.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet angenommen, daû sich die Rechtsverhältnisse zwischen dem TT. und der T. sowie zwischen dieser und der Beklagten nach den Bestimmungen der CMR beurteilen. Es ist weiterhin mit Recht davon ausgegangen, daû die T. dem TT. wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Verlusts des Transportgutes , der dessen Ablieferung innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 1 CMR unmöglich gemacht hat, nach Art. 17 CMR zum Schadensersatz verpflichtet sei. Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, daû die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes nach Art. 23 CMR zu ermitteln und deshalb, da die Hilfsgüter weder einen Börsen- noch einen Marktpreis hatten, gemäû Art. 23 Abs. 2 CMR deren gemeiner Wert maûgebend sei, der unstreitig 82.668 DM betrug und damit unter der Haftungshöchstsumme des Art. 23 Abs. 3 CMR lag.
2. Das Berufungsgericht hat für die Frage der Haftung der T. gegenüber dem TT. mit Recht auch sowohl die Tatsache, daû dieser die Hilfsgüter geschenkt erhalten hatte (vgl. dazu RGZ 70, 15, 17 f.; 71, 140, 141 ff.; 105, 305, 308; Staudinger/Cremer, BGB, [1995] § 516 Rdn. 22 u. § 525 Rdn. 13), als auch den Umstand für unerheblich erachtet, daû der TT. diese Güter als Spende weitergeben wollte. Der vom Frachtführer gemäû der CMR für den Verlust von Transportgut zu leistende Schadensersatz ist nach Art. 23 Abs. 2 CMR grundsätzlich abstrakt zu berechnen. Dementsprechend ist hierbei, von den Ausnahmen der Art. 23 Abs. 4, Art. 26 CMR abgesehen, nicht auf die besonderen Verhältnisse beim Geschädigten und daher insbesondere nicht darauf abzustellen , ob es sich - wie im Streitfall - um den Transport geschenkter Güter handelt (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1992 - I ZR 260/90, TranspR 1993, 137, 138;
Herber/Piper, CMR, Art. 23 Rdn. 5; MünchKommHGB/Basedow, CMR, Art. 23 Rdn. 4; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 23 CMR Rdn. 5, jeweils m.w.N.).
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, für den auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin gemäû § 67 VVG übergegangenen Anspruch derT. sei es unerheblich, daû das Transportgut wieder aufgefunden und nachfolgend den Empfängern in Bosnien und Herzegowina ausgehändigt worden sei.

a) Das Berufungsgericht hat im Streitfall zu Recht die Verlustvermutung des Art. 20 Abs. 1 CMR eingreifen lassen. Danach kann der Verfügungsberechtigte das Gut, ohne weitere Beweise erbringen zu müssen, als verloren betrachten, wenn es nicht binnen sechzig Tagen nach der Übernahme des Gutes durch den Frachtführer abgeliefert worden ist. Es handelt sich insoweit um eine unwiderlegbare Vermutung (BGH, Urt. v. 27.10.1978 - I ZR 30/77, NJW 1979, 2473 = VersR 1979, 276, 277; Herber/Piper aaO Art. 20 Rdn. 3; Thume/ Demuth, CMR, Art. 20 Rdn. 3). Der Anspruchsberechtigte soll nach dem festgelegten Zeitpunkt disponieren können, ohne Gefahr zu laufen, das Gut später doch annehmen zu müssen (Herber/Piper aaO Art. 20 Rdn. 3). Er kann daher auch aufgrund der bloûen Verlustfiktion den in Verlustfällen allgemein vorgesehenen Schadensersatzanspruch geltend machen. Es steht ihm allerdings frei, ob er sich auf die Verlustvermutung berufen und die an den Verlust des Gutes geknüpften Schadensersatzansprüche geltend machen oder ob er das Wiederauffinden des Gutes abwarten und dann Herausgabe sowie Schadensersatz wegen Lieferfristüberschreitung verlangen will. Entscheidet er sich - wie hier - für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verlu-
stes, so kann er von seinem Wahlrecht nach Art. 20 Abs. 2 CMR Gebrauch machen, d.h., er kann bei Empfang der Entschädigung für das verlorene Gut schriftlich verlangen, daû er sofort benachrichtigt wird, wenn das Gut binnen einem Jahr nach Zahlung der Entschädigung wieder aufgefunden wird. Binnen dreiûig Tagen nach Empfang einer solchen Benachrichtigung kann er fordern, daû ihm das Gut gegen Befriedigung der aus dem Frachtbrief hervorgehenden Ansprüche und gegen Rückzahlung der erhaltenen Entschädigung abgeliefert wird (Art. 20 Abs. 3 CMR). Macht der Anspruchsberechtigte - wie im Streitfall - von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch, so kann der Frachtführer über das Gut nach dem Recht des Ortes verfügen, an dem es sich befindet (Art. 20 Abs. 4 CMR). Der Frachtführer erlangt in diesem Falle allerdings kein Eigentum , sondern nur ein dingliches Verfügungsrecht an dem wieder aufgefundenen Frachtgut. Das bedeutet indessen, daû er sich selbst das Eigentum übertragen kann (Herber/Piper aaO Art. 20 Rdn. 14), er kann das Frachtgut aber auch an jeden Beliebigen veräuûern, z.B. auch an den ursprünglichen Endempfänger. Der Umstand, daû das Gut an diesen Empfänger gelangt, würde auf die Schadensabwicklung grundsätzlich keinen Einfluû haben; denn die Leistung erfolgte nicht aufgrund des zwischen dem (entschädigten) Absender und dem Endempfänger bestehenden Vertrages, sondern aufgrund einer selbständigen Verfügung des Frachtführers, indem er z.B. einen neuen Vertrag mit dem Endempfänger schlieût oder diesem - wie hier - das Gut unentgeltlich überläût. Letzteres ist grundsätzlich seine alleinige, ihm zurechenbaren Entscheidung.

b) An dieser Rechtslage ändert auch die im Streitfall gegebene Besonderheit nichts, daû es sich bei dem zunächst verlorengegangenen und später wiederaufgefundenen Transportgut nicht um gewöhnliche Handelsware han-
delt, sondern um Hilfsgüter, d.h. um karitative Spenden, die letztlich die vorgesehenen Endempfänger erreicht haben.
Das Berufungsgericht hat insoweit zu Recht angenommen, daû dieser Umstand nicht im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnen ist. Zwar kann der Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung durchaus auch im Rahmen der CMR Berücksichtigung finden (vgl. BGH NJW 1979, 2473). Voraussetzung hierfür ist jedoch, daû ein adäquater Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Ereignis besteht, das den Vorteil gebracht hat, und die Anrechnung des Vorteils dem Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts entspricht; auch darf die Anrechnung den Geschädigten nicht unzumutbar belasten und den Schädiger nicht unbillig begünstigen (BGHZ 81, 271, 275 m.w.N.). Vorliegend fehlt es schon am Erfordernis, daû die Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck der zu berücksichtigenden Haftungsgrundlage übereinstimmen muû. Die CMR hat in Art. 20 Abs. 1 bis 4 eine verbindliche Regelung getroffen, wonach es allein der Wahl des Absenders überlassen bleibt, ob er sich wegen des (fingierten ) Verlustes des Frachtgutes endgültig mit einem Schadensersatzanspruch nach Art. 17 CMR abfinden will, selbst wenn die Sendung später wieder aufgefunden wird, oder ob er in diesem Falle die Sendung gegen Rückzahlung der Schadensersatzleistung zurückerhalten möchte. Hat sich der Absender für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verlustes - hier gegenüber ihrer Vertragspartnerin, der T. - entschieden, so darf das damit ausgeübte Wahlrecht nicht dadurch unterlaufen werden, daû der Frachtführer die wiederaufgefundene Sendung dem Endempfänger gleichwohl zuleitet, um der Schadensersatzpflicht zu entgehen. Wollte man dies anders sehen, so würde das - worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist - darauf hinauslaufen, daû der Frachtführer es dem Absender faktisch aufdrängen könnte, weiterhin
am Erfüllungsanspruch aus dem Frachtvertrag festzuhalten, obwohl dieser Anspruch wegen der Fiktion des Art. 20 Abs. 1 CMR erloschen ist und der Absender sein Wahlrecht nach Art. 20 Abs. 2 CMR gerade nicht dahin ausgeübt hat, die Sendung im Fall ihres Wiederauffindens zurückzuerhalten. Dies wäre mit der Wertentscheidung der Vertragsstaaten, die das CMR-Abkommen geschlossen haben, nicht vereinbar. Entgegen der Ansicht der Revision handelt der Absender daher auch nicht rechtsmiûbräuchlich (§ 242 BGB), wenn er an seiner ihm durch die CMR eingeräumten Entscheidung für einen Schadensersatz wegen Verlustes festhält.
Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, daû die Senatsentscheidung vom 27. Oktober 1978 - I ZR 30/77 - (BGH NJW 1979, 2473) keine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Im dort entschiedenen Fall ging es anders als hier nicht um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund der Verlustvermutung des Art. 20 Abs. 1 CMR. Überdies war zum Zeitpunkt des Auffindens der Ware und ihrer Ablieferung an den Empfänger noch keine Entschädigung gezahlt worden. Die Revision beruft sich auch ohne Erfolg auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 23. April 1993 - 23 U 6919/92 - (VersR 1994, 1328). Einer Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung bedarf es nicht. Das Berufungsgericht hat einen wesentlichen Unterschied zutreffend darin gesehen, daû hier der Empfänger die Warensendung erst erhalten hat, nachdem seine Empfangsberechtigung aus dem Transportvertrag bereits erloschen und der Absender inzwischen in bindender Weise zum Schadensersatz übergegangen war.

c) Ein Bereicherungsanspruch der T. gegen den TT. gem. § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Altern. BGB, der zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung der Beklagten
gegen Abtretung dieses Anspruchs führen könnte, scheidet vorliegend aus. Der rechtliche Grund für die Zahlung des Schadensersatzanspruchs ist nicht später weggefallen. Auf die CMR-Haftung der T. ist - wie oben ausgeführt - ohne Einfluû geblieben, daû die später aufgefundene Warensendung an die vorgesehenen Endempfänger weitergeleitet wurde. Denn diese Weiterleitung seitens der Versicherung erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die alleinige dingliche Verfügungsbefugnis nach Art. 20 Abs. 4 CMR beim Frachtführer lag.
Auch ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 BGB), auf den die Revision sich in der mündlichen Verhandlung ergänzend gestützt hat, ist nicht gegeben. Nachdem der TT. sich für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs mit der Folge des Verlustes der dinglichen Verfügungsbefugnis entschieden hatte, handelte es sich bei der Ablieferung der wieder aufgefundenen Sendung an die Empfänger nicht mehr um ein Geschäft des TT..
III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Erdmann Bornkamm Pokrant
Büscher Schaffert

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)