Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juli 2006 - 5 StR 97/06

bei uns veröffentlicht am25.07.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 97/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 25. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Juli
2006, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Sch.
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K. ,
Rechtsanwalt R.
alsVerteidiger,
Rechtsanwalt M.
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. September 2005 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenklägerin tragen jeweils die Kosten des eigenen Rechtsmittels. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags (in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe ohne Erlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt; von dem Anklagevorwurf eines weiteren tatmehrheitlichen Mordversuchs hat es ihn freigesprochen. Das Urteil wird mit Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin angefochten, die jeweils mit der Sachrüge geführt werden. Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der zur Tatzeit 48-jährige Angeklagte stammt aus einfachsten, sozial wenig stabilen Verhältnissen und hat weder Lesen noch Schreiben gelernt. Aufgrund seiner simplen Charakterprägung und seiner geringen Intelligenz (IQ 75) war der Angeklagte auf feste äußerliche Strukturen (Arbeit, Familie) fixiert. In der Ehe mit seiner zweiten Frau S. , einem der beiden späteren Tatopfer, wurden sieben Kinder geboren. Das Familienleben gestaltete sich äußerst problematisch. Beide Ehepartner waren nicht in der Lage, den Kindern Liebe und Geborgenheit zu vermitteln. Der Angeklagte war häufig jähzornig und schlug sowohl seine Frau als auch seine Kinder grundlos. Schon mehrfach hatte S. – bis auf einmal nur kurzzeitig – die Familie verlassen. Zuletzt verschwand sie im Oktober 2003 spurlos und ließ den zu dieser Zeit arbeitslosen Angeklagten und die Kinder alleine.
4
Der Angeklagte bemühte sich zwar, sein Leben und das der Kinder so weit wie möglich in Ordnung zu halten, war aber bald von dieser Aufgabe überfordert. Im November 2003 versuchte er, sich das Leben zu nehmen. Er wurde mit Hilfe einer seiner Töchter und zweier Nachbarn, darunter das zweite spätere Tatopfer H. , gerettet. Nach dem Selbsttötungsversuch des Angeklagten gelang es, Kontakt zu S. herzustellen , die Ende 2003 wieder in die gemeinsame Ehewohnung einzog und erreichte , dass der Angeklagte sich ihr und den Kindern zunächst nicht mehr nähern durfte. Nahezu zeitgleich zog der Zeuge B. , ein langjähriger Freund der Familie, zur Ehefrau des Angeklagten in die gemeinsame Ehewohnung. Der Angeklagte war sehr enttäuscht, gekränkt und verbittert; er fühlte sich – nach über 20 Jahren Ehe – „wie ein Stück Schrott, das aussortiert wird“. Er verharrte aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur in einem Teu- felskreis von tiefer Gekränktheit und dem Gefühl, jeglichen Wert verloren zu haben. Problemlösungen konnte er in seiner geistigen Unbeweglichkeit und charakterlichen Beschränktheit nicht finden. Er empfand große Wut und Hass auf seine Ehefrau und ihren neuen Partner. Trotz Verbesserung der äußeren Verhältnisse und des Kontakts zu den Kindern in den Folgemonaten entwickelte er – gefangen in stetigen Rachegedanken – schließlich den Plan, seine Ehefrau, B. und eventuell sich selbst zu erschießen. Anfang 2005 beschaffte sich der Angeklagte eine Pistole samt dazugehöriger Munition , ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Erlaubnis zu sein.
5
Am Tattag, dem 20. Januar 2005, hatten die getrennt lebenden Eheleute einen Termin beim Jugendamt, zu dem der Angeklagte seine Pistole mitnahm. Obgleich die Besprechung für ihn objektiv eher günstig verlief, war der Angeklagte sehr angespannt; er wurde laut, beschimpfte seine Frau und warf ihr vor, dass sie alles tun würde, damit er nicht die Kinder bekomme. Nach dem Gespräch lehnte der Angeklagte das Angebot eines Beamten, ihn mit dem Auto mitzunehmen, mit dem unzutreffenden Einwand ab, er sei mit dem Fahrrad unterwegs. S. machte sich mit B. und H. – den sie als Nachbarn wie B. zum Schutz vor dem Angeklagten zu dem Termin mitgenommen hatte – zu Fuß auf den Heimweg. Der Angeklagte folgte ihnen. Die drei Personen wechselten verängstigt die Straßenseite. Der Angeklagte verfolgte sie weiter und beschimpfte sie unflätig. Hiervon ließen sich die drei allerdings nicht provozieren, sondern gingen stumm weiter. Dies wirkte auf den unverändert gewaltbereiten, rachsüchtigen und tief gekränkten Angeklagten wie eine Verhöhnung, weil er sich durch diese Vorgehensweise von der gesamten Gruppe ausgeschlossen fühlte. Er zog seine Waffe und lud sie laut vernehmlich durch, wobei er eine Patrone verlor; dies bemerkte B. , der jedoch, ohne zu reagieren, weiterlief. Auch als der Angeklagte zwei Warnschüsse abgab, reagierte die Gruppe nicht.
6
In dieser Situation entschloss sich der Angeklagte, der sich nicht ernst genommen fühlte, seine Waffe gezielt gegen die drei Menschen vor ihm einzusetzen. Hierfür waren Gefühle wie Wut, Hass, Rache, Enttäuschung und die tiefe Kränkung über die Trennung entscheidend, wobei keines der Gefühle besonders bestimmend war. Der Angeklagte erschoss zunächst H. , den er, als dieser sich gerade umdrehte, aus höchstens fünf Metern Entfernung mit einem Schuss tödlich in die Stirnmitte traf. Anschließend erschoss der Angeklagte seine Ehefrau, auf die er insgesamt vier Schüsse abgab, zuletzt einen tödlichen Kopfschuss aus einem Meter Entfernung auf das am Boden liegende Opfer. Währenddessen war B. weitergelaufen und hatte ein Auto angehalten. Obwohl die Munition des Angeklagten noch nicht aufgebraucht war und er auch in dieser Situation noch auf B. hätte schießen können, nahm er nunmehr von seinem Entschluss Abstand , alle drei Personen der Gruppe zu töten.
7
Zwei Stunden später stellte sich der Angeklagte, der einen gehetzten , wenig später zeitweise tief erschütterten Eindruck machte, der Polizei.
8
Das Landgericht hat die Tötung von H. und S. als tateinheitliches Delikt des Totschlags gewertet und die Annahme niedriger Beweggründe maßgeblich unter Hinweis auf die besondere Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten abgelehnt. Hinsichtlich des Zeugen B. hat das Landgericht einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch des Totschlags angenommen.

II.


9
Die Revisionen bleiben erfolglos.
10
1. Die Revision des Angeklagten deckt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. Die Überzeugung des Schwurgerichts vom Tötungsvorsatz des Angeklagten bei dem Schuss auf H. unterliegt angesichts der zur Schussentfernung, zur Zielrichtung und zum weiteren Tatablauf rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ersichtlich keinen rechtlichen Bedenken.
11
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Ablehnung von Mord aus niedrigen Beweggründen, die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses und der Teilfreispruch wegen Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch der Tötung B. beanstandet werden, ist unbegründet.
12
a) Wie die Bundesanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, ist die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts betreffend B. ersichtlich rechtsfehlerfrei. Nach den nicht zu beanstandenden Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte insoweit aus freien Stücken, ohne an einer weiteren Tötungshandlung gehindert zu sein, von der Tatbegehung Abstand.
13
Die Annahme von Tateinheit ist auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen hinnehmbar (vgl. auch BGH NStZ 2006, 167, 169).
14
b) Die Revision der Staatsanwaltschaft wird von der Bundesanwaltschaft insoweit vertreten, als damit beanstandet wird, das Landgericht habe das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zu Unrecht abgelehnt. Allein dieser Einwand bedarf näherer Erörterung, er greift indes ebenfalls nicht durch. Neben der Ablehnung anderer Mordmerkmale, deren Voraussetzungen nicht feststellbar waren (Heimtücke, Ermöglichung einer anderen Straftat), erweist sich auch die Verneinung niedriger Beweggründe letztlich nicht als rechtsfehlerhaft.
15
aa) Beweggründe sind im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig , wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind und – in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag – als verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur BGH aaO; BGH NJW 2006, 1008, 1011 m.w.N.).
16
Bei den hier zu treffenden Wertungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann. Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist dies auch dann nicht zu beanstanden, wenn ein anderes Ergebnis möglich oder gar näher liegend gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, insoweit in BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7 nicht abgedruckt; BGH NStZ 2006, 284, 285; Altvater NStZ 2006, 86, 89).
17
In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Täter außerstande ist, sich von seinen gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen freizumachen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26 m.w.N.). Der genannte tatgerichtliche Beurteilungsspielraum gilt auch für die Bewertungen im Zusammenhang mit den subjektiven Anforderungen an das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe, die mit den objektiven Kriterien in engstem Zusammenhang stehen.
18
bb) Danach ist die Ablehnung niedriger Beweggründe aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden:
19
Das Schwurgericht hat sämtliche Umstände der Tat, der Persön -lichkeit des Angeklagten und seiner Lebensverhältnisse umfänglich dar- gestellt und gewürdigt. Ausführlich hat das Schwurgericht insbesondere die ins Auge springenden Besonderheiten in der Persönlichkeit des Angeklagten herausgestellt, der aufgrund seiner sehr niedrigen Intelligenz und seiner einfachen Persönlichkeitsstruktur, die ihm differenziertere, namentlich selbstkritische Erwägungen verschloss, die Trennung seiner Frau als besonders tiefe Kränkung empfunden hat, von der er sich persönlichkeitsbedingt nicht mehr freimachen konnte.
20
(1) Bei dem Tatopfer S. hat das Schwurgericht erkennbar bedacht, dass nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der Ehepartner vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, zwangsläufig auf niedrigen Beweggründen beruht. Vielmehr können in einem solchen Fall – wie hier – tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung und der inneren Ausweglosigkeit sein, die eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation namentlich dann fraglich erscheinen lassen können , wenn die Trennung von dem Tatopfer ausgegangen ist und der Täter durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 32; BGH NStZ 2004, 34 m.w.N.).
21
Die Erwägungen des Schwurgerichts sind in diesem Zusammenhang – entgegen der Auffassung der Bundesanwaltschaft – auch nicht lückenhaft. Dass das Schwurgericht, wie die Bundesanwaltschaft meint, bei seiner Gesamtwürdigung nicht bedacht haben könnte, dass der Jähzorn und die Gewalttätigkeit des Angeklagten seine Ehefrau zur Trennung veranlasst haben, ist schon angesichts der mehrfachen Erwähnung dieser Umstände in den Urteilsgründen ausgeschlossen. Diesen Zusammenhang zu erkennen und selbstkritisch zu würdigen, war der Angeklagte aufgrund seiner Charakterprägung außer Stande. Dies könnte ihm namentlich deshalb auch nicht als schuldhafte Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit angelastet werden, weil die Begleitumstände der Trennung wie die vorangegangener Trennungen nach den getroffenen Feststellungen schon objektiv zwar ein primäres, nicht indes ein alleiniges Verschulden des Angeklagten an der familiären Zerrüttung belegen.
22
(2) Bei dem Tatopfer H. hat das Schwurgericht nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entscheidend darauf abgestellt, dass die Motivation des Angeklagten zur Tötung aller drei von ihm Verfolgten auf diffusen Gefühlen der Wut, des Hasses, der Rache, der Enttäuschung und der tiefen Kränkung infolge der Trennung seiner Ehefrau und darauf beruhte, dass der Angeklagte alle drei als eine ihn ausschließende Gemeinschaft wahrgenommen hat, von der er sich zudem verhöhnt wähnte (vgl. UA S. 14). Nach den vom Schwurgericht als glaubhaft angesehenen spontanen Angaben des Angeklagten zu seinem Tatmotiv (UA S. 17) liegt es angesichts der beschriebenen Persönlichkeitsstruktur des jähzornigen Angeklagten zudem fern, dass er die ihn in diesem Moment bestimmenden gefühlsmäßigen Regungen gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern konnte. Der latente Tötungsplan des Angeklagten, der durch den Erwerb und das Mitführen der Tatwaffe und die gezielte Verfolgung der verhassten Opfer belegt wird, ändert angesichts seiner gravierenden, auch von fremd- und selbstzerstörerischen Elementen geprägten Persönlichkeitsdefekte die Beurteilung nicht maßgeblich.
23
Soweit die Bundesanwaltschaft demgegenüber die besondere Sinnlosigkeit der situativen Verärgerung des Angeklagten über die drei von ihm verfolgten Personen und das Fehlen eines vernünftigen Grundes für die Tötung von H. als Beleg für ein als niedrig zu bewertendes Tötungsmotiv herausstellt, trägt sie mit solchen letztlich normativen Erwägungen den in der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten angelegten Besonderheiten der Tatentstehung und Tatbegehung nicht ausreichend Rechnung, die das Schwurgericht ohne Erörterungsmängel oder Wertungsfehler vertretbar in den Mittelpunkt seiner Bewertung gestellt hat. Die unter maßgeblicher Berücksichtigung der beschränkten Sicht des Angeklagten vorgenommene Bewertung auch dieser Tat als von ihm empfundene Verzweiflungstat und nicht als Aktion aus schlechterdings nicht nachzuvollziehendem, nur noch verachtenswertem Hass liegt innerhalb der Grenzen des Beurteilungsspielraums des Tatgerichts, den das Revisionsgericht hinzunehmen hat, wenn- gleich eine andere Beurteilung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei der Tötung des H. , des früheren Lebensretters des Angeklagten, ebenfalls vertretbar gewesen wäre und namentlich angesichts einer gewissen Vorplanung der Tat sogar näher gelegen hätte.
24
c) Schließlich ist die Verhängung der Höchststrafe aus dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB bei gleichzeitiger Verwerfung einer Anwendung des § 212 Abs. 2 StGB aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
25
3. Die Revision der Nebenklägerin ist nur insoweit zulässig, als die Nebenklägerin die Nichtannahme eines Mordmerkmals bei der Tötung ihrer Mutter S. rügt (vgl. § 400 Abs. 1 StPO). In diesem Umfang bleibt die Revision aus den genannten Gründen in der Sache ohne Erfolg.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

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Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 400 Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers


(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt. (2) De

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(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 30/05
vom
10. Mai 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Mai 2005,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 28. Juli 2004 im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 4. April 2003 wegen Heimtückemordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Aufhebung dieses Urteils durch den Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 4. November 2003 (1 StR 395/03) wegen Überschreitens der Urteilsabsetzungsfrist hat das Landgericht unter Anwendung der in der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 30, 105) entwickelten Grundsätze zur außergewöhnlichen Strafmilderung den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Mit ihrer auf den Strafausspruch beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet
insbesondere, daß das Landgericht keine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt hat. Das Rechtmittel hat Erfolg.

I.


1. Nach den Feststellungen erschoß der Angeklagte, der aus Anatolien stammt, in den Mittagsstunden des 24. August 2002 seinen Landsmann H. Y. , der mit dem Bruder der Ehefrau des Angeklagten an einem Stehtisch eines Imbiß in der Ortsmitte von D. stand, sich unterhielt und Tee trank. Der Angeklagte ging zielstrebig auf die beiden Männer zu, nahm in einer Entfernung von mindestens zwei, höchstens vier Metern seine Hand aus der Tasche, wie wenn er die Anwesenden begrüßen wollte. Er zog jedoch eine in seiner Hosentasche verborgene Pistole heraus und gab sodann mit gestrecktem Arm, die Pistole in Augenhöhe haltend, auf den Kopf desH. Y. zielend, in dichter Folge zwei Schüsse ab, sodann ohne Unterbrechung in Richtung auf den zu Boden sinkenden H. Y. zwei weitere Schüsse schräg nach unten, bevor sich die fünfte Patrone in der Pistole verklemmte. H. Y. verstarb im Niedersinken an den Folgen des ersten Schusses unmittelbar vor den Augen seines ebenfalls anwesenden 11jährigen Sohnes.
Zu seinem Motiv erklärte der Angeklagte, vor einigen Jahren habe eine ihm bekannte Frau gesagt, seine - des Angeklagten Frau - habe mit H. Y. Tee getrunken, während er - der Angeklagte - bei der Arbeit gewesen sei. Vor einigen Wochen, als er von der Arbeit nach Hause gekommen sei, sei H. Y. aus der Wohnung gelaufen, habe ihn dabei weggeschubst, aber kein Wort gesprochen. In der Wohnung hätten auf dem Tisch zwei Teegläser
gestanden. Er sei sich sicher, daß seine Frau und H. Y. ein Verhältnis hätten. Der Angeklagte erklärte zum Tattag, "sein Kopf sei nicht mehr an seinem Platz, er vergesse sehr viel, seit er krank sei". Schließlich erklärte er zu seinem Motiv, es handele sich um eine Sache der Ehre.
2. Die Strafkammer hat eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit trotz des vom psychiatrischen Sachverständigen geäußerten Verdachts einer anhaltenden Störung der Erlebnisverarbeitung in Form einer "überwertigen Idee" einer eifersüchtigen Fehlentwicklung ausgeschlossen und die Tat rechtlich als Heimtückemord gemäß § 211 StGB angesehen. Der Angeklagte habe sich H. Y. , der zu keinem Zeitpunkt mit einer Tätlichkeit, nicht einmal mit einer Beleidigung, rechnete und sich arglos mit seinem Bekannten vor dem Imbiß unterhalten habe, im Bewußtsein dieser Situation genähert und auf ihn aus kurzer Entfernung geschossen, um ihn zu töten. Ein Handeln aus niedrigen Beweggründen sei nicht feststellbar. Zwar habe der Angeklagte die Tat um seiner Ehre Willen begangen, eine weitere sichere Aufklärung der Motivation sei nicht möglich gewesen. Es komme "lediglich als Motiv ernsthaft in Betracht, daß der Angeklagte subjektiv aufgrund einer überwertigen Idee von einem ehewidrigen Verhältnis zwischen seiner Ehefrau und H. Y. überzeugt" gewesen sei. Bei dieser Sachlage sei ein Handeln des Angeklagten aus niedrigen Beweggründen nicht feststellbar.
3. Die Strafkammer hat anstelle der zu verhängenden lebenslänglichen Freiheitsstrafe wegen Vorliegens außergewöhnlicher Umstände die Strafe dem entsprechend § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen. Dabei sei sich die Kammer bewußt gewesen, daß die hier gegebene Konstellation von den Situationen abweiche, die der Große Senat, aber eben nur bei-
spielhaft und nicht abschließend, für die Verdrängung der absoluten Strafdrohung des § 211 StGB aufgeführt habe, und daß nicht jeder Entlastungsfaktor,
der etwa nach § 213 StGB zur Annahme eines minder schweren Falles zu führen vermag, ausreiche.
Den Charakter der außergewöhnlichen Umstände bekomme d ie Tat durch die überwertige Idee von einem Verhältnis zwischen seiner Ehefrau und H. Y. , wie sie sich gerade bei diesem Angeklagten entwickelt und ausgeprägt habe. Diese Idee habe sich beim Angeklagten so verfestigt und zugespitzt , daß sich seine Gesundheit in einem mehrwöchigen Zeitraum vor der Tat massiv verschlechtert habe. Neben den bereits vorhandenen Herzerkrankungen habe sich die Zuckerkrankheit des Angeklagten für ihn in hohem Maße ungünstig und damit belastend entwickelt. Er sei mehrere Wochen krank geschrieben , habe dann sogar im Juli zwei Wochen Urlaub genommen, um sich nicht erneut krank schreiben lassen zu müssen, was seiner eigenen Arbeitseinstellung widersprochen habe. Der Angeklagte habe sich somit damals in einer gesundheitlichen Krise, und damit auch in einer persönlichen Krise befunden, indem er seine Männlichkeit - seinen Mann zu stehen zuhause und im Beruf - bedroht gesehen habe; denn er sei mit der Zuckerkrankheit und ihrer Behandlung nicht fertig geworden und habe sein Leben und seine Arbeit nicht mehr in der bisherigen Form fortführen können. Die damit verbundene Verunsicherung seiner männlichen Rolle habe - zumindest nicht ausschließbar - zu einer persönlichen Krise geführt, bei der er - wie der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend zur Psychodynamik ausgeführt habe - die Verunsicherungen projektiv nach außen verlagert haben könnte. Der Sachverständige habe erläutert, daß die tatsächlich erlebte Abnahme der eigenen männlichen Leistungsfähigkeit psychodynamisch die neurotisch-konflikthafte Eifersucht auf den vermeintlichen Nebenbuhler verschärft haben könnte. Der Angeklagte habe aufgrund seiner Herkunft und Prägung praktisch auch kaum eine
Möglichkeit gehabt, Abstand zu der überwertigen Idee zu gewinnen. Er stamme aus einem Land, in dem die Rolle des Mannes besonders hervorgehoben sei und in dem die überkommenen Regeln des Zusammenlebens weiterhin gelten. Bis heute habe der Angeklagte sich nicht von diesen Wertvorstellungen distanziert. Es sei ihm infolge dieses Werte- und Familiengefüges nicht möglich, sich über persönliche Probleme, gerade auch im familiären Bereich, mit Dritten auszutauschen , weder mit seiner Frau noch im Kreis der Verwandtschaft oder der Kollegen, wie dies ein Arbeitskollege und die Personalsachbearbeiterin des Arbeitgebers be-stätigt hätten. Diese mangelnde Kommunikationsfähigkeit resultiere aus der Herkunft des Angeklagten; danach sei es ihm als Mann nicht möglich, mit anderen beispielsweise über mögliche "Verhältnisse", gar sexueller Art, zu reden; ihm werde eine Distanzierung zu seiner Gedankenwelt dadurch erschwert, daß er, wie der Sachverständige erläuterte, zwar keinesfalls schwachsinnig, aber doch eine einfach strukturierte Persönlichkeit mit nicht hoher Intelligenz sei.
Auf der anderen Seite habe die Kammer nicht übersehen, daß die Familie des Opfers, die Ehefrau und drei Kinder, bis heute massiv unter der Tat leide : Die Ehefrau des Opfers habe glaubhaft berichtet, daß bis heute alle drei Kinder, die zur Tatzeit 17, 14 und 11 Jahre alt waren, mit ihr nur in einem Zimmer Schlaf finden könnten und sowohl der Sohn, der Augenzeuge der Tat sein mußte, als auch eine Tochter noch heute in psychologischer Betreuung seien.

II.


Die Wertung der Strafkammer, dies seien außergewöhnliche Umstände, aufgrund welcher die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhält-
nismäßig erscheint, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Die vom Großen Senat des Bundesgerichtshofs (BGHSt 30, 105) entwickelte Rechtsfolgenlösung trägt dem Umstand Rechnung, daß das Mordmerkmal der Heimtücke auch in Fällen erfüllt sein kann, bei denen die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe wegen des sonstigen Gepräges der Tat das aus dem Grundgesetz abzuleitende Verbot unverhältnismäßigen staatlichen Strafens verletzen würde. Eine abschließende Definition oder eine Aufzählung der außergewöhnlichen Umstände, die in Fällen heimtückischer Tötung zur Verdrängung der lebenslangen Freiheitsstrafe führen können, hat der Große Senat für Strafsachen für unmöglich gehalten, jedoch auf beispielhaft in Betracht kommende Fallkonstellationen hingewiesen. Dazu gehören in großer Verzweiflung begangene oder aus gerechtem Zorn auf Grund einer schweren Provokation verübte Taten, ebenso Taten, die in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, ihren Grund haben. Allerdings reicht nicht jeder Entlastungsfaktor, der nach § 213 StGB Berücksichtigung finden würde, zur Annahme der Unverhältnismäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe aus. Auf die vom Großen Senat für Strafsachen im Wege verfassungskonformer Rechtsanwendung eröffnete Möglichkeit, anstatt der an sich verwirkten lebenslangen Freiheitsstrafe eine Strafe aus dem in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmten Strafrahmen zuzumessen, darf nicht voreilig ausgewichen werden (BGH NStZ 2005, 154; NStZ 2003, 482; 484; NStZ 1984, 20). Vielmehr kann das Gewicht des Mordmerkmals der Heimtücke nur durch Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben, so verringert werden, daß jener Grenzfall eintritt, in welchem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich gemilderter Schuld unverhältnismäßig wäre (vgl. BGH NStZ 1982, 69). Ob die-
se Voraussetzungen vorliegen, hat der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Tat sowie der zu ihr hinführenden Umstände zu prüfen (BGH NStZ 1982, 69; BGH NStZ 1984, 20; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 2 und 3). Der Beschluß des Großen Senats für Strafsachen hat nichts daran geändert, daß im Regelfall für eine heimtückisch begangene Tötung auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist. Durch die Entscheidung wurde nicht allgemein ein Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle eingeführt. Die in dem Beschluß entwickelten Grundsätze für die Anwendung des gemilderten Strafrahmens betreffen nur solche Fälle, in denen das Täterverschulden soviel geringer ist, daß die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens mißachten würde. Es müssen schuldmindernde Umstände besonderer Art vorliegen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind (vgl. BGH NStZ 1984, 20).
2. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, wird das angefochtene Urteil den von BGHSt 30, 105 aufgestellten Maßstäben nicht gerecht. Das Landgericht hat die von ihm festgestellten objektiven Tatumstände nicht ausreichend in seine Gesamtwürdigung zum Vorliegen von außergewöhnlichen schuldmildernden Umständen einbezogen, sondern hat überwiegend auf die durch die Herkunft und die persönliche Situation geprägte "überwertige Idee" des Angeklagten über das ehewidrige Verhältnis zwischen seiner Frau und H. Y. abgestellt. Es hat in seiner Gesamtwürdigung auch nicht zureichend die normativen Anforderungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt, sondern sich an den Anschauungen und Werten des Angeklagten orientiert, der die sittlichen und rechtlichen Werte
dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. BGH NStZ 2002, 369 m. w. Nachw.). Die Strafkammer hat sich aufgrund der Aussagen der Zeugen aus der Verwandtschaft des Opfers sowie der Aussage der Ehefrau des Angeklagten selbst davon überzeugt, daß zwischen ihr und H. Y. kein ehewidriges Verhältnis bestand. Sie hatte dem Angeklagten keinen Anlaß zur Eifersucht gegeben, sondern allenfalls gegen die Vorstellung verstoßen, der Kontakt von anderen Männern zu seiner Frau müsse über ihn laufen. Der Angeklagte holte somit aus objektiv nichtigem Anlaß seine Pistole aus dem Keller und entschloß sich, H. Y. in einem Akt der Selbstjustiz zu erschießen, wenn er ihn, wie vermutet, am Imbißstand antreffen würde. Die Tatausführung selbst glich nach der Darstellung des mit dem Tatopfer zusammenstehenden Zeugen einer "Hinrichtung" vor den Augen von dessen 11jährigem Sohn und dessen gleichaltrigem Freund. Angesichts dieses Aktes von Selbstjustiz und der festgestellten objektiven Tatumstände kann von außergewöhnlichen Schuldmilderungsgründen , die zu einer Strafrahmenverschiebung führen können, nicht ausgegangen werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Angeklagte aufgrund seines Lebenszuschnitts und seiner intellektuellen Fähigkeiten in seinen Ehrvorstellungen und Traditionen seiner anatolischen Heimat befangen war, von denen er sich trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht hat lösen können.
3. Keinen Rechtsfehler sieht der Senat allerdings darin, daß das Landgericht neben dem Mordmerkmal der "Heimtücke" nicht auch das Mordmerkmal der "niedrigen Beweggründe" angenommen hat, obwohl der Angeklagte glaubte , zu einem von langer Hand vorbereiteten Akt der Selbstjustiz berechtigt gewesen zu sein. Die Frage, ob eine Tötung aus "niedrigen Beweggründen" erfolgte , ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu entscheiden, bei der die Tat-
motive insgesamt zu berücksichtigen sind; dabei steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 21; Maatz/Wahl, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens des BGH S. 531, 552; jeweils m. w. Nachw.). Im Hinblick auf die vom Landgericht festgestellte persönliche Krise und seiner "überwertigen Idee" von einem ehewidrigen Verhältnis seiner Ehefrau ist es revisionsrechtlich noch hinnehmbar, daß das Landgericht die Verurteilung nicht auch auf das Mordmerkmal der Tötung aus sonst "niedrigen Beweggründen" gestützt hat (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 32), wenn auch eine andere tatrichterliche Wertung möglich gewesen wäre.
4. Die Sache bedarf zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Wahl Boetticher Kolz Elf Graf

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.