Bundesgerichtshof Urteil, 14. Sept. 2017 - 4 StR 45/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:140917U4STR45.17.0
14.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 45/17
vom
14. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2017:140917U4STR45.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 15. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls, wegen versuchter Körperverletzung sowie wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Vom (tatmehrheitlich angeklagten) Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision wendet sich die Nebenklägerin gegen den Freispruch. Ihr Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Die zugelassene Anklage legt dem Angeklagten insoweit Folgendes zur Last:
3
Der Angeklagte habe in der Nacht zum 19. September 2015, bekleidet mit einer grünen Bomberjacke, einer orange-roten Baseballkappe und Handschuhen , die 17-jährige Nebenklägerin im Stadtgebiet von P. am Genick gepackt, ihr den Mund zugehalten und sie unter ihrer erfolglosen körperlichen Gegenwehr in einen nahe gelegenen Park gezerrt. Dort habe er sich, nachdem die Nebenklägerin auf den Boden gefallen und auf dem Rücken zu liegen gekommen war, auf deren Hände gekniet, ihre Leggings zerrissen und habe mit der sich fortdauernd wehrenden Nebenklägerin den vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt, wobei er ihr seinen Unterarm auf den Mund hielt, um Hilfeschreie zu unterbinden. Danach habe er sie an den Haaren gepackt und sie für den Fall einer Offenbarung der Tat mit dem Tode bedroht, woraufhin sie habe flüchten können.
4
2. Das Landgericht hat diesen Sachverhalt nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festzustellen vermocht. Selbst wenn, so die Strafkammer , die von der Nebenklägerin geschilderte Vergewaltigung tatsächlich stattgefunden haben sollte, könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass eine andere Person und nicht der Angeklagte als Täter infrage komme.

II.


5
Der Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung hat keinen Bestand; er leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
6
1. Es ist schon zweifelhaft, ob das Urteil den formellen Anforderungen genügt, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an eine Freispruchsbegründung zu stellen sind (vgl. dazu BGH, Urteile vom 25. September 1990 – 1 StR 448/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 5; vom 10. August 1994 – 3 StR 705/93, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 10). Die danach regelmäßig erforderlichen zusammenhängenden Feststellungen zu den für erwiesen erachteten Tatsachen enthalten die Urteilsgründe nicht. Ob dies hier einen sachlich-rechtlichen Mangel darstellt oder ob tatsächlich keine Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen möglich waren (vgl. dazu BGH, Urteil vom 26. November 1996 – 1 StR 405/96, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 12), kann aber letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
2. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO), weshalb es ihm obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Das Urteil muss aber erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (BGH, Urteil vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH aaO).
8
3. Gemessen daran begegnet die Beweiswürdigung des Landgerichts in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
a) Zum einen weist sie Lücken auf, weil die Strafkammer nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise dargelegt hat, warum sie dem Gutachten der aussagepsychologischen Sachverständigen Dipl.-Psych. B. nicht gefolgt ist, wonach die Angaben der Nebenklägerin zur Tat und zum Täter mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ erlebnisfundiert seien.
10
aa) Zwar ist der Tatrichter nicht gehalten, einem Sachverständigen zu folgen. Kommt er aber zu einem anderen Ergebnis, so muss er sich konkret mit den Ausführungen des jeweiligen Sachverständigen auseinandersetzen, um zu belegen, dass er über das bessere Fachwissen verfügt (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 5 StR 181/12, NStZ 2013, 55, 56). Vor allem muss er die Stellungnahme des Sachverständigen zu den Gesichtspunkten wiedergeben, auf die er seine abweichende Auffassung stützt (BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 – 5 StR 173/00, NStZ 2000, 550, 551) und unter Auseinandersetzung mit diesen seine Gegenansicht begründen, damit dem Revisionsgericht eine Nachprüfung möglich ist (BGH, Urteile vom 11. Januar 2017 – 2 StR 323/16, NStZ-RR 2017, 222 f.; vom 14. Juni 1994 – 1 StR 190/94, NStZ 1994, 503).
11
bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Zwar referiert die Strafkammer die gutachterliche Stellungnahme der aussagepsychologischen Sachverständigen, die sich ihrerseits erkennbar an den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten methodischen Anforderungen orientiert (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164), in aller Breite in den Urteilsgründen. Sie versäumt es aber, eine eigene Bewertung der Ergebnisse des Gutachtens vorzunehmen und im Einzelnen zu erläutern, aus welchem Grund sie sich der Gutachterin nicht anzuschließen vermocht hat. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als im Hinblick auf das wesentliche Glaubhaftigkeitskriterium der Aussagekonstanz die Beurteilung der Sachverständigen von der Strafkammer, „das Kerngeschehen betreffend“, ausdrücklich geteilt wird (UA 44). Der allgemeine Hinweis darauf, die Bewertung der Angaben der Nebenklägerin durch die Gutachterin (mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ erlebnisfundiert)reiche zur Überführung des Angeklagten nicht aus und deren Bekundungen stünden der Einlassung des Ange- klagten auch vor dem Hintergrund des Gutachtens „unvereinbar gegenüber“, kennzeichnet letztlich nur das abstrakte Problem der Aussage-gegen-AussageKonstellation , ohne dieses nach den konkreten Umständen des Falles unter Einschluss des psychologischen Gutachtens zu erörtern. Der Senat kann danach auch nicht überprüfen, ob der Einschätzung der Strafkammer in Bezug auf die Ausführungen der psychologischen Sachverständigen die erforderliche Sachkunde zugrunde liegt.
12
b) Soweit das Landgericht die Frage, ob sich die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin überhaupt ereignet hat, letztlich offen gelassen hat, begegnen ihre Ausführungen zur Begründung ihrer Zweifel aus weiteren Gründen durchgreifenden Bedenken.
13
aa) Das Landgericht hat darauf abgestellt, „zweifelsfreie“ Rückschlüsse darauf, dass die Nebenklägerin Opfer einer Vergewaltigung geworden sei, habe ihre körperliche Untersuchung im Krankenhaus nicht ergeben. Die vom behandelnden Arzt festgestellte leichte Blutung im Vaginalbereich könne auch andere Ursachen als eine Vergewaltigung gehabt haben, etwa den Geschlechtsverkehr mit ihrem Freund am Nachmittag des 18. September 2015, sie könne auch im Zusammenhang mit einer Menstruation der Nebenklägerin oder mit „anderen Ursachen“ entstanden sein. Auch die leichten Kratzspuren und die dadurch verursachte Rötung im Dekolleté der Nebenklägerin ließen keine „zwangsweisen“ Rückschlüsse auf ein Vergewaltigungsgeschehenzu, würden ein solches allerdings auch nicht gänzlich ausschließen.
14
bb) Diese Ausführungen lassen schon nicht erkennen, dass das Landgericht bedacht hat, dass Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit ist, sondern ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 – 5 StR 358/03 mwN). Die Beweiswürdigung erweist sich an dieser Stelle ferner als lückenhaft. Denn mit Blick auf mögliche Ursachen für die Blutung im Vaginalbereich wäre erörterungsbedürftig gewesen, dass der von der Nebenklägerin bekundete Geschlechtsverkehr mit ihrem Freund bereits sieben Stunden vor der geschilderten Tat stattfand. Im Bereich bloßer Vermutung liegt die als weitere mögliche Erklärung in Betracht gezogene Menstruationsblutung, die weder in den Bekundungen der Nebenklägerin noch in sonstigen Umständen eine Stütze findet, ebenso die nicht näher tatsachenfundierten „anderen Ursachen“. Gänzlich un- erörtert bleibt in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Nebenklägerin den ermittelnden Polizeibeamten nach der Tat eine zerrissene Leggings übergab , was ihre Tatschilderung in einem wesentlichen Punkt bestätigte. Schließlich werden die für und gegen das Vorliegen einer Straftat sprechenden Indizien nicht zueinander in Bezug gesetzt.
15
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die aufgezeigten Rechtsfehler der Aussage der Nebenklägerin zur Tatbegehung gefolgt wäre, infolgedessen auch die sich aus der Aussage ergebenden und die weiteren Beweisanzeichen für eine Täterschaft des Angeklagten anders als geschehen gewichtet hätte und zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Unabhängig davon begegnet die Beweiswürdigung zur Frage einer Tatbegehung gerade durch den Angeklagten für sich genommen ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
16
aa) Die Nebenklägerin hat konstant bekundet, dass der Täter bei der Tatausführung ein Fahrrad mit sich geführt, eine grüne Bomberjacke sowie eine orangefarbene bzw. rote Baseballkappe getragen und beim Geschlechtsverkehr ein Kondom benutzt habe. Der den P. er Dialekt sprechende Täter habe ferner Handschuhe getragen und eine Tätowierung auf der Wange gehabt, bestehend aus einer oder mehrerer Tränen. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurden in der Wohnung der Lebensgefährtin des Angeklagten Kleidungsstücke der genannten Art sichergestellt, ferner weist die Wange des Angeklagten eine entsprechende Tätowierung auf.
17
In den Urteilsgründen werden diese Beweisanzeichen wie folgt gewürdigt :
18
Dass der Angeklagte im Besitz einer grünen Bomberjacke und einer roten Baseballkappe gewesen sei, stelle kein gewichtiges Indiz für seine Täterschaft dar, da es sich um Massenkleidungsstücke handle und die Nebenklägerin konkrete Erkennungszeichen wie eine besondere Marke nicht erkannt habe. Tätowierte Tränen im Gesicht, die der Angeklagte aufweise, seien keine Seltenheit , so dass nicht vollständig auszuschließen sei, dass sich in P. weitere Personen aufgehalten hätten, welche ebenfalls eine solche Tätowierung hätten. Im Übrigen sei sich die Nebenklägerin zunächst nicht sicher gewesen, auf welcher Seite und wie viele Tränen im Gesicht des Täters zu erkennen waren.
19
bb) Abgesehen davon, dass es sich bei der Annahme, in P. gebe es mehrere Personen mit einer Tätowierung ähnlich derjenigen des Angeklagten , um eine nicht mit Tatsachen belegte Vermutung handelt, fehlt auch die erforderliche Gesamtschau der Beweisergebnisse.
20
(1) Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermittelnkönnen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 f. mwN).
21
(2) Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass die dargelegten Umstände, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen, im Zusammenhang gewürdigt worden sind. Das Landgericht hat diese lediglich einzeln erörtert und nur geprüft, ob sie für sich allein zur Überführung des Angeklagten ausreichen. Dies genügt im vorliegenden Fall den Anforderungen an eine lückenlose Beweiswürdigung auch deshalb nicht, weil zu bedenken gewesen wäre, dass sich die von der Nebenklägerin geschilderte Tat in der Nacht zum 19. September 2015 nach 24.00 Uhr nicht weit von der Wohnung seiner damaligen Lebensgefährtin, der Zeugin D. , entfernt ereignet haben soll und dem Angeklagten sein Fahrrad dort zur Verfügung stand. Allein die Zeugin D. hat den Angeklagten für den Tatzeitraum (laut Anklagevorwurf in der Nacht zum 19. September nach Mitternacht) entlastet. Das Alibi des (einzig) neutralen Zeugen W. , der den Angeklagten und die Tochter der D. in derTatnacht mit seinem Taxi an der Wohnung der D. absetzte, reicht ausweislich seiner Angaben in der Hauptverhandlung nur bis 24.00 Uhr.
22
Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Gesamtschau der belastenden Umstände den jeweils isoliert aufgezeigten Zweifeln ein geringeres Gewicht beigemessen und sich letztlich auch von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hätte.
23
Soweit der Angeklagte vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden ist, bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

III.


24
Der Senat hebt den Freispruch daher auf und verweist die Sache insoweit an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Sollte das Landgericht zu einer Verurteilung gelangen, wird es unter Auflösung der bisherigen Gesamtstrafe eine neue Gesamtstrafe zu bilden haben (vgl. BGH, Urteile vom 10. November 1976 – 2 StR 572/76; vom 18. Februar 2016 – 1 StR 409/15; Beschluss vom 26. Januar 1999 – 4 StR 556/98). An der in seinem Urteil vom 14. Januar 2016 (4 StR 361/15) geäußerten Rechtsauffassung, wonach im Fall der Aufhebung eines Teilfreispruchs auf Revision der Nebenklage auch die in demselben Verfahren für nicht angefochtene Taten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe der Aufhebung unterliegt, hält der Senat nicht mehr fest (vgl. für den ver- gleichbaren Fall einer auf einen Teilfreispruch beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft Senatsurteil vom heutigen Tag – 4 StR 303/17).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 420/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf, einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den hinsichtlich der Raubtat ergangenen Teilfreispruch.
2
Ausweislich der Ausführungen in der Revisionsrechtfertigung, mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als sachlich-rechtlich fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisionsbegründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14 Rn. 7 mwN; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 7).
3
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


4
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2013 gegen 2.00/2.30 Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. Unbedarft öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Wohnung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80 cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. Während einer der beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Geräte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem Schlafzimmer und verstaute darin einen Laptop Sony Vaio, eine Playstation 3 sowie eine Toshiba Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltelefon , ein Apple iPhone 4-8 GB, herauszugeben. Aus Angst und unter dem Eindruck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegenstände. In der Geldbörse befanden sich u.a. der Personalausweis, der Führerschein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
6
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22. Juli 2013 für 130 € an den Bruder seiner ehemaligen Freundin, nachdem er es in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwendete Laptop nutzte der Angeklagte vom 12. Juli bis 15. Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100 € an seine ehemalige Freundin. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnten am 22. Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte aufgefunden werden.
7
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der Tatbeute gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Teilfreispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nachdem er am Tattag bis gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr bei seiner Schwester gewesen sei, von dort an die Schwimmhalle in Bitterfeld gefahren worden, wo er seinen Bekannten K. O. getroffen habe, der ihm „schöne Dinge“ angeboten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das Landgericht dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S. 22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr die wenig später um 2.00/2.30 Uhr verübte Raubtat zu begehen. Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1 ½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermöglichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten belastendes Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
12
b) Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare Gegenstände aus der Beute verfügte , sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des Geschädigten auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
13
c) Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat die Strafkammer schließlich eine Sachverhaltsvariante für möglich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die Strafkammer in der Unglaubhaftigkeit der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegenstände von seinem Bekannten K. O. einen Anhalt für ihre Annahme gesehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vorzunehmen und auf dieser Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Beweisergebnisse die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die Gegenstände aus der Tatbeute entweder durch die Raubtat oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 78/16
vom
1. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verdachts des Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:010217U2STR78.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 25. Januar 2017 in der Sitzung am 1. Februar 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Pflichtverteidiger für den Angeklagten C. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Pflichtverteidiger für den Angeklagten K. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreter der Nebenkläger N. R. und St. K. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreterin der Nebenkläger L. F. und S. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreter der Nebenkläger I. B. und A. B. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 25. Januar 2017, Justizangestellte in der Sitzung am 1. Februar 2017 als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger N. R. und St. K. wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 5. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revisionen der Nebenkläger I. B. und A. B. und der Nebenkläger L. F. und S. B. wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Tat zu Lasten der Geschädigten S. K. betrifft. Im Übrigen werden die Revisionen dieser Nebenkläger als unzulässig verworfen. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. B. vom Vorwurf des Totschlags und den Angeklagten K. B. vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Nebenkläger haben, soweit sie sich im Rahmen ihrer jeweiligen Nebenklagebefugnis halten, mit der Sachrüge Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger I. B. und A. B. und der Nebenkläger L. F. und S. B. sind unzulässig, soweit sie die Tat zum Nachteil des Geschädigten H. K. betreffen.

I.

2
Die zugelassene Anklage legt den Angeklagten folgendes zur Last:
3
Am 6. Juni 2014 habe der Angeklagte C. B. auf der „M. “ in Ma. im Rahmen eines Streits mit anschließender Rangelei dem Geschädigten H. K. ein von diesem mitgeführtes Messer abgenommen und hiermit insgesamt 17 Mal auf den Bauch- und Rückenbereich des Geschädigten eingestochen, bis dieser infolge der massiven Stichverletzungen verstorben sei.
4
Die Ehefrau des H. K. , die Geschädigte S. K. , habe mit einem Beil bewaffnet die Auseinandersetzung aus unmittelbarer Nähe beobachtet , ohne in das Geschehen einzugreifen. Der Angeklagte K. B. sei sodann von einem hinteren Teil des Geländes zu dem Kampfgeschehen hinzugekommen und habe erkannt, dass sein Sohn C. den Geschä- digten H. K. getötet habe. Daraufhin habe er sich entschlossen, die Geschädigte S. K. durch gezielte Kopfschüsse aus einer von ihm mitgeführten Pistole zu töten, um die Überführung seines Sohnes zu verhindern. In Ausführung seines Tatplans habe der Angeklagte K. B. daraufhin der Geschädigten aus kurzer Distanz zweimal hintereinander in deren Arm /Schulter-/Kopfbereich geschossen, wodurch S. K. sofort, wie vom Angeklagten K. B. beabsichtigt, verstorben sei. Die Angeklagten hätten anschließend die Kampfspuren zu verwischen gesucht, die Tatwerkzeuge beiseite geschafft und das getötete Ehepaar zunächst unter einem Sandhaufen, in der Nacht darauf in einer Jauchegrube vor der Ranch vergraben. Das Auto der Getöteten habe der Angeklagte K. B. auf einem Supermarktparkplatz in Ma. abgestellt.

II.

5
Zu den den Angeklagten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
6
1. Der Geschädigte H K. und seine Tochter waren seit Mai 2007 Pächter der „M. “, eines sich außerhalb des Stadtrands von Ma. befindlichen Grundstücks mit direktem Zugang zum Mainufer. Im März 2012 schlossen der Geschädigte und seine Ehefrau, die Geschädigte S. K. , mit den beiden Angeklagten einen Untermietvertrag, der diesen gegen einen Mietzins von monatlich 906 Euro in bar das Recht einräumen sollte, ein auf dem Anwesen befindliches Gebäude zu Wohnzwecken und Teile des Grundstücks für Tierhaltung zu nutzen. Den Geschädigten war bekannt, dass sie zu dieser Untervermietung nicht berechtigt waren und das Grundstück zu Wohnzwecken nicht genutzt werden durfte.
7
Ab dem Jahr 2013 verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Angeklagten und den Geschädigten zunehmend. Grund hierfür war zum einen, dass die Angeklagten aufgrund ihrer äußerst angespannten finanziellen Situation den vereinbarten Mietzins nicht immer pünktlich zum jeweiligen Monatsanfang an die Geschädigten zahlen konnten. Die Geschädigten, die nur über geringe Einkünfte verfügten, waren auf diese Zahlungen dringend angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten und den Mietzins für eine von ihnen auf Mallorca angemietete Wohnung entrichten zu können. Infolge der unregelmäßigen Zahlung der Miete kam es daher immer wieder zu verbalen Streitigkeiten zwischen den ihre Forderungen vehement einfordernden Geschädigten und den Angeklagten. Zu Konflikten zwischen den Angeklagten und Geschädigten trug zum anderen bei, dass Letztere nicht mit der Haltung der auf dem Hof lebenden Ziegen durch den Angeklagten C. B. einverstanden waren und deshalb mehrfach das staatliche Veterinäramt zu Kontrollen veranlassten. Dass sich die Angeklagten und Geschädigten täglich auf dem Gelände der Ranch begegneten, verschärfte das vorhandene Konfliktpotential zusätzlich. Auf die häufigen aggressiven Anwürfe der Geschädigten, die in Beleidigungen und Drohungen gipfelten, reagierten die Angeklagten passiv, demütig und verängstigt. Aufgrund der stetig zunehmenden Angst vor etwaigen Übergriffen der Geschädigten bewahrten die Angeklagten spätestens seit Dezember 2013 eine Pistole griffbereit hinter der Eingangstür des von ihnen bewohnten Gebäudes der Ranch auf.
8
In den letzten Wochen vor der Tat kam es beinahe täglich zu immer lautstärkeren – und seitens der Geschädigten sehr emotional und aggressiv geführten – Auseinandersetzungen zwischen den Geschädigten und den Angeklagten. Nachdem der Eigentümer des Grundstücks Ende April 2014 erstmals erfahren hatte, dass das Grundstück zu Wohnzwecken untervermietet worden war, forderte dessen Rechtsanwalt Anfang Mai 2014 die Geschädigten und An- geklagten schriftlich auf, das illegale Untermietverhältnis zu beenden. Am 2. Juni 2014 suchten die Angeklagten ihren Rechtsanwalt auf, der ihnen dazu riet, keinerlei Mietzins mehr an die Geschädigten zu entrichten und ihnen zusicherte , sich mit dem Grundstückseigentümer in Verbindung zu setzen, um eine direkte Anmietung oder einen Erwerb des Grundstücks zu erreichen. Am selben Tag zahlten die Angeklagten im Anschluss an das Beratungsgespräch für Juni 2014 dennoch einen (Teil-) Mietzins in Höhe von 450 Euro an die Geschädigten. Sie waren hiernach jedoch definitiv nicht mehr bereit, weitere Zahlungen zu leisten.
9
Am 6. Juni 2014 zwischen 13.02 Uhr und circa 13.30 Uhr befanden sich die Geschädigten auf dem Grundstück der Ranch direkt vor dem Eingang des von den Angeklagten bewohnten Gebäudes. Hierbei führte der Geschädigte H. K. – wie üblich – ein Messer mit sich. Die Geschädigten hatten sich vorgenommen – wie mit den Angeklagten zuvor am 2. Juni 2014 verabredet – den noch offenen Mietzins für den Monat Juni 2014 zu erhalten und waren zur Durchsetzung ihrer Forderung bereit, falls erforderlich, auch Gewalt anzuwenden.
10
Während sich der Angeklagte K. B. im hinteren Teil des Grundstücks mit den Tieren beschäftigte, traf der Geschädigte H. K. an der Eingangstür des bewohnten Gebäudes den Angeklagten C. B. an und forderte ihn zur unverzüglichen Zahlung des restlichen Mietzinses für Juni 2014 sowie zusätzlich auch des Mietzinses für Juli 2014 auf. Als der Angeklagte gegenüber H. K. und dessen Ehefrau, die ein Beil mit sich führte, trotz Drohungen mit Gewalt jede weitere Zahlung ablehnte und von der Einschaltung seines Anwalts berichtete, zog H. K. das von ihm mitgeführte Messer und setzte es dem von ihm am Hals festgehaltenen C. B. auf die Brust. Als sich der Angeklagte C. B. zu wehren versuchte, stach H. K. mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer in Richtung des Oberkörpers des Angeklagten, der den Stich jedoch ablenken konnte. Im weiteren Verlauf der tätlichen Auseinandersetzung gelang es C. B. , dem Geschädigten H. K. das Messer abzunehmen und sich durch einen Stich in dessen Oberkörper aus dem Griff am Hals zu lösen. Sein anschließender Versuch, von der Ranch zu flüchten, scheiterte, weil ihm die noch immer mit dem Beil bewaffnete Geschädigte S. K. den Fluchtweg versperrte. Dadurch gelang es dem Geschädigten H. K. , ihn einzuholen, in den Schwitzkasten zu nehmen und die wieder vor die Eingangstür verlagerte, zwischenzeitlich auf dem Boden geführte Auseinandersetzung fortzusetzen.
11
Währenddessen kam der Angeklagte K. B. zum Geschehen hinzu. Als er sah, dass sein Sohn mit dem Rücken auf dem Boden liegend mit dem auf ihm sitzenden H. K. kämpfte, und die Geschädigte S. K. mit einem Gegenstand in der Hand neben beiden kniete, versuchte er zunächst vergeblich S. K. wegzustoßen. Daraufhin begab er sich in den Vorraum des Hauses und ergriff die dort gelagerte Pistole.
12
Trotz der Fixierung seiner rechten Hand durch die linke Hand des Geschädigten H. K. war es dem Angeklagten C. B. nunmehr unter erheblicher Kraftanstrengung möglich, mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer noch insgesamt drei Stiche in den oberen Brustbereich des auf ihm sitzenden Geschädigten H. K. anzubringen, der ihn weiterhin mit seiner rechten Hand am Hals festhielt und versuchte, ihm das Messer zu entwinden.
13
In der Zwischenzeit kam der Angeklagte K. B. mit der Pistole zum Geschehen zurück. Als er erkannte, dass die Geschädigte S.
K. ein Beil in der Hand hielt und ausholend dazu ansetzte, hiermit auf C. B. einzuhacken, schoss er – um seinen Sohn vor dem Angriff mit dem Beil zu verteidigen – aus einer Entfernung von mindestens zwei Metern zwei Mal auf den Arm-/Schulterbereich der S. K. , die dadurch am Rücken getroffen wurde und sofort verstarb.
14
Der Angeklagte K. B. zog nun den Geschädigten von seinem Sohn herunter, woraufhin H. K. leblos auf dem Rücken neben C. B. zum Liegen kam. Der Angeklagte C. B. kniete sich daraufhin neben H. K. , der – was er nicht erkannte – bereits infolge beidseitigen Pneumothorax verstorben war, und fügte diesem mit dem Messer weitere 12 Stiche in den Brustkorb zu.
15
Der Angeklagte K. B. entschied sich gegen eine Verständigung der Polizei, da er davon ausging, dass diese ihnen das Tatgeschehen nicht glauben würde. Gemeinsam mit seinem Sohn, der – noch unter dem Einfluss des Tatgeschehens stehend – die Anweisungen seines Vaters mechanisch ausführte, beseitigten die Angeklagten die Tatspuren, parkten das Fahrzeug der Geschädigten auf dem Parkplatz eines Supermarkts, warfen das Tatmesser und das Beil in den Main, versteckten die Pistole und vergruben die Leichen auf dem Gelände der Ranch. Aufgrund von Hinweisen des Angeklagten C. B. vom 14. Oktober 2014 konnten die Leichname der Geschädigten später dort aufgefunden werden.
16
2. Das Landgericht hat die Einlassungen der Angeklagten zum Tatgeschehen , der die weiteren Beweisergebnisse nicht widersprächen, als unwiderlegbar angesehen. Unter Zugrundelegung der Einlassungen hat es angenommen , das Handeln des Angeklagten C. B. sei durch Notwehr gerechtfertigt. Der Geschädigte H. K. habe den Angeklagten C.
B. rechtswidrig angegriffen, indem er mit der linken Hand an dessen Hals griff und mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer auf ihn einstach. Dieser Angriff sei auch noch nach dem Entwinden des Messers nicht beendet gewesen, da der Geschädigte den Angeklagten weiter mit seiner linken Hand am Hals festgehalten und um das Messer gekämpft habe. Über diese fortdauernde Intensität der Kampflage hinaus habe die jederzeitige Möglichkeit eines Eingreifens der anwesenden und mit einem Beil bewaffneten Ehefrau des Geschädigten bestanden. Als der Angeklagte C. B. auf den bereits verstorbenen Geschädigten H. K. weiter einstach, habe er sich im Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB befunden.
17
Hinsichtlich der vom Angeklagten K. B. auf die Geschädigte S. K. abgegebenen zwei Schüsse hat das Landgericht angenommen , diese seien als Nothilfe gerechtfertigt. Dadurch, dass die Geschädigte S. K. gerade mit dem Beil ausholte, um auf den Angeklagten C. B. einzuhacken, habe sie diesen rechtswidrig angegriffen.

III.

18
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der Nebenkläger N. R. und St. K. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger I. und A. B. sowie der Nebenkläger L. F. und S. B. haben mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie sich im Rahmen ihrer sich aus §§ 395 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 401 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Nebenklagebefugnis halten, im Übrigen sind sie unzulässig. Wegen des Erfolgs der Sachrüge bedarf es keines Eingehens auf die Verfahrensrügen. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
19
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag.
20
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen , wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 – 1 StR 597/15, Rn. 27, zit. nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen aus- zugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).
21
2. Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das Urteil nicht.
22
a) Ein grundlegender Mangel des Urteils liegt bereits darin, dass das Landgericht die im Rahmen der sachlich-rechtlichen Begründungspflicht gebotene nähere Dokumentation früherer Einlassungen der Angeklagten unterlassen und den Zeitpunkt der jeweiligen Einlassungen in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt hat.
23
Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, hat der Tatrichter sich seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung des Angeklagten aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu bilden (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR48/86, BGHSt 34, 29, 34). Dabei kann ein Wechsel der Einlassung im Laufe des Verfahrens ein Indiz für die Unrichtigkeit der Einlassung in der Hauptverhandlung sein und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder unter Umständen ganz entfallen lassen (Senat, Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anpassung der Einlassung an die Ergebnisse der Beweisaufnahme kann auch der Zeitpunkt, zu dem sich ein Angeklagter zur Sache einlässt, ein Umstand sein, der im Rahmen der Gesamtwürdigung gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 – 3 StR 580/00, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 21).
24
Zwar hat die Kammer in den Urteilsgründen dargestellt, dass die Einlassung der Angeklagten über ihre Verteidiger durch Verlesung von vorbereiteten, schriftlichen Erklärungen in der Hauptverhandlung erfolgte (UA S. 57). Auch werden inhaltliche Angaben hierzu gemacht (UA S. 27, 51 bis 56). Es bleibt jedoch offen, zu welchem Zeitpunkt im Rahmen der mehrtägigen Hauptverhandlung diese Einlassungen verlesen wurden und ob und insbesondere mit welchem Inhalt sich die Angeklagten vor diesem Zeitpunkt eingelassen haben. Dass es frühere Einlassungen der Angeklagten gegeben hat, folgt bezüglich des Angeklagten C. B. aus der Erwähnung eines Hinweises zum Fundort der Leichen (UA S. 27) und bezüglich des Angeklagten K. B. aus der Mitteilung, dass er am 8. Juni 2014 vom Zeugen KOK P. zur Sache vernommen worden ist (UA S. 35). Das Urteil teilt auch nicht mit, wie im Einzelnen sich der Angeklagte C. B. im Rahmen des letzten Wortes geäußert hat. Insoweit wird lediglich wiedergegeben, dass der Angeklagte anschaulich geschildert habe, noch immer beinahe jede Nacht vom Tatgeschehen zu träumen (UA S. 83).
25
b) Das Landgericht hat darüber hinaus den Anwendungsbereich des Zweifelssatzes verkannt. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14 Rn. 44, NStZ-RR 2015, 83, 85 mwN). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 – 3 StR 136/01, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24).
26
Nachdem das Landgericht bei der Bewertung des Kampfgeschehens und der Interessenlage der Beteiligten zunächst zu der Annahme gelangt war, dass „Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sowohl der Geschädigte H. K. als auch der Angeklagte C. B. am Tattag das Tatmesser mitgebracht und als Erstes eingesetzt haben könnten, da beide ohnehin messergewohnt waren“ (UA S. 59), ist es unter rechtsfehlerhafter Anwendung des Grund- satzes „in dubio pro reo“ der Einlassung der Angeklagten gefolgt und zu deren Gunsten davon ausgegangen, dass „der Streit am Tattag von den Geschädig- ten begonnen wurde und der Geschädigte H. K. hierbei derjenige war, der das Tatmesser mit sich führte, dieses auch zog und zuerst gegen den Angeklagten C. B. einsetzte“ (UA S. 62).
27
c) Die Beweiswürdigung weist zudem durchgreifende Lücken auf.
28
aa) Die Wertung des Landgerichts, es sei kein Motiv der Angeklagten ersichtlich , mit den Geschädigten am Tattag zunächst einen verbalen Streit und sodann gar eine körperliche Auseinandersetzung zu beginnen (UA S. 61), beruht auf lückenhaft gebliebenen Erwägungen.
29
Das Landgericht stellt insoweit darauf ab, dass die Angeklagten nach dem Beratungsgespräch mit ihrem Rechtsanwalt wussten, dass der mit den Geschädigten geschlossene Untermietvertrag illegal war und sie den Geschädigten deshalb künftig keine Mietzinszahlungen mehr schuldeten. Außerdem habe ihnen der Anwalt zugesichert, mit dem Eigentümer Kontakt aufzunehmen und zu versuchen, für die Angeklagten einen Mietvertrag über das Grundstück direkt mit dem Eigentümer ohne Einschaltung der Geschädigten abzuschließen (UA S. 61, 79). Das Landgericht sieht die Angeklagten daher in einer „geradezu komfortablen Lage“, weshalb sie auch keine Veranlassunggehabt hätten, mit den Geschädigten Streit zu beginnen (UA S. 62).
30
Bei dieser Wertung hat das Landgericht nicht hinreichend in den Blick genommen, dass die Angeklagten bereits eine Woche zuvor ein Schreiben der Stadt Ma. erhalten hatten, aus dem sich ergab, dass die Ranch künftig an die Angeklagten nicht mehr zu Wohnzwecken vermietet werden durfte (UA S. 38). Der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken standen nicht nur die Bestimmungen des Pachtvertrags, sondern auch öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (UA S. 37). Da die Zeugin Kl. über den eingeschalteten Rechtsanwalt die Räumung des Grundstücks von den Angeklagten verlangt hatte (UA S. 37), hatten diese daher Anfang Juni das Ende des Mietverhältnisses über das Grundstück und die Zwangsräumung zu befürchten. Für sie bestand daher nicht nur die Gefahr, ihre Wohnung auf der Ranch, sondern vor allem ihren Lebensmittelpunkt und die von ihnen auf dem Grundstück betreuten Tiere zu verlieren, an denen der Angeklagte C. B. besonders hing und die sein Lebensinhalt waren. Selbst in dem von ihrem Rechtsanwalt ins Spiel gebrachten Fall der eigenen Anmietung des Grundstücks hätten die Angeklagten ihre Wohnmöglichkeit verloren. Den drohenden Verlust der bisherigen Lebensumstände der Angeklagten hätte die Strafkammer bei der Frage, ob die Angeklagten Anlass hatten, mit den Geschädigten einen Streit zu beginnen , mitberücksichtigen müssen.
31
bb) Die Wertung der Kammer, eine geplante Tötung der Geschädigten seitens der Angeklagten scheide aus, blendet einen wesentlichen Aspekt des festgestellten Geschehensablaufs aus. So erklärt das Landgericht die – gegen den unmittelbar zuvor erteilten Rat ihres Rechtsanwalts am 2. Juni 2014 erfolgte – Zahlung der Angeklagten in Höhe von 450 Euro an die Geschädigten mit dem Ziel, „zunächst weiteren Streitigkeiten und Anfeindungen der Geschädigten zu entgehen“ (UA S. 50). Nicht in die Wertung einbezogen hat das Landgericht jedoch den festgestellten Umstand, dass die Angeklagten noch am selben Tag mit den Geschädigten verabredet hatten, am 6. Juni 2014 den offenen Restbetrag zu bezahlen und sich die Geschädigten gerade aus diesem Grund am Tattag zur Ranch begaben (UA S. 10, 18). Dass die Angeklagten am 2. Juni 2014 mit den Geschädigten die Verabredung einer weiteren Geldübergabe trafen, ist im Übrigen nicht mit der vom Landgericht getroffenen Annahme in Einklang zu bringen, die Angeklagten seien nach der Teilmietzinszahlung „definitiv nicht mehr bereit [gewesen], weiteren Mietzins an die Geschädigten zu entrichten“ (UA S. 18).
32
cc) Auch hinsichtlich der Geschehnisse am Tattag zwischen 11 Uhr und 13 Uhr weist die Beweiswürdigung eine Lücke auf. Wie das Landgericht aufgrund der Angaben diverser Zeugen festgestellt hat, waren die Geschädigten regelmäßig täglich zwischen 11 und 13 Uhr auf der Ranch (UA S. 12 ff.; 28 ff., 46 ff.). Nach ihrer (insoweit vom Landgericht nicht in Zweifel gezogenen) Aussage traf die Zeugin S. die Geschädigte auch am 6. Juni 2014 gegen 11 Uhr nahe der Ranch, als diese mit ihren Hunden am Mainufer spazieren ging (UA S. 68). Diese Aussage hat das Landgericht nicht zum Anlass genommen, sich mit der naheliegenden Frage auseinanderzusetzen, ob sich die Geschädigten bereits etwa zwei Stunden vor der Tat auf der Ranch aufgehalten haben und was zwischen 11 Uhr und der zwischen 13.02 Uhr und circa 13.30 Uhr angesetzten Tatzeit auf der Ranch geschehen ist.
33
dd) Bei der Würdigung der Einlassung des Angeklagten C. B. zum Tathergang hat die Kammer nicht erörtert, dass die Einlassung zum auslösenden Ereignis für den Messereinsatz durch den Geschädigten H. K. in offenkundigem Widerspruch zur Tatvorgeschichte steht. Der Angeklagte hat sich eingelassen, der Geschädigte habe ein Messer gezogen, nachdem er durch ihn davon erfahren habe, dass der Eigentümer der Ranch von dem illegalen Untermietverhältnis nunmehr Kenntnis erlangt habe (UA S. 52). Demgegenüber ist das Landgericht im Rahmen der Tatvorgeschichte davon ausgegangen, dass die Geschädigten von dem Schreiben bereits mindestens eine Woche vor der Tat Kenntnis erhalten hatten (UA S. 17, 37, 38, 60).
34
d) Schließlich fehlt es auch an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände. Die Beweiswürdigung der Strafkammer lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht des Umstandes bewusst war, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können (vgl. Senat, Urteil vom 17. September 1986 – 2 StR 353/86; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1; BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83, 85).
35
3. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln ; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und der gebotenen wertenden Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien die Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten gewonnen hätte. Vors.RiBGH Prof. Dr. Fischer Appl Eschelbach ist wegen Krankheit an der Unterschrift gehindert. Appl Zeng Grube
5 StR 181/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 15. Dezember 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung der durch das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 2. November 2010 wegen Unterhaltspflichtverletzung in zwei Fällen verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt sowie angeordnet, dass von der Gesamtfreiheitsstrafe drei Monate als vollstreckt gelten. Vom Vorwurf weiterer sechs Fälle des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen hat es den Angeklagten freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, soweit er verurteilt worden ist.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts besuchte die am 6. Juni 1997 geborene Nebenklägerin, Tochter aus der ersten Ehe des Angeklagten , diesen an einem Wochenende im September 2008 gemeinsam mit ih- rem Bruder in seiner Wohnung. Zu dieser Zeit befand sich die zweite Ehefrau des Angeklagten in Marokko. Während der Junge im Wohnzimmer an seinem Computer beschäftigt war, legten sich der Angeklagte und seine Tochter im Elternschlafzimmer im Doppelbett schlafen. Als diese bereits eingeschlafen war, schob der Angeklagte seine Hand unter ihre Unterwäsche und berührte sie mit seinen Fingern im Scheidenbereich. Als sie wach wurde, zog er seine Hand schnell zurück.
3
Von dem Vorwurf, die Nebenklägerin im Tatzeitraum Juni 2006 bis Februar 2010 in mindestens fünf weiteren Fällen in seinen jeweiligen Wohnungen unter ihrer Oberbekleidung an den Brüsten berührt zu haben, wobei sie in mindestens drei dieser Fälle das erigierte Glied des Angeklagten an ihren Schenkeln spürte, hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen , da es unter Berücksichtigung der grundsätzlich für glaubhaft erachteten Angaben der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung „nicht die erforder- liche Konkretisierung vornehmen“ konnte (UA S. 25). Darüber hinaus hat die Jugendschutzkammer den Angeklagten auch von dem weiteren Vorwurf freigesprochen , im Tatzeitraum Januar 2008 bis Januar 2010 anlässlich eines spielerischen Gerangels sein bedecktes Geschlechtsteil an der Scheide der ebenfalls bekleideten Geschädigten gerieben zu haben, da sie sich aufgrund der Hauptverhandlung nicht mit hinreichender Sicherheit überzeugen konnte, „dass dieser Vorfall so stattgefunden hat. Zugunsten des Angeklagten konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Nebenklägerin dieses Verhalten des Angeklagten falsch interpretiert haben kann“ (UA S. 9).
4
Im Ergebnis seiner Prüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin hat das Landgericht „keinerlei Zweifel daran, dass sich die Tathandlung sowie die übrigen sexuellen Übergriffe des Angeklagten zum Nach- teil der Nebenklägerin so abspielten wie im Sachverhalt festgestellt“ (UA S. 18). Es weicht damit von der Beurteilung der aussagepsychologischen Gutachterin ab, die – entgegen ihrem schriftlichen Gutachten – „im Hinblick auf das Aussagematerial der Nebenklägerin im Rahmen der Hauptverhand- lung“ (UAS. 18) nicht mehr zu dem Ergebnis gelangte, dass deren Bekundungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erlebnisfundiert seien. In der Hauptverhandlung habe sich die „Qualität des Aussagematerials“ reduziert.
5
2. Die Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat seine Überzeugung vom Tathergang und der Täterschaft des die Taten bestreitenden Angeklagten alleine auf die Angaben der Nebenklägerin gestützt. Es weist zwar auf die besonderen, an diese Beweiskonstellation zu stellenden Anforderungen hin (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 1987 – 3 StR 141/87 – und vom 18. Juni 1997 – 2 StR 140/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1 und 14); gleichwohl genügen die Urteilsgründe diesen Anforderungen nicht. Sie machen vielmehr nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise deutlich, dass die Jugendschutzkammer alle zur Beeinflussung der Entscheidung geeigneten Umstände in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise in die Überzeugungsbildung einbezogen hat.
6
a) Zwar ist das Tatgericht nicht gehalten, einem Sachverständigen zu folgen. Kommt es aber zu einem anderen Ergebnis, so muss es sich konkret mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinandersetzen, um zu belegen , dass es über das bessere Fachwissen verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 – 1 StR 190/01). Es muss insbesondere auch dessen Stellungnahme zu den Gesichtspunkten wiedergeben, auf die es seine abweichende Auffassung stützt (BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 – 5 StR 173/00, NStZ 2000, 550). Aus den im Urteil wiedergegebenen Ausführungen der Sachverständigen wird deutlich, weshalb sie von einer Reduzierung der „Qualität des Aussagematerials“ in der Hauptverhandlung ausgegangen ist, aufgrund derer sie nicht mehr an ihrer Einschätzung im schriftlichen Gutachten festhalten könne (UA S. 19). Die Mutmaßung der Sachverständigen, das Aussageverhalten der Nebenklägerin könne „aufgrund des großen Zeitintervalls“ zwischen polizeilicher Vernehmung und Exploration einerseits und Hauptverhandlung andererseits oder mit dem schwierigen Lebensabschnitt erklärbar sein, in dem sich die Nebenklägerin befinde, ändert nichts an der – ineinem unaufgelösten Widerspruch zitierten – Wertung der Sachverstän- digen, dass die Reduktion des Aussagematerials mit gutachterlichen Methoden nicht durch Vergessensprozesse erklärt werden könne.
7
Die Jugendschutzkammer stellt dieser Würdigung der Sachverständigen eine eigene Beweiswürdigung gegenüber, ohne sich dabei aber mit der von der Sachverständigen festgestellten Reduzierung der Aussagequalität der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung auseinanderzusetzen. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Aussage des Tatopfers das einzige Beweismittel ist, hat das Tatgericht eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der aussagepsychologischen Glaubwürdigkeitskriterien vorzunehmen (Brause, NStZ 2007, 505, 506). Das Landgericht beruft sich insoweit darauf, dass es anders als die Sachverständige die Frage der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin nicht aufgrund aussagepsychologischer Instrumentarien zu entscheiden habe, sondern nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO). Indes hatte das Landgericht dabei aussagepsychologische Glaubwürdigkeitskriterien zu beachten; es hat diese in verschiedenen Bereichen auch selbst angewendet. Bei seiner Prüfung, die demnach substantiell denselben Kriterien zu folgen hatte wie diejenige der Sachverständigen, musste es sich mit deren Einwänden auseinandersetzen.
8
b) Das Landgericht stützt seine Beweiswürdigung vor allem auf das sachliche und keine überschießende Belastungstendenz zeigende Aussageverhalten der Geschädigten, das Fehlen von Falschbelastungsmotiven, die spontane Offenbarung des Geschehens zunächst gegenüber Freundinnen und die Schilderung „sehr origineller Details“ (UA S. 21, 23). Insoweit werden allerdings nur zwei Details genannt, die gerade nicht den Verurteilungsfall betreffen. Überdies bezieht sich eines dieser Details (der Angeklagte habe anlässlich eines sexuellen Übergriffs ihr gegenüber geäußert, nicht er, sondern der Fuß der zwischen den beiden im Bett liegenden kleinen Halbschwester habe sie im Genitalbereich berührt) auf einen Vorfall, bei dem sich – jedenfalls nach der nachvollziehbaren Auffassung der Sachverständigen, der das Landgericht insoweit nicht widerspricht – nicht ausschließen lässt, dass es hier zu einer Fehlinterpretation der Nebenklägerin gekommen ist. Darüber hinaus sind die Schilderungen der Nebenklägerin zu diesem Vorfall an verschiedenen Stellen des Urteils unterschiedlich wiedergegeben („sie habe dann bemerkt, dass ihr Vater mit seinem Penis sie in ihrem Genitalbe- reich berührt habe“, UA S. 16; anlässlich eines Vorfalls, bei dem sie mit dem Angeklagten und ihrer kleinen Halbschwester im Ehebett lag, habe sie „et- was festes“ an ihrem Oberschenkel gespürt, was sie als den Penis des Angeklagten interpretierte, UA S. 25). Ob insoweit eine Inkonstanz der Angaben der Nebenklägerin vorlag, mit der sich das Urteil hätte auseinandersetzen müssen, bleibt unklar.
9
c) Die Jugendschutzkammer befasst sich mit verschiedenen Mängeln der Zeugenaussage (Probleme bei der zeitlichen Einordnung der Taten, Widersprüche hinsichtlich des Tatorts) und erklärt diese – ohne Rücksicht auf die Einschätzung der Sachverständigen – im Ergebnis mit Vergessens- und Verschmelzungsprozessen. Die von der Nebenklägerin abgegebene inkonstante Schilderung hinsichtlich eines Eindringens des Angeklagten mit dem Finger in ihre Scheide führt die Jugendschutzkammer auf Schwierigkeiten der Nebenklägerin hinsichtlich sexueller Begrifflichkeiten zurück. Indes befasst sich das Urteil in keiner Weise mit der Bekundung der Mutter der Nebenklägerin , diese habe ihr unter anderem mitgeteilt, der Angeklagte habe „sein ‚Ding‘ bei ihr reingemacht“ (UA S. 13). Eine solche Darstellung der Ne- benklägerin gegenüber ihrer Mutter wäre kaum mit mangelnden Begrifflichkeiten zu erklären. Die Beweiswürdigung der Jugendschutzkammer ist mithin auch insoweit lückenhaft.
10
d) Ohne dass dies den Angeklagten für sich beschwert, bleibt die Beweiswürdigung auch in ihrer Gesamtheit widersprüchlich, weil kaum erklärlich ist, weshalb das Landgericht bei seiner insgesamt positiven Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin hinsichtlich der weiteren Tatvorwürfe nicht zu Mindestfeststellungen gelangt ist, die insoweit einer umfassenden Freisprechung entgegengestanden hätten.
11
3. Das angefochtene Urteil war demnach insgesamt aufzuheben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Wenngleich der Teilfreispruch Bestand hat, wird das neue Tatgericht allein zur Überprüfung des einzigen verbleibenden Anklagevorwurfs den Wahrheitsgehalt der belastenden Angaben der Nebenklägerin in ihrer Gesamtheit zu überprüfen haben. Die Aufhebung umfasst notwendigerweise auch die Kompensationsentscheidung, für die das Urteil keinerlei Begründung gibt.
Basdorf Schaal Schneider Dölp Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 173/00
URTEIL
vom 20. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juni
2000, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Tepperwien als Vorsitzende,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof und
Richterin am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin B
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin M
als Beistand der Nebenklägerin,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Landgericht Frankfurt/Oder zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hatte den Angeklagten am 23. Februar 1997 – unter Freisprechung im übrigen – wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 90 Fällen sowie wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen (jeweils begangen zum Nachteil seiner am 7. September 1979 geborenen Tochter M ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dieses Urteil hatte der Senat auf Revision des Angeklagten durch Beschluß vom 25. November 1997 – 5 StR 458/97 – wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg.
1. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, seine Tochter, die Nebenklägerin , zu keiner Zeit in der ihm vorgeworfenen Weise sexuell mißbraucht zu haben. Dies war ihm nach Auffassung des Tatrichters in der erneuten Hauptverhandlung nicht zu widerlegen. Die Aussage der Nebenklägerin , die der Sachverständige – ein Kinder- und Jugendpsychiater – für glaubhaft befunden hat, konnte der Strafkammer nicht die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten verschaffen.
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin sind teilweise widersprüchlich, es fehlt in wesentlichen Punkten an der erforderlichen Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Sachverständigen und die Urteilsgründe lassen nicht ausreichend erkennen, daß das Gericht alle Umstände , die Schlüsse auch zuungunsten des Angeklagten ermöglichen, in die Gesamtwürdigung einbezogen hat.

a) Zunächst führt das Landgericht bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin aus, daß ihre Aussage keine vordergründige Belastungstendenz aufweise. Es spreche auch nicht gegen ihre Aussage, daß sie erst nach Jahren – die Zeugin war inzwischen 16 Jahre alt – angefangen habe, den Angeklagten zu belasten. Insoweit folge es dem Gutachter, daß das Pubertätsalter für die Nebenklägerin ein günstiger Zeitpunkt gewesen sein könnte, eventuell über Jahre Aufgestautes auszusprechen (UA S. 13). Demgegenüber wird die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin an anderer Stelle (UA S. 15) gerade mit der Erwägung in Zweifel gezogen, es sei unverständlich, daß sie sich trotz der jahrelang andauernden Vorfälle erst so spät jemandem offenbart habe. Hinzu komme, daß die Nebenklägerin mit den Beschuldigungen erst begonnen habe, als sie sich längst nach Beendigung der sexuellen Übergriffe in einem auf der allgemeinen Erziehungssituation beruhenden Konflikt mit dem Angeklagten befunden habe. Zur Begründung nimmt das Landgericht auch den Sachverständigen mit dem allgemeinen Erfahrungssatz in Anspruch, in Mißbrauchsfällen seien belastende Angaben, die aus einem Spontankonflikt erwachsen seien, grundsätzlich eher glaubhaft als solche, die im Zusammenhang mit einer allgemeinen Konfliktsituation stünden (UA S. 16). Hierbei läßt die Strafkammer jedoch die relativierende Ä ußerung des Sachverständigen unerörtert, daß bei langanhaltenden Übergriffen auch eine Aussage in allgemeinen Konfliktsituationen glaubhaft und daß der Nebenklägerin die Aussage dadurch erleichtert worden sei, daß sie zum Zeitpunkt ihrer ersten Anschuldigungen nicht mehr bei dem Angeklagten gewohnt habe (UA S.13).

b) Das Landgericht hat sich auch deshalb nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht, weil die Aussagen der Zeugin gewisse Abweichungen und Unstimmigkeiten enthielten, die den Wahrheitsgehalt ihrer Bekundungen in Frage stellten. So habe die Zeugin in der erneuten Hauptverhandlung erstmals angegeben, daß ihr Vater bei der ersten Mißbrauchshandlung „total betrunken“ gewesen sei. Die zeitliche Einordnung dieser ersten Tat stehe teilweise im Widerspruch zu anderen Beweisergebnissen (UA S. 14). Zweifel seien auch deshalb angebracht, weil die Nebenklägerin hinsichtlich einer sexuellen Beziehung zu dem Zeugen W unterschiedliche Angaben gemacht habe (UA S. 15).
Auch vor dem Hintergrund dieser von dem Landgericht angenommenen Unstimmigkeiten war eine Auseinandersetzung mit dem Gutachten unerläßlich. Zwar ist der Tatrichter nicht gehindert, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders zu beurteilen als der Sachverständige, da dessen Gutachten stets nur eine Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung sein kann. Jedoch muß er, sofern er in einer schwierigen Frage den Rat eines Sachverständigen in Anspruch genommen hat und diese Frage dann im Widerspruch zu dem Gutachten lösen will, die Darlegungen im einzelnen wiedergeben, insbesondere dessen Stellungnahme zu den Gesichtspunkten, auf welche der Tatrichter seine abweichende Auffassung stützt. Anderenfalls ist dem Revisionsgericht die Prüfung nicht möglich, ob das Tatgericht das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat (vgl. BGH NStZ–RR 1997, 172; BGHR StPO § 261 – Sachverständiger 1 und 5). Denn Abweichungen des Aussageinhalts erlauben nicht ohne weiteres den Schluß auf die Unglaubhaftigkeit; jedenfalls darf das Kriterium der Widerspruchsfreiheit und Konstanz einer Aussage nicht überbewertet werden (BGH NStZ–RR 1997, 172). Gerade deshalb hätte es einer Erörterung der Frage bedurft, welches Gewicht den vom Landgericht im einzelnen dargestellten Abweichungen und Unstimmigkeiten in der Aussage der Nebenklägerin , die im übrigen das Kerngeschehen nicht oder nur unwesentlich berühren, nach Auffassung des Sachverständigen sowie in Bezug auf die Beurteilung der speziellen Glaubwürdigkeit dieser Zeugin zukommt.

c) Die Beweiswürdigung begegnet schließlich insofern durchgreifenden Bedenken, als das Landgericht es versäumt hat, alle aus dem Urteil ersichtlichen wesentlichen Umstände, die Schlüsse auch zuungunsten des Angeklagten ermöglichen, in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen (vgl. BGHSt 25, 285, 286; BGH NStZ–RR 1997, 172, 173). Dies gilt namentlich für die im Urteil ausführlich dargestellte Entstehungsgeschichte der Aussage der Nebenklägerin (UA S. 7 bis 9). Nach den Feststellungen hat sie sich zunächst eher zögerlich und z urückhaltend gegenüber ihrer Freundin und später gegenüber professionellen Helfern geäußert, wobei sie erst allgemeine Andeutungen machte und erst auf näheres Befragen der Zeugin G , einer Psychologin des Jugendnotdienstes, von konkreten sexuellen Übergriffen ihres Vaters berichtete. In diesem Zusammenhang hätte auch berücksichtigt werden müssen, in welcher Verfassung sich die Nebenklägerin bei diesen ersten Angaben befand und in welcher Weise sie sich im einzelnen äußerte. Für die Glaubhaftigkeit sprechende Gesichtspunkte hätten auch darin gefunden werden können, daß die Zeugin nach den Urteilsfeststellungen zum Kerngeschehen identische Aussagen gemacht hat wie im Vorverfahren und daß Belastungstendenzen nicht erkennbar waren (UA S. 13). Schließlich hätte es einer vertieften Erörterung bedurft, daß der Angeklagte einen Tag, nachdem er von den Anschuldigungen seiner Tochter erfahren hatte, dieser gegenüber als erste Reaktion erklärte, es tue ihm leid, was zwischen ihnen geschehen sei (UA S. 9). Das Landgericht hält es für möglich, daß sich diese Entschuldigung auf andere Fehler des Angeklagten im Umgang mit seiner Tochter bezogen habe (UA S. 16), wobei es den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Mitteilung über die Anschuldigungen und dem Gespräch außer Acht läßt. Gerade dieser zeitliche Aspekt läßt die Erwägung des Landgerichts eher als fernliegend erscheinen. Daß das Landgericht auf die genannten Umstände nicht oder nur unvollständig eingeht, gibt Anlaß zu der Annahme, daß es die erforderliche Gesamtwürdigung aller Umstände, die für und gegen die Zuverlässigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechen, nicht vorgenommen hat.
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Tepperwien Häger Basdorf Gerhardt Raum

Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf, gemeinsam mit weiteren Tätern am 24. Februar 2014 unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einen bewaffneten Raubüberfall auf das Juweliergeschäft P.   im     -Z.   in S.   begangen zu haben, freigesprochen. Es konnte sich von einer Tatbeteiligung des Angeklagten nicht überzeugen. Mit ihrer gegen diesen Freispruch gerichteten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2

Das Landgericht hat hinsichtlich des Überfalls folgende Feststellungen getroffen:

3

Am 24. Februar 2014 gegen 12.00 Uhr betraten die gesondert Verfolgten Mi.    B.   und   V.   zusammen mit einem weiteren Täter das Juweliergeschäft P.   im    -Z.    in S.  . V.   betrat als erster das Geschäft und richtete seine mitgeführte Pistole auf zwei im Geschäft arbeitende Mitarbeiter und gab ihnen sowie einer weiteren Angestellten zu verstehen, sich auf den Boden zu legen. Mi.   B.  , der Bruder des Angeklagten M.  B.  , trug eine Schiebermütze; er ging direkt zu den Uhrenvitrinen und schlug mit einer Axt die Scheiben ein. Er entnahm sodann Uhren der Marke Breitling und verstaute sie in seinem Rucksack. Zeitgleich schlug ein weiterer Täter, der mit einer Baseball-Kappe bekleidet war, die Schaufensterscheibe mit einer Axt von innen ein und entnahm aus der Auslage zahlreiche Uhren sowie Modeschmuck, die er in eine Umhängetasche packte. Die Täter erbeuteten Uhren und Schmuck im Gesamtwert von über 265.000 €. Sie flüchteten zu Fuß zu einer in der Nähe gelegenen Bundesstraße, wo ein Auto auf sie wartete, mit dem sie davonfuhren. Der dritte Räuber wies - so das Landgericht - Ähnlichkeiten mit dem Angeklagten und dessen Bruder, Mi.   B.  , auf. Dass es sich tatsächlich um den Angeklagten handelte, war - trotz zahlreicher belastender Indizien - nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen.

II.

4

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensbeanstandung nicht ankommt.

5

1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der es sich von der Täterschaft des Angeklagten nicht hat überzeugen können, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie weist Lücken auf, weil nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise dargelegt ist, warum es dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch.  , der es als „wahrscheinlich“ angesehen hat, dass der Angeklagte der (dritte) Täter mit der Adidas-Baseball-Kappe gewesen sei, nicht gefolgt ist.

6

Zwar ist das Tatgericht nicht gehalten, einem Sachverständigen zu folgen. Kommt es aber zu einem anderen Ergebnis, so muss es sich konkret mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinander setzen, um zu belegen, dass es über das bessere Fachwissen verfügt (vgl. BGH NStZ 2013, 55, 56). Es muss insbesondere auch dessen Stellungnahme zu den Gerichtspunkten wiedergeben, auf die es seine abweichende Auffassung stützt (vgl. BGH NStZ 2000, 550) und unter Auseinandersetzung mit diesen seine Gegenansicht begründen, damit dem Revisionsgericht eine Nachprüfung möglich ist (vgl. BGH NStZ 1994, 503).

7

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht teilt zwar die Einschätzung des Sachverständigen mit, der bei einem Vergleich von Bildern des Angeklagten mit Aufnahmen einer Überwachungskamera von der Tatbegehung keine erheblichen Abweichungen festgestellt, zudem diverse Merkmalsähnlichkeiten erkannt und es insoweit als "wahrscheinlich" angesehen hat, dass der Angeklagte mit dem Täter auf dem Überwachungsvideo identisch sei. Die Strafkammer legt auch noch dar, dass sie "dem nicht in vollem Umfang aus eigener Überzeugung zu folgen vermochte", da die von dem Sachverständigen aus dem Videomaterial gewonnenen und für einen Vergleich herangezogenen Lichtbilder teilweise so unscharf gewesen seien, dass die Kammer die Konturen nicht mit der gleichen Sicherheit wie der Sachverständige als diejenigen des Angeklagten identifizieren konnte. Sie versäumt es aber, der eigenen Einschätzung von der mangelnden Qualität der Tatortbilder die Stellungnahme des Gutachters gegenüber zu stellen und zu erläutern, warum dieser in den Bildern (noch) eine hinreichende Grundlage für die Fertigung eines anthropologischen Gutachtens sieht und aus welchem Grund sie sich dem gleichwohl nicht anzuschließen vermag. Ohne nähere Kenntnis dieser Umstände ist es dem Senat - trotz einiger in Bezug genommener Lichtbilder, die die Strafkammer durchaus nachvollziehbar als "so verschwommen" bezeichnet hat, dass sie hierauf verlässlich einen Vergleich nicht stützen konnte - nicht möglich nachzuprüfen, ob der Einschätzung der Strafkammer die hierfür erforderliche Sachkunde zugrunde liegt.

8

Dieser Darlegungsmangel führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei der gebotenen Würdigung des anthropologischen Gutachtens zu einer anderen Einschätzung gelangt und daraus die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte.

9

Die Sache bedarf, zweckmäßigerweise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen, neuer Verhandlung und Entscheidung.

Appl     

       

Krehl     

       

Eschelbach

       

Bartel     

       

Grube     

       

5 StR 358/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 29. Oktober 2003
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Oktober
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 31. Januar 2003 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Von der Begehung zweier dem Angeklagten vorgeworfener Vergewaltigungen hat sich das Landgericht dagegen nicht überzeugen können; die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am 4. August 2002 begab sich der Angeklagte in die Eschenstraße 4 in Dresden. Er traf dort im Hof auf mehrere Hausbewohner, die sich über die ebenfalls dort lebende Zeugin K – die spätere Geschädigte – unterhielten. Diese wurde von den Bewohnern des Hauses gemieden,
da sie häufig betrunken war und in diesem Zustand Nachbarn beleidigte und verleumdete. Zudem soll sie vielfach die Polizei und Rettungsdienste grundlos alarmiert und einen der Mieter zu Unrecht einer Vergewaltigung bezichtigt haben. Mit dem Angeklagten verstand sich K jedoch „verhältnismäßig gut“. Als diese – wiederum bereits angetrunken – im Hof erschien , erklärte sich der Angeklagte bereit, auf einem Spaziergang über die Probleme mit den Nachbarn zu sprechen. Nachdem sie unterwegs Bier gekauft und getrunken hatten, begann es zu regnen. Beide suchten eine nahegelegene Garage auf und stellten sich dort unter. Plötzlich und ohne erkennbaren Anlaß schlug der Angeklagte K mehrfach mit der Hand ins Gesicht, wodurch die Zeugin Prellungen erlitt.
Von einer dem Angeklagten zudem vorgeworfenen Vergewaltigung in der Garage hat sich die Strafkammer indes nicht überzeugen können. Gleiches gilt im Hinblick auf eine weitere Vergewaltigung, zu der es nach den Angaben der Geschädigten kurze Zeit später – nach weiterem gemeinsamen Alkoholkonsum und Heimweg – im Treppenhaus des Hauses Eschenstraße 4 gekommen sein soll; die Strafkammer hat den Angeklagten insoweit freigesprochen.

II.


Die Revision der Staatsanwaltschaft, die die unterbliebene Verurteilung wegen der Vergewaltigungsvorwürfe rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die zusätzlich erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.
1. Schon die Darstellung der dem Urteil zugrundeliegenden Beweiswürdigung begegnet erheblichen Bedenken. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen müssen in der Regel nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen bezeichnet werden, die der Tatrichter für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung beginnend mit
der Einlassung des Angeklagten dartut, aus welchen Gründen er die zur Verurteilung notwendigen (zusätzlichen) Feststellungen nicht treffen konnte (BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, 5, 8, 12). Dies gilt entsprechend, wenn der Tatrichter zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe nur einen Tatbestand erfüllt, weitere aus Sicht der Anklage tateinheitlich dazu stehende Delikte seien ihm hingegen aus tatsächlichen Gründen nicht nachzuweisen.
Auch die sehr knappe, über die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale kaum hinausgehende Wiedergabe der Vergewaltigungsvorwürfe ist problematisch. Vor allem aber fehlt es im Rahmen der dann folgenden Beweiswürdigung an einer hinreichend nachprüfbaren Darstellung der Einlassungen des Angeklagten einerseits und der Bekundungen der Geschädigten andererseits. Zwar genügt im allgemeinen eine geraffte Zusammenfassung der für die Beweiswürdigung wesentlichen Einzelheiten (BGHR StPO § 267 Abs. 1 S. 2 Einlassung 1; BGH NStZ-RR 1999, 272). Doch ist eine umfassende Darstellung der relevanten Aussagen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann geboten, wenn – wie hier – Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welcher Person das Gericht Glauben schenkt. Bei einer solchen Beweislage muß der Tatrichter erkennen lassen, daß er alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGHSt 44, 153, 159; BGHSt 44, 256, 257). Dies gilt auch dann, wenn das Gericht den Angeklagten nicht verurteilt, weil es sich von der Richtigkeit der belastenden Aussage eines Zeugen nicht überzeugen kann (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 174 m. w. N.).
Zum Geschehen in der Garage teilt die Strafkammer zur Einlassung des Angeklagten lediglich mit, daß die getroffenen Feststellungen „im wesentlichen auf dem Geständnis des Angeklagten“ beruhen, „soweit ihm gefolgt werden konnte“ und daß „die vom Angeklagten behauptete Erinnerungslücke“ zu seiner „plötzlichen Verhaltensänderung“ durch die Angaben der
Geschädigten „zumindest soweit ihren Angaben gefolgt werden konnte“ ausgefüllt werden konnten (UA S. 15). Im Rahmen der Strafzumessung (hinsichtlich des ausgeurteilten Körperverletzungsdelikts) wird dem Angeklagten dann aber zugute gehalten, daß er „von sich aus die Tat von Anfang an eingeräumt hat, ohne seine Handlung von sich aus beschönigend darzustellen“; seine fehlende „Detailerinnerung“ beruhe auf einem Verdrängungsmechanismus. Ungeachtet der offenkundigen Ungereimtheiten dieser wenigen bruchstückhaften und widersprüchlichen Mitteilungen fehlt sowohl die gebotene Wiedergabe von Einzelheiten der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung als auch Angaben zu seinem Aussageverhalten in vorhergehenden Verfahrensabschnitten. Gleiches gilt letztlich auch für die Darstellung der Angaben der Geschädigten. Statt deren Bekundungen zum Tatvorwurf zusammenhängend zu schildern (vgl. dazu BGHR StPO § 267 Abs. 1 S. 1 Sachdarstellung 12) und dann zu würdigen, beschränkt sich das Landgericht auf die Wiedergabe und Bewertung einzelner aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage gerissener Angaben, die aus Sicht des Landgerichts mit weiteren Beweisergebnissen nicht in Einklang stehen. Eine sorgfältige Erörterung all dieser Umstände war auch deswegen geboten, weil die Strafkammer die Aussage der Geschädigten hinsichtlich der ihr zugefügten Körperverletzung für glaubhaft befunden und insoweit den eigenen Feststellungen zugrundelegt hat.
Dies trifft in gleicher Weise auf die Beweiswürdigung zu der dem Angeklagten vorgeworfenen weiteren Vergewaltigung im Treppenhaus zu (UA S. 26 – 28). Zudem läßt die hier – aber auch an anderen Stellen der Beweiswürdigung – verwendete Formulierung, die Einlassung des Angeklagten habe nicht „zwingend“ widerlegt werden können, besorgen, daß die Strafkammer die Anforderungen, die an die richterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen sind, überspannt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewißheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Si-
cherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen läßt. Dabei haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich lediglich auf die Annahme einer bloß gedanklichen, abstrakttheoretischen Möglichkeit gründen (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 2, 22, 25).
2. Die Beweiswürdigung des Tatgerichts hält jedenfalls wegen Lückenhaftigkeit sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Sie läßt die gebotene Auseinandersetzung mit der wesentlichen Feststellung vermissen, daß bei der Untersuchung des Angeklagten kurz nach seiner Festnahme Kopfhaare der Geschädigten unter seiner Vorhaut gefunden worden waren (UA S. 19). Im Urteil wird dieses Indiz allein im Zusammenhang mit Gesichtspunkten erwähnt , die den Angeklagten aus Sicht des Landgerichts entlasten. So schließt es aus dem beschriebenen Fund, daß der Angeklagte sich nach der Trennung von der Geschädigten nicht gereinigt habe. Dies wie auch der Umstand , daß weder am Geschlechtsteil des Angeklagten noch bei der Geschädigten Spermien gefunden worden seien, lasse die dem Angeklagten vorgeworfenen Vergewaltigungen zweifelhaft erscheinen. Im übrigen begnügt sich das Tatgericht mit dem Hinweis, es habe nicht aufgeklärt werden können, wie die Haare dorthin gelangen konnten. Der jedenfalls sehr naheliegenden Erklärung, daß Ursache dafür ein – der Anklage zugrundegelegter – Oralverkehr gewesen war, geht die Strafkammer in keiner Weise nach. Eine Auseinandersetzung mit diesem den Angeklagten erheblich belastenden Indiz war aber unumgänglich, zumal angesichts der vorliegenden Beweislage ohnehin schon eine besonders sorgfältige Erörterung aller relevanten Beweistatsachen angezeigt war. Schließlich fehlt auch jedwede Darlegung, aus welchem Grund der Angeklagte gegen die Zeugin vorgegangen ist. Auch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist kein einleuchtendes Motiv erkennbar , warum der Angeklagte die Zeugin „plötzlich“ mehrfach ins Gesicht geschlagen haben soll. Dies gilt umso mehr, als die weiteren – aus Sicht der Strafkammer – gegen eine Vergewaltigung sprechenden Gesichtspunkte, wie fehlende Beschädigungen an der Rückseite der Bluse des Opfers und die
(geringe) Größe der Kiste, auf der die Geschädigte bei der Tat gelegen haben soll, – wenn überhaupt – nur von geringer Indizwirkung sind.
3. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß bei der Berechnung der Blutalkoholkonzentration eines Angeklagten zu dessen Gunsten hinsichtlich des Nachtrunks von einem Resorptionsdefizit in Höhe von 30 % und nicht nur 20 % auszugehen ist (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 10).
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 114/11
vom
10. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
die Nebenklägerin persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der sexuellen Nötigung u.a. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist. Eines näheren Eingehens auf die zusätzlich erhobenen Aufklärungsrügen bedarf es somit nicht.

I.


2
1. In der (im Wesentlichen auf den Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren beruhenden) unverändert zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Konstanz vom 12. Juli 2010 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, dass er bei der Behandlung der Nebenklägerin in mindestens acht Fällen gegen deren Willen aus sexuellen Gründen mit seinem Finger in deren Vaginalbereich eingedrungen sei. Der Angeklagte hat die Vorwürfe bestritten. Das Landgericht hat sich nicht von seiner Schuld zu überzeugen vermocht. Hinsichtlich des Sachverhalts konnte es lediglich folgende Feststellungen treffen:
3
In der Zeit von August bis November 2009 begab sich die damals 18 Jahre alte Nebenklägerin wegen ihres Heuschnupfens mindestens fünf Mal in die Behandlung des als Heilpraktiker tätigen Angeklagten. Dieser war ihr persönlich bekannt, da sie bei dessen Tochter eine Ausbildung zur Kosmetikerin absolvierte. Zur Behandlung des Heuschnupfens führte der Angeklagte bei der Nebenklägerin jeweils zunächst eine Eigenblutbehandlung durch, bei der er ihr das zuvor entnommene Blut in ihren Gesäßmuskel spritzte und die Einstichstelle mit einer schmerzstillenden Salbe massierte. Anschließend nahm er noch eine Lymphdrainage vor, bei der er die Lymphknoten mit einem Massagegerät abtastete.
4
Mitte bzw. Ende November 2009 kam es wegen häufiger Krankmeldungen zu einem Streit zwischen der Nebenklägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Tochter des Angeklagten, woraufhin die Nebenklägerin ihren Ausbildungsplatz vorzeitig kündigte.
5
In einem Brief vom 13. Januar 2010 schrieb der Angeklagte der Nebenklägerin Folgendes: „Meine Liebe Jenni. Beginnend möchte ich dich bitten, dass dieser Brief nur uns beide betrifft !!!! Es tut mir sehr leid, dass ich dich nicht mehr hier haben kann. (…) Ich hoffe, dass die Zuneigung zu dir nicht der Grund deiner Kündi- gung gewesen ist. (…) Bitte (…) mach keine trotz Aktionen mit der A. (…). Ich grüße und küsse dich herzlich, bitte melde dich. PS: Wenn du mir schreiben willst, dann schreibe als Absender Apotheke R. “.
6
Dieser Brief veranlasste die Nebenklägerin, zur Polizei zu gehen und gegen den Angeklagten Anzeige zu erstatten.
7
2. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Nebenklägerin und die Zeugin G. , die einen (von der Staats- anwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellten) „vergleichbaren Vorfall“ wie die Nebenklägerin geschildert habe, hätten auf die Strafkammer zwar „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht. Dennoch seien Zweifel an der Glaubhaf- tigkeit der Aussagen der beiden miteinander bekannten Zeuginnen verblieben. So habe es in der Aussage der Nebenklägerin „Unsicherheiten bzw. Abweichungen zu ihren polizeilichen Angaben, die auch den Kernbereich der Tatvor- würfe betreffen“, gegeben. Außerdem hätten beide Zeuginnen ein Belastungs- motiv, da sie beide mit der Tochter des Angeklagten Streit gehabt hätten.

II.


9
Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20).
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes , wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 und 9. März 2011 - 2 StR 467/10 mwN). Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20, sowie BGH, Urteil vom 21. November 2006 - 1 StR 392/06) oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 mwN).

12
2. Diesen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
13
a) Die Beweiswürdigung ist bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil es an einer geschlossenen Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. fehlt.
14
Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen - wie hier - Aussage gegen Aussage steht, muss aber der entscheidende Teil einer Aussage in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist.
15
aa) Die Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin bei der Polizei und in der Hauptverhandlung beschränkt sich auf die Wiedergabe und Bewertung einzelner aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage gerissener Angaben, die das Landgericht als „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ bezeichnet, „die auch den Kernbereich der Tatvorwürfe betreffen“. Die Bekundungen der Ne- benklägerin zu den von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwürfen, insbesondere konkrete Details zum unmittelbaren Tatgeschehen, werden dagegen nicht mitgeteilt. Auch ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob die Nebenklägerin die vom Landgericht aufgezeigten Widersprüche im Aussageinhalt nachvollziehbar erklären konnte oder nicht. Auf dieser Grundlage kann der Senat schon nicht hinreichend überprüfen, ob das Landgericht eine fachgerechte Analyse der - im Urteil nicht weiter mitgeteilten - Aussage der Nebenklägerin zum Kern- geschehen vorgenommen und die dabei von ihr aufgezeigten „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ zutreffend gewichtet hat (zur Gewichtung von Aussage- konstanz und Widerspruchsfreiheit vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - 4 StR 526/96).
16
bb) Eine zusammenhängende Schilderung der von der Zeugin G. gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe ist den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil beschränken sich auf den Hinweis, die Zeugin habe einen „vergleichbaren Vorfall“ geschildert. Weitere Einzelheiten der Aussage werden nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher auch in Bezug auf die Aussage der Zeugin G. nicht überprüfen, ob das Landgericht die für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung wesentlichen Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, zumal das Landgericht seine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. mit einem Streit zwischen ihr und der Tochter des Angeklagten begründet hat, ohne hierüber nähere Einzelheiten, z.B. zur Ursache, zum genauen Zeitpunkt, zum Verlauf oder zur Intensität des Streits, mitzuteilen.
17
b) Das Landgericht hat seine Zweifel an der Schuld des Angeklagten wesentlich auf „Abweichungen bzw. Unsicherheiten“ in der Aussage der Ne- benklägerin gestützt. So habe die Nebenklägerin unterschiedliche Angaben zum erstmaligen Einsatz eines Massagestabes - bei der ersten bzw. bei der zweiten Behandlung durch den Angeklagten - gemacht. Auch habe sie sich an die Anzahl der Behandlungstermine nur noch „grob“ erinnern können; zunächst habe sie von vier bis fünf, später dann von fünf bis acht Terminen gesprochen. Bei der Bewertung dieser ungenauen Gedächtnisleistungen der Nebenklägerin hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob diese derart schwerwiegend sind, dass sie Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der Aussage erlauben. Denn nicht jede Inkonstanz stellt bereits einen Hinweis auf eine mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Das Landgericht lässt dabei zudem auch die Einlassung des Angeklagten außer Acht, die in diesem Zusammenhang nicht wesentlich von den Angaben der Nebenklägerin abweicht. So hat der Angeklagte nicht nur angegeben, dass er die Nebenklägerin fünfmal in seiner Praxis behandelt habe, sondern auch, dass er dabei regelmäßig das Massagegerät eingesetzt habe.
18
c) Aus dem Brief vom 13. Januar 2010, den der Angeklagte an die Nebenklägerin geschrieben hat und der letztlich nach den Feststellungen der Aus- löser für ihre Strafanzeige gewesen ist, konnte das Landgericht keine „zwingenden Schlüsse“ hinsichtlich der Tatvorwürfe ziehen. Diese Formulierung lässt besorgen, dass das Landgericht die Anforderungen, die an die richterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen sind, überspannt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 - 5 StR 358/03 mwN).
19
d) Bei der Bewertung des Briefes vom 13. Januar 2010 hat sich das Landgericht zudem lediglich mit den Textstellen auseinandergesetzt, in denen der Angeklagte von seiner Zuneigung zu der Nebenklägerin spricht, sie auffordert , Trotzreaktionen zu unterlassen, und sie bittet, bei Schreiben an ihn einen falschen Absender anzugeben. Dagegen bleibt die für ein Schreiben eines Therapeuten an seine Patientin ungewöhnliche Grußformel „ich küsse dich herzlich“ unerörtert. Für eine Erörterung auch dieser Textstelle hätte hier schon deshalb Anlass bestanden, weil der Angeklagte an anderer Stelle des Briefes seine Zuneigung zur Nebenklägerin zum Ausdruck bringt, so dass die von ihm verwendete Grußformel darauf hindeuten könnte, dass es bei der Behandlung der Nebenklägerin zu sexuellen Handlungen gekommen war.
20
e) Die erforderliche Gesamtschau der Beweisergebnisse fehlt.
21
Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH, Urteile vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 und 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 jew. mwN).
22
Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass die Umstände, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen, im Zusammenhang gewürdigt worden sind. Das Landgericht hat diese lediglich einzeln erörtert und nur geprüft, ob sie für sich allein zur Überführung des Angeklagten ausreichen. Dies genügt hier den Anforderungen an eine lückenlose Beweiswürdigung schon deshalb nicht, weil die Nebenklägerin und die Zeugin G. - wie dies an mehreren Stellen des Urteils ausgeführt wird (UA S. 7, 13 und 14) - auf das Landgericht „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht haben. Der Senat kann daher nicht aus- schließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Gesamtschau der belastenden Umstände den jeweils isoliert aufgezeigten Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. ein geringe- res Gewicht beigemessen und sich nicht nur von der Richtigkeit ihrer Angaben, sondern letztlich auch von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hätte.
Nack Wahl Elf Graf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 409/15
vom
18. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen des Vorwurfs des Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:180216U1STR409.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 16. Februar 2016, in der Sitzung am 18. Februar 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin – in der Verhandlung vom 16. Februar 2016 –, Rechtsanwalt als Verteidiger, die Nebenklägerin persönlich – in der Verhandlung vom 16. Februar 2016 –, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 16. Februar 2016 – als Vertreter der Nebenklägerin, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 1. April 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge freigesprochen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf eines weiteren Diebstahls und eines Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge freigesprochen. Die auf die Freisprüche beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin (insoweit beschränkt auf den Freispruch vom Mordvorwurf) haben mit der jeweils näher ausgeführten Sachrüge Erfolg.

I.

2
1. Dem Angeklagten liegt gemäß der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage hinsichtlich der Freisprüche Folgendes zur Last: Zwischen dem 4. und 10. Oktober 2013 soll er die 69-jährige Rentnerin W. , eine Wohnungsnachbarin seiner Mutter, getötet haben. Er habe sich unter einem Vorwand den Zugang zur Wohnung der Nachbarin erschlichen um in einem unbeobachteten Moment im Schlafzimmer Schmuckstücke zu entwenden. Hierbei habe ihn die Geschädigte überrascht und zur Rede gestellt. Er habe sodann in Tötungsabsicht unvermittelt mit einem stumpfen Gegenstand der Geschädigten auf den Kopf geschlagen, bis sie zu Boden gegangen sei, um sie sodann mit einem schmalen Strangulationswerkzeug zu erdrosseln. Motiv hierfür sei gewesen, die Aufdeckung seiner Tat (und früherer Diebstahlstaten ) zu verhindern und die Entwendung von Schmuckgegenständen fortsetzen zu können. Zudem habe der Angeklagte zwischen dem 7. und 9. November 2013 in einem Hotel als Reinigungskraft aus dem Zimmer eines Hotelgastes eine ca. 8.000 Euro teure Armbanduhr entwendet, um sie für sich zu verwenden.
3
2. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
4
a) Der Angeklagte zog 2011 von Tschechien nach Deutschland, wo er zunächst zusammen mit seiner Mutter in deren Wohnung in der C. straße in M. wohnte. Unmittelbare Wohnungsnachbarin war die Rentnerin W. . Diese war finanziell abgesichert, sie hatte u.a. im Jahr 2007 100.000 Euro bei einer Lotterie gewonnen. Während W. zunächst zu dieser Zeit noch ihren bettlägerigen Ehemann pflegte, starb dieser im Laufe des Jahres 2011. Bei der Pflege ihres Ehemanns und nach dessen Tod nahm W. mehrfach die Hilfe des Angeklagten und zweier seiner Brüder in Anspruch. Der Angeklagte half mindestens einmal, den Ehemann umzulagern, nach dessen Tod strich er mit seinen Brüdern gegen eine geringfügige Entlohnung die Wände der Wohnung, baute in der Wohnung mehrere Möbel im Schlafzimmer auf und reparierte Möbelstücke, zuletzt alleine im Sommer 2013 eine Kommode im Schlafzimmer. Aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse des Angeklagten erfolgte die Kontaktaufnahme dabei über die Mutter des Angeklagten oder den in einer anderen Wohnung auf derselben Etage des Hauses wohnenden Bruder L. . Anfang Januar 2013 zog der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter in ein Haus seiner Mutter in G. . Weil er zu dieser Zeit bei einer Reinigungsfirma angestellt war und in Hotels in M. als „Roomboy“ eingesetzt wurde, übernachtete er auch teilweise bei seiner Mutter in M. . Auch hierdurch kam es – neben den Reparaturen – zu Zusammentreffen des Angeklagten mit der später Getöteten. Als „nicht ausschließbar“ hat die Strafkammer angese- hen, dass es anlässlich der Begegnungen zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten bei der Begrüßung bzw. der Verabschiedung zu freundschaftlichen Umarmungen gekommen ist.
5
Die Geschädigte wurde am 10. Oktober 2013 auf dem Bauch liegend tot im Schlafzimmer ihrer Wohnung gefunden. Es fehlten Schmuckstücke und der Wohnungsschlüssel. Der Tod trat im Zeitraum zwischen dem 4. und dem 8. Oktober 2013 ein, wobei ein genauerer Todeszeitpunkt nicht feststellbar war. Der Angeklagte hielt sich zumindest teilweise zwischen dem 4. und 10. Oktober 2013 bei seiner Mutter in der Nachbarswohnung der Geschädigten auf, vom 5. bis 7. Oktober 2013 war er allerdings mit Verwandten in Tschechien. In der Wohnung und an der Leiche der Geschädigten wurden 1.220 Spuren sichergestellt. Bei 20 dieser Spuren wurde im Rahmen von DNA-Mischspuren die vollständige DNA des Angeklagten gefunden; der Großteil hiervon betraf die Kleidung der Geschädigten.
6
Schon im Jahr 2011 war bei der Geschädigten eingebrochen und Schmuck entwendet worden. Sie wechselte daraufhin das Schloss der Wohnungstür , wurde zunehmend vorsichtiger und verschloss die Wohnungstür manchmal auch, wenn sie sich in der Wohnung aufhielt. Einer Freundin gegenüber verdächtigte sie jedenfalls zeitweise den Angeklagten und seine Brüder in Bezug auf den Einbruch.
7
b) Zwischen November 2012 und Ende Januar 2013 entwendete der zu diesem Zeitpunkt als „Roomboy“ zu Reinigungsarbeiten in Hotelzimmern eingesetzte Angeklagte in dem Hotel „S. “ aus dem Zimmer eines Hotel- gastes eine Digitalkamera im Wert von ca. 500 Euro nebst Speicherkarte, um diese für sich zu behalten. Speicherkarte und Kamera wurden bei einer Durchsuchung der Sachen des Angeklagten aufgefunden (rechtskräftige Verurteilung wegen Diebstahls).
8
c) Am Morgen des 9. November 2013 verstaute ein Gast des Hotels „P. “ eine Armbanduhr im Wert von ca. 8.000 Euro in der Seiten- tasche seiner Sporttasche, die er neben dem Bett im Hotelzimmer abstellte; am Abend war diese Uhr verschwunden. Zu dieser Zeit war der Angeklagte mit Reinigungsarbeiten in den Zimmern des genannten Hotels betraut, er reinigte am 9. November 2013 genau dieses Zimmer. Allerdings war auch ein anderer Mitarbeiter, der für mehrere Diebstähle in dem Hotel (auch während der Einsatzzeit des Angeklagten) verantwortlich ist, an diesem Tag in dem Zimmer des bestohlenen Hotelgastes gewesen. Obwohl der Angeklagte einen auf sechs Monate befristeten Arbeitsvertrag hatte, erschien er ab dem 10. November 2013 nicht mehr zur Arbeit. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurde keine derartige Uhr gefunden (Freispruch vom Vorwurf eines weiteren Diebstahls).

9
3. Zur Beweiswürdigung des Landgerichts:
10
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung und als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren geschwiegen. Im Rahmen einer Zeugenvernehmung, über deren Verwertbarkeit Streit besteht, hatte er angegeben, zuletzt eineinhalb Monate vor der Tat in der Wohnung der Geschädigten gewesen zu sein. Bei Begrüßungen habe man lediglich „Hallo“ gesagt undsich weder die Hand gegeben noch hierbei oder bei sonstigen Gelegenheiten umarmt. Langjährig bekannte Freunde der Geschädigten und ihr Patensohn berichteten, dass sie von ihr bei der Begrüßung umarmt worden seien. Der Bruder des Geschädigten und seine Mutter sagten aus, dass die Geschädigte ihnen bei der Begrüßung die Hand gegeben und freundschaftlich auf die Schulter geklopft oder einen Klaps mitgegeben habe.
11
Zu den aufgefundenen DNA-Mischspuren, in denen sich die vollständige DNA des Angeklagten fand, hat die Sachverständige, deren Einschätzung die Kammer gefolgt ist, u.a. angegeben, dass bei der Spur am Telefon die Hauptkomponente der Merkmalsmischung dem Angeklagten zuzuordnen sei, im Übrigen der Geschädigten. Es handele sich bei den Spuren um – was das Landgericht nicht näher erläutert hat (vgl. insoweit die Allgemeine Empfehlung der Spurenkommission zur Bewertung von Mischspuren, NStZ 2007, 447) – „Typ-C Spuren“. Die von ihr untersuchten Spuren hätten sehr geringe Mengen DNA lediglich im stochastischen Bereich (also im unteren Grenzbereich) aufgewiesen. DNA-Spuren seien bei trockener Lagerung unter Raumtemperatur unbegrenzt haltbar. DNA-Material an Kleidungsstücken werde nicht notwendiger Weise durch Waschen entfernt, entscheidend sei, mit welcher Temperatur und welchem Waschmittel das Kleidungsstück gewaschen werde. Es könne nicht festgestellt werden, wann, auf welche Weise und durch welche Art des Kontakts die jeweiligen Spuren gesetzt worden seien. So könne DNA-Material durch Hautoberflächenzellen bei einfachem Kontakt wie etwa beim Umarmen oder Anfassen übertragen werden. Ein Sekundärtransfer von DNA sei grundsätzlich möglich, jedoch umso unwahrscheinlicher, je häufiger Merkmale von einer Person an einem Gegenstand zu finden seien.
12
Die Strafkammer hat die Spurenlage wie folgt bewertet: Es sei nicht gänzlich auszuschließen, dass der Angeklagte im Zuge berechtigter Arbeiten in der Wohnung auch Schränke ausgeleert und hierbei Kleidungsstücke der Geschädigten angefasst habe, auch wenn der Schlafzimmerschrank nicht bewegt worden sei. Hinsichtlich der Spur am Telefon sei davon auszugehen, dass der Angeklagte diese Spur bei früheren Aufenthalten berechtigt gesetzt habe, denn es seien keine Gründe für die Nutzung im Zusammenhang mit der Tat ersichtlich. Den Sekretär habe der Angeklagte selbst zusammengebaut, weshalb die dort gefundene Spur als berechtigt gesetzt anzusehen sei. Bezüglich der Spuren am Schlafzimmerschrank und an den beiden im Schlafzimmer liegenden Stofftäschchen sowie an der schwarzen Stofftasche an der Garderobe sei nicht auszuschließen, dass diese unabhängig von der Tat gesetzt worden seien. Im Schlafzimmer habe der Angeklagte Möbelstücke aufgebaut, bei der Umhängetasche spreche gegen eine Verursachung im Zusammenhang mit der Tat, dass die Wohnung der Geschädigten nicht durchwühlt worden sei. Bei sämtlichen Spuren handele es sich um DNA-Mischspuren, die überwiegend auch auf weitere Verursacher zurückzuführen seien.
13
Bezüglich der an der Kleidung der Getöteten gefundenen und auf den Angeklagten hindeutenden Spuren hätten sich diese überwiegend im Seitenund Rückenbereich der Weste, an der Rückseite und am Ärmel des Shirts, an Rück- und Vorderseite der Hose und an der Rückseite des Slips gefunden, was auch mit dem von dem Sachverständigen als möglich erachteten Tötungsszenario vereinbar sei, dass sich der Täter zum Drosseln auf den Rücken der Geschädigten gekniet habe. Die Spur an der Vorderseite der Hose lasse sich damit nur schwerlich in Einklang bringen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass nur sehr geringe Mengen DNA des Angeklagten gefunden worden seien, wobei fraglich sei, inwieweit dies mit einem massiven Kontakt vereinbar sei. Zudem gelte auch bei den Spuren an der Kleidung, dass diese ganz überwiegend auf mehrere Verursacher zurückzuführen seien, weshalb mit einer Ausnahme mindestens noch eine weitere Person Kontakt mit den entsprechenden Stellen der Kleidung der alleine lebenden Geschädigten gehabt habe. All dies lasse Zweifel daran aufkommen, dass die von dem Angeklagten verursachten Spuren im Rahmen der Tötung der Geschädigten gesetzt worden seien. Dies gelte umso mehr, als der Angeklagte öfter Kontakt zur Geschädigten hatte und die Kammer nicht ausschließen könne, dass er die Geschädigte etwa bei einer Begrüßung auch umarmt oder im Rahmen der von ihm durchgeführten Arbeiten auch sonst deren Kleidung berührt habe. Bei mehreren Spuren seien auch die Brüder des Angeklagten als Verursacher nicht auszuschließen, die auch Gelegenheit zur Tat gehabt hätten. Schließlich lasse sich letztlich eine Sekundärübertragung etwa beim Wenden oder Entkleiden der Leiche nicht ausschließen.
14
Der Angeklagte, der zur Tatzeit gearbeitet und monatlich ca. 1.100 bis 1.400 Euro verdient habe sowie gelegentlich von seiner Mutter unterstützt worden sei und in deren Haus mietfrei habe wohnen dürfen, habe auch kein überzeugendes Motiv für die Tat gehabt. Zudem passe das von der Anklage gezeichnete Tatszenario, wonach der Angeklagte beim Durchwühlen des Kleiderschranks von der Geschädigten überrascht worden sei, nicht zur vorgefundenen Spurenlage. Die Wohnung sei nicht durchwühlt worden und zum überwiegenden Teil sei der Schmuck der Geschädigten noch vorhanden gewesen.
15
Hinsichtlich des Vorwurfs des Diebstahls der Uhr aus dem Hotelzimmer habe der Angeklagte – wie hinsichtlich einer Entwendung von Schmuck bei der später getöteten W. – kein Motiv gehabt. Die Uhr sei bei einer Durchsuchung nicht gefunden worden. Während der Zeit, in der der Angeklagte im Hotel eingesetzt worden sei, habe es auch Diebstähle durch einen anderen Mitarbeiter gegeben, der am Tattag auch im Zimmer des bestohlenen Gastes gewesen sei. Es komme nach den Angaben der für den Angeklagten verantwortlichen Objektleiterin auch öfter vor, dass Angestellte ohne Angaben von Gründen nicht mehr zur Arbeit erscheinen.

II.

16
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg.
17
1. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind.
19
Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. Senat, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 f. mwN). Weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst ist es geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2015 – 5 StR 78/15, NStZ-RR 2015, 349). Rechtsfehlerhaft ist auch die Anwendung des Zweifelssatzes auf einzelne Indizien. Bei dem Grundsatz „in dubio pro reo“ handelt es sich um eine Entscheidungsregel, nicht um eine Beweisregel. Diese Regel hat das Gericht erst dann zu befolgen, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist die Regel grundsätzlich nicht anzuwenden (Senat, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83).
20
b) Diesen Maßstäben genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht.
21
aa) Es fehlt schon an einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren umfassenden Bewertung der in der Wohnung der Getöteten aufgefundenen DNA-Spuren. Die unübersichtliche Darstellung der einzelnen Spuren, die DNA des Angeklagten enthalten, lässt nicht erkennen, welche Aussagekraft das Landgericht den einzelnen, auf den Angeklagten hindeutenden Spuren vor dem Hintergrund der Gesamtspurenlage beigemessen und wie es die Einzelspuren zueinander in Beziehung gesetzt hat. Entscheidend kommt es bei einer solchen Spurenlage auf das Gesamtbild der dem Angeklagten zurechenbaren Spuren im Verhältnis zu den sonst aufgefundenen Spuren an. Den Urteilsgründen sind zwar einzelne relativierende Bewertungen von DNA-Spuren des Angeklagten zu entnehmen, aber nicht die notwendige umfassende Gesamtbetrachtung.
22
bb) Soweit die Schwurgerichtskammer die Beweiskraft der an der Kleidung des Opfers gefundenen DNA-Spuren des Angeklagten mit der Erwägung relativiert, es sei nicht auszuschließen, dass diese von einer Umarmung oder sonstigen Berührungen herrühren, findet diese Erwägung keine Grundlage in den im Urteil geschilderten Beweisergebnissen. Der Angeklagte hat selbst gesagt , die Geschädigte habe ihn nicht berührt oder umarmt; weder seine Mutter noch seine Brüder haben von Umarmungen oder Berührungen gesprochen au- ßer dem Schütteln der Hände oder einem „Klaps“ auf die Schulter durch die Geschädigte. Beide Kontaktformen sind für eine Antragung von Spuren auf dem Rücken und einem Slip ungeeignet. Lediglich langjährige Freunde – wozu der Angeklagte nicht zählte (die Geschädigte stellte den Kontakt zu ihm aufgrund von Sprachschwierigkeiten zudem nur über seine Verwandten her) – und der Patensohn berichteten von Umarmungen beim Begrüßen der Geschädigten. Ob – wie die Verteidigung vorträgt – die selbstbelastenden Angaben des Angeklagten in seiner Zeugenvernehmung einem Verwertungsverbot unterliegen , ist in der neuen Hauptverhandlung zu klären. Aus systematischen Gründen vermag der Senat der Erwägung der Verteidigung, sie könne zur Prüfung der Beruhensfrage insoweit eine „hypothetische“ Verfahrensrüge erheben, nicht zu folgen.
23
cc) Die Argumentation der Kammer, der Angeklagte habe weder aus finanziellen noch aus sonstigen Gründen ein überzeugendes Motiv für den Mord an W. und den Diebstahl der Uhr gehabt, erweist sich als lückenhaft. Nicht berücksichtigt hat sie dabei, dass sie den Angeklagten einer anderen Diebstahlstat an einem teuren Gegenstand aus einem Hotelzimmer für überführt erachtet. Auch wird die Erwägung der Kammer, der Angeklagte habe durch seine Berufstätigkeit ein Auskommen gehabt, dadurch relativiert, dass der Angeklagte zu den jeweils angeklagten Tatzeiten von seinem monatlichen Verdienst in Höhe von 1.100 bis 1.400 Euro offensichtlich sein Kind und seine nicht berufstätige Lebensgefährtin unterhielt.
24
dd) Die Verurteilung wegen Diebstahls der Kamera findet auch im Übrigen an keiner Stelle des Urteils bei der Überzeugungsbildung hinsichtlich der beiden anderen angeklagten Taten Erwähnung, obwohl es auch dort um die Entwendung von fremden Gegenständen geht. Damit erweisen sich die den Freisprüchen zugrunde liegenden Gesamtwürdigungen des Landgerichts insgesamt als lückenhaft, weil sie einen wesentlichen Umstand außen vor lassen, der die Überzeugungsbildung zu Lasten des Angeklagten beeinflussen kann.
25
ee) Eine weitere Lücke in der Beweiswürdigung hinsichtlich des Tatvorwurfs der Tötung von W. zwecks Entwendung von Wertgegenständen ergibt sich aus folgendem Umstand: Bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der zweiten Diebstahlstat stellt die Strafkammer fest, dass sich aufgrund der im Rahmen der Telefonüberwachung protokollierten Gespräche des Angeklagten sowie weiterer Familienmitglieder hinreichende Erkenntnisse dahingehend ergeben haben, dass der Angeklagte die Uhr entwendet hat. An einer Verwertung dieser Erkenntnisse hat sich die Kammer nach § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO gehindert gesehen, weil es sich bei dem Vorwurf des Diebstahls der Uhr nicht um eine Katalogtat handele, hinsichtlich derer eine Telefonüberwachung nach § 100a StPO hätte angeordnet werden können, und weil der Angeklagte der Verwertung der Angaben widersprochen habe. Wie sich aus den Urteilsgründen selbst ergibt, hat die Strafkammer die angeführten Erkenntnisse aber auch nicht im Rahmen ihrer Überzeugungsbildung hinsichtlich des Vorwurfs des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge verwertet, obwohl insoweit ein Verwertungsverbot nach § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO fernliegt.
26
2. Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht das Urteil hinsichtlich beider Freisprüche, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei richtiger Rechtsanwendung zu einem verurteilenden Erkenntnis gelangt wäre (vgl. zum Bezugspunkt der Beruhensprüfung bei Freispruch BGH, Urteil vom 19. Juli 1995 – 2 StR 758/94, NJW 1995, 2933, 2936; vgl. zum Beruhen insgesamt : Niemöller, NStZ 2015, 489 ff.; missverständlich daher Senat, Urteil vom 2. Dezember 2015 – 1 StR 292/15 Rn. 11). Die Sache bedarf daher in diesem Umfang insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Raum Jäger Cirener Mosbacher Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 361/15
vom
14. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der vorsätzlichen Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2016:140116U4STR361.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Dr. Mutzbauer als beisitzende Richter, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 6. Mai 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung (Tat Ziffer 6 der Anklage vom 26. Januar 2015) freigesprochen worden ist, sowie im Gesamtstrafenausspruch und soweit von der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen den Freispruch vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung zu seinem Nachteil (Tatvorwurf unter Ziffer 6 der Anklageschrift) wendet sich der Nebenkläger mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Zu dem den Nebenkläger betreffenden Tatvorwurf hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen: Am 16. August 2014 befand sich der Angeklagte auf dem A. Weinfest in G. . Gegen 02.30 Uhr schlug er dem Nebenkläger J. T. in Höhe eines Weinguts, wo sich zu dieser Zeit eine größere Ansammlung von Menschen aufhielt, mit voller Wucht mit der Faust gegen die rechte Schläfe, so dass der Nebenkläger zu Boden ging und mit dem Kopf auf den Asphalt aufschlug. Neben äußerlich erkennbaren Verletzungen erlitt der Nebenkläger ein Schädel-Hirntrauma mit Gehirnblutung und eine Schädelfraktur. Das Landgericht konnte nicht ausschließen, dass der Nebenkläger seinerseits die Hand zum Schlag gegen den Angeklagten erhoben hatte und der Angeklagte zur Abwehr dieses unmittelbar drohenden Schlages zuschlug.

II.


3
Der Freispruch hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
4
Die revisionsrechtliche Prüfung der Beweiswürdigung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn sie widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83, 85; vom 11. September 2007 – 5 StR 213/07, wistra 2008, 22, 24 jeweils mwN). Rechtsfehlerhaft ist es regelmäßig auch, wenn sich der Tatrichter bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen.
5
Allerdings können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es jedoch in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGH, Urteile vom 10. November 2015 – 1 StR 235/15, Rn. 39; vom 6. September 2006 – 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19 und vom 22. August 2002 – 5 StR 240/02, wistra 2002, 430 jeweils mwN).
6
Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Beweiswürdigung zu der zu Gunsten des Angeklagten angenommenen Notwehrlage im Falle des angefochtenen Teilfreispruchs insgesamt als lückenhaft, weil sie sich mit den maßgeblichen Zeugenaussagen nicht zureichend auseinandersetzt und darüber hinaus eine zusammenfassende Würdigung aller beweisrelevanten Umstände vermissen lässt.
7
1. Bei der Würdigung der Zeugenaussagen verkennt die Strafkammer (UA 24), dass die Aussagen der für glaubwürdig befundenen Zeuginnen I. und D. M. im Grundsatz übereinstimmen, dass nämlich der Angeklagte angerannt gekommen sei und – nach der Aussage der Zeugin I. , was die Zeugin M. wegen einer Ablenkung nicht mehr sah – den Nebenkläger mit der Faust gegen die Schläfe geschlagen habe.
8
2. Ferner begegnet die Würdigung der Aussage des Zeugen S. durchgreifenden Bedenken. Bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen S. lässt die Strafkammer einen gewichtigen Gesichtspunkt außer Acht: Sowohl der Zeuge S. als auch der Zeuge K. – so ihre Angaben – befanden sich, als sie ihre Beobachtungen machten, außerhalb der Menschenansammlung, die den Angeklagten und den Nebenkläger umgab. Während der Zeuge K. angab, er habe wegen der Menschenmenge die Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger nicht mehr beobachten können, gab der Zeuge S. an, „von weitem“ bzw. „aus der Ferne“ gesehen zu haben, dass der später Geschädigte zuerst die Hand ge- hoben habe, der Angeklagte dann eine Ausweichbewegung gemacht und zurückgeschlagen habe. Wie sich diese Aussagen – beides Beobachtungen von außerhalb der Menschenmenge – miteinander vereinbaren lassen, erschließt sich aus dem Urteil nicht.
9
3. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung wäre auch das von der Zeugin I. bekundete auffällige Verhalten des Angeklagten auf dem Weinfest vor der Tat im Zusammenhang mit der bei ihm festgestellten paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie und den damit einhergehenden Affektstörungen und starker Erregung zu bedenken gewesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist beim Angeklagten ein hoher Angstpegel, eine Gespanntheit sowie Feindseligkeit und Verworrenheit (UA 13) feststellbar. Aufgrund der Schilderung der ZeuginI. zu dem auffälligen Verhalten des Angeklagten, der das Landgericht gefolgt ist, lag nahe, dass die Affektstörung und mangelnde Impulskontrolle nicht nur am 6. August 2014 vorlag, sondern auch am 16. August 2014 unverändert fortbestand. Es hätte auch in Betracht gezogen werden müssen, dass sich aus der Art und Weise früherer Straftaten Hinweise für die Beurteilung des vorliegenden Tatgeschehens ergeben könnten. Der Angeklagte ist seit 2006 fünfmal strafrechtlich in Erscheinung getreten, in allen Fällen wegen vorsätzlicher oder gefährlicher Körperverletzung. Diese Straftaten zeugen davon, dass der Angeklagte auch ohne jeden Anlass gewalttätig werden kann. Schon der Verurteilung vom 16. Juni 2008 lag zugrunde, dass er dem einen Geschädigten ohne Grund eine Kopfnuss gab und ihn dann trat, den anderen Geschädigten schlug er ohne Grund mit der Faust ins Gesicht. Auch der Verurteilung vom 30. August 2011 lag eine Tat zugrunde, die aus einer dem vorliegenden Fall vergleichbaren Situation entstanden ist. Daraus wird deutlich, dass dem Angeklagten ein Verhalten, wie es ihm hier zur Last gelegt wird, jedenfalls nicht fremd ist. Zu bedenken wäre in diesem Zusammenhang auch das Verhalten des Angeklagten nach der Tat: er stieß die Zeugin I. , die sich über den be- wusstlosen Nebenkläger kniete, leicht an und forderte sie auf, „sich zu verpissen und rauszuhalten“. Als die Zeugin entgegnete, dass er gerade versuche, sich mit der Richtigen anzulegen, entfernte sich der Angeklagte und tauchte unter. Auch dieses Verhalten könnte dafür sprechen, dass keine Notwehrlage vorgelegen hatte, sondern der Angeklagte Streit suchte.
10
4. Die Aufhebung des freisprechenden Teils des Urteils zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe und der Nichtanordnung der Maßregel nach sich. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der neue Tatrichter, falls er erneut eine rechtswidrige Tat zum Nachteil des Nebenklägers verneinen sollte, weder die Gesamtstrafe für den nicht angefochtenen Teil des Urteils erhöhen noch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen darf. Eine Unterbringungsanordnung nach § 63 StGB käme nur dann in Betracht, wenn deren Voraussetzungen auch in Bezug auf die Tat zum Nachteil des Nebenklägers vorlägen.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Mutzbauer