Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2018 - 4 StR 397/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:150318U4STR397.17.0
bei uns veröffentlicht am15.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 397/17
vom
15. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:150318U4STR397.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. März 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –, Richterin am Amtsgericht – bei der Verkündung – als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 10. März 2017, soweit es den Angeklagten H. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Nebenkläger mit seiner auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützten Revision, mit der er auch die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen eines versuchten Tötungsdelikts erstrebt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der seinerzeit 18-jährige Angeklagte und die jugendlichen Mitangeklagten A. und G. beschlossen am 8. August 2016, den 17-jährigen Nebenkläger U. , bei dem der Angeklagte schon mehrmals Drogen gekauft hatte, Drogen und Geld wegzunehmen. Der Angeklagte verabredete ein Treffen mit dem Nebenkläger, um vorgeblich Drogen zu kaufen. Er bewaffnete sich mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von acht Zentimetern , A. mit einer Gehstockhülle aus Metall. G. führte einen Schlagstock mit sich, blieb allerdings vor dem Haus, in dem sich der Nebenklä- ger aufhielt, um „Schmiere zu stehen“. Die beiden anderen begaben sich zu der Wohnung. Als der Nebenkläger sah, dass der Angeklagte nicht allein kam, wurde er wütend und fuhr ihn an. Der Angeklagte beschloss, ihn so schnell wie möglich kampfunfähig zu machen, und stach ihm mit Wucht das mitgeführte Küchenmesser in den linken Oberkörperbereich zwischen Brust- und Bauchraum , wobei er den Tod des Nebenklägers billigend in Kauf nahm. Durch den Stich wurden die Pleurahöhle und Äste der Körperhauptschlagader des Nebenklägers verletzt. Beides war akut lebensgefährlich und hätte bei fehlender Behandlung zum Tod geführt. Der Nebenkläger zeigte zunächst keine erkennbare Wirkung. Der Angeklagte drängte in die Wohnung und nahm in der Küche ein Messer mit 23 Zentimeter langer Klinge an sich, um damit dem Nebenkläger zu drohen und weiter auf ihn einzustechen. Dann ließ er es jedoch in dem Bewusstsein , weitere lebensgefährliche Stiche führen zu können, sinken und schließlich fallen. Es kam nun zu einem Gerangel mit dem Nebenkläger, den der Angeklagte nicht für tödlich verletzt hielt. Der Angeklagte fügte dem Nebenkläger sodann mit dem wieder zur Hand genommenen mitgebrachten kleineren Küchenmesser einige oberflächliche Verletzungen zu. Nachdem der Nebenkläger bei dem Gerangel die Oberhand gewonnen hatte, versetzte der Angeklagte ihm einen Stich über dem linken Schulterblatt, der zu einer oberflächlichen Hautdurchtrennung führte. Der Nebenkläger wehrte sich weiter, und der Angeklagte verlor das Messer. A. kam ihm zu Hilfe und schlug mit der Gehstockhülle auf den Nebenkläger ein. Unmittelbar danach erschien der Zeuge Z. mit einer Machete in der Wohnungstür und machte damit Stichbewegungen , um die Angreifer zu vertreiben. Der Angeklagte undA. entschlossen sich zu fliehen. Jetzt – frühestens aber gegen Ende des Kampfgeschehens – sah der Angeklagte erstmals, dass der Nebenkläger stark blutete. „Erst in die- sem Moment kam ihm der Gedanke, der Nebenkläger könne möglicherweise doch tödlich verletzt sein“ (UA 13).
4
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte seinen Tötungsvorsatz aufgab, als er das aus der Küche entnommene große Messer fallen ließ. Zu diesem Zeitpunkt habe er aufgrund der fortbestehenden Kampffähigkeit davon ausgehen können, dass der Nebenkläger nicht tödlich verletzt sei, und sei vom Versuch des (unbeendeten) Tötungsdelikts zurückgetreten. Die weiteren Verletzungen habe er dem Nebenkläger mit Körperverletzungsvorsatz zugefügt. Frühestens gegen Ende des Kampfgeschehens, also geraume Zeit danach, seien die ersten Anzeichen erkennbar geworden, dass der Nebenkläger schwerer verletzt sein könnte. Dass er zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund des massiven Blutverlusts des Nebenklägers eine tödliche Verletzung für möglich gehalten habe, sei irrelevant (UA 35).

II.


5
Die Revision des Nebenklägers ist zulässig, soweit sie sich dagegen richtet, dass der Angeklagte nicht wegen eines versuchten Tötungsdelikts verurteilt worden ist. Während die Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durchgreifen, führt die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Jugendkammer des Landgerichts.
6
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, keinen Rechtsfehler auf.
7
2. Die Annahme eines Rücktritts vom unbeendeten Tötungsversuch hält rechtlicher Nachprüfung hingegen nicht stand, weil das Landgericht die Möglichkeit einer sogenannten umgekehrten Korrektur des Rücktrittshorizonts nicht bedacht hat.
8
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 mwN). Der sogenannte Rücktrittshorizont kann in engen Grenzen allerdings noch nachträglich korrigiert werden: Wenn der Täter, der nach der letzten Ausführungshandlung den Erfolgseintritt zunächst für möglich hält, unmittelbar darauf erkennt, dass er sich geirrt hat, kann er durch Abstandnahme von weiteren möglichen Ausführungshandlungen mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurücktreten (BGH, Urteil vom 19. Juli 1989 – 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224). Rechnet der Täter zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, ist auch eine sogenannte umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizontes möglich, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat. In diesem Fall liegt ein beendeter Versuch vor. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Korrektur der Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser erfolgt (BGH, Urteil vom 15. Juni 1988 – 2 StR 157/88, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Ver- such, unbeendeter 15; Urteil vom 18. August 1998 – 5 StR 189/98, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 12; Beschluss vom 6. Februar 2008 – 5 StR 590/07, StraFo 2008, 212; Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 StR 384/09, NStZ 2010, 146; vgl. Lilie/Albrecht in LK, StGB, 12. Aufl., § 24 Rn. 179, 181).
9
Das Landgericht ist zwar mit tragfähigen Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte nach Ausführung des ersten Messerstichs mit der Ablage des Messers strafbefreiend von dem nach seiner Vorstellung zu diesem Zeitpunkt unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts zurücktrat und während des nachfolgenden Gerangels mit dem Nebenkläger von weiteren mit Tötungsvorsatz ausgeführten Angriffen absah. Mit der Frage, ob der festgestellte Wechsel des Vorstellungsbildes „gegen Ende des Kampfgeschehens“ – der Angeklagte hatte nunmehr den massiven Blutverlust beim Nebenkläger erkannt und hielt es zu diesem Zeitpunkt für möglich, den Nebenkläger doch tödlich verletzt zu haben – zu einer Korrektur des Rücktrittshorizonts und zum Vorliegen eines beendeten Versuchs geführt hat, hat sich das Landgericht nicht erkennbar auseinandergesetzt. Es hat lediglich pauschal darauf verwiesen, diese spä- tere Erkenntnis sei „irrelevant“, ohne dies zu begründen.Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer dem nachträglichen Wechsel des Vorstellungsbildes des Angeklagten von vorneherein für die Rücktrittsfrage jede Bedeutung abgesprochen und die Möglichkeit einer nachträglichen – umgekehrten – Korrektur des Rücktrittshorizonts nicht in den Blick genommen hat. Der für die Annahme einer solchen Korrektur des Rücktrittshorizonts erforderliche zeitliche und räumliche Zusammenhang lag nach den Feststellungen des Landgerichts indes nahe, die Frage einer umgekehrten Korrektur des Rücktrittshorizonts war mithin erörterungsbedürftig.
10
Es ist zwar davon auszugehen, dass zwischen dem mit Tötungsvorsatz geführten Messerstich und dem Wechsel des Vorstellungsbildes gegen Ende der Kampfhandlungen ein gewisser zeitlicher Abstand lag. Feststellungen hierzu hat das Landgericht indes nicht getroffen, so dass schon aus diesem Grund nicht beurteilt werden kann, ob der zeitliche Ablauf des Geschehens eine Zäsur herbeiführte, die einer nachträglichen umgekehrten Korrektur des Rücktrittshorizonts und damit dem Vorliegen eines beendeten Versuchs entgegenstand. Hinzu kommt, dass es sich bis zum Ende des Kampfes um ein ohne wesentliche Zwischenakte ablaufendes, von demselben Handlungsziel, nämlich der beabsichtigten Wegnahme von Betäubungsmitteln, getragenes dynamisches Geschehen handelte, was wiederum für den geforderten engen Zusammenhang mit der Tötungshandlung sprechen könnte.
11
Mit alledem hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Der Erörterungsmangel führt zur Aufhebung des Urteils in seiner Gänze. Da eine Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts in Tateinheit mit den ausgeurteilten übrigen Taten stünde, werden diese, obwohl sie rechtsfehlerfrei festgestellt sind, von der Urteilsaufhebung mit erfasst (BGH, Urteil vom 7. März 1996 – 1 StR 688/95, NJW 1996, 2171, 2172 mwN; Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; Urteil vom 10. September 2015 – 4 StR 151/15, NJW 2015, 3732, 3733).
12
3. Dass das Landgericht ein neues – durch Unterlassen begangenes – versuchtes Tötungsdelikt nicht erörtert hat, begründet keinen Verstoß gegen die Kognitionspflicht. Angesichts der Anwesenheit von ersichtlich hilfsbereiten Dritten vor Ort bestand zu dahingehenden Erörterungen kein Anlass.
13
4. Die nach § 301 StPO gebotene Überprüfung des Urteils auch zugunsten des Angeklagten hat keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
14
5. Soweit sich die Revisionsbegründung gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils richtet, fehlt es an der notwendigen rechtzeitigen Kostenbeschwerde.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

5 StR 590/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 6. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2008

beschlossen:
Die Revisionen des Angeklagten und der Nebenkläger T. und H. K. gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. Juli 2007 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Zur Revision des Nebenklägers H. K. bemerkt der Senat: Die Annahme des Landgerichts, es liege ein unbeendeter Totschlagsversuch vor, ist unzutreffend. Zwar hat der Angeklagte zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang seiner Messerattacke auf den Nebenkläger gerechnet und von weiteren Angriffen abgesehen. Indes hat der Angeklagte den Erfolg seiner das Leben des Nebenklägers gefährdenden Messerstiche in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Zufügung der Verletzung wahrgenommen (UA S. 11). Solches gebietet die Annahme einer umgekehrten Korrektur des „Rücktrittshorizonts“. Die an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung des Täters für den „Rücktrittshorizont“ erlangt nicht nur Bedeutung für den Fall, dass der Täter den Erfolgseintritt zunächst für möglich hält, unmittelbar darauf aber erkennt, dass er sich geirrt hat (BGHSt 36, 224; 39, 221, 227, 228). Dies hat umgekehrt – wie hier – auch dann zu gelten, wenn der Täter bei unverändert fortbestehender Handlungsmöglichkeit mit einem tödlichen Ausgang zunächst nicht rechnet, unmittelbar darauf jedoch erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat; dieser Versuch ist im Ergebnis beendet (BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 12).
Der Revision des Nebenklägers bleibt dennoch der Erfolg versagt, weil sich aus dem Zusammenhang der Urteilsfeststellungen ergibt (UA S. 17, 18 ff.), dass der Angeklagte durch seinen gegenüber der Nebenklägerin geäußerten und von dieser auch befolgten Wunsch nach Herbeirufung medizinischer Hilfe die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom beendeten Totschlagsversuchs gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. und Satz 2 StGB erfüllt hat (vgl. BGHSt 48, 147, 149 f.).
Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 384/09
vom
6. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 6. Oktober 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 22. Juni 2009 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, die sie auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Soweit das Landgericht auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen einen strafbefreienden Rücktritt vom versuchten Totschlag verneint hat, da der Versuch beendet gewesen sei (UA S. 37 f.), hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (Senat, Beschluss vom 21.03.2001 - 3 StR 535/00; BGHSt 39, 221, 227 m.w.N.). Darüber hinaus ist anerkannt, dass ein beendeter Versuch auch dann vorliegt, wenn der Täter sich nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung keine Gedanken darüber macht, ob sein bisheriges Verhalten ausreicht, um den Erfolg herbeizuführen (BGHSt 40, 304, 306; vgl. Lilie/Albrecht in LK 12. Aufl. § 24 Rdn. 175 m.w.N.).
Die Strafkammer hat hierzu jedoch keine eindeutigen Feststellungen getroffen. Während sie zunächst festgestellt hat, die Angeklagte habe sich 'nach der Tat zunächst gar keine Gedanken über den Gesundheitszustand' des Opfers gemacht (UA S. 14), heißt es an anderer Stelle, dass die Angeklagte aufgrund der fortbestehenden Handlungsfähigkeit des Opfers 'unmittelbar im Anschluss an die Messerstiche noch nicht mit einem tödlichen Ausgang ihrer Messerattacke' rechnete (UA S. 37). Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass die Angeklagte spätestens als die Zeugin S. die Wohnung etwa 15 Minuten nach den Messerstichen verließ, erkannte, dass die Verletzungen zum Tode des Zeugen W. führen könnten (UA S. 14).
Im Ansatz zutreffend geht die Strafkammer zwar davon aus, dass auch wenn der Täter zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang rechnet, eine sogenannte umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizontes möglich ist, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat (UA S. 37 f.). In diesem Fall liegt ein beendeter Versuch vor. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Korrektur der Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser erfolgt (BGHSt 36, 224, 226; BGH StraFo 2008, 212; vgl. Lilie/Albrecht aaO Rdn. 179, 181).
Einen solchen engen Zusammenhang hat das Landgericht gerade nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt. Die letzte Ausführungshandlung war gegen 19:20 Uhr der vierte Messerstich, nach dem die Beschwerdeführerin noch nicht mit einem tödlichen Ausgang rechnete. Im Anschluss kam es zunächst aufgrund der Gegenwehr des Opfers zu einem heftigen Gerangel, welches sich aus dem Wohnungs- in den Hausflur verlagerte (UA S. 13). Der Zeuge W. konnte sich der Angeklagten schließlich entziehen, kehrte in die Wohnung zurück und setzte sich dort auf einen Sessel im Wohnzimmer. Die Angeklagte folgte dem Zeugen, baute sich drohend vor ihm auf, ließ aber von ihm ab und begab sich in das Badezimmer, um sich zu reinigen. Der Zeuge folgte ihr dorthin, kehrte aber in das Wohnzimmer zurück, wo er sich erneut hinsetzte. Auf Nachfrage der Zeugin S. lehnte der Zeuge W. es ab, dass ein Rettungswagen gerufen werde. Um 19:35 Uhr verließ die Zeugin S. die Wohnung, um Hilfe zu holen. Spätestens in diesem Zeitpunkt - etwa 15 Minuten nach der letzten Ausführungshandlung - realisierte die Angeklagte die Möglichkeit des Er-
folgseintritts, da der Zeuge W. immer schwächer wurde (UA S. 14). Angesichts des zeitlichen Ablaufs, der wiederholten räumlichen Verlagerung sowie der Handlungsfähigkeit des Opfers liegt es aufgrund der bisherigen Feststellungen nahe, dass der ursprüngliche Tötungsversuch abgeschlossen und der Rücktritt durch bloßes Nichtweiterhandeln bereits vollzogen war, als die Angeklagte die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs erkannte (vgl. für den Fall einer zehnminütigen Zäsur BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 15).
Da die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf durch die fehlerhafte rechtliche Wertung nicht berührt werden, können sie bestehen bleiben. Der neue Tatrichter wird weitere Feststellungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten im unmittelbaren Anschluss an die letzte Tathandlung und angesichts der Gegenwehr des Opfers auch zu den fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten der Angeklagten - insoweit in Ergänzung zu den aufrechterhaltenen Feststellungen zum äußeren Ablauf - treffen müssen. Soweit auf dieser Grundlage ein freiwilliger Rücktritt bejaht wird, wird ein versuchter Totschlag durch Unterlassen zu prüfen sein, da die Angeklagte das von ihr verletzte Opfer seinem Schicksal überließ, obwohl sie die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs spätestens in diesem Zeitpunkt erkannt hatte."
3
Dem schließt sich der Senat an. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Becker von Lienen Sost-Scheible
Schäfer Mayer

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 151/15
vom
10. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Verletzung des Dienstgeheimnisses u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. September
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richter am Oberlandesgericht
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
der Angeklagte in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 16. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 150 Euro verurteilt. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte nicht auch wegen versuchter Strafvereitelung gemäß § 258 StGB verurteilt worden ist. Das von dem Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte ist Leitender Polizeidirektor. Seit Mitte Juni 2011 ist er bei der Kreispolizeibehörde P. als „Leiter Polizei“ tätig.
4
Anfang Januar 2014 ging bei der von ihm geleiteten Polizeibehörde das Schreiben eines angeblichen M. ein. Darin wurde behauptet, dass beim polizeiärztlichen Dienst sowie auch bei der Verkehrspolizei in D. „seit Jahren“ bekannt sei, dass der Verwaltungsleiter der Polizei L. , W. , über Jahre kostenlos Medizin von dem Leiter des polizeiärztlichen Dienstes in D. , Dr. K. , erhalten habe, obwohl ihm dies nicht zugestanden habe. Um strafrechtliche Bewertung dieses Verhaltens und weitere Veranlassung werde gebeten. W. leitete die Direktion Zentrale Aufgaben bei der D. Polizei und hatte als Angehöriger der Kreisverwaltung zu keiner Zeit Anspruch auf freie Heilfürsorge und Medikamente aus dem polizeiärztlichen Dienst.
5
Das Schreiben wurde dem Angeklagten in seiner Eigenschaft als Leiter der Kreispolizeibehörde von einem Beamten der Kriminalpolizei am 9. Januar 2014 vorgelegt. Er erklärte daraufhin, sich selbst um die Angelegenheit kümmern zu wollen. Nach einer vorläufigen Bewertung gelangte er zu dem Ergebnis , dass die erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe letztlich haltlos sein würden und hielt die Unterstellungen in dem Schreiben für belanglos. Ihm war aber auch klar, dass aufgrund der in dem Schreiben benannten Personen und Tatsachen strafrechtliche Ermittlungen gegen Dr. K. geführt werden würden und auch die polizeiinternen Vorgänge bei der geschilderten Medikamentenabgabe aufgeklärt werden mussten. Zugleich sorgte sich der Angeklagte um den ihm seit Jahren als zuverlässig und vertrauenswürdig bekannten Dr. K. , weil dieser aus anderem Anlass kurz zuvor – aus Sicht des Angeklagten unberechtigt – in der Presse massiv kritisiert worden war. Er befürchtete , dass der unter der Berichterstattung in den Medien sehr leidende Dr. K. aufgrund der Vorwürfe in dem anonymen Schreiben erneut in die Schusslinie der Presse geraten könnte. Daneben fühlte er sich Dr. K. auch deshalb verpflichtet, weil ihm dieser in einer Personalangelegenheit schnell und unbürokratisch geholfen hatte. Der Angeklagte entschloss sich daher spontan dazu, Dr. K. von dem Schreiben und dem darin gegen ihn erhobenen, nach Meinung des Angeklagten unberechtigten, Vorwurf zu unterrichten. Dabei war er sich darüber im Klaren, dass er in seiner dienstlichen Eigenschaft als Leitender Polizeidirektor in dieser Angelegenheit zur Verschwiegenheit verpflichtet war und deshalb mit Dr. K. nicht über das anonyme Schreiben und dessen Inhalt sprechen durfte. Über seine Dienstpflichten setzte sich der Angeklagte jedoch ganz bewusst hinweg, weil es ihm wichtiger war, Dr. K. zu warnen. Dabei war ihm als erfahrenem Polizeibeamten auch bewusst, dass die Staatsanwaltschaft möglicherweise gleichwohl ein Ermittlungsverfahren einleiten würde und er dieses gefährdete, weil er Dr. K. durch seine Vorabinformation die Möglichkeit eröffnete, rechtzeitig etwaige Beweismittel zur Seite zu schaffen und eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Dies nahm er billigend in Kauf.
6
Der Angeklagte rief daher am 10. Januar 2014 Dr. K. an, unterrichtete ihn über den Eingang des anonymen Schreibens und verriet ihm dessen Inhalt. Dabei machte er deutlich, dass die Medikamentenabgabe in seinen Augen rechtlich nicht zu beanstanden sei. Im weiteren Gesprächsverlauf sprachen der Angeklagte und Dr. K. auch darüber, dass die Vorfälle schon Jahre zurücklägen. Der Angeklagte meinte dazu, dass etwaige Straftaten dann ja ohnehin verjährt seien. Selbst wenn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden würde, werde die Staatsanwaltschaft es letzten Endes sicher auch so sehen, „dass an der Sache nichts dran sei“. Gleichwohl müsse er das Schrei- ben an die Staatsanwaltschaft weiterleiten.
7
Noch am 10. Januar 2014 unterrichtete der Angeklagte den Leiter der Staatsanwaltschaft P. telefonisch über den Inhalt des anonymen Schreibens. Am 15. Januar 2014 übergab er das Schreiben persönlich dem Leitenden Oberstaatsanwalt. Die Staatsanwaltschaft P. leitete das Schreiben zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft D. weiter, die daraufhin am 24. Januar 2014 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue gegen Dr. K. einleitete. Nachdem Dr. K. anlässlich eines in anderer Sache geführten Gesprächs mit der Polizeipräsidentin in B. darüber berichtet hatte, dass er von dem Angeklagten über das anonyme Schreiben informiert worden sei, wurde auch gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
8
Am 18. März 2014 wurde bei dem Angeklagten, Dr. K. und W. gleichzeitig durchsucht. Mit Verfügung vom 15. August 2014 stellte die Staatsanwaltschaft D. das Ermittlungsverfahren gegen Dr. K. nach § 153 StPO ein, weil die Konkretisierung des von Dr. K. in nicht verjährter Zeit verursachten Schadens weiterer Ermittlungen bedurft hätte, die zum möglichen Schadensumfang außer Verhältnis gestanden hätten. Das Ermittlungsverfahren gegen W. wurde am 15. August 2014 von der Staatsanwaltschaft D. gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 4.500 Euro nach § 153a StPO vorläufig eingestellt.
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2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als vorsätzliche Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß § 353b Abs. 1 StGB bewertet. Eine versuchte Strafvereitelung gemäß § 258 Abs. 1 und 4, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB liege nicht vor, weil sich eine von Dr. K. in unverjährter Zeit begangene Vortat nicht feststellen lasse. Auch sei „der für § 258Abs. 1 StGB erforderliche (direkte) Vorsatz zur Strafvereitelung nicht feststellbar“. Die Ein- lassung des Angeklagten, er habe in dem Vorwurf gegen Dr. K. kein strafrechtsrelevantes Verhalten gesehen, sei nicht widerlegbar. Die insofern gegen den Angeklagten sprechenden Umstände – langjährige Berufserfahrung, juristische Kenntnisse, Erwartung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens – begründeten selbst in ihrer Gesamtschau nicht die für eine Verurteilung erforderliche sichere Überzeugung von einem Strafvereitelungsvorsatz.

II.


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Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
11
1. Die Begründung, mit der das Landgericht die Annahme einer versuchten Strafvereitelung gemäß § 258 Abs. 1 und 4, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB verneint hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Die Erwägungen zur inneren Tatseite lassen besorgen, dass die Strafkammer bei der Bewertung des Beweisergebnisses teilweise von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist.
13
aa) Der Tatbestand eines versuchten Delikts verlangt in subjektiver Hinsicht (Tatentschluss) das Vorliegen einer vorsatzgleichen Vorstellung, die sich auf alle Umstände des äußeren Tatbestandes bezieht. Bei der Strafvereitelung nach § 258 Abs. 1 StGB ist dabei in Bezug auf die Tathandlung und den Verei- telungserfolg direkter Vorsatz („absichtlich oder wissentlich“) erforderlich, wäh- rend für die Kenntnis der Vortat bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 1999 – 2 StR 86/99, BGHSt 45, 97, 100; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 258 Rn. 33; Walter in: LK-StGB, 12. Aufl., § 258 Rn. 112 f. mwN). Eine ge- naue Vorstellung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht ist dabei nicht erforderlich (vgl. Jahn in: SSW-StGB, 2. Aufl., § 258 Rn. 29). Die subjektiven Voraussetzungen für die Annahme einer versuchten Strafvereitelung liegen daher vor, wenn der Täter es – ungeachtet fortbestehender Zweifel – nur für möglich gehalten hat, dass eine Straftat begangen worden ist und die von ihm daraufhin ins Auge gefasste Handlung darauf abzielt, für den Fall, dass tatsächlich eine Straftat vorliegt, eine Bestrafung des Vortäters zumindest für geraume Zeit zu verhindern (vgl. RG, Urteil vom 19. November 1920 – II 1176/20, RGSt 55, 126 zu § 257 StGB aF).
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bb) Diese Abstufung der Vorsatzformen hat das Landgericht nicht erkennbar beachtet. Seine Wendung, dass „der für § 258 Abs. 1 StGB erforderli- che (direkte) Vorsatz zur Strafvereitelung nicht feststellbar“ sei, weil die Einlas- sung des Angeklagten, kein strafrechtsrelevantes Verhalten gesehen zu haben, nicht widerlegt werden könne, legt nahe, dass das Landgericht auch in Bezug auf die Kenntnis von der Vortat angenommen hat, es müsse ein direkter Vorsatz nachweisbar sein. Da die Strafkammer nicht positiv festzustellen vermoch- te, dass der Angeklagte „kein strafrechtsrelevantes Verhalten gesehen“ hat, sondern sich lediglich nicht in der Lage sah, die für eine Verurteilung erforderli- che „sichere Überzeugung“ vom Vorliegen des zuvor von ihm geforderten direk- ten Vorsatzes zu gewinnen, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafkammer zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn sie das Beweisergebnis unter der zutreffenden Prämisse (ob der Angeklagte eine Straftat des Dr. K. im Zusammenhang mit dem angezeigten Sachverhalt für möglich gehalten hat) bewertet hätte.
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b) Außerdem hat das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht erkennbar bedacht, dass eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchter Strafvereitelung selbst dann in Betracht kommen kann, wenn er die Begehung einer Vortat nur irrtümlich für möglich gehalten hat. In diesem Fall läge lediglich ein untauglicher Versuch vor (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1960 – 4 StR 402/60, BGHSt 15, 210 zur Begünstigung im Amt gemäß § 346 StGB aF; Walter in: LK-StGB, 12. Aufl., § 258 Rn. 143 f.; Jahn in: SSW-StGB, 2. Aufl., § 258 Rn. 30; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 258 Rn. 37 mwN).
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2. Die nach § 301 StPO gebotene Überprüfung des Urteils auch zugunsten des Angeklagten hat keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Da zwischen einer möglichen Verurteilung nach § 258 StGB und der – an sich rechtsfehlerfreien – Verurteilung wegen § 353b StGB Tatidentität bestünde, ist auch diese aufzuheben. Denn nur auf diese Weise kann verhindert werden, dass der nicht vom Rechtsfehler betroffene Teil in Rechtskraft erwächst, was einer weiteren Verfolgung derselben Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, der Anlass zur Aufhebung gegeben hat, wegen des Verbots aus Art. 103 Abs. 3 GG entgegenstünde (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
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3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch für die Strafvereitelung gemäß § 258 StGB Täterschaft und Teilnahme grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln abzugrenzen sind (vgl. Walter in: LK-StGB, 12. Aufl., § 258 Rn. 159 mwN). Eine versuchte Strafvereitelung kann – unbeschadet der weiteren Voraussetzungen – in Betracht kommen, wenn der Angeklagte die Vorstellung hatte, den Vereitelungserfolg als Täter herbeizuführen und es ihm nicht lediglich darum ging, den Vortäter bei Selbstschutzmaßnahmen zu unterstützen (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 1983 – 4 StR 378/83, NJW 1984, 135; Walter in: LK-StGB, 12. Aufl., § 258 Rn. 162 mwN). In Fällen, in denen der Täter dem Vortäter erstmals Kenntnis von einem gegen ihn an- hängigen oder anhängig werdenden Ermittlungsverfahren vermittelt, liegt eine täterschaftliche Begehungsweise nahe (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1990 – 2 StR 38/90, Rn. 16, zitiert nach juris).
18
Mit Blick auf eine mögliche Verurteilung wegen eines untauglichen Versuchs wird der neue Tatrichter gegebenenfalls auch konkrete Feststellungen zu den in Betracht kommenden Vortaten zu treffen haben.
19
Für den Fall, dass eine versuchte Strafvereitelung zu bejahen ist, wird er sich auch zu § 258a StGB verhalten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1990 – 2 StR 38/90, Rn. 27, zitiert nach juris).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.