Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2015 - 3 StR 460/14

bei uns veröffentlicht am13.05.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 4 6 0 / 1 4
vom
13. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
19. März 2015 in der Sitzung am 13. Mai 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Vertreter des Nebenklägers E. W. ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Vertreter der Nebenklägerin B. W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. W. ,
Justizamtsinspektor - in der Verhandlung - ,
Justizangestellte bei der - Verkündung -
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Nebenkläger und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 25. März 2014 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenkläger haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt sowie Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die Revisionen der Nebenkläger erstreben die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes; sie beanstanden das Verfahren und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte begründet seine Revision mit der Sachrüge und beanstandet im Einzelnen die Beweiswürdigung sowie den Strafausspruch des angefochtenen Urteils. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
3
Der Angeklagte begab sich am 25. Juli 2013 gegen 2:30 Uhr nach einem Diskothekenbesuch mit der Studentin A. W. , der Tochter bzw. der Schwester der Nebenkläger, auf der Insel Juist an den Strand, wo sie sich in einem Strandkorb niederließen, sich küssten und Zärtlichkeiten austauschten. Der erheblich alkoholisierte Angeklagte wies eine Blutalkoholkonzentration von jedenfalls 3,1 g‰ auf, die Geschädigte eine solche von 1,29 g‰. Als sie ihre Verwunderung darüber ausdrückte, dass der Angeklagte keine Erektion bekam, kam es zum Streit zunächst mit wechselseitigen Beleidigungen und sodann mit Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf er ihr mehrere Faustschläge in den Bereich des Gesichts und des Kopfes versetzte. Auch die Geschädigte schlug dem Angeklagten im Rahmen ihrer Gegenwehr mindestens einmal ins Gesicht. Im Anschluss an das nachfolgende Gerangel, bei dem sich beide im Sand wälzten, hielt der Angeklagte die Geschädigte, die mit dem Gesicht auf dem Sand zu liegen kam, derart fest, dass sie ihren Kopf nicht ausreichend hochnehmen oder drehen konnte, so dass sie gezwungen war, Sand teils hinunterzuschlucken und teils einzuatmen. Hierdurch gelangten größere Mengen Sand in ihren Magen und in die Atemwege bis in die tiefen Verästelungen der Bronchien. Sodann übte der Angeklagte entweder durch Würgen oder durch Ziehen an dem Schal und der Lederhalskette der Geschädigten massive Gewalt gegen ihren Hals aus. Dabei war ihm - trotz seiner erheblichen Alkoholisierung und der emotionalen Erregung - bewusst, dass eine solche Gewaltanwendung zu erheblichen Verletzungen führen und letztlich tödlich sein kann. Einen solchen Ausgang nahm er bei seinen Handlungen billigend in Kauf. Aufgrund der Alkoholisierung und der emotionalen Erregung war seine Steuerungsfähigkeit jedoch möglicherweise erheblich eingeschränkt.
4
Die Gewalteinwirkung gegen den Hals führte gemeinsam mit der Verlegung der Atemwege durch Sand zum Ersticken der Geschädigten und war somit todesursächlich.

II.


5
Die zulässigen (§ 400 Abs. 1, § 401 Abs. 1 und 2 StPO) Rechtsmittel der Nebenkläger sind unbegründet.
6
1. Die erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen ohne Erfolg.
7
2. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten oder zulasten des Angeklagten (§ 301 StPO analog; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 301 Rn. 2) ergeben.
8
Das Landgericht hat das Vorliegen von Mordmerkmalen im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der näheren Erörterung bedürfen nur die Merkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe. Insoweit gilt:
9
a) Die Strafkammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass heimtückisch handelt, wer sein Opfer unter Ausnutzung von dessen Arg- und Wehrlosigkeit tötet. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tö- tungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen - tätlichen - Angriff rechnet. Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, juris Rn. 8 mwN). Das Opfer muss gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein.
10
Das Landgericht hat die Verneinung der Arg- und Wehrlosigkeit im Ausgangspunkt damit begründet, dass der Angeklagte bei den Schlägen gegen Gesicht und Kopf der Geschädigten noch nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt habe. Diese Schlussfolgerung ist angesichts der dadurch zugefügten, geringfügigeren Verletzungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
11
Soweit die Strafkammer weiter ausgeführt hat, die Geschädigte habe durch diesen Angriff ihre Arglosigkeit verloren, weshalb die Voraussetzungen einer heimtückischen Begehungsweise nicht erfüllt seien, erweist sich dies als nicht frei von Rechtsbedenken. Denn eine auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit kann auch dann gegeben sein, wenn der Täter sein argloses Opfer zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz angreift, diesen - die Arglosigkeit des Opfers in der Regel beseitigenden - Angriff ohne zeitliche Zäsur mit Tötungsvorsatz fortsetzt und es dem Opfer wegen des unmittelbaren Übergangs des überraschenden ersten Angriffs zur Tötungshandlung nicht mehr möglich ist, sich erfolgversprechend zur Wehr zu setzen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 1. März 2012 - 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 693; vom 28. Juni 2007 - 3 StR 185/07, juris Rn. 5; sowie schon Urteil vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 151 jew. mwN).
12
Es gefährdet den Bestand des Urteils indes nicht, dass das Landgericht die sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden - geringeren - Anforderungen an das Merkmal der auf Arglosigkeit beruhenden Wehrlosigkeit nach den Urteilsgründen nicht erkennbar im Blick gehabt hat. Denn der Senat kann ausschließen , dass es bei Anwendung dieses zutreffenden Prüfungsmaßstabes zur Annahme eines heimtückischen Mordes gelangt wäre. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen liegt ein Tathergang, wie ihn diese Rechtsprechung voraussetzt, nicht nahe: Die Geschädigte setzte sich mit mindestens einem Schlag zur Wehr, brachte dem Angeklagten damit eine - wenn auch eher geringfügige - Verletzung und Hämatome bei und rangelte anschließend noch mit ihm; all dies spricht - auch mit Blick darauf, dass sie erheblich größer und schwerer als der Angeklagte war - deutlich gegen eine auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit im Sinne der genannten Rechtsprechung.
13
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die gegen 2:30 Uhr in unmittelbarer Nähe des Tatortes anwesenden Zeuginnen K. und Ka. keine auffälligen Wahrnehmungen bekundet haben, denn das Landgericht hat den Tatzeitpunkt nicht sicher feststellen können. Damit bleibt offen, ob sich das vom Angeklagten angegebene Geschehen zu einem Zeitpunkt ereignete, als die Zeuginnen "wenige zehn Meter" vom Tatort entfernt anwesend waren, oder den von ihnen belegten Strandkorb bereits verlassen hatten.
14
b) Auch die vom Landgericht vorgenommene Prüfung des Vorliegens niedriger Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings ist nicht unbedenklich, dass die Strafkammer lediglich ausgeführt hat, dass sie für sonst niedrige Beweggründe vorliegend keine Anhaltspunkte zu sehen vermochte.
15
aa) Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung dieser Voraussetzung erfordert grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. nur etwa BGH, Beschlüsse vom 15. Mai 2003 - 3 StR 149/03, NStZ 2004, 34 und vom 22. Juli 2010 - 4 StR 180/10, NStZ 2011, 35 jew. mwN).
16
bb) Eine solche umfassende Gesamtwürdigung kann den Urteilsgründen zwar nicht entnommen werden. Der Senat kann aber ausschließen, dass das Landgericht bei Vornahme einer solchen die Voraussetzungen dieses Mordmerkmales bejaht hätte. Denn es hat die maßgeblichen Beweggründe des Angeklagten für die Tötung nicht aufzuklären und mithin nicht festzustellen vermocht , dass es sich dabei um niedrige im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB handelte. Angesichts der gegebenen Beweislage schließt der Senat auch aus, dass weitergehende Feststellungen insoweit getroffen werden könnten.

III.


17
Die aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge des Angeklagten veranlasste umfassende Rechtsprüfung des Urteils hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen keinen durchgreifenden , zum Nachteil des Beschwerdeführers wirkenden Rechtsfehler erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO).

IV.


18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Eine gegenseitige Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten und der Nebenkläger findet nicht statt, da sämtliche Rechtsmittel erfolglos geblieben sind (KK-Gieg, StPO, 7. Aufl. § 473 Rn. 13).
Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafprozeßordnung - StPO | § 400 Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers


(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt. (2) De

Strafprozeßordnung - StPO | § 401 Einlegung eines Rechtsmittels durch den Nebenkläger


(1) Der Rechtsmittel kann sich der Nebenkläger unabhängig von der Staatsanwaltschaft bedienen. Geschieht der Anschluß nach ergangenem Urteil zur Einlegung eines Rechtsmittels, so ist dem Nebenkläger das angefochtene Urteil sofort zuzustellen. Die Fri

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(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.

(1) Der Rechtsmittel kann sich der Nebenkläger unabhängig von der Staatsanwaltschaft bedienen. Geschieht der Anschluß nach ergangenem Urteil zur Einlegung eines Rechtsmittels, so ist dem Nebenkläger das angefochtene Urteil sofort zuzustellen. Die Frist zur Begründung des Rechtsmittels beginnt mit Ablauf der für die Staatsanwaltschaft laufenden Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn das Urteil dem Nebenkläger noch nicht zugestellt war, mit der Zustellung des Urteils an ihn auch dann, wenn eine Entscheidung über die Berechtigung des Nebenklägers zum Anschluß noch nicht ergangen ist.

(2) War der Nebenkläger in der Hauptverhandlung anwesend oder durch einen Anwalt vertreten, so beginnt für ihn die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels auch dann mit der Verkündung des Urteils, wenn er bei dieser nicht mehr zugegen oder vertreten war; er kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist nicht wegen fehlender Rechtsmittelbelehrung beanspruchen. Ist der Nebenkläger in der Hauptverhandlung überhaupt nicht anwesend oder vertreten gewesen, so beginnt die Frist mit der Zustellung der Urteilsformel an ihn.

(3) Hat allein der Nebenkläger Berufung eingelegt, so ist diese, wenn bei Beginn einer Hauptverhandlung weder der Nebenkläger noch für ihn ein Rechtsanwalt erschienen ist, unbeschadet der Vorschrift des § 301 sofort zu verwerfen. Der Nebenkläger kann binnen einer Woche nach der Versäumung unter den Voraussetzungen der §§ 44 und 45 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen.

(4) Wird auf ein nur von dem Nebenkläger eingelegtes Rechtsmittel die angefochtene Entscheidung aufgehoben, so liegt der Betrieb der Sache wiederum der Staatsanwaltschaft ob.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

8
Nach der Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt , wobei auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs abzustellen ist (vgl. BGHSt 32, 382, 384). Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGHSt 33, 363; 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ 2003, 146).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 425/11
vom
1. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
1. März 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Nebenkläger und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 22. Juli 2011 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenkläger haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision der Nebenkläger , die die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 StGB erstreben. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel der Nebenkläger sind zulässig (§ 400 Abs. 1, § 401 Abs. 1 und 2 StPO), aber unbegründet. Auch die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte seine Ehefrau am Morgen des 26. Oktober 2010 neben ihrem Pkw mit einem Küchenmesser. Im Einzelnen:
3
Nach ehelichen Streitigkeiten, die zwar nie zu Tätlichkeiten führten, indes mehrfach zur Folge hatten, dass die Geschädigte zu ihren Eltern zog, nahm diese - ohne Kenntnis des Angeklagten - ein intimes Verhältnis zu einem seiner Bekannten auf und bezog im August 2010 eine eigene Wohnung. Der Angeklagte wurde von diesem Verhalten seiner Ehefrau völlig überrascht.
4
In den folgenden Wochen kam es mehrfach zu Versöhnungen und erneuten Trennungen der Eheleute. Dabei verhielt sich insbesondere das Opfer sehr wechselhaft, während der Angeklagte zwar in den Trennungsphasen mit einer anderen Frau zusammentraf, aber stets bereit war, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. Nachdem die Geschädigte am 16. Oktober 2010 ihre Wohnung gekündigt hatte und wieder in die eheliche Wohnung eingezogen war, eröffnete sie dem Angeklagten schon zwei Tage später, wer ihr Liebhaber ist und dass sie diesen liebe. Dieser sei ein besserer Mensch und dem Angeklagten in allem überlegen. Die Geschädigte verließ den Angeklagten sodann endgültig und bezog erneut ihre Wohnung.
5
In der Folgezeit versuchte der Angeklagte immer wieder seine Ehefrau telefonisch zu erreichen, erschien vor ihrer Wohnung sowie an ihrer Arbeitsstelle und beobachtete sie. Einige Tage vor der Tat verbot die Geschädigte dem Angeklagten, der morgens vor ihrem Haus auf sie gewartet hatte, sie an ihrem Arbeitsplatz und auch bei anderen Gelegenheiten aufzusuchen.
6
In den Tagen vor der Tat beobachtete der Angeklagte weiterhin die Wohnung seiner Ehefrau auch von einem Baum aus. Er stellte dabei fest, dass das Kraftfahrzeug des neuen Partners seiner Frau in deren Garage stand und seine Tochter mit ihrer Familie einen Abend mit der Geschädigten und deren neuen Partner verbrachte. Am Abend vor der Tat sah der Angeklagte - erneut von einem Baum aus -, dass der neue Partner seiner Ehefrau das Haus betrat und war davon überzeugt zu erkennen, dass es im Wohnzimmer zu sexuellen Handlungen zwischen den beiden kam.
7
Die Nacht vor der Tat verbrachte der Angeklagte unruhig, stand gegen fünf Uhr auf und beschloss, nochmals eine Begegnung mit seiner Ehefrau herbeizuführen und mit ihr über ihre Beziehung zu reden. Beim Verlassen seines Hauses nahm er schwarze Lederhandschuhe mit und steckte ein Küchenmesser mit einer 19 cm langen Klinge in seine Jackentasche, um seine Ehefrau zu töten, falls das Gespräch mit ihr "nicht in seinem Sinne" verlaufen werde. Der Angeklagte stellte seinen Pkw auf einem in der Nähe des Wohnhauses seiner Ehefrau gelegenen Parkplatz ab, ging sodann durch ein kleines Wäldchen in Richtung des Hauses und wartete im Schutz der Bäume zunächst darauf, dass das Licht in der Wohnung seiner Frau anging. Als dies der Fall war, begab er sich zu den jenseits der Auffahrt liegenden Garagen, in deren Nähe die Geschädigte ihren Pkw im Freien geparkt hatte. Der Angeklagte versteckte sich in einem Gebüsch und wartete dort auf seine Frau, um sie zu überraschen, weil er befürchtete, dass sie sofort umkehren würde, falls sie ihn entdeckte. Gegen sechs Uhr verließ diese das Haus, ging zu ihrem Fahrzeug, setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Erst in diesem Moment verließ der Angeklagte sein Versteck, lief wenige Meter zum Auto, öffnete die Beifahrertür und setzte sich auf den Beifahrersitz. Seine Frau erschrak zunächst, begann aber - nachdem sie ihren Mann erkannt hatte, von dem sie nichts Gewalttätiges erwartete - eine lautstarke verbale Auseinandersetzung mit ihm. Sie forderte den Angeklagten auf, sie in Ruhe zu lassen, sie liebe ihren neuen Partner und er habe das gefälligst zu akzeptieren. Der Angeklagte verließ das Fahrzeug gleichwohl nicht und die beiden schrien sich gegenseitig an. Am Ende äußerte die Geschädigte: "Verpiss dich aus meinem Leben! Du hast mich nicht verdient! Peter ist tausendmal besser als du und zwar auch im Bett!" Der Angeklagte wurde daraufhin äußerst wütend und schlug seine Ehefrau, die aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen mit ihm (weiterhin) nicht mit einem Angriff rechnete, mit der rechten Faust ins Gesicht. Sie schrie weiter und er schlug mehrfach auf sie ein. Während der Auseinandersetzung zog der beträchtlich affektiv aufgeladene , in seiner Steuerungsfähigkeit aber nicht beeinträchtigte Angeklagte - "in dem sich nunmehr realisierenden Entschluss, sie zu töten" - das Küchenmesser aus der Jackentasche und begann auf seine Frau einzustechen. Sein Opfer versuchte, die Stiche mit den Händen abzuwehren und trug bereits zu diesem Zeitpunkt durch das Messer mindestens eine blutende Verletzung davon. Im weiteren Verlauf gelang es der Geschädigten, die Fahrertür zu öffnen und aus dem Auto zu entkommen. Der Angeklagte folgte ihr indes unmittelbar ebenfalls durch die Fahrertür und brachte seine Frau, die bis dahin im Wesentlichen Blutergüsse am Kopf und einen Nasenbeinbruch erlitten hatte, neben dem Fahrzeug zu Boden. Sodann fügte er seinem Opfer - weiterhin um es zu töten - eine tiefe, bis an die Wirbelsäule heranreichende Schnittverletzung am Hals zu, die dazu führte, dass die Ehefrau des Angeklagten innerhalb kurzer Zeit an Ort und Stelle verblutete.
8
I. Revision der Nebenkläger
9
1. Die Verfahrensbeanstandung bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwaltes ohne Erfolg.
10
2. Die aufgrund der Sachbeschwerde der Nebenkläger veranlasste Nachprüfung des Urteils zum Schuldspruch hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erbracht.
11
Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Mordes hat das Landgericht verneint, weil weder eine Tötung aus niedrigen Beweggründen noch eine heimtückische Begehungsweise im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB vorliege.
12
a) Die Ablehnung niedriger Beweggründe hat das Landgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:
13
Die Voraussetzungen für die Annahme einer Tötung aus niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB aus krankhaft übersteigerter Eifersucht oder zur Verhinderung der Trennung seitens der Partnerin seien nicht erfüllt. Die Kammer sehe hier vielmehr ein facettenreiches Motivbündel. Das Verhältnis des Angeklagten zu seiner Ehefrau habe in den letzten Wochen vor der Tat einer "emotionalen Achterbahnfahrt" geglichen. Die Beziehung zwischen den Eheleuten sei von heftigen Streitigkeiten geprägt gewesen, die mit intensiven Versöhnungen abwechselten. Schließlich hätten die Konflikte in der Eröffnung der Ehefrau gegipfelt, sie habe einen anderen Mann. Der Angeklagte habe mithin begründeten Anlass zur Eifersucht gehabt, verbunden mit der Erkenntnis und der Angst, nunmehr endgültig von seiner Ehefrau verlassen zu werden, sei aber auch enttäuscht und verzweifelt über das unwiderrufliche Ende seiner bisherigen Lebens- und Familienverhältnisse und insbesondere über das Verhalten seiner Tochter gewesen. Diese Beweggründe stünden nach all- gemeiner sittlicher Wertung nicht auf tiefster Stufe und würden nicht in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; vielmehr habe sich der Angeklagte aus einem in gewisser Weise noch emotional nachvollziehbaren Konglomerat aus Eifersucht, Enttäuschung, großer Verzweiflung, narzisstisch geprägter Wut, aber auch aus endgültiger Verlustangst zur Tat entschlossen.
14
Diese Begründung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat niedrig sind und - in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag - als verachtenswert erscheinen , erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15. Mai 2003 - 3 StR 149/03, NStZ 2004, 34 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 15). Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen nach der Rechtsprechung in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehren (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 4 StR 180/10, NStZ 2011, 35 mwN). Der Täter muss weiterhin die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie - insbesondere auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie dies etwa Verärgerung , Wut und Eifersucht sind - in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (st. Rspr.; vgl. Fischer, aaO, Rn. 82 mwN). Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 4 StR 419/06, NStZRR 2007, 111; Fischer, aaO, Rn. 19).
15
Daran gemessen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keine Tötung aus niedrigen Beweggründen angenommen hat. Es hat die für die Beurteilung der Tötungsmotive des Angeklagten erforderliche umfassende Gesamtwürdigung angestellt und dabei alle für die Bewertung seiner Handlungsantriebe bedeutsamen Umstände berücksichtigt. Gegen das vom Landgericht auf diese Weise gewonnene Ergebnis, dass die Beweggründe des Angeklagten nach allgemeiner sittlicher Wertung nicht auf tiefster Stufe stehen, nicht in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb nicht als besonders verachtenswert erscheinen, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
16
b) Einen Heimtückemord hat das Landgericht mit folgenden Ausführungen verneint:
17
Nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen seien bereits die objektiven Voraussetzungen der Heimtücke. Als der Angeklagte sich am Morgen des 26. Oktober 2010 zu seiner Frau in den Pkw gesetzt habe, habe diese sich zwar offensichtlich keines Angriffs versehen. Nach der Einlassung des Angeklagten habe sich die Gesprächssituation im Fahrzeug für die Eheleute nicht als ungewöhnlich dargestellt, so dass sie über das plötzliche Erscheinen ihres Ehemannes lediglich erschrocken und ungehalten gewesen sei, nicht aber mit Gewalttätigkeiten seinerseits gerechnet habe. In diesem Verhalten (des Ange- klagten) sei aber noch nicht der Beginn der Tötungshandlung zu sehen. Der Angeklagte habe zwar bereits einen bedingten Tatentschluss gefasst gehabt, als er das Küchenmesser eingesteckt habe, weil lediglich die Tatausführung, nicht aber der (grundsätzliche) Wille zur Tat davon abhängig war, wie das von ihm angestrebte Gespräch mit seiner Frau verlaufen werde. Die Schwelle zum "jetzt geht es los", sei nach seinem Tatplan jedoch erst erreicht gewesen, als der Angeklagte das Messer gezogen habe, nachdem es zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung und Faustschlägen gekommen sei, durch die das Opfer gleichsam vorgewarnt gewesen sei.
18
Arglosigkeit des Tatopfers sei allerdings auch dann anzunehmen, wenn der überraschende Angriff zwar zunächst nicht mit Tötungsvorsatz, sondern nur mit Verletzungsvorsatz geführt werde, jedoch der ursprüngliche Verletzungswille derart schnell in Tötungsvorsatz umschlage, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauere, in dem der Täter zu dem auf Tötung gerichteten Angriff übergehe. Bestehe die Situation völlig unverändert weiter und bleibe dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen, nehme die Tat also vom ersten Angriff an ihren ganz ungehemmten und nicht zu hemmenden Fortgang, so sei das Opfer arglos.
19
Im vorliegenden Fall sei indes nicht sicher festzustellen, wie viel Zeit zwischen dem ersten, auf die Äußerung der Ehefrau hin geführten Faustschlag bis zu dem Moment vergangen sei, als der Angeklagte in Tötungsabsicht das Messer gezogen und damit auf seine Ehefrau eingewirkt habe. Die zahlreichen, von der gerichtsmedizinischen Sachverständigen dargestellten Hämatome an Kopf und Körper sowie der Nasenbeinbruch ließen durchaus auf eine längere Zeitdauer schließen. Dann sei aber möglich, dass die Angegriffene aufgrund der länger andauernden Tätlichkeiten zum Zeitpunkt des ersten Messereinsatzes gerade nicht mehr arglos gewesen sei. Die Abwehrverletzungen sprächen zudem gegen deren Wehrlosigkeit ebenso wie der Umstand, dass es ihr gelungen sei, aus dem Fahrzeug hinauszukommen, auch wenn sie es nicht geschafft habe, dem Angeklagten endgültig zu entrinnen oder in irgendeiner Form mäßigend auf ihn einzuwirken. Dementsprechend könne nicht festgestellt werden, dass das Opfer zu Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs noch infolge Arglosigkeit wehrlos gewesen sei.
20
Diese Begründung hält rechtlicher Prüfung ebenfalls stand. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06 mwN). Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arg- und Wehrlosigkeit können aber auch gegeben sein, wenn der Täter zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz handelt, und dann unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer infolge des überraschenden Angriffs nicht möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, so dass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (vgl. BGH, Urteile 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 sowie vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234; vgl. auch schon BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Februar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).
21
Daran gemessen hat sich das Landgericht mit den Voraussetzungen einer heimtückischen Tötung im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB rechtsfehlerfrei befasst. Zutreffend hat es zunächst angenommen, dass ein von Tötungsvorsatz getragener Angriff nicht schon beim Einsteigen des Angeklagten in das Fahrzeug vorlag, da er zu diesem Zeitpunkt nur einen bedingten Tötungsentschluss gefasst hatte und es noch offen war, ob die Bedingung für dessen tatsächliche Umsetzung eintreten werde. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ist das Landgericht weiterhin davon ausgegangen, dass der Angeklagte auch bei den zunächst mit Fäusten verübten Tätlichkeiten gegen seine Ehefrau noch mit Verletzungsvorsatz handelte und erst die sich anschließende Verwendung des Messers von Tötungsvorsatz getragen war. Dabei hat es sich auch mit der Möglichkeit des Vorliegens einer heimtückischen Tötung bei einem überraschenden - mit Körperverletzungsvorsatz geführten - Angriff auseinandergesetzt und einen solchen - auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung - mit tragfähiger Begründung im Hinblick darauf abgelehnt, dass eine längere Zeitspanne zwischen dem ersten, mit Fäusten geführten Angriff des Angeklagten und dem Hervorholen des Messers verstrichen war und es daher möglich erscheint, dass das Opfer beim ersten mit Tötungsvorsatz ausgeführten Angriff nicht (mehr) arglos und - angesichts der Abwehrhandlungen gegen die ersten Messerangriffe und der sich anschließenden, kurzzeitig erfolgreichen Flucht - auch nicht mehr wehrlos war.
22
II. Revision des Angeklagten
23
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil erbracht. Auch der Strafausspruch hat Bestand. Das Landgericht hat bei der - von der Revision im Einzelnen beanstandeten - Strafrahmenwahl das Vorliegen eines minder schweren Falles des Totschlags gemäß § 213 StGB rechtsfehlerfrei verneint.
24
1. Die Ablehnung des § 213 Alt. 1 StGB hat es wie folgt begründet: Nach dieser Vorschrift wäre ein minder schwerer Fall nur gegeben, wenn der Angeklagte ohne eigene Schuld durch eine ihm zugefügte schwere Beleidigung ("Verpiss Dich aus meinem Leben! Du hast mich nicht verdient! Peter ist 1000mal besser als Du - und zwar auch im Bett!") von seiner Frau gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden wäre. Im vorliegenden Fall sei bereits fraglich, ob der Angeklagte ohne eigene Schuld gereizt worden sei, da er sich über das Verbot seiner Frau, mit ihr Kontakt aufzunehmen, hinweggesetzt , sie erneut aufgesucht und so selbst zur Verschärfung der Situation beigetragen habe. Jedenfalls sei er aber durch die Äußerungen seiner Frau nicht auf der Stelle zur Tat "hingerissen" worden. Vielmehr sei er von vornherein auf eine mögliche Konfrontation mit ihr eingestellt gewesen, er habe sie sogar mit dem bedingten Tatentschluss aufgesucht, sie zu töten, wenn das Gespräch nicht in seinem Sinne verlaufe. Bei dieser Sachlage fehle es an dem gebotenen "motivationspsychologischen Zusammenhang" zwischen der Beleidigung und der Tötungshandlung.
25
Diese Begründung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zutreffend hat das Landgericht bereits den erforderlichen Motivationszusammenhang zwi- schen der den Angeklagten zurückweisenden und abwertenden Äußerung und der Tötungshandlung verneint (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 - 2 StR 525/65, BGHSt 21, 14, 17 f. und Beschluss vom 26. Juli 1994 - 1 StR 286/94, NStZ 1995, 83). Außerdem stellt sich das Verhalten der Geschädigten nach den Feststellungen auch nicht als eine Provokation dar, die angesichts der gesamten Umstände ohne eigene Schuld des Angeklagten geschehen wäre: Nach dessen umfangreichen Nachstellungen hatte die Geschädigte dem Angeklagten schließlich kurz vor der Tat untersagt, mit ihr in Kontakt zu treten. Dies hat er am Tattag missachtet und ist dabei in einer Art und Weise vorgegangen, die seine Frau überraschte und erschreckte sowie ihr keine Möglichkeit ließ, der Konfrontation mit ihm zu entgehen. Der Aufforderung der Geschädigten, ihr Fahrzeug zu verlassen, kam er nicht nach. Dass die Geschädigte aufgrund dieser vom Angeklagten geschaffenen, ihr aufgezwungenen Situation erbost war und den Angeklagten anschrie sowie beschimpfte, ist daher maßgeblich auf das rücksichtslose Verhalten des Angeklagten zurückzuführen und stellt bei wertender Betrachtung eine verständliche Reaktion der Geschädigten dar (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 1988 - 4 StR 221/88, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Verschulden 1).
26
2. Bei der Ablehnung eines sonst minder schweren Falles im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB hat sich die Kammer von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen:
27
Einerseits seien der unglückselige Verlauf der Beziehung zwischen den Eheleuten im Vorfeld und die hohe affektive Aufladung des Angeklagten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei zu beachten, dass er sich nach der Tat selbst gestellt und ein Geständnis abgelegt habe, außerdem, dass er nicht vorbestraft sei und Reue für seine Tat bekundet habe, die auch in dem Suizidversuch zu Tage getreten sei. Andererseits falle ganz erheblich ins Gewicht, dass es sich nicht um eine Spontantat gehandelt habe; vielmehr habe der Angeklagte bereits am frühen Morgen den Tatentschluss gefasst und entsprechende Vorbereitungen getroffen. Daneben seien die der beabsichtigten Tötungshandlung vorgelagerten zahlreichen Verletzungen zu sehen, die allerdings keinen eigenständigen Tatbestand erfüllten. Bei Abwägung dieser Umstände sei die Anwendung des Normalstrafrahmens mit Freiheitsstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren nicht unverhältnismäßig.
28
Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Bei Annahme oder Ablehnung eines sonst minder schweren Falles im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB kommt es auf eine Gesamtbewertung aller bedeutsamen Umstände an (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139; Fischer, aaO, § 213 Rn. 12 ff. mwN). Dies hat das Landgericht beachtet und bei seiner Würdigung keine wesentlichen und bestimmenden Umstände unberücksichtigt gelassen. Auch die Revision des Angeklagten zeigt durchgreifende Rechtsfehler des Landgerichts bei der Strafrahmenwahl nicht auf. Allein die - vom Landgericht berücksichtigte - Äußerung der Geschädigten, dass ihr Liebhaber "auch im Bett" tausendmal besser sei als der Angeklagte, zwingt hier nicht zur Bewertung der Tat als minder schwerer Fall im Sinne von § 213 StGB.
29
3. Schließlich begegnet auch die Zumessung der konkreten Strafe keinen rechtlichen Bedenken.
Becker Hubert Schäfer Mayer Menges

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 180/10
vom
22. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes in drei tateinheitlichen Fällen u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Juli 2010 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. November 2009 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen sowie mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur Schuldfähigkeit bestehen,
b) im Rechtsfolgenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen sowie mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es eine Maßregelanordnung nach §§ 69, 69a StGB getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
2
Die Verfahrensrüge ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, unbegründet. Mit der Sachrüge hat das Rechtsmittel in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bezüglich der versuchten Tötung der Zeugin K. begegnet schon in objektiver Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
a) Beweggründe zu einem Tötungsverbrechen sind "niedrig", wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1987 - 2 StR 559/87, BGHSt 35, 116, 127; Beschluss vom 21. Dezember 2000 - 4 StR 499/00, StV 2001, 571).
5
b) Das Landgericht begründet die Annahme, der Angeklagte habe die Zeugin K. aus niedrigen Beweggründen töten wollen, damit, dass der Angeklagte in erster Linie aus krankhaft übersteigerter Eifersucht gehandelt habe. Er habe die Zeugin "als ihm gehörend, als sein Eigentum und damit lediglich als Objekt" betrachtet, "das er bestrafen und lieber tot sehen wollte, als zuzulassen, dass sie ihn noch einmal verließ" (UA 82, 83).
6
Das Landgericht hat dabei nicht bedacht, dass Gefühlsregungen wie Eifersucht , aber auch Rache, Wut und Hass nach ständiger Rechtsprechung nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht kommen, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehren (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1992 - 2 StR 551/91, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 22; Beschluss vom 21. Dezember 2000 - 4 StR 499/00 aaO, jeweils m.w.N.; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 211 Rn. 19 m.w.N.).
7
Die vom Landgericht zum Verhalten der Zeugin K. gegenüber dem Angeklagten getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Bewertung der Eifersucht als "krankhaft übersteigert" nicht, denn danach bestand für den Angeklagten mehrfach begründeter Anlass zur Eifersucht, weil die Zeugin Kontakte zu anderen Männern suchte und sich zweimal wegen einer neuen Bekanntschaft kurzzeitig vom Angeklagten getrennt hatte. Auch während des der Tat vorangegangenen Diskothekenbesuchs, für dessen Kosten - wie stets - der Angeklagte aufkam, flirtete sie intensiv mit dem Zeugen R. , außerdem verursachte sie eine ungewöhnlich hohe Zeche, die nahezu zwei Fünftel des monatlichen Einkommens des Angeklagten betrug. Im Rahmen der Strafzumessung bezeichnet das Landgericht die Empörung des Angeklagten über das Verhalten seiner Verlobten als nachvollziehbar und hält dem zur Tatzeit alkoholisierten Angeklagten zugute, dass dieser sich in einer in gewisser Weise sogar noch verständlichen Aufwallung von Jähzorn, Enttäuschung, Wut aber auch Angst davor, verlassen zu werden, zur Tat entschlossen habe.
8
Diese Erwägungen hätte das Landgericht auch in die Prüfung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe einbeziehen müssen. Dies wird der neue Tatrichter nachzuholen haben.
9
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes zum Nachteil des Zeugen R. hat keinen Bestand, weil die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts durch das Landgericht rechtlicher Prüfung nicht standhält.
10
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte seine damalige Verlobte, die Zeugin K. , die nach einem gemeinsamen Diskothekenbesuch infolge einer Kreislaufschwäche auf einem Parkplatzgelände lag, sowie die Zeugen S. und R. , die ihr helfen wollten und neben ihr knieten, mit seinem Kastenwagen vorsätzlich an, wobei er schwere, auch tödliche Verletzungen der drei Personen in Kauf nahm. Die Zeugen K. und S. wurden von dem Fahrzeug überrollt und erlitten schwere Verletzungen, der Zeuge R. wurde lediglich "streifend am Arm" erfasst und nur geringfügig verletzt. Bevor sich der Angeklagte vom Tatort entfernte, betrachtete er die beiden Schwerverletzten. Er unternahm weder einen weiteren Angriff noch sorgte er für ärztliche Hilfe.
11
Zur Frage eines strafbefreienden Rücktritts hat das Landgericht ausgeführt , dass es aus der Sicht des Angeklagten nicht nötig gewesen sei, seinen Opfern weitere Verletzungen beizubringen, "da N. K. bereits offenbar schwer verletzt und vor Schmerzen laut schreiend auf dem Boden lag und er also sein Ziel, N. K. für ihr Verhalten ihm gegenüber zu bestrafen, schon erreicht hatte. Die Frage eines etwaigen Rücktritts stellt sich damit nicht, der Tötungsversuch war bereits beendet" (UA 83).
12
b) Dies hält, soweit es die Tat zum Nachteil des Zeugen R. betrifft, rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Urteilsfeststellungen nicht belegen, dass insoweit ein beendeter Versuch vorlag.
13
aa) Für die Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Dezember 1982 - 2 StR 550/82, BGHSt 31, 170, 175; Urteil vom 22. August 1985 - 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 299; Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227) oder sich keine Gedanken darüber macht, ob sein bisheriges Verhalten ausreicht, um den Erfolg herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304).
14
Hält er den Erfolgseintritt für möglich, so ist der Versuch beendet. In diesem Fall setzt ein strafbefreiender Rücktritt voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt durch eigene Tätigkeit verhindert oder sich, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt, darum bemüht.
15
Rechnet der Täter dagegen nach der letzten Ausführungshandlung (noch) nicht mit dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolges, so ist der Versuch unbeendet, wenn die Vollendung aus Sicht des Täters noch möglich war. In diesem Fall genügt das bloße Aufgeben weiterer Tatausführung, um die straf- befreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel erreicht hat.
16
bb) Dafür, dass der Angeklagte den Tod des Zeugen R. , der von dem Fahrzeug nicht wie die anderen Geschädigten überrollt, sondern nur am Arm leicht erfasst worden ist, für möglich hielt, ergeben sich aus den Urteilsgründen keine hinreichenden Anhaltspunkte.
17
Das Urteil verhält sich zwar nicht ausdrücklich dazu, wo sich dieser Zeuge befand, als der Angeklagte die beiden Schwerverletzten betrachtete und ob der Angeklagte dessen vergleichsweise geringe Verletzungen bemerkte. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist aber zu entnehmen, dass der Angeklagte sowohl im Augenblick des Überrollens als auch beim Anblick der beiden Schwerverletzten erkannte, dass er nur zwei und nicht drei Personen überfahren hat. Entsprechend äußerte er sich zudem unmittelbar nach der Tat gegenüber seinen Eltern (UA 29).
18
cc) Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass sich in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen treffen lassen, die der Annahme eines strafbefreienden Rücktritts entgegenstehen könnten. Deshalb sieht er von einer eigenen Entscheidung in der Sache, wie sie vom Generalbundesanwalt angeregt wurde, ab.
19
3. Hinsichtlich der versuchten Tötungsdelikte zum Nachteil der Zeugen K. und S. ist das Landgericht dagegen zu Recht von einem beendeten Versuch ausgegangen. Die getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte nach dem Überfahren dieser beiden Opfer deren Tod für möglich hielt. Er hat beide mit einem relativ schweren Fahrzeug und einer Anstoßgeschwindigkeit von etwa 30 km/h überrollt, wodurch ein deutlicher Ruck in der Fahrbewegung und sogar ein Querversatz des Fahrzeugs ausgelöst wurden. Nachdem er sein Fahrzeug angehalten hatte, erkannte er an dem Zustand der beiden Geschädigten, dass diese offenbar erheblich verletzt waren. Vor dem Hintergrund der vom Angeklagten wahrgenommenen Auswirkungen seiner äußerst gefährlichen Vorgehensweise ist die Schlussfolgerung des Landgerichts, der Angeklagte habe mit tödlichen Verletzungen der Zeugen K. und S. gerechnet, nicht zu beanstanden.
20
Da der Angeklagte keine Bemühungen unternommen hat, den Erfolgseintritt zu verhindern, hat das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt insoweit im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die zum Teil missverständlichen Formulierungen in den Ausführungen zum Rücktritt stehen dem nicht entgegen.
21
4. Die festgestellten Rechtsfehler zwingen zur Aufhebung der - für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellten - tateinheitlich mit den beiden Mordversuchen begangenen Taten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
22
5. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur Schuldfähigkeit können aufrechterhalten werden, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen sind. Ergänzende Tatsachenfeststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.
23
6. Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts zum Nachteil der Zeugin K. das Mordmerkmal der Heimtücke in Betracht kommt, das dem Angeklagten in der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage auch hinsichtlich dieser Geschädigten zur Last gelegt worden war. Zwar war die Zeugin K. selbst nicht auf Grund ihrer Arglosigkeit wehrlos, sondern infolge der erlittenen Kreislaufschwäche. Das Mordmerkmal der Heimtücke kann, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift, auf die der Senat insoweit Bezug nimmt, hingewiesen hat, auch dadurch erfüllt sein, dass ein Täter die Arglosigkeit einer schutzbereiten Person zur Tatausführung ausnutzt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 1997 - 4 StR 158/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 24 m.w.N.).
Ernemann Solin-Stojanović Ri'inBGH Roggenbuck befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann RiBGH Dr. Mutzbauer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.