Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2017 - 3 StR 364/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:120117U3STR364.16.0
bei uns veröffentlicht am12.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 364/16
vom
12. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen öffentlicher Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins
ECLI:DE:BGH:2017:120117U3STR364.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Januar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Gericke, Dr. Tiemann, Hoch als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 8. März 2016 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der öffentlichen Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins freigesprochen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten, vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte Mitglied des "Hells Angels Charters North Region", einer Untergliederung der weltweit agierenden Rockergruppierung "Hells Angels". Als erstes und seinerzeit einziges "Hells Angels Charter" in Deutschland wurde im Jahr 1973 der "Hell's Angels Motorclub e. V." in Hamburg gegründet. Seine Mitglieder bezeichneten sich als "Hells Angels MC Germany". Sie trugen sog. Kutten, die mittels diverser Aufnäher im Wesentlichen einheitlich gestaltet waren:
3
Auf der Rückseite befand sich oben der in einer Bogenform nach unten verlaufende Schriftzug "Hells Angels" in roter Schrift auf weißem Grund. Das Clubemblem war mittig angebracht. Es bestand aus einem stilisierten behelmten Totenkopf in den Farben Weiß, Schwarz und Rot mit rechtsseitigen goldroten Engelsflügeln. Unterhalb des Logos war der Schriftzug "MC" in roter Schrift auf weißem Grund angebracht. Darunter befand sich in einer nach oben verlaufenden Bogenform der Schriftzug "Germany" in roter Schrift auf weißem Grund. Bei der für die Begriffe "Hells Angels" und "Germany" verwendeten Schriftart handelte es sich um "Hessian Regular". Auf der Vorderseite der Kutte waren in roter Schrift auf weißem Grund die Schriftzüge "AFFA" und "Hamburg" nebeneinander sowie "Europe" angebracht.
4
Seit Anfang der 1980er Jahre gründeten sich weitere "Charter" der "Hells Angels" in Deutschland, unter anderem das "MC Hells Angels Germany Charter Düsseldorf" sowie in Baden-Württemberg das "Hells Angels Motorcycle Club Charter Borderland" nebst seiner Teilorganisation "Commando 81 Borderland". Die Kennzeichen dieser Ortsgruppen ähnelten denjenigen des "Hells Angels Charters" in Hamburg. Im norddeutschen Raum entstanden überdies die "Hells Angels Charter" "Hannover" und "North Region".
5
Der "Hell's Angels Motorclub e. V. Hamburg" ist durch bestandskräftige Verfügung des Bundesministeriums des Inneren vom 21. Oktober 1983 verboten , das "MC Hells Angels Germany Charter Düsseldorf" durch Verfügung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Februar 2000, deren sofortige Vollziehbarkeit angeordnet wurde, und das "Hells Angels Motorcycle Club Charter Borderland" nebst seiner Teilorganisation "Commando 81 Borderland" durch bestandskräftige Verfügung des Innenministeriums des Landes Baden-Württemberg vom 6. Juni 2011.
6
Der Angeklagte befuhr am 22. Juli 2014 mit einem Motorrad eine Straße in W. . Dabei trug er ein T-Shirt, auf dessen Rückseite ein stilisierter, weißer und behelmter Totenkopf mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln, darüber der Schriftzug "Hells Angels" und darunter der Schriftzug "North Region" , jeweils in roter Schrift mit weißer Umrandung und in der Schriftart "Hessian Regular" abgedruckt waren. Zwischen dem Totenkopf und dem Schriftzug "North Region" befanden sich die Buchstaben "MC" in roter Farbe mit weißer Umrandung. Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben. Der Totenkopf wies hinsichtlich seiner Gestaltung, der Kopfbedeckung und der Farbgebung Abweichungen von demjenigen auf, den die verbotenen "Charter" der "Hells Angels" verwendeten.
7
Außerdem trug der Angeklagte einen Motorradhelm, auf dem mindestens fünf Aufkleber angebracht waren. Drei davon waren rechteckig und beinhalteten den Schriftzug "Support your local Hells Angels Hannover". Die Schriftzeichen waren in Großbuchstaben und in roter Farbe auf weißem Grund geschrieben, die Worte "Hells Angels" zudem in der Schriftart "Hessian Regular". Ein weiterer Aufkleber wies auf einem weißen Hintergrund in der Mitte einen stilisierten und behelmten Totenkopf in den Farben Weiß, Schwarz und Rot mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln auf, der in seiner Form und Farbgebung dem von den verbotenen "Chartern" der "Hells Angels" verwendeten Symbol entsprach. Über dem Totenkopf war in nach unten verlaufender Bogenform der Schriftzug "Hells Angels" aufgedruckt, unter dem Totenkopf in nach oben verlaufender Bogenform der Schriftzug "Germany". Zwischen dem Totenkopf und dem Schriftzug "Hells Angels" befand sich der Schriftzug "A.F.F.A.", unterhalb des Totenkopfes standen die Buchstaben "MC" und das Wort "Hannover". Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben in roter Farbe und in der Schriftart "Hessian Regular". Der fünfte Aufkleber zeigte auf weißem Grund einen stilisierten behelmten Totenkopf in den Farben Gelb und Schwarz mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln. Er unterschied sich in seiner Form und Farbgebung von der Gestaltung des Symbols, das die verbotenen "Charter" der "Hells Angels" verwendeten. Über dem Totenkopf befand sich in nach unten verlaufender Bogenform der Schriftzug "Hells Angels", unter dem Totenkopf stand in nach oben verlaufender Bogenform das Wort "Hannover". Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben in roter Farbe, jedoch nicht in der Schriftart "Hessian Regular".
8
Am 7. August 2014 trug der Angeklagte auf dem Gelände eines BowlingCenters in W. ein T-Shirt, auf dessen Rückseite ein stilisierter, weißer und behelmter Totenkopf mit rechtsseitigen rot-goldenen Engelsflügeln zu sehen war. Oberhalb des Totenkopfes befand sich in nach unten weisender Bogenform der Schriftzug "HA Member 81", unterhalb des Totenkopfes stand in nach oben weisender Bogenform der Schriftzug "North Region". Zwischen dem Totenkopf und dem unteren Schriftzug waren die Buchstaben "MC" abgebildet. Bei sämtlichen Buchstaben handelte es sich um Großbuchstaben in roter Farbe und mit weißer Umrandung. Die in Bogenform dargestellten Schriftzüge waren in der Schriftart "Hessian Regular" ausgeführt. Auf der Vorderseite des T-Shirts standen die Großbuchstaben "AFFA", in roter Farbe mit weißer Umrandung und in der Schriftart "Hessian Regular".
9
II. Der Freispruch des Angeklagten hält rechtlicher Überprüfung stand.
10
Es kann dahinstehen, ob und inwieweit es sich bei den Symbolen und Schriftzügen, die sich auf den vom Angeklagten getragenen T-Shirts sowie dem Motorradhelm befanden, im Einzelnen um Kennzeichen auch der verbotenen "Hells Angel Charter" handelte; zumindest im Hinblick auf den Schriftzug "Hells Angels" und das Totenkopf-Symbol ist davon auszugehen. Darauf kommt es letztlich nicht an, weil der Angeklagte die Kennzeichen jedenfalls nicht im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG "verwendet" hat. Insoweit gilt:
11
Diese Strafnorm bedarf aufgrund ihrer weiten Fassung mit Rücksicht auf verfassungsrechtliche Anforderungen - nicht zuletzt mit Blick auf das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG - einer am Schutzzweck der Norm orientierten einschränkenden Auslegung. Danach sind Kennzeichenverwendungen , die dem Schutzzweck des Vereinsverbots eindeutig nicht zuwiderlaufen , von dem Tatbestand auszunehmen. Bei der Prüfung, ob die Verwendung eines Kennzeichens auch einer verbotenen Organisation dem Schutzzweck der Norm eindeutig nicht zuwiderläuft, kann in der Regel nicht allein auf die Darstellung des Symbols selbst zurückgegriffen werden; denn dieses lässt bei isoliertem Gebrauch meist gerade nicht erkennen, ob es als Kennzeichen der verbotenen Organisation oder zu anderen, nicht zu beanstandenden Zwecken verwendet wird. Der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt ist vielmehr anhand aller maßgeblichen Umstände des Falles zu ermitteln (vgl. zu allem BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - 3 StR 33/15, BGHSt 61, 1, 8 ff. - "Bandidos").
12
Daran gemessen lief der Gebrauch der in Rede stehenden Kennzeichen durch den Angeklagten dem Schutzzweck des Vereinsverbots eindeutig nicht zuwider. Insoweit ist wie in dem der Entscheidung des Senats vom 9. Juli 2015 (aaO) zugrunde liegenden Fall zu berücksichtigen, dass die gegen die verschiedenen "Charter" der "Hells Angels" ausgesprochenen Vereinsverbote nicht die national oder gar weltweit agierende Dachorganisation der "Hells Angels" betreffen, sondern allein regionale Unterabteilungen, deren Zwecke den Strafgesetzen zuwiderliefen. Dementsprechend sind die übrigen "Charter" der "Hells Angels" nicht verboten; sie tragen freilich gleichermaßen mit dem Schriftzug "Hells Angels" und dem Totenkopf-Symbol Kennzeichen ihrer Vereine, die auch Kennzeichen der verbotenen "Charter" waren. Durch die Hinzufügung einer unmissverständlich auf eine nicht verbotene Untergliederung hinweisenden Bezeichnung - wie hier "Hannover" und "North Region" - ergibt sich aus dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang des Kennzeichengebrauchs entgegen der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung indes eindeutig, dass der Angeklagte die betreffenden Kennzeichen gerade nicht als solche der verbotenen "Charter", sondern als Kennzeichen von Unterabteilungen verwendet hat, die nicht mit einer Verbotsverfügung belegt sind.
13
Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass der Zusatz "North Region" keine eindeutige Abgrenzung von dem verbotenen "Hells Angels Charter" in Hamburg darstelle, weil nicht erkennbar sei, um welchen Ort es sich dabei handele , und auch Hamburg im Norden Deutschlands liege, geht fehl. Maßgeblich ist allein, dass nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unter der Bezeichnung "North Region" ein nicht verbotenes "Charter" der "Hells Angels" gegründet wurde. Daraus, dass es sich bei der Gründung des 1983 verbotenen "Hell's Angels Motorclub e. V. Hamburg" zunächst um den einzigen Ortsverein der "Hells Angels" in Deutschland handelte, dessen Mitglieder sich deshalb als "Hells Angels MC Germany" bezeichneten und auch außerhalb von Hamburg Straftaten begingen, folgt entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes.
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet sich Gericke im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker
Tiemann Hoch

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 9


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

Vereinsgesetz - VereinsG | § 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote


(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit 1. den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins entgegen einem vollziehbaren Verbot oder entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er Ersatzorganisat

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juli 2015 - 3 StR 33/15

bei uns veröffentlicht am 09.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 S t R 3 3 / 1 5 vom 9. Juli 2015 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja VereinsG § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Zur Strafbarkeit wegen Verwendens der Kennzeichen eines verbotenen Verein

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(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit

1.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins entgegen einem vollziehbaren Verbot oder entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er Ersatzorganisation eines verbotenen Vereins ist, aufrechterhält oder sich in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
2.
den organisatorischen Zusammenhalt einer Partei oder eines Vereins entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei sind (§ 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes), aufrechterhält oder sich in einer solchen Partei oder in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
3.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereines oder einer Partei der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Art oder deren weitere Betätigung unterstützt,
4.
einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5.
Kennzeichen einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Vereine oder Parteien oder eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots oder der Feststellung verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ 84, 85, 86a oder den §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist. In den Fällen der Nummer 5 gilt § 9 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 oder 3 entsprechend.

(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen, wenn

1.
bei Beteiligten die Schuld gering oder deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist oder
2.
der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Partei oder des Vereins zu verhindern; erreicht er dieses Ziel oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird der Täter nicht bestraft.

(3) Kennzeichen, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 5 bezieht, können eingezogen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 3 3 / 1 5
vom
9. Juli 2015
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Zur Strafbarkeit wegen Verwendens der Kennzeichen eines verbotenen Vereins
durch das Tragen sog. Rockerkutten.
BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - 3 StR 33/15 - LG Bochum
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen öffentlicher Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
11. Juni 2015 in der Sitzung am 9. Juli 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Ra. ,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 28. Oktober 2014 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der öffentlichen Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins und dem des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen aus Rechtsgründen freigesprochen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts sind die Angeklagten Mitglieder örtlicher Vereine der weltweit agierenden Rockergruppierung "Bandidos" , der Angeklagte R. des "MC Bandidos U. ", der Angeklagte Ra. des "MC Bandidos B. ".
3
Die Gruppierung der "Bandidos" besteht nicht aus einem einzelnen Verein , vielmehr setzt sie sich auf europäischer Ebene aus der jeweiligen "Nationalen Hauptgruppe" und darunter - auf regionaler Ebene - aus zahlreichen Orts- gruppen (sogenannte Chapter) zusammen. Diese Ortsgruppen sind organisatorisch weitgehend selbständig. In Deutschland gründeten sich die ersten 17 Chapter der "Bandidos" im November 1999, als mehrere regionale Abteilungen anderer Rockergruppierungen zu den "Bandidos" übertraten; als erstes Chapter - deshalb von den "Bandidos" als das deutsche "Mother Chapter" bezeichnet - bestand dasjenige in G. .
4
Die Mitglieder der "Bandidos" - auch diejenigen der deutschen Chapter - tragen Lederwesten, sogenannte Kutten, die innerhalb der weltweiten Organisation - von den Mitgliedern auch "Bandido-Nation" genannt - im Wesentlichen einheitlich gestaltet sind:
5
Auf der Rückseite der Weste befindet sich als Mittelabzeichen der "Fat Mexican", die Figur einer dicklichen, mit einem Revolver und einer Machete bewaffneten sowie mit einem Poncho und einem Sombrero bekleideten männlichen Gestalt. Darüber ist als obere Abgrenzung ein halbkreisförmig nach unten gebogener Aufnäher mit dem in roten Großbuchstaben auf gelbem Grund dargestellten Schriftzug "Bandidos" angebracht. Unterhalb des Mittelabzeichens befindet sich als untere Abgrenzung ein weiterer Aufnäher, der halbkreisförmig nach oben gebogen in gleicher Farbgebung einen weiteren Schriftzug darstellt: Nach Gründung der ersten Chapter der "Bandidos" benutzten alle Gruppen in Deutschland insoweit zunächst die nationale Bezeichnung "Germany" , nunmehr verwenden die Chapter uneinheitlich entweder den Namen ihrer jeweiligen Ortsgruppe, wie zum Beispiel "Probationary N. ", "U. " oder "B. ", oder - weiterhin - den Schriftzug "Germany". Die obere und die untere Abgrenzung bilden zusammen einen nicht geschlossenen Kreis um den "Fat Mexican". Rechts und links von diesem befinden sich - wiederum in roter Schrift auf gelbem Grund - ein rechteckiger Aufnäher mit der Aufschrift "MC" und ein rautenförmiger mit der Bezeichnung "1%".
6
Diese Abzeichen in ihrer Gesamtheit dürfen nur von Vollmitgliedern der "Bandidos" getragen werden, für Anwärter auf diese Vollmitgliedschaft gelten - je nach der Phase ihrer Anwartschaft - differenzierte Regelungen. Die auf den Westen angebrachten Abzeichen stehen nicht im Eigentum der sie tragenden Mitglieder, sondern werden ihnen nur ausgeliehen. Die Westen gelten als Symbol der Ehre, dem von einigen "Bandidos" ein höherer Wert beigemessen wird als dem eigenen Motorrad.
7
Zwei der örtlichen Chapter der "Bandidos", der Verein "Bandidos MC Chapter A. " und der Verein "Bandidos MC Probationary Chapter N. - " sind, weil ihre Zwecke den Strafgesetzen zuwiderlaufen, durch Verfügungen der Innenministerien Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verboten. Die Verbotsverfügung betreffend den Verein "Bandidos MC Probationary Chapter N. " ist seit Februar 2013 bestandskräftig, das Verbot ist damit unanfechtbar. Gegen das Verbot des "Bandidos MC Chapter A. " vom 23. April 2012 ist hingegen vor dem Verwaltungsgericht A. eine Klage anhängig. Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat indes die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet.
8
Am 1. August 2014 begaben sich die Angeklagten in Begleitung ihrer Verteidiger zum Polizeipräsidium B. . Sie trugen jeder eine Weste, auf der sich als Mittelabzeichen der "Fat Mexican" und darüber der beschriebene Aufnäher mit dem Schriftzug "Bandidos" befanden. Jeweils als untere Abgrenzung waren Aufnäher mit den Ortsbezeichnungen ihrer Chapter U. und B. angebracht. Außerdem waren auf der Rückseite noch die Embleme "MC" und "1%" befestigt, sowie weitere Aufnäher auf den Vorderseiten der Westen. Die Angeklagten hielten es für möglich, sich durch das Tragen der Westen mit den angebrachten Aufnähern strafbar zu machen; sie wollten die Einleitung eines Strafverfahrens und eine Anklageerhebung erreichen, um dadurch eine höchstrichterliche Klärung der Frage der Strafbarkeit ihres Handelns herbeizuführen.
9
II. Der Freispruch der Angeklagten hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
10
1. Zu Recht ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt sind, weil die beiden verbotenen Vereine keine Vereinigungen im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen; sie sind zwar verboten, aber nicht, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten. Soweit die gegen den Verein "Bandidos MC Probationary Chapter N. " gerichtete Verbotsverfügung vom 21. April 2010 zunächst diese Feststellung enthielt, ist sie insoweit durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig aufgehoben worden.
11
2. Im Ergebnis zutreffend hat die Strafkammer auch eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen öffentlicher Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG verneint.
12
a) Im Ausgangspunkt ist das Landgericht zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass sich das auf den Rückseiten der Westen angebrachte Mittelabzeichen ("Fat Mexican") sowie der Aufnäher mit dem Schriftzug "Bandidos" vereinsrechtlich je für sich als Kennzeichen im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG darstellen.
13
aa) Der Begriff des Kennzeichens ist nicht legal definiert. Die Strafvorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 VereinsG nimmt zwar auf § 9 Abs. 2 Satz 1 VereinsG Bezug. Dort findet sich indes keine allgemein gültige gesetzliche Umschreibung dieses Tatbestandsmerkmals. Vielmehr werden lediglich beispielhaft insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen als Kennzeichen genannt. In Literatur und Rechtsprechung werden als Kennzeichen im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG - wie für § 86a Abs. 1 StGB - optisch oder akustisch wahrnehmbare Symbole und Sinnesäußerungen begriffen, durch die der Verein auf sich und seine Zwecke hinweist; intern sollen Kennzeichen den Zusammenhalt der Vereinsmitglieder stärken (OLG Hamburg, Urteil vom 7. April 2014 - 1-31/13 Rev, NJOZ 2014, 1487, 1488; MüKoStGB/Heinrich, 2. Aufl., § 20 VereinsG Rn. 102; Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 146. Erg. Lfg. 2002, § 9 VereinsG Rn. 3; Groh, VereinsG, § 9 Rn. 6; Bock, HRRS 2012, 83, 84; s. zu § 86a StGB auch BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 3 StR 164/08, BGHSt 52, 364, 371). Soweit darüber hinaus vertreten wird, von dem Kennzeichen müsse eine Unterscheidungswirkung im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals ausgehen (Albrecht, HRRS 2015, 167, 169 f.; Groh aaO; s. auch BT-Drucks. 14/7386 [neu], S. 49), kann dem nicht gefolgt werden. Es reicht vielmehr aus, dass sich ein Verein ein bestimmtes Symbol - etwa durch formale Widmung oder durch schlichte Übung - derart zu eigen gemacht hat, dass dieses zumindest auch als sein Kennzeichen erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1998 - 3 StR 370/98), ohne dass es auf eine Unverwechselbarkeit des Kennzeichens ankommt (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 3 StR 164/08, BGHSt 52, 364, 372; BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1998 - 3 StR 370/98, BGHR VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 5 Kennzeichen 1). Ob dieses auch von anderen , nicht verbotenen Vereinen oder in gänzlich anderem Kontext genutzt wird, ist für die Frage der Kennzeicheneigenschaft ohne Bedeutung. Denn andern- falls würden in die Prüfung, ob überhaupt ein Kennzeichen vorliegt, letztlich die außerhalb desselben liegenden Umstände seiner Verwendung einbezogen; eine solche Gesamtbetrachtung ist indes wegen der damit verbundenen nachteiligen Folgen für die Rechtssicherheit und die Bestimmtheit des Tatbestands abzulehnen: Ein Kennzeichen muss vielmehr in seinem auf den verbotenen Verein hinweisenden Symbolgehalt aus sich heraus verständlich sein (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1998 - 3 StR 370/98, BGHR VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 5 Kennzeichen 1; MüKoStGB/Heinrich, aaO; so im Ergebnis auch Groh, aaO; vgl. zu § 86a StGB auch BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 3 StR 164/08, BGHSt 52, 364, 372).
14
Nach diesen Maßgaben handelt es sich zunächst bei dem Mittelabzeichen , dem "Fat Mexican", das als Wappen der "Bandidos" dient (vgl. Bock, aaO), um ein Kennzeichen im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2, § 9 Abs. 2 Satz 1 VereinsG: Nach dem Willen der Personen, die es tragen, bringt es die Identifikation - auch - mit den jeweiligen Ortsvereinen zum Ausdruck, die als regionale Chapter der "Bandidos-Bewegung" agieren und sowohl für sich genommen, als auch als Teil der "Bandidos" als Einheit wahrgenommen werden wollen. Aber auch der Schriftzug "Bandidos" erfüllt die Voraussetzungen eines Kennzeichens: Zwar ist der Name einer Vereinigung oder eines Vereins als solcher - sofern nicht besondere Umstände hinzutreten - nach der Rechtsprechung des Senats kein Kennzeichen (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 228/09, BGHSt 54, 61, 66 f. mwN). Etwas anderes gilt indes, wenn er eine bestimmte Formgebung erfahren hat, etwa in signifikanten Schriftzügen dargestellt wird, und sich deshalb als Erkennungszeichen darstellt, das einen den beispielhaft aufgeführten Kennzeichen entsprechenden Symbolcharakter aufweist (BGH aaO, S. 67 f. mwN; MüKoStGB/Heinrich, aaO). So verhält es sich hier: Der Aufnäher mit dem "Bandidos"-Schriftzug ist sowohl was die Farb- gebung, die ausgewählte Schriftart mit den Großbuchstaben und die Formgebung betrifft, darauf ausgelegt, als einheitliches Erkennungszeichen mit Wiedererkennungswert zu wirken; insoweit verfolgen die Träger dieses Aufnähers damit die gleichen Zwecke wie mit dem Tragen des Mittelabzeichens (vgl. Bock, aaO). Zu Recht ist das Landgericht deshalb davon ausgegangen, dass der Namensschriftzug in dieser Form aufgrund der beschriebenen Gestaltung und des damit verbundenen signifikanten Erscheinungsbildes ein Abzeichen im Sinne des Kennzeichenbegriffs darstellt (aA Albrecht/Braun, NJOZ 2014, 1481, 1482, die einen entsprechenden Symbolgehalt der Schriftzüge von Motorradclubs ohne nähere Begründung verneinen). Ob er sich auch als Uniformstück im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 VereinsG erweist (so OLG Hamburg, Urteil vom 7. April 2014 - 1-31/13 Rev, NJOZ 2014, 1487, 1488 f. für den Schriftzug "HELLS ANGELS"), kann deshalb ebenso offen bleiben, wie die von der Strafkammer verneinte Frage, ob auch die Aufnäher "MC" und "1%" Kennzeichen im Sinne des Vereinsrechts darstellen (vgl. insoweit auch Bock, aaO).
15
bb) Zutreffend ist auch die Auffassung des Landgerichts, die Kennzeicheneigenschaft bestehe hinsichtlich beider Abzeichen jeweils für sich genommen ; insbesondere ist nicht auf das Zusammenspiel von Vorder- und Rückseite der Weste als Ganzes (so aber LG München, Beschluss vom 13. Januar 2003 - 23 Qs 91/02, www.zvr-online.com, Dok. 7/2015; LG Verden, Beschluss vom 11. August 2003 - 1 Qs 161/03, www.zvr-online.com, Dok. 8/2015; wohl auch LG Cottbus, Beschluss vom 28. Februar 2002 - 26 Qs 464/01, StraFo 2002, 407) oder auch nur auf das Ensemble sämtlicher Abzeichen auf der Rückseite der Weste (sogenanntes Rückenpatch, so aber Albrecht/Braun aaO; Albrecht, HRRS 2015, 167, 169; vgl. insoweit aber auch BT-Drucks. 14/7386 [neu], S. 49) abzustellen: Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 VereinsG nennt als Kennzeichen insbesondere Abzeichen, so dass zur Beantwortung der Frage, ob Kennzeichen eines verbotenen Vereins verwendet wurden, die einzelnen Abzeichen des verbotenen Vereins mit den verwendeten zu vergleichen sind (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. März 2005 - 12 a 12101/04, juris Rn. 19; OLG Celle, Beschluss vom 19. März 2007 - 32 Ss 4/07, NStZ 2008, 159, 160; OLG Hamburg, Urteil vom 7. April 2014 - 1-31/13 Rev, NJOZ 2014, 1487, 1488; Groh, aaO, § 9 Rn. 6 f.; Rau/Zschieschack, NStZ 2008, 131, 133). Die Gegenauffassung verkennt in diesem Zusammenhang wiederum, dass mit der Berücksichtigung vorrangig des Zusammenspiels der einzelnen Abzeichen oder Symbole auf außerhalb des Kennzeichens liegende Umstände seiner Verwendung abgestellt würde, die - wie dargelegt - bei der Prüfung der Kennzeicheneigenschaft unberücksichtigt zu bleiben haben. Soweit die Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 3 VereinsG ebenfalls auf die "Zusammenstellung charakteristischer Elemente" abstellt, geschieht dies unter der Prämisse, dass von einem Kennzeichen eine die Vereinigung charakterisierende Unterscheidungswirkung im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals ausgehen müsste (BT-Drucks. 14/7386 [neu], S. 49). Dieser rechtlich unzutreffende Maßstab ist indes - wie dargelegt - nicht anzuwenden.
16
Da für die Prüfung der Kennzeicheneigenschaft auf die einzelnen Abzeichen abzustellen ist, stellt sich die Frage nicht, ob durch die Hinzufügung einer abweichenden Ortsbezeichnung ein zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 2 VereinsG entstanden sein kann (so aber BayObLG, Urteile vom 23. September 2003 - 4St RR 104/03, juris Rn. 14 f.; vom 8. März 2005 - 4St RR 207/04, BayObLGSt 2004, 180, 181; kritisch insoweit Stegbauer, NStZ 2014, 621, 622). Aus diesem Grund ist hier auch keine weitere Prüfung geboten, ob ein solches zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen gegebenenfalls mit dem einer legalen Organisation identisch ist und deshalb eine Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG ausscheiden könnte (vgl. zu einem solchen Fall BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1998 - 3 StR 370/98, BGHR VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 5 Kennzeichen 1).
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b) Nach den genannten Maßstäben erweist sich sodann allerdings die Auffassung des Landgerichts als rechtsfehlerhaft, die Angeklagten hätten, obwohl auf ihren Westen jeweils der "Fat Mexican" und der Bandidos-Schriftzug angebracht war, keine Kennzeichen (auch) der beiden verbotenen Chapter getragen , weil nicht zusätzlich als untere Abgrenzung des Ensembles auf der Rückseite ihrer Westen - wie bei den Mitgliedern dieser Chapter - der Schriftzug mit der Ortsbezeichnung "Probationary N. " oder der Landesbezeichnung "Germany" aufgenäht war.
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aa) Hiermit setzt sich die Strafkammer zunächst in Widerspruch zu dem von ihr zutreffend erkannten rechtlichen Ausgangspunkt, dass die Kennzeicheneigenschaft sich nach dem Symbolgehalt des einzelnen Emblems oder Schriftzuges richtet, nicht aber nach demjenigen des Zusammenspiels der einzelnen Bestandteile des "Rückenpatches".
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bb) Das Abstellen auf die Ortszusätze als mitprägende Elemente gerade der Kennzeichen der verbotenen Vereine (in diesem Sinne auch BayObLG, Urteil vom 23. September 2003 - 4St RR 104/03, juris Rn. 15 f; s. auch OLG Celle, Beschluss vom 19. März 2007 - 32 Ss 4/07, NStZ 2008, 159, 161) trägt zudem den Besonderheiten des Falles nicht Rechnung: Ungeachtet ihrer organisatorischen und vereinsrechtlichen Selbständigkeit sind die Chapter nach den Feststellungen des Landgerichts Teilorganisationen einer weltweiten "Bewegung" , der "Bandido-Nation". Sie tragen den auf den Rückseiten der Westen angebrachten "Bandidos"-Schriftzug und das Mittelabzeichen des "Fat Mexican" , um damit ihre Zugehörigkeit zu dieser Organisation zum Ausdruck zu bringen. Diese beiden Embleme, von denen insbesondere das gleichsam als Wappen dienende Mittelabzeichen weltweit einzigartig ist, sind nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Juli 2005 - 3 StR 60/05, BGHR StGB § 86a Abs. 2 Satz 2 Kennzeichen 2) die Kennzeichen, die das Erscheinungsbild auch der verbotenen Vereine maßgeblich prägten; eines zusätzlichen Hinweises gerade auf die verbotenen Chapter bedarf es zur Beantwortung der Frage, ob es sich um deren Kennzeichen handelte, nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 3 StR 164/08, BGHSt 52, 364 zu § 86a StGB).
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cc) Letztlich kommt es für die Frage der Kennzeicheneigenschaft entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht darauf an, welches Chapter in Deutschland zuerst gegründet wurde. Wie oben dargelegt ist es für den Kennzeichenbegriff nicht von Bedeutung, ob das Kennzeichen auch von einer nicht verbotenen Gruppierung verwendet wird (etwa dem zuerst gegründeten Chapter G. ) und von dem verbotenen Verein (etwa dem Chapter N. ) lediglich übernommen worden ist, weil damit wiederum auf außerhalb des Kennzeichens liegende Umstände seiner Verwendung abgestellt würde, die indes nicht zu berücksichtigen sind.
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c) Dennoch erweist sich der Freispruch der Angeklagten im Ergebnis als richtig.
22
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 86a StGB scheidet ein tatbestandliches "Verwenden" des Kennzeichens einer verbotenen Organisation aus, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang der Benutzung des Kennzeichens eindeutig ergibt, dass diese dem Schutzzweck der Norm nicht zuwider läuft. Die aufgrund der weiten Fassung erforderliche restriktive Auslegung des Tatbestands setzt mithin nicht beim Kennzeichenbegriff an, weil eine solche Tatbestandseinschränkung mit dem Schutzzweck der Norm nicht in Einklang stünde, sondern bei dem Tatbestandsmerkmal des "Verwendens" (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 3 StR 164/08, BGHSt 52, 364, 373 ff.; so schon BGH, Urteil vom 18. Oktober 1972 - 3 StR 1/71, BGHSt 25, 30, 32 f.). Bei der Prüfung, ob die Verwendung eines Kennzeichens auch einer verbotenen Organisation dem Schutzzweck des § 86a StGB eindeutig nicht zuwiderläuft, kann in der Regel nicht allein auf die Darstellung des Symbols selbst zurückgegriffen werden; denn dieses lässt bei isoliertem Gebrauch meist gerade nicht erkennen , ob es als Kennzeichen der verbotenen Organisation oder zu anderen, nicht zu beanstandenden Zwecken verwendet wird. Vielmehr ist den Anforderungen , die die Grundrechte etwa der Meinungsfreiheit aber auch der allgemeinen Handlungsfreiheit an eine verfassungskonforme Auslegung des Tatbestands stellen, in der Weise Rechnung zu tragen, dass der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt anhand aller maßgeblichen Umstände des Falles ermittelt wird. Ergibt dies, dass der Schutzzweck der Norm in seinen oben dargestellten Ausprägungen eindeutig nicht berührt wird, so fehlt es an einem tatbestandlichen Verwenden des Kennzeichens, da dieses nicht als solches der verbotenen Organisation zur Schau gestellt wird. Sind die äußeren Umstände dagegen nicht eindeutig, so ist der objektive Tatbestand der Norm erfüllt (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 3 StR 164/08, BGHSt 52, 364, 375 f.).
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Diese Grundsätze sind auf die Strafnorm des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zu übertragen. Wie in § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist auch hier der objektive Tatbestand erfüllt, wenn Kennzeichen des verbotenen Vereins verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet werden. Es besteht - wie dargelegt - keine Veranlassung, den identischen Begriff des Kennzeichens im VereinsG anders auszulegen, als in der verfassungswidrige Organisationen betreffenden Strafvorschrift. Der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Ver- einsG stellt sich dann aber auch in gleicher Weise als weit gefasst dar, so dass auch hier - nicht zuletzt mit Blick auf das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG - eine Auslegung geboten ist, nach der dem Schutzzweck des Vereinsverbots eindeutig nicht zuwiderlaufende Kennzeichenverwendungen vom Tatbestand auszunehmen sind. Insoweit ist für Fälle wie den vorliegenden zudem in den Blick zu nehmen, dass das Vereinsverbot gerade nicht die - national oder gar weltweit - agierende Dachorganisation - hier der "Bandidos" - betrifft, sondern allein regionale Unterabteilungen, deren Zwecke den Strafgesetzen zuwiderliefen; für die "nationale Hauptgruppe" Deutschland oder gar für die "Bandidos" insgesamt ist eine solche Rechtsfeindlichkeit nicht festgestellt.
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Dementsprechend sind die übrigen Chapter der "Bandidos" nicht verboten ; sie tragen aber gleichermaßen mit dem Schriftzug "Bandidos" und dem "Fat Mexican" Kennzeichen ihrer Vereine, die auch Kennzeichen der beiden verbotenen Chapter waren. Durch die Hinzufügung einer eindeutig auf ein nicht verbotenes Chapter hinweisenden Ortsbezeichnung - wie hier "D. " und "U. " - ergibt sich aus dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang der Kennzeichenverwendung aber eindeutig, dass die Angeklagten den Schriftzug "Bandidos" und das Mittelabzeichen des "Fat Mexican" gerade nicht als Kennzeichen der verbotenen Chapter verwendeten, sondern als Kennzeichen ihrer eigenen, nicht mit einer Verbotsverfügung belegten Ortsvereine. Eine Strafbarkeit gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG scheidet mithin aufgrund der fehlenden Verwendung der Kennzeichen der verbotenen Vereine durch die Angeklagten aus.
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bb) Kein anderes Ergebnis ergibt sich mit Blick auf die Vorschrift des § 9 Abs. 3 VereinsG (unbeschadet dessen, dass das Verbot des Chapters A. noch nicht bestandskräftig ist und daher § 9 Abs. 3 VereinsG im Hinblick auf Kennzeichen dieses Chapters von vornherein nicht zur Anwendung gelangen soll, vgl. BT-Drucks. 14/7386 [neu], S. 49). Insoweit gilt:
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(1) Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der Regelung in der Praxis aufgetretene Unklarheiten über die Reichweite des - polizeirechtlichen - Kennzeichenverbots in Fällen beseitigen, in denen mehrere Vereine das gleiche Erscheinungsbild und die Zielsetzung teilen, aber nur einer von ihnen verboten wird; Anlass für die beabsichtigte Klarstellung war die Frage, ob der im Wesentlichen gleiche Kennzeichen verwendende äußere Auftritt nicht verbotener Schwestervereine unter Beifügung unterscheidender Orts- oder Untergliederungsbezeichnungen unter das Kennzeichenverbot des § 9 VereinsG fällt (BT-Drucks. 14/7386 [neu], S. 49). Durch die Fassung des § 9 Abs. 3 VereinsG kommt - unbeschadet einiger Missverständlichkeiten der Gesetzesbegründung (siehe oben) - hinreichend zum Ausdruck, dass Kennzeichen, denen Orts- oder Untergliederungsbezeichnungen beigefügt werden, aus der Sicht des Gesetzgebers als solche anzusehen sind, die "in im Wesentlichen gleicher Form" verwendet werden.
27
Durch die Regelung in § 9 Abs. 3 VereinsG sollte zudem vermeintlich "klargestellt" werden, dass - bei Vorliegen der weiteren, einschränkenden Voraussetzungen - die Verbotsnorm des § 9 Abs. 1 VereinsG auch für Kennzeichen eines verbotenen Vereins gelte, die von nicht verbotenen Teilorganisationen oder Vereinen verwendet werden; eine Erweiterung des Kennzeichenverbots sei damit nicht verbunden (vgl. BT-Drucks. 14/7386 [neu], S. 48 f.). Zu einer etwaigen Strafbarkeit der Verwendung von Kennzeichen verbotener Verei- ne "in im Wesentlichen gleicher Form" verhält sich die Gesetzesbegründung nicht.
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(2) Gleichwohl wird vertreten, die Regelung des § 9 Abs. 3 VereinsG sei auch im Rahmen der Strafnorm des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zur Anwendung zu bringen, obwohl letztere - anders als etwa § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG - nicht auf den Verbotstatbestand verweist. Da - ebenfalls ohne ausdrücklichen Verweis - die Verwendung von Kennzeichen verbotener Vereinigungen nach § 9 Abs. 1 VereinsG unter die Strafvorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG falle und mit der Regelung in § 9 Abs. 3 VereinsG eine Erweiterung des Kennzeichenverbots nicht verbunden sei, gelte die Strafvorschrift auch in den Fällen der "in im Wesentlichen gleicher Form" verwendeten Kennzeichen (BayObLG, Urteil vom 23. September 2003 - 4St RR 104/03, juris Rn. 16 f.; OLG Celle, Beschluss vom 19. März 2007 - 32 Ss 4/07, NStZ 2008, 159, 160; Stegbauer, NStZ 2014, 621, 622 f.; Rau/Zschieschack, NStZ 2008, 131, 134; aA LG Berlin, Beschluss vom 2. Oktober 2002 - 537 Qs 104/02, StraFo 2003, 30; Groh, aaO, § 9 Rn. 12; MüKoStGB/Heinrich, aaO, § 20 VereinsG Rn. 104; Albrecht/Braun, NJOZ 2014, 1481, 1483; Mayer, Kriminalistik 2014, 236, 240). Der von der Gegenauffassung befürworteten einschränkenden Auslegung stehe zudem der Wille des Gesetzgebers des Terrorismusbekämpfungsgesetzes entgegen, nach dem das Verbot des Verwendens von Kennzeichen verbotener Vereine gerade nicht eingeschränkt, sondern effektiver ausgestaltet werden sollte (OLG Celle aaO; Bock, HRRS 2012, 83, 84 f.; vgl. BT-Drucks. 14/7386 [neu], S. 49).
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(3) Dieser Auffassung kann indes nicht gefolgt werden.
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Der Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz", der wortgleich in § 1 StGB und in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegt ist, soll einerseits sicherstellen, dass jedermann vorhersehen kann, welches Verhalten mit Strafe bedroht ist; andererseits wird dadurch gewährleistet, dass der Gesetzgeber, nicht aber die vollziehende oder die Recht sprechende Gewalt darüber entscheidet, welches Verhalten strafbar ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 15. September 2011 - 1 BvR 519/10, NVwZ 2012, 504, 505 mwN). Für die Rechtsprechung folgt daraus ein Verbot strafbegründender oder strafverschärfender Analogie, wobei Analogie nicht im engeren technischen Sinne zu verstehen ist; vielmehr wird jede Rechtsanwendung ausgeschlossen, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, NVwZ 2015, 361, 362 mwN).
31
Nach diesen Maßstäben könnte die Regelung des § 9 Abs. 3 VereinsG nur dann bei der Prüfung von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zur Anwendung gelangen, wenn damit eine Erweiterung der Strafbarkeit nach dieser Vorschrift nicht verbunden wäre. Gerade dies ist indes der Fall:
32
Nach der - wie dargelegt - gebotenen restriktiven Auslegung des Tatbestandsmerkmals des "Verwendens" sind die Fälle, in denen Mitglieder eines nicht verbotenen Schwestervereins unter Beifügung unterscheidender Ortsoder Untergliederungsbezeichnungen die Kennzeichen eines verbotenen Vereins tragen und die der Gesetzgeber bei der Einführung von § 9 Abs. 3 VereinsG im Blick hatte, von der Strafnorm des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG gerade nicht erfasst. Die Anwendung der polizeirechtlichen Regelung im Rahmen der Strafvorschrift würde dieses Ergebnis - wenn auch nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass die selbständigen Schwestervereine die "Zielrichtung des verbotenen Vereins" teilen - indes umkehren; sie hätte damit strafbarkeitserweiternden Charakter. Da der Gesetzgeber § 9 Abs. 3 VereinsG in der Strafnorm - insbesondere auch in § 20 Abs. 1 Satz 2 VereinsG - nicht in Bezug genommen und damit nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass er auch das Verwenden von Kennzeichen verbotener Vereine "in im Wesentlichen gleicher Form" der Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG unterworfen wissen wollte, kommt eine unmittelbare Anwendung der polizeirechtlichen Regelung nicht in Betracht; aufgrund des Analogieverbots verbietet sich für die Strafgerichte auch eine das Merkmal des "Verwendens" nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG erweiternde Auslegung der Strafvorschrift, die die Regelung des § 9 Abs. 3 VereinsG berücksichtigt.
33
Diesem Ergebnis kann nicht entgegengehalten werden, die Strafvorschrift des § 20 Abs. 1 VereinsG sei verwaltungsakzessorisch (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Januar 1996 - 3 StR 530/95, BGHSt 42, 30, 36 zu § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG), so dass die verwaltungsrechtlichen Vorgaben bei der Auslegung der Strafvorschrift zwingend berücksichtigt werden müssten (in diesem Sinne aber wohl Stegbauer, NStZ 2014, 621, 623). Denn jedenfalls der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG enthält in sich alle Merkmale der Strafbarkeit und regelt etwa das Verbreiten der Kennzeichen (ohne Einschränkung strafbar) abweichend von dem polizeirechtlichen Kennzeichenverbot des § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG (Verbreiten von Kennzeichen nur verboten, wenn sie in Schriften, Ton- oder Bildträgern, Abbildungen oder Darstellungen geschieht). Der Regelungsgehalt von § 9 VereinsG unterscheidet sich von demjenigen des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG etwa auch insoweit, als die Verwendung von Kennzeichen eines mit einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 VereinsG belegten ausländischen Vereins nicht nach § 9 VereinsG polizeirechtlich verboten ist, gleichwohl von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG aber unter Strafe gestellt wird. Der Gesetz- geber hat zudem durch die ausdrücklichen Verweise in § 20 Abs. 1 Satz 2 VereinsG auf die Sozialadäquanzklausel in § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG sowie auf § 9 Abs. 2 VereinsG deutlich gemacht, dass er die Strafbarkeit in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG eigenständig geregelt und nicht als rein akzessorische Pönalisierung des Verstoßes gegen ein polizeirechtliches Kennzeichenverbot ausgestaltet hat.
34
(4) Nach alledem kommt es deshalb nicht mehr darauf an, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Merkmal des "Teilens der Zielrichtung" im Sinne von § 9 Abs. 3 VereinsG erfüllt ist (vgl. dazu OVG Rheinland -Pfalz, Urteil vom 22. März 2005 - 12 a 12101/04, juris Rn. 17; Groh, aaO, § 9 Rn. 11; Rau/Zschieschack, NStZ 2008, 131, 134; Mayer, Kriminalistik 2014, 236, 238; Albrecht/Braun, NJOZ 2014, 1481, 1483; Albrecht, HRRS 2015, 167, 173, die davon ausgehen, das Merkmal des Teilens der "Zielrichtung des verbotenen Vereins" müsse sich auf diejenigen Ziele beziehen, die zum Vereinsverbot geführt hatten und letztlich auch zum Verbot des Schwestervereins führen könnten; kritisch insoweit aber zugleich Rau/Zschieschack aaO; Mayer aaO, weil diese Auslegung des Merkmals dem vom Gesetzgeber intendierten Zweck der Regelung, die Kennzeichen verbotener Vereine effektiv aus der Öffentlichkeit zu verbannen, nicht gerecht werde). Denn dies kann nach geltender Gesetzeslage nur für die Frage von Bedeutung sein, ob den Angeklagten bzw. anderen Mitgliedern nicht verbotener Chapter das Tragen der Westen mit den Kennzeichen (auch) der verbotenen Vereine polizeirechtlich verboten und dieses Verbot gegebenenfalls im Wege eines Verwaltungsvollstreckungsverfahrens durchgesetzt werden kann.
Becker Pfister RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol