Bundesgerichtshof Urteil, 06. Apr. 2016 - 2 StR 478/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:060416U2STR478.15.0
bei uns veröffentlicht am06.04.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 478/15
vom
6. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:060416U2STR478.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. April 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung, als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwältin als Vertreterin der Nebenklägerin C. , Rechtsanwältin in der Verhandlung als Vertreterin der Nebenklägerin A. , Justizhauptsekretärin in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung, als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 23. März 2015 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Köln vom 29. November 2013 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Von einer Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hatte das Landgericht abgesehen. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat mit Urteil vom 15. Oktober 2014 (2 StR 240/14, NStZ 2015, 510 ff.) das Urteil des Landgerichts mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist, sowie – zu Gunsten des Angeklagten – im Strafausspruch. Die Revision des Angeklagten hat der Senat verworfen.
2
Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr – erneut – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und von der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgesehen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge und mit mehreren Verfahrensbeanstandungen begründete Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt. Die Revision des Angeklagten ist erfolglos; das vom Generalbundesanwalt vertretene – wirksambeschränkte – Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat dagegen Erfolg.

I.

3
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.

II.

4
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
5
1. a) Die Staatsanwaltschaft hat zwar eingangs ihrer Revisionsbegründungsschrift keine Beschränkung erklärt und die (uneingeschränkte) Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragt. Mit diesem umfassenden Revisionsantrag steht jedoch der übrige Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil ausschließlich – und ersichtlich abschließend – deswegen für fehlerhaft hält, weil das Landgericht die Sicherungsverwahrung nicht angeordnet hat. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV (vgl. auch Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285 mwN) versteht der Senat daher das gesamte Revisionsvorbringen dahin, dass sich die Staatsanwaltschaft allein gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung wendet.
6
b) Diese Revisionsbeschränkung auf den Maßregelausspruch ist wirksam. Weder aus den Strafzumessungserwägungen noch aus den Erwägungen zur unterbliebenen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht zwischen beiden Rechtsfolgenentscheidungen einen Zusammenhang hergestellt hat, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 4 StR 275/15; Senat, Urteil vom 15. Oktober 2014 - 2 StR 240/14, insoweit in NStZ 2015, 510 ff. nicht abgedruckt).
7
Dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Revision Feststellungen angreift, die nach den Erwägungen des Landgerichts sowohl – strafmildernd – für den Strafausspruch als auch für die Entscheidung über die Anordnung der Maßregel tragend, mithin doppelrelevant sind, führt hier ebenfalls nicht zu einer unwirksamen Revisionsbeschränkung. Denn neue und abweichende Feststellungen können keine Auswirkungen auf den Teil des Urteils haben, der nicht angegriffen werden soll. Zwar entzögen abweichende Feststellungen der strafmildernden Erwägung des Urteils die tatsächliche Grundlage. Indes schließt § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO die Verhängung einer höheren Strafe aus, da der Strafausspruch des ersten tatrichterlichen Urteils entsprechend § 301 StPO ausschließlich zu Gunsten des Angeklagten aufgehoben worden war (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106 f.). Danach wäre selbst eine Revision der Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch zu Ungunsten des Angeklagten von vorneherein unbegründet, weil auf begünstigenden Strafzumessungsfehlern – egal welcher Art – nichts beruhen könnte.
8
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrüge, mit der die Staatsanwaltschaft die Verletzung des § 261 StPO beanstandet, kommt es nicht an.
9
Die Erwägungen des Landgerichts zum Absehen von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung sind rechtsfehlerhaft.
10
a) Das Landgericht hat schon nicht tragfähig begründet, dass nicht auch die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB vorliegen.
11
aa) Wie schon der Senat in seinem in dieser Sache ergangenen Urteil vom 15. Oktober 2014 ausgeführt hat, erfüllt eine in einem früheren Verfahren ausgesprochene einheitliche Jugendstrafe nach § 31 JGG die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn zu erkennen ist, dass der Täter wenigstens bei einer der ihr zugrundeliegenden Straftaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte, sofern sie als Einzeltat gesondert abgeurteilt worden wäre. Dies festzustellen, ist tatrichterliche Aufgabe, die dem über die Sicherungsverwahrung entscheidenden Richter obliegt. Dabei hat der Tatrichter festzustellen, wie der Richter des Vorverfahrens die einzelnen Taten bewertet hat; er darf sich nicht an dessen Stelle setzen und im Nachhinein eine eigene Strafzumessung vornehmen. Entsprechende Feststellungen muss der Tatrichter so belegen, dass eine ausreichende revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist (vgl. Senat, Urteil vom 15. Oktober 2014 - 2 StR 240/14, NStZ 2015, 510, 511 mwN).
12
bb) Die Erwägungen des Landgerichts werden diesen Anforderungen nicht gerecht. Sie beschränken sich im Ergebnis auf das, was sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Relevante Angaben zu (weiteren, hypothetischen ) Strafzumessungserwägungen des Jugendschöffengerichts, die über dessen schriftliche Urteilsgründe hinausgehen, waren weder von der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft noch der Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts zu erwarten.
13
Zwar hat das Landgericht den ersichtlich relevanten Teil der schriftlichen Urteilsgründe des Jugendschöffengerichts mitgeteilt, sich damit jedoch nicht erkennbar auseinandergesetzt. Dies wäre aber in jedem Fall erforderlich gewesen , zumal hier besonderer Anlass dazu bestanden hätte, weil sowohl die Begründungen zur Erforderlichkeit und Bemessung der Jugendstrafe als auch die Ausführungen zur Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung es zumindest nahelegen, dass das Jugendschöffengericht allein wegen der versuchten Vergewaltigung eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verhängt hätte.
14
cc) Die unzureichend begründete Annahme, dass nicht auch die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB vorliegen, kann sich auf die Überzeugungsbildung zum Vorliegen eines Hangs ausgewirkt haben. Die darin zum Ausdruck kommende gesetzliche Bewertung würde das indizielle Gewicht der vom Angeklagten begangenen Taten – insbesondere der Vorverurteilung – erhöhen.
15
b) Der Generalbundesanwalt hat im Einzelnen zutreffend ausgeführt, dass die Erwägungen des Landgerichts, gegen einen Hang des Angeklagten spreche der deutlich zurückgegangene Gewalteinsatz bei den letzten Taten, Wertungsfehler beinhalten, lückenhaft sind und teilweise nicht von den Feststellungen getragen werden. Entsprechendes gilt, soweit das Landgericht von unterschiedlicher Motivation des Angeklagten bei der Begehung der jeweiligen Taten ausgegangen ist.
16
Die fehlende Steigerung oder die Abnahme von Gewalt spricht nicht gegen eine intensive Neigung zu Rechtsbrüchen. Einen Hang kann auch haben, wer auf gleichbleibendem Niveau oder sogar mit abnehmender Intensität Straftaten begeht. Das Landgericht hätte die Tatumstände in Beziehung zu der in den Urteilsgründen beschriebenen Devianz des Angeklagten setzen müssen. Das sexuelle Interesse des Angeklagten an Kindern hat seinen Grund in deren Hilf- und Wehrlosigkeit. Es korrespondiert mit dem in der Familie des Angeklagten dominanten Bild der schwachen, sich im Hintergrund haltenden Frau. Vor diesem Hintergrund können – was das Vorliegen eines Hangs betrifft – aus dem Vergleich der bei den Taten angewendeten Gewalt keine relevanten Schlüsse gezogen werden. Vielmehr drängt sich auf, dass auch die zuletzt begangenen Taten typischer Ausdruck der beim Angeklagten vorhandenen Devianz sind.
17
Auch die jeweilige Tatmotivation des Angeklagten spricht – bei vergleichender Betrachtung – erheblich für eine Steigerung oder zumindest Verfestigung der Devianz des Angeklagten.
18
c) Schließlich hat das Landgericht dem Gesichtspunkt der "Nachreifung" des Angeklagten ein unvertretbar hohes Gewicht beigemessen. Die in diesem Zusammenhang angestellte Erwägung, wonach der Angeklagte außerhalb des Einflussbereichs seines Vaters für sich in einem 'sanktionsfreien Raum' lebte, wird von den Feststellungen nicht getragen. Im Übrigen beschränken sich die in diesem Zusammenhang geschilderten Aktivitäten des Angeklagten auf reine Ankündigungen. Die zukünftig möglichen Auswirkungen von Therapien sind in diesem Zusammenhang unerheblich, da das Vorliegen eines Hangs zum Urteilszeitpunkt entscheidend ist. Behandlungsaussichten können (erst) im Rahmen der Ermessensausübung oder bei der Frage der Aussetzung der Maßregel berücksichtigt werden.
19
3. Die – nicht ausgeführte – Kostenbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist gegenstandslos, da die Teilaufhebung des Urteils auch die Kostenentscheidung erfasst.

III.

20
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). Fischer Krehl Eschelbach Frau RinBGH Dr. Ott Zeng ist an der Unterschrift gehindert. Fischer

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vom
15. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Oktober
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Richterin am Amtsgericht bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin C. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. November 2013 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist,
b) sowie zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Von einer Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt. Die Revision des Angeklagten ist erfolglos. Dagegen hat das vom Generalbundesanwalt vertretene – nicht wirksam beschränkte – Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der 23 Jahre alte Angeklagte u. a. wie folgt vorbestraft:
3
a) Das Amtsgericht Köln verwarnte ihn am 25. November 2010 wegen „Beleidigung mittels Tätlichkeit“ jugendrichterlich und erteilte eine Weisung. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte im März 2010 auf der Damentoilette hinter die ihm nicht bekannte 16 Jahre alte Geschädigte getreten war, beide Hände um ihre Hüften gelegt und – ohne ihre Gegenwehr zu beachten – seinen Unterleib an ihrem Gesäß gerieben hatte.
4
Der Angeklagte, der aufgrund der ihm erteilten jugendrichterlichen Weisung eine Beratungsstelle aufgesucht hatte, bagatellisierte dort den Sachverhalt und „kommunizierteein in der Familie herrschendes, abwertendes Frauenbild.
Da er aber Behandlungsmotivation signalisierte“, sprach sich die zuständige Mitarbeiterin für weitere Gesprächstermine aus, zu denen es allerdings in der Folge nicht kam.
5
b) Am 5. August 2011 sprach das Amtsgericht Köln den Angeklagten der versuchten Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und der schwe- ren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung schuldig und verhängte unter Einbeziehung des vorgenannten Urteils eine Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Der Verurteilung lag folgendes zugrunde:
6
Der Angeklagte hatte am 21. November 2010 gegen Mitternacht die ihm unbekannte 18-jährige Geschädigte, der er zuvor gefolgt war, darauf angesprochen , sie näher kennen lernen zu wollen. Der Angeklagte hatte sich hinter ihr durch eine Haustür gedrängt und wurde zunehmend aggressiver. Er griff der Geschädigten von vorn in die Hose und Unterhose und berührte mit seiner Hand mehrfach ihre Vagina. Sodann drängte er die Geschädigte die Kellertreppe hinunter und versuchte ihre Stoffhose herunterzuziehen, was ihm aufgrund ihrer Gegenwehr nicht gelang. Als die Geschädigte um Hilfe rief, hielt ihr der Angeklagte den Mund zu. Eine Nachbarin, die auf das Geschehen aufmerksam geworden war, machte sich bemerkbar, woraufhin der Angeklagte die weitere Tatausführung aufgab und flüchtete.
7
Bereits Anfang Oktober 2010 hatte der Angeklagte mit sechs weiteren Mittätern entsprechend einem gemeinsamen Tatplan die Wohnung eines weiteren Geschädigten aufgesucht. Unter dem Eindruck zuvor erhaltener Schläge durch zwei Mittäter und des Vorhaltens eines Teleskopschlagstockes durch den Angeklagten hatte der Geschädigte einen Umschlag mit 100 € übergeben; das Geld hatten die Täter untereinander aufgeteilt.
8
Der Angeklagte verbüßte die Jugendstrafe bis Mitte November 2012. Im Anschluss daran hat das Amtsgericht Wuppertal die Dauer der Führungsaufsicht auf drei Jahre festgesetzt und dem Angeklagten u.a. die Weisung erteilt, Kontakt bei einer Beratungsstelle für die Behandlung sexualisierter Gewalt aufzunehmen und dort regelmäßig Beratungsgespräche wahrzunehmen, wozu es indes in der Folgezeit nicht kam.
9
2. Zur Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
10
a) Am 22. März 2013 begab sich der Angeklagte in den Garten der Erdgeschosswohnung der Familie L. . Er stellte sich unmittelbar vor eines der großen Fenster des Wohnzimmers, ließ seine Hose herunter und begann, an seinem erigierten Penis zu manipulieren. Dabei kam es ihm sowohl darauf an, die beiden etwa ein bis zwei Meter von dem Fenster entfernt auf einer Couch sitzenden 13- und 14-jährigen Mädchen, deren Alter er „unwiderlegbar auf etwa 17 Jahre schätzte, zu sehen, als auch von diesen bei Vornahme der sexuellen Handlung gesehen zu werden, was diese auch taten“. Die Mädchen waren durch den Anblick des onanierenden Angeklagten geschockt und empfanden Ekel, was der Angeklagte in Kauf nahm. Der Angeklagte ejakulierte sodann auf den Terrassenboden (Fall II. 1. der Urteilsgründe).
11
b) Am 30. April 2013 stand der Angeklagte in einem Flur eines Mehrfamilienhauses der 7-jährigen Nebenklägerin A. gegenüber, öffnete seine Hose und entblößte seinen Penis. Er forderte die Nebenklägerin „etwa fünfmal auf“, seinen Penis in den Mund zu nehmen, was diese jedoch mit Kopfschütteln ablehnte. Der Angeklagte, der im Wohnhaus eine Tür schlagen hörte, zog sich wieder an und forderte die Nebenklägerin auf, mit ihm in den Keller zu kommen. Dort entblößte der Angeklagte seinen Penis erneut und forderte die Nebenklägerin mehrfach auf, diesen in den Mund zu nehmen. Die Nebenklägerin lehnte dieses Ansinnen wiederum ab. Der Angeklagte zog sodann der Nebenklägerin die Hose herunter, betrachtete ihre unbekleidete Scheide und streichelte sie im Genitalbereich. Als die Nebenklägerin sich die Hose wieder hochzog, sich umdrehte und weglaufen wollte, hielt sie der Angeklagte am T-Shirt fest und zog sie zurück. Erneut forderte er sie auf, seinen Penis in den Mund zu nehmen, was die Nebenklägerin jedoch wiederum ablehnte. Als diese zu weinen begann, ließ der Angeklagte von ihr ab und ergriff die Flucht (Fall II. 3. der Urteilsgründe

).

12
c) Am 19. Mai 2013 gegen 06.45 Uhr begab sich der Angeklagte in ein Kinderkrankenhaus und betrat verschiedene Krankenzimmer. In dem ersten Zimmer, in das er ging, schlief eine Frau, die er an ihrem Kopftuch und an ihrem Rücken berührte. Als die Frau davon erwachte, verließ er das Zimmer. In dem nächsten Raum, den der Angeklagte betrat, schlief ebenfalls eine Frau. Er hob die Bettdecke an und betrachtete deren bekleideten Genitalbereich. Als die Frau erwachte verließ er das Zimmer.
13
Sodann betrat er das Zimmer der 10-jährigen Nebenklägerin C. , die dort mit einem anderen Mädchen schlief. Der Angeklagte trat an das Bett heran, zog die Bettdecke herunter und streichelte die Nebenklägerin zunächst am Bauch, wovon diese aufwachte. Der Angeklagte zog sodann deren Hose und Unterhose herunter, betrachtete ihre unbekleidete Scheide und streichelte sie im Genitalbereich. „Anschließend zog er sich selbst die Hose herunter, näherte sich mit seinem erigierten Penis dem Gesicht der Nebenklägerin und forderte sie auf, ihn in den Mund zu nehmen“. Die Nebenklägerin lehnte jedoch mehrfach ab. Als der Angeklagte auf dem Krankenhausflur ein Geräusch hörte, verließ er das Zimmer und das Krankenhaus (Fall II. 5. der Urteilsgründe).
14
3. Die Strafkammer hat gegenüber dem umfassend geständigen Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen exhibitionistischer Handlungen gemäß § 183 Abs. 1 StGB auf eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, im Fall II. 3. und II. 5. der Urteilsgründe jeweils wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB auf Freiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten bzw. vier Jahren erkannt. Von jeweils (tateinheitlichen) versuchtem schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes (in den Fällen II. 3. und II. 5. der Urteilsgründe) bzw. von einer (tateinheitlich) versuchten Vergewaltigung (im Fall II. 3. der Urteilsgründe) sei der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten.

II.

15
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere hat das Tatgericht den vom Revisionsgericht hinzunehmenden Rahmen vertretbarer Strafbemessung nicht überschritten.

III.

16
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg; zugleich führt das Rechtsmittel – zu Gunsten des Angeklagten – zur Aufhebung des Strafausspruchs.
17
1. Der Senat kann offen lassen, ob die Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung deswegen beschränkt ist, weil – trotz eines den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrags – der Inhalt der Revisionsbegründungsschrift ausschließlich Ausführungen zur Nichtanordnung der Maßregelentscheidung enthält (vgl. zur Auslegung des Angriffsziels unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV: Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285 mwN).
18
Die Beschränkung der Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung , die grundsätzlich isoliert auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2011 – 4 StR 331/11, NStZ-RR 2012, 156, 157 mwN), wäre indes hier unwirksam. Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem auch deswegen nicht in der Sicherungsverwahrung untergebracht, weil aufgrund der Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs bei dem Angeklagten eine Haltungsänderung erwartet werden könne. Damit hat es Strafhöhe und Maßregelanordnung in einen inneren Zusammenhang gesetzt, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, insoweit in NStZ-RR 2011, 172 nicht abgedruckt; Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, insoweit in NStZ 2013, 707 nicht abgedruckt

).

19
2. Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat.
20
a) Die Strafkammer hat zutreffend die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB bejaht. Dem Sachverständigen folgend hat das Landgericht einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten und dessen („hohe“) Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB festgestellt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
21
Das Landgericht hat allerdings aufgrund seines unzutreffenden rechtlichen Ansatzes verkannt, dass auch die – formellen und materiellen – Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB vorgelegen haben könnten. Das für die Verhängung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB erforderliche Vorliegen von drei vorsätzlichen Taten setzt nicht voraus, dass diese Taten – wovondie Strafkammer fehlerhaft ausgegangen ist – gemeinsam in der Ent- scheidung abgeurteilt werden, in der die Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB angeordnet werden könnte. Vielmehr können eine oder zwei von diesen Taten schon vorher rechtskräftig abgeurteilt sein, sofern der Täter wenigstens eine der Symptomtaten als Erwachsener begangen hat (vgl. auch Senat , Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 2 StR 513/01, BGHR StGB § 66 Abs. 3 Katalogtat 2; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 3 StR 439/09, NStZ-RR 2010, 142, 143).
22
Neben den Fällen II. 3. und II. 5. der Urteilsgründe ist der Angeklagte durch das Amtsgericht Köln am 5. August 2011 zu einer einheitlichen Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden; dieser Verurteilung lagen ausschließlich Katalogtaten gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) und lit.
b) StGB zugrunde. Eine in einem früheren Verfahren ausgesprochene einheitliche Jugendstrafe nach § 31 JGG erfüllt indes die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 StGB nur, wenn zu erkennen ist, dass der Täter wenigstens bei einer der ihr zugrundeliegenden Straftaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte, sofern sie als Einzeltat gesondert abgeurteilt worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2001 – 3 StR 261/01, NStZ 2002, 29; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 66 Rdn. 26, jeweils mwN). Dies festzustellen , ist tatrichterliche Aufgabe, die dem über die Sicherungsverwahrung entscheidenden Richter obliegt. Dabei hat der Tatrichter festzustellen, wie der Richter des Vorverfahrens die einzelnen Taten bewertet hat; er darf sich nicht an dessen Stelle setzen und im Nachhinein eine eigene Strafzumessung vornehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2001 – 3 StR 261/01, NStZ 2002, 29 mwN). Entsprechende Feststellungen muss der Tatrichter so belegen, dass eine ausreichende revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist.
23
b) Soweit die Strafkammer im Folgenden im Rahmen ihrer Ermessensausübung die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung auch damit be- gründet hat, der Angeklagte habe „in keinem der Fälle […] den Taterfolg eines qualifizierten Sexualdelikts herbeigeführt“, hat sie beiPrüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßregel einen unzutreffenden Bezugspunkt gewählt. Entscheidend ist, welche Straftaten vom Angeklagten zukünftig zu erwarten sind; die Anlasstaten haben dafür nur indizielle Bedeutung (vgl. auch Fischer, aaO, § 62 Rdn. 3a ff. mwN). Bezogen auf Hang und Gefährlichkeit hat das Landgericht insoweit aber ausgeführt, dass der Angeklagte, dem jegliche Opferempathie fehle, „durchaus auch bereit (sei),seine sexuellen Interessen mittels Einsatzes von Gewalt und das Eindringen in persönlichste Schutzbereiche seiner Opfer zu begehen“. Aufgrund seiner – durch Impulsivität und Aggressivität gekennzeich- neten – Persönlichkeitsstruktur seien seine sexuellen Übergriffe regelmäßig gegen besonders schwache und hilflose Frauen oder Mädchen gerichtet. Diese Umstände hat das Landgericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ausreichend in den Blick genommen.
24
c) Auch im Übrigen hat das Landgericht das ihm durch § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB eingeräumte Ermessen – auch eingedenk eingeschränkter revisionsgerichtlicher Nachprüfung – rechtsfehlerhaft ausgeübt. Die Erwägung des Landgerichts, eine Haltungsänderung des Angeklagten während der Dauer des Strafvollzugs sei zu erwarten, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
25
aa) Die Beurteilung, ob ein Angeklagter infolge seines Hanges zur Begehung schwerer Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist, richtet sich nach der Sachlage zum Zeitpunkt der Aburteilung (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB iVm § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB). Dieses hat die Strafkammer im Ansatz auch nicht verkannt.
26
Soweit indes die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB oder – wie vom Landgericht angenommen – nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB in Betracht kommt, ist es dem Tatrichter grundsätzlich gestattet, bei der Ausübung seines Ermessens die zu erwartenden Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs auf die Gefährlichkeit des Angeklagten zu berücksichtigen. Ihm ist die Möglichkeit eröffnet, sich ungeachtet der hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfindung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Angeklagte schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, NStZ 2013, 707).
27
Ein Absehen von der Verhängung der Sicherungsverwahrung bei Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte erwarten lassen, dass dem Täter aufgrund der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie therapeutischer Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann. Nur denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug reichen nicht aus (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172; Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, NStZ 2013, 707, jeweils mwN).
28
bb) Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht.
29
(1) Im Rahmen der Prognosebeurteilung hat das Landgericht ausgeführt, „dass ohne eine erfolgreiche therapeutische Einwirkung auf den Angeklagten auch für die Zukunft ernsthaft damit zu rechnen ist, dass er seinen devianten sexuellen Impulsen in strafbarer Weise nachgehen wird“. Daraus ergibt sich bereits, dass allein durch Strafverbüßung eine Haltungsänderung des Angeklagten , die zu einer Verminderung seiner Gefährlichkeit führen wird, nicht zu erwarten ist.
30
(2) Die vom Landgericht zugrunde gelegten „erkennbaren positiven An- sätze im Hinblick auf eine therapiebedingte Verhaltensänderung“ des Angeklag- ten sind nicht belegt. Während seiner ersten Inhaftierung war der Angeklagte zu einer Therapie „allenfalls“ vordergründig bereit. Eine Haltungsänderung im Ver- lauf der Haft habe sich lediglich insoweit abgezeichnet, dass der Angeklagte zu Beginn der Haft „frech, fordernd und respektlos“ aufgetreten sei, gegen Ende der Haftzeit hingegen „angepasst und ruhiger“. Nach Entlassung aus derHaft habe der Angeklagte entsprechende Therapieauflagen – sanktionslos – nicht erfüllt. Die Versicherung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, „nunmehr eingesehen (zu haben), dass er Hilfe brauche und bereit sei, aktiv an sich zu arbeiten“, hat das Landgericht als „wenig emotional fundiert und noch nicht von der Einsicht in die Komplexität seiner Problematik getragen“ bewertet, zumal er schon in der Vergangenheit Therapiebereitschaft und Kooperation vorgetäuscht habe. Da jedoch während der Inhaftierung des Angeklagten „eine Unterbrin- gung in der sozialtherapeutischen Abteilung […] möglich“ sei, bestehe „vor dem Hintergrund des jungen Alters des Angeklagten, der durch die Inhaftierung eingetretenen Isolierung von seiner Familie sowie der Tatsache, dass im Rahmen der ersten Inhaftierung bereits Verhaltensänderungen zu beobachten waren, […] die begründete Erwartung einer erfolgreichen Therapie“.
31
Damit hat das Landgericht indes nur denkbare Wirkungen des künftigen Strafvollzugs benannt, die kaum mehr als eine Hoffnung beschreiben. Über die im Ansatz vorhandene allgemeine Unrechtseinsicht und – möglicherweise nur vorgetäuschte – Therapiebereitschaft des Angeklagten hinaus werden konkrete Anhaltspunkte für einen erwartbaren Erfolg der resozialisierenden und therapeutischen Maßnahmen im Strafvollzug – unbeschadet nicht mitgeteilter Sachverständigenprognose – nicht benannt.
32

d) Nach alledem muss über die Anordnung der Sicherungsverwahrung nochmals entschieden werden.
33
Die aufgrund der Weitergeltungsanordnung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326) auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots in vorliegendem Fall weiterhin (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 17. April 2014 – 3 StR 355/13, NStZ-RR 2014, 207 mwN) vorzunehmende "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" steht der Anordnung der Sicherungsverwahrung hier nicht von vornherein entgegen (vgl. zur Anlasstat gemäß § 176 Abs. 1 StGB: BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 StR 465/12, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 9 mwN).
34
Sofern auch nach erneuter Verhandlung keine konkreten Anhaltspunkte für einen erwartbaren Erfolg der resozialisierenden und therapeutischen Maßnahmen im Strafvollzug vorliegen sollten, bleibt es der Prüfung nach § 67c StGB vorbehalten, ob der Angeklagte nach Strafverbüßung weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich und daher der Vollzug der Sicherungsverwahrung geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 – 1 StR 474/03, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 7; Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZRR 2011, 172).
35
3. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im (unterbliebenen) Maßregelausspruch führt zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung auch des gesamten Strafausspruchs. Im Hinblick auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils zu den möglichen Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht die nunmehr erneut im Raum stehende Sicherungsverwahrung verhängt hätte (vgl.
auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13 mwN, insoweit in NStZ 2013, 707 nicht abgedruckt). Im Übrigen hat die Überprüfung des Strafausspruchs keinen Rechtsfehler ergeben. Appl Schmitt Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 90/14
vom
11. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juni 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2013 wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels sowie die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen. Die Nebenklägerin trägt ihre Auslagen selbst.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete , zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts planten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte B. einen Einbruch in ein Wohnhaus in Kronberg. Sie hatten den Tatort zuvor ausgekundschaftet und unter anderem auch in Erfahrung gebracht, dass die Bewohner tagsüber nicht zu Hause sein sollten. In Umsetzung ihres Tatplans begaben sie sich am 7. Juni 2013 gegen 14.15 Uhr zum Tatort. Sie führten eine Tasche mit Wechselkleidung mit sich; darüber hinaus zwei Strumpfmasken wegen der vor Ort vorhandenen Überwachungskameras sowie eine Rolle Klebeband, um ein Fenster vor dem Einschlagen abkleben zu können. Da sie sicher gehen wollten, dass tatsächlich niemand zu Hause war, klingelte der gesondert Verfolgte B. während sich der Angeklagte vor der Haustür postierte. Es öffnete die Zeugin St. , woraufhin der Angeklagte und B. ihren Tatplan spontan dahin erweiterten, nunmehr unter Überwältigung der Zeugin St. in das Haus einzudringen und nach Wertgegenständen Ausschau zu halten.
3
Der Angeklagte drängte die Zeugin sogleich ins Haus, fesselte sie mit einem im Flur entdeckten Strickschal an Händen und Beinen und warf ihr eine Wolldecke über den Kopf. Sodann begannen beide Täter das Haus nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Die aufgefundene Beute (Schmuck und Bargeld ) verstauten sie in einer am Tatort aufgefundenen Sporttasche. Währenddessen rief die unter Atemnot leidende Zeugin um Hilfe und bat um Wasser. Der Angeklagte reichte ihr eine Tasse Kaffee, die die Zeugin mit ihrer aus der Fesselung befreiten rechten Hand ergriff und gegen eine Fensterscheibe warf. Sie rief nun laut um Hilfe. Der Angeklagte und der hinzukommende B. fesselten die Hände der Zeugin mit am Tatort aufgefundenen Kabelbindern fest auf ihren Rücken und verklebten ihr den Mund mit dem mitgeführten Klebeband. Anschließend setzten beide Täter die Durchsuchung fort und entdeckten weiteres Bargeld, das sie an sich nahmen. Als es an der Haustür klingelte, trugen die Täter die gefesselte Zeugin in den Keller und flüchteten aus dem Haus. Unterwegs entledigten sie sich sowohl der Tasche mit Wechselkleidung als auch der Tasche mit der Beute. Der Angeklagte konnte gegen 17.00 Uhr hinter einer naheliegenden Kleingartenanlage festgenommen werden. Beide Taschen wurden alsbald aufgefunden.
4
Die Zeugin erlitt infolge der strammen Fesselung starke Hämatome und Druckstellen an den Handgelenken. Eine traumatische Affektion verschiedener Nerven riefen Taubheitsgefühle in der rechten Hand und am linken Daumen hervor, die bis heute anhalten.
5
2. Die Kammer hat die Tat wegen der strammen Fesselung der Zeugin als „schweren Raub“ gemäߧ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet und unter Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt.

II.


6
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
7
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründungsschrift keine Beschränkung erklärt und am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragt. Mit diesem den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrag steht jedoch der übrige Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht der Bemessung der Freiheitsstrafe zu Unrecht den Strafrahmen des minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt und die Freiheitsstrafe daher unangemessen milde bemessen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 1989 - 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118; Löwe/Rosenberg-Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 10).
8
Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung ist allein der Strafausspruch angefochten und der Schuldspruch vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Allein der Umstand, dass die Revisionsführerin nach Erhebung der allgemeinen Sachrüge einleitend ausgeführt hat, das Landgericht habe die Tat „insbesondere“ rechtsfehlerhaft als minder schweren Fall gewertet, zeigt mangels eines Hinweises auf einen weiteren Rechtsfehler des Urteils kein weitergehendes Angriffsziel der Revision auf. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV versteht der Senat daher das gesamte Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft den Schuldspruch nicht angreifen will (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 296/12 mwN).
9
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
10
Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung der Revision ist, dass sie sich auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - 2 StR 25/56, BGHSt 10, 100, 101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 318 Rn. 6 mwN). Eine Beschränkung ist aber auch dann unwirksam, wenn die Gefahr besteht, dass die nach dem Teilrechtsmittel (stufenweise) entstehende Gesamtentscheidung nicht frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366; Beschluss vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35 und 38).
11
Die Beschränkung des Rechtsmittels ist nach diesen Grundsätzen wirksam.
12
Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zur Schuld- und Straffrage ergibt, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn vom Landgericht strafmildernd gewertete und deshalb von der Revision angegriffene Umstände tatsächlich (auch) den Schuldspruch beträfen. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft - neben zahlreichen anderen Einwendungen gegen die Vollständigkeit und Gewichtung einzelner Strafzumessungserwägungen - zwar auch eine rechtfehlerhafte Beweiswürdigung im Hinblick auf den von der Strafkammer als strafmildernd gewerteten Umstand, dass die Tatplanerweiterung des Angeklagten und seines Mittäters auf einem spontanen und erst vor Ort gefassten Entschluss beruhte. Die Feststellungen, dass es sich insoweit um eine Spontantat handelte, sind jedoch nicht tatbestandsrelevant. Der Tatvorsatz liegt unabhängig davon vor, wann der Tatentschluss gefasst wurde und zu welchem Zeitpunkt er in welchem Maße vor dem Eindringen der Täter in das Haus konkretisiert war, weshalb der Schuldspruch von dem Revisionsangriff in jedem Fall unberührt bliebe.
13
Bei einer Teilaufhebung wäre hier auch nicht zu befürchten, dass die stufenweise entstehende Gesamtentscheidung unter inneren Widersprüchen litte. Veränderte Feststellungen zum Zeitpunkt des konkreten Tatentschlusses des Angeklagten würden die Gesamtentscheidung lediglich modifizieren und nicht widersprüchlich erscheinen lassen.

III.


14
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
15
1. Die den strafzumessungsrelevanten Feststellungen der Strafkammer zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unter Berücksichtigung des revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs frei von Rechtsfehlern.
16
Dies gilt auch im Hinblick auf die Feststellung des Landgerichts, dass der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nur einen Einbruchdiebstahl geplant und ihren Tatentschluss erst vor Ort auf die Ausführung eines Raubes erweitert haben, denn das Gericht hat sich auch insoweit seine Überzeugung auf einer ausreichenden objektiven Beweisgrundlage gebildet.
17
Zwar war es zur Überprüfung der Anwesenheit eines Hausbewohners nicht erforderlich, dass sich der Angeklagte beim Klingeln unmittelbar vor der Haustür postierte. Dieses Vorgehen ist aber nicht als derart ungewöhnlich risikoreich zu werten, dass es als gewichtiges Indiz für einen von vornherein geplanten Raub hätte gewertet werden müssen. Denn auch dann, wenn ein Täter nur einen Einbruch plant, kann er auf das unerwartete Öffnen der Tür durch einen Hausbewohner noch mit der unverdächtig erscheinenden Nachfrage nach einer angeblich dort wohnhaften Person reagieren. Für einen zunächst nur geplanten Einbruchdiebstahl sprach ohne Weiteres, dass der Angeklagte und sein Mittäter ausschließlich für einen Einbruch nützliche Gegenstände mit sich führten und demgegenüber keine Vorsorge für die Fesselung bzw. Ruhigstellung eines anwesenden Hausbewohners getroffen hatten. Zur Fesselung der Zeugin St. wurde ein vor Ort aufgefundener Schal verwendet. Nachdem sich diese Fesselung bereits nach kurzer Zeit als unzureichend erwiesen hatte, mussten der Angeklagte und sein Mittäter zunächst nach anderen Mitteln zur Fesselung suchen. Auch auf die Idee, das mitgeführte Klebeband zur Fesselung zu nutzen , kamen sie nicht.
18
2. Der Strafausspruch hält auch im Übrigen sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Rechtsfehler bei der Wahl des Strafrahmens zeigt auch die Revision nicht auf. Das Landgericht hat die erforderliche Gesamtschau vorgenommen und dabei alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. In Anbetracht der zahlreichen strafmildernden Umstände (umfassendes Geständnis, junges Alter des Angeklagten, Unbestraftheit, Erstverbüßer, spontane Tatplanerweiterung, gewisser Dilettantismus und wenig vorausschauende Planung der Tat) ist daher die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, auch wenn eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre.
19
3. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben (§ 301 StPO).
Fischer Krehl Eschelbach
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 S t R 2 7 5 / 1 5
vom
22. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Oktober
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin A. K. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen M. K.
und J. K. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 26. Februar 2015 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 58 Fällen, davon in 55 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, davon in zwei Fällen zudem in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften“, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt, das Rechtsmittel mit der Sachrüge begründet und beantragt, das angefochtene Urteil „im Rechtsfolgenausspruch“ aufzuheben. Ihre vom Generalbundesanwalt vertretene Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung wendet. Darüber hinaus ist der gesamte Strafausspruch – auch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) – aufzuheben.
2
1. Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte nach dem vierten Geburtstag seiner Tochter A. am 8. Juli 2011 bis zum 26. August 2014 in 55 Fällen sexuelle Missbrauchshandlungen zu deren Nachteil vor. Zwei dieser Übergriffe filmte der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon und speicherte sie ab; bei dem ersten dieser beiden Übergriffe fertigte er auch Fotos von seiner gefesselt, maskiert und auf dem Rücken liegenden unbekleideten Tochter. Am 31. Juli 2014 und am 1. August 2014 kam es auch zu fünf sexuellen Übergriffen auf die zum Tatzeitpunkt sechs und fünf Jahre alten Töchter einer Freundin seiner Ehefrau. Dabei drang der Angeklagte kurzzeitig mit dem Finger bei einer Gelegenheit in die Scheide des einen Mädchens und bei einem anderen Übergriff in den Anus der anderen Geschädigten ein, die an ihm auch Oralverkehr ausüben musste.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten für voll schuldfähig gehalten und Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und neun Monaten, zwei Jahren und drei Monaten, zwei Jahren, einem Jahr und neun Monaten, einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und zwei Monaten, 53 mal einem Jahr sowie neun Monaten verhängt. Sicherungsverwahrung hat es nicht angeordnet. Es hat die formellen Voraussetzungen für die fakultative Anordnung der Maßregel nach § 66 Abs. 2 StGB bejaht. Auch die materiellen Voraussetzungen gemäß § 66 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB hat es angenommen. „Im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens“ hat die Jugendschutzkammer die Anordnung der Sicherungsverwahrung "trotz des festgestellten Gefährdungspotentials" (UA 34) abgelehnt: Der Angeklagte habe seine Therapiebereitschaft deutlich zum Ausdruck gebracht. Zwar sei "derzeit gänzlich ungewiss …, ob Therapiebemühungen eine innere Haltungsänderung bei dem Angeklagten erzielen können" (UA 34), er habe jedoch den ersten Schritt gemacht, indem er seine Taten rückhaltlos offenbart habe. Die Dauer der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ermögliche eine intensive therapeutische Intervention in einer qualifizierten Ein- richtung des Strafvollzugs. Der Angeklagte habe sich bislang noch gar nicht mit seinen pädophilen Neigungen auseinandergesetzt. Nach seiner (einschlägigen) Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe im Jahr 1995 habe ausschließlich die problematische Kindheit und Jugend im Fokus der therapeutischen Aufarbeitung gestanden (UA 35). Nach alledem gehe die Strafkammer von der Erwartung aus, dass der Angeklagte sich die Strafverbüßung hinreichend zur Warnung dienen lassen werde.
4
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Die Revision ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Der Senat kann offen lassen, ob die Staatsanwaltschaft ausweislich der Revisionsbegründung über den gestellten Antrag hinaus das Rechtsmittel auf die Frage der Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränken wollte. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Terminszuschrift vom 3. Juli 2015 zutreffend ausführt, hat das Landgericht Strafhöhe und Maßregelanordnung in einen inneren Zusammenhang gesetzt, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14).
6
b) Die auf § 66 Abs. 2 StGB gestützte Entscheidung des Landgerichts, nach seinem Ermessen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abzusehen , leidet an einem durchgreifenden Rechtsfehler.
7
aa) Die Wirkungen eines erstmals erlebten längeren Strafvollzugs und von in diesem Rahmen (möglicherweise) wahrgenommenen Therapieangeboten können zwar im Einzelfall wesentliche gegen die Anordnung der Maßregel sprechende Gesichtspunkte darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – 5 StR 421/10, StV 2011, 276). Ein Absehen von der Anordnung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit kommt in Ausübung des in § 66 Abs. 2 (und Abs. 3) StGB eingeräumten Ermessens aber nur dann in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteilserlasses die Erwartung begründet ist, der Täter werde hierdurch eine Haltungsänderung erfahren, so dass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige Prognose gestellt werden kann (BGH, Urteil vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11, NStZ-RR 2012, 272 [Ls.]; Beschlüsse vom 16. Dezember 2014 – 1 StR 515/14, NStZ-RR 2015, 73, und vom 11. August 2011 – 3 StR 221/11). Im Zeitpunkt des Urteilserlasses noch ungewisse positive Veränderungen und lediglich mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug können indes nicht genügen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14, NStZ 2015, 510, 511, vom 28. Mai 1998 – 4 StR 17/98, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6, und vom 22. Januar 1998 – 4 StR 527/97, NStZ-RR 1998, 206). Solche möglichen Veränderungen sind, sofern sie eingetreten sind, erst im Rahmen der obligatorischen Entscheidung gemäß § 67c Abs. 1 StGB vor dem Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe zu berücksichtigen.
8
bb) Diesen rechtlichen Maßstab hat das Landgericht bei seiner Ermessensausübung verfehlt:
9
Es hätte prüfen müssen, ob zumindest konkrete Anhaltspunkte für einen Behandlungserfolg vorliegen (vgl. BGH, Urteile vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172, und vom 19. Juli 2005 – 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337, 338; Beschlüsse vom 16. Dezember 2014 – 1 StR 515/14, NStZ-RR 2015, 73, und vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11, NStZ-RR 2012, 272 [Ls.]). Es gibt keine gesicherte Vermutung dahingehend, dass eine langjährige, erstmalige Strafverbüßung stets zu einer Verhaltensänderung führen wird (BGH, Beschluss vom 4. August 2009 – 1 StR 300/09, NStZ 2010, 270, 272). Die Jugendschutzkammer hat selbst – nach sachverständiger Beratung – ausgeführt , "dass derzeit gänzlich ungewiss ist, ob Therapiebemühungen eine innere Haltungsänderung bei dem Angeklagten erzielen können" (UA 34). Der Um- stand, dass der Angeklagte nach ihrer Auffassung "den ersten Schritt" gemacht habe, ist nicht geeignet, die in ständiger Rechtsprechung verlangte gesicherte Erwartung zu begründen, die unter Ermessensgesichtspunkten ein Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigen könnte (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14, NStZ 2015, 510, 511).
10
cc) Sonstige Gründe, die einer Anordnung der Sicherungsverwahrung zwingend entgegenstehen könnten, ergeben sich aus dem angefochtenen Urteil nicht (vgl. zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit BGH, Urteil vom 7. Januar 2015 – 2 StR 292/14, NStZ 2015, 208; s. ferner BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 5 StR 473/14, NStZ 2015, 210).
11
3. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im (unterbliebenen) Maßregelausspruch führt zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung auch des gesamten Strafausspruchs. Im Hinblick auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils zu den möglichen Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht die nunmehr erneut im Raum stehende Sicherungsverwahrung verhängt hätte (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13 mwN, insoweit in NStZ 2013, 707 nicht abgedruckt).
12
Die Strafzumessung weist andererseits auch einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten bei der Bemessung aller Einzelstrafen und der Gesamtstrafe auf. Das Landgericht hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung die erlittene Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund, es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche , über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13, Rn. 9, vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18, und vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12, Rn. 25, jeweils mwN). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier. Mutzbauer Roggenbuck Cierniak Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 2 4 0 / 1 4
vom
15. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Oktober
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Richterin am Amtsgericht bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin C. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. November 2013 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist,
b) sowie zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Von einer Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt. Die Revision des Angeklagten ist erfolglos. Dagegen hat das vom Generalbundesanwalt vertretene – nicht wirksam beschränkte – Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der 23 Jahre alte Angeklagte u. a. wie folgt vorbestraft:
3
a) Das Amtsgericht Köln verwarnte ihn am 25. November 2010 wegen „Beleidigung mittels Tätlichkeit“ jugendrichterlich und erteilte eine Weisung. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte im März 2010 auf der Damentoilette hinter die ihm nicht bekannte 16 Jahre alte Geschädigte getreten war, beide Hände um ihre Hüften gelegt und – ohne ihre Gegenwehr zu beachten – seinen Unterleib an ihrem Gesäß gerieben hatte.
4
Der Angeklagte, der aufgrund der ihm erteilten jugendrichterlichen Weisung eine Beratungsstelle aufgesucht hatte, bagatellisierte dort den Sachverhalt und „kommunizierteein in der Familie herrschendes, abwertendes Frauenbild.
Da er aber Behandlungsmotivation signalisierte“, sprach sich die zuständige Mitarbeiterin für weitere Gesprächstermine aus, zu denen es allerdings in der Folge nicht kam.
5
b) Am 5. August 2011 sprach das Amtsgericht Köln den Angeklagten der versuchten Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und der schwe- ren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung schuldig und verhängte unter Einbeziehung des vorgenannten Urteils eine Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Der Verurteilung lag folgendes zugrunde:
6
Der Angeklagte hatte am 21. November 2010 gegen Mitternacht die ihm unbekannte 18-jährige Geschädigte, der er zuvor gefolgt war, darauf angesprochen , sie näher kennen lernen zu wollen. Der Angeklagte hatte sich hinter ihr durch eine Haustür gedrängt und wurde zunehmend aggressiver. Er griff der Geschädigten von vorn in die Hose und Unterhose und berührte mit seiner Hand mehrfach ihre Vagina. Sodann drängte er die Geschädigte die Kellertreppe hinunter und versuchte ihre Stoffhose herunterzuziehen, was ihm aufgrund ihrer Gegenwehr nicht gelang. Als die Geschädigte um Hilfe rief, hielt ihr der Angeklagte den Mund zu. Eine Nachbarin, die auf das Geschehen aufmerksam geworden war, machte sich bemerkbar, woraufhin der Angeklagte die weitere Tatausführung aufgab und flüchtete.
7
Bereits Anfang Oktober 2010 hatte der Angeklagte mit sechs weiteren Mittätern entsprechend einem gemeinsamen Tatplan die Wohnung eines weiteren Geschädigten aufgesucht. Unter dem Eindruck zuvor erhaltener Schläge durch zwei Mittäter und des Vorhaltens eines Teleskopschlagstockes durch den Angeklagten hatte der Geschädigte einen Umschlag mit 100 € übergeben; das Geld hatten die Täter untereinander aufgeteilt.
8
Der Angeklagte verbüßte die Jugendstrafe bis Mitte November 2012. Im Anschluss daran hat das Amtsgericht Wuppertal die Dauer der Führungsaufsicht auf drei Jahre festgesetzt und dem Angeklagten u.a. die Weisung erteilt, Kontakt bei einer Beratungsstelle für die Behandlung sexualisierter Gewalt aufzunehmen und dort regelmäßig Beratungsgespräche wahrzunehmen, wozu es indes in der Folgezeit nicht kam.
9
2. Zur Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
10
a) Am 22. März 2013 begab sich der Angeklagte in den Garten der Erdgeschosswohnung der Familie L. . Er stellte sich unmittelbar vor eines der großen Fenster des Wohnzimmers, ließ seine Hose herunter und begann, an seinem erigierten Penis zu manipulieren. Dabei kam es ihm sowohl darauf an, die beiden etwa ein bis zwei Meter von dem Fenster entfernt auf einer Couch sitzenden 13- und 14-jährigen Mädchen, deren Alter er „unwiderlegbar auf etwa 17 Jahre schätzte, zu sehen, als auch von diesen bei Vornahme der sexuellen Handlung gesehen zu werden, was diese auch taten“. Die Mädchen waren durch den Anblick des onanierenden Angeklagten geschockt und empfanden Ekel, was der Angeklagte in Kauf nahm. Der Angeklagte ejakulierte sodann auf den Terrassenboden (Fall II. 1. der Urteilsgründe).
11
b) Am 30. April 2013 stand der Angeklagte in einem Flur eines Mehrfamilienhauses der 7-jährigen Nebenklägerin A. gegenüber, öffnete seine Hose und entblößte seinen Penis. Er forderte die Nebenklägerin „etwa fünfmal auf“, seinen Penis in den Mund zu nehmen, was diese jedoch mit Kopfschütteln ablehnte. Der Angeklagte, der im Wohnhaus eine Tür schlagen hörte, zog sich wieder an und forderte die Nebenklägerin auf, mit ihm in den Keller zu kommen. Dort entblößte der Angeklagte seinen Penis erneut und forderte die Nebenklägerin mehrfach auf, diesen in den Mund zu nehmen. Die Nebenklägerin lehnte dieses Ansinnen wiederum ab. Der Angeklagte zog sodann der Nebenklägerin die Hose herunter, betrachtete ihre unbekleidete Scheide und streichelte sie im Genitalbereich. Als die Nebenklägerin sich die Hose wieder hochzog, sich umdrehte und weglaufen wollte, hielt sie der Angeklagte am T-Shirt fest und zog sie zurück. Erneut forderte er sie auf, seinen Penis in den Mund zu nehmen, was die Nebenklägerin jedoch wiederum ablehnte. Als diese zu weinen begann, ließ der Angeklagte von ihr ab und ergriff die Flucht (Fall II. 3. der Urteilsgründe

).

12
c) Am 19. Mai 2013 gegen 06.45 Uhr begab sich der Angeklagte in ein Kinderkrankenhaus und betrat verschiedene Krankenzimmer. In dem ersten Zimmer, in das er ging, schlief eine Frau, die er an ihrem Kopftuch und an ihrem Rücken berührte. Als die Frau davon erwachte, verließ er das Zimmer. In dem nächsten Raum, den der Angeklagte betrat, schlief ebenfalls eine Frau. Er hob die Bettdecke an und betrachtete deren bekleideten Genitalbereich. Als die Frau erwachte verließ er das Zimmer.
13
Sodann betrat er das Zimmer der 10-jährigen Nebenklägerin C. , die dort mit einem anderen Mädchen schlief. Der Angeklagte trat an das Bett heran, zog die Bettdecke herunter und streichelte die Nebenklägerin zunächst am Bauch, wovon diese aufwachte. Der Angeklagte zog sodann deren Hose und Unterhose herunter, betrachtete ihre unbekleidete Scheide und streichelte sie im Genitalbereich. „Anschließend zog er sich selbst die Hose herunter, näherte sich mit seinem erigierten Penis dem Gesicht der Nebenklägerin und forderte sie auf, ihn in den Mund zu nehmen“. Die Nebenklägerin lehnte jedoch mehrfach ab. Als der Angeklagte auf dem Krankenhausflur ein Geräusch hörte, verließ er das Zimmer und das Krankenhaus (Fall II. 5. der Urteilsgründe).
14
3. Die Strafkammer hat gegenüber dem umfassend geständigen Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen exhibitionistischer Handlungen gemäß § 183 Abs. 1 StGB auf eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, im Fall II. 3. und II. 5. der Urteilsgründe jeweils wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB auf Freiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten bzw. vier Jahren erkannt. Von jeweils (tateinheitlichen) versuchtem schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes (in den Fällen II. 3. und II. 5. der Urteilsgründe) bzw. von einer (tateinheitlich) versuchten Vergewaltigung (im Fall II. 3. der Urteilsgründe) sei der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten.

II.

15
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere hat das Tatgericht den vom Revisionsgericht hinzunehmenden Rahmen vertretbarer Strafbemessung nicht überschritten.

III.

16
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg; zugleich führt das Rechtsmittel – zu Gunsten des Angeklagten – zur Aufhebung des Strafausspruchs.
17
1. Der Senat kann offen lassen, ob die Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung deswegen beschränkt ist, weil – trotz eines den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrags – der Inhalt der Revisionsbegründungsschrift ausschließlich Ausführungen zur Nichtanordnung der Maßregelentscheidung enthält (vgl. zur Auslegung des Angriffsziels unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV: Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285 mwN).
18
Die Beschränkung der Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung , die grundsätzlich isoliert auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2011 – 4 StR 331/11, NStZ-RR 2012, 156, 157 mwN), wäre indes hier unwirksam. Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem auch deswegen nicht in der Sicherungsverwahrung untergebracht, weil aufgrund der Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs bei dem Angeklagten eine Haltungsänderung erwartet werden könne. Damit hat es Strafhöhe und Maßregelanordnung in einen inneren Zusammenhang gesetzt, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, insoweit in NStZ-RR 2011, 172 nicht abgedruckt; Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, insoweit in NStZ 2013, 707 nicht abgedruckt

).

19
2. Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat.
20
a) Die Strafkammer hat zutreffend die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB bejaht. Dem Sachverständigen folgend hat das Landgericht einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten und dessen („hohe“) Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB festgestellt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
21
Das Landgericht hat allerdings aufgrund seines unzutreffenden rechtlichen Ansatzes verkannt, dass auch die – formellen und materiellen – Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB vorgelegen haben könnten. Das für die Verhängung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB erforderliche Vorliegen von drei vorsätzlichen Taten setzt nicht voraus, dass diese Taten – wovondie Strafkammer fehlerhaft ausgegangen ist – gemeinsam in der Ent- scheidung abgeurteilt werden, in der die Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB angeordnet werden könnte. Vielmehr können eine oder zwei von diesen Taten schon vorher rechtskräftig abgeurteilt sein, sofern der Täter wenigstens eine der Symptomtaten als Erwachsener begangen hat (vgl. auch Senat , Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 2 StR 513/01, BGHR StGB § 66 Abs. 3 Katalogtat 2; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 3 StR 439/09, NStZ-RR 2010, 142, 143).
22
Neben den Fällen II. 3. und II. 5. der Urteilsgründe ist der Angeklagte durch das Amtsgericht Köln am 5. August 2011 zu einer einheitlichen Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden; dieser Verurteilung lagen ausschließlich Katalogtaten gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) und lit.
b) StGB zugrunde. Eine in einem früheren Verfahren ausgesprochene einheitliche Jugendstrafe nach § 31 JGG erfüllt indes die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 StGB nur, wenn zu erkennen ist, dass der Täter wenigstens bei einer der ihr zugrundeliegenden Straftaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte, sofern sie als Einzeltat gesondert abgeurteilt worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2001 – 3 StR 261/01, NStZ 2002, 29; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 66 Rdn. 26, jeweils mwN). Dies festzustellen , ist tatrichterliche Aufgabe, die dem über die Sicherungsverwahrung entscheidenden Richter obliegt. Dabei hat der Tatrichter festzustellen, wie der Richter des Vorverfahrens die einzelnen Taten bewertet hat; er darf sich nicht an dessen Stelle setzen und im Nachhinein eine eigene Strafzumessung vornehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2001 – 3 StR 261/01, NStZ 2002, 29 mwN). Entsprechende Feststellungen muss der Tatrichter so belegen, dass eine ausreichende revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist.
23
b) Soweit die Strafkammer im Folgenden im Rahmen ihrer Ermessensausübung die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung auch damit be- gründet hat, der Angeklagte habe „in keinem der Fälle […] den Taterfolg eines qualifizierten Sexualdelikts herbeigeführt“, hat sie beiPrüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßregel einen unzutreffenden Bezugspunkt gewählt. Entscheidend ist, welche Straftaten vom Angeklagten zukünftig zu erwarten sind; die Anlasstaten haben dafür nur indizielle Bedeutung (vgl. auch Fischer, aaO, § 62 Rdn. 3a ff. mwN). Bezogen auf Hang und Gefährlichkeit hat das Landgericht insoweit aber ausgeführt, dass der Angeklagte, dem jegliche Opferempathie fehle, „durchaus auch bereit (sei),seine sexuellen Interessen mittels Einsatzes von Gewalt und das Eindringen in persönlichste Schutzbereiche seiner Opfer zu begehen“. Aufgrund seiner – durch Impulsivität und Aggressivität gekennzeich- neten – Persönlichkeitsstruktur seien seine sexuellen Übergriffe regelmäßig gegen besonders schwache und hilflose Frauen oder Mädchen gerichtet. Diese Umstände hat das Landgericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ausreichend in den Blick genommen.
24
c) Auch im Übrigen hat das Landgericht das ihm durch § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB eingeräumte Ermessen – auch eingedenk eingeschränkter revisionsgerichtlicher Nachprüfung – rechtsfehlerhaft ausgeübt. Die Erwägung des Landgerichts, eine Haltungsänderung des Angeklagten während der Dauer des Strafvollzugs sei zu erwarten, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
25
aa) Die Beurteilung, ob ein Angeklagter infolge seines Hanges zur Begehung schwerer Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist, richtet sich nach der Sachlage zum Zeitpunkt der Aburteilung (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB iVm § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB). Dieses hat die Strafkammer im Ansatz auch nicht verkannt.
26
Soweit indes die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB oder – wie vom Landgericht angenommen – nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB in Betracht kommt, ist es dem Tatrichter grundsätzlich gestattet, bei der Ausübung seines Ermessens die zu erwartenden Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs auf die Gefährlichkeit des Angeklagten zu berücksichtigen. Ihm ist die Möglichkeit eröffnet, sich ungeachtet der hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfindung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Angeklagte schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, NStZ 2013, 707).
27
Ein Absehen von der Verhängung der Sicherungsverwahrung bei Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte erwarten lassen, dass dem Täter aufgrund der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie therapeutischer Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann. Nur denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug reichen nicht aus (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172; Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, NStZ 2013, 707, jeweils mwN).
28
bb) Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht.
29
(1) Im Rahmen der Prognosebeurteilung hat das Landgericht ausgeführt, „dass ohne eine erfolgreiche therapeutische Einwirkung auf den Angeklagten auch für die Zukunft ernsthaft damit zu rechnen ist, dass er seinen devianten sexuellen Impulsen in strafbarer Weise nachgehen wird“. Daraus ergibt sich bereits, dass allein durch Strafverbüßung eine Haltungsänderung des Angeklagten , die zu einer Verminderung seiner Gefährlichkeit führen wird, nicht zu erwarten ist.
30
(2) Die vom Landgericht zugrunde gelegten „erkennbaren positiven An- sätze im Hinblick auf eine therapiebedingte Verhaltensänderung“ des Angeklag- ten sind nicht belegt. Während seiner ersten Inhaftierung war der Angeklagte zu einer Therapie „allenfalls“ vordergründig bereit. Eine Haltungsänderung im Ver- lauf der Haft habe sich lediglich insoweit abgezeichnet, dass der Angeklagte zu Beginn der Haft „frech, fordernd und respektlos“ aufgetreten sei, gegen Ende der Haftzeit hingegen „angepasst und ruhiger“. Nach Entlassung aus derHaft habe der Angeklagte entsprechende Therapieauflagen – sanktionslos – nicht erfüllt. Die Versicherung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, „nunmehr eingesehen (zu haben), dass er Hilfe brauche und bereit sei, aktiv an sich zu arbeiten“, hat das Landgericht als „wenig emotional fundiert und noch nicht von der Einsicht in die Komplexität seiner Problematik getragen“ bewertet, zumal er schon in der Vergangenheit Therapiebereitschaft und Kooperation vorgetäuscht habe. Da jedoch während der Inhaftierung des Angeklagten „eine Unterbrin- gung in der sozialtherapeutischen Abteilung […] möglich“ sei, bestehe „vor dem Hintergrund des jungen Alters des Angeklagten, der durch die Inhaftierung eingetretenen Isolierung von seiner Familie sowie der Tatsache, dass im Rahmen der ersten Inhaftierung bereits Verhaltensänderungen zu beobachten waren, […] die begründete Erwartung einer erfolgreichen Therapie“.
31
Damit hat das Landgericht indes nur denkbare Wirkungen des künftigen Strafvollzugs benannt, die kaum mehr als eine Hoffnung beschreiben. Über die im Ansatz vorhandene allgemeine Unrechtseinsicht und – möglicherweise nur vorgetäuschte – Therapiebereitschaft des Angeklagten hinaus werden konkrete Anhaltspunkte für einen erwartbaren Erfolg der resozialisierenden und therapeutischen Maßnahmen im Strafvollzug – unbeschadet nicht mitgeteilter Sachverständigenprognose – nicht benannt.
32

d) Nach alledem muss über die Anordnung der Sicherungsverwahrung nochmals entschieden werden.
33
Die aufgrund der Weitergeltungsanordnung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326) auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots in vorliegendem Fall weiterhin (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 17. April 2014 – 3 StR 355/13, NStZ-RR 2014, 207 mwN) vorzunehmende "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" steht der Anordnung der Sicherungsverwahrung hier nicht von vornherein entgegen (vgl. zur Anlasstat gemäß § 176 Abs. 1 StGB: BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 StR 465/12, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 9 mwN).
34
Sofern auch nach erneuter Verhandlung keine konkreten Anhaltspunkte für einen erwartbaren Erfolg der resozialisierenden und therapeutischen Maßnahmen im Strafvollzug vorliegen sollten, bleibt es der Prüfung nach § 67c StGB vorbehalten, ob der Angeklagte nach Strafverbüßung weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich und daher der Vollzug der Sicherungsverwahrung geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 – 1 StR 474/03, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 7; Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZRR 2011, 172).
35
3. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im (unterbliebenen) Maßregelausspruch führt zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung auch des gesamten Strafausspruchs. Im Hinblick auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils zu den möglichen Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht die nunmehr erneut im Raum stehende Sicherungsverwahrung verhängt hätte (vgl.
auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13 mwN, insoweit in NStZ 2013, 707 nicht abgedruckt). Im Übrigen hat die Überprüfung des Strafausspruchs keinen Rechtsfehler ergeben. Appl Schmitt Eschelbach Ott Zeng

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 374/11
vom
20. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. Dezember 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit
a) die Bildung einer Gesamtstrafe unterblieben ist,
b) im Maßregelausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte gegen den Angeklagten am 23. April 2010 wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auf eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren erkannt und ihn unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2006 verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hatte es bestimmt, dass wegen der überlangen Verfahrensdauer sechs Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Von der Anordnung einer Maßregel nach § 64 oder § 66 StGB hatte es abgesehen. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hob der Senat dieses Urteil im Strafausspruch und soweit die Strafkammer von der Anordnung einer Maßregel abgesehen hatte auf (Senatsbeschluss vom 25. November 2010 - 3 StR 382/10, NStZ-RR 2011, 78). Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen der verfahrensgegenständlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen weitgehenden Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Begründung, mit welcher das Landgericht von der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB abgesehen hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
Das Landgericht hat für die am 7. Mai 2003 begangene verfahrensgegenständliche Tat eine Freiheitsstrafe von acht Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet. An einer Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2006 hat es sich mit der Begründung, gehindert gesehen, diese Strafe sei seit dem 10. Mai 2010 vollständig vollstreckt und deshalb erledigt. Es hat sodann im Wege eines Härteausgleichs von der aus seiner Sicht schuldangemessen Freiheitsstrafe von acht Jahren einen Abschlag von zwei Jahren und drei Monaten vorgenommen und auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten erkannt.
5
Die Strafkammer hat dabei verkannt, dass bei Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht in der neuen Verhandlung die Gesamtstrafe nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Verhandlung vorzunehmen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 3. November 2009 - 3 StR 427/09 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 55 Rn. 37). Danach hätte das Landgericht seiner Prüfung die Vollstreckungssituation am 23. April 2010 zugrunde legen müssen. Zu diesem Zeitpunkt war die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2006 aber noch nicht vollständig erledigt und deshalb gemäß § 55 StGB gesamtstrafenfähig.
6
Der Rechtsfehler hat sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Das Landgericht hat ersichtlich übersehen, dass der Senat den Strafausspruch des Urteils vom 23. April 2010 gemäß § 301 StPO ausschließlich zugunsten des Angeklagten aufgehoben hat. Wegen des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) war das Landgericht deshalb gehindert, die Höhe der Rechtsfolgen der Tat zum Nachteil des Angeklagten zu ändern (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 358 Rn. 11). Dies ist hier jedoch trotz des vorgenommenen Härteausgleichs geschehen. Denn die für die verfahrensgegenständliche Tat festgesetzte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten und die gesamtstrafenfähige Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil vom 16. Juni 2006 übersteigen zusammengenommen die Höhe der im ersten Durchgang verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten.
7
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da sich die Grundlagen für die Bemessung der neuen Gesamtstrafe geändert haben. Der neue Tatrichter wird der Gesamtstrafenbildung neben der Strafe aus dem Urteil vom 16. Juni 2006 die für die verfahrensgegenständliche Tat nunmehr verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten zugrunde zu legen haben. Zwar ist die Berücksichtigung eines Härteausgleichs bei Bemessung dieser Strafe rechtsfehlerhaft vorgenommen worden. Dieser Rechtsfehler hat sich aber ausschließlich zugunsten des Angeklagten ausgewirkt und ist daher auf seine Revision nicht zu beanstanden. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass aus den oben genannten Gründen auch die vom Landgericht als schuld- und tatangemessen angesehene Freiheitsstrafe von acht Jahren gegen das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO verstieße, da im ersten Durchgang für die verfahrensgegenständliche Tat lediglich eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren festgesetzt worden war.
8
Bei Bildung der Gesamtstrafe wird der neue Tatrichter als Obergrenze die im Urteil vom 23. April 2011 gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten zu beachten haben.
9
2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB hat ebenfalls keinen Bestand.
10
a) Das Landgericht hat bei der vorrangig anzustellenden Prüfung, ob der Gefährlichkeit des Angeklagten nicht allein durch eine andere Maßregel begegnet werden kann (§ 72 Abs. 1 StGB), dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB mit rechtlich unzureichender Begründung abgelehnt.
11
Die Delinquenz des mittlerweile 66-jährigen, seit 1972 u.a. mehrfach wegen Sexual- und Gewaltdelikten vorbestraften Angeklagten ging nach den Feststellungen des Landgerichts in den hier relevanten Fällen stets mit Alkoholkonsum bzw. Alkoholmissbrauch einher. Auch bei der verfahrensgegenständlichen Tat stand er unter erheblichem Alkoholeinfluss.
12
Das sachverständig beratene Landgericht hat rechtsfehlerfrei eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB infolge eines Zusammenwirkens der Alkoholbeeinflussung bei Tatbegehung und einer diagnostizierten dissozialen Persönlichkeitsstörung auszuschließen vermocht. Die Voraussetzungen des § 64 StGB hat es abgelehnt. Es ist, dem Sachverständigen folgend, zu dem Ergebnis gelangt, dass der Alkoholmissbrauch des Angeklagten nicht den Grad einer manifesten psychischen oder gar körperlichen Abhängigkeit erreicht habe, da der Angeklagte in den letzten eineinhalb Jahren vor seiner letzten Inhaftierung während seines Zusammenlebens mit seiner Verlobten in der Lage gewesen sei, seinen Alkoholkonsum zu kontrollieren und es in jener Zeit zu keinem schwerwiegenden Alkoholmissbrauch gekommen sei. Allein unter Hinweis auf diesen Umstand hat das Landgericht auch eine intensive Neigung des Angeklagten, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ausgeschlossen.
13
Diese Begründung trägt die Ablehnung eines Hanges im Sinne des § 64 StGB nicht. Das Landgericht hat zwar seinen Ausführungen zu den Anforderungen an einen Hang im Ansatz einen zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellung eines Hangs im Sinne des § 64 StGB nicht das Vorliegen eines manifesten Abhängigkeitssyndroms erfordert, sondern hierfür bereits eine intensive Neigung, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ausreichend ist (Fischer aaO, § 64 Rn. 7 mwN). Die Strafkammer hat sich jedoch nicht dazu verhalten, weshalb der vorübergehend kontrollierte Alkoholkonsum des Angeklagten in der Zeit vor seiner Inhaftierung nicht nur den Ausschluss eines Abhängigkeitssyndroms rechtfertigt, sondern auch gegen eine intensive Neigung des Angeklagten, Alkohol im Übermaß zu sich zu nehmen, spricht. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage war geboten, weil der Sachverständige, dem die Strafkammer im Übrigen uneingeschränkt gefolgt ist, die kontrollierte Alkoholaufnahme des Angeklagten in der Zeit des Zusammenlebens mit seiner Verlobten lediglich als ausreichendes Indiz für eine fehlende körperliche oder psychische Abhängigkeit angese- hen hat. Nach den Urteilsgründen hat sich der Sachverständige hingegen nicht zu der Intensität eines missbräuchlichen Alkoholkonsums des Angeklagten unterhalb der Schwelle einer Abhängigkeit geäußert. Hinzu kommt, dass im angefochtenen Urteil mehrfach auf den vom Angeklagten betriebenen "Alkoholmissbrauch" bzw. auf dessen "Alkoholproblematik", deren Bearbeitung angezeigt sei, abgestellt wird. Vor diesem Hintergrund erschließt sich ohne weitere Begründung die Annahme der Strafkammer nicht, beim Angeklagten liege auch keine "intensive Neigung" zum übermäßigen Alkoholkonsum vor.
14
b) Erweist sich danach die Ablehnung einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB als rechtsfehlerhaft, so ist damit zugleich der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen (§ 72 Abs. 1 StGB). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer, wäre sie vom Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen und hätte sie der Anlasstat Symptomwert für den Hang zugeschrieben, nicht nur die Gefährlichkeitsprognose , sondern auch eine hinreichend konkrete Aussicht auf eine erfolgreiche Suchtbehandlung und eine damit einhergehende deutliche Verringerung der Tätergefährlichkeit bejaht hätte.
15
c) Danach muss die Frage der Maßregelanordnung nach § 66 und § 64 StGB ebenfalls neu verhandelt und entschieden werden. Der neue Tatrichter wird dabei zum einen zu beachten haben, dass Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßnahme zur kumulativen Anordnung von Maßregeln führen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, NStZ 2010, 83). Zum anderen wird er der Prüfung einer Maßregelanordnung nach § 66 StGB den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) geforderten strengen Maßstab einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung" zugrunde zu legen haben. Dabei wird er insbesondere die Frage der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer schwerer Gewalt- oder Sexualtaten eingehender als bisher geschehen zu erörtern (Senatsbeschlüsse vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11 und vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11, StV 2011, 672) und sich hierbei vor allem auch mit dem fortgeschrittenen Alter des Angeklagten und einer etwa damit einhergehenden geringeren Gefährlichkeit auseinanderzusetzen haben.
16
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.

(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.

(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 2 4 0 / 1 4
vom
15. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Oktober
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Richterin am Amtsgericht bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin C. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. November 2013 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist,
b) sowie zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Von einer Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt. Die Revision des Angeklagten ist erfolglos. Dagegen hat das vom Generalbundesanwalt vertretene – nicht wirksam beschränkte – Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der 23 Jahre alte Angeklagte u. a. wie folgt vorbestraft:
3
a) Das Amtsgericht Köln verwarnte ihn am 25. November 2010 wegen „Beleidigung mittels Tätlichkeit“ jugendrichterlich und erteilte eine Weisung. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte im März 2010 auf der Damentoilette hinter die ihm nicht bekannte 16 Jahre alte Geschädigte getreten war, beide Hände um ihre Hüften gelegt und – ohne ihre Gegenwehr zu beachten – seinen Unterleib an ihrem Gesäß gerieben hatte.
4
Der Angeklagte, der aufgrund der ihm erteilten jugendrichterlichen Weisung eine Beratungsstelle aufgesucht hatte, bagatellisierte dort den Sachverhalt und „kommunizierteein in der Familie herrschendes, abwertendes Frauenbild.
Da er aber Behandlungsmotivation signalisierte“, sprach sich die zuständige Mitarbeiterin für weitere Gesprächstermine aus, zu denen es allerdings in der Folge nicht kam.
5
b) Am 5. August 2011 sprach das Amtsgericht Köln den Angeklagten der versuchten Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und der schwe- ren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung schuldig und verhängte unter Einbeziehung des vorgenannten Urteils eine Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Der Verurteilung lag folgendes zugrunde:
6
Der Angeklagte hatte am 21. November 2010 gegen Mitternacht die ihm unbekannte 18-jährige Geschädigte, der er zuvor gefolgt war, darauf angesprochen , sie näher kennen lernen zu wollen. Der Angeklagte hatte sich hinter ihr durch eine Haustür gedrängt und wurde zunehmend aggressiver. Er griff der Geschädigten von vorn in die Hose und Unterhose und berührte mit seiner Hand mehrfach ihre Vagina. Sodann drängte er die Geschädigte die Kellertreppe hinunter und versuchte ihre Stoffhose herunterzuziehen, was ihm aufgrund ihrer Gegenwehr nicht gelang. Als die Geschädigte um Hilfe rief, hielt ihr der Angeklagte den Mund zu. Eine Nachbarin, die auf das Geschehen aufmerksam geworden war, machte sich bemerkbar, woraufhin der Angeklagte die weitere Tatausführung aufgab und flüchtete.
7
Bereits Anfang Oktober 2010 hatte der Angeklagte mit sechs weiteren Mittätern entsprechend einem gemeinsamen Tatplan die Wohnung eines weiteren Geschädigten aufgesucht. Unter dem Eindruck zuvor erhaltener Schläge durch zwei Mittäter und des Vorhaltens eines Teleskopschlagstockes durch den Angeklagten hatte der Geschädigte einen Umschlag mit 100 € übergeben; das Geld hatten die Täter untereinander aufgeteilt.
8
Der Angeklagte verbüßte die Jugendstrafe bis Mitte November 2012. Im Anschluss daran hat das Amtsgericht Wuppertal die Dauer der Führungsaufsicht auf drei Jahre festgesetzt und dem Angeklagten u.a. die Weisung erteilt, Kontakt bei einer Beratungsstelle für die Behandlung sexualisierter Gewalt aufzunehmen und dort regelmäßig Beratungsgespräche wahrzunehmen, wozu es indes in der Folgezeit nicht kam.
9
2. Zur Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
10
a) Am 22. März 2013 begab sich der Angeklagte in den Garten der Erdgeschosswohnung der Familie L. . Er stellte sich unmittelbar vor eines der großen Fenster des Wohnzimmers, ließ seine Hose herunter und begann, an seinem erigierten Penis zu manipulieren. Dabei kam es ihm sowohl darauf an, die beiden etwa ein bis zwei Meter von dem Fenster entfernt auf einer Couch sitzenden 13- und 14-jährigen Mädchen, deren Alter er „unwiderlegbar auf etwa 17 Jahre schätzte, zu sehen, als auch von diesen bei Vornahme der sexuellen Handlung gesehen zu werden, was diese auch taten“. Die Mädchen waren durch den Anblick des onanierenden Angeklagten geschockt und empfanden Ekel, was der Angeklagte in Kauf nahm. Der Angeklagte ejakulierte sodann auf den Terrassenboden (Fall II. 1. der Urteilsgründe).
11
b) Am 30. April 2013 stand der Angeklagte in einem Flur eines Mehrfamilienhauses der 7-jährigen Nebenklägerin A. gegenüber, öffnete seine Hose und entblößte seinen Penis. Er forderte die Nebenklägerin „etwa fünfmal auf“, seinen Penis in den Mund zu nehmen, was diese jedoch mit Kopfschütteln ablehnte. Der Angeklagte, der im Wohnhaus eine Tür schlagen hörte, zog sich wieder an und forderte die Nebenklägerin auf, mit ihm in den Keller zu kommen. Dort entblößte der Angeklagte seinen Penis erneut und forderte die Nebenklägerin mehrfach auf, diesen in den Mund zu nehmen. Die Nebenklägerin lehnte dieses Ansinnen wiederum ab. Der Angeklagte zog sodann der Nebenklägerin die Hose herunter, betrachtete ihre unbekleidete Scheide und streichelte sie im Genitalbereich. Als die Nebenklägerin sich die Hose wieder hochzog, sich umdrehte und weglaufen wollte, hielt sie der Angeklagte am T-Shirt fest und zog sie zurück. Erneut forderte er sie auf, seinen Penis in den Mund zu nehmen, was die Nebenklägerin jedoch wiederum ablehnte. Als diese zu weinen begann, ließ der Angeklagte von ihr ab und ergriff die Flucht (Fall II. 3. der Urteilsgründe

).

12
c) Am 19. Mai 2013 gegen 06.45 Uhr begab sich der Angeklagte in ein Kinderkrankenhaus und betrat verschiedene Krankenzimmer. In dem ersten Zimmer, in das er ging, schlief eine Frau, die er an ihrem Kopftuch und an ihrem Rücken berührte. Als die Frau davon erwachte, verließ er das Zimmer. In dem nächsten Raum, den der Angeklagte betrat, schlief ebenfalls eine Frau. Er hob die Bettdecke an und betrachtete deren bekleideten Genitalbereich. Als die Frau erwachte verließ er das Zimmer.
13
Sodann betrat er das Zimmer der 10-jährigen Nebenklägerin C. , die dort mit einem anderen Mädchen schlief. Der Angeklagte trat an das Bett heran, zog die Bettdecke herunter und streichelte die Nebenklägerin zunächst am Bauch, wovon diese aufwachte. Der Angeklagte zog sodann deren Hose und Unterhose herunter, betrachtete ihre unbekleidete Scheide und streichelte sie im Genitalbereich. „Anschließend zog er sich selbst die Hose herunter, näherte sich mit seinem erigierten Penis dem Gesicht der Nebenklägerin und forderte sie auf, ihn in den Mund zu nehmen“. Die Nebenklägerin lehnte jedoch mehrfach ab. Als der Angeklagte auf dem Krankenhausflur ein Geräusch hörte, verließ er das Zimmer und das Krankenhaus (Fall II. 5. der Urteilsgründe).
14
3. Die Strafkammer hat gegenüber dem umfassend geständigen Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen exhibitionistischer Handlungen gemäß § 183 Abs. 1 StGB auf eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, im Fall II. 3. und II. 5. der Urteilsgründe jeweils wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB auf Freiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten bzw. vier Jahren erkannt. Von jeweils (tateinheitlichen) versuchtem schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes (in den Fällen II. 3. und II. 5. der Urteilsgründe) bzw. von einer (tateinheitlich) versuchten Vergewaltigung (im Fall II. 3. der Urteilsgründe) sei der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten.

II.

15
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere hat das Tatgericht den vom Revisionsgericht hinzunehmenden Rahmen vertretbarer Strafbemessung nicht überschritten.

III.

16
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg; zugleich führt das Rechtsmittel – zu Gunsten des Angeklagten – zur Aufhebung des Strafausspruchs.
17
1. Der Senat kann offen lassen, ob die Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung deswegen beschränkt ist, weil – trotz eines den Schuld- und Strafausspruch umfassenden Revisionsantrags – der Inhalt der Revisionsbegründungsschrift ausschließlich Ausführungen zur Nichtanordnung der Maßregelentscheidung enthält (vgl. zur Auslegung des Angriffsziels unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV: Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285 mwN).
18
Die Beschränkung der Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung , die grundsätzlich isoliert auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2011 – 4 StR 331/11, NStZ-RR 2012, 156, 157 mwN), wäre indes hier unwirksam. Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem auch deswegen nicht in der Sicherungsverwahrung untergebracht, weil aufgrund der Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs bei dem Angeklagten eine Haltungsänderung erwartet werden könne. Damit hat es Strafhöhe und Maßregelanordnung in einen inneren Zusammenhang gesetzt, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, insoweit in NStZ-RR 2011, 172 nicht abgedruckt; Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, insoweit in NStZ 2013, 707 nicht abgedruckt

).

19
2. Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat.
20
a) Die Strafkammer hat zutreffend die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB bejaht. Dem Sachverständigen folgend hat das Landgericht einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten und dessen („hohe“) Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB festgestellt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
21
Das Landgericht hat allerdings aufgrund seines unzutreffenden rechtlichen Ansatzes verkannt, dass auch die – formellen und materiellen – Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB vorgelegen haben könnten. Das für die Verhängung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB erforderliche Vorliegen von drei vorsätzlichen Taten setzt nicht voraus, dass diese Taten – wovondie Strafkammer fehlerhaft ausgegangen ist – gemeinsam in der Ent- scheidung abgeurteilt werden, in der die Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB angeordnet werden könnte. Vielmehr können eine oder zwei von diesen Taten schon vorher rechtskräftig abgeurteilt sein, sofern der Täter wenigstens eine der Symptomtaten als Erwachsener begangen hat (vgl. auch Senat , Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 2 StR 513/01, BGHR StGB § 66 Abs. 3 Katalogtat 2; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 3 StR 439/09, NStZ-RR 2010, 142, 143).
22
Neben den Fällen II. 3. und II. 5. der Urteilsgründe ist der Angeklagte durch das Amtsgericht Köln am 5. August 2011 zu einer einheitlichen Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden; dieser Verurteilung lagen ausschließlich Katalogtaten gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a) und lit.
b) StGB zugrunde. Eine in einem früheren Verfahren ausgesprochene einheitliche Jugendstrafe nach § 31 JGG erfüllt indes die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 StGB nur, wenn zu erkennen ist, dass der Täter wenigstens bei einer der ihr zugrundeliegenden Straftaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte, sofern sie als Einzeltat gesondert abgeurteilt worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2001 – 3 StR 261/01, NStZ 2002, 29; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 66 Rdn. 26, jeweils mwN). Dies festzustellen , ist tatrichterliche Aufgabe, die dem über die Sicherungsverwahrung entscheidenden Richter obliegt. Dabei hat der Tatrichter festzustellen, wie der Richter des Vorverfahrens die einzelnen Taten bewertet hat; er darf sich nicht an dessen Stelle setzen und im Nachhinein eine eigene Strafzumessung vornehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2001 – 3 StR 261/01, NStZ 2002, 29 mwN). Entsprechende Feststellungen muss der Tatrichter so belegen, dass eine ausreichende revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist.
23
b) Soweit die Strafkammer im Folgenden im Rahmen ihrer Ermessensausübung die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung auch damit be- gründet hat, der Angeklagte habe „in keinem der Fälle […] den Taterfolg eines qualifizierten Sexualdelikts herbeigeführt“, hat sie beiPrüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßregel einen unzutreffenden Bezugspunkt gewählt. Entscheidend ist, welche Straftaten vom Angeklagten zukünftig zu erwarten sind; die Anlasstaten haben dafür nur indizielle Bedeutung (vgl. auch Fischer, aaO, § 62 Rdn. 3a ff. mwN). Bezogen auf Hang und Gefährlichkeit hat das Landgericht insoweit aber ausgeführt, dass der Angeklagte, dem jegliche Opferempathie fehle, „durchaus auch bereit (sei),seine sexuellen Interessen mittels Einsatzes von Gewalt und das Eindringen in persönlichste Schutzbereiche seiner Opfer zu begehen“. Aufgrund seiner – durch Impulsivität und Aggressivität gekennzeich- neten – Persönlichkeitsstruktur seien seine sexuellen Übergriffe regelmäßig gegen besonders schwache und hilflose Frauen oder Mädchen gerichtet. Diese Umstände hat das Landgericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ausreichend in den Blick genommen.
24
c) Auch im Übrigen hat das Landgericht das ihm durch § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB eingeräumte Ermessen – auch eingedenk eingeschränkter revisionsgerichtlicher Nachprüfung – rechtsfehlerhaft ausgeübt. Die Erwägung des Landgerichts, eine Haltungsänderung des Angeklagten während der Dauer des Strafvollzugs sei zu erwarten, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
25
aa) Die Beurteilung, ob ein Angeklagter infolge seines Hanges zur Begehung schwerer Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist, richtet sich nach der Sachlage zum Zeitpunkt der Aburteilung (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB iVm § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB). Dieses hat die Strafkammer im Ansatz auch nicht verkannt.
26
Soweit indes die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB oder – wie vom Landgericht angenommen – nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB in Betracht kommt, ist es dem Tatrichter grundsätzlich gestattet, bei der Ausübung seines Ermessens die zu erwartenden Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs auf die Gefährlichkeit des Angeklagten zu berücksichtigen. Ihm ist die Möglichkeit eröffnet, sich ungeachtet der hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfindung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Angeklagte schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, NStZ 2013, 707).
27
Ein Absehen von der Verhängung der Sicherungsverwahrung bei Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte erwarten lassen, dass dem Täter aufgrund der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie therapeutischer Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann. Nur denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug reichen nicht aus (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172; Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, NStZ 2013, 707, jeweils mwN).
28
bb) Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht.
29
(1) Im Rahmen der Prognosebeurteilung hat das Landgericht ausgeführt, „dass ohne eine erfolgreiche therapeutische Einwirkung auf den Angeklagten auch für die Zukunft ernsthaft damit zu rechnen ist, dass er seinen devianten sexuellen Impulsen in strafbarer Weise nachgehen wird“. Daraus ergibt sich bereits, dass allein durch Strafverbüßung eine Haltungsänderung des Angeklagten , die zu einer Verminderung seiner Gefährlichkeit führen wird, nicht zu erwarten ist.
30
(2) Die vom Landgericht zugrunde gelegten „erkennbaren positiven An- sätze im Hinblick auf eine therapiebedingte Verhaltensänderung“ des Angeklag- ten sind nicht belegt. Während seiner ersten Inhaftierung war der Angeklagte zu einer Therapie „allenfalls“ vordergründig bereit. Eine Haltungsänderung im Ver- lauf der Haft habe sich lediglich insoweit abgezeichnet, dass der Angeklagte zu Beginn der Haft „frech, fordernd und respektlos“ aufgetreten sei, gegen Ende der Haftzeit hingegen „angepasst und ruhiger“. Nach Entlassung aus derHaft habe der Angeklagte entsprechende Therapieauflagen – sanktionslos – nicht erfüllt. Die Versicherung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, „nunmehr eingesehen (zu haben), dass er Hilfe brauche und bereit sei, aktiv an sich zu arbeiten“, hat das Landgericht als „wenig emotional fundiert und noch nicht von der Einsicht in die Komplexität seiner Problematik getragen“ bewertet, zumal er schon in der Vergangenheit Therapiebereitschaft und Kooperation vorgetäuscht habe. Da jedoch während der Inhaftierung des Angeklagten „eine Unterbrin- gung in der sozialtherapeutischen Abteilung […] möglich“ sei, bestehe „vor dem Hintergrund des jungen Alters des Angeklagten, der durch die Inhaftierung eingetretenen Isolierung von seiner Familie sowie der Tatsache, dass im Rahmen der ersten Inhaftierung bereits Verhaltensänderungen zu beobachten waren, […] die begründete Erwartung einer erfolgreichen Therapie“.
31
Damit hat das Landgericht indes nur denkbare Wirkungen des künftigen Strafvollzugs benannt, die kaum mehr als eine Hoffnung beschreiben. Über die im Ansatz vorhandene allgemeine Unrechtseinsicht und – möglicherweise nur vorgetäuschte – Therapiebereitschaft des Angeklagten hinaus werden konkrete Anhaltspunkte für einen erwartbaren Erfolg der resozialisierenden und therapeutischen Maßnahmen im Strafvollzug – unbeschadet nicht mitgeteilter Sachverständigenprognose – nicht benannt.
32

d) Nach alledem muss über die Anordnung der Sicherungsverwahrung nochmals entschieden werden.
33
Die aufgrund der Weitergeltungsanordnung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326) auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots in vorliegendem Fall weiterhin (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 17. April 2014 – 3 StR 355/13, NStZ-RR 2014, 207 mwN) vorzunehmende "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" steht der Anordnung der Sicherungsverwahrung hier nicht von vornherein entgegen (vgl. zur Anlasstat gemäß § 176 Abs. 1 StGB: BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 StR 465/12, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 9 mwN).
34
Sofern auch nach erneuter Verhandlung keine konkreten Anhaltspunkte für einen erwartbaren Erfolg der resozialisierenden und therapeutischen Maßnahmen im Strafvollzug vorliegen sollten, bleibt es der Prüfung nach § 67c StGB vorbehalten, ob der Angeklagte nach Strafverbüßung weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich und daher der Vollzug der Sicherungsverwahrung geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 – 1 StR 474/03, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 7; Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZRR 2011, 172).
35
3. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im (unterbliebenen) Maßregelausspruch führt zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung auch des gesamten Strafausspruchs. Im Hinblick auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils zu den möglichen Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht die nunmehr erneut im Raum stehende Sicherungsverwahrung verhängt hätte (vgl.
auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13 mwN, insoweit in NStZ 2013, 707 nicht abgedruckt). Im Übrigen hat die Überprüfung des Strafausspruchs keinen Rechtsfehler ergeben. Appl Schmitt Eschelbach Ott Zeng

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.