Bundesgerichtshof Urteil, 09. Mai 2017 - 1 StR 576/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:090517U1STR576.16.0
bei uns veröffentlicht am09.05.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 576/16
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2017:090517U1STR576.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Mai 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Bellay, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, der Nebenkläger persönlich - in der Verhandlung -, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Nebenklägervertreter, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Juli 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt undihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer auf den Strafausspruch beschränkten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts, vornehmlich die Annahme der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts stach die Angeklagte am 6. September 2015 in alkohol- und drogenbedingt enthemmtem Zustand ihren Arbeitgeber in dem von ihm als Mitinhaber betriebenen Café mit einem Messer fünfmal mit bedingtem Tötungsvorsatz in den Brust- und Bauchbereich. Vorausgegangen war ein Streitgespräch über einen Vorfall im Jahr 2014, bei dem der Geschädigte die Angeklagte sexuell belästigt hatte. Im Rahmen des Disputs forderte der Geschädigte die Angeklagte auf, auf ihn (doch) mit einem im Arbeitsbereich liegenden Messer einzustechen, was diese dann auch tat. Vier der mit leichter und mittlerer Wucht geführten Stiche drangen maximal ein bis eineinhalb Zentimeter in den Bauch- und Brustbereich ein; ein Stich wurde von der Jacke des Geschädigten abgehalten. Trotz des starken Blutverlustes bestand für den Geschädigten keine konkrete Lebensgefahr. Er hätte auch ohne ärztliche Hilfeleistung überlebt. Die Verletzungen sind weitgehend folgenlos verheilt. Lediglich beim Heben schwerer Gewichte treten Schmerzen auf. Wegen der psychischen Folgen der Tat hat sich der Geschädigte in psychiatrische Behandlung begeben.
3
2. Die Schwurgerichtskammer hat aufgrund der entfalteten Rettungsbemühungen der Angeklagten einen strafbefreienden Rücktritt vom Totschlagsversuch angenommen. Mit Blick auf die abstrakte Lebensgefährlichkeit der Messerstiche hat sie die Voraussetzungen der gefährlichen Körperverletzung in den Tatvarianten nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB als verwirklicht angesehen.
4
3. Bei der Strafrahmenwahl hat das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls nach § 224 Abs. 1 StGB verneint. Es hat jedoch eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen, weil es die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs als erfüllt angesehen hat. Insoweit hat das Landgericht festgestellt, dass die in Untersuchungshaft befindliche, geständige Angeklagte Kontakt zum Geschädigten gesucht, ihm einen Brief geschrieben und sich darin und anschließend in der Hauptverhandlung nochmals beim Geschädigten für die Tat entschuldigt hatte. Der nahm die Entschuldigung in der Hauptverhandlung an, auch wenn ihm dies nach seinem Bekunden schwer fiel. Zudem hat die vermögenslose Angeklagte, die zuvor beim Geschädigten nur geringfügige Einkünfte von monatlich 200 bis 300 Euro erzielt hatte, diesem aus ihrem Verdienst in der Untersuchungshaft von monatlich etwa 80 Euro einen Betrag von 420 Euro zukommen lassen, den sie angespart hatte. Der Geschädigte hat den Geldbetrag angenommen (UA S. 13).

II.

5
Die Revision der Staatsanwaltschaft, die wirksam auf den Strafausspruch beschränkt ist, hat keinen Erfolg.
6
1. Zwar hat die Beschwerdeführerin ihr Rechtsmittel nachträglich lediglich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) beanstandet sie jedoch nicht.
7
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16 mwN). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat hier die Beschwerdeführerin klar zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht angreifen will.
8
2. Der Strafausspruch begegnet keinen Bedenken. Insbesondere hat das Landgericht die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB ohne Rechtsfehler als gegeben angesehen.

9
a) § 46a Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutmacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren muss. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 1; Urteile vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646 und vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29).
10
b) Gemessen daran hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB bejaht. Entgegen der Ansicht der Revision hat die Angeklagte im Rahmen ihres Geständnisses die Verantwortung für die Tat uneingeschränkt übernommen. Dass sie – ebenso wie der Geschädigte – keine konkrete Erinnerung an das unmittelbare Tatgeschehen hatte, ändert daran nichts. Der Umstand, dass die Angeklagte bestritten hat, dass sie die Videokamera , die das Tatgeschehen (visuell) hätte aufzeichnen können, vor der Tatbegehung gezielt umgestoßen hat, lässt ihre Verantwortungsübernahme für die Tat nicht entfallen. Sie hat nämlich das Tatgeschehen gleichwohl eingeräumt und somit ihr Tun und die daraus resultierenden Folgen nicht in Abrede gestellt, insbesondere aber auch nicht die „Opfer-Position“ des Geschädigten bestritten (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 2015 – 2 StR 307/15).
11
c) Dem Urteil ist zudem hinreichend zu entnehmen, dass zwischen der Angeklagten und dem Geschädigten ein kommunikativer Prozess während ihrer Untersuchungshaft begonnen wurde. Sie hat in dem an den Geschädigten gerichteten Entschuldigungsschreiben die Verantwortung für die Tat übernommen und dies in der Hauptverhandlung wiederholt. Der Geschädigte hat die Entschuldigung – ebenso wie den von der Angeklagten angesparten und überreichten Geldbetrag – auch angenommen. Die Ansicht der Revision, der Geschädigte habe die Entschuldigung und den Geldbetrag nicht als friedensstif- tenden Ausgleich angesehen, weil er das Geld ohne „weitere Erklärung entgegen“ genommen habe und es ihm auch schwer gefallen sei, die Entschuldigung zu akzeptieren, stellt lediglich eine eigene, revisionsrechtlich unbeachtliche Bewertung der friedensstiftenden Wirkung – wie sie vom Tatgericht angenommen wurde – dar. Weitergehender Ausführungen des Landgerichts hierzu bedurfte es vorliegend nicht.
12
Schließlich hat das Landgericht die geleistete Zahlung der Angeklagten ohne Rechtsfehler als ernsthaftes Erstreben einer Wiedergutmachung bewertet. Es hat dabei zutreffend darauf abgestellt, dass der Geldbetrag zwar objektiv nicht hoch genug sei, um ihn als überwiegende Wiedergutmachung des immateriellen Schadens anzusehen. Jedoch sei der Betrag gemessen an den finanziellen Möglichkeiten der Angeklagten eine ganz erhebliche Leistung, die ihren Wiedergutmachungswillen belege. Raum Graf Bellay Cirener Radtke

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Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 545/16
vom
22. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:220217U5STR545.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer,
Richter Prof. Dr. Sander, Richterin Dr. Schneider, Richter Dr. Berger, Richter Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt S.
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. Juni 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Rau1 bes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
2
1. Der 25 Jahre alte Angeklagte, der keinen Beruf erlernt und zuletzt So3 zialleistungen bezogen hat, konsumierte bereits in seiner Jugend Cannabis.
Seit 2012 nahm er, zunächst an Wochenenden, zusätzlich Speed, Ecstasy und Kokain zu sich. Etwa Ende Februar 2016 verlor seine damalige Lebensgefährtin das erwartete gemeinsame Kind durch Fehlgeburt. Spätestens nach diesem Verlust, der ihn sehr belastete, hatte der Angeklagte seinen Betäubungsmittelkonsum nicht mehr unter Kontrolle. Er steigerte insbesondere die Einnahme von Amphetamin und Kokain und gab für diese Drogen nahezu täglich 50 Euro aus. Dadurch verschuldetete er sich in erheblicher Höhe bei seinen Rauschgiftlieferanten , die ihm bedeuteten, dass er vor einem Erhalt weiterer Drogen zunächst seine Schulden abtragen müsse.
Als er über kein Rauschgift und kein Geld mehr verfügte, entschloss sich
4
der Angeklagte, um neue Drogen kaufen zu können, die Filiale eines Einkaufsmarktes zu überfallen. Bewaffnet mit einer mit Gaspatronen geladenen Pistole begab er sich am 21. März 2016 kurz vor Geschäftsschluss in diesen Einkaufsmarkt und verbarg sich maskiert zunächst in der Damentoilette. Als eine Mitarbeiterin den Raum betrat, bedrohte der Angeklagte sie mit der Pistole und fesselte sie mit einem mitgeführten Klebeband. Er ließ sie im Toilettenraum zurück und traf auf dem davor liegenden Gang auf einen Filialmitarbeiter, den er ebenfalls mit der Pistole bedrohte und fesselte. Sodann begegnete der Angeklagte einem Sicherheitsbediensteten. Als dieser die ihm vom Angeklagten vorgehaltene Pistole abzuwehren versuchte, schoss der Angeklagte ihm aus 20 bis 30 cm Entfernung mit der Pistole gezielt gegen die Stirn, wodurch der Zeuge unter anderem eine Platzwunde erlitt. Auf seinem anschließenden Weg zu den Büroräumen bedrohte der Angeklagte einen weiteren Mitarbeiter des Einkaufsmarktes mit der Pistole. Im Kassenbüro angekommen hielt er der mit der Abrechnung befassten Mitarbeiterin die Pistole vor und ergriff eine Tüte mit dem Kassenbestand von 13.600 Euro. Anschließend bedrohte er mit seiner Waffe zwei weitere Mitarbeiter, bevor er mit der Beute den Einkaufsmarkt verließ. Das erbeutete Geld verwandte der Angeklagte zur Tilgung seiner Schulden bei seinen Drogenlieferanten und zum Erwerb von Betäubungsmitteln.
2. Das sachverständig beratene Landgericht hat in Übereinstimmung mit
5
der psychiatrischen Sachverständigen nicht ausschließen können, dass der Angeklagte bei der Tat aus Angst vor Entzugserscheinungen im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gehandelt habe. Der Angeklagte sei polytoxikoman abhängig von Amphetaminen, Ecstasy und Kokain gewesen und habe unter einem Suchtdruck gelitten, der ihn die Betäubungsmittel täglich konsumieren ließ. Er habe für die Vergangenheit eine deutliche Entzugssymptomatik geschildert. Auch während des Tatgeschehens habe der Angeklagte gezittert. Nicht ausschließbar sei sein Zittern während des Tatgeschehens auf einen Entzug zurückzuführen.
Dementsprechend hat das Landgericht bei der Strafrahmenwahl unter
6
Verbrauch des Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB angenommen.

II.


Der Revision bleibt der Erfolg versagt.
7
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
8
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Auf9 hebung des angefochtenen Urteils gestellt. Auch hat sie zur Begründung der von ihr erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts dargelegt, dass die der allgemeinen Sachrüge nachfolgenden Ausführungen nur beispielhaft erfolgten. Jedoch hält die Revisionsführerin das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das Landgericht zu Unrecht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten angenommen und ihn unter Anwendung des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt habe.
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegrün10 dung, ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88, 89 mwN). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat hier die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel weder den Schuld- noch den Maßregelausspruch angreifen will.
2. Die Beurteilung des Landgerichts, die Steuerungsfähigkeit des Ange11 klagten sei erheblich vermindert gewesen, und die sich maßgeblich auf diesen Strafmilderungsgrund stützende Strafrahmenwahl halten der sachlichrechtlichen Prüfung stand.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei
12
Beschaffungsdelikten eines rauschgiftabhängigen Täters dessen Steuerungsfähigkeit unter Umständen auch dann erheblich vermindert sein, wenn er aus Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen handelt, die er schon als äußerst unangenehm erlitten hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. April 2012 – 1StR 15/12, NStZ 2013, 53, 54, und vom 20. August 2013 – 5 StR 36/13, NStZ-RR 2013, 346, 347 mwN). Dieser zunächst in Bezug auf Heroinabhängigkeit entwickelte Grundsatz (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1989 – 5 StR 175/89, NJW 1989, 2336) ist trotz unterschiedlicher Entzugsfolgen auch bei einer Koka- inabhängigkeit für ausnahmsweise anwendbar gehalten worden (BGH, Urteil vom 2. November 2005 – 2 StR 389/05, NStZ 2006, 151, 152; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 2012 – 1 StR 15/12 aaO), bei der körperliche Entzugssymptome in der Regel geringer ausgeprägt sind.
Für die Beurteilung, ob Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheb13 lichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei einem betäubungsmittelabhängigen Täter geführt hat, ist insbesondere auf die konkrete Erscheinungsform der Sucht abzustellen. Auch deren Verlauf und die suchtbedingte Einengung des Denk- und Vorstellungsvermögens sind in die Gesamtwürdigung des Zustands einzubeziehen (BGH, Urteil vom 2. November 2005 – 2 StR 389/05 aaO). Ob bei Betäubungsmittelabhängigkeit aufgetretene Entzugserscheinungen oder Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt haben, ist eine Frage, die das Tatgericht zu entscheiden hat; hierbei steht ihm ein nur eingeschränkt revisionsgerichtlich überprüfbarer Spielraum zu (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – 5 StR 306/03).

b) Diesen Vorgaben trägt das angefochtene Urteil noch hinreichend
14
Rechnung. Sein Ergebnis, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei wegen seiner Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen erheblich vermindert gewesen, hält sich noch innerhalb der ihm eingeräumten Grenzen.
3. Auch bei der konkreten Strafzumessung ist dem Tatgericht kein
15
Rechtsfehler unterlaufen.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 307/15
vom
23. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:231215U2STR307.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Dezember 2015, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten M. , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten E. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten M. gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 28. Januar 2015 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil hinsichtlich der Angeklagten M. und E. im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Sich-Bereiterklärens zu einem Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten E. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt. Die gegen seine Verurteilung ge- richtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten M. ist unbegründet. Das wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterhielt der Angeklagte E. im Zeitraum Frühjahr 2012 bis November 2013 eine Liebesbeziehung zu K. . Als K. die Beziehung beendete, akzeptierte der an einer dissozialen, narzisstischen und histrionischen Persönlichkeitsstörung leidende Angeklagte E. dies nicht und begann seinem früheren Partner nachzustellen, was zu einer Strafanzeige führte.
3
Im März 2014 erfuhr der Angeklagte E. , dass K. eine Beziehung zu Es. eingegangen war. In ihm verfestigte sich, beruhend auf einem Konglomerat aus Eifersucht, Missgunst, Enttäuschung, großer Verzweiflung , narzisstischer Wut und endgültiger Verlustangst, der Gedanke, Es. umbringen zu lassen, um K. für sich zurückzugewinnen. Bei seiner Recherche nach einem Auftragsmörder stieß er im so genannten "D. " auf einen Eintrag des Mitangeklagten M. , der seine Dienste wie folgt anbot: "… Suche nochimmer Arbeit, beinahe gleich was! Transporter, Mafia, Hitman … Da will ich als Krimineller durchstarten … Gerne Mafia oder ähnlich strukturell angesiedelte Organisation. Gruß C. ".
4
Auf diesen Eintrag antwortete der Angeklagte E. und behauptete, Mitglied des "O. " zu sein, dessen Führung die Beseitigung eines Verräters , des Nebenklägers Es. , verlange. M. würde einen Vorschuss von 3.000 Euro und weitere 7.000 Euro nach Erledigung des Auftrags erhalten; zudem könne er in die Organisation aufgenommen werden. M. , der im Übrigen mittellos war und sich von dem Geld ein Motorrad kaufen wollte, erklärte sich einverstanden. E. nahm daraufhin einen Kredit bei seiner Sparkasse auf und ließ M. den Vorschuss zukommen, ohne dass es zu einem persönlichen Zusammentreffen kam. Anschließend teilte er M. Namen und Adresse des zu Tötenden mit und betonte, dass K. bei der Ausführung nichts geschehen dürfe. Auf Anregung E. vereinbarte M. für den 28. April 2014 einen Hausbesuch bei dem arbeitslosen Es. unter dem Vorwand, Mitarbeiter des Jobcenters zu sein. Per Safemail informierte er E. , er werde bei Es. "einmarschieren und ihm das Ehrliche Silber durch den Hals ziehen". Dieses erste Vorhaben scheiterte jedoch, weil sich M. nicht als Mitarbeiter des Jobcenters ausweisen konnte und deshalb von Es. nicht eingelassen wurde. M. informierte E. über den Fehlschlag und versprach Erledigung für den 2. Mai 2014.
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An diesem Tag klingelte er gegen 22.00 Uhr an der Hauseingangstür zu Es. Wohnung. Bei sich trug er ein Messer mit einer Klingenlänge von 21,5 cm. Da er wusste, dass Es. ihn von dem vorherigen Besuch kannte , positionierte er sich außerhalb des durch die teilverglaste Hauseingangstür einsehbaren Bereichs. Als Es. , der durch den Glaseinsatz der Tür niemanden erblickte, die Tür einen Spalt weit öffnete, drang M. gewaltsam ein und fügte dem Nebenkläger unter Ausnutzung des Überraschungsmoments sogleich eine Schnittverletzung am Hals und im Gesicht zu. Es entwickelte sich ein Kampfgeschehen, bei dem M. weiter versuchte, dem erheblich Widerstand leistenden Es. weitere Stiche in Oberkörper und Hals zu versetzen. Dabei erlitt Es. u.a. tiefe Schnittwunden der rechten Hand mit Sehnendurchtrennung. Dem durch die Hilfeschreie alarmierten und zu Hilfe eilenden Nebenkläger K. versetzte M. Schnitte im Nackenbereich und am Oberarm. K. bewaffnete sich daraufhin seinerseits mit einem Küchenmesser und forderte, in der anderen Hand ein Telefon haltend, M. auf, "sich zu verpissen". Zu diesem Zeitpunkt war M. über den am Boden liegenden Es. gebeugt, während K. in einer Entfernung von ca. 1 m bewaffnet mit dem Küchenmesser in seinem Rücken stand. M. , der erkannte, dass ein weiteres Einstechen auf Es. zwar möglich war, für ihn selbst aber ein erhebliches Risiko bedeutet hätte, seinerseits erheblich verletzt zu werden und der zudem davon ausging, K. habe bereits telefonisch alsbald eintreffende Rettungskräfte alarmiert, ergriff daraufhin die Flucht.
6
Es. erlitt durch den Angriff zahlreiche Schnittverletzungen im Hals- und Kopfbereich sowie an den Händen, was einen stationären Krankenhausaufenthalt mit handchirurgischen Eingriffen bis zum 16. Mai 2014 erforderlich machte. Eine erneute Operation erfolgte im November 2014. Weitere handchirurgische Eingriffe mit Nerventransplantation sowie schönheitschirurgische Eingriffe an der Gesichtsnarbe sind vorgesehen. Zudem befindet er sich in psychologischer Behandlung, weil er unter Angst- und Stimmungsschwankungen leidet. Die Verletzungen K. konnten ambulant versorgt werden.
7
2. Nach dem aus seiner Sicht misslungenen Tötungsversuch nahm der Angeklagte E. wieder via Internet Kontakt zu M. auf, um ihn dazu zu bewegen , die Sache zu Ende zu bringen. Dabei bedauerte M. , dass die "Ziel- person …noch immer unter ihnen wandelte" und zudem "schon zu viel Mühe und Zeit investiert worden war um aufzugeben." Beide Angeklagten diskutierten via Internet über verschiedene Ausführungsmöglichkeiten, wie z.B. die Verabreichung einer tödlichen Injektion im Krankenhaus und insbesondere die Erschießung Es. mit einer mit Schalldämpfer versehenen Waffe, die entweder in Tschechien oder über einen Bekannten M. hätte besorgt werden müssen. Dabei machte E. klar, dass die Organisation auf eine Erledigung des Auftrags unbedingt bestehe und stellte gleichzeitig eine Erhöhung des vereinbarten Entgelts auf 35.000 Euro in Aussicht.
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Am 20. Mai 2014, dem Tag der Verhaftung E. , fuhr M. nach H. , um dort eine Schusswaffe für 1.100 Euro zu erwerben,was er E. per E-Mail mitteilte. E. , dem der Angeklagte M. weder namentlich noch persönlich bekannt war, gab bei seiner Beschuldigtenvernehmung das Versteck der SIM-Karte preis, mittels derer er mit M. telefoniert hatte. So gelang es, den Angeklagten M. ausfindig zu machen und am 22. Mai 2014 festzunehmen.

II.


9
1. Die Revision des Angeklagten M. hat keinen Erfolg.
10
Der mit der Formalrüge geltend gemachte Verstoß gegen § 261 StPO liegt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht vor.
11
Auch die Sachrüge bleibt ohne Erfolg.
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Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte M. habe bei der versuchten Tötung des Nebenklägers Es. heimtückisch und aus Habgier gehandelt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die dagegen erhobenen Einwände sind fernliegend. Dass von dem Mitangeklagten E. nach dem Scheitern des ersten Anschlags Druck ausgeübt wurde, den Auftrag zu Ende zu bringen, ändert nichts daran, dass es dem Angeklagten M. maßgeblich da- rum ging, den versprochenen und nach oben nachverhandelten Auftragslohn für die Tötung Es. zu erlangen und sich zudem dadurch Zugang zu der Organisation zu verschaffen, um sich so eine dauerhafte Einnahmequelle zu sichern.
13
Soweit die Strafkammer die Freiwilligkeit eines Rücktritts vom unbeendeten Versuch verneint hat, ist auch dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Aufgrund des Einschreitens des nunmehr ebenfalls bewaffneten, eingriffsbereiten K. , der sich zudem im Rücken des Angeklagten befand, wäre ein weiteres Einstechen auf den sich wehrenden Geschädigten Es. mit einer unkalkulierbaren Eigengefährdung verbunden gewesen. Darüber hinaus hat der Angeklagte M. in seiner E-Mail vom 10. Mai 2014 an den Angeklagten E. eingeräumt, auch deshalb geflohen zu sein, da K. Telefon schon geleuchtet habe und er nicht auf frischer Tat ertappt werden wollte. Im Ergebnis hat der Angeklagte damit aufgrund einer äußeren Zwangslage und damit nicht freiwillig (vorübergehend) von einer Tötung des Nebenklägers Es. Abstand genommen (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 24 Rn. 19 ff.).
14
Die Strafzumessungserwägungen sind - wie vom Generalbundesanwalt ausgeführt - frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten.
15
2. Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung aufgrund eines stattgefundenen Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB vorgenommen hat, halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
16
a) Im Adhäsionsverfahren haben die Geschädigten vertreten durch ihre Rechtsanwälte und die Angeklagten einen Vergleich geschlossen, in dem letztere sich gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 15.000 Euro an den Nebenkläger Es. sowie in Höhe von 1.500 Euro an den Nebenkläger K. verpflichten. Der Angeklagte M. hat sich darüber hinaus verpflichtet, weitere 1.000 Euro an den Geschädigten K. zu zahlen, das Ganze mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass beide Angeklagte über kein vollstreckbares Einkommen verfügen.
17
Darin sieht die Strafkammer einen kommunikativen Prozess und die volle Übernahme von Verantwortung, zumal sich beide Angeklagte bei dem Zeugen Es. entschuldigt haben. Durch den durch die jeweiligen Anwälte verhandelten Vergleich sei es zu einer friedensstiftenden Wirkung gekommen, die zu einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1 StGB führe.
18
b) Zutreffend ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB zur Anwendung gelangen kann. Da sich § 46a Nr. 1 StGB vorrangig auf den Ausgleich immaterieller Folgen einer Straftat bezieht (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557), kann die Zahlung eines Schmerzensgeldes nach § 253 Abs. 2 BGB der Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB unterfallen (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04; Urteil vom 7. Dezember 2005 - 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276; Fischer, aaO Rn. 9 f.).
19
Dass aufgrund der Vermögenslage der Angeklagten, die zudem eine langjährige Haftstrafe zu verbüßen haben, auf absehbare Zeit nicht mit einer auch nur (teilweisen) Zahlung von Schmerzensgeld zu rechnen ist (vgl. UA S. 64/69), steht der Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB - wie das Land- gericht zutreffend erkannt hat - nicht grundsätzlich entgegen. Im Rahmen des § 46a Nr. 1 StGB genügt - anders als bei § 46a Nr. 2 StGB - das ernsthafte Erstreben einer Wiedergutmachung; ein Wiedergutmachungserfolg wird deshalb nicht vorausgesetzt (Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557; BGH, Beschluss vom 22. August 2001 - 1 StR 333/01, NStZ 2002,

29).


20
Soweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt, dass das Verhalten des Täters sich als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung darstellt (Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557), steht dem nicht entgegen, dass der Angeklagte M. eine Tötungsabsicht bestritten und damit den Tatvorwurf nicht vollumfänglich eingeräumt hat (vgl. UA S. 20 f.). Dies schließt die von dem Landgericht angenommene Verantwortungsübernahme für die Tat (UA S. 63) nicht aus. Der Angeklagte hat dadurch seine Verantwortung für die Tat und deren Folgen nicht in Abrede gestellt. Er hat das objektive Tatgeschehen vielmehr weitgehend eingeräumt (UA S. 19 ff.) und die "Opfer-Position" des Geschädigten nicht bestritten (vgl. Senatsurteil vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176 [Behauptung einer Notwehrlage]). Soweit ein Angeklagter lediglich einzelne Umstände der Tatbegehung beschönigt, steht dies einer Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB nicht entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. September 2002 - 2 StR 336/02, NStZ 2003, 199, 200 und vom 25. Juni 2008 - 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304).
21
Regelmäßig sind aber auch tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich , wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat. Hier lassen die Feststellungen des Landgerichts nicht erkennen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme des erforderlichen "kommunikativen Prozes- ses zwischen Täter und Opfer" vorlagen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264, 3265). Für die Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB bedarf es grundsätzlich zwar keines persönlichen Kontakts zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten (BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 2; Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557; vgl. auch Fischer, aaO § 46a Rn. 7). Der kommunikative Prozess kann auch über die jeweiligen Rechtsanwälte erfolgen. Die schlichte Behauptung, es habe - vermittelt durch die jeweiligen Vertreter - ein kommunikativer Prozess stattgefunden (vgl. UA S. 63/69), genügt bei der hier vorliegenden Fallgestaltung allerdings nicht. Es fehlen insbesondere Feststellungen dazu, wie sich die Geschädigten zu den Ausgleichsbemühungen der Angeklagten verhalten haben, insbesondere dazu, ob die Geschädigten die (zugesagten) Leistungen als "friedensstiftenden Ausgleich" (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264, 3265) akzeptiert haben. Solche Feststellungen sind regelmäßig erforderlich (BGH, Urteil vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04; Urteil vom 7. Dezember 2005 - 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276; Urteil vom 12. Januar 2012 - 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439, 440).
22
Im vorliegenden Fall haben beide Geschädigte der gesamten Hauptverhandlung in ihrer Rolle als Nebenkläger beigewohnt. Gleichwohl fehlt im Urteil jeder Hinweis, ob der durch den Angriff auf sein Leben schwer gezeichnete Es. die Entschuldigung der beiden Angeklagten und einen weitgehend wertlosen Titel als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert hat. Dass sich die beiden Angeklagten auch bei dem Geschädigten K. entschuldigt hätten, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Ebenso wenig wird dargestellt, welche Ansprüche die beiden Geschädigten im Adhäsionsverfahren zunächst geltend gemacht hatten und ob der schließlich geschlossene Vergleich gegebenenfalls noch zu einer Reduzierung des Schmerzensgeldanspruchs, zu dessen Erfüllung die Angeklagten hier ohnehin verurteilt worden wären, geführt hat. Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, ob es sich bei dem in der Hauptverhandlung geschlossenen Vergleich um ein ernsthaftes Bemühen um Schadenswiedergutmachung oder um ein taktisches Vorgehen in der Hoffnung auf eine mildere Strafe gehandelt hat.
Fischer Appl Eschelbach
Ott Zeng