Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2014 - XII ZR 92/13
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin vermietete an die Drittwiderklägerin Räumlichkeiten zum Betrieb einer Gaststätte. In den ersten vier Nutzungsmonaten (September bis Dezember 2009) sollten nur Vorauszahlungen auf die Nebenkosten geleistet werden, ab Januar 2010 auch darüber hinausgehende Miete, für die der Be- klagte sich selbstschuldnerisch bis zum Höchstbetrag von 10.650,50 € verbürg- te.
- 2
- Im Januar 2010 wurde ein Schaden an der Heizungs- und Lüftungsanlage festgestellt, dessen Ursachen streitig sind. Die Drittwiderklägerin minderte die Miete wegen dieses Mangels und wegen behaupteter Feuchtigkeitsschäden sowie Belästigungen durch vom Kellergeschoss aufsteigenden Chlorgeruch. Mit Schreiben vom 22. Februar 2010 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs.
- 3
- Mit der Klage hat die Klägerin ausstehende Miete und Nutzungsentschädigung in Höhe des Bürgschaftshöchstbetrags von 10.650,50 € verlangt. Der Beklagte hat widerklagend den Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten von 1.675,04 € verlangt.
- 4
- Die Drittwiderklägerin hat, nachdem sie das Mietobjekt im späteren Verlauf des Rechtsstreits geräumt hat, Feststellung verlangt, dass ihre ursprünglichen Widerklagebegehren betreffend die Unwirksamkeit der Kündigung vom 22. Februar 2010 und die Pflicht der Klägerin zur Instandsetzung der Heizungsund Lüftungsanlage sowie zur Beseitigung von Feuchtigkeitsmängeln in der Hauptsache erledigt seien. Ferner hat sie einen Teilbetrag von 5.000 € nebst Zinsen als überzahlte Miete und den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten von 1.880,20 € nebst Zinsen verlangt.
- 5
- Das Landgericht hat, nachdem der Rechtsstreit durch ein erstes Berufungsurteil bereits dorthin zurückverwiesen worden war, den Beklagten zur Zahlung von 10.650,50 € nebst Zinsen verurteilt und seine Widerklage abgewiesen. Dabei hat es eine Mietminderung um (nur) 25 % angenommen, weil nichts Näheres von der Drittwiderklägerin dazu vorgetragen worden sei, wie sich die festgestellten Mängel auf die Nutzungsmöglichkeiten ausgewirkt hätten. Ferner hat es die Erledigung der Hauptsache in denjenigen Drittwiderklagepunkten festgestellt, die sich auf Mängel an der Heizungs- und Lüftungsanlage sowie auf Feuchtigkeitsschäden beziehen, und die weitergehende Drittwiderklage abgewiesen. Auf die Berufung der Drittwiderklägerin hat das Oberlandesgericht auch die Erledigung bezüglich der Unwirksamkeit der Kündigung vom 22. Februar 2010 festgestellt und die Klägerin zur Zahlung von 1.880,20 € an die Drittwiderklägerin verurteilt. Die weitergehende Berufung der Drittwiderklägerin sowie diejenige des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich diese mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
II.
- 6
- Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur teilweisen Aufhebung des angegriffenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
- 7
- 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Oberlandesgericht die im Berufungsrechtszug näher dargelegten Auswirkungen der Mängel auf den Geschäftsbetrieb der Drittwiderklägerin unter unzutreffender Annahme der Voraussetzungen der §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen und dadurch deren und des Beklagten Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
- 8
- a) Hinsichtlich des Umfangs der ihnen obliegenden Darlegungen durften der Beklagte und die Drittwiderklägerin nämlich im ersten Rechtszug davon ausgehen, dass das Landgericht der Senatsrechtsprechung folgen würde, wonach konkret nur die Sachmängel dargelegt werden müssen, die die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen, hingegen das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung durch den Mangel nicht in die Darlegungslast des Mieters fällt (Senatsurteil vom 27. Februar 1991 - XII ZR 47/90 - NJW-RR 1991, 779, 780). Das gilt umso mehr, als das Oberlandesgericht bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 31. Mai 2011 auf diese Rechtsgrundsätze einschließlich der dazu ergangenen Senatsrechtsprechung hingewiesen hatte.
- 9
- b) Den Prozessstoff hat das Oberlandesgericht in seinem ersten Urteil, mit dem es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen hat, dahin gewürdigt, die Parteien hätten "bereits erstinstanzlich umfassend zu möglichen Leistungsverweigerungsrechten des Beklagten und vorliegenden Mängeln des Mietobjekts vorgetragen". Zuvor hatte das Oberlandesgericht in einem Hinweisbeschluss vom 31. Mai 2011 dargelegt, dass zwei der insgesamt drei vorgetragenen Mängel sogar unstreitig seien, es sich bei der unzureichenden Beheizbarkeit und bei der Schimmelbildung jeweils um einen erheblichen Mangel handle und deshalb der Klägerin der Beweis obliege, in welcher Höhe die (geminderte ) Miete ab Januar 2010 geschuldet sei. Diese gesamten Hinweise durften der Beklagte und die Drittwiderklägerin dahin verstehen, dass ihr Sachvortrag zu den Mängeln in jeglicher Hinsicht als hinreichend substanziiert angesehen werde.
- 10
- c) In Anbetracht dessen hätte das Landgericht, wenn es hinsichtlich zweier der drei Mängel, insbesondere hinsichtlich der Schimmelbildung, von unzureichender Substanziierung ausging, durch einen Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf Ergänzung des Tatsachenvortrags hinwirken müssen. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass das Gericht darauf hinweisen muss, wenn sich seine Auffassung gegenüber einem früher erteilten Hinweis geändert hat (BVerfG NJW 1996, 3202; BGH Beschluss vom 16. Juni 2011 - X ZB 3/10 - GRUR 2011, 851). Ebenfalls besteht eine Hinweispflicht, wenn das Rechtsmittelgericht der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04 - NJW-RR 2006, 235 Rn. 8 mwN). Nichts anderes kann gelten, wenn das Landgericht einen Sachverhalt, den das Berufungsgericht in seinem zurückverweisenden Urteil als "bereits umfassend vorgetragen" bezeichnet hat, für nicht ausreichend substanziiert erachtet.
- 11
- d) In Ermangelung des gebotenen Hinweises beruht es nicht auf Nachlässigkeit , wenn die Partei weiteren Sachvortrag zu Art und Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung unterlässt. Weist in einem solchen Fall das Landgericht die Mängelrügen als (teilweise) unsubstanziiert zurück und holt die Partei den vermeintlich fehlenden Sachvortrag in der Berufungsbegründung nach, ist dieser - sofern auch das Oberlandesgericht ihn nunmehr für erforderlich hält - jedenfalls zuzulassen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Denn ist im Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Vortrag zu einem entscheidungserheblichen Punkt mangels hinreichender Substanziierung zurückgewiesen worden, ohne dass der Partei durch einen unmissverständlichen Hinweis Gelegenheit zur Ergänzung gegeben war, stellt sich die Zurückweisung des neuen, nunmehr substanziierten Vortrags im Berufungsrechtszug als eine offenkundig unrichtige Anwendung des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und Verletzung des rechtlichen Gehörs dar (vgl. BGH Beschluss vom 9. Juni 2005 - V ZR 271/04 - NJW 2005, 2624).
- 12
- 2. Weiterhin rügt die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht, dass das Oberlandesgericht den Sachvortrag des Beklagten, der (Teil-)Anspruch der Drittwiderklägerin aus Mietüberzahlung in Höhe von 5.000 € sei an ihn abgetreten worden, zu Unrecht als unsubstanziiert zurückgewiesen und dadurch das rechtliche Gehör verletzt hat. Denn der Beklagte und die Drittwiderklägerin haben dargelegt, dass zwischen ihnen am 12. November 2012 ein Abtretungsvertrag geschlossen worden sei, mit dem unter anderem der Teilanspruch über 5.000 € an den Beklagten abgetreten worden sei. Diesen Sachverhalt haben sie sowohl unter Urkunden- als auch Zeugenbeweis gestellt. In welcher Hinsicht es an näherer Substanziierung fehle, ist weder ersichtlich noch durch das angefochtene Urteil aufgezeigt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist. Der Pflicht zur Substanziierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht auf Grund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (BGH Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08 - NJW 2009, 2137 Rn. 4). Ein Mangel solcher Art ist nicht erkennbar.
- 13
- 3. Die weitergehende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
LG Duisburg, Entscheidung vom 19.07.2012 - 1 O 182/10 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.05.2013 - I-24 U 144/12 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 125.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 201 22 563, das am 11. Mai 2006 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Gebrauchsmusterregister eingetragen worden ist. Es betrifft ein Werkstück mit sehr hohen mechanischen Eigenschaften und umfasst zehn Schutzansprüche, von denen die Ansprüche 1 bis 3 nebengeordnet und die Schutzansprüche 4 bis 10 in unterschiedlichem Umfang auf die Nebenansprüche 1 bis 3 rückbezogen sind. Schutzanspruch 1 lautet wie folgt: "Werkstück mit sehr hohen mechanischen Eigenschaften, bestehend aus einem mit einer intermetallischen Legierungsverbindung beschichteten, tiefgezogenen Blechzuschnitt, der durch Zuschneiden eines gewalzten, insbesondere warmgewalzten Bandstahlblechs entstanden ist, wobei das Bandstahlblech mit einem Metall oder einer metallischen Legierung beschichtet ist, welche einen Schutz der Oberfläche und des Stahls sicherstellen, die intermetallische Legierungsverbindung aus einer Transformation der Beschichtung aus dem Metall oder der Metalllegierung vor oder nach dem Tiefziehen hervorgegangen ist, die intermetallische Legierungsverbindung an der Oberfläche durch die durch eine Temperaturerhöhung über 700° C realisierte Transformation gebildet ist und einen Schutz gegen die Korrosion und gegen die Entkohlung des Stahls sicherstellt sowie eine Schmierfunktion bewirkt, wobei das Metall oder die metallische Legierung der Beschichtung Zink oder eine Legierung auf der Basis von Zink ist."
- 2
- Auf den Löschungsantrag der Antragstellerin hat die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts das Streitgebrauchsmuster gelöscht, soweit es über die Schutzansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag vom 12. Juni 2008 hinausgeht. Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin das Gebrauchsmuster hauptsächlich im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 10, hilfsweise im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 9 vom 21. Januar 2010 und weiter hilfsweise mit den Schutzansprüchen 1 bis 9 vom 12. Juni 2008 verteidigt.
- 3
- Das Patentgericht hat mit Verfügung vom 11. Februar 2010 Verhandlungstermin auf den 27. April 2010 bestimmt. Die Ladung enthält folgenden Zusatz : "Auf Anordnung des Vorsitzenden werden die Beteiligten zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Senat aufgrund des bisherigen schriftsätzlichen Vorbringens dazu neigt, den von beiden Seiten angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts im Ergebnis zu bestätigen, d.h. derzeit ist mit einer Zurückweisung beider Beschwerden zu rechnen."
- 4
- Das Patentgericht hat das Streitgebrauchsmuster in vollem Umfang gelöscht. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat es zurückgewiesen.
- 5
- Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin , der die Antragstellerin entgegentritt.
- 6
- II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, da mit ihr der Beschwerdegrund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 18 Abs. 4 GebrMG i.V.m. § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) geltend gemacht wird, und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, da der geltend gemachte Beschwerdegrund vorliegt.
- 7
- 1. Das Patentgericht hat ausgeführt, dass die Gegenstände der Schutzansprüche 1 bis 3 nach Hauptantrag sowie der Schutzansprüche 1 bis 3 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 mit Blick auf die europäische Patentanmeldung 971 044 (Anlage D1) und die japanische Patentanmeldung Sho 62-23975 (An- lage DJ, deutsche Übersetzung) nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhten und deshalb nicht schutzfähig seien.
- 8
- 2. Die Rechtsbeschwerde sieht durch die Löschung des Gebrauchsmusters den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör verletzt. Aufgrund des schriftlichen Hinweises in der Terminsladung vom 11. Februar 2010 habe der Antragsgegnervertreter davon abgesehen, sechs bereits vorbereitete weitere Hilfsanträge und zusätzliche Unterlagen bei Gericht einzureichen. Der Vorsitzende des Gebrauchsmustersenats habe darüber hinaus in zwei Telefonaten mit dem Antragsgegnervertreter - eines der Telefongespräche habe einen Tag vor der mündlichen Verhandlung stattgefunden - und auch zu Beginn der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Senat die Zurückweisung beider Beschwerden beabsichtige. Eine sachliche Begründung dieser Sichtweise sei bei keinem der Gespräche und auch nicht zu Beginn der Verhandlung gegeben worden. Die Antragsgegnerin meint, sie sei durch diese Verfahrensweise gehindert gewesen, die vorbereiteten Hilfsanträge zur Verteidigung des Gebrauchsmusters zu stellen. Die auf die Verhandlung ergangene Entscheidung sei eine Überraschungsentscheidung und verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, da die Vorlage und Berücksichtigung der weiteren Hilfsanträge gegebenenfalls zu einer anderen Beurteilung der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters geführt hätte.
- 9
- 3. Die Rüge ist begründet.
- 10
- a) Der Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) für ein rechtsstaatliches Verfahren Rechnung, in dem jeder Verfahrensbeteiligte seine Rechte wirksam wahrnehmen kann. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht seine Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit zu prüfen. Es darf ferner keine Erkenntnisse verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten nicht äußern konnten (st. Rspr., BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133; Beschluss vom 10. Februar 1995 - 2 BvR 893/93, NJW 1995, 2095; Beschluss vom 2. Mai 1995 - 1 BvR 2174/94, 1 BvR 2220/94, NJW 1995, 2095, 2096; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47 - Informationsübermittlungsverfahren II; Beschluss vom 27. Februar 2008 - X ZB 10/07, GRUR RR 2008, 456 - Installiereinrichtung; Beschluss vom 22. September 2009 - Xa ZB 36/08, GRUR 2010, 87 - Schwingungsdämpfer; Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 - Walzenformgebungsmaschine ; Beschluss vom 12. April 2011 - X ZB 1/10, zur Veröffentlichung vorgesehen - Modularer Fernseher). Das Gericht muss aber den Parteien nicht mitteilen, wie es den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt voraussichtlich würdigen wird (Senatsbeschluss vom 16. September 2008 - X ZB 29/07, GRUR 2009, 91 - Antennenhalter).
- 11
- b) Das Patentgericht ist von seiner vor der Entscheidung schriftlich und mündlich geäußerten vorläufigen Meinung ohne erneuten Hinweis abgewichen. Darin liegt unter den Umständen des Streitfalls eine Verletzung des Anspruchs der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör.
- 12
- aa) Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 15. August 1996 - 2 BvR 2600/95, NJW 1996, 3202) hat eine Verletzung rechtlichen Gehörs an- genommen, wenn das Gericht einen rechtlichen Hinweis zu einer entscheidungserheblichen Frage erteilt und im Urteil entgegengesetzt entscheidet, ohne die Verfahrensbeteiligten auf die Änderung der rechtlichen Beurteilung hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben. In dem so entschiedenen Fall war für den Ausgang einer Zahlungsklage entscheidend, ob ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden konnte. Nach dem vom Amtsgericht schriftlich erteilten Hinweis durfte der Kläger davon ausgehen, dass das Gericht die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts durch den Beklagten als nicht zulässig ansehen würde. Das Amtsgericht hat jedoch seiner Entscheidung ohne erneuten Hinweis die entgegengesetzte Rechtsauffassung zugrunde gelegt. In einem weiteren vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall konnte der Beschwerdeführer im Hinblick auf eindeutig formulierte Ausführungen in einem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts auf die Zulassung der Revision vertrauen (BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 10/99, BVerfGE 108, 341).
- 13
- bb) In diesen Fällen war der gerichtliche Hinweis mit einer sachlichen Begründung versehen, die den Parteien die Ansicht des Gerichts zu einer konkreten Rechtsfrage vermittelt hat. Im Streitfall enthielten der schriftliche Ladungszusatz und - nach unangegriffenem Vorbringen der Rechtsbeschwerde - auch die (fern)mündlichen Hinweise keine inhaltlichen Ausführungen etwa dahingehend , welche Entgegenhaltungen in welchem Umfang der Schutzfähigkeit der Erfindung entgegenstünden und aus welchen Gründen dies der Fall sei. Beiden Beteiligten wurde lediglich mehrfach die Erfolglosigkeit des jeweiligen Rechtsmittels in Aussicht gestellt. Gleichwohl vermittelte der Hinweis, die Zurückweisung beider Beschwerden sei beabsichtigt, den Beteiligten die Meinung des Gerichts, die Vorinstanz habe jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden und es sei nicht mit einer Beurteilung des Streitstoffs zu rechnen, nach der sich der Löschungsantrag als in vollem Umfang begründet oder insgesamt unbegründet darstellte. Die vollständige Löschung des Gebrauchsmusters war deshalb aus Sicht der Antragsgegnerin überraschend. Daran ändert nichts, dass das Patentgericht durch die sprachlich einschränkende Formulierung des Hinweises nur seine vorläufige Meinung kundgetan und nicht ausdrücklich einen bestimmten Prozessausgang als sicher dargestellt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2003 - I ZB 36/00, GRUR 2003, 901 - MAZ).
- 14
- cc) Von einer in einem gerichtlichen Hinweis geäußerten Rechtsauffassung , die - will sich das Gericht nicht dem Vorwurf der Voreingenommenheit aussetzen - stets eine vorläufige sein wird, darf das Gericht in der Endentscheidung nur abweichen, wenn für die Verfahrensbeteiligten - sei es durch den Verlauf der mündlichen Verhandlung, sei es durch einen ausdrücklichen weiteren Hinweis des Gerichts - erkennbar wird, dass sich entweder die Grundlage verändert hat, auf der das Gericht den ursprünglichen Hinweis erteilt hat, oder dass das Gericht bei unveränderter Entscheidungsgrundlage nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung in Erwägung zieht als den Beteiligten angekündigt. Hinweise des Gerichts sollen einem fairen Verfahren und der Gewinnung des richtigen Prozessergebnisses dienen. Sie sind von den Verfahrensbeteiligten zu beachten, die die ihnen darin auferlegten Verpflichtungen oder Vorgaben erfüllen sollen, und von denen das Gericht erwartet, dass sie in der mündlichen Verhandlung keinen Vortrag halten, dessen es nach dem Hinweis des Gerichts nicht bedarf, um das nach der vorläufigen Auffassung des Gerichts erwartbare Verfahrensergebnis herbeizuführen. Die Verfahrensbeteiligten dürfen sich ihrerseits aber auch auf den gerichtlichen Hinweis verlassen, gleichgültig, ob er einmal oder mehrmals erteilt wird, ob er sachlich-rechtlichen Inhalts ist oder eine verfahrensrechtliche Vorgehensweise betrifft. Andernfalls wäre der Hinweis funktionslos oder gar irreführend.
- 15
- dd) Weder die Entscheidung des Patentgerichts noch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung lassen erkennen, dass für die Antragsgegnerin erkennbar geworden ist, dass das Patentgericht an seiner vorläufigen Rechtsauffassung nicht festhalten wollte. Hierfür bringt auch die Antragstellerin nichts vor.
- 16
- Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragsgegnerin aufgrund des Hinweises von der Vorlage weiterer, bereits vorbereiteter Hilfsanträge abgesehen hat, die sie vorgelegt hätte, wenn ihr deutlich geworden wäre, dass das Patentgericht nunmehr die vollständige Löschung des Gebrauchsmusters erwog. Auch wenn sie gehalten war, ihren Vortrag auf alle relevanten sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte auszurichten, durfte sie damit rechnen , dass das Patentgericht - jedenfalls mangels Erteilung eines anderslautenden Hinweises - die Entscheidung wie angekündigt treffen würde.
- 17
- 4. Die angefochtene Entscheidung ist in vollem Umfang aufzuheben, da die endgültige Fassung des Gebrauchsmusters erst feststeht bzw. seine vollständige oder teilweise Löschung erst ausgesprochen werden kann, wenn die Antragsgegnerin Gelegenheit erhalten hat, das Schutzrecht weiter eingeschränkt zu verteidigen und die (hilfsweise) verteidigten Fassungen der Schutzansprüche vom Patentgericht überprüft worden sind.
- 18
- III. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 51 Abs. 1GKG. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 18 Abs. 4 Satz 2 GebrMG i.V.m. § 107 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG).
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.04.2010 - 35 W(pat) 458/08 -
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung einer Geldrente und von Krankenkassenbeiträgen aus einem Vertrag über die Überlassung landwirtschaftlichen Grundbesitzes unter Übernahme von Leistungen zum vollständigen Unterhalt durch den Übernehmer.Die Klägerin ist seit dem 20. April 2001 in einem Seniorenheim untergebracht. Sie hat nach ihrer Aufnahme in das Heim von dem Beklagten die Zahlung einer Geldrente für ersparte Leistungen aus dem Leibgedingsvertrag sowie die Zahlung der Beiträge zur Krankenversicherung einschließlich des Beitrags zur Pflegeversicherung verlangt, was der Beklagte ablehnte. Die Klage hat vor dem Amtsgericht Erfolg gehabt, die Berufung des Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, mit der er auch die Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör wegen der Nichtzulassung seines Vortrages zur unzureichenden Leistungsfähigkeit des Betriebes gerügt hat.
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. 1. Das Landgericht ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Klägerin aus Art. 18 Satz 1 BayAGBGB von dem Beklagten eine Geldrente für dessen Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung und zu Dienstleistungen verlangen kann. Die Erforderlichkeit der Unterbringung der Klägerin in einem Pflegeheim ist in den Vorinstanzen festgestellt worden. Für derartige Fälle hat der Senat bereits entscheiden, daß der Übernehmer des landwirtschaftlichen Anwesens, der seine Verpflichtungen zur Gewährung von Unterkunft und Pflege auf dem Grundstück wegen einer medizinisch notwendigen Unterbringung des Berechtigten in einem Pflegeheim nicht mehr erfüllen kann, sich in Höhe der ersparten Aufwendungen an den Kosten des Pflegeheimes beteiligen muß (vgl. Senatsurt. v. 21. September 2001, V ZR 14/01, DNotZ 2002, 702, 705 und Senatsbeschl. v. 23. Januar 2003, V ZB 48/02, NJW-RR 2003, 577, 578).2. Die Entscheidung kann aber nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht den Einwendungen des Beklagten über die unzureichende Leistungsfähigkeit des übernommenen Hofes für eine Rente in der festgesetzten Höhe nicht nachgegangen ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist wegen des gerügten Verfahrensfehlers begründet.
a) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht den Vortrag und die Beweisantritte in den Schriftsätzen vom 25. Mai 2004 und vom 16. Juli 2004 dazu, daß die Leistungsfähigkeit des übernommenen landwirtschaftlichen Anwesens zur Zahlung der zuerkannten Geldrente nicht ausreiche, unter Hinweis auf § 531 ZPO nicht zur Verhandlung und Entscheidung zugelassen. Es hätte dem Vortrag nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nachgehen müssen, weil das Vorbringen aufgrund eines Verfahrensmangels des Erstgerichts nicht geltend gemacht worden war. Nach dieser Vorschrift ist neues Vorbringen dann zuzulassen, wenn das Eingangsgericht die nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO gebotenen Hinweise unterlassen hat, damit sich die Parteien rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, ungenügende Angaben ergänzen und die anzubietenden Beweismittel bezeichnen können (Senat, BGHZ 158, 295, 305, unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/4722, S. 101). Diese Hinweise waren in erster Instanz nicht erteilt worden. Der Beschluß des Amtsgerichts vom 8. März 2002, auf den das Landgericht verwiesen hat, vermag die Nichtzulassung des neuen Vortrags und der dazu angebotenen Beweise nicht zu tragen. Jener Beschluß enthielt zwar umfängliche Hinweise zu den für die Entscheidung zu beachtenden rechtlichen Gesichtspunkten und forderte die Parteien zu einer Stellungnahme auf. Es fehlte aber jeder Hinweis darauf, daß der Vortrag des Beklagten zu der nicht vorhandenen Leistungsfähigkeit nicht den Anforderungen genügte, um im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens durch das Gericht bei der Bestimmung der Höhe der Geldrente
nach Art. 18 Satz 1 BayAGBGB berücksichtigt werden zu können. Das Gericht erfüllt seine Hinweispflicht nicht dadurch, daß es allgemeine und pauschale Hinweise erteilt; es muß vielmehr die Parteien auf den fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmißverständlich hinweisen und ihnen damit die Möglichkeit eröffnen, dieses Vorbringen zu ergänzen (BGH, Urt. v. 25. Juni 2002, X ZR 83/00, NJW 2002, 3317, 3320).
b) Die Zurückweisung des unter Beweis gestellten Vortrags des Beklagten verletzt dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Zwar führt nicht jeder Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht in erster Instanz und jede fehlerhafte Zurückweisung neuen Vorbringens im Berufungsrechtszug auch zu einer Verletzung des Verfahrensgrundrechts. Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Berufungsgericht jedoch dazu, neues Vorbringen dann zuzulassen, wenn eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht das Ausbleiben des Vorbringens in der Eingangsinstanz mitverursacht hat (vgl. BVerfG, NJW 2000, 945, 946). Ist im Urteil des erstinstanzlichen Gerichts Vortrag zu einem entscheidungserheblichen Punkt mangels hinreichender Substantiierung zurückgewiesen worden, ohne daß der Partei durch einen unmißverständlichen Hinweis Gelegenheit zur Ergänzung gegeben war, stellt sich die Zurückweisung des neuen, nunmehr substantiierten Vortrags im Berufungsrechtszug als eine offenkundig unrichtige Anwendung des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dar. Ein solches Vorgehen des Gerichts kommt einer Verhinderung des Vortrages zu entscheidungserheblichen Punkten gleich (vgl. BVerfGE 84, 188, 190). c). Das Ausgangsurteil beruht auch auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies ist bereits dann so, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens an-
ders entschieden hätte (Senatsurt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, NJW 2003, 3205 f. unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Insoweit gilt für die Bemessung einer Geldrente anstelle von Unterbringung und der Erbringung von Pflegeleistungen auf dem Grundstück aus Art. 18 Satz 1 BayAGBGB der allgemeine Grundsatz, daß durch einen Altenteilsvertrag dem Verpflichteten nicht höhere Leistungen auferlegt werden sollen, als er aus der Hofstelle bewirken kann (BGHZ 25, 293, 298). Ist eine Rente nach Art. 18 Satz 1 BayAGBGB festzusetzen, so ist es geboten, den rechnerischen Wert der Einzelleistungen auch dahin zu überprüfen, ob die sich daraus ergebende monatliche Geldleistung vom Verpflichteten aus den Erträgnissen des Hofes billigerweise in voller Höhe gewährt werden kann (BayObLGZ 1974, 386, 395 f.). 3. Der Senat hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung durch Beschluß nach § 544 Abs. 7 ZPO Gebrauch gemacht. Das gibt dem Landgericht Gelegenheit, die notwendigen Feststellungen zur Ertragskraft der überlassenen Hofstelle nachzuholen und im Anschluß daran das Ermessen zur Bestimmung der Höhe der Rente neu auszuüben.