Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2006 - XII ZR 209/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien sind geschiedene Eheleute, die um die Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf des ehemaligen Familienheimes streiten. Die Klägerin hatte von dem Beklagten in erster Instanz die Zahlung von 102.182 € verlangt, wovon ihr 87.650,82 € zugesprochen wurden. Gegen die Entscheidung des Landgerichts legte der Beklagte Berufung ein, die vom Oberlandesgericht zurückgewiesen wurde. Hiergegen richtete sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten, die vor Ablauf der Begründungsfrist zurückgenommen worden ist. Der Rücknahme dieses Rechtsmittels lag ein außergerichtlicher Vergleich der Parteien zugrunde, nach dem sich der Beklagte verpflichtete, auf der Grundlage des erstinstanzlichen Urteils als Vollstreckungstitel an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 40.000 € zu zahlen; darüber hinaus waren die Parteien sich einig, dass jede Seite ihre eigenen Rechtsanwaltskosten zu tragen habe. Weitere Regelungen zur Verteilung der Kosten des Rechtsstreits enthält der Vergleich nicht.
II.
- 2
- 1. Die Parteien haben eine ausdrückliche Regelung dahingehend getroffen , dass jede Partei die bei ihr angefallenen Anwaltskosten selbst zu tragen hat. Die Verteilung der Kosten eines Rechtsstreits steht zur Disposition der Prozessparteien , so dass eine ausdrückliche Parteivereinbarung sowohl § 98 ZPO als auch den sonstigen gesetzlichen Kostentragungsvorschriften gegenüber vorrangig ist. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn den Parteien - wie im vorliegenden Fall der Klägerin - Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, denn auch der Vergütungsanspruch des beigeordneten Anwalts gehört zu den außergerichtlichen Parteikosten, die Gegenstand einer außergerichtlichen Vereinbarung der Parteien über die Kostentragung sein können (vgl. OLG Oldenburg NdsRPfl 1994, 366; LG Köln MDR 1990, 929 mit Anm. Mümmler JurBüro 1990, 1284).
- 3
- 2. Hinsichtlich der Gerichtskosten und etwaiger sonstiger außergerichtlicher Kosten fehlt es im Vergleich an einer ausdrücklichen Regelung der Parteien. Insoweit gilt die gesetzliche Vermutung der Kostenaufhebung gemäß § 98 Satz 2 ZPO, deren Anwendung auch bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch einen außergerichtlichen Vergleich in Betracht kommt (BGHZ 39, 60, 69; BGH Beschluss vom 6. Oktober 1964 - Ia ZR 74/63 - NJW 1965, 103; BGH Be- schluss vom 14. Juli 1969 - X ZR 40/65 - MDR 1970, 46; BGH Urteil vom 25. Mai 1988 - VIII ZR 148/87 - WM 1988, 1460, 1462). Zwar kann § 98 Satz 2 ZPO von den Parteien nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend in der Weise abgedungen werden, dass über die Kosten des Rechtsstreits nach den allgemeinen Kostenvorschriften (insbesondere §§ 91 a, 269 Abs. 3, 516 Abs. 3 ZPO) zu entscheiden sei. Bei der Auslegung des vorliegenden Vergleiches ergeben sich jedoch keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass dies dem mutmaßlichen Willen der Parteien entsprechen würde.
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- a) Die Anwendung des § 91 a ZPO setzt im Ausgangspunkt voraus, dass eine gerichtliche Entscheidung zur Beendigung eines Kostenstreits der Parteien notwendig wird, was auch bei einem außergerichtlichen Vergleich dann nicht der Fall ist, wenn sich die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits - entweder kraft einer ausdrücklichen Bestimmung oder auf Grund der gesetzlichen Vermutung des § 98 Satz 2 ZPO - aus dem Inhalt des Vergleichs selbst ergibt (vgl. BGH MDR 1970 aaO; OLG Saarbrücken NJW-RR 1996, 320; OLG München VersR 1976, 395; MünchKomm-ZPO/Belz, 2. Aufl., § 98 Rdn. 3). Allerdings steht es den Parteien frei, die Kostenregelung einer Entscheidung des Gerichts unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu unterstellen. Hierzu muss dem Vergleich zumindest eine positive Andeutung dahin zu entnehmen sein, dass wegen der Kosten des Rechtsstreits eine sachbezogene Klärung durch das Gericht erwünscht ist. Ob es hierfür bereits ausreicht, dass die Parteien im Vergleich die Feststellung treffen, sich wegen der Kosten nicht geeinigt zu haben (Mümmler JurBüro 1993, 558; dagegen Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl. § 98 Rdn. 3; MünchKomm-ZPO/Belz, aaO Rdn. 4), kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Eine Entscheidung nach § 91 a ZPO ist auf keinen Fall veranlasst, wenn die Parteivereinbarung zur Kostentragung nichts aussagt, denn dies ist der typische Anwendungsbereich des § 98 ZPO. Haben sich die Parteien - wie hier - nur über außergerichtliche Kosten oder nur über Gerichtskosten ausdrücklich verständigt, gilt § 98 Satz 2 ZPO nur für den jeweils nicht geregelten Teil (Musielak/Wolst aaO Rdn. 3; Wieczorek /Schütze/Steiner, ZPO 3. Aufl. § 98 Rdn. 9).
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- b) Auch die Anwendung der allgemeinen Kostentragungsvorschriften für die Rücknahme einer Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 565, 516 Abs. 3 ZPO entsprechend) kommt unter den hier obwaltenden Umständen nicht in Betracht. Durch die Rücknahme des Rechtsmittels erfüllte der Beklagte eine in dem außergerichtlichen Vergleich - zumindest mittelbar - übernommene Verpflichtung. Steht es bei der Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde im Vordergrund, die von den Parteien gewünschte Beendigung des Rechtsstreits prozessual umzusetzen, geht die von den Parteien gewollte Kostenverteilung, die gegebenenfalls mit Hilfe der gesetzlichen Vermutung des § 98 Satz 2 ZPO ermittelt werden muss, der Anwendung von §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO grundsätzlich vor. Der Rückgriff auf die allgemeinen Kostenvorschriften über die Rücknahme von Rechtsmitteln wird nur dann dem mutmaßlichen Willen der Parteien entsprechen , wenn der Vergleich in materieller Hinsicht im Wesentlichen eine Anerkennung der angefochtenen Entscheidung zum Inhalt hat und daher anzunehmen ist, dass die Parteien die Anwendung des § 98 Satz 2 ZPO ausschließen wollten (BGH WM 1988 aaO; LAG München VersR 1988, 280; vgl. auch OLG Köln MDR 1986, 503; OLG Hamm JurBüro 1992, 424; OLG Stuttgart MDR 2004, 717, jeweils zu § 269 Abs. 3 ZPO). Dies steht hier angesichts des Verhältnisses der Vergleichssumme (40.000 €) zu dem in zweiter Instanz zuerkannten Betrag (87.650,82 €) erkennbar nicht in Rede. Eine weitergehende Prüfung der Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde ist dem Senat allein schon deshalb verwehrt, weil die Parteien in den Fällen, in denen eine gerichtliche Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nicht gewollt ist, die Frage der Kostentragung gerade nicht von einer solchen Prüfung abhängig machen wollen. Ob ein stillschwei- gender Ausschluss des § 98 Satz 2 ZPO dann in Betracht kommt, wenn das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig ist, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden werden.
- 6
- Aus den gleichen Gründen kann der Vergleich auch nicht dahin ausgelegt werden, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen im Kostenpunkt weiter gelten sollen, soweit hier nicht wegen der Rechtsanwaltskosten etwas anderes ausdrücklich vereinbart worden ist. Zwar geht bei der Rücknahme eines Rechtsmittels auf der Grundlage eines außergerichtlichen Vergleichs ein auf Fortgeltung der vorinstanzlichen Kostenentscheidung gerichteter Wille der Parteien der gesetzlichen Vermutung des § 98 Satz 2 ZPO vor (Zöller/Gummer/ Heßler, ZPO, 25. Aufl. § 516 Rdn. 18). Auch ein solcher Wille kann aber nur angenommen werden, wenn der Vergleich die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen bestätigt, was hier nicht der Fall ist.
- 7
- 3. Da die Kostenverteilung einer Vereinbarung der Parteien folgt, ist grundsätzlich für eine gerichtliche Kostenentscheidung kein Raum mehr, und zwar auch soweit zur Auslegung der Vereinbarung auf die gesetzliche Vermutung des § 98 Satz 2 ZPO zurückgegriffen worden ist. Allerdings kann in den Fällen einer rein außergerichtlichen Verständigung über die Kostenlast zur Klarstellung ein deklaratorischer Beschluss angezeigt sein (vgl. Musielak/Wolst aaO Rdn. 8; Bergerfurth NJW 1972, 1840, 1843). Von dieser Möglichkeit hat der Senat Gebrauch gemacht.
Vorinstanzen:
LG Traunstein, Entscheidung vom 13.01.2005 - 7 O 3652/03 -
OLG München, Entscheidung vom 19.10.2005 - 3 U 1918/05 -
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Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Das Gleiche gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist.
Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Das Gleiche gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist.
Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Das Gleiche gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist.
Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Das Gleiche gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist.
(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.
(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.
(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.
(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.
Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Das Gleiche gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist.