Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2019 - XII ZB 554/18

published on 30/01/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2019 - XII ZB 554/18
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Amtsgericht Gießen, 237 XIV 303/18 L, 11/10/2018
Landgericht Gießen, 7 T 353/18, 26/10/2018

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 554/18
vom
30. Januar 2019
in der Unterbringungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) In Unterbringungssachen ist eine Rechtsbeschwerde nur dann ohne Zulassung
statthaft, wenn sie sich gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts
richtet, der die Unterbringung oder die freiheitsentziehende Maßnahme

b) Eine Rechtsmittelbelehrung, die fälschlicherweise darauf hinweist, dass gegen
den Beschluss das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde stattfinde, stellt
keine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde dar (im Anschluss
an Senatsbeschluss vom 5. Juli 2017 - XII ZB 509/15 - FamRZ 2017,
1608).
BGH, Beschluss vom 30. Januar 2019 - XII ZB 554/18 - LG Gießen
AG Gießen
ECLI:DE:BGH:2019:300119BXIIZB554.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 26. Oktober 2018 wird verworfen.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene befindet sich aufgrund eines strafrechtlichen Urteils im Maßregelvollzug in einer forensischen Klinik, die von der Beteiligten betrieben wird.
2
Am 17. September 2018 musste die Betroffene nach einer vorangegangenen Suiziddrohung wegen akuter Selbstgefährdung in der Unterbringungseinrichtung fixiert werden. Mit Schreiben vom 20. September 2018 hat die Beteiligte beim Amtsgericht - Betreuungsgericht - die Genehmigung einer nicht nur kurzfristigen Fixierung der Betroffenen beantragt, nachdem ein gleichlautender Antrag zuvor von der als Strafvollstreckungskammer zuständigen Jugendkammer des Landgerichts als unzulässig zurückgewiesen worden und über die Rechtsbeschwerde vom Oberlandesgericht noch nicht entschieden ist.
3
Das Amtsgericht - Betreuungsgericht - hat den Antrag der Beteiligten auf Genehmigung der Fixierung der Betroffenen mit Beschluss vom 11. Oktober 2018 zurückgewiesen, weil seine Zuständigkeit für die Erteilung der beantragten Genehmigung nicht bestehe. Vielmehr sei die Strafvollstreckungskammer zuständig, weil es sich bei der Fixierung der Betroffenen um eine Maßnahme im Rahmen des Maßregelvollzugs handele. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Der Beschluss enthält am Ende eine Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zulässig ist. Mit ihrer Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung erreichen , dass das Amtsgericht die beantragte Genehmigung erteilt.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da sie nach § 70 FamFG nicht statthaft ist. Es liegen weder die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG vor noch hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen (§ 70 Abs. 1 FamFG).
5
1. Die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG liegen nicht vor.
6
Nach § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist in Unterbringungssachen eine Rechtsbeschwerde nur dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts richtet, der die Unterbringung oder die freiheitsentziehende Maßnahme anordnet. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Denn die Beteiligte wendet sich mit der Rechtsbe- schwerde dagegen, dass die von ihr beim Amtsgericht beantragte Genehmigung einer nicht nur kurzfristigen Fixierung der Betroffenen versagt worden ist.
7
2. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde auch nicht zugelassen.
8
Zwar wird in der Rechtsbehelfsbelehrung ausgeführt, dass gegen diese Entscheidung das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zulässig ist. Darin liegt jedoch keine wirksame Zulassung der Rechtsbeschwerde.
9
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde hat nach § 70 Abs. 1 FamFG in dem Beschluss zu erfolgen, mit dem das Beschwerdegericht über die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung oder das Oberlandesgericht in erster Instanz entschieden hat. Dabei kann die Zulassung in der Entscheidungsformel oder in den Gründen ausgesprochen werden (Senatsbeschlüsse vom 5. Juli 2017 - XII ZB 509/15 - FamRZ 2017, 1608 Rn. 9 und vom 20. Juli 2011 - XII ZB 445/10 - FamRZ 2011, 1728 Rn. 15).
10
Eine unzutreffend erteilte Rechtsbehelfsbelehrung kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht ersetzen. Sie dient nicht der Ergänzung oder Interpretation der Entscheidung, sondern allein der Information der Beteiligten über bestehende Rechtsmittel. Durch eine insofern unrichtige Angabe wird deshalb ein unstatthaftes Rechtsmittel nicht statthaft. Dabei gilt diese Bewertung auch dann, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung als Bestandteil des Beschlusses durch die Unterschriften der erkennenden Richter gedeckt ist. Hierdurch ändert sich der Charakter als bloße Belehrung über das für statthaft gehaltene Rechtsmittel nicht. Eine Willensentschließung im Sinne einer Zulassungsentscheidung kann daraus nicht entnommen werden (Senatsbeschlüsse vom 5. Juli 2017 - XII ZB 509/15 - FamRZ 2017, 1608 Rn. 10 und vom 20. Juli 2011 - XII ZB 445/10 - FamRZ 2011, 1728 Rn. 16 mwN).
Dose Klinkhammer Günter Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Gießen, Entscheidung vom 11.10.2018 - 237 XIV 303/18 L -
LG Gießen, Entscheidung vom 26.10.2018 - 7 T 353/18 -
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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic
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published on 20/07/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 445/10 vom 20. Juli 2011 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 70 Abs. 1 Eine Rechtmittelbelehrung, die fälschlicherweise darauf hinweist, dass gegen den Beschlu
published on 05/07/2017 00:00

Tenor Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. August 2015 wird auf Kosten der Antragstellerin verworfen.
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Annotations

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.