Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2018 - XII ZB 547/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:140318BXIIZB547.17.0
14.03.2018
vorgehend
Amtsgericht Erfurt, 4 XVII 627/15, 10.08.2017
Landgericht Erfurt, 3 T 335/17, 11.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 547/17
vom
14. März 2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Erweiterung des Aufgabenkreises
einer bereits bestehenden Betreuung richtet sich die Auswahl des hierfür
zu bestellenden Betreuers nicht nach § 1908 b BGB, sondern nach der für
die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 BGB
(Fortführung des Senatsbeschlusses vom 14. Februar 2018 - XII ZB 507/17 -
zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH, Beschluss vom 14. März 2018 - XII ZB 547/17 - LG Erfurt
AG Erfurt
ECLI:DE:BGH:2018:140318BXIIZB547.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 11. Oktober 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Der 53jährige Betroffene leidet an einer chronischen Alkoholabhängigkeit mit Persönlichkeits- und Verhaltensstörung in paranoider Form, wegen derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Für ihn wurde am 20. Oktober 2015 erneut eine Betreuung eingerichtet und der Beteiligte zu 2 als Berufsbetreuer für den Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung einschließlich Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung, Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge und Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden bestellt.
2
Am 8. November 2016 und 30. Dezember 2016 beantragte die Verfahrenspflegerin für den Betroffenen die Aufhebung der Betreuung, hilfsweise einen Betreuerwechsel, wobei sie als konkreten Betreuungswunsch des Betroffenen zwei Personen als mögliche neue Betreuer mitteilte. Die Betreuungsbehörde widersprach dem Betreuerwechsel.
3
Durch Beschluss vom 31. Mai 2017 wurde die geschlossene Unterbringung des Betroffenen bis zum 31. März 2019 genehmigt. In dem anschließend eingeleiteten Verfahren auf Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuung um den Punkt der Wohnungsangelegenheiten nebst Wohnungsauflösung hat die Verfahrenspflegerin darauf angetragen, dass die Entscheidung über die Aufgabenkreiserweiterung nicht vor der Entscheidung über den Betreuerwechsel getroffen werden solle. Der bisherige Betreuer solle den Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten nicht übertragen erhalten, da er die Wohnung kündigen und auflösen werde.
4
Mit Beschluss vom 10. August 2017 hat das Amtsgericht den Aufgabenkreis des bisherigen Betreuers um die Wohnungsangelegenheiten einschließlich Wohnungsauflösung erweitert. Dagegen hat der Betroffene Beschwerde eingelegt, mit der er beanstandet hat, dass der erweiterte Aufgabenkreis auf den bisherigen Betreuer übertragen und nicht zunächst über den Betreuerwechsel entschieden worden sei. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen ; hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
6
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Bei Vorliegen der allgemeinen Betreuungsvoraussetzungen sei die Erweiterung des Aufgabenkreises des bisherigen Betreuers gerechtfertigt. Dem Wunsch des Betroffenen, den Betreuer zunächst auszuwechseln und dem neuen Betreuer erst dann den weiteren Aufgabenkreis zu übertragen, sei nicht zu entsprechen.
7
Unter den Voraussetzungen des § 1908 b Abs. 3 BGB könne das Gericht zwar den bisherigen Betreuer entlassen, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit sei, vorschlage. Im vorliegenden Fall lägen jedoch keine erheblichen Anhaltspunkte vor, die eine Austauschentlassung des Betreuers auf Wunsch des Betreuten rechtfertigten. Der bisherige Betreuer habe sich bisher ausreichend um die Belange des Betreuten gekümmert und auch zu Recht avisiert, dass in Anbetracht der langfristigen Unterbringung des Betreuten nunmehr die Auflösung seiner Wohnung anstehe.
8
2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
a) Ebenso wie für die Verlängerung einer Betreuung (§ 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG) gelten auch für die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers (§ 293 Abs. 1 Satz 1 FamFG) die Vorschriften über die Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Wie der Senat im Zusammenhang mit der Verlängerung einer Betreuung bereits mehrfach entschieden hat, ist die Frage der Auswahl des Betreuers dann nicht am Maßstab des § 1908 b BGB zu beantworten, sondern in Anwendung des § 1897 BGB (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 - XII ZB 507/17 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN).
10
b) Das Gleiche gilt gemäß § 293 Abs. 1 Satz 1 FamFG für die Erweiterung der Betreuung auf einen bisher nicht umfassten Aufgabenkreis.
11
§ 1908 b Abs. 1 BGB regelt zwar die Voraussetzungen, unter denen die Entlassung eines Betreuers erfolgen kann. Die Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Fälle, in denen bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll. Ist dagegen im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Erweiterung einer bereits bestehenden Betreuung über die Betreuerauswahl für den hinzutretenden Aufgabenkreis zu befinden, richtet sich die Auswahl der Person des Betreuers nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 BGB. Dies folgt aus dem Rechtscharakter der Betreuungserweiterung als erneute vollständige Einheitsentscheidung über die Betreuung in dem hinzutretenden Aufgabenkreis. Da die Eignung der als Betreuer zu bestellenden Person stets anhand des gerichtlich bestimmten Aufgabenkreises zu beurteilen ist (§ 1897 Abs. 1 BGB), muss sie mit jeder Erweiterung des Aufgabenkreises erneut geprüft werden. So kann beispielsweise eine zunächst auf die Gesundheitssorge beschränkte Betreuung nicht um die Vermögenssorge erweitert werden, ohne die Eignung des Betreuers auch für die hinzutretenden Aufgaben nach Maßgabe des § 1897 Abs. 1 BGB zu bejahen.
12
Erfordert aber die Beauftragung mit den neu hinzutretenden Aufgaben grundsätzlich eine eigenständige Betreuerauswahl nach den Maßstäben des § 1897 BGB, so kann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn der Betroffene für die neuen Aufgaben eine Person vorschlägt, die zum Betreuer bestellt werden kann (§ 1897 Abs. 4 BGB). Das Gericht muss vielmehr in einem solchen Fall unter Beachtung des Betreuungsvorschlags gegebenenfalls eine Mitbetreuung einrichten (§ 1899 Abs. 1 BGB) oder die anstehende Erweiterung des Aufgabenkreises zum Anlass für eine Überprüfung hinsichtlich der bereits bestehenden Betreuung nehmen.
13
c) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf diesem Rechtsfehler , denn das Beschwerdegericht hätte dem Betreuervorschlag des Betroffenen gemäß § 1897 Abs. 4 BGB entsprechen müssen, wenn es seinem Wohl nicht zuwiderläuft (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017 - XII ZB 390/16 - FamRZ 2017, 1779 Rn. 11 ff.).
14
3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen , auch auf Grundlage einer persönlichen Anhörung zu treffenden Feststellungen , ob das Wohl des Betroffenen dem von ihm geäußerten Betreuungswunsch entgegensteht, nicht selbst treffen kann.
15
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG). Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Erfurt, Entscheidung vom 10.08.2017 - 4 XVII 627/15 (2) -
LG Erfurt, Entscheidung vom 11.10.2017 - 3 T 335/17 -

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(1) Für die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers und die Erweiterung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen gelten die Vorschriften über die Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Das Gericht hat die zuständige Behörde nur anzuhören, wenn es der Betroffene verlangt oder es zur Sachaufklärung erforderlich ist.

(2) Einer persönlichen Anhörung nach § 278 Abs. 1 sowie der Einholung eines Gutachtens oder ärztlichen Zeugnisses (§§ 280 und 281) bedarf es nicht,

1.
wenn diese Verfahrenshandlungen nicht länger als sechs Monate zurückliegen oder
2.
die beabsichtigte Erweiterung nach Absatz 1 nicht wesentlich ist.
Eine wesentliche Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers liegt insbesondere vor, wenn erstmals ganz oder teilweise die Personensorge oder eine der in § 1815 Absatz 2 oder in den §§ 1829 bis 1832 des Bürgerlichen Gesetzbuchs genannten Aufgaben einbezogen wird.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann das Gericht von der Einholung eines Gutachtens oder eines ärztlichen Zeugnisses absehen, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers nicht aufgrund einer Änderung des Krankheits- oder Behinderungsbildes des Betroffenen, sondern aufgrund der Änderung seiner Lebensumstände oder einer unzureichenden Wirkung anderer Hilfen erweitert werden soll.

(4) Ist mit der Bestellung eines weiteren Betreuers nach § 1817 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Erweiterung des Aufgabenkreises verbunden, gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.

(1) Für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gelten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Von der erneuten Einholung eines Gutachtens kann abgesehen werden, wenn sich aus der persönlichen Anhörung des Betroffenen und einem ärztlichen Zeugnis ergibt, dass sich der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit offensichtlich nicht verringert hat und eine Verlängerung dem erklärten Willen des Betroffenen nicht widerspricht. Das Gericht hat die zuständige Behörde nur anzuhören, wenn es der Betroffene verlangt oder es zur Sachaufklärung erforderlich ist.

(2) Über die Verlängerung der Betreuung oder des Einwilligungsvorbehalts hat das Gericht spätestens sieben Jahre nach der Anordnung dieser Maßnahmen zu entscheiden. Ist die Maßnahme gegen den erklärten Willen des Betroffenen angeordnet worden, ist über eine erstmalige Verlängerung spätestens nach zwei Jahren zu entscheiden.

(1) Für die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers und die Erweiterung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen gelten die Vorschriften über die Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Das Gericht hat die zuständige Behörde nur anzuhören, wenn es der Betroffene verlangt oder es zur Sachaufklärung erforderlich ist.

(2) Einer persönlichen Anhörung nach § 278 Abs. 1 sowie der Einholung eines Gutachtens oder ärztlichen Zeugnisses (§§ 280 und 281) bedarf es nicht,

1.
wenn diese Verfahrenshandlungen nicht länger als sechs Monate zurückliegen oder
2.
die beabsichtigte Erweiterung nach Absatz 1 nicht wesentlich ist.
Eine wesentliche Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers liegt insbesondere vor, wenn erstmals ganz oder teilweise die Personensorge oder eine der in § 1815 Absatz 2 oder in den §§ 1829 bis 1832 des Bürgerlichen Gesetzbuchs genannten Aufgaben einbezogen wird.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann das Gericht von der Einholung eines Gutachtens oder eines ärztlichen Zeugnisses absehen, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers nicht aufgrund einer Änderung des Krankheits- oder Behinderungsbildes des Betroffenen, sondern aufgrund der Änderung seiner Lebensumstände oder einer unzureichenden Wirkung anderer Hilfen erweitert werden soll.

(4) Ist mit der Bestellung eines weiteren Betreuers nach § 1817 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Erweiterung des Aufgabenkreises verbunden, gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 507/17
vom
14. Februar 2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Verlängerung einer bereits
bestehenden Betreuung über einen Betreuerwechsel zu befinden, richtet
sich die Auswahl der Person des Betreuers nicht nach § 1908 b Abs. 3 BGB,
sondern nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift
des § 1897 BGB (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. September
2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897).
BGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 - XII ZB 507/17 - LG Zwickau
AG Zwickau
ECLI:DE:BGH:2018:140218BXIIZB507.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau vom 23. August 2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. September 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1
Für die 1991 geborene und an einem Down-Syndrom (Trisomie 21) leidende Betroffene wurde erstmals durch Beschluss vom 31. März 2010 eine rechtliche Betreuung eingerichtet. Gleichzeitig wurden ihre Mutter (Beteiligte zu
1) und ihr Vater (Beteiligter zu 2) zu Mitbetreuern mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge , Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten , Postkontrolle, Geltendmachung von Ansprüchen aller Art sowie Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, in heim- und pflegerechtlichen Angelegenheiten und in Angelegenheiten der beruflichen Rehabilitation bestellt.
2
Nach Einholung eines ärztlichen Zeugnisses und nach Anhörung der Betroffenen hat das Amtsgericht die Betreuung verlängert, die Überprüfungsfrist auf sieben Jahre bestimmt und den Vater als (Mit-)Betreuer entlassen. Auf die gegen seine Entlassung als Betreuer gerichtete Beschwerde des Vaters hat das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung insoweit aufgehoben.
3
Hiergegen wendet sich die Mutter mit ihrer Rechtsbeschwerde, die weiterhin das Ziel verfolgt, alleinige Betreuerin der Betroffenen zu werden.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass kein wichtiger Grund im Sinne von § 1908 b BGB für die Entlassung des Vaters als Mitbetreuer vorliege. Die Entlassung eines Betreuers komme dann in Betracht, wenn dessen Eignung nicht mehr gewährleistet sei, weil etwa die Sachkenntnis fehle oder Pflichten missachtet worden seien. Allein auf den Umstand, dass der Vater nunmehr von der Mutter getrennt lebe und aus der Familienwohnung ausgezogen sei, könne die Entlassung daher nicht gestützt werden. Soweit der Vater einen Bericht über die Führung der Betreuung nicht (mit-)unterzeichnet habe, sei dies vom Gericht seinerzeit nur gegenüber der Mutter beanstandet worden. Es sei nicht festgestellt worden, warum der Vater seiner Berichtspflicht nicht nachgekommen sei und ob ihn entsprechende Aufforderungen nach seinem Wohnsitzwechsel überhaupt erreicht hätten. Zudem sei dem Vater kein rechtliches Gehör zu seiner Entlassung gewährt worden.
6
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Frage der Auswahl des Betreuers im Zusammenhang mit der Verlängerung einer Betreuung nicht am Maßstab des § 1908 b Abs. 1 BGB zu beantworten ist, wie dies die Instanzengerichte meinen.
7
a) Wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, regelt § 1908 b Abs. 1 BGB zwar die Voraussetzungen, unter denen die Entlassung eines Betreuers erfolgen kann. Die Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Fälle , in denen bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll. Ist dagegen im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Verlängerung einer bereits bestehenden Betreuung über einen Betreuerwechsel zu befinden, richtet sich die Auswahl der Person des Betreuers nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 BGB. Dies folgt aus dem Rechtscharakter der Verlängerungsentscheidung als erneute vollständige Einheitsentscheidung über die Betreuung und ergibt sich aus § 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG, nach dem für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers die Verfahrensvorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme entsprechend gelten (Senatsbeschlüsse vom 19. Juli 2017 - XII ZB 57/17 - FamRZ 2017, 1612 Rn. 14 mwN und vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 17 mwN).
8
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf diesem Rechtsfehler , denn das Beschwerdegericht hat sich - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht die Frage gestellt, inwieweit es bei der Auswahl des Betreuers an die Wünsche der Betroffenen (§ 1897 Abs. 4 BGB) gebunden ist.
9
Die Betroffene hat bei ihrer Anhörung durch das Amtsgericht am 28. Juni 2017 ausweislich des Anhörungsprotokolls angegeben, sie sei "damit einver- standen, dass ihr Vater als Betreuer entlassen" werde. Das Beschwerdegericht wird durch eigene Anhörung der Betroffenen zu klären haben, ob danach der Wunsch der Betroffenen besteht, allein durch die Mutter (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB) oder jedenfalls nicht mehr durch den Vater (§ 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB) betreut zu werden. Sofern die Betroffene keinen dahingehenden Vorschlag äußern sollte, wird sich das Beschwerdegericht unter verständiger Würdigung der Interessen und des Wohls der Betroffenen wie bei einer Erstentscheidung auch damit auseinanderzusetzen haben, ob die Angelegenheiten der Betroffenen bei einer gemeinsamen Betreuung durch ihre Eltern im Sinne des § 1899 Abs. 1 BGB besser besorgt werden können, was einerseits dem Leitbild einer an die gemeinsame elterliche Sorge anschließenden gemeinsamen Betreuung eines volljährig gewordenen geistig behinderten Kindes durch beide Eltern entspricht (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 130), andererseits aber bei erheblichen persönlichen Spannungen zwischen den Eltern nicht ohne weiteres der Fall ist (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 292, 293).
10
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen. Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Zwickau, Entscheidung vom 28.06.2017 - 12 XVII 633/09 -
LG Zwickau, Entscheidung vom 23.08.2017 - 9 T 193/17 -

(1) Für die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers und die Erweiterung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen gelten die Vorschriften über die Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Das Gericht hat die zuständige Behörde nur anzuhören, wenn es der Betroffene verlangt oder es zur Sachaufklärung erforderlich ist.

(2) Einer persönlichen Anhörung nach § 278 Abs. 1 sowie der Einholung eines Gutachtens oder ärztlichen Zeugnisses (§§ 280 und 281) bedarf es nicht,

1.
wenn diese Verfahrenshandlungen nicht länger als sechs Monate zurückliegen oder
2.
die beabsichtigte Erweiterung nach Absatz 1 nicht wesentlich ist.
Eine wesentliche Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers liegt insbesondere vor, wenn erstmals ganz oder teilweise die Personensorge oder eine der in § 1815 Absatz 2 oder in den §§ 1829 bis 1832 des Bürgerlichen Gesetzbuchs genannten Aufgaben einbezogen wird.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann das Gericht von der Einholung eines Gutachtens oder eines ärztlichen Zeugnisses absehen, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers nicht aufgrund einer Änderung des Krankheits- oder Behinderungsbildes des Betroffenen, sondern aufgrund der Änderung seiner Lebensumstände oder einer unzureichenden Wirkung anderer Hilfen erweitert werden soll.

(4) Ist mit der Bestellung eines weiteren Betreuers nach § 1817 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Erweiterung des Aufgabenkreises verbunden, gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.

11
a) Nach § 1897 Abs. 4 Satz 2 BGB hat das Betreuungsgericht einem Vorschlag des Betroffenen, eine Person zum Betreuer zu bestellen, zu entsprechen , sofern die Bestellung des vorgeschlagenen Betreuers dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft. Ein solcher Vorschlag erfordert weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Vorschlag des Betroffenen ernsthaft, eigenständig gebildet und dauerhaft sein muss. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden. Etwaigen Miss- bräuchen und Gefahren wird hinreichend durch die begrenzte, letztlich auf das Wohl des Betroffenen abstellende Bindungswirkung eines solchen Vorschlags begegnet (Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2010 - XII ZB 165/10 - FamRZ 2011, 285 Rn. 14 mwN).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.