Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2019 - XII ZB 511/18

bei uns veröffentlicht am27.11.2019
vorgehend
Amtsgericht Bad Schwalbach, 1 F 681/16, 04.10.2017
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 1 UF 263/17, 16.10.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 511/18
vom
27. November 2019
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Abänderung einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen
Elternteil ist trotz eines auf den Wechsel in den Haushalt des anderen Elternteils
gerichteten Kindeswillens nicht gerechtfertigt, wenn der Kindeswille
nicht autonom gebildet ist und sonstige Belange des Kindeswohls entgegenstehen.
BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 511/18 - OLG Frankfurt am Main
AG Bad Schwalbach
ECLI:DE:BGH:2019:271119BXIIZB511.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Botur und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2018 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. Wert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Die beteiligten Eltern streiten über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre drei gemeinsamen Kinder.
2
Die Eltern schlossen im Januar 2005 die Ehe. Aus der Ehe stammen der 2008 geborene Sohn K-D. sowie die 2009 geborenen Zwillinge M.D. und L-M. Der 1960 geborene Kindesvater ist Bürokaufmann. Er hat aus einer früheren Beziehung ein weiteres, bereits erwachsenes Kind. Die 1987 geborene Kindesmutter stammt aus der Dominikanischen Republik und hat inzwischen eine Ausbildung zur Krankenpflegerin absolviert.
3
Die Eltern trennten sich 2013. Durch Beschluss vom 7. April 2014 übertrug das Amtsgericht der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei gemeinsamen Kinder. Diese zog sodann mit den Kindern aus dem gemeinsamen Haus in eine Wohnung in einem nahe gelegenen Ort.
4
Im vorliegenden Verfahren hat der Kindesvater - unter Abänderung der getroffenen Regelung - die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich beantragt, hilfsweise eine Umgangsregelung im Sinn eines Wechselmodells. Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den Antrag zum Sorgerecht zurückgewiesen. Wegen des Hilfsantrags hat es ein gesondertes Umgangsverfahren eingeleitet, das vor dem Senat unter dem Aktenzeichen XII ZB 512/18 anhängig ist.
5
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Kindesvaters zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen zugelassene Rechtsbeschwerde, mit welcher er seinen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die drei Kinder weiterverfolgt.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
7
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen keine triftigen, das Wohl der Kinder nachhaltig berührenden Gründe nach § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Abänderung der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter vor. § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB entfalte eine Stabilisierungsfunktion für gerichtlich angeordnete Sorge- und Umgangsverhältnisse. Die Vorschrift diene dem Schutz des Kindes oder der Sorgeberechtigten vor Verunsicherung und Infragestellung dieser Ordnung. Gegen eine Änderung sprächen regelmäßig das Kontinuitätsbedürfnis sowie sein Interesse an einer Stabilität der Lebensverhältnisse. Das Tatbestandsmerkmal der triftigen Gründe nach § 1696 Abs. 1 BGB beinhalte auch das Erfordernis, dass neue Tatsachen zu einer veränderten Beurteilung Anlass gäben. Insofern genüge eine abweichende Beurteilung bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht.
8
Auch ein bereits geäußerter, jedoch nachdrücklich wiederholter Änderungswunsch eines Kindes könne einen im Rahmen dieser Abwägung zu beachtenden neuen Umstand darstellen. Maßgebliches Entscheidungskriterium sei jedoch das Kindeswohl mit der in § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB genannten Schwelle. Soweit sich der zu beachtende Wille des Kindes auf eine Veränderung der Verhältnisse richte, sei eine Änderung somit nur zulässig und gerechtfertigt , wenn die Änderungsinteressen des Kindes im Einzelfall die anderen zu berücksichtigenden Gründe für eine kindeswohlorientierte Entscheidung deutlich überwiegen. Der Kindeswille stelle also wie auch im Rahmen der Abwägung nach § 1671 BGB nur einen von mehreren Gesichtspunkten für den übergeordneten Entscheidungsmaßstab des Kindeswohls dar.
9
Da familiengerichtliche Entscheidungen maßgeblichen Einfluss auf das Leben eines Kindes nähmen und es damit unmittelbar betroffen sei, sei das Kind bei jeder Entscheidung in seiner Individualität und mit seinem Willen einzubeziehen , was mit zunehmendem Alter und zunehmender Einsichtsfähigkeit des Kindes an Bedeutung gewinne. Denn nur so könne es sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Person entwickeln, wobei der Kindeswille die Bindung zu einem Elternteil zum Ausdruck bringe und darüber hinaus einen Akt der Selbstbestimmung darstelle. Insoweit seien an den Kindeswillen Mindestanforderungen wie Zielorientierung, Intensität, Stabilität und Autonomie zu stellen. Der Kindeswille könne schon allein deswegen zu beachten sein, weil er sich jedenfalls als eine zu respektierende psychische Lebenswirklichkeit des Kindes darstelle.
10
Es komme im vorliegenden Fall entscheidend darauf an, ob hier ein zu beachtender Wille der drei Kinder, gerichtet auf eine Änderung der gegenwärtigen Verhältnisse, gegeben sei, der die übrigen, im Rahmen der Entscheidung des Amtsgerichts vom 7. April 2014 berücksichtigten Kindeswohlerwägungen derart überwiege, dass eine Änderung dieser Entscheidung angezeigt wäre. Das sei jedoch nicht der Fall.
11
Zwar sei dem Kindesvater insoweit Recht zu geben, als vorliegend der Wille aller drei Kinder darauf gerichtet sei, ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt des Vaters am bisherigen Wohnort zu haben. Diesen Willen hätten die Kinder wiederholt und in verschiedenen Anhörungs- bzw. Untersuchungssituationen geäußert. Es sei auch davon auszugehen, dass es sich dabei um einen stabilen , sich nachhaltig intensivierenden und zielorientierten Willen der Kinder handele. Allerdings sei nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen , der Einschätzung des Jugendamts, nach den in der Akte ausführlich dokumentierten Kindesanhörungen sowie aufgrund der übrigen aktenkundlichen Feststellungen im Verfahren davon auszugehen, dass der Wille der Kinder nicht autonom sei, d.h. in dem Sinne Ausdruck eines individuellen, selbst initiierten Bestrebens, sondern sich lediglich als zu respektierende psychische Lebenswirklichkeit der Kinder darstelle.
12
Zweifel an der Verwertbarkeit des Sachverständigengutachtens bestünden nicht, zumal die tatsächlichen Feststellungen der hinreichend qualifizierten Sachverständigen von keinem der Beteiligten angezweifelt worden seien. Die Sachverständige habe festgestellt, dass der Wille der Kinder jedenfalls kein ausschließlich autonom gebildeter sei. Da es dem Kindesvater schwerfalle, seine Bedürfnisse von den Bedürfnissen der Kinder zu trennen, bewirke er, dass die Kinder nicht ihre eigenen Bedürfnisse auslebten, sondern sich in die Bedürfniswelt des Vaters einfänden und danach reagierten. In einer solchen Konstellation sei die Möglichkeit, dass der Kindeswille zum Baustein der Selbstwerdung des Kindes und zur Bestätigung seines individuellen Subjektseins beitrage, zumindest eingeschränkt. Die Sachverständige habe dokumentiert , dass der Vater überbehütende Tendenzen aufweise und vollständig in das Leben der Kinder integriert sein wolle. Seine Reaktionen und Aktionen in Übergabesituationen , die aktenkundlich geworden seien, zeigten eine erhebliche Schwierigkeit des Kindesvaters, sich von den Kindern zu lösen und diese der Mutter zu übergeben. Sein Verhalten und die von ihm getätigten Aussagen trügen dazu bei, die Kinder in eine angespannte Situation zu versetzen, sie zu verunsichern oder ihnen gar Schuldgefühle oder Gefühle der Verantwortung für den Vater aufzubürden. Insbesondere das älteste Kind solidarisiere sich mit dem Kindesvater, um dessen besondere Aufmerksamkeit und Bestätigung zu erlangen. Schon im Ausgangsverfahren habe dieses gegenüber dem damaligen Verfahrensbeistand statt eigener Bedürfnisse vorwiegend den Wunsch und Willen des Kindesvaters zum Ausdruck gebracht. Aus sachverständiger Sicht handele es sich um eine Kombination aus einem autonom entstandenen Willen und nicht autonom entstandenen Anteilen durch Beeinflussung des Vaters. Das versetze das Kind in einen Konflikt, so dass es Gefahr laufe, seine eigenen Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren. Insgesamt assoziierten die Kinder hauptsächlich die Vorzüge des Wohnens im ehemaligen Familienwohnhaus und die damit verbundenen Lebensumstände (Haus, Garten, Spielmöglichkeiten, Haustier ) mit einem Lebensmittelpunkt beim Kindesvater. Zwar sei nicht zu verkennen , dass die Kinder emotionale Gründe angegeben hätten, warum sie gern beim Vater leben wollten. Andererseits sei auch zu berücksichtigen, dass sich im Laufe des Verfahrens und des Ausgangsverfahrens starkeBeeinflussungsoder gar Instrumentalisierungstendenzen des Kindesvaters gezeigt hätten. Der Wille der Kinder allein als psychische Lebenswirklichkeit wiege weniger schwer, da er nicht Ausdruck von kindlicher Selbstbestimmung sei.
13
Mit Blick auf die übrigen Aspekte der Kindeswohlprüfung überwiege der Kindeswille jedenfalls nicht in einer Weise, dass sich an der Gesamtabwägung des Kindeswohls gegenüber der vorangegangenen Entscheidung für den Lebensmittelpunkt der Kinder etwas ändern würde. Das gelte insbesondere im Hinblick auf die Erziehungseignung und die Bindungstoleranz. Die Kindesmutter habe in der Vergangenheit nicht nur ihre Bindungstoleranz, sondern auch ihre Bindungsfürsorge unter Beweis gestellt und den Kindesvater über die geregelten Umgangszeiten hinaus in die Betreuung und Versorgung der Kinder einbezogen. In ihrer Obhut habe sich im Übrigen, wie von der Schule zurückgemeldet worden sei, die Situation für die Kinder entspannt und stabilisiert.
14
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
15
a) Gemäß § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Entscheidung zum Sorgeoder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Abänderungsgründe in diesem Sinne liegen nach den vom Oberlandesgericht in nicht zu beanstandender Weise getroffenen Feststellungen nicht vor. Vielmehr ist sogar davon auszugehen, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter nach wie vor dem Wohl der drei gemeinsamen Kinder am besten entspricht.
16
aa) Die Beurteilung des Kindeswohls liegt in der Verantwortung der Tatsachengerichte. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 29 mwN).
17
Der Senat hat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt. Die einzelnen Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (Senatsbeschlüsse BGHZ 211, 22 = FamRZ 2016, 1439 Rn. 20; BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 19 mwN).
18
Nach § 159 Abs. 1 FamFG ist ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, persönlich anzuhören. Auch ein jüngeres Kind ist gemäß § 159 Abs. 2 FamFG persönlich anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist (Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 - FamRZ 2019, 115 Rn. 12). Die Neigungen, Bindungen und der Kindeswille sind gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls (Senatsbeschlüsse BGHZ 211, 22 = FamRZ 2016, 1439 Rn. 44 und BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 19).
19
bb) Der vom Kind geäußerte Wille hat bei kleineren Kindern vornehmlich Erkenntniswert hinsichtlich seiner persönlichen Bindungen (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 1078 Rn. 12, 18; FamRZ 2008, 1737, 1738; Senatsbeschluss vom 6. Dezember 1989 - IVb ZB 66/88 - FamRZ 1990, 392, 393), ist mit zunehmendem Alter jedoch auch als Ausdruck der Entwicklung des Kindes zu einer eigenständigen Persönlichkeit bedeutsam (§ 1626 Abs. 2 Satz 2 BGB; vgl. BVerfG FamRZ 2008, 1737, 1738). Der Kindeswille ist aber nur insoweit zu berücksichtigen , als er dem Kindeswohl entspricht (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 31; BVerfG FamRZ 1981, 124, 126 f. und FamRZ 2008, 1737, 1738).
20
Zur Berücksichtigung des Willens des Kindes und seiner Interessen sieht das Gesetz die Bestellung eines Verfahrensbeistands vor (§ 158 FamFG; vgl. Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 - FamRZ 2019, 115 Rn. 16). Die Einrichtung der Verfahrensbeistandschaft ist übereinstimmend mit der ihr vorausgegangenen - inhaltsgleichen - Verfahrenspflegschaft Ausdruck der Subjektstellung des Kindes in seiner Individualität als Grundrechtsträger (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 1078 Rn. 10 mwN; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 86; Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 32). Sie soll in Fällen eines Interessenkonflikts zwischen Kind und Eltern insbesondere die einseitige Vertretung der Interessen des Kindes ermöglichen und unterscheidet sich insofern vom Aufgabenkreis des Familiengerichts und der weiteren Beteiligten (BT-Drucks. 13/4899 S. 129 f. - zur Verfahrenspflegschaft). Die Verfahrensbeistandschaft trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Scheidungskinder sich oftmals in einer verunsicherten psychischen Situation befinden und ein Verfahrensbeistand das Kind durch die Vertretung seiner Interessen gegenüber dem Familiengericht entlasten kann (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 32 - zum Verfahrenspfleger).
21
b) Die angefochtene Entscheidung weist nach diesen Maßstäben keine materiell-rechtlichen Fehler auf und ist auch verfahrensfehlerfrei ergangen.
22
aa) Das sachverständig beratene Oberlandesgericht hat eine Abänderung der im Vorverfahren ergangenen Sorgerechtsregelung vor allem wegen der gegenüber dem Kindesvater nach wie vor besseren Erziehungskompetenz der Kindesmutter abgelehnt.
23
Das Oberlandesgericht hat den auf einen Wechsel in den Haushalt des Kindesvaters gerichteten Willen der Kinder, den diese im vorliegenden wie zum Teil auch bereits im Ausgangsverfahren geäußert haben, berücksichtigt. Es hat dem Kindeswillen im Ergebnis aber zu Recht keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen, weil dem weitere, gewichtigere Gründe des Kindeswohls entgegenstehen. Zwar haben die Kinder nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen eine intakte Bindung zum Kindesvater. Dieser bietet ihnen insbesondere im früheren Familienwohnheim gute Spielgelegenheiten und beschäftigt sich intensiv mit den Kindern.
24
Demgegenüber fällt jedoch erheblich ins Gewicht, dass hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters, insbesondere seiner Bindungstoleranz, deutliche Abstriche zu machen sind. Das Oberlandesgericht hat insoweit in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, der Kindesvater vermöge es nach wie vor weniger als die Kindesmutter, den Kindern zu ihrer Entwicklung Freiräume zu gewähren und dabei eigene Bedürfnisse hintanzustellen. In diesem Zusammenhang sei auch das über Jahre hinweg wiederholte und drängende Einwirken auf die Kinder negativ zu gewichten. Wenn der Kindesvater insbesondere in den Übergabesituationen, in denen es den Kindern und vor allem K-D. schwergefallen sei, sich von ihm zu lösen und zur Mutter zu gehen, diese Situationen filme, anstatt den Kindern als Vater stärkend zur Seite zu stehen, zeige dies, dass er sich in für die Kinder wichtigen Situationen weniger empathisch auf die Bedürfnisse der Kinder einstellen könne. Erzieherische Defizite des Kindesvaters betreffen vor allem auch die Vermittlung von Regeln und Grenzen. Zudem lässt er es an der notwendigen Loyalität zur Kindesmutter als dem anderen Elternteil fehlen. Es wirkt sich nachteilig auf die Kinder aus, wenn sie von einem Elternteil - bewusst oder unbewusst - unter "Koalitionsdruck" gesetzt und sie dadurch in Loyalitätskonflikte gebracht werden (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 31).
25
Beide Vorinstanzen befinden sich in ihrer Einschätzung im Einklang mit dem ausführlichen Sachverständigengutachten und dem Jugendamt. Insbesondere hat sich auch der Verfahrensbeistand eindeutig für eine Beibehaltung der bestehenden Sorgerechtsregelung ausgesprochen. Dieser hat dabei entsprechend seiner gesetzlichen Aufgabenzuweisung auch den gegenläufig geäußerten Willen der drei betroffenen Kinder berücksichtigt, diesen aber übereinstimmend mit der Sachverständigen und dem Jugendamt als vom Vater beeinflusst und im Widerspruch zu weiteren, gewichtigen Belangen des Kindeswohls angesehen.
26
bb) Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet.
27
Die von der Rechtsbeschwerde gerügte Widersprüchlichkeit der angefochtenen Entscheidung sowie der von der Sachverständigen im Gutachten und in der mündlichen Anhörung gemachten Angaben besteht nicht. Hierfür kann dahinstehen, inwiefern es sich beim Willen der Kinder um einen nicht autonomen oder einen teilweise autonomen Willen handelt. Denn für die vom Oberlandesgericht gezogene Schlussfolgerung reicht es aus, dass der Wille der Kinder beeinflusst ist, was von den Vorinstanzen beanstandungsfrei festgestellt worden ist. Überdies hat das Oberlandesgericht maßgeblich auf die mit dem Willen der Kinder insoweit nicht zu vereinbarenden weiteren Belange des Kindeswohls abgestellt, die im vorliegenden Fall den von den Kindern geäußerten, aber nicht völlig autonom gebildeten Willen als nicht ausschlaggebend erscheinen lassen.
28
Auch die Rüge der Rechtsbeschwerde, dass das Oberlandesgericht die Kinder habe erneut anhören müssen, ist unbegründet. Die Kinder sind vor dem Amtsgericht in beiden Parallelverfahren insgesamt dreimal angehört worden.
Sowohl das Jugendamt als auch der Verfahrensbeistand haben darauf hingewiesen , dass die Kinder durch den in beiden Verfahren ausgetragenen Elternkonflikt erheblich belastet sind. Der Verfahrensbeistand hat es dementsprechend als berufener Interessenvertreter der Kinder ausdrücklich für richtig gehalten , dass die Kinder in der Beschwerdeinstanz nicht erneut angehört worden sind (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 - FamRZ 2019, 115 Rn. 16). Da der Wille der Kinder und ihre Motivation aufgrund der erstinstanzlichen Anhörungen und des eingeholten Sachverständigengutachtens ausführlich untersucht worden sind, bedurfte es vor dem Oberlandesgericht keiner erneuten Anhörung der Kinder.
29
c) Soweit das Oberlandesgericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit dem engen Zusammenhang der parallel laufenden Verfahren und der seiner Meinung nach aufgrund der neueren Rechtsprechung des Senats nicht mehr eindeutigen Abgrenzbarkeit der Gegenstände Sorgerecht und Umgangsrecht begründet hat, stellen sich derartige Fragen im vorliegenden Verfahren nicht. Die Abgrenzung von Umgangs- und Sorgerechtsverfahren ist vielmehr eindeutig und von den Vorinstanzen zutreffend vorgenommen worden. Soweit die inhaltliche Reichweite und die Folgerichtigkeit der in den beiden Verfahren ergehenden Entscheidungen in Frage stehen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 - zur Veröffentlichung bestimmt), haben sich für das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall auch insoweit aus der Parallelität der Verfahren keine Probleme ergeben. Dose Klinkhammer Botur Guhling Krüger
Vorinstanzen:
AG Bad Schwalbach, Entscheidung vom 04.10.2017 - 1 F 681/16 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 16.10.2018 - 1 UF 263/17 -

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bei uns veröffentlicht am 27.11.2019

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(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

(1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Entscheidungen nach § 1626a Absatz 2 können gemäß § 1671 Absatz 1 geändert werden; § 1671 Absatz 4 gilt entsprechend. § 1678 Absatz 2, § 1680 Absatz 2 sowie § 1681 Absatz 1 und 2 bleiben unberührt.

(2) Eine Maßnahme nach den §§ 1666 bis 1667 oder einer anderen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die nur ergriffen werden darf, wenn dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung oder zum Wohl des Kindes erforderlich ist (kindesschutzrechtliche Maßnahme), ist aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.

(3) Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 512/18
vom
27. November 2019
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die gerichtliche Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen
Elternteil hat keine Bindungswirkung hinsichtlich einer späteren Entscheidung
zum Umgang und der sich dabei stellenden Frage, ob ein paritätisches
Wechselmodell anzuordnen ist (Fortführung von Senatsbeschluss BGHZ
214, 31 = FamRZ 2017, 532).

b) Die Entscheidung zum Umgang richtet sich in diesem Fall als Erstentscheidung
nach §§ 1684, 1697 a BGB und unterliegt nicht den einschränkenden
Voraussetzungen einer Abänderungsentscheidung gemäß § 1696 Abs. 1

c) Der Anordnung eines Wechselmodells kann entgegenstehen, dass der dieses
begehrende Elternteil es an der notwendigen Loyalität gegenüber dem
anderen Elternteil fehlen lässt. Ein gegenläufiger Wille des Kindes ist nicht
ausschlaggebend, wenn dieser maßgeblich vom das Wechselmodell anstrebenden
Elternteil beeinflusst ist.
BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 - OLG Frankfurt am Main
AG Bad Schwalbach
ECLI:DE:BGH:2019:271119BXIIZB512.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Botur und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2018 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Wert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Die beteiligten Eltern streiten über den Umgang des Kindesvaters (Beteiligter zu 1) mit den drei gemeinsamen Kindern.
2
Die Eltern schlossen im Januar 2005 die Ehe. Aus der Ehe stammen der 2008 geborene Sohn K-D. sowie die 2009 geborenen Zwillinge M.D. und L-M. Der 1960 geborene Kindesvater ist Bürokaufmann. Er hat aus einer früheren Beziehung ein weiteres, bereits erwachsenes Kind. Die 1987 geborene Kindesmutter (Beteiligte zu 2) stammt aus der Dominikanischen Republik und hat inzwischen eine Ausbildung zur Krankenpflegerin absolviert.
3
Die Eltern trennten sich 2013. Durch Beschluss vom 7. April 2014 übertrug das Amtsgericht der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei gemeinsamen Kinder. Diese zog sodann mit den Kindern aus dem gemeinsamen Haus in eine Wohnung in einem nahe gelegenen Ort.
4
Die Beteiligten trafen eine vorläufige Umgangsregelung, welche aber auch in der Folgezeit praktiziert wurde. Der Kindesvater hat in einem gesonderten Verfahren die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich beantragt und hilfsweise eine Umgangsregelung im Sinn eines Wechselmodells. Das Amtsgericht hat den Antrag zum Sorgerecht, das Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Beschwerde des Kindesvaters zurückgewiesen. Das Sorgerechtsverfahren ist vor dem Senat unter dem Aktenzeichen XII ZB 511/18 anhängig.
5
Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um das vom Amtsgericht aufgrund des in jenem Verfahren gestellten Hilfsantrags von Amts wegen eingeleitete Umgangsverfahren. Das Amtsgericht hat den Umgang dahin geregelt , dass die Kinder alle vierzehn Tage donnerstags ab 17 Uhr bis montags zum Schulbeginn Umgang mit dem Kindesvater haben und der Kindesvater außerdem berechtigt ist, mit den Kindern in den umgangsfreien Wochen montags , mittwochs und freitags jeweils um 18 Uhr zu telefonieren. Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde des Kindesvaters die Regelung dahin ergänzt , dass auch in den Wochen ohne Umgang am Wochenende von dienstags nach Schulschluss bis mittwochs zum Schulbeginn ein Umgang stattfindet.
6
Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Kindesvaters , mit welcher er die Anordnung des Wechselmodells mit einem wöchentlichen Wechsel jeweils freitags weiterverfolgt.

II.

7
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
8
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2019, 206 veröffentlicht ist, liegen für eine weitergehende Umgangsregelung keine Gründe im Sinne von § 1696 Abs. 1 BGB vor. Die Vorschrift sei auch dann anzuwenden, wenn eine gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren zur elterlichen Sorge aus der Vergangenheit vorliege, in welcher das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Folge der Installierung eines Residenzmodells auf einen Elternteil übertragen worden sei und nunmehr im Rahmen eines Umgangsverfahrens vom anderen Elternteil eine paritätische Betreuung angestrebt werde. Dem stehe auch der Wortlaut der Norm nicht entgegen, da dieser so zu verstehen sein könnte, dass entweder eine Entscheidung zum Sorgerecht oder zum Umgangsrecht abzuändern sein müsse. Mit Blick auf die Tatsache, dass das Familiengericht in seiner Entscheidung vom 7. April 2014 das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter übertragen und somit eine Entscheidung für ein bestimmtes Betreuungsmodell getroffen habe, sei davon auszugehen, dass diese Entscheidung auch im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legen sei und demzufolge für die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells ebenfalls der Maßstab des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB gelte. Eine gerichtliche Umgangsregelung , die zu einem paritätisch ausgestalteten Wechselmodell führe, könne bei der gegenwärtigen Gesetzes- und Rechtslage nicht losgelöst von einer bereits bestehenden rechtlichen Zuordnung des Aufenthaltsbestimmungsrechts getroffen werden. Die Abgrenzung zwischen § 1671 Abs. 1 BGB und § 1684 BGB wäre bei Uneinigkeit der Eltern obsolet, wenn man eine Umgangsregelung für zulässig erachten würde, die einem paritätischen Wechselmodell entspreche. Hinzu kämen die unterschiedlichen formellen Voraussetzungen der Verfahren nach § 1671 Abs. 1 BGB und § 1684 BGB.
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Offen bleiben könne die im Schrifttum weiter umstrittene Frage, ob nach der gegenwärtigen Gesetzeslage entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine gerichtliche Umgangsregelung in einem Umgangsverfahren , die im Ergebnis zu einem paritätischen Wechselmodell führe, überhaupt möglich oder ob eine solche Regelung in einem Sorgerechtsverfahren zu treffen sei.
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Die Voraussetzungen für eine Abänderung der Betreuungsregelung, die das Familiengericht mit seiner Entscheidung vom 7. April 2014 getroffen habe, seien nicht gegeben. Ein triftiger, das Wohl der Kinder nachhaltig berührender Grund könne allerdings darin liegen, dass nunmehr nach der jüngsten Entwicklung in Forschung und Lehre sowie in der Rechtsprechung die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells als Umgangsregelung angezeigt sei. Da es nach aktuellem Forschungsstand und de lege lata keine generell zu bevorzugende Betreuungsregelung gebe, habe sich die Entscheidung an den allgemeinen Kindeswohlkriterien zu orientieren. Zur Anordnung eines paritätischen Wechselmodells müsse sich dieses als das im Vergleich zu anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entsprechend erweisen. Vorliegend müssten sogar triftige, nach der Entscheidung vom 7. April 2014 neu hinzugetretene Gründe im Sinne von § 1696 BGB dafür sprechen, es im konkreten Fall nunmehr anzuordnen. Auch ein bereits geäußerter, jedoch nachdrücklich wiederholter Änderungswunsch eines Kindes könne einen neuen, im Rahmen der Abwägung zu beachtenden triftigen Grund für eine Abänderung darstellen. Der Kindeswille stelle aber nur einen von mehreren Gesichtspunkten des Kindeswohls dar.
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Im vorliegenden Fall komme es darauf an, ob ein zu beachtender Wille der drei Kinder die übrigen im Rahmen der Entscheidung vom 7. April 2014 berücksichtigten Kindeswohlerwägungen derart überwiege, dass eine Änderung dieser Entscheidung angezeigt sei. Das sei jedoch nicht der Fall. Gegen eine noch weiter ausgedehnte Umgangsregelung spreche insbesondere, dass der Kindesvater es nach dem im Parallelverfahren eingeholten Sachverständigengutachten weniger als die Kindesmutter vermöge, die Bindung der Kinder an den anderen Elternteil zu respektieren, was auch für die Implementierung des Wechselmodells Bedeutung habe. Der Kindesvater habe es seit der Trennung der Eltern immer wieder dazu kommen lassen, dass die Umgangszeiten ausgedehnt und die Kinder nicht zur verabredeten Zeit zur Kindesmutter zurückgekehrt seien. Zwar seien beide Eltern grundsätzlich hinreichend erziehungsgeeignet. Allerdings bestünden Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters.
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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Zwar hat das Oberlandesgericht seiner Entscheidung - anders als das Amtsgericht - mit § 1696 BGB einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Auch bei Anwendung der im Rahmen der Umgangsentscheidung gemäß § 1684 BGB zu beachtenden Maßstäbe ist die Entscheidung aber im Ergebnis noch zutreffend.
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a) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts (ebenso Staudinger/Dürbeck BGB [Updatestand: 19. Oktober 2019] § 1684 Rn. 557.1) ist § 1696 BGB auf die vorliegende Entscheidung nicht anzuwenden. Gemäß § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.
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aa) Schon der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass sich die Abänderung auf die jeweils gleichartige Entscheidung, Sorge- oder Umgangsrecht, beziehen muss. Bei Sorge- und Umgangsrecht handelt es sich nach der gesetzlichen Systematik um eigenständige Verfahrensgegenstände. Während im Sor- gerechtsverfahren etwa nach § 1671 BGB oder § 1666 BGB die Frage der Rechtszuständigkeit der Eltern für die elterliche Sorge oder Teile davon in Rede steht, betrifft die Umgangsregelung die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge und schränkt insoweit die Befugnisse des Sorgeberechtigten entsprechend ein, ohne in das Sorgerecht als Status einzugreifen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 20 mwN; Rake FamRZ 2019, 213, 214). Sorge- und Umgangsrecht unterliegen dementsprechend verfahrensrechtlich der eigenständigen Behandlung, wie es von den Vorinstanzen auch praktiziert worden ist. Entsprechend entfaltet die im jeweiligen Verfahren erlassene Entscheidung keine übergreifende Bindungswirkung auch für den anderen Verfahrensgegenstand.
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bb) Zudem ist schon die Prämisse des Oberlandesgerichts nicht haltbar, dass mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil zugleich notwendigerweise die gerichtliche Entscheidung für ein Residenzmodell verbunden sei (vgl. Rake FamRZ 2019, 213, 214). Diese Folge mag zwar in den meisten Fällen Motiv für die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil sein. Sie ist aber nicht Gegenstand der Entscheidung , welche allein in der Übertragung der entsprechenden Befugnis auf den Elternteil besteht. Auch ist die Betreuung im Residenzmodell nicht auf andere Weise zwangsläufig mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts verbunden. So kann im Einzelfall das Aufenthaltsbestimmungsrecht etwa dem Elternteil zu übertragen sein, der eine Fremdunterbringung des Kindes befürwortet und umsetzen wird, wenn diese für das Kindeswohl erforderlich ist.
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Erst recht bedürfte die Entscheidung zum Sorgerecht auch keiner vorherigen Abänderung, wenn der zur Aufenthaltsbestimmung berechtigte Elternteil später die Einrichtung eines Wechselmodells befürworten und ein solches alsdann einvernehmlich durchgeführt werden sollte. Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts müsste in diesem Fall hingegen zunächst ein Abänderungsverfahren durchgeführt werden. Zudem kann es im Einzelfall bei von den Eltern einvernehmlich angestrebtem Wechselmodell auch im Sinn des Kindeswohls liegen, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht einem Elternteil übertragen wird, wenn dieser etwa eine zuverlässige Durchführung des Wechselmodells eher gewährleistet als der andere Elternteil. Durch eine implizite Festlegung des Umgangsmodells schon im Rahmen der Sorgerechtsentscheidung könnte überdies bei fehlenden Abänderungsgründen einem umgangsberechtigten Elternteil bereits die Möglichkeit abgeschnitten werden, überhaupt eine erstmalige vollstreckbare Umgangsregelung zu erwirken.
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Dass eine auf das Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung in bestimmten Fallgestaltungen, wenn der umgangsberechtigte Elternteil nicht mitsorgeberechtigt ist, zu einer vorherigen sorgerechtlichen Regelung möglicherweise in sachlichen Widerspruch treten kann, stellt sich als eine im jeweiligen Einzelfall zu beantwortende Frage der inhaltlichen Folgerichtigkeit der im jeweiligen Verfahren zu treffenden Entscheidung dar (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 21). Im vorliegenden Fall haben sich für das Oberlandesgericht aus der Parallelität der bei ihm gleichzeitig anhängigen Verfahren bezüglich Sorge- und Umgangsrecht keine Probleme ergeben. Dass bei Parallelverfahren , die sich auf inhaltlich überschneidende Fragestellungen beziehen, eine allgemeine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bestehen kann, ist schließlich keine Besonderheit von Kindschaftsverfahren oder sonstigen Familienverfahren. Die Frage, ob es sinnvoll erscheint, durch eine gesetzliche Zusammenfassung der Verfahrensgegenstände von Sorgerecht und Umgangsrecht zu einem einheitlichen Verfahren die Gefahr widersprüchlicher Regelungen zu vermindern, ist rechtspolitischer Natur und kann sich schon deswegen im vorliegenden Verfahren nicht stellen.
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cc) Da sich das vorliegende Verfahren auf die erstmalige gerichtliche Regelung des Umgangs zwischen dem Kindesvater und den Kindern bezieht, ist die Entscheidung somit unabhängig vom Vorliegen der Abänderungsvoraussetzungen nach § 1696 Abs. 1 BGB zu treffen. Indem das Oberlandesgericht mit der von ihm gebilligten und zudem noch ergänzten Umgangsregelung des Amtsgerichts in der Sache entschieden hat, hat es das Umgangsbegehren des Kindesvaters selbst nicht am einschränkenden Abänderungsmaßstab des § 1696 Abs. 1 BGB scheitern lassen. Die von den Vorinstanzen getroffene Umgangsregelung geht im Übrigen mit ihrem Umfang von nahezu fünf Tagen in jeweils zwei Wochen über den herkömmlichen Umfang im Residenzmodell deutlich hinaus und ist vom paritätischen Wechselmodell nicht weit entfernt.
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b) Die angefochtene Entscheidung beruht allerdings nicht auf dem vom Oberlandesgericht unzutreffend herangezogenen Entscheidungsmaßstab. Denn auch anhand des für die erstmalige Umgangsregelung geltenden Maßstabs nach §§ 1684, 1697 a BGB erweist sich der angefochtene Beschluss im Ergebnis als richtig. Aus den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass jedenfalls die vom Kindesvater angestrebte Erweiterung der Umgangskontakte bis hin zu einem paritätischen Wechselmodell im vorliegenden Fall dem Wohl der betroffenen Kinder nicht am besten entspricht.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Frage, ob die Anordnung des Wechselmodells geboten sein kann, unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden. Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls hat der Senat in Sorgerechtsfragen bislang die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt. Gleiches gilt auch für Regelungen zum Umgangsrecht und mithin hier für die Anordnung des paritätischen Wechselmodells. Ähnlich wie bei der gemeinsamen Sorge als paritätischer Wahrnehmung des Elternrechts setzt die Kindeswohldienlichkeit des paritätischen Wechselmodells als hälftig geteilter Ausübung der gemeinsamen Sorge auch die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 25 mwN).
21
Dass zwischen den Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell Konsens besteht, ist hingegen keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung. Das ergibt sich bereits aus der Erwägung, dass der Wille des Elternteils und das Kindeswohl nicht notwendig übereinstimmen und es auch nicht in der Entscheidungsbefugnis eines Elternteils liegt, ob eine dem Kindeswohl entsprechende gerichtliche Anordnung ergehen kann oder nicht. Würde der entgegengesetzte Wille eines Elternteils gleichsam als Vetorecht stets ausschlaggebend sein, so würde der Elternwille ohne Rücksicht auf die zugrundeliegende jeweilige Motivation des Elternteils in sachwidriger Weise über das Kindeswohl gestellt. Vergleichbar ist das Einverständnis beider Eltern auch nicht Voraussetzung der Begründung oder Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge in den Fällen der §§ 1626 a, 1671 BGB. Durch die Regelung in § 1626 a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 BGB ist vielmehr gerade ermöglicht worden, den Vater auch ohne Zustimmung der Mutter an der elterlichen Sorge zu beteiligen, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 26 mwN).
22
Das Wechselmodell ist danach anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 27 mwN).
23
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen zum Wohl des Kindes gehört (vgl. § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB). Mit der Vorschrift ist allerdings noch keine quantitative Festlegung einer zu treffenden Umgangsregelung verbunden. Eine solche muss vielmehr im konkreten Einzelfall dem Kindeswohl entsprechen. Bei § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB handelt es sich um die gesetzliche Klarstellung eines einzelnen - wenn auch gewichtigen - Kindeswohlaspekts. Dass dadurch die Bedeutung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen unterstrichen wird, verleiht diesem Gesichtspunkt aber noch keinen generellen Vorrang gegenüber anderen Kindeswohlkriterien. Beim Wechselmodell kommt hinzu, dass dieses gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat. Auf Seiten des Kindes wird ein Wechselmodell nur in Betracht zu ziehen sein, wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Hierfür kann gegebenenfalls auch Bedeutung gewinnen, in welchem Umfang beide Elternteile schon zur Zeit des Zusammenlebens in die Betreuung des Kindes eingebunden waren. Wesentlicher Aspekt ist zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist. Bei Kindern im Jugendalter verringert sich ohnedies die gemeinsame Zeit von Eltern und Kind, weil die Kinder ihren Aktionsradius erweitern und für sie die mit Gleichaltrigen verbrachte Zeit bedeutsamer wird (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 28 f. mwN).
24
Zwischen den Eltern ergibt sich bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, was geeignete äußere Rahmenbedingungen, so etwa eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen , aber auch eine entsprechende Kooperations- und Kommunikationsfähig- keit der Eltern voraussetzt. Dementsprechend sollten beide Eltern hinreichende Erziehungskompetenzen aufweisen und erkannt haben, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf. Bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung wird das Wechselmodell dagegen in der Regel nicht dem Kindeswohl entsprechen. Denn das Kind wird dann durch vermehrte oder ausgedehnte Kontakte auch mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterlichen Streit konfrontiert und gerät durch den von den Eltern oftmals ausgeübten "Koalitionsdruck" in Loyalitätskonflikte. Zugleich wird es den Eltern aufgrund ihres fortwährenden Streits oft nicht möglich sein, die für die Erziehung des Kindes nötige Kontinuität und Verlässlichkeit zu schaffen. Zwar ist die Senkung des elterlichen Konfliktniveaus ein Anliegen der mit der Trennungs - und Scheidungsproblematik befassten Professionen und das Familiengericht dementsprechend schon von Gesetzes wegen angehalten, auf eine einvernehmliche Konfliktlösung hinzuwirken (vgl. § 156 Abs. 1 FamFG). Jedoch erscheint die Anordnung des Wechselmodells grundsätzlich ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern dadurch zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen. Das schließt nicht aus, dass die Eltern im Einzelfall gleichwohl in der Lage sind, ihren persönlichen Konflikt von der - gemeinsamen - Wahrnehmung ihrer Elternrolle gegenüber dem Kind zu trennen und dieses von ihrem Streit zu verschonen. Auch mag ein Wechselmodell in akuten Trennungssituationen - etwa zunächst versuchsweise - angeordnet werden können, um eine für das Kind möglichst wenig belastende Elterntrennung zu ermöglichen und insbesondere bei starker Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen Kontinuität herzustellen, die dem Kind bei der Bewältigung der Elterntrennung helfen kann (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 30 f. mwN).
25
bb) Gemessen an diesen Kriterien scheidet im vorliegenden Fall die vom Kindesvater erstrebte Anordnung eines Wechselmodells aus.
26
Das Oberlandesgericht hat eine weiter ausgedehnte Umgangsregelung insbesondere deswegen abgelehnt, weil der Kindesvater es nach dem im Parallelverfahren eingeholten Sachverständigengutachten weniger als die Kindesmutter vermöge, die Bindung der Kinder an den anderen Elternteil zu respektieren. Es hat diesen Umstand auch zutreffend als für die Implementierung des Wechselmodells bedeutsam erachtet, weil sich die insoweit eingeschränkte Erziehungseignung des Kindesvaters bei der Durchführung der Umgangskontakte nachteilig auf die Kinder auswirkt. Hier hat es der Kindesvater nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts seit der Trennung der Eltern immer wieder dazu kommen lassen, dass die Umgangszeiten ausgedehnt wurden und die Kinder nicht zur verabredeten Zeit zur Kindesmutter zurückgekehrt sind. Zwar ist danach auch der Kindesvater grundsätzlich hinreichend erziehungsgeeignet. Allerdings bestehen Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit, weil er die Kinder in den Elternkonflikt hineinzieht und sie verstärktem Loyalitätsdruck aussetzt. Seine Reaktionen und Aktionen im Rahmen der Übergabesituationen zeigen die Schwierigkeit des Kindesvaters, sich von den Kindern zu lösen und diese jeweils der Mutter zu übergeben.
27
Damit fehlt es jedenfalls derzeit an der für ein Wechselmodell erforderlichen hinreichenden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider Eltern. Insbesondere mangelt es an der hierfür erforderlichen Erziehungskompetenz des Kindesvaters, der es (noch) nicht erkannt hat, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf.
28
Dementsprechend hat das Oberlandesgericht im Ergebnis zu Recht auch dem geäußerten Kindeswillen wie im Parallelverfahren keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen, weil dem weitere, gewichtigere Gründe des Kindeswohls entgegenstehen. Zwar haben die Kinder nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen eine intakte Bindung zum Kindesvater. Dieser bietet ihnen insbesondere im früheren Familienwohnheim gute Spielgelegenheiten und beschäftigt sich intensiv mit den Kindern.
29
Demgegenüber fällt jedoch erheblich ins Gewicht, dass hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters, insbesondere seiner Bindungstoleranz, deutliche Abstriche zu machen sind. Das Oberlandesgericht hat insoweit in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, der Kindesvater vermöge es nach wie vor weniger als die Kindesmutter, den Kindern zu ihrer Entwicklung Freiräume zu gewähren und dabei eigene Bedürfnisse hintanzustellen. In diesem Zusammenhang sei auch das über Jahre hinweg wiederholte und drängende Einwirken auf die Kinder negativ zu gewichten. Wenn der Kindesvater insbesondere in den Übergabesituationen, in denen es den Kindern und vor allem K-D. schwergefallen sei, sich von ihm zu lösen und zur Mutter zu gehen, diese Situationen filme, anstatt den Kindern als Vater stärkend zur Seite zu stehen, zeige dies, dass er sich in für die Kinder wichtigen Situationen eher weniger empathisch auf die Bedürfnisse der Kinder einstellen könne. Erzieherische Defizite des Kindesvaters betreffen vor allem auch die Vermittlung von Regeln und Grenzen. Zudem lässt er es an der notwendigen Loyalität zur Kindesmutter als dem anderen Elternteil fehlen. Es wirkt sich nachteilig auf die Kinder aus, wenn sie von einem Elternteil - bewusst oder unbewusst - unter "Koalitionsdruck" gesetzt und sie dadurch in Loyalitätskonflikte gebracht werden (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 31 mwN).
30
Beide Vorinstanzen befinden sich mit ihrer Einschätzung im Einklang mit dem im Parallelverfahren eingeholten und im vorliegenden Verfahren in zulässiger Weise verwerteten Sachverständigengutachten und mit dem Jugendamt. Insbesondere hat der Verfahrensbeistand entsprechend seiner gesetzlichen Aufgabenzuweisung auch den gegenläufig geäußerten Willen der drei betroffenen Kinder berücksichtigt, diesen aber übereinstimmend mit der Sachverständigen und dem Jugendamt als vom Vater beeinflusst und im Widerspruch zu weiteren, gewichtigen Belangen des Kindeswohls angesehen.
31
cc) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, dass das Oberlandesgericht die Kinder habe erneut anhören müssen, ist unbegründet. Die Kinder sind vor dem Amtsgericht in beiden Parallelverfahren insgesamt dreimal angehört worden. Sowohl das Jugendamt als auch der Verfahrensbeistand haben darauf hingewiesen , dass die Kinder durch den in beiden Verfahren ausgetragenen Elternkonflikt erheblich belastet sind. Der Verfahrensbeistand hat es dementsprechend als berufener Interessenvertreter der Kinder ausdrücklich für richtig gehalten , dass die Kinder in der Beschwerdeinstanz nicht erneut angehört worden sind (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 - FamRZ 2019, 115 Rn. 16). Da der Wille der Kinder und ihre Motivation aufgrund der erstinstanzlichen Anhörungen und des im Parallelverfahren eingeholten und im vorliegenden Verfahren in zulässiger Weise verwerteten Sachverständigengutachtens ausführlich untersucht worden sind, bedurfte es vor dem Oberlandesgericht keiner erneuten Anhörung der Kinder. Dose Klinkhammer Botur Guhling Krüger
Vorinstanzen:
AG Bad Schwalbach, Entscheidung vom 20.04.2018 - 1 F 802/17 UG -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 16.10.2018 - 1 UF 74/18 -

(1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Entscheidungen nach § 1626a Absatz 2 können gemäß § 1671 Absatz 1 geändert werden; § 1671 Absatz 4 gilt entsprechend. § 1678 Absatz 2, § 1680 Absatz 2 sowie § 1681 Absatz 1 und 2 bleiben unberührt.

(2) Eine Maßnahme nach den §§ 1666 bis 1667 oder einer anderen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die nur ergriffen werden darf, wenn dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung oder zum Wohl des Kindes erforderlich ist (kindesschutzrechtliche Maßnahme), ist aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.

(3) Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet.

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

(1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Entscheidungen nach § 1626a Absatz 2 können gemäß § 1671 Absatz 1 geändert werden; § 1671 Absatz 4 gilt entsprechend. § 1678 Absatz 2, § 1680 Absatz 2 sowie § 1681 Absatz 1 und 2 bleiben unberührt.

(2) Eine Maßnahme nach den §§ 1666 bis 1667 oder einer anderen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die nur ergriffen werden darf, wenn dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung oder zum Wohl des Kindes erforderlich ist (kindesschutzrechtliche Maßnahme), ist aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.

(3) Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet.

(1) Das Gericht hat das Kind persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen.

(2) Von der persönlichen Anhörung und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nach Absatz 1 kann das Gericht nur absehen, wenn

1.
ein schwerwiegender Grund dafür vorliegt,
2.
das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun,
3.
die Neigungen, Bindungen und der Wille des Kindes für die Entscheidung nicht von Bedeutung sind und eine persönliche Anhörung auch nicht aus anderen Gründen angezeigt ist oder
4.
das Verfahren ausschließlich das Vermögen des Kindes betrifft und eine persönliche Anhörung nach der Art der Angelegenheit nicht angezeigt ist.
Satz 1 Nummer 3 ist in Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die die Person des Kindes betreffen, nicht anzuwenden. Das Gericht hat sich in diesen Verfahren einen persönlichen Eindruck von dem Kind auch dann zu verschaffen, wenn das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun.

(3) Sieht das Gericht davon ab, das Kind persönlich anzuhören oder sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen, ist dies in der Endentscheidung zu begründen. Unterbleibt eine Anhörung oder die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks allein wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.

(4) Das Kind soll über den Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in einer geeigneten und seinem Alter entsprechenden Weise informiert werden, soweit nicht Nachteile für seine Entwicklung, Erziehung oder Gesundheit zu befürchten sind. Ihm ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Hat das Gericht dem Kind nach § 158 einen Verfahrensbeistand bestellt, soll die persönliche Anhörung und die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in dessen Anwesenheit stattfinden. Im Übrigen steht die Gestaltung der persönlichen Anhörung im Ermessen des Gerichts.

(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

(1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen.

(2) Die Bestellung ist stets erforderlich, wenn eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(3) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht,
2.
eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet,
3.
Verfahren die Herausgabe des Kindes zum Gegenstand haben oder
4.
eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.
Sieht das Gericht in den genannten Fällen von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen.

(4) Die Bestellung endet mit der Aufhebung der Bestellung, mit Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. Das Gericht hebt die Bestellung auf, wenn

1.
der Verfahrensbeistand dies beantragt und einer Entlassung keine erheblichen Gründe entgegenstehen oder
2.
die Fortführung des Amtes die Interessen des Kindes gefährden würde.

(5) Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

16
Eine mögliche Belastung des Kindes durch die Anhörung ist vom Gericht gegen die Vorteile, die diese Art der Sachverhaltsaufklärung bietet, abzuwägen. Sollten die Belastungsmomente überwiegen, kann die Anhörung gemäß § 159 Abs. 3 Satz 1 FamFG unterbleiben (BT-Drucks. 16/6308 S. 416; vgl. auch Senatsbeschluss vom 28. Mai 1986 - IVb ZB 36/84 - NJW-RR 1986, 1130 zu § 50 b Abs. 3 FGG). Von einer persönlichen Anhörung kann danach abgesehen werden, wenn die Gefahr besteht, dass das Kind hierdurch in einer mit seinem Wohl nicht zu vereinbarenden Weise psychisch belastet wird (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 1. August 2011 - 8 UF 136/11 - juris Rn. 10) bzw. wenn die Anhörung des Kindes zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner körperlichen oder seelischen Gesundheit führen würde (vgl. BeckOK FamFG/Schlünder [Stand: 1. Oktober 2018] § 159 Rn. 5 mwN; Keidel/Engelhardt FamFG 19. Aufl. § 159 Rn. 12; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308 S. 428). Regelmäßig setzt die Entscheidung über das Absehen von einer Anhörung die Abwägung der Kindesinteressen mit der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 26 FamFG) voraus. Je bedeutsamer der Eingriff in die Rechtssphäre des Kindes ist, umso stärker ist die Pflicht zur Anhörung (Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 6. Aufl. § 159 Rn. 5; ähnlich Keidel/Engelhardt FamFG 19. Aufl. § 159 Rn. 11). Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, inwieweit es möglich ist, durch die Auskunft anderer Verfahrensbeteiligter, wie etwa des Verfahrensbeistands , des Umgangs- bzw. Ergänzungspflegers oder eines Mitarbeiters des Jugendamts, zu erfahren, ob der Umgang dem Kindeswohl entspricht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 512/18
vom
27. November 2019
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die gerichtliche Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen
Elternteil hat keine Bindungswirkung hinsichtlich einer späteren Entscheidung
zum Umgang und der sich dabei stellenden Frage, ob ein paritätisches
Wechselmodell anzuordnen ist (Fortführung von Senatsbeschluss BGHZ
214, 31 = FamRZ 2017, 532).

b) Die Entscheidung zum Umgang richtet sich in diesem Fall als Erstentscheidung
nach §§ 1684, 1697 a BGB und unterliegt nicht den einschränkenden
Voraussetzungen einer Abänderungsentscheidung gemäß § 1696 Abs. 1

c) Der Anordnung eines Wechselmodells kann entgegenstehen, dass der dieses
begehrende Elternteil es an der notwendigen Loyalität gegenüber dem
anderen Elternteil fehlen lässt. Ein gegenläufiger Wille des Kindes ist nicht
ausschlaggebend, wenn dieser maßgeblich vom das Wechselmodell anstrebenden
Elternteil beeinflusst ist.
BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 - OLG Frankfurt am Main
AG Bad Schwalbach
ECLI:DE:BGH:2019:271119BXIIZB512.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Botur und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2018 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Wert: 3.000 €

Gründe:

I.

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Die beteiligten Eltern streiten über den Umgang des Kindesvaters (Beteiligter zu 1) mit den drei gemeinsamen Kindern.
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Die Eltern schlossen im Januar 2005 die Ehe. Aus der Ehe stammen der 2008 geborene Sohn K-D. sowie die 2009 geborenen Zwillinge M.D. und L-M. Der 1960 geborene Kindesvater ist Bürokaufmann. Er hat aus einer früheren Beziehung ein weiteres, bereits erwachsenes Kind. Die 1987 geborene Kindesmutter (Beteiligte zu 2) stammt aus der Dominikanischen Republik und hat inzwischen eine Ausbildung zur Krankenpflegerin absolviert.
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Die Eltern trennten sich 2013. Durch Beschluss vom 7. April 2014 übertrug das Amtsgericht der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei gemeinsamen Kinder. Diese zog sodann mit den Kindern aus dem gemeinsamen Haus in eine Wohnung in einem nahe gelegenen Ort.
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Die Beteiligten trafen eine vorläufige Umgangsregelung, welche aber auch in der Folgezeit praktiziert wurde. Der Kindesvater hat in einem gesonderten Verfahren die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich beantragt und hilfsweise eine Umgangsregelung im Sinn eines Wechselmodells. Das Amtsgericht hat den Antrag zum Sorgerecht, das Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Beschwerde des Kindesvaters zurückgewiesen. Das Sorgerechtsverfahren ist vor dem Senat unter dem Aktenzeichen XII ZB 511/18 anhängig.
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Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um das vom Amtsgericht aufgrund des in jenem Verfahren gestellten Hilfsantrags von Amts wegen eingeleitete Umgangsverfahren. Das Amtsgericht hat den Umgang dahin geregelt , dass die Kinder alle vierzehn Tage donnerstags ab 17 Uhr bis montags zum Schulbeginn Umgang mit dem Kindesvater haben und der Kindesvater außerdem berechtigt ist, mit den Kindern in den umgangsfreien Wochen montags , mittwochs und freitags jeweils um 18 Uhr zu telefonieren. Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde des Kindesvaters die Regelung dahin ergänzt , dass auch in den Wochen ohne Umgang am Wochenende von dienstags nach Schulschluss bis mittwochs zum Schulbeginn ein Umgang stattfindet.
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Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Kindesvaters , mit welcher er die Anordnung des Wechselmodells mit einem wöchentlichen Wechsel jeweils freitags weiterverfolgt.

II.

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Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
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1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2019, 206 veröffentlicht ist, liegen für eine weitergehende Umgangsregelung keine Gründe im Sinne von § 1696 Abs. 1 BGB vor. Die Vorschrift sei auch dann anzuwenden, wenn eine gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren zur elterlichen Sorge aus der Vergangenheit vorliege, in welcher das Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Folge der Installierung eines Residenzmodells auf einen Elternteil übertragen worden sei und nunmehr im Rahmen eines Umgangsverfahrens vom anderen Elternteil eine paritätische Betreuung angestrebt werde. Dem stehe auch der Wortlaut der Norm nicht entgegen, da dieser so zu verstehen sein könnte, dass entweder eine Entscheidung zum Sorgerecht oder zum Umgangsrecht abzuändern sein müsse. Mit Blick auf die Tatsache, dass das Familiengericht in seiner Entscheidung vom 7. April 2014 das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter übertragen und somit eine Entscheidung für ein bestimmtes Betreuungsmodell getroffen habe, sei davon auszugehen, dass diese Entscheidung auch im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legen sei und demzufolge für die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells ebenfalls der Maßstab des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB gelte. Eine gerichtliche Umgangsregelung , die zu einem paritätisch ausgestalteten Wechselmodell führe, könne bei der gegenwärtigen Gesetzes- und Rechtslage nicht losgelöst von einer bereits bestehenden rechtlichen Zuordnung des Aufenthaltsbestimmungsrechts getroffen werden. Die Abgrenzung zwischen § 1671 Abs. 1 BGB und § 1684 BGB wäre bei Uneinigkeit der Eltern obsolet, wenn man eine Umgangsregelung für zulässig erachten würde, die einem paritätischen Wechselmodell entspreche. Hinzu kämen die unterschiedlichen formellen Voraussetzungen der Verfahren nach § 1671 Abs. 1 BGB und § 1684 BGB.
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Offen bleiben könne die im Schrifttum weiter umstrittene Frage, ob nach der gegenwärtigen Gesetzeslage entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine gerichtliche Umgangsregelung in einem Umgangsverfahren , die im Ergebnis zu einem paritätischen Wechselmodell führe, überhaupt möglich oder ob eine solche Regelung in einem Sorgerechtsverfahren zu treffen sei.
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Die Voraussetzungen für eine Abänderung der Betreuungsregelung, die das Familiengericht mit seiner Entscheidung vom 7. April 2014 getroffen habe, seien nicht gegeben. Ein triftiger, das Wohl der Kinder nachhaltig berührender Grund könne allerdings darin liegen, dass nunmehr nach der jüngsten Entwicklung in Forschung und Lehre sowie in der Rechtsprechung die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells als Umgangsregelung angezeigt sei. Da es nach aktuellem Forschungsstand und de lege lata keine generell zu bevorzugende Betreuungsregelung gebe, habe sich die Entscheidung an den allgemeinen Kindeswohlkriterien zu orientieren. Zur Anordnung eines paritätischen Wechselmodells müsse sich dieses als das im Vergleich zu anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entsprechend erweisen. Vorliegend müssten sogar triftige, nach der Entscheidung vom 7. April 2014 neu hinzugetretene Gründe im Sinne von § 1696 BGB dafür sprechen, es im konkreten Fall nunmehr anzuordnen. Auch ein bereits geäußerter, jedoch nachdrücklich wiederholter Änderungswunsch eines Kindes könne einen neuen, im Rahmen der Abwägung zu beachtenden triftigen Grund für eine Abänderung darstellen. Der Kindeswille stelle aber nur einen von mehreren Gesichtspunkten des Kindeswohls dar.
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Im vorliegenden Fall komme es darauf an, ob ein zu beachtender Wille der drei Kinder die übrigen im Rahmen der Entscheidung vom 7. April 2014 berücksichtigten Kindeswohlerwägungen derart überwiege, dass eine Änderung dieser Entscheidung angezeigt sei. Das sei jedoch nicht der Fall. Gegen eine noch weiter ausgedehnte Umgangsregelung spreche insbesondere, dass der Kindesvater es nach dem im Parallelverfahren eingeholten Sachverständigengutachten weniger als die Kindesmutter vermöge, die Bindung der Kinder an den anderen Elternteil zu respektieren, was auch für die Implementierung des Wechselmodells Bedeutung habe. Der Kindesvater habe es seit der Trennung der Eltern immer wieder dazu kommen lassen, dass die Umgangszeiten ausgedehnt und die Kinder nicht zur verabredeten Zeit zur Kindesmutter zurückgekehrt seien. Zwar seien beide Eltern grundsätzlich hinreichend erziehungsgeeignet. Allerdings bestünden Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters.
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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Zwar hat das Oberlandesgericht seiner Entscheidung - anders als das Amtsgericht - mit § 1696 BGB einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Auch bei Anwendung der im Rahmen der Umgangsentscheidung gemäß § 1684 BGB zu beachtenden Maßstäbe ist die Entscheidung aber im Ergebnis noch zutreffend.
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a) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts (ebenso Staudinger/Dürbeck BGB [Updatestand: 19. Oktober 2019] § 1684 Rn. 557.1) ist § 1696 BGB auf die vorliegende Entscheidung nicht anzuwenden. Gemäß § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.
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aa) Schon der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass sich die Abänderung auf die jeweils gleichartige Entscheidung, Sorge- oder Umgangsrecht, beziehen muss. Bei Sorge- und Umgangsrecht handelt es sich nach der gesetzlichen Systematik um eigenständige Verfahrensgegenstände. Während im Sor- gerechtsverfahren etwa nach § 1671 BGB oder § 1666 BGB die Frage der Rechtszuständigkeit der Eltern für die elterliche Sorge oder Teile davon in Rede steht, betrifft die Umgangsregelung die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge und schränkt insoweit die Befugnisse des Sorgeberechtigten entsprechend ein, ohne in das Sorgerecht als Status einzugreifen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 20 mwN; Rake FamRZ 2019, 213, 214). Sorge- und Umgangsrecht unterliegen dementsprechend verfahrensrechtlich der eigenständigen Behandlung, wie es von den Vorinstanzen auch praktiziert worden ist. Entsprechend entfaltet die im jeweiligen Verfahren erlassene Entscheidung keine übergreifende Bindungswirkung auch für den anderen Verfahrensgegenstand.
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bb) Zudem ist schon die Prämisse des Oberlandesgerichts nicht haltbar, dass mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil zugleich notwendigerweise die gerichtliche Entscheidung für ein Residenzmodell verbunden sei (vgl. Rake FamRZ 2019, 213, 214). Diese Folge mag zwar in den meisten Fällen Motiv für die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil sein. Sie ist aber nicht Gegenstand der Entscheidung , welche allein in der Übertragung der entsprechenden Befugnis auf den Elternteil besteht. Auch ist die Betreuung im Residenzmodell nicht auf andere Weise zwangsläufig mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts verbunden. So kann im Einzelfall das Aufenthaltsbestimmungsrecht etwa dem Elternteil zu übertragen sein, der eine Fremdunterbringung des Kindes befürwortet und umsetzen wird, wenn diese für das Kindeswohl erforderlich ist.
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Erst recht bedürfte die Entscheidung zum Sorgerecht auch keiner vorherigen Abänderung, wenn der zur Aufenthaltsbestimmung berechtigte Elternteil später die Einrichtung eines Wechselmodells befürworten und ein solches alsdann einvernehmlich durchgeführt werden sollte. Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts müsste in diesem Fall hingegen zunächst ein Abänderungsverfahren durchgeführt werden. Zudem kann es im Einzelfall bei von den Eltern einvernehmlich angestrebtem Wechselmodell auch im Sinn des Kindeswohls liegen, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht einem Elternteil übertragen wird, wenn dieser etwa eine zuverlässige Durchführung des Wechselmodells eher gewährleistet als der andere Elternteil. Durch eine implizite Festlegung des Umgangsmodells schon im Rahmen der Sorgerechtsentscheidung könnte überdies bei fehlenden Abänderungsgründen einem umgangsberechtigten Elternteil bereits die Möglichkeit abgeschnitten werden, überhaupt eine erstmalige vollstreckbare Umgangsregelung zu erwirken.
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Dass eine auf das Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung in bestimmten Fallgestaltungen, wenn der umgangsberechtigte Elternteil nicht mitsorgeberechtigt ist, zu einer vorherigen sorgerechtlichen Regelung möglicherweise in sachlichen Widerspruch treten kann, stellt sich als eine im jeweiligen Einzelfall zu beantwortende Frage der inhaltlichen Folgerichtigkeit der im jeweiligen Verfahren zu treffenden Entscheidung dar (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 21). Im vorliegenden Fall haben sich für das Oberlandesgericht aus der Parallelität der bei ihm gleichzeitig anhängigen Verfahren bezüglich Sorge- und Umgangsrecht keine Probleme ergeben. Dass bei Parallelverfahren , die sich auf inhaltlich überschneidende Fragestellungen beziehen, eine allgemeine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bestehen kann, ist schließlich keine Besonderheit von Kindschaftsverfahren oder sonstigen Familienverfahren. Die Frage, ob es sinnvoll erscheint, durch eine gesetzliche Zusammenfassung der Verfahrensgegenstände von Sorgerecht und Umgangsrecht zu einem einheitlichen Verfahren die Gefahr widersprüchlicher Regelungen zu vermindern, ist rechtspolitischer Natur und kann sich schon deswegen im vorliegenden Verfahren nicht stellen.
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cc) Da sich das vorliegende Verfahren auf die erstmalige gerichtliche Regelung des Umgangs zwischen dem Kindesvater und den Kindern bezieht, ist die Entscheidung somit unabhängig vom Vorliegen der Abänderungsvoraussetzungen nach § 1696 Abs. 1 BGB zu treffen. Indem das Oberlandesgericht mit der von ihm gebilligten und zudem noch ergänzten Umgangsregelung des Amtsgerichts in der Sache entschieden hat, hat es das Umgangsbegehren des Kindesvaters selbst nicht am einschränkenden Abänderungsmaßstab des § 1696 Abs. 1 BGB scheitern lassen. Die von den Vorinstanzen getroffene Umgangsregelung geht im Übrigen mit ihrem Umfang von nahezu fünf Tagen in jeweils zwei Wochen über den herkömmlichen Umfang im Residenzmodell deutlich hinaus und ist vom paritätischen Wechselmodell nicht weit entfernt.
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b) Die angefochtene Entscheidung beruht allerdings nicht auf dem vom Oberlandesgericht unzutreffend herangezogenen Entscheidungsmaßstab. Denn auch anhand des für die erstmalige Umgangsregelung geltenden Maßstabs nach §§ 1684, 1697 a BGB erweist sich der angefochtene Beschluss im Ergebnis als richtig. Aus den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass jedenfalls die vom Kindesvater angestrebte Erweiterung der Umgangskontakte bis hin zu einem paritätischen Wechselmodell im vorliegenden Fall dem Wohl der betroffenen Kinder nicht am besten entspricht.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Frage, ob die Anordnung des Wechselmodells geboten sein kann, unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden. Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls hat der Senat in Sorgerechtsfragen bislang die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt. Gleiches gilt auch für Regelungen zum Umgangsrecht und mithin hier für die Anordnung des paritätischen Wechselmodells. Ähnlich wie bei der gemeinsamen Sorge als paritätischer Wahrnehmung des Elternrechts setzt die Kindeswohldienlichkeit des paritätischen Wechselmodells als hälftig geteilter Ausübung der gemeinsamen Sorge auch die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 25 mwN).
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Dass zwischen den Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell Konsens besteht, ist hingegen keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung. Das ergibt sich bereits aus der Erwägung, dass der Wille des Elternteils und das Kindeswohl nicht notwendig übereinstimmen und es auch nicht in der Entscheidungsbefugnis eines Elternteils liegt, ob eine dem Kindeswohl entsprechende gerichtliche Anordnung ergehen kann oder nicht. Würde der entgegengesetzte Wille eines Elternteils gleichsam als Vetorecht stets ausschlaggebend sein, so würde der Elternwille ohne Rücksicht auf die zugrundeliegende jeweilige Motivation des Elternteils in sachwidriger Weise über das Kindeswohl gestellt. Vergleichbar ist das Einverständnis beider Eltern auch nicht Voraussetzung der Begründung oder Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge in den Fällen der §§ 1626 a, 1671 BGB. Durch die Regelung in § 1626 a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 BGB ist vielmehr gerade ermöglicht worden, den Vater auch ohne Zustimmung der Mutter an der elterlichen Sorge zu beteiligen, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 26 mwN).
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Das Wechselmodell ist danach anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 27 mwN).
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Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen zum Wohl des Kindes gehört (vgl. § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB). Mit der Vorschrift ist allerdings noch keine quantitative Festlegung einer zu treffenden Umgangsregelung verbunden. Eine solche muss vielmehr im konkreten Einzelfall dem Kindeswohl entsprechen. Bei § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB handelt es sich um die gesetzliche Klarstellung eines einzelnen - wenn auch gewichtigen - Kindeswohlaspekts. Dass dadurch die Bedeutung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen unterstrichen wird, verleiht diesem Gesichtspunkt aber noch keinen generellen Vorrang gegenüber anderen Kindeswohlkriterien. Beim Wechselmodell kommt hinzu, dass dieses gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat. Auf Seiten des Kindes wird ein Wechselmodell nur in Betracht zu ziehen sein, wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Hierfür kann gegebenenfalls auch Bedeutung gewinnen, in welchem Umfang beide Elternteile schon zur Zeit des Zusammenlebens in die Betreuung des Kindes eingebunden waren. Wesentlicher Aspekt ist zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist. Bei Kindern im Jugendalter verringert sich ohnedies die gemeinsame Zeit von Eltern und Kind, weil die Kinder ihren Aktionsradius erweitern und für sie die mit Gleichaltrigen verbrachte Zeit bedeutsamer wird (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 28 f. mwN).
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Zwischen den Eltern ergibt sich bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, was geeignete äußere Rahmenbedingungen, so etwa eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen , aber auch eine entsprechende Kooperations- und Kommunikationsfähig- keit der Eltern voraussetzt. Dementsprechend sollten beide Eltern hinreichende Erziehungskompetenzen aufweisen und erkannt haben, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf. Bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung wird das Wechselmodell dagegen in der Regel nicht dem Kindeswohl entsprechen. Denn das Kind wird dann durch vermehrte oder ausgedehnte Kontakte auch mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterlichen Streit konfrontiert und gerät durch den von den Eltern oftmals ausgeübten "Koalitionsdruck" in Loyalitätskonflikte. Zugleich wird es den Eltern aufgrund ihres fortwährenden Streits oft nicht möglich sein, die für die Erziehung des Kindes nötige Kontinuität und Verlässlichkeit zu schaffen. Zwar ist die Senkung des elterlichen Konfliktniveaus ein Anliegen der mit der Trennungs - und Scheidungsproblematik befassten Professionen und das Familiengericht dementsprechend schon von Gesetzes wegen angehalten, auf eine einvernehmliche Konfliktlösung hinzuwirken (vgl. § 156 Abs. 1 FamFG). Jedoch erscheint die Anordnung des Wechselmodells grundsätzlich ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern dadurch zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen. Das schließt nicht aus, dass die Eltern im Einzelfall gleichwohl in der Lage sind, ihren persönlichen Konflikt von der - gemeinsamen - Wahrnehmung ihrer Elternrolle gegenüber dem Kind zu trennen und dieses von ihrem Streit zu verschonen. Auch mag ein Wechselmodell in akuten Trennungssituationen - etwa zunächst versuchsweise - angeordnet werden können, um eine für das Kind möglichst wenig belastende Elterntrennung zu ermöglichen und insbesondere bei starker Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen Kontinuität herzustellen, die dem Kind bei der Bewältigung der Elterntrennung helfen kann (Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 30 f. mwN).
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bb) Gemessen an diesen Kriterien scheidet im vorliegenden Fall die vom Kindesvater erstrebte Anordnung eines Wechselmodells aus.
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Das Oberlandesgericht hat eine weiter ausgedehnte Umgangsregelung insbesondere deswegen abgelehnt, weil der Kindesvater es nach dem im Parallelverfahren eingeholten Sachverständigengutachten weniger als die Kindesmutter vermöge, die Bindung der Kinder an den anderen Elternteil zu respektieren. Es hat diesen Umstand auch zutreffend als für die Implementierung des Wechselmodells bedeutsam erachtet, weil sich die insoweit eingeschränkte Erziehungseignung des Kindesvaters bei der Durchführung der Umgangskontakte nachteilig auf die Kinder auswirkt. Hier hat es der Kindesvater nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts seit der Trennung der Eltern immer wieder dazu kommen lassen, dass die Umgangszeiten ausgedehnt wurden und die Kinder nicht zur verabredeten Zeit zur Kindesmutter zurückgekehrt sind. Zwar ist danach auch der Kindesvater grundsätzlich hinreichend erziehungsgeeignet. Allerdings bestehen Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit, weil er die Kinder in den Elternkonflikt hineinzieht und sie verstärktem Loyalitätsdruck aussetzt. Seine Reaktionen und Aktionen im Rahmen der Übergabesituationen zeigen die Schwierigkeit des Kindesvaters, sich von den Kindern zu lösen und diese jeweils der Mutter zu übergeben.
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Damit fehlt es jedenfalls derzeit an der für ein Wechselmodell erforderlichen hinreichenden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider Eltern. Insbesondere mangelt es an der hierfür erforderlichen Erziehungskompetenz des Kindesvaters, der es (noch) nicht erkannt hat, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf.
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Dementsprechend hat das Oberlandesgericht im Ergebnis zu Recht auch dem geäußerten Kindeswillen wie im Parallelverfahren keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen, weil dem weitere, gewichtigere Gründe des Kindeswohls entgegenstehen. Zwar haben die Kinder nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen eine intakte Bindung zum Kindesvater. Dieser bietet ihnen insbesondere im früheren Familienwohnheim gute Spielgelegenheiten und beschäftigt sich intensiv mit den Kindern.
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Demgegenüber fällt jedoch erheblich ins Gewicht, dass hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters, insbesondere seiner Bindungstoleranz, deutliche Abstriche zu machen sind. Das Oberlandesgericht hat insoweit in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, der Kindesvater vermöge es nach wie vor weniger als die Kindesmutter, den Kindern zu ihrer Entwicklung Freiräume zu gewähren und dabei eigene Bedürfnisse hintanzustellen. In diesem Zusammenhang sei auch das über Jahre hinweg wiederholte und drängende Einwirken auf die Kinder negativ zu gewichten. Wenn der Kindesvater insbesondere in den Übergabesituationen, in denen es den Kindern und vor allem K-D. schwergefallen sei, sich von ihm zu lösen und zur Mutter zu gehen, diese Situationen filme, anstatt den Kindern als Vater stärkend zur Seite zu stehen, zeige dies, dass er sich in für die Kinder wichtigen Situationen eher weniger empathisch auf die Bedürfnisse der Kinder einstellen könne. Erzieherische Defizite des Kindesvaters betreffen vor allem auch die Vermittlung von Regeln und Grenzen. Zudem lässt er es an der notwendigen Loyalität zur Kindesmutter als dem anderen Elternteil fehlen. Es wirkt sich nachteilig auf die Kinder aus, wenn sie von einem Elternteil - bewusst oder unbewusst - unter "Koalitionsdruck" gesetzt und sie dadurch in Loyalitätskonflikte gebracht werden (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 31 mwN).
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Beide Vorinstanzen befinden sich mit ihrer Einschätzung im Einklang mit dem im Parallelverfahren eingeholten und im vorliegenden Verfahren in zulässiger Weise verwerteten Sachverständigengutachten und mit dem Jugendamt. Insbesondere hat der Verfahrensbeistand entsprechend seiner gesetzlichen Aufgabenzuweisung auch den gegenläufig geäußerten Willen der drei betroffenen Kinder berücksichtigt, diesen aber übereinstimmend mit der Sachverständigen und dem Jugendamt als vom Vater beeinflusst und im Widerspruch zu weiteren, gewichtigen Belangen des Kindeswohls angesehen.
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cc) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, dass das Oberlandesgericht die Kinder habe erneut anhören müssen, ist unbegründet. Die Kinder sind vor dem Amtsgericht in beiden Parallelverfahren insgesamt dreimal angehört worden. Sowohl das Jugendamt als auch der Verfahrensbeistand haben darauf hingewiesen , dass die Kinder durch den in beiden Verfahren ausgetragenen Elternkonflikt erheblich belastet sind. Der Verfahrensbeistand hat es dementsprechend als berufener Interessenvertreter der Kinder ausdrücklich für richtig gehalten , dass die Kinder in der Beschwerdeinstanz nicht erneut angehört worden sind (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 - FamRZ 2019, 115 Rn. 16). Da der Wille der Kinder und ihre Motivation aufgrund der erstinstanzlichen Anhörungen und des im Parallelverfahren eingeholten und im vorliegenden Verfahren in zulässiger Weise verwerteten Sachverständigengutachtens ausführlich untersucht worden sind, bedurfte es vor dem Oberlandesgericht keiner erneuten Anhörung der Kinder. Dose Klinkhammer Botur Guhling Krüger
Vorinstanzen:
AG Bad Schwalbach, Entscheidung vom 20.04.2018 - 1 F 802/17 UG -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 16.10.2018 - 1 UF 74/18 -