Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2016 - XII ZB 346/16

Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Dezember 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene wendet sich gegen die Aufhebung seiner Betreuung.
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- Im Januar 2012 bestellte ihm das Amtsgericht den Berufsbetreuer M. J. als Betreuer für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten , Geltendmachung von Ansprüchen jeder Art sowie allgemeine Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und Gerichten. Mit Beschluss vom 1. Juli 2015 entließ das Amtsgericht den bisherigen Betreuer und bestellte eine neue Berufsbetreuerin.
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- Nachdem diese um ihre Entlassung gebeten hatte, weil es zwischen ihr und dem Betroffenen keinerlei persönlichen Kontakt gegeben habe und eine Basis für die Betreuung nicht habe aufgebaut werden können, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 29. Januar 2016 die Betreuung aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet er sich mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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- 1. Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
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- Zwar sei davon auszugehen, dass der Betroffene in den Bereichen, für die die Betreuung bisher eingerichtet gewesen sei, krankheitsbedingt weiterhin der Unterstützung bedürfe. An der Erforderlichkeit der Betreuung fehle es jedoch dann, wenn diese nicht geeignet sei, eine Änderung der Situation des Betroffenen herbeizuführen. So liege der Fall hier. Der von dem Betroffenen gewünschte frühere Betreuer könne nicht bestellt werden, da dieser nicht geeignet sei, eine Betreuung zu führen. Selbst wenn der Bereich der Vermögenssorge aus der Betreuung herausgenommen werden könne, woran durchaus Zweifel bestünden, ändere dies an der mangelnden Eignung des vom Betroffenen gewünschten Betreuers nichts. Dieser habe nicht nur in der Zusammenarbeit mit dem Gericht, sondern auch im Auftreten gegenüber anderen Behörden und Einrichtungen und im Umgang mit den vom ihm Betreuten teilweise erhebliche Defizite erkennen lassen, die er trotz mehrfacher Hinweise in einer Vielzahl von Gesprächen nicht habe abstellen können. Ein anderer Betreuer könne seine Aufgabe nicht wirksam wahrnehmen und zum Wohl des Betroffenen nichts bewirken , der in seiner Anhörung vor der Beschwerdekammer nochmals ausdrücklich bekräftigt habe, dass er zu einer Zusammenarbeit mit einem anderen Betreuer als Herrn M. J. nicht bereit sei. Da eine Betreuung gegen den Willen des Betroffenen nicht eingerichtet werden dürfe, sei die Betreuung aufzuheben.
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- 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
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- a) Nach § 1908 d BGB ist eine Betreuung aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Hierfür genügt es, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nur eine der Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers nicht mehr vorliegt. Da nach § 1896 Abs. 1 a BGB gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden darf, ist deshalb eine bestehende Betreuung aufzuheben, wenn sich der Betroffene mit freiem Willen gegen die Betreuung entscheidet (MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1908 d Rn. 3). Nichts Anderes kann gelten, wenn ein Betroffener, der in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen, zwar grundsätzlich mit der Fortführung einer für ihn eingerichteten Betreuung einverstanden ist, dies aber mit der Bedingung verknüpft, dass eine Person zum Betreuer bestellt wird, die aus Sicht des Betreuungsgerichts für die Übernahme des Betreueramtes ungeeignet ist. Auch in diesem Fall widerspräche die Fortführung der Betreuung mit einem anderen als dem gewünschten Betreuer dem freien Willen des Betroffenen (§ 1896 Abs. 1 a BGB). Beruht die Entscheidung des Betroffenen gegen die Bestellung eines anderen als dem von ihm gewünschten Betreuer auf einer freien Willensbildung, muss diese Entscheidung auch dann respektiert werden, wenn die Fortführung der bestehenden Betreuung für den Betroffenen objektiv vorteilhaft wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 632/12 - FamRZ 2014, 647 Rn. 10 mwN). Deshalb ist in diesem Fall auch bei bestehen- der Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen und fortbestehendem Betreuungsbedarf die Betreuung gemäß § 1908 d Abs. 1 BGB aufzuheben.
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- b) Auch gemessen hieran ist die Annahme des Beschwerdegerichts, dass im vorliegenden Fall die Betreuung aufzuheben sei, weil der Betroffene nur den Berufsbetreuer M. J. als Betreuer akzeptiere und dieser wegen seiner mangelnden Eignung nicht zum Betreuer bestellt werden könne, nicht frei von Rechtsfehlern.
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- Zwar hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass der Betroffene zu einer freien Willensbildung in der Lage ist und eine Betreuung durch eine andere Person als dem von ihm gewünschten Berufsbetreuer strikt ablehnt, so dass die Bestellung eines anderen Betreuers zu einer gemäß § 1896 Abs. 1 a BGB unzulässigen Zwangsbetreuung führen würde.
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- Es hat jedoch keine tragfähigen Feststellungen dazu getroffen, weshalb der vom Betroffenen gewünschte Betreuer nicht bestellt werden kann.
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- Wird der bisherige Betreuer gemäß § 1908 b Abs. 2 BGB auf seinen Wunsch entlassen, hat die Auswahl des nach § 1908 c BGB zu bestellenden neuen Betreuers gemäß § 1897 BGB zu erfolgen (BayObLG FamRZ 2001, 252). Eine von dem volljährigen Betreuten als Betreuer vorgeschlagene Person kann deshalb nur dann abgelehnt werden, wenn deren Bestellung dem Wohl des Volljährigen zuwiderlaufen würde, § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB. Ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist, lässt sich den Gründen der angegriffenen Entscheidung nicht in ausreichendem Maß entnehmen. Das Beschwerdegericht hält den vom Betroffenen vorgeschlagenen Betreuer zwar zur Übernahme der Betreuung für ungeeignet. Zur Begründung verweist es indes nur auf zwei in anderen Verfahren ergangene Entscheidungen, in denen die Ungeeignetheit des Berufsbetreuers M. J. vom Beschwerdegericht wiederholt festge- stellt worden sei, ohne die maßgeblichen Gründe hierfür näher auszuführen. Auch die weitere Begründung, wonach der Berufsbetreuer M. J. im Umgang mit dem Gericht und anderen Einrichtungen teilweise erhebliche Defizite gezeigt hatte, lässt nicht erkennen, weshalb der vom Betroffenen gewünschte Betreuer zur Übernahme der Betreuung, möglicherweise auch nur in Teilbereichen, ungeeignet ist.
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- 3. Die angefochtene Entscheidung kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Die Sache ist deshalb an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 FamFG). Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
Vorinstanzen:
AG Stralsund, Entscheidung vom 29.01.2016 - 19 XVII 117/12 -
LG Stralsund, Entscheidung vom 09.03.2016 - 8 T 45/16 -

Annotations
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.