Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2016 - XII ZB 313/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Gründe:
I.
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- Der im Jahre 1986 geborene Betroffene leidet unter einer paranoiden Schizophrenie. Außerdem liegt bei ihm Cannabismissbrauch mit Krankheitswert vor. Wegen dieser Erkrankungen war er seit 2009 immer wieder öffentlichrechtlich untergebracht und steht unter anderem in den Bereichen Gesundheitssorge , Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen unter Betreuung. Nachdem er seit dem 1. Februar 2016 erneut auf der Grundlage des Brandenburgischen Psychisch- Kranken-Gesetzes in einer psychiatrischen Klinik untergebracht war, hat sein Betreuer die Genehmigung der zivilrechtlichen Unterbringung des Betroffenen für die Dauer eines Jahres beantragt.
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- Das Amtsgericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten sowie die Stellungnahme des den Betroffenen behandelnden Stationsarztes eingeholt, die den Betroffenen in der Klinik behandelnden Ärzte und den Betroffenen persönlich angehört und mit Beschluss vom 20. Mai 2016 die Unterbringung des Betroffenen bis zum 30. November 2016 betreuungsgerichtlich genehmigt. Der Betroffene hat hiergegen Beschwerde eingelegt, woraufhin die Berichterstatterin der Beschwerdekammer eine telefonische Auskunft des behandelnden Stationsarztes eingeholt hat. Anschließend hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen.
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- Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist schon deshalb aufzuheben, weil - wie die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zutreffend rügt - das Landgericht zu Unrecht entschieden hat, ohne den Betroffenen persönlich anzuhören.
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- 1. Die in § 319 Abs. 1 Satz 1 FamFG enthaltene Verpflichtung des Gerichts , vor der Entscheidung über eine Unterbringungsmaßnahme den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen, besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG auch in einem Unterbringungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen, etwa wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2016 - XII ZB 23/16 - FamRZ 2016, 1354 Rn. 16 f. mwN). Zieht das Beschwerdegericht für seine Entscheidung hingegen eine neue Tatsachengrundlage heran, gebietet dies eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2016 - XII ZB 23/16 - FamRZ 2016, 1354 Rn. 18 mwN).
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- 2. Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht vorliegend rechtsfehlerhaft von der persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen.
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- Das Landgericht hat seine Entscheidung unter anderem mit der Erwägung begründet, die telefonische Auskunft des behandelnden Arztes habe ergeben , dass sich an den grundsätzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand des Betroffenen nichts geändert habe und eine therapeutische Behandlung dringend erforderlich sei. Diese erst am Tag der Beschlussfassung über die Beschwerde eingeholte fachärztliche Einschätzung war mithin Grundlage der rechtlichen Würdigung des Landgerichts, dass auch zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Entscheidung die Tatbestandsvoraussetzungen einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB beim Betroffenen vorlagen. Damit stützte es sich aber entscheidungstragend auf ein anderes Ermittlungsergebnis als das Amtsgericht, so dass die Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nicht gegeben waren.
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- Daran ändert der vom Landgericht angeführte Umstand, dass die Beschwerdekammer den Betroffenen im Rahmen eines anderen Beschwerdeverfahrens am 21. April 2016 persönlich angehört hatte, nichts. Denn diese Anhörung war zeitlich noch vor der erstinstanzlichen Unterbringungsgenehmigung erfolgt und konnte dem Landgericht schon nicht die eigenständige Beurteilung ermöglichen, inwieweit die fachärztliche Stellungnahme vom 1. Juni 2016 zum aktuellen Gesundheitszustand und Behandlungsbedarf des Betroffenen zutreffend war. Dies gilt im Übrigen umso mehr, als der Betroffene seitdem mehr als fünf Wochen stationär behandelt worden war.
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- 3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 FamFG).
- 10
- Die weiteren von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen sind hingegen unbegründet. Von einer weiteren Begründung wird nach § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Vorinstanzen:
AG Brandenburg, Entscheidung vom 20.05.2016 - 82 XVII 337/15 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 01.06.2016 - 11 T 179/16 -
Annotations
(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.