Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2002 - XII ZB 166/99

published on 09/01/2002 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2002 - XII ZB 166/99
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 166/99
vom
9. Januar 2002
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2002 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Dr.
Ahlt und Dr. Vézina

beschlossen:
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 18. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. September 1999 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen. Beschwerdewert: 2.556 ?.

Gründe:


I.

Das am 20. Februar 1994 geborene Kind Vanessa H. ist aus der am 22. April 1996 geschiedenen Ehe des Antragsgegners mit der Antragstellerin hervorgegangen, die das alleinige Sorgerecht innehat, seit Dezember 1996 erneut verheiratet ist und mit ihrem Ehemann den gemeinsamen Ehenamen V. trägt. Aus dieser Ehe stammt die am 22. Mai 1997 geborene Tochter Selina V. . Auf Antrag der Antragstellerin ersetzte das Familiengericht die Einwilligung des Antragsgegners in die Einbenennung des Kindes Vanessa. Auf die Beschwerde des Antragsgegners änderte das Oberlandesgericht den Beschluß des Familiengerichts ab und wies den Antrag der Antragstellerin zurück. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Ohne Erfolg rügt die weitere Beschwerde, dem angefochtenen Beschluû fehle eine ausreichende Entscheidungsgrundlage, weil das Beschwerdegericht den Sachverhalt verfahrensfehlerhaft nicht hinreichend aufgeklärt habe. Es habe die vom Familiengericht unterlassene Anhörung der beteiligten Eltern und des im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung fünfjährigen Kindes nicht mit der Begründung als überflüssig ansehen dürfen, allein aus dem Vortrag der Antragstellerin ergebe sich bereits, daû die begehrte Namensänderung für das Wohl des Kindes nicht erforderlich sei. Zumindest habe das Beschwerdegericht den Antrag nicht zurückweisen dürfen, ohne die Beteiligten zuvor auf die Möglichkeit einer "additiven" Einbenennung nach § 1618 Satz 2 BGB hinzuweisen. 1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, daû die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils in eine Namensänderung nach der Neufassung des § 1618 BGB durch Art. 1 Nr. 7 KindRG nicht mehr schon dann ersetzt werden kann, wenn die Einbenennung dem Wohl des Kindes dient, sondern erst dann, wenn konkrete Umstände vorliegen, die das Kindeswohl gefährden und die Einbenennung daher unerläûlich ist, um Schäden von dem Kind abzuwenden. Die entgegenstehende Auffassung, derzufolge eine dem Kindeswohl dienliche Einbenennung regelmäûig auch erforderlich sei, weil alles, was das Kindeswohl fördere, grundsätzlich Priorität genieûe (vgl. Bäumel/Wax, FamRefK § 1618 BGB Rdn. 7), ist abzulehnen, weil sie der vom Reformgesetzgeber bewuût vorgenommenen Verschärfung der Eingriffsvoraussetzungen und
seiner Absicht, den Schutz der namensrechtlichen Bindung des Kindes zum nicht sorgeberechtigten Elternteil stärker als bisher auszugestalten, zuwiderlaufen würde (vgl. Senatsbeschluû vom 24. Oktober 2001 - XII ZB 88/99 - FamRZ 2002, 94 f. m.N.). Unter Zugrundelegung der in dieser Entscheidung dargelegten Voraussetzungen , unter denen das Familiengericht die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils in die Einbenennung ersetzen kann, ist es im vorliegenden Fall verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, daû das Beschwerdegericht von einer Anhörung des Kindes und seiner Eltern abgesehen hat. Der Sachvortrag der Antragstellerin bot vielmehr eine ausreichende Entscheidungsgrundlage , weil ihm kein Anhaltspunkt für eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls zu entnehmen war, die dem Gericht Anlaû zu weiterer Sachaufklärung hätte geben können. Sämtliche Umstände, die die Antragstellerin zur Begründung des Einbenennungsbegehrens vorgetragen hat, gehen nämlich nicht über das hinaus, was typischerweise die Situation eines Kindes aus geschiedener Ehe kennzeichnet, wenn der sorgeberechtigte Elternteil eine neue Ehe eingeht und den Familiennamen des neuen Ehepartners annimmt:
a) Der gemeinsame Wunsch des sorgeberechtigten Elternteils und seines neuen Ehepartners, das Kind einzubenennen, wird in § 1618 BGB ebenso vorausgesetzt wie die Einwilligung des Kindes selbst, wenn dieses das fünfte Lebensjahr vollendet hat. Dieser Umstand ist daher allein nicht geeignet, zugleich die Erforderlichkeit der Einbenennung für das Kindeswohl darzulegen, die nach § 1618 Satz 4 BGB hinzukommen muû, um die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils ersetzen zu können.
b) Auch der Vortrag der Antragstellerin, das Kind fühle sich geärgert und gehänselt, wenn es im Kindergarten mit seinem derzeitigen Nachnamen ange-
sprochen werde, und leide darunter, einen anderen Namen als den seiner neuen Familie zu führen, kann als zutreffend unterstellt werden, ohne daû sich daraus Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls ergeben, denen das Beschwerdegericht hätte nachgehen müssen. Bloûe Unannehmlichkeiten infolge der Namensverschiedenheit zur Familie des sorgeberechtigten Elternteils können die gedeihliche Entwicklung des Kindes nicht ernsthaft beeinflussen und vermögen daher die Erforderlichkeit einer Namensänderung nicht zu begründen (vgl. OLG Saarbrücken ZfJ 2000, 437, 438 m.N.). Soweit die Antragstellerin geltend macht, für das Kind sei es unverständlich, einen anderen Namen als den seiner neuen Familie führen zu müssen, zeigt dies lediglich auf, daû es der Antragstellerin nicht gelungen oder ihr sogar nicht daran gelegen ist, dem Kind in geeigneter Weise die Gründe für die Namensverschiedenheit und insbesondere die darin zum Ausdruck kommende Verbundenheit mit seinem Vater zu erklären, die ungeachtet der Eingliederung in die neue Familie fortbesteht (vgl. OLG Saarbrücken aaO).
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragstellerin , seit längerem gebe es keinen Besuchskontakt mehr zwischen dem Kind und seinem Vater. Die Aufrechterhaltung der Beziehung des Kindes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ist auch und insbesondere dann für das Wohl des Kindes wichtig, wenn der Kontakt weitgehend abgebrochen ist und durch die Einbenennung als nach auûen sichtbarer endgültiger Ablösung von ihm verfestigt würde (vgl. Senatsbeschluû aaO; OLG Hamm FamRZ 1999, 1380, 1381). 2. Der weiteren Beschwerde ist zwar einzuräumen, daû dem Antrag auf Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung im Rahmen des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit lediglich die Rechtsnatur eines Verfahrensan-
trages, nicht aber eines Sachantrages zukommt, so daû das Gericht vor Ablehnung eines solchen Antrages regelmäûig gehalten ist, die Beteiligten auf die einen milderen Eingriff darstellende Möglichkeit hinzuweisen, den Ehenamen des sorgeberechtigten Elternteils dem bisherigen Namen des Kindes voranzustellen oder anzufügen (additive Einbenennung, § 1618 Satz 2 BGB). Von Amts wegen konnte eine solche Entscheidung indes schon deshalb nicht getroffen werden, weil es sich nicht um ein Weniger gegenüber der beantragten Namensänderung handelt, sondern um ein aliud, das bisher nicht Verfahrensgegenstand war (vgl. OLG Stuttgart OLG-Report 1999, 298, 299). Zudem hätte eine solche Entscheidung erst getroffen werden können, wenn die Antragstellerin und ihr neuer Ehepartner eine solche additive Einbenennung vorgenommen und der Antragsgegner seine Zustimmung hierzu versagt hätte (vgl. Willutzki KindPrax 2000, 76, 78 m.N.). Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles stellt es aber auch keinen Verfahrensfehler dar, daû das Beschwerdegericht nicht den Versuch unternommen hat, auf ein Einvernehmen der Beteiligten mit einer additiven Einbenennung hinzuwirken. Nachdem die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 15. Juli 1999 an das Gericht eingangs erklärt hatte, sie habe sich über die gesetzliche Neuregelung rechtlich beraten lassen, hat sie darin weiter ausgeführt , der Antragsgegner habe nach "sehr unangenehmen und belastenden Auseinandersetzungen" im Anschluû an die Scheidung ein "sehr kleinliches und fast schikanöses Verhalten" gezeigt. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden , daû das Beschwerdegericht daraus geschlossen hat, die Antragstellerin lasse es an der gebotenen Loyalität gegenüber dem Antragsgegner und insbesondere an dem Bemühen fehlen, eine Bereinigung des Verhältnisses zu diesem als Grundlage für einen dem Kind zuträglichen Umgang mit dem An-
tragsgegner herbeizuführen. Dies wird insbesondere aus der Darstellung der Antragstellerin deutlich, das Kind betrachte seinen Vater lediglich als einen Bekannten wie etwa die Geschwister der Antragstellerin auch, wenngleich mit der Besonderheit, daû es mit seiner Mutter früher einmal bei ihm gewohnt habe. Dem Vorbringen der Antragstellerin ist zu entnehmen, daû sie diese Vorstellung des Kindes hinnimmt und als zusätzliches Argument für ihr Begehren anführt, statt sich zu bemühen, diese dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner sozialen Biographie zuwiderlaufende Vorstellung zu korrigieren und ihm die Bedeutung seiner Beziehung zu seinem Vater nahezubringen. Unter diesen Umständen durfte das Beschwerdegericht davon ausgehen , daû es der Antragstellerin in erster Linie darum ging, das fortbestehende Namensband zwischen dem Kind und seinem Vater zu zerschneiden, und daû ihr an einer weniger einschneidenden Regelung, die dieses Namensband weitgehend erhalten hätte, nicht gelegen war. Auch im Interesse des Kindeswohls war es bei dieser Sachlage nicht erforderlich, auf eine Änderung des Antrags hinzuwirken, denn auch eine nur additive Einbenennung hätte die ohnehin durch das Verhalten der Beteiligten gefährdete Bindung des Kindes an den Antragsgegner zusätzlich geschwächt und wäre deshalb für sein Wohl nicht einmal förderlich, solange die Antragstellerin ihrer vorrangigen Aufgabe nicht nachkommt, dem Kind die Verbundenheit mit seinem Vater zu erläutern und diese angemessen zu fördern.
Hahne Sprick Wagenitz Ahlt Vézina
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Der Elternteil, dem die elterliche Sorge für ein Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil zusteht, und sein Ehegatte, der nicht Elternteil des Kindes ist, können dem Kind, das sie in ihren gemeinsamen Haushalt aufgenommen haben, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt ihren Ehenamen erteilen. Sie können diesen Namen auch dem von dem Kind zur Zeit der Erklärung geführten Namen voranstellen oder anfügen; ein bereits zuvor nach Halbsatz 1 vorangestellter oder angefügter Ehename entfällt. Die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens bedarf der Einwilligung des anderen Elternteils, wenn ihm die elterliche Sorge gemeinsam mit dem den Namen erteilenden Elternteil zusteht oder das Kind seinen Namen führt, und, wenn das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat, auch der Einwilligung des Kindes. Das Familiengericht kann die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzen, wenn die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Die Erklärungen müssen öffentlich beglaubigt werden. § 1617c gilt entsprechend.