Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2009 - XII ZB 146/08

published on 14/01/2009 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2009 - XII ZB 146/08
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Amtsgericht Köln, 313 F 338/05, 08/02/2008
Oberlandesgericht Köln, 25 UF 44/08, 27/06/2008

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 146/08
vom
14. Januar 2009
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Beschwer eines zur Auskunft über sein Endvermögen verurteilten Ehegatten
, der u.a. Angaben über Firmenbeteiligungen zu machen hat, die sich auf
einen zwischen zwei Bilanzstichtagen liegenden Zeitpunkt beziehen.
BGH, Beschluss vom 14. Januar 2009 - XII ZB 146/08 - OLG Köln
AG Köln
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2009 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterinnen Weber-Monecke und
Dr. Vézina und die Richter Dose und Dr. Klinkhammer

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 25. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Juni 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: bis 1.500 €.

Gründe:

I.

1
Der im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zugewinnausgleich in Anspruch genommene Beklagte wurde durch Teilurteil des Amtsgerichts verurteilt , der Klägerin durch Vorlage eines vollständigen und geordneten Bestandsverzeichnisses Auskunft zu erteilen über alle Aktiva und Passiva seines Endvermögens zum 10. Februar 2006 sowie die Auskunft hinsichtlich der Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen durch Vorla- ge der geschlossenen Gesellschaftsverträge und der Bilanzen mit Gewinn - und Verlustrechnungen für die Jahre 2001 bis 2005 zu belegen.
2
Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, der von den Parteien geschlossene Ehevertrag, durch den u.a. Gütertrennung vereinbart worden war, sei unwirksam, da die Gesamtheit der einzelnen Regelungen die Klägerin in unangemessener Weise benachteilige, so dass ungeachtet der in den Vertrag aufgenommenen salvatorischen Klausel von einer Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) des gesamten Vertrages auszugehen sei.
3
Die gegen das Teilurteil eingelegte Berufung des Beklagten verwarf das Oberlandesgericht als unzulässig, weil der Wert der Beschwer 600 € nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt.

II.

4
1. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BGHZ 154, 288, 296).
5
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Beschwer des Beklagten ist mit mehr als 600 € zu bewerten.
6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung im Wesentlichen ausgeführt: Der Wert der Beschwer sei nach dem Inte- resse des Beklagten zu bemessen, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Ohne Belang sei dabei, ob die Verurteilung zu Recht erfolgt sei. Das Abwehrinteresse bemesse sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordere, wobei ein gegebenenfalls vorhandenes Geheimhaltungsinteresse zusätzlich zu berücksichtigen sei. Nach dem Vorbringen des Beklagten lägen die zu überlassenden Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen vor; es sei auch bereits eine Zusammenstellung der Strukturen der im Besitz des Beklagten befindlichen Firmenanteile erfolgt. Zwar werde geltend gemacht, die erstellten Übersichten machten nur einen Teil der zu erteilenden Auskunft aus. Es fehle aber jeglicher Anhalt dafür, aus welchen Gründen die Erfüllung der Ausgleichspflicht bezüglich des nicht dargelegten restlichen Teils Kosten von mehr als 600 € verursache. Ein besonderes Geheimhaltungsinteresse sei jedenfalls nicht substantiiert dargelegt worden.
7
3. Gegen diese Beurteilung wendet die Rechtsbeschwerde ein, das Berufungsgericht habe maßgeblichen Vortrag des Beklagten nicht berücksichtigt. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liege darin, dass der Beklagte über umfangreiches Vermögen verfüge, nämlich 11 direkte und/oder indirekte Firmenbeteiligungen , Grundbesitz - teils als Sonderbetriebsvermögen, teils als Privatvermögen - sowie weitere Vermögenswerte in Form von Forderungen und Bankguthaben. Andererseits sei er mit Verbindlichkeiten belastet. Die Erfüllung der Auskunftspflicht erfordere, dass der Beklagte in erheblichem Umfang Aufstellungen anzufertigen und Unterlagen beizubringen habe. Die bereits überreichte Vermögensübersicht stelle keine Erfüllung des Auskunftsanspruchs dar, weil diese in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig sei.
8
Diesem Einwand ist der Erfolg nicht zu versagen.
9
4. a) Zu Recht und in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats, ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, dass sich die Beschwer einer zur Auskunft verurteilten Partei nach deren Interesse richtet, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Für die Bewertung dieses Abwehrinteresses kommt es, soweit ein besonderes Geheimhaltungsinteresse nicht zu erkennen ist, auf den Zeit- und Arbeitsaufwand an, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft verursacht (BGH - GSZ - 128, 85, 87 f.; Senatsbeschluss vom 16. April 2008 - XII ZB 192/06 - FamRZ 2008, 1336 m.w.N.). Zutreffend ist weiterhin, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes nur nach dem Interesse zu bemessen ist, die restliche Auskunft nicht erteilen zu müssen. Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist grundsätzlich der Zeitpunkt seiner Einlegung maßgebend (Senatsbeschlüsse vom 8. Juli 1987 - IVb ZB 73/87 - FamRZ 1988, 156; vom 27. November 1991 - XII ZB 102/91 - FamRZ 1992, 425, 426; Senatsurteile vom 7. April 2002 - XII ZR 267/01 - FUR 2002, 423 und vom 10. Dezember 2008 - XII ZR 108/05 - zur Veröffentlichung bestimmt).
10
b) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass der restliche Teil der Auskunft mit Kosten von mehr als 600 € verbunden sei, ist indessen nicht gerechtfertigt.
11
Der Beklagte hat nach dem Teilurteil Auskunft über alle Aktiva und Passiva seines Endvermögens zum 10. Februar 2006 zu erteilen. Die von seinem Steuerberater angefertigte Übersicht verhält sich dagegen zu dem Vermögen des Beklagten zum 31. Dezember 2006. Dadurch ist die Auskunftspflicht auch nicht teilweise erfüllt worden. Anhaltspunkte dafür, dass das Amtsgericht entgegen der Formulierung im Tenor des Teilurteils die Auskunftspflicht auch für die Vermögensaufstellung auf vollständige Geschäftsjahre bezogen hat, sind nicht ersichtlich. Vielmehr unterscheidet sich die Auskunftspflicht, die auf dem Stich- tag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (10. Februar 2006) bezogen ist, insofern von der Belegpflicht, die die Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen für vollständige Geschäftsjahre umfasst. Diese Differenzierung hat aber notwendigerweise zur Folge, dass der Beklagte die zusammenzustellenden Vermögenswerte nicht ohne weiteres den Bilanzen entnehmen kann, weil die Angaben für einen zwischen zwei Bilanzstichtagen liegenden Zeitpunkt zu machen sind.
12
Dass der Beklagte angesichts des Umfangs seiner Firmenbeteiligungen und seines sonstigen Vermögens - die Aktiva sind zum 31. Dezember 2006 mit mehr als 30 Mio. € beziffert worden - für die danach geschuldete Auskunft, wie er geltend macht, sachkundiger Hilfe, nämlich derjenigen eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers bedarf, liegt auf der Hand. Nach dem weiteren Vortrag des Beklagten hat sein Steuerberater nach einer zweistündigen Vorbesprechung für die bisher gefertigte Zusammenstellung der Unterlagen weitere fünf Stunden benötigt. Entsprechender Zeit- und Kostenaufwand fällt zumindest für die teilweise noch nicht erteilte Auskunft an. Selbst wenn für den Steuerberater nicht ein Stundensatz von 200 €, sondern mit der Rechtsbeschwerde lediglich ein solcher von 150 € angesetzt wird, übersteigt die Beschwer bereits den Betrag von 600 €. Dazu kommt noch der Aufwand für das Anfertigen von Kopien von 55 Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen (5 Jahre x 11 Firmenbeteiligungen ) sowie von 11 Gesellschaftsverträgen. Darüber hinaus ist auch der eigene Zeiteinsatz des Beklagten zu bewerten (vgl. BGH Urteil vom 7. März 2001 - IV ZR 155/00 - BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 47; Senatsbeschluss vom 21. Juni 2000 - XII ZB 12/97 - FamRZ 2001, 1213, 1214).
13
Insgesamt kann es danach nicht zweifelhaft sein, dass die für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Beschwer erreicht ist, ohne dass es noch darauf ankommt, ob ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Beklagten vorliegt. Hahne Weber-Monecke Frau Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Vézina ist krankheitshalber an der Unterschrift verhindert. Hahne Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 08.02.2008 - 313 F 338/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 27.06.2008 - 25 UF 44/08 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
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Annotations

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Kommt es nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Wert des Streitgegenstandes, des Beschwerdegegenstandes, der Beschwer oder der Verurteilung an, so gelten die nachfolgenden Vorschriften.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Ist der Güterstand beendet oder hat ein Ehegatte die Scheidung, die Aufhebung der Ehe, den vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft oder die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft beantragt, kann jeder Ehegatte von dem anderen Ehegatten

1.
Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangen;
2.
Auskunft über das Vermögen verlangen, soweit es für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgeblich ist.
Auf Anforderung sind Belege vorzulegen. Jeder Ehegatte kann verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses zugezogen und dass der Wert der Vermögensgegenstände und der Verbindlichkeiten ermittelt wird. Er kann auch verlangen, dass das Verzeichnis auf seine Kosten durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.

(2) Leben die Ehegatten getrennt, kann jeder Ehegatte von dem anderen Ehegatten Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangen. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.