Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juni 2008 - X ZR 124/06

published on 11/06/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juni 2008 - X ZR 124/06
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Bundespatentgericht, 2 Ni 10/05, 06/07/2006

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 124/06
vom
11. Juni 2008
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 11. Juni 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Keukenschrijver, Prof.
Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

beschlossen:
Das Gesuch der Klägerin, den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. habil. S. H. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird für begründet erklärt.

Gründe:


1
Das zulässige Ablehnungsgesuch der Klägerin ist begründet.
2
Nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände gründen , die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Sen.Urt. v. 15.5.1975 - X ZR 52/73, GRUR 1975, 507 - Schulterpolster; Sen.Beschl. v.
13.1.1987 - X ZR 29/96, GRUR 1987, 350 - Werkzeughalterung; Sen.Beschl. v. 4.12.2001 - X ZR 199/00, GRUR 2002, 369 - Sachverständigenablehnung I; Sen.Beschl. v. 28.10.2003 - X ZR 274/02, Mitt. 2004, 234; BGH, Beschl. v. 15.3.2005 - VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869). Solche Umstände können sich unter anderem daraus ergeben, dass der Sachverständige in näheren Beziehungen zu einer der Parteien steht (Sen.Beschl. v. 23.10.2007 - X ZR 100/05, GRUR 2008, 191 Tz. 5 - Sachverständigenablehnung II).
3
Der Sachverständige ist Miterfinder des Gegenstands eines deutschen Patentes, das von den Miterfindern auf die G. GmbH, ein der Beklagten konzernverbundenes Unternehmen, übertragen worden ist. Unter Beanspruchung der Priorität der betreffenden Patentanmeldung hat die Gesellschaft auch ein europäisches Patent angemeldet. Sie vermarktet die Erfindung und zahlt dem Sachverständigen, wie dieser in seiner Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch angegeben hat, hierfür eine Vergütung. Der Sachverständige hat ferner auf von der G. GmbH veranstalteten Workshops vorgetragen, in einer von der Gesellschaft herausgegebenen Zeitschrift publiziert und ist von ihr beim Druck seiner Dissertation unterstützt worden. Aus diesen Umständen ergibt sich ein über übliche berufliche Kontakte hinausgehendes Näheverhältnis des Sachverständigen zu einer der Beklagten verbundenen Gesellschaft, das aus der Sicht der Klägerin Zweifel an der Unbefangenheit des Sachverständigen wecken kann.
Melullis Keukenschrijver Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 06.07.2006 - 2 Ni 10/05 (EU) -
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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Der A
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Annotations

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.