vorgehend
Landgericht Wuppertal, 9 T 63/19, 02.07.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 329/19
vom
19. August 2019
in der Sache
ECLI:DE:BGH:2019:190819BXARZ329.19.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. August 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Landgericht Wuppertal.

Gründe:


I. Der Vollstreckungsschuldner wurde mit Schreiben des Gerichtsvoll1 ziehers vom 4. Juli 2018 zur Abgabe der Vermögensauskunft geladen. Dem Vollstreckungsauftrag der Zentralen Zahlstelle Justiz des Landes NordrheinWestfalens (Vollstreckungsbehörde) lagen Gerichtskostenforderungen aus vier Verfahren zu Grunde, nämlich des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Az. 5 L 1651/17), des Landgerichts Wuppertal und zweier amtsgerichtlicher Verfahren. Mit einer als "Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 167 VwGO i.V.m. § 767 ZPO" bezeichneten Eingabe hat der Vollstreckungsschuldner beim Verwaltungsgericht Düsseldorf beantragt, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Dies hat er unter anderem damit begründet, dass er über die Kostenforderungen bislang keine Rechnungen erhalten habe und ihm gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger Ansprüche auf Rückzahlung zustünden. Nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten hat das Verwaltungsgericht
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Düsseldorf den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und die Verfahren an das Landgericht Wuppertal verwiesen, da dieses Gericht "aus Gründen der Prozessökonomie und dem Gebot einer einheitlichen Entscheidung über den Vollstreckungsauftrag" einheitlich zuständig sein "dürfte".
Das Landgericht Wuppertal hat das Verfahren hinsichtlich der einzelnen, der Vollstreckung zugrundeliegenden Kosten getrennt und die Verfahren wegen der sich aus den amtsgerichtlichen Verfahren ergebenden Forderungen an das jeweilige Amtsgericht verwiesen. Nach Anhörung der Parteien hat sich das Landgericht Wuppertal hin3 sichtlich des Kostenansatzes aus dem Verfahren des Verwaltungsgerichts Düsseldorf für unzuständig erklärt und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36
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Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen. 1. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiede5 ner Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss , mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine regelmäßig deklaratorische Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017 - X ARZ 326/17, NJW-RR 2018, 250 Rn. 7; Beschluss vom 11. Juli 2017 - X ARZ 76/17, WM 2017, 1755 Rn. 4 mwN). So liegt der Fall hier. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Landgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
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2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, NJW-RR 2018, 250 Rn. 8; Beschluss vom 29. April 2014 – X ARZ 172/14, NJW 2014, 2125 Rn. 7 mwN). 3. Zuständiges Gericht ist das Landgericht Wuppertal. Seine Zustän7 digkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des rechtskräftigen Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den
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zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend (BGH, WM 2017, 1755 Rn. 8; NJW 2014, 2125 Rn. 9). So verhält es sich hier, denn eine Beschwerde nach § 146 VwGO an das Oberverwaltungsgericht (vgl. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG) ist innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingelegt worden.
b) Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch ein
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Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als der Entscheidung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechts- wegs ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die Verweisung nicht nur bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), sondern auch der Überprüfung im Rechtsmittelzug entzogen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Demgegenüber kann die Frage des Rechtswegs im Rechtsmittelzug - uneingeschränkt - überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht rechtsmittelführenden Partei an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegehrens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, sondern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungs10 bereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidung geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen , sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2018 - X ARZ 482/18, NJOZ 2019, 487 Rn. 12; Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 12).
c) Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob Ausnahme11 fälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung zu verneinen ist und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Eine Durchbrechung der Bindungswirkung kommt allenfalls bei, wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372), "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, Beschluss vom 16. April 2019 – X ARZ 143/19, ZInsO 2019, 1260 Rn. 13; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017 - X ARZ 326/17, NJW-RR 2018, 250 Rn. 19 mwN).
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d) Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Einwendung, dass dem Vollstreckungsschuldner keine Rechnungen
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zugegangen seien, richtet sich gegen die Verpflichtung zur Duldung der Zwangsvollstreckung (NK-GK/Giers, 2. Aufl. (2017), § 8 JBeitrO, Rn. 4). Diese ist nach den Vorschriften über Erinnerungen gegen den Kostenansatz geltend zu machen (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrG). Über Erinnerungen des Kostenschuldners gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind (§ 66 Abs. 1 Satz 1 GKG). Hinsichtlich der Kostenforderung aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist dies das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Die Einwendung, dem Vollstreckungsschuldner stünden noch (zur Auf14 rechnung gestellte) Ansprüche auf Rückzahlung gegen den Vollstreckungsgläubiger zu, ist hingegen im Verfahren nach § 66 GKG über die Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrG sowohl aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren als auch aus den drei Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit unzulässig, da die Gegenforderung weder anerkannt noch rechtskräftig festgestellt war (BGH, Beschluss vom 25. September 2008 – III ZR 198/05, juris; Zimmermann/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl. (2019), § 8 JBeitrG, Rn. 2), so dass insoweit auch eine einheitliche Entscheidung in Betracht kam, zumal der Antrag des Vollstreckungsschuldners dahin ging, die "Zwangsvollstreckung vom 4. Juli 2018" für unzuläs- sig zu erklären, und er mithin die Aufhebung der Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft erreichen wollte.
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Von daher handelt es sich bei dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, mit dem dieses den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit verwiesen hat, jedenfalls nicht um eine objektiv willkürliche Entscheidung , die zu einer Durchbrechung der Bindungswirkung des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG Anlass geben könnte. Als Folge der Bindungswirkung sind Nachteile, die mit der Behandlung einer Sache vor dem Gericht eines an sich unzuständigen Rechtswegs verbunden sind, hinzunehmen, wobei das Verwaltungsgericht gegebenenfalls die erforderliche Amtshilfe zu leisten hat (Art. 35 Abs. 1 GG).
Meier-Beck Grabinski Hoffmann
Kober-Dehm Marx
Vorinstanz:
LG Wuppertal, Entscheidung vom 02.07.2019 - 9 T 63/19 -

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.

(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

(1) Nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses wird der Rechtsstreit mit Eingang der Akten bei dem im Beschluß bezeichneten Gericht anhängig. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben bestehen.

(2) Wird ein Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen, so werden die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten behandelt, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

(3) Absatz 2 Satz 2 gilt nicht in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Tenor

Zuständiges Gericht ist das Landgericht Mönchengladbach.

Gründe

1

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Feststellung der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, auf Erteilung von Gehaltsabrechnungen sowie auf Zahlung von Vergütung und Entschädigung aufgrund vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Anspruch.

2

Die Beklagte erwarb von der Klägerin deren unter der Geschäftsbezeichnung E.          geführtes einzelkaufmännisches Unternehmen. Ferner schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag, nach dem die Klägerin im Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entschädigung erhalten sollte, die sich ratierlich pro beschäftigten Monat verringerte. Die Klägerin erbrachte Arbeitsleistungen. Die Beklagte erklärte schließlich den Rücktritt vom Unternehmenskauf- und Arbeitsvertrag.

3

Im Verfahren vor dem von der Klägerin angerufenen Arbeitsgericht Mönchengladbach haben die Parteien am 7. Juni 2016 einen Teilvergleich geschlossen. Der Beklagten blieb vorbehalten, "beim Landgericht möglicherweise bestehende Schadensersatzansprüche bzw. Aufwendungsersatzansprüche bezogen auf das vorliegende Arbeitsverhältnis im Rahmen der Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrags geltend zu machen". Insoweit haben sich die Parteien im Vergleich mit einer Verweisung an das Landgericht Mönchengladbach einverstanden erklärt.

4

Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat sich am Ende des Termins mit in Anwesenheit der Parteien verkündetem Kammerbeschluss für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche an das Landgericht Mönchengladbach als sachlich zuständiges Gericht verwiesen.

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Nach Anhörung der Parteien hat das Landgericht Mönchengladbach die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

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II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen.

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1. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2017 - X ARZ 76/17, WM 2017, 1755 Rn. 4; Beschluss vom 29. April 2014 - X ARZ 172/14, NJW 2014, 2125 Rn. 5; Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 5 mwN). So liegt der Fall hier. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.

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2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, WM 2017, 1755 Rn. 6; NJW 2014, 2125 Rn. 7 mwN).

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3. Zuständiges Gericht ist das Landgericht Mönchengladbach. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des rechtskräftigen Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.

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a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend (BGH, WM 2017, 1755 Rn. 8; NJW 2014, 2125 Rn. 9; MDR 2013, 1242 Rn. 9).

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b) Die Verweisung an das Landgericht Mönchengladbach ist unanfechtbar geworden. Eine Beschwerde nach § 78 ArbGG in Verbindung mit § 567 ZPO an das Landesarbeitsgericht (vgl. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG) kann innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingelegt werden; die Parteien haben wirksam darauf verzichtet.

12

Ob ein Verzicht vorliegt, ist durch objektive Auslegung der Erklärung zu ermitteln. Dabei ist wegen seiner weitreichenden Wirkungen Zurückhaltung geboten, insbesondere bei der Annahme eines konkludenten Verzichts. Ein Rechtsmittelverzicht ist nur dann anzunehmen, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck kommt, die Entscheidung endgültig hinnehmen und nicht anfechten zu wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2006 - VI ZB 65/05, NJW 2006, 3498 Rn. 8).

13

Indem die Parteien im Vergleich vom 7. Juni 2016 vor dem Arbeitsgericht jedoch erklärt haben, mögliche - nicht vom Teilvergleich umfasste - Ansprüche vor den Zivilgerichten weiter zu verfolgen, haben sie zum Ausdruck gebracht, die Entscheidung als endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen. Eine Erledigung des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits durch den Teilvergleich setzte zwingend voraus, dass die Parteien die Verweisung endgültig hinnehmen und nicht mehr anfechten wollten.

14

c) Dieser Beurteilung steht im Streitfall nicht entgegen, dass der Rechtsmittelverzicht bereits vor dem Erlass der betroffenen Entscheidung erklärt wurde. Der Verzicht ist Prozesshandlung und kann sowohl vor als auch nach Erlass der betroffenen Entscheidung abgegeben werden (vgl. BeckOK ZPO/Wulf, 26. Edition, § 515 Rn. 3-4; MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 515 Rn. 8). Für den Zeitraum nach dem Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes zum 1. Januar 2002 folgt dies für das Rechtsmittel der Berufung aus der Streichung der noch in § 514 ZPO aF enthaltenen Beschränkung auf nach Erlass des Urteils erklärte Verzichte in § 515 ZPO und allgemein für gegen zivilgerichtliche Urteile gerichtete Rechtsmittel aus § 313a Abs. 2, Abs. 3 1. Halbsatz ZPO.

15

Für das Urteilsverfahren und das Beschlussverfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz, bei denen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Berufung nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG bzw. § 64 Abs. 6 Satz 1, § 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG entsprechend gelten, gilt nichts anderes (vgl. BAG, Beschluss vom 8. September 2010 - 7 ABR 73/09, NZA 2011, 934 Rn. 31 f. mwN).

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Zwar wird teilweise vertreten, dass ein Rechtsmittelverzicht für der Beschwerde unterliegende Entscheidungen gegenüber dem Gericht vor deren Erlass nach allgemeinen Grundsätzen des Rechtsmittelrechts nicht möglich sei (vgl. für die Streitbeschwerde, OLG Celle, Beschluss vom 17. November 2005 - 3 W 142/05, juris Rn. 10; OLG Köln, Beschluss vom 18. November 1999 - 12 W 56/99, juris Rn. 20; MünchKomm.ZPO/Lipp, 5. Aufl., § 567 Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber ein im Wege eines Vergleichs erklärter Rechtsmittelverzicht wirksam, denn Parteien eines Rechtsstreits können materiell-rechtlich bindende Vereinbarungen über einen Rechtsmittelverzicht treffen (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - VII ZR 248/11, IBRRS 2013, 464). Im Streitfall konnten die Parteien jedenfalls vor dem in Rede stehenden Verweisungsbeschluss in dem geschlossenen Vergleich auf das Rechtsmittel verzichten.

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d) Der Rechtsmittelverzicht in Form einer gegenüber dem Gericht abgegebenen Erklärung führt die formelle Rechtskraft der betroffenen Entscheidung herbei (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 1988 - II ZR 334/87, NJW 1989, 170; MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 515 Rn. 16 mwN; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 705 Rn. 9) und ist von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 12. März 2002 - VI ZR 379/01, NJW 2002, 2108, 2109; Beschluss vom 1. April 1958 - VIII ZR 191/57, NJW 1958, 868). Ist ein allseitiger Rechtsmittelverzicht bereits im Vorfeld einer Entscheidung erklärt, erwächst die Entscheidung mit ihrem Erlass in Rechtskraft (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 14. Aufl., § 515 Rn. 8; Prütting/Gehrlein/Lemke, ZPO, 8. Aufl., § 515 Rn. 12).

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4. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist grundsätzlich kein Raum (BGH, WM 2017, 1755 Rn. 9; NJW 2014, 2125 Rn. 12). Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs ist allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen (BGH, MDR 2013, 1242 Rn. 12).

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5. Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung zu verneinen ist. Diese Frage bedarf auch im Streitfall keiner Entscheidung. Eine Durchbrechung der Bindungswirkung kommt allenfalls bei, wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372), "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, NJW 2014, 2125 Rn. 13 mwN).

20

a) Ein derart krasser Rechtsfehler ist im Streitfall nicht gegeben. Das Arbeitsgericht hat ersichtlich und vertretbarerweise angenommen, dass es sich bei den nicht vom Teilvergleich umfassten Forderungen der Klägerin ungeachtet ihrer "Einkleidung" in den Arbeitsvertrag um solche aus dem Kaufvertrag handelt.

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b) Einen die Bindungswirkung beseitigenden extremen Rechtsverstoß stellt es auch nicht dar, dass der Verweisungsbeschluss entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG nicht begründet ist. Eine fehlende Begründung rechtfertigt eine Durchbrechung der Bindungswirkung jedenfalls dann nicht, wenn sich der Verweisungsgrund - wie im Streitfall - aus der Akte ergibt (BAG, Beschluss vom 4. September 1995 - 5 AS 14/95, juris Rn. 16).

Meier-Beck     

      

Gröning     

      

Grabinski

      

Bacher     

      

Marx     

      

4
1. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss , mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschluss vom 29. April 2014 - X ARZ 172/14, NJW 2014, 2125 Rn. 5; Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 5 mwN).
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2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, aaO Rn. 7 mwN).

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

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Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses - wie hier von der Klägerin - nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen (BGH, aaO Rn. 12).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 167/13
vom
14. Mai 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs ist hinsichtlich
des Rechtswegs für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen
worden ist, bindend und kann nur auf das Rechtsmittel einer Partei überprüft
werden. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich
des § 281 Abs.1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen
anerkannt ist, ist jedenfalls grundsätzlich kein Raum.
BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13 - AG Berlin-Schöneberg
Sozialgericht Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens, die Richter
Gröning und Dr. Bacher und die Richterin Schuster

beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Schöneberg.

Gründe:


I. Der klagende Sozialhilfeträger gewährte einer Hilfeempfängerin Leis1 tungen der Hilfe zur Pflege. Hierzu zahlte er direkt an die Beklagte, die ein Seniorenzentrum betreibt, in dem die Hilfeempfängerin lebte. Nachdem diese verstorben war, forderte der Kläger von der Beklagten anteilige Rückzahlung der geleisteten Beträge. Dem kam die Beklagte nur zum Teil nach. Der Kläger hat wegen eines nach seiner Auffassung offenen Rückzahlungsanspruchs in Höhe von 185 € Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Dieses hat mit unangefochten gebliebenem Beschluss vom 23. Oktober 2012 die Unzulässigkeit des Sozialrechtswegs ausgesprochen und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Schöneberg verwiesen. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 3. April 2013 die Übernahme
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des Verfahrens abgelehnt, da der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig sei, und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es meint, der Verweisungsbeschluss sei nicht bindend, da er sich bei der Auslegung und Verwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entferne, dass er nicht mehr zu rechtfertigen sei.
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II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen. 1. Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bun4 des ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entsprechend anwendbar (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2001 - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3632; vom 30. Juli 2009 - Xa ARZ 167/09, NJW-RR 2010, 209 Rn. 6; vom 9. Dezember 2010 - Xa ARZ 283/10, MDR 2011, 253 Rn. 7; vom 18. Mai 2011 - X ARZ 95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn. 4; BAG, Beschluss vom 19. März 2003 - 5 AS 1/03, BAGE 105, 305; BFH, Beschluss vom 26. Februar 2004 - VII B 341/03, BFHE 204, 413, 416; BVerwG, Beschluss vom 15. April 2008 - 9 AV 1/08, NVwZ 2008, 917). Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener
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Beschluss, mit dem ein Gericht den bestrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann geboten , wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2001, aaO, 3632; vom 13. November 2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713, 714; vom 30. Juli 2009, aaO Rn. 9 und vom 9. Dezember 2010, aaO Rn. 10; BAG, aaO). So liegt der Fall hier. Sowohl das Sozialgericht als auch das Amtsgericht
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haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
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2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, BAG und BVerwG, aaO). 3. Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Schöneberg. Seine Zustän8 digkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des Sozialgerichts nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den
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zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). So verhält es sich hier, denn eine Beschwerde an das Landessozialgericht nach § 172 Abs. 1 SGG ist innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingelegt worden.
b) Auf die ausführlichen Erwägungen des Amtsgerichts dazu, warum
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die Begründung des Sozialgerichts, der Sozialhilfeträger trete der Schuld des Hilfeempfängers gegenüber dem Leistungserbringer in Höhe der durch Bescheid dem Hilfeempfänger gewährten Leistung bei, wodurch der Leistungserbringer einen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung gegen den Sozialhilfeträger erwerbe, der wie der Anspruch zwischen Leistungserbringer und Hilfeempfänger privatrechtlicher Natur sei, es nicht rechtfertige, den mit der Klage geltend gemachten Rückforderungsanspruch als zivilrechtlichen Anspruch zu qualifizieren , kommt es nicht an.
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Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als der Entscheidung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die Verweisung nicht nur bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), sondern auch der Überprüfung im Rechtsmittelzug entzogen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Demgegenüber kann die Frage des Rechtsweges im Rechtsmittelzug - uneingeschränkt - überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht rechtsmittelführenden Partei an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegehrens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, sondern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungs12 bereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen. Ebenso wenig kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, die von der betroffenen Partei nicht mit dem zulässigen Rechtsmittel geltend gemacht worden ist, es rechtfertigen, die Bindungswirkung außer Acht zu lassen (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2003 - X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990).
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c) Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob gleichwohl noch Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung verneint werden kann, und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Jedenfalls kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung , wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372) allenfalls bei "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, Beschlüsse vom 13. November 2001, aaO; vom 8. Juli 2003, aaO, 2991; vom 9. Dezember 2010, aaO Rn. 16; vom 18. Mai 2011, aaO Rn. 9; s. auch BAG, Beschluss vom 12. Juli 2006 - 5 AS 7/06, NJW 2006, 2798 Rn. 5: nur bei "krassen Rechtsverletzungen"). Von einer solchen schwerwiegenden, nicht mehr hinnehmbaren Verletzung der Rechtswegordnung kann im Streitfall angesichts der komplexen, teils dem Sozialrecht, teils dem bürgerlichen Recht angehörenden Rechtsbeziehungen des Dreiecksverhältnisses zwischen den Parteien und der verstorbenen Hilfeempfängerin ersichtlich keine Rede sein.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Bacher Schuster
Vorinstanzen:
Sozialgericht Berlin, Entscheidung vom 02.04.2012 - S 184 SO 1409/12 -
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 03.04.2013 - 6 C 31/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 143/19
vom
16. April 2019
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
ECLI:DE:BGH:2019:160419BXARZ143.19.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. April 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning und Dr. Bacher sowie die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das Arbeitsgericht Hamburg.

Gründe:


I. Die Antragstellerin hat unter Vorlage eines Klageentwurfs Prozess1 kostenhilfe für eine Klage gegen den Antragsgegner beantragt. Der Antragsgegner ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin. Mit der beabsichtigten Klage begehrt sie Zahlung eines Selbstbehalts. Die Antragstellerin betreibt eine Praxis für physikalische Therapie. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gab der Antragsgegner die selbständige Tätigkeit der Antragstellerin nicht frei. Vielmehr zahlte er an die Antragstellerin in den Monaten Januar bis März 2017 und August 2017 jeweils einen Betrag von 1.630 €. Weitere Zahlungen erfolgten bis zum Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht, anschließend setzte er die Zahlungen fort. Erstinstanzlich hat das Landgericht Hamburg nach Anhörung beider Par2 teien den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hamburg als sachlich zuständiges Gericht verwiesen. Hiergegen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt , die er nach richterlichem Hinweis zurückgenommen hat. Das Arbeitsgericht Hamburg hat die Übernahme des Prozesskostenhilfeverfahrens abgelehnt und die Akten dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg zur Bestim-
mung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Oberlandesgericht hat nach Anhörung der Parteien die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36
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Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen. 1. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiede4 ner Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss , mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine regelmäßig deklaratorische Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017 - X ARZ 326/17, NJW-RR 2018, 250 Rn. 7; Beschluss vom 11. Juli 2017 - X ARZ 76/17, WM 2017, 1755 Rn. 4; Beschluss vom 29. April 2014 - X ARZ 172/14, NJW 2014, 2125 Rn. 5; Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 5 mwN). So liegt der Fall hier. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
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2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, NJW-RR 2018, 250 Rn. 8; NJW 2014, 2125 Rn. 7 mwN). 3. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die vorangegangenen
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Entscheidungen über die Zuständigkeit im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens ergangen sind. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ermöglicht die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts auch im Verfahren wegen der Gewährung von Prozesskostenhilfe vor Rechtshängigkeit der Hauptsache, sofern das Verfahren wie hier durch Mitteilung der Antragsschrift an den Gegner in Gang gesetzt worden ist (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2009 - Xa ARZ 167/09, NJW-RR 2010, 209 Rn. 7). 4. Zuständiges Gericht ist das Arbeitsgericht Hamburg. Seine Zustän7 digkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des rechtskräftigen Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Hamburg nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den
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zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend (BGH, WM 2017, 1755 Rn. 8; NJW 2014, 2125 Rn. 9; MDR 2013, 1242 Rn. 9).
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b) Im Prozesskostenhilfeverfahren sind die Rechtsmittelmöglichkeiten eingeschränkt. Beschwerde kann grundsätzlich nur die am Prozesskostenhilfeverfahren beteiligte Partei einlegen (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 127 Rn. 12). Dies ist stets der Antragsteller, der Prozesskostenhilfe begehrt. Hingegen steht dem Antragsgegner im Prozesskostenhilfeverfahren im Allgemeinen kein Beschwerderecht zu. Der Gegner ist nicht Partei des Prozesskostenhilfeverfahrens ; die in diesem Verfahren ergehenden Entscheidungen beeinträchtigen ihn regelmäßig nicht in seinen Rechten. Er wird durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht beschwert. Dies gilt auch für Entscheidungen über die der Prozesskostenhilfeentscheidung vorgelagerte Frage, welches Gericht für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zuständig ist (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - IX ZR 61/15, NJW 2016, 1520 Rn. 6).
c) Die Antragstellerin hat kein Rechtsmittel eingelegt. Die Verweisung
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an das Arbeitsgericht Hamburg ist damit unanfechtbar geworden. Dies gilt auch, obwohl die Anwendung von § 17a GVG im Prozesskos11 tenhilfeverfahren unzulässig ist (vgl. BGH, NJW-RR 2018, 250 Rn. 13; NJW 2016, 1520 Rn. 8 ff.). Landgericht und Arbeitsgericht haben ihre Entscheidungen - wenn auch irrtümlich - ausdrücklich auf § 17a GVG gestützt. Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind gemäß § 17a Abs. 3 GVG bindend. Diese Bindungswirkung gilt zwar nur für das Verfahren über die Gewährung der beantragten Prozesskostenhilfe, nicht auch für ein darauffolgendes Hauptsacheverfahren. Sie stünde auch einer Versagung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit nicht entgegen. Auf Grund der Bindungswirkung ist es dem Arbeitsgericht jedoch verwehrt, die Rechtswegzuständigkeit im Rahmen der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch abweichend zu beurteilen. Es hat deshalb inhaltlich über das Gesuch zu befinden und darf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage nicht wegen fehlender Rechtswegzustän- digkeit verneinen, unabhängig davon, ob die Auffassung des Landgerichts zutreffend ist (BGH, NJW-RR 2010, 209 Rn. 15; Beschluss vom 26. Juli 2001 - X ARZ 132/01, NJW 2001, 3633; BAG, Beschluss vom 27. Oktober 1992 - 5 AS 5/92, NJW 1993, 751, 752). 5. Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob Ausnah12 mefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung zu verneinen ist. Diese Frage bedarf auch im Streitfall keiner Entscheidung. Eine Durch13 brechung der Bindungswirkung kommt allenfalls bei, wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372), "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, NJW-RR 2018, 250 Rn. 19; NJW 2014, 2125 Rn. 13 mwN). In der Sache befindet sich der Rechtsstreit aber noch im Verfahrensstadium der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Da die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nur für das Verfahren über die Gewährung der beantragten Prozesskostenhilfe gilt und nicht auch für ein darauffolgendes Hauptsacheverfahren, liegt im Streitfall jedenfalls kein "extremer Verstoß" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften vor.
Meier-Beck Gröning Bacher
Kober-Dehm Marx
Vorinstanz:
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.01.2019 - 6 AR 23/18 -

Tenor

Zuständiges Gericht ist das Landgericht Mönchengladbach.

Gründe

1

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Feststellung der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, auf Erteilung von Gehaltsabrechnungen sowie auf Zahlung von Vergütung und Entschädigung aufgrund vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Anspruch.

2

Die Beklagte erwarb von der Klägerin deren unter der Geschäftsbezeichnung E.          geführtes einzelkaufmännisches Unternehmen. Ferner schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag, nach dem die Klägerin im Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entschädigung erhalten sollte, die sich ratierlich pro beschäftigten Monat verringerte. Die Klägerin erbrachte Arbeitsleistungen. Die Beklagte erklärte schließlich den Rücktritt vom Unternehmenskauf- und Arbeitsvertrag.

3

Im Verfahren vor dem von der Klägerin angerufenen Arbeitsgericht Mönchengladbach haben die Parteien am 7. Juni 2016 einen Teilvergleich geschlossen. Der Beklagten blieb vorbehalten, "beim Landgericht möglicherweise bestehende Schadensersatzansprüche bzw. Aufwendungsersatzansprüche bezogen auf das vorliegende Arbeitsverhältnis im Rahmen der Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrags geltend zu machen". Insoweit haben sich die Parteien im Vergleich mit einer Verweisung an das Landgericht Mönchengladbach einverstanden erklärt.

4

Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat sich am Ende des Termins mit in Anwesenheit der Parteien verkündetem Kammerbeschluss für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche an das Landgericht Mönchengladbach als sachlich zuständiges Gericht verwiesen.

5

Nach Anhörung der Parteien hat das Landgericht Mönchengladbach die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

6

II. Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen.

7

1. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar. Obwohl ein nach § 17a GVG ergangener und unanfechtbar gewordener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem Gesetz keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine - regelmäßig deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit geboten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2017 - X ARZ 76/17, WM 2017, 1755 Rn. 4; Beschluss vom 29. April 2014 - X ARZ 172/14, NJW 2014, 2125 Rn. 5; Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 5 mwN). So liegt der Fall hier. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.

8

2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, WM 2017, 1755 Rn. 6; NJW 2014, 2125 Rn. 7 mwN).

9

3. Zuständiges Gericht ist das Landgericht Mönchengladbach. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des rechtskräftigen Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.

10

a) Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend (BGH, WM 2017, 1755 Rn. 8; NJW 2014, 2125 Rn. 9; MDR 2013, 1242 Rn. 9).

11

b) Die Verweisung an das Landgericht Mönchengladbach ist unanfechtbar geworden. Eine Beschwerde nach § 78 ArbGG in Verbindung mit § 567 ZPO an das Landesarbeitsgericht (vgl. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG) kann innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingelegt werden; die Parteien haben wirksam darauf verzichtet.

12

Ob ein Verzicht vorliegt, ist durch objektive Auslegung der Erklärung zu ermitteln. Dabei ist wegen seiner weitreichenden Wirkungen Zurückhaltung geboten, insbesondere bei der Annahme eines konkludenten Verzichts. Ein Rechtsmittelverzicht ist nur dann anzunehmen, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck kommt, die Entscheidung endgültig hinnehmen und nicht anfechten zu wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2006 - VI ZB 65/05, NJW 2006, 3498 Rn. 8).

13

Indem die Parteien im Vergleich vom 7. Juni 2016 vor dem Arbeitsgericht jedoch erklärt haben, mögliche - nicht vom Teilvergleich umfasste - Ansprüche vor den Zivilgerichten weiter zu verfolgen, haben sie zum Ausdruck gebracht, die Entscheidung als endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen. Eine Erledigung des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits durch den Teilvergleich setzte zwingend voraus, dass die Parteien die Verweisung endgültig hinnehmen und nicht mehr anfechten wollten.

14

c) Dieser Beurteilung steht im Streitfall nicht entgegen, dass der Rechtsmittelverzicht bereits vor dem Erlass der betroffenen Entscheidung erklärt wurde. Der Verzicht ist Prozesshandlung und kann sowohl vor als auch nach Erlass der betroffenen Entscheidung abgegeben werden (vgl. BeckOK ZPO/Wulf, 26. Edition, § 515 Rn. 3-4; MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 515 Rn. 8). Für den Zeitraum nach dem Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes zum 1. Januar 2002 folgt dies für das Rechtsmittel der Berufung aus der Streichung der noch in § 514 ZPO aF enthaltenen Beschränkung auf nach Erlass des Urteils erklärte Verzichte in § 515 ZPO und allgemein für gegen zivilgerichtliche Urteile gerichtete Rechtsmittel aus § 313a Abs. 2, Abs. 3 1. Halbsatz ZPO.

15

Für das Urteilsverfahren und das Beschlussverfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz, bei denen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Berufung nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG bzw. § 64 Abs. 6 Satz 1, § 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG entsprechend gelten, gilt nichts anderes (vgl. BAG, Beschluss vom 8. September 2010 - 7 ABR 73/09, NZA 2011, 934 Rn. 31 f. mwN).

16

Zwar wird teilweise vertreten, dass ein Rechtsmittelverzicht für der Beschwerde unterliegende Entscheidungen gegenüber dem Gericht vor deren Erlass nach allgemeinen Grundsätzen des Rechtsmittelrechts nicht möglich sei (vgl. für die Streitbeschwerde, OLG Celle, Beschluss vom 17. November 2005 - 3 W 142/05, juris Rn. 10; OLG Köln, Beschluss vom 18. November 1999 - 12 W 56/99, juris Rn. 20; MünchKomm.ZPO/Lipp, 5. Aufl., § 567 Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber ein im Wege eines Vergleichs erklärter Rechtsmittelverzicht wirksam, denn Parteien eines Rechtsstreits können materiell-rechtlich bindende Vereinbarungen über einen Rechtsmittelverzicht treffen (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - VII ZR 248/11, IBRRS 2013, 464). Im Streitfall konnten die Parteien jedenfalls vor dem in Rede stehenden Verweisungsbeschluss in dem geschlossenen Vergleich auf das Rechtsmittel verzichten.

17

d) Der Rechtsmittelverzicht in Form einer gegenüber dem Gericht abgegebenen Erklärung führt die formelle Rechtskraft der betroffenen Entscheidung herbei (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 1988 - II ZR 334/87, NJW 1989, 170; MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 515 Rn. 16 mwN; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 705 Rn. 9) und ist von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 12. März 2002 - VI ZR 379/01, NJW 2002, 2108, 2109; Beschluss vom 1. April 1958 - VIII ZR 191/57, NJW 1958, 868). Ist ein allseitiger Rechtsmittelverzicht bereits im Vorfeld einer Entscheidung erklärt, erwächst die Entscheidung mit ihrem Erlass in Rechtskraft (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 14. Aufl., § 515 Rn. 8; Prütting/Gehrlein/Lemke, ZPO, 8. Aufl., § 515 Rn. 12).

18

4. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist grundsätzlich kein Raum (BGH, WM 2017, 1755 Rn. 9; NJW 2014, 2125 Rn. 12). Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs ist allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen (BGH, MDR 2013, 1242 Rn. 12).

19

5. Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung zu verneinen ist. Diese Frage bedarf auch im Streitfall keiner Entscheidung. Eine Durchbrechung der Bindungswirkung kommt allenfalls bei, wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 - 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372), "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (BGH, NJW 2014, 2125 Rn. 13 mwN).

20

a) Ein derart krasser Rechtsfehler ist im Streitfall nicht gegeben. Das Arbeitsgericht hat ersichtlich und vertretbarerweise angenommen, dass es sich bei den nicht vom Teilvergleich umfassten Forderungen der Klägerin ungeachtet ihrer "Einkleidung" in den Arbeitsvertrag um solche aus dem Kaufvertrag handelt.

21

b) Einen die Bindungswirkung beseitigenden extremen Rechtsverstoß stellt es auch nicht dar, dass der Verweisungsbeschluss entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 GVG nicht begründet ist. Eine fehlende Begründung rechtfertigt eine Durchbrechung der Bindungswirkung jedenfalls dann nicht, wenn sich der Verweisungsgrund - wie im Streitfall - aus der Akte ergibt (BAG, Beschluss vom 4. September 1995 - 5 AS 14/95, juris Rn. 16).

Meier-Beck     

      

Gröning     

      

Grabinski

      

Bacher     

      

Marx     

      

(1) Nach diesem Gesetz werden folgende Ansprüche beigetrieben, soweit sie von Justizbehörden des Bundes einzuziehen sind:

1.
Geldstrafen und andere Ansprüche, deren Beitreibung sich nach den Vorschriften über die Vollstreckung von Geldstrafen richtet;
2.
gerichtlich erkannte Geldbußen und Nebenfolgen einer Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;
2a.
Ansprüche aus gerichtlichen Anordnungen über die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung einer Sache;
2b.
Ansprüche aus gerichtlichen Anordnungen über die Herausgabe von Akten und sonstigen Unterlagen nach § 407a Absatz 5 Satz 2 der Zivilprozessordnung;
3.
Ordnungs- und Zwangsgelder;
4.
Gerichtskosten;
4a.
Ansprüche auf Zahlung der vom Gericht im Verfahren der Prozesskostenhilfe oder nach § 4b der Insolvenzordnung bestimmten Beträge;
4b.
nach den §§ 168d, 292 und 292a des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit festgesetzte Ansprüche;
5.
Zulassungs- und Prüfungsgebühren;
6.
alle sonstigen Justizverwaltungsabgaben;
7.
Kosten der Gerichtsvollzieher und Vollziehungsbeamten, soweit sie selbständig oder gleichzeitig mit einem Anspruch, der nach diesem Gesetz vollstreckt wird, bei dem Auftraggeber oder Ersatzpflichtigen beigetrieben werden;
8.
Ansprüche gegen Beamte, nichtbeamtete Beisitzer und Vertrauenspersonen, gegen Rechtsanwälte, Vormünder, Betreuer, Pfleger und Verfahrenspfleger, gegen Zeugen und Sachverständige sowie gegen mittellose Personen auf Erstattung von Beträgen, die ihnen in einem gerichtlichen Verfahren zu viel gezahlt sind;
9.
Ansprüche gegen Beschuldigte und Nebenbeteiligte auf Erstattung von Beträgen, die ihnen in den Fällen der §§ 465, 467, 467a, 470, 472b, 473 der Strafprozessordnung zu viel gezahlt sind;
10.
alle sonstigen Ansprüche, die nach Bundes- oder Landesrecht im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden können, soweit nicht ein Bundesgesetz vorschreibt, dass sich die Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz oder der Abgabenordnung richtet.

(2) Dieses Gesetz findet auch auf die Einziehung von Ansprüchen im Sinne des Absatzes 1 durch Justizbehörden der Länder Anwendung, soweit die Ansprüche auf bundesrechtlicher Regelung beruhen.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes über das gerichtliche Verfahren finden auch dann Anwendung, wenn sonstige Ansprüche durch die Justizbehörden der Länder im Verwaltungszwangsverfahren eingezogen werden.

(4) Werden zusammen mit einem Anspruch nach Absatz 1 Nummer 1 bis 3 die Kosten des Verfahrens beigetrieben, so gelten auch für die Kosten die Vorschriften über die Vollstreckung dieses Anspruchs.

(5) Nach diesem Gesetz werden auch die Gebühren und Auslagen des Deutschen Patentamts und die sonstigen dem Absatz 1 entsprechenden Ansprüche, die beim Deutschen Patentamt entstehen, beigetrieben. Dies gilt auch für Ansprüche gegen Patentanwälte und Erlaubnisscheininhaber.

(6) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung abweichend von diesem Gesetz zu bestimmen, dass Gerichtskosten in den Fällen des § 109 Absatz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und des § 27 des Gerichtskostengesetzes nach Vorschriften des Landesrechts beigetrieben werden. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst, die Haftung für den Anspruch oder die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung betreffen, sind vom Schuldner gerichtlich geltend zu machen
bei Ansprüchen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4, 6, 7
nach den Vorschriften über Erinnerungen gegen den Kostenansatz,
bei Ansprüchen gegen nichtbeamtete Beisitzer, Vertrauenspersonen, Rechtsanwälte, Zeugen, Sachverständige und mittellose Personen (§ 1 Absatz 1 Nummer 8)
nach den Vorschriften über die Feststellung eines Anspruchs dieser Personen,
bei Ansprüchen nach § 1 Absatz 1 Nummer 9
nach den Vorschriften über Erinnerungen gegen den Festsetzungsbeschluss. Die Einwendung, dass mit einer Gegenforderung aufgerechnet worden sei, ist in diesen Verfahren nur zulässig, wenn die Gegenforderung anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Das Gericht kann anordnen, dass die Beitreibung bis zum Erlass der Entscheidung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt werde und dass die Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien.

(2) Für Einwendungen, die auf Grund der §§ 781bis 784,786 der Zivilprozessordnung erhoben werden, gelten die Vorschriften der §§ 767, 769, 770 der Zivilprozessordnung sinngemäß. Für die Klage ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Vollstreckung stattgefunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 198/05
vom
25. September 2008
in dem Rechtsstreit
Kläger und Erinnerungsführer,
gegen
Beklagter,
- Prozessbevollmächtigte
II. Instanz: Rechtsanwälte -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dörr und Dr. Herrmann, die
Richterin Harsdorf-Gebhardt sowie den Richter Hucke

beschlossen:
Die Erinnerung des Klägers vom 29. August 2008 gegen den Gerichtskostenansatz in dem Verfahren über die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 9. August 2005 - 4 U 401/02-44 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1
Die neuerliche Erinnerung gegen den Kostenansatz für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist zwar zulässig (§ 66 Abs. 1 Satz 1 GKG), jedoch unbegründet.
2
Soweit der Kläger Grund und Höhe des Ansatzes bestreitet, hat der Senat die Einwendungen bereits mit Beschluss vom 22. Februar 2007 zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Anhörungsrüge des Klägers ist erfolglos geblieben (Senatsbeschluss vom 12. Juni 2008).
3
Die nunmehr erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen, die der Kläger aus dem Verfahren IX ZA 21/08 herleiten will, ist gegenüber dem Gerichtskostenansatz unbeachtlich. Sie ist entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrO nur zulässig , wenn die Forderung, mit der aufgerechnet werden soll, anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist (z.B.: BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2008 - IX ZR 52/06 - juris Rn. 2 und vom 24. November 2005 - I ZR 91/04 - juris Rn. 3). Dies ist nicht der Fall.
Schlick Dörr Herrmann
Harsdorf-Gebhardt Hucke

Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 10.06.2002 - 4 O 279/85 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 09.08.2005 - 4 U 401/02-44- -

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.

(2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.

(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Maßnahmen der Bundesregierung nach Satz 1 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben.